Slam-Geschichten, die das Leben schreibt - Sabine Sobotka - E-Book

Slam-Geschichten, die das Leben schreibt E-Book

Sabine Sobotka

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Beschreibung

"Und plötzlich erkennst du in Gesichtern von bisher namenlosen Dichtern, worum´s in deiner Geschichte geht und warum sich die Welt ohne dich anders dreht." Dieses Buch enthält Gedichte über das Leben, geschrieben um auf Poetry Slam - Bühnen vorgetragen und von Menschen gelesen zu werden, die alltagsgeprägte Lyrik schätzen. Die Zwischenräume sind mit humorvollen und nachenklichen Anekdoten rund um die Entstehung der Texte sowie die ersten Eindrücke vom Bühnenleben gefüllt.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Sabine Sobotka

 

 

SLAM-GESCHICHTENDIE DAS LEBEN SCHREIBT

 

Episode 1

 

 

 

12 plus 1 PoetrySlam-Gedichte(und was drumherum geschah)

 

 

 

 

 

 

2. Auflage 2016

Text, Lektorat, Korrektorat: Sabine SobotkaSatz, Grafik und Coverbild: Katrin WeberFotocredits: Herbert Haberler, Helmut Prochart, Christian Schreibmüller

ISBN: 9783754647592veröffentlicht über tolino media

© Sabine Sobotka 2022Alle Rechte vorbehalten.

Abdrucke oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch die Autorin.

 

Inhalt

Vorwort

Ich glaub, ich hab Reimfieber!

Text 1: GROSSE FRAGEN

Mein erstes Mal

„Da fehlt der Beat …!“

Text 2: ICH WILL

Auftritt ohne Socken

Erster Slam – erster Sieg

Text 3: WACHT AUF

Inspiration

Text 4: DIESMAL (KONJUNKTIV-LIEBE)

Warum die Welt Schatzsucher braucht

Text 5: LEHRER SEIN

Black-Out im Dunkeln

Text 6: GESICHTER

Was wäre, wenn …

Text 7: GRAU IST GUT

Prägende Begegnungen

Text 8: WACHGEKÜSST

Angebot vs. Nachfrage

Text 9: SCHÖN UND SCHWER (Eltern sein)

Von Anfängen, Enden und Träumen

Text 10: NUR NOCH EIN JAHR

Unverhofft kommt oft

Text 11: WOFÜR ES SICH ZU LEBEN LOHNT

Weihnachtswunder

Text 12: LIEBES CHRISTKIND

Ich kann auch anders

Text 12 plus 1: GÄNSEBLÜMCHEN

Nachwort

Über die Autorin

 

Vorwort

Und, was hast du gestern Abend gemacht?Ich hatte einen Auftritt.Cool! Bist du Sängerin?Nein.Schauspielerin?Nein.Hast du eine Band?Nein.Ähm…was machst du dann?Ich mach Poetry Slam.Du machst was?Poetry Slam.Nochmal bitte..?„Poh-et-ri-Slämm!“Aha. Klingt anstrengend.

 

Kaum zu glauben: Seit 20 Jahren gibt es Dichterwettstreits im deutschsprachigen Raum – und nach wie vor haben viele Menschen noch nie von Poetry Slam gehört.Na gut, fairerweise hier mein Geständnis: Bis vor zwei Jahren kannte ich diese Kunstform selbst noch nicht. Aber dann hab ich mich verliebt!Hals über Kopf. Crash, Boom, Bang.

In Lyrik- und Prosatexte, die etwa fünf Minuten dauern.In Scheinwerferlicht, kleinere und größere Bühnen, eigenwillige Mikrofonständer.In sämtliche Lampenfiebersymptome von A wie Atemnot bis Z wie Zittern.In den Applaus, der dich auf und von der Bühne trägt.In diesen klitzekleinen Moment, wenn dein Text zu Ende ist aber nur du das weißt und das Publikum immer noch gebannt an deinen Lippen hängt.In die „Slamily“ und Literatur, die so hip geworden ist, dass Jung und Alt sogar Tickets kaufen und vor Lokalen Schlange stehen um live zu erleben, was wir zu sagen haben.Ha – in your face, Netflix und Konsorten: Offline-Entertainment ist wieder in ;-)

Slam-Texte werden ja für Bühnen und den Eigengebrauch geschrieben. Aber warum diese künstliche Verknappung? Wieviel wertvolle Literatur bleibt der Welt da verborgen? Vielleicht wollen unsere Texte ja auch anderswo gelesen werden? Zugegeben, anfangs hab ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Doch ich wurde nach fast jedem Auftritt angesprochen und gefragt: „Kann ich diesen Text bitte irgendwo nachlesen?“

Also gründete ich einen Blog, der sich tatsächlich über Ländergrenzen hinweg zunehmender Beliebtheit erfreute. Und ja, den gibt es noch.

Bei aller Online-Affinität gehöre ich allerdings immer noch einer Generation an, die mit echten Büchern aufgewachsen ist und solche bis heute dem Bildschirmlesen vorzieht.

Die Idee für „Episode 1“ war geboren.Möge die Lesefreude mit dir sein

 

Ich glaub, ich hab Reimfieber!

Ein ganz normaler Tag schien in einen ganz normalen Abend überzugehen. Ich surfte durchs Netz und stolperte über ein neues Video der zurzeit extrem populären deutschen Poetry-Slammerin Julia Engelmann. Muss gestehen, dass mir das Video “One day“, welches zuletzt so gehyped wurde und ich-weiß-nicht-wieviel-Millionen-Klicks auf YouTube bekommen hat, nicht soooo besonders gefallen hat. Trotzdem sah ich mir jetzt das neue Video “Stille Wasser sind attraktiv” an – und war wirklich beeindruckt.

Etwa zwei Stunden später saß ich beim Abendessen. Und während ich so vor mich hin kaute stellte ich fest, dass sich all meine Gedanken zu reimen begannen. Ich legte die Gabel weg, startete den Laptop und fing an zu schreiben.

Dabei dachte ich nicht eine Sekunde nach – es war fast so, als würden die Worte von ganz alleine in die Tasten fließen. Nach 20 Minuten lehnte ich mich zurück und las mir durch, was ich da gerade fabriziert hatte.

Ich glaub das ist gut.Woher kam das jetzt bloß?!Seit wann reime ich?Und ist der Text wirklich gut?

Ich brauchte objektive Meinungen, also schickte ich diese Zeilen an meine zwei liebsten Kritiker mit der Bitte um Feedback. Dann klappte ich den Laptop zu und vergaß das Ganze.

Am nächsten Morgen: Zwei Nachrichten.1) Große Schwester: „DAS IST DER HAMMER!!!!!“2) Schnitzi: „Gefällt mir! Mach ein cooles Video und so dazu!“

 

Du willst wissen, was bei meinem ersten Reimfieber-Anfall herausgekommen ist?Ein Text namens „Große Fragen“…

 

Text 1: GROSSE FRAGEN

Manchmal steckt mein Geist in Schranken,doch bevor ich mich´s versehreimen sich meine Gedankenund ich merk, dass ich drauf stehim Flow zu sein, mich hinzugebeneinfach so an dieses Leben.

Doch ich mach das nicht wie anderehetze nicht von Club zu Bar,schlag mir nicht Nächte um die Ohrendie meisten finden das sonderbar:

“Raus mit dir, du musst doch leben!”,sagen sie und meinen´s gutweil sie nicht verstehen können,dass das jemand nicht gern tut…

…also Party machen, saufen,sich ein zweites Smartphone kaufenum nur ja nichts zu verpassen,sich kein Event entgehen zu lassen!

Ist okay wenn´s dir gefällt,jeder ist sein eigener Held –bei mir sieht´s eben anders ausich bin lieber ruhig zuhaus

und lass meine Gedanken schweifenlass meine Finger durchs Fell meiner Katze streifendenn ich brauch Stille – um den Ruf zu hören,der mich sucht…ihr braucht euch nicht dran stören!

Ich stoß´ dazu, wenn ich soweit binerst geb´ ich mich dem Träumen hin,dem Denken und Philosophierendas ist nichts schwer –ihr könnt´s probieren!

Ich trau mich oft nicht, das zu sagenwas ich wirklich denke weil´snicht zu dem passtwas ihr gern hören wollt, sehen wollt, verstehen wollt.

Denn wer hat heut noch Zeit zum Denken?Soll uns doch die Werbung lenken,uns sagen was wir kaufen sollenegal, ob wir das wirklich wollen.

Wenn´s alle machen, ist´s wohl cool - mich haut das eher nicht vom Stuhl.Ich denk dann meistens „WhatTheF**k?!Was zur Hölle geht hier ab?“

Alle machen nur dasselbeauf der Bühne des Lebens aberist das das Gelbe vom Eioder doch einerlei?Was ist mit den großen Fragen?Was machen wir an schlechten Tagen?

Reicht es wirklich, viel zu feiernum die Zukunft zu verschleiern,die wir vermutlich gar nicht kriegenweil Politiker uns belügenund sich dabei ins Fäustchen lachen,dass wir so dumm sind und mitmachen?

Dass wir ihre Fehler büßenund ihnen die Ärsche küssendafür, dass sie uns ausbeutenich frag mich:Was stimmt nicht mit den Leuten?Warum schreit hier niemand „Nein!“?Muss das alles wirklich sein?

Oder können wir es drehen?Die Welt neu gestaltenund sie so sehenwie sie ist –nämlich ein Geschenk,das wir zum Leben brauchenauch wenn´s dafür keine App gibt.

Macht die Augen auf,seht die Natur –die braucht keine Party,sie ist einfach nur

und zwar so viel weiserals wir es noch sind…wir haben das mal gelerntals Kindaber längst verdrängt,denn was sollen wir schon tunals Einzelpersonen?Also lassen wir es ruhen.

Sollen sich andere doch scherenum die Umwelt und so…doch wenn wir uns nicht wehren,ist das Ende der Shownicht mehr weit.

Dann wird’s knallen - und Facebook wird uns nicht retten.Sollte euch nicht gefallen,also reißt euch von den Ketten

die euren Verstand kontrollieren,ihn auf Sparflamme halten –damit die Großen ihre Macht nicht verlieren,müssen sie euch verwalten.

Wehrt euch dagegensagt endlich „Nein!“,denkt nach, was wirklich zähltund setzt euch dafür ein.

Ich lass das jetzt so stehen…und wenn´s euch gefälltdann sucht mich und lasst uns gehen –gemeinsam verändern wir die Welt.

 

Mein erstes Mal

Ende März entdeckte ich (zufällig?) einen Flyer, auf dem “Open Mic Sessions” an meiner Hochschule beworben wurden. Obwohl es bei diesen monatlichen Treffen ums Musizieren ging, schrieb ich aus Neugier und Übermut ein Mail an die Veranstalter, ob ich dort auch hinkommen dürfte wenn ich, anstatt zu singen, einen Poetry Slam-Text performen wollte. Noch am selben Tag kam eine begeisterte Zusage. Ich war wirklich überrascht.

Mein Kumpel Schnitzi meinte dazu nur: “Kennst du Zeichen? Das ist eines!” Also hieß es jetzt: Text lernen!

Anfang April war es soweit.Hätte mich meine große Schwester an diesem Abend nicht zur moralischen Unterstützung begleitet, ich wäre beinhart sitzen geblieben als mein Name aufgerufen wurde! Mein Herz sprang fast durch den Brustkorb und ich zitterte am ganzen Körper, doch meine Beine nahmen unbeirrt Kurs auf die Bühne.

Challenge Nummer eins: Das Mikrofon.      Ich traute mich nicht mal, es zu berühren, also stand ich da wie angewurzelt und versuchte, dabei halbwegs entspannt zu wirken. Keine Ahnung wie´s tatsächlich aussah – bevor ich länger nachdenken konnte, hörte ich mich schon sprechen.

Mein Blick wanderte durch die Zuschauerreihen und ich stellte fest, dass der ganze Saal an meinen Lippen hing: Kein Getuschel, am-Handy-rumwischen, Rascheln, Sesselrücken,… nichts. Nur meine Stimme und ein Haufen aufmerksamer Augenpaare.

Challenge Nummer zwei: Die Luft. Ich war so nervös und konzentriert, dass ich scheinbar ein paar Mal aufs Ausatmen vergessen hatte, denn mitten im Text hatte ich das Gefühl: „Jetzt kipp´ ich um.“ Interessanterweise bekam das niemand mit – und ich bin auch nicht umgefallen.

Challenge Nummer drei: Das Ende. Ich hatte mir nicht überlegt, was ich machen sollte nachdem ich fertig war. Kopf senken und weggehen? Grinsen und warten? „Danke“ sagen? “Wohoooo, ich lebe noch!” rufen?

Mein Text war zu Ende. Und es war so gespenstisch still im Raum, man hätte eine Stecknadel fallen hören können.      Ich starrte ins Publikum und die Leute starrten zurück. Das Ganze erschien mir wie diese bangen Sekunden zwischen Blitz und Donner, wenn man so lange im Kopf zählt bis es kracht. Ich hielt die Spannung nicht länger aus und entschied mich, ein  “Danke” ins Mikro zu flüstern – denn völlig egal was jetzt passieren sollte, ALLES wäre besser als diese beklemmende Stille.

Es kam Applaus. Es kamen begeisterte Pfiffe. Es kamen Jubelrufe. Personen, die ich nicht kannte, klopften mir auf die Schulter, strahlten mich an und redeten auf mich ein. Meine Schwester hat Tränen in den Augen. Und ich ebenfalls. Gefühls-Cocktail!

Ich ließ mich auf meinen Sessel fallen und zitterte fast mehr als zuvor, aber diesmal vor Erleichterung. Sah mir noch zwei Musikperformances an, beantwortete ein paar Fragen und verließ das Gebäude um gefühlte 10 Zentimeter größer :-)

Fazit: Feuertaufe bestanden!

 

„Da fehlt der Beat …!“

Als bei mir das Reimfieber ausbrach, gab es da gerade seit ein paar Wochen diesen Typen in meinem Leben. Ich war zwar der Meinung, wir wären irgendwie zusammen (zumindest sprach von außen betrachtet nichts dagegen), aber so wie er sich verhielt war ich mir da nicht sicher. Er war seltsam unnahbar. Eben noch hatte er um mich geworben, und jetzt wo ich ihm quasi ins Netz gegangen war, schien sein Interesse schon wieder zu schwinden.

Er redete nicht über Privates, Gefühle, seine Vergangenheit oder seine Familie sondern nur über die Arbeit und Oberflächliches. Naja, dachte ich mir, vielleicht muss er erst auftauen…ich weiß ja nicht, was er erlebt hat, bevor wir uns kennenlernten.

Als ich meinen Mut zusammennahm, ihm „Große Fragen“ zu lesen gab und sogar vortrug, saß er da, hörte zu, schwieg eine Weile und meinte dann:       „Da fehlt der Beat, find´ ich.“

Ich erklärte ihm, dass das Poesie sei und kein Hip Hop. Dass es um den Text ginge und nicht um den Hintergrundsound. Für ihn als Schlagzeuger schwer zu begreifen, und ich, die zu diesem Zeitpunkt noch total unsicher war, ob das was ich da machte „etwas kann“, konnte seinem Feedback wenig Positives abgewinnen.

Er musste an diesem Abend arbeiten. Ich saß daheim und tat, was ich meistens tat: Mir Gedanken machen. Über das Leben. Und darüber, was ich eigentlich wollte.

Da kam der nächste Fieberschub…

 

Text 2: ICH WILL

Diese unsichtbaren Mauern!Ständig laufe ich dagegen…Dämonen scheinen drauf zu lauerndass ich versuch, mich zu bewegen

auf unbekanntes Land,das mehr Lebendigkeit verspricht.Komm schon, gib mir deine Handschau mir einfach ins Gesicht!

---ENDE DER LESEPROBE---