Småland Aus dem Leben einer jungen Bäuerin - Gunar van Wijk - E-Book

Småland Aus dem Leben einer jungen Bäuerin E-Book

Gunar van Wijk

0,0

Beschreibung

Dieser historische Roman handelt von einer jungen Schwedin, die Mitte des 19. Jahrhunderts in einer armen Bauernfamilie aufwächst. Die Zeit ist geprägt durch Armut und Hungersnöte vieler Bauern, die dem kargen Boden Smålands etwas abgewinnen wollen. In dieser schweren Zeit muss sie schon in jungen Jahren viel Verantwortung für sich und ihre Familie übernehmen. Ein Lichtstreif am Horizont ist die Freundschaft und Liebe zu einem jungen Schweden. Über zwei Jahre hin können wir mitverfolgen, wie sie ihr Leben in dieser schicksalsschweren Zeit zu meistern versucht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 161

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Småland

Aus dem Leben einer jungen Bäuerin

van Wijk, Gunar

Impressum

© 2023 Gunar van Wijk

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 9783738612851

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt

Winter 1864/1865

Eine Familie in Not

Ihre Mutter lag im Halbdunkel der Kammer. Svea saß neben ihr und hielt ihre Hand. Wenn die Wehen wieder einsetzten, drückte sie fester zu und half ihr mit dem Kissen, um ihr besseren Halt zu geben. Auch strich sie der Mutter den Schweiß von der Stirn. Der Ofen wummerte gegen die Eiseskälte, die das ganze Land seit Tagen überzogen hatte. Schneekristalle stoben in Wellen knisternd gegen die Eisblumen am Fenster und der Sturm sang sein Klagelied im Kamin und mischte sein Heulen mit dem leisen Wimmern der Mutter. Birgitta war eine tapfere Frau, früh verheiratet und schon mit drei Kindern gesegnet, zählt man die zwei nicht hinzu, die Gott gleich wieder zu sich genommen hatte. Svea war die älteste mit ihren fünfzehn Jahren. Jetzt, da die Mutter schon seit Tagen das Bett nicht mehr verlassen hatte, musste sie sich um alles kümmern. Ihre jüngeren Geschwister sollten die Kammer nicht betreten. Sie waren noch zu jung, um die Mutter so sehen zu dürfen, geschweige denn bei der Geburt dabei sein zu können. So saßen sie in der Stube nebenan, der einzigen, die als Küche und Wohnkammer diente, sah man von einer weiteren kleinen Kammer ab, in denen die Kinder schliefen. Sie saßen da, dicht aneinander geschmiegt, schauten zur Türe und zum Fenster und lauschten, ob nicht bald der Vater heimkehrte. Der Sturm fuhr zum wiederholten Male ins Gebälk. Es schien fast so, als wollte er seine ganze Kraft an der Hütte erproben, als wollte er wissen, wie gut Johan einst die Balken ineinander gefügt hatte. Ach, wenn doch nur bald der Vater käme! Er war schon früh am Morgen aufgebrochen, um in Trehörna nach der Hebamme zu fragen. Doch dann kam der Schneesturm und nun lag der Weg tief verschneit. Mit Einbruch der Dunkelheit verebbte der Sturm schließlich. Von Johan aber keine Spur! Svea hatte schon zum wiederholten Male Holz nachgelegt. Als die Mutter vor Erschöpfung eingeschlafen war, nutzte sie die Gelegenheit, um nach den Geschwistern zu schauen und ihnen das Abendbrot zu reichen: Eine Schale Milch von der Ziege und einen Kanten hartes Brot. Während die beiden Geschwister das Brot in die warme Milch tauchten und es mit Heißhunger verzehrten, nahm Svea den Holzkorb und ging damit zur Türe. „Wo willst du hin, Svea? Du gehst doch nicht auch noch weg! Und wo bleibt Vater? Und was ist mit Mutter?“ Mit ängstlichen Blicken schauten sie zu ihrer Schwester herüber, die sich gerade die dicke Lodenjacke umgelegt hatte. „Macht euch keine Sorgen, ich hole nur Holz aus dem Schuppen. Vater ist bestimmt bald zurück. Und Mutter schläft. Seid schön still! Es geht ihr gut, sie braucht nur Ruhe. Bald werdet ihr ein Geschwisterchen haben. Und bestimmt träumt Mutter davon.“ Die Kinder schauten sie gedankenverloren an, um dann den Rest aus ihren Tellern zu löffeln. „Gibt es noch mehr? Wir haben noch Hunger!“ – „Heute nicht mehr, aber morgen. Das Brot ist knapp und Lise gibt gerade nicht so viel Milch. Am besten, ihr geht gleich schlafen. Wenn ihr morgen Früh aufwacht, habe ich neues Brot gebacken und Lise gemolken.“ Svea wusste allerdings selbst nicht so recht, ob sie da etwas versprach, was sie womöglich nicht halten konnte. Auch sie machte sich im Stillen Sorgen. Der Vater hätte eigentlich schon längst zurück sein müssen. Jakob mit seinen acht Jahren war schon einigermaßen verständig und half seiner zweijährigen Schwester von der Holzbank herunterzusteigen. Gemeinsam begaben sie sich in die Schlafkammer und legten nur schnell ihre Oberkleider ab, um dann in das Strohlager zu schlüpfen. Sie schmiegten sich dicht aneinander. Wenn in der Nacht das Feuer im Ofen erlosch, dann wurde es kalt, so kalt, dass manchmal das Wasser in der Waschschüssel gefror. Als Svea die schwere Dielentüre öffnete, schlug ihr die eiskalte Luft entgegen. Behände ergriff sie den Korb und die Stalllaterne und stapfte damit durch den Schnee hinüber zum Holzschuppen.

Auf halbem Wege blieb sie unvermittelt stehen. So sehr sie auch ihren sorgenvollen Gedanken nachhing, diesem Anblick konnte sie sich doch nicht entziehen: Wie schön erglänzten die Sterne und welche Ruhe strahlten sie aus! „Ach, lieber Gott, lass nur den Vater rechtzeitig heimkehren!“ dachte sie. Sie erwachte aus ihren Gedanken, als sie in der Ferne am Waldrand einen schwachen Lichtschein erblickte. Sie stellte den Korb ab und lief schnell den Hügel hinauf, um besser sehen zu können: Ja, da war es wieder, das Licht! Es konnte womöglich ihr Vater sein! Svea hob die Laterne in die Höhe und schwenkte sie ein wenig hin und her. Das Licht in der Ferne schien sich ebenfalls zu bewegen, es schien ihr zu antworten. Für einen Augenblick überlegte sie, ob sie nicht einfach hinunterlaufen sollte, doch schien ihr der Ort viel zu weit abgelegen zu sein, als dass sie einfach, ohne die Mutter zu fragen, dorthin eilen durfte. Sie lief also zur Hütte zurück und begab sich leise in die Kammer, in der die Mutter lag. Diese hatte ihre Augen ein wenig geöffnet und schaute müde zu ihrer Tochter herüber. „Mutter“, flüsterte Svea, „ich habe vielleicht den Vater gesehen, unten am Wald, da war ein Licht. Ich könnte nachschauen gehen. Ich will dich aber auch nicht allein lassen jetzt, …“ – „Geh nur, Svea, wenn‘s der Vater ist, so lauf nur schnell, ich komme derweil zurecht!“ Die Mutter winkte Svea zu sich und hielt ihr für einen Moment die Hand: „Nur, pass auf dich auf, es ist so kalt draußen und der Weg gewiss vom Schnee verweht!“ Svea drückte noch einmal sanft die Hand der Mutter. „Ja, Mutter, ich will gleich zurück sein und dann hoffentlich den Vater bei mir haben!“ Mit diesen Worten eilte sie in die Stube zurück und wollte schon nach draußen, als sie noch einmal kehrtmachte, um nach den Geschwistern zu schauen. Sie verharrte einen Augenblick an der Türe zur Schlafkammer, bis sie das leise, gleichmäßige Atmen der Kinder vernahm. Nun war an ein Halten nicht mehr zu denken: Schnell eilte sie nach draußen und lief noch einmal den Hügel hinauf. Der Lichtschein in der Ferne war noch immer zu sehen, an der gleichen Stelle wie zuvor. Sollte sie wohl besser den Schlitten nehmen? Damit könnte sie bergab schneller vorankommen. Sie holte also den Schlitten und machte sich eilends auf den Weg. Glücklicherweise war der Schnee an seiner Oberseite hart gefroren, so dass sie nur selten darin einbrach. Wäre es nur ein wenig wärmer gewesen, so wäre an ein Fortkommen bei diesem vielen Schnee nicht zu denken gewesen. Endlich gelangte sie an eine Stelle, wo der Weg über einen breiten Wiesenabhang ins Tal führte. Hier konnte sie es wagen, ein Stück mit dem Schlitten zu fahren. Das Licht war nun allerdings nicht mehr zu sehen. Doch war der Mond über dem dunklen Wald aufgegangen, so dass sie einigermaßen die Richtung halten konnte. Der Schnee hatte alles unter sich begraben. Nur gut, dass sie diesen Weg so gut kannte, da sie ihn schon so oft mit ihrem Vater gegangen war. Endlich gelangte sie an den Bachlauf, über den eine grob gezimmerte Brücke führte. Der Bach war zu dieser Jahreszeit gänzlich zugefroren, so dass man diesen auch an anderer Stelle hätte passieren können. Das an manchen Stellen sichtbare Eis erglänzte im Mondlicht. Als sie die letzte Wegbiegung hinter sich gelassen hatte, tauchte der Lichtschein wieder auf. Erst schemenhaft, dann zunehmend deutlicher konnte sie ihren Vater erkennen.

Der verletzte Fuß

„Vater, Vater!“ rief sie vor Freude. „Bist du es, Svea?“ – „Ja, Vater! Aber was ist mit dir?“ – „Ich bin ausgerutscht, unter dem Schnee, es hat hier überall Eis! Mein rechter Fuß war in ein Schneeloch geraten und hatte sich in einem Felsspalt verkeilt! Gott sei Dank, ich hab ihn jetzt endlich heraus, aber ich kann damit nicht auftreten!“ – „Warte, ich versuch dir zu helfen!“ Svea ging vorsichtig über die eisglatten Bohlen der Brücke. Dann zog sie den Schlitten zu sich herüber, so dass ihr Vater ihn zu fassen bekam. Als er sich mit Mühen auf den Schlitten gezogen hatte, tastete sich Svea über die Brücke, bis sie wieder Schnee unter den Füßen hatte. Vorsichtig zog sie den Schlitten am Seil zu sich herüber. Jetzt erst sah sie, dass ihr Vater am ganzen Leibe zitterte. Er musste dort wohl schon längere Zeit in der Kälte zugebracht haben. „Wie geht es Birgitta? Weiß sie, dass du hier bist?“ – „Ja, Vater, das weiß sie. Es geht ihr gut.“ Für einen Augenblick schwiegen beide und Svea versuchte, ihren Vater auf dem Schlitten den Hügel hinaufzuziehen. Sie rutschte aber immer wieder aus, so sehr sie sich auch mühte und gegen das Gewicht ihres Vaters anstemmte. Das eiskalte Seil schnitt ihr ins Fleisch, als es durch ihre Hände glitt. Es war aussichtslos. So würde sie ihren Vater niemals zur Hütte bringen können. „Svea, lass es gut sein, so geht es nicht. Lauf zu Anders Person und bitt ihn, dass er uns hilft!“ Es fiel Svea nicht leicht, ihren Vater dort zurückzulassen. Aber er hatte recht, so würden sie es nie schaffen. Sie lief also ein ganzes Stück des Weges zurück, um dann dem Weg zu folgen, der zum Herrenhof auf der gegenüberliegenden Talseite führte. Als sie dort endlich anlangte und heftig gegen die Türe klopfte, ging es schon gegen Mitternacht. Alles war dunkel und außer den dumpfen Schlägen gegen die Türe und dem Anschlagen des Hundes war nichts zu hören. Endlich vernahm sie, wie jemand das schwere Schloss entriegelte und lauthals fluchte: „Wer zum Teufel ist da und macht einen solchen Höllenlärm!?“ Die Türe wurde einen Spaltbreit geöffnet und das schlaftrunkene Gesicht des Bauern kam zum Vorschein. „Du bist es Svea? Was willst du?“ – „Bitte, bitte, helft mir! Mein Vater hat sich am Fuß verletzt, liegt unten an der Brücke. Ich kann ihn nicht den Hügel hinaufbringen. Und die Mutter liegt im Kindbett!“ Der Bauer verzog seine dicht gewachsenen Augenbrauen, als müsste er erst einmal darüber nachdenken, als wollte er ihre Worte prüfen. Doch dann wandte er sich um und weckte seine beiden Knechte. Es dauerte auch gar nicht lange, da erschienen sie auf dem Hof. Sie trugen Fackeln bei sich und folgten nun Svea auf dem Weg zu ihrem Vater. Als sie dort ankamen, lag dieser vorn übergebeugt auf dem Schlitten. Er hatte wohl noch ihre Schritte vernommen, fiel aber immer wieder in einen Schlaf, der sicher bald seinen Tod zur Folge gehabt hätte. Die Knechte legten schnell eine Decke um seine Schultern. Sie platzierten ihn so, dass er nicht vom Schlitten fallen konnte, und zogen ihn nun den Hügel hinauf. Endlich erreichten sie die Hütte. Die beiden Knechte trugen Johan noch in die warme Stube und legten ihn auf die Holzbank neben der Feuerstelle. „Jetzt ist es bei Gott!“ sagte der eine noch, als sie die Hütte wieder verließen. Svea schob ihrem Vater ein Kissen unter sein kaltes Haupt und bedeckte seine frosterstarrten Glieder. Als sie ihn so elend da liegen sah, brach es aus ihr heraus. Sie schluchzte und weinte, so dass die Mutter davon erwachte. „Svea?“ Sie hörte ihren Namen. „Bist du es, Svea?... Hast du Vater gefunden?“ – „Ja, Mutter, es ist alles gut!“ Svea löste sich von der Seite ihres Vaters und begab sich zur Mutter. „Vater hat sich den Fuß verletzt. Die Knechte des Bauern haben mir geholfen, ihn herzuschaffen. Er ist ganz erschöpft und ist sofort eingeschlafen. Mach dir keine Sorgen, Mutter.“ – „Und die Hebamme, ist sie mitgekommen?“ – „Nein, Mutter, er lag ganz allein an der Brücke, halb erfroren, aber jetzt hat er es warm. Ich werde in der Stube schlafen, dann bin ich in eurer Nähe, wenn ihr mich braucht.“ Birgitta war selbst zu erschöpft, um noch weitersprechen zu können. Mit einem tiefen Seufzer fiel sie erneut in einen leichten Schlaf. Svea begab sich wieder leise in die Stube und schaute noch einmal nach ihrem Vater. Er schlief tief und fest. Nun holte sie die Decke von ihrer Schlafstelle und legte sie vor den Ofen. Als sie sich endlich niederließ, spürte sie die angenehme Wärme des Feuers. Sie hörte das Knistern der glühenden Holzscheite und schaute das Farbenspiel der Flammen an der gegenüberliegenden Wand. Eine wohlige Wärme durchzog ihren ausgekühlten Leib und ließ auch sie in einen tiefen Schlaf versinken. Als sie in der Nacht erwachte, war alles Holz heruntergebrannt. Schnell stand sie auf und bedeckte die Glut mit etwas Asche, damit sie am Morgen das Feuer leichter entfachen konnte.

Es war noch dunkel, als die Wehen der Mutter wieder einsetzten, nun in größerer Regelmäßigkeit und zunehmender Intensität. Svea erwachte und sah, wie sich ihr Vater auf der Bank ein wenig aufgerichtet hatte und nun versuchte aufzustehen. Er stemmte seine Hände gegen die Tischplatte und drückte sich nach oben. Das gesunde Bein konnte er ganz gut belasten. Sobald er aber einen Schritt nach vorne machen wollte und dabei den verletzten Fuß aufsetzte, durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz und er ließ sich wieder auf die Holzbank fallen. „Svea, du musst mir helfen! Bitte, geh und leg Holz nach! Und setz den Wasserkessel auf! Hole auch die Waschschüssel und das feine Linnen aus der Truhe!“ Svea tat, wie ihr der Vater geheißen. „Nun hilf mir bitte!“ Svea stellte sich neben ihren Vater, so dass er sich an ihr abstützen konnte. Jedes Mal aber, wenn sein verletzter Fuß auch nur ein wenig den Boden berührte, zuckte er mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Als sie endlich das Bett der Mutter erreicht hatten, ließ sich Johan vorsichtig an ihrer Seite nieder und legte zärtlich seinen Arm um sie. Svea holte unterdessen die Schüssel mit warmem Wasser und das weiße Linnen. Birgitta atmete schwer und presste. „Es ist so weit, Johan…“ Birgitta stöhnte und presste, atmete tief und stöhnte und presste. Svea kniete neben der Mutter und hielt ihre Hand. Sie hatte noch nie eine Geburt erlebt. Zum ersten Mal wurde sie Zeuge der Schmerzen und Freuden eines solchen Augenblickes. Als Birgitta das Kind endlich aus ihrem Leib gepresst hatte und es nun in ihren Armen lag, da spürte auch Svea, wie sich ihre Anspannung legte. Birgitta war schweißgebadet und sehr erschöpft. Dennoch ging ein Lächeln über ihr Gesicht, als sie das Neugeborene an ihrer Brust fühlte. Der Vater saß still neben ihr und dankte Gott.