So alt war ich noch nie - Stephanie Hielscher - E-Book

So alt war ich noch nie E-Book

Stephanie Hielscher

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Beschreibung

Endlich ein Buch, das Lust aufs Älterwerden macht! Was erwartet uns, wenn wir 50 werden? Wo finden wir Vorbilder für diese Lebensphase? Wie können wir sie selbst gestalten? Mit Blick auf ihren eigenen 50. Geburtstag und getrieben von Neugierde, begibt sich Stephanie Hielscher auf die Suche und spürt Frauen in der Mitte ihres Lebens auf. Sie spricht mit ihnen über das Älterwerden und die Themen, die damit einhergehen: Wechseljahre, Trennungen, finanzielle Vorsorge, Karriereknick − aber auch neue Chancen, mutige Veränderungen und große Freiheiten. Denn tatsächlich gibt es jede Menge, worauf wir uns freuen können. Dieses Buch enthält unzählige Erfahrungen, Ideen und Ratschläge, die inspirieren und regelrecht Lust machen aufs Älterwerden. Susann Atwell + Leyla Piedayesh + Kim Fisher + Sheila de Liz + Frauke van Bevern + Silvana Koch-Mehrin + Vera Int-Veen + Annabelle Mandeng + Sue Giers + Christiane von Hardenberg + Ildikó von Kürthy + Lisa Ortgies + Helena Orfanos-Boeckel + Kirsten Hanser Stephanie Dettmann + Marie Bäumer

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Seitenzahl: 347

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Stephanie Hielscher

So alt war ich noch nie

Über das, was uns ab 50 erwartet

 

 

 

Über dieses Buch

Endlich ein Buch, das Lust aufs Älterwerden macht!

Was erwartet mich, wenn ich fünfzig werde? Wo finde ich Vorbilder für diese Lebensphase? Acht Millionen Frauen zwischen fünfzig und sechzig gibt es in Deutschland. Wie kann es sein, dass der Großteil von ihnen unsichtbar ist? Mit Blick auf ihren eigenen 50. Geburtstag und getrieben von Neugierde, begab sich Stephanie Hielscher auf die Suche und spürte Frauen in der Mitte ihres Lebens auf. Sie traf sich mit Schauspielerinnen, Autorinnen, Unternehmerinnen, Politikerinnen und Ärztinnen und sprach mit ihnen über das Älterwerden und die Themen, die damit einhergehen: Wechseljahre, Trennungen, finanzielle Vorsorge, Karriereknick − aber auch neue Chancen, mutige Veränderungen und große Freiheiten. Tatsächlich findet sie heraus, dass es jede Menge gibt, worauf sich Frauen über fünfzig freuen können. Dieses Buch enthält die Quintessenz ihrer Treffen und Gespräche und unzählige Erfahrungen, Ideen und Ratschläge, die inspirieren und regelrecht Lust machen aufs Älterwerden.

Vita

Stephanie Hielscher wurde 1977 in Lippstadt geboren. Nach einigen geografischen und inhaltlichen Umwegen schloss sie in Berlin das Studium der Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Dokumentarfilm ab und volontierte anschließend beim Musiksender MTV. Seither arbeitet sie als freie Journalistin, hostet seit 2022 den Podcast «50 über 50» und geht den Themen der Lebensphase ab 50 zusammen mit ihren Gästen auf den Grund. Sie lebt mit Mann, Sohn und Hund in Berlin.

Impressum

In diesem Buch stehen die Gespräche mit den Frauen im Vordergrund, die ich möglichst wenig verändert habe, damit Persönlichkeit und Lebenserfahrung meiner jeweiligen Gesprächspartnerin mitzulesen sind. Am Ende des Kapitels gibt es einen Impuls für die, die sich tiefer mit den Themen des Älterwerdens beschäftigen möchten. Alle Gespräche wurden zwischen Juli 2022 und Dezember 2023 geführt.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Dezember 2024

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Cover- und Innengestaltung Pablo Lütkenhaus, Berlin

ISBN 978-3-644-02059-7

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

In diesem Buch stehen die Gespräche mit den Frauen im Vordergrund, die ich möglichst wenig verändert habe, damit Persönlichkeit und Lebenserfahrung meiner jeweiligen Gesprächspartnerin mitzulesen sind. Am Ende des Kapitels gibt es einen Impuls für die, die sich tiefer mit den Themen des Älterwerdens beschäftigen möchten. Alle Gespräche wurden zwischen Juli 2022 und Dezember 2023 geführt.

Für dich und für mich

Vorwort

Ich sitze auf dem Stuhl meiner Gynäkologin, und sie sagt zu mir: «Frau Hielscher, ab jetzt geht es bergab.» Ich sehe noch genau vor mir, wie die Ärztin, die mich seit Jahren gut gelaunt begleitete, ihre Stirn in Falten legte und in einen neuen Modus wechselte. Ihre sonst so optimistische Art wandelte sich in eine bürokratische. So, als sei ich jetzt eine dieser Frauen, die sie eben noch mitverwalten muss. Als ich jung und vor allem schwanger war, hat ihr ihre Arbeit mit mir ganz offensichtlich mehr Spaß gemacht.

Ich nehme diesen Satz mit aus der Praxis, auf die Straße und in meinen Alltag. Ich wundere mich über die Worte und stelle sie erst mal in eine Ecke ganz hinten in meinem Bewusstsein. Aber sie werden mir, jetzt, da sie einmal gesagt waren, immer öfter bewusst. Zum Beispiel dann, wenn ich durch eine Zeitschrift blättere und mir auf einmal doch auffällt, dass fast alle, über die dort geschrieben wird, jünger sind als ich. Oder wenn ich durch Netflix zappe und die neuen Serien mit Frauen besetzt sind, die eben auch jünger sind als ich. Oder beim Scrollen durch Instagram. Die Frauen, die sich dort mit kleinen japanischen Besen einen Matcha Latte aufschäumen und zeigen what’s in her bag, sind auch jünger als ich, genauso wie die, die ich auf Networking-Events treffe. Und die jährlich gespannt erwarteten Listen aufstrebender Unternehmer:innen heißen 20 under 20 oder maximal 30 under 30.

Wo sind denn die Frauen, die ein Stückchen älter sind als ich? Waren sie alle bei meiner Frauenärztin, die ihnen riet, sich zu verstecken und auf den Abstieg gefasst zu machen?

Ich war schon immer ein Spätzünder. Ich trank spät meinen ersten Schluck Bier, wusste erst spät, in welche Richtung ich beruflich gehe, habe spät meinen Mann kennengelernt, bin spät Mutter geworden. Ich brauche für alles etwas mehr Zeit. Und jetzt soll es schon wieder bergab gehen? Jetzt, wo ich mich gerade besser kennenlerne, lerne, gut auf mich zu achten, eine glückliche Ehe führe, fest im Job stehe, Geld verdiene, mein Kind langsam selbstständiger wird und ich mehr Raum für mich habe? Nein!

Das nehme ich nicht an. Ich gehe los und suche nach den Frauen, die mir vom Leben erzählen können, das auf mich zukommt. Die mir ein Bild geben und ein Vorbild sein können. Denn ich glaube nicht an die Bilder, die uns gezeigt werden, damit wir glauben, dass Frauen zeitgleich mit ihrer Fruchtbarkeit ihren Wert verlieren, dass sie zu alten, nervigen Schachteln mutieren, dass sie sich besser verkriechen und niemandem auf den Wecker gehen sollen mit ihren Befindlichkeiten. Ich suche das echte Bild.

Ich bin Journalistin, es liegt in meiner Natur, neugierig zu sein und gern zu teilen, was ich erfahre, und deshalb beschließe ich, einen Podcast zu starten, um mit Frauen zu reden und allen anderen suchenden Frauen auch Zugang zu diesen Gesprächen zu ermöglichen. Ich nenne den Podcast 50über50, weil ich finde, dass es an der Zeit ist, ebendiese Liste zu erstellen und die Themen dieser Dekade auf eine Bühne zu heben, damit wir alle ein Bild vor Augen haben von dem, was kommt.

Ich habe vorher wenige Frauen gesehen, die älter als 50 und dabei authentisch sind. So authentisch, dass ich mir vorstellen kann, eine von ihnen zu sein. Jetzt aber habe ich sie gefunden. Nicht alle wollten reden. Und genau das ist Teil des Problems: Niemand redet gerne über das Älterwerden. Doch zum Glück gibt es Ausnahmen, und die sind nun im Podcast und hier in diesem Buch zu finden: Schauspielerinnen, Moderatorinnen, Unternehmerinnen, Politikerinnen und Ärztinnen. Sie sehen sich mit klassischen Themen dieses Alters konfrontiert. Ganz zentral werden ab 50 die Gesundheit und die Wechseljahre, Finanzen und Neuorientierung im Job und auch Abschiede. Abschiede von geliebten Menschen, von Freundschaften, Partnerschaften, Lebensabschnitten und Ideen von sich selbst. Was ich aber auch erfahren habe: Alle suchen nach Lösungen, und sie finden sie auch. Und es gibt viel zu gewinnen: Selbstsicherheit, Bestimmtheit, Weisheit und Gelassenheit. Mit diesen Fähigkeiten lässt es sich gut durch die möglichen höheren Wellen des Lebens navigieren.

Die Frauen, die ich für dieses Buch und den Podcast gesprochen habe, haben mir ein Bild von der kommenden Dekade gegeben. Jede auf ihre individuelle Weise, die aber in ihrer Einzigartigkeit immer auf das Kollektive verweist, das uns alle verbindet.

Während ich schreibe, fühlt es sich mehr und mehr so an, als sortiere ich langsam mein Selbst neu. Als fügten sich die Teile zusammen, die ich gut kenne, die aber in ihrer neuen Anordnung ein anderes Bild von mir entstehen lassen, das sich schon jetzt im Werden authentischer anfühlt als je zuvor. Ich packe die Erfahrungen der anderen in meine Tasche, um sie dann herauszuholen, wenn ich sie brauche. Im Laufe meiner Suche füllt sie sich immer mehr, und doch habe ich das Gefühl, mit leichtem Gepäck in die neue Dekade zu reisen, in der es alles andere als bergab geht. Schön, dass du mit mir dabei bist. Lass uns das gemeinsam packen.

Age-Shaming MUSS AUFHÖREN!

Susann Atwell spricht über das Älterwerden, Veränderungen in ihrem Beruf und über falsche Annahmen von sich selbst.

Aha, da ist er also, der Moment. Ich husche von der Küche ins Bad und komme am Spiegel im Schlafzimmer vorbei: Schlabberlook, Brille, ungeschminkt. So begegnet mir der Moment, in dem ich das erste Mal denke: Boah, bist du alt geworden.

Nein, stimmt nicht. Ich hatte schon mal so einen Moment: Da waren die Kita-Mütter, die zum ersten Mal zu uns nach Hause kamen, der Spiegel. Sie sahen ein Hochzeitsbild von meinem Mann und mir und sagten: Ihr seid ja schon lange verheiratet! Das war zu dem Zeitpunkt erst drei Jahre her. Nichts hat uns so schnell altern lassen wie die Geburt und Kleinkindphase unseres Sohnes. Aber das war ein anderes Altern, eine Vorstufe vielleicht, denn mit Mitte dreißig hatten wir noch ein ganz anderes Altwerden vor uns. Und das ist bei mir offenbar jetzt.

Mit einem Schlag verstehe ich die Wehmut des Alterns nicht nur theoretisch, sondern auch emotional. Aus einer kleinen Ecke im Hinterzimmer meines Egos ruft es dennoch: Ja, aber mit 45 bist du immer noch nicht alt! Das richtige Altsein ist dann mit neunzig dran. Mein Sohn sieht das anders. Er denkt schon jetzt, ich sei steinalt, und sagt: «Mama, du bist 150 Jahre alt!»

Die Alterserscheinungen, die ich auf einmal sehe, sind vermutlich der Anfang des «richtigen» Älterwerdens. The point of no return. Ich sehe einen leichten sogenannten Truthahnhals. Ich sehe deutlich, dass T-Shirts, was ich eh schon wusste, nichts für mich tun. Vor allem dann, wenn ich keinen BH drunter trage. Ich sehe, dass mein Körper immer westfälischer – oder sagen wir es kosmopolitisch –, hawaiianischer wird. Zum Glück ist Vaiana mein allerliebster Disneyfilm!

Was mach ich jetzt mit dem Truthahnhals und meiner schwindenden Sehkraft?

Zipperlein kenne ich schon immer gut. Ich leide bei Infekten mehr als andere in meiner Familie. Leider. Ich habe schon ewig Eisenmangel und unbestimmte Schmerzen in der Haut, eine Lunge, die schnell außer Puste kommt, und diverse Allergien. Mal sehen, was noch dazukommt. Weil ich aber eben schon immer von Wehwehchen geplagt bin, bedeuten solche Kinkerlitzchen für mich noch lange nicht, dass ich mich auf einmal körperlich alt fühle.

Ich hatte mit Anfang vierzig erste kleine Anzeichen der Perimenopause, die jetzt noch mal mit ähnlichen Symptomen bei mir vorbeischaut: juckende Haut, schlaflose Nächte, zyklisch bedingte Kopfschmerzen, PMS aus der Hölle. PMS ist für extrem harmoniebedürftige Menschen wie mich sehr schlimm, denn bei mir zeigt sie sich durch Stimmungsschwankungen und eine kurze Zündschnur. Wenn die sich dem Ende zuneigt – und das geht leider schnell –, kann ich richtig ruppig werden. Dann mag ich mich selbst nicht mehr, und der Truthahnhals wird von jetzt auf gleich so dick, dass mir der Kragen platzt. «Mir platzt gleich der Kragen!», das hat mein Papa früher oft gesagt. Und der war nicht in der Perimenopause. Was der wohl hatte? Wahrscheinlich war ich in der Pubertät.

Ungefähr zu dieser Zeit lernte ich auch Susann Atwell kennen. Jeden Nachmittag flimmerte sie über meinen Fernsehbildschirm und moderierte SAM, das Magazin auf Pro7. Susann ist zehn Jahre älter als ich und befand sich damals für mich völlig außerhalb meiner Reichweite. Sie reiste zu den Oscars, interviewte halb Hollywood und arbeitete als Model. Ich saß in meinem Kinderzimmer in einem kleinen Dorf und sah ihr dabei zu, während ich durch die Vogue blätterte. Dass wir einmal die gleichen Themen haben würden, wäre mir nie in den Sinn gekommen.

Doch als ich Susann kontaktiere, meldet sie sich sofort zurück. Die Themen Älterwerden und die Wechseljahre treiben auch sie ordentlich um – spätestens seit sie eine überraschende, wechseljahrsbedingte Sturzblutung vor laufender Kamera erlebte. Wir treffen uns zum ersten Mal in Hamburg. Dort lebt sie die meiste Zeit mit ihrer Familie und pendelt ansonsten nach Frankfurt, um für den Hessischen Rundfunk zu moderieren.

Susann Atwell

Wie hast du die Zeit vor deinem 50. Geburtstag und den Geburtstag selbst erlebt?

Das war ein sehr turbulentes Jahr. Ich hatte tatsächlich eines der schlimmsten Jahre meines Lebens. Ich habe mich in dem Jahr von einem Mann, der mich in vielerlei Hinsicht betrogen hat, getrennt. Wir haben zusammengelebt, und zu Beginn des Jahres habe ich nach vielen fürchterlichen Erlebnissen die Entscheidung gefällt, dass ich gehen muss. Dann habe ich meine Sachen gepackt und bin in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgezogen und habe vorübergehend für ein halbes Jahr bei einer Freundin gewohnt. Im August bin ich dann mit meiner Tochter in eine neue Wohnung gezogen. Dort habe ich irgendwie erstmals darüber nachgedacht: Ich werde ja 50! Will ich eigentlich meinen Geburtstag feiern? Ich bin grundsätzlich auch nicht so der Feiertyp. Ich bin eher eine Spaßbremse.

 

Ich auch.

Wie sympathisch. Dann saß ich mit einem Freund beim Abendessen, und der hat gesagt: «Du musst doch feiern, du wirst doch 50. Das ist doch auch super, weil das ein Neustart ist.» Und dann habe ich einen Raum gemietet, und er hat das Buffet gemacht. Ich habe fünfzig, sechzig Leute eingeladen, die mich begleitet haben, und wir haben groß gefeiert. Das war wirklich schön, weil es für mich auch ein neuer Abschnitt war. Das war nicht nur ein neues Jahrzehnt, das für mich begann, sondern auch die Beendigung einer ganz bestimmten Phase in meinem Leben und dieser schlimmen Erlebnisse. Das war wirklich ein krasses Jahr.

 

Wie hast du dich dann neu aufgestellt? Oft steht man mit 50 fest in vielen Bereichen seines Lebens und geht dann einfach weiter. Aber wenn bei dir alles weggebrochen war, ist diese Zahl auch ein krasser Neuanfang gewesen, mit dem du so gar nicht gerechnet hast.

Mit Neuanfängen rechnet man ja selten. Oft geht dem ein Schicksalsschlag voraus. Mein vierzigster Geburtstag war sehr einschneidend für mich. Damals habe ich mit meinem damaligen Lebensgefährten in New York gefeiert. Ich war gerade noch mal Mutter geworden, und das war wirklich so: Wow, vierzig. Ich fand es irgendwie ganz cool, aber habe gleichzeitig gedacht – das weiß ich noch ganz genau: Okay, aber nach der vierzig kommt die 41, 42, 43, 44, 45 und so, und dann kommt ja auch irgendwann die 50. Das fand ich tatsächlich ziemlich krass. Einfach diese Zahl! Auch jetzt, ich bin 55, und ich finde das echt hart. Aber das sagen ja die meisten: Man fühlt sich natürlich nicht danach. Ich fühle mich wie Mitte dreißig.

 

Gab es für dich trotzdem irgendein Ereignis oder ein Erlebnis, bei dem du gemerkt hast: Okay, jetzt werde ich älter, wenn vielleicht nicht körperlich, dann gesellschaftlich? Oder in der Wahrnehmung von außen?

Ich weiß nicht genau, ob das nur meine Wahrnehmung ist oder ob es tatsächlich so ist, das muss ich ehrlich sagen: Age-Shaming ist ja ein großes Thema. Ich habe das noch nicht erlebt. Ich glaube, das findet tatsächlich eher in meinem Kopf statt. Ich denke: «Oh, krass, du bist 55, und oh Gott, der Typ oder die Frau, mit der du gerade sprichst, ist Anfang dreißig, und die müssen doch denken: Du bist eine Oma.» Ich werde nie vergessen, wie ich mal bei einer Veranstaltung in Berlin stand. Eine junge Schauspielerin kam zu mir und fragte nach meinem Alter. Ich sagte, ich sei 35. Und sie hat entgegnet: «Boah, so alt schon?» Also, das war irgendwie lustig, aber ich dachte: «Oh Gott, ist man mit 35 schon alt?» Und jetzt bin ich zwanzig Jahre älter!

 

Ich finde das ganz bezeichnend. Ich habe mir ein Interview mit dir angeschaut, das ist ein paar Jahre alt. Da saßt du mit einem Mann, und der hat gesagt: «Dein Alter sieht man dir ja gar nicht an.» Ich finde, das ist kein Kompliment.

Nee, das ist überhaupt kein Kompliment.

 

Und du bist ganz locker damit umgegangen. Deine Antwort war: «Ich WERDE aber älter.» Ich fand das so cool.

Echt? Ich erinnere mich nicht.

 

Ja. Ich fand das so gut und dachte mir im gleichen Moment: Gut, das war das, was sie sagt, aber was hat sie gedacht in diesem Moment?

Es wäre mal spannend zu wissen, wann das war.

 

Vor sechs Jahren.

Da habe ich das, glaube ich, noch nicht so empfunden. Heute würde ich mich tierisch aufregen. Das ist etwas, was ich öfter höre. Das sind diese vergifteten Komplimente, und die Menschen, die das sagen, die denken natürlich überhaupt nicht darüber nach. Sie denken, sie sagen etwas Nettes. Heute würde ich was entgegnen. Ich weiß aber nicht genau, was.

 

Und weißt du, was du denkst in so einem Moment?

Ja, was für ein Scheiß? Ich rege mich wirklich darüber auf. Julianne Moore hat mal gesagt: «Uns bleibt ja überhaupt nichts anderes übrig, wir müssen ja älter werden.» Ich würde es schön finden, wenn wir dahin kämen, dass man einfach jemanden schön findet, und zwar unabhängig vom Alter. Dass man diesen Beisatz nicht braucht. Man kann ja jemandem ein Kompliment machen und sagen: Du siehst toll aus heute. Oder ich finde super, wie klug du bist, oder was weiß ich. Es gibt verschiedene Wege, jemandem ein Kompliment zu machen, aber diesen Beisatz «für dein Alter», warum muss man das immer sagen?

 

Eigentlich ist es doch auch kein Kompliment, wenn man sagt: «Du bist schön.» Für Schönheit tust du ja nichts. Entweder bist du so geboren, oder du hast halt eine Hakennase und ein spitzes Kinn. Das ist ja keine Leistung.

Ja, da hast du recht. Ich habe tatsächlich neulich darüber nachgedacht. Iris Berben, die ich sehr bewundere und ganz toll finde, in jeglicher Hinsicht, redete in einem Interview darüber. Früher hätte sie sich oft dagegen gewehrt und gesagt: Ich bin ja nicht nur meine Hülle, ich bin ja nicht nur das Äußere. Heute mag sie Komplimente. Wir freuen uns über Komplimente. Ich weiß nicht so richtig, welche Haltung ich dazu habe. Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich das auch kenne. Ich habe Glück gehabt in der Genlotterie. Ich sehe gut aus, und ich bin schon lange im Fernsehen. Seit dreißig Jahren mache ich diesen Job. Ich arbeite als Model, als Moderatorin, und ich habe oft Komplimente für mein Aussehen bekommen. Ich muss dir ehrlich sagen, ich habe mich immer gefreut.

 

Ich verstehe das auch total, nur eigentlich ist es ja das Gleiche, wie wenn jemand sagt: Du siehst aber nicht so alt aus, wie du bist.

Das finde ich nicht.

 

Wo ist denn der Unterschied?

Dieser Beisatz. Dieses Anhängsel, das sagt: «OBWOHL du eigentlich schon so alt bist.»

 

Ja, okay. Verstehe mich nicht falsch, ich bin überhaupt nicht gegen Komplimente, ich freue mich auch, wenn mir jemand ein Kompliment macht. Ich habe nur gedacht, dass das Äußere ebenso wie das Alter nichts mit einem persönlichen Zutun zu tun hat.

Weiß ich nicht so richtig.

 

Okay, wenn man sich jetzt total gehen lässt …

Das meine ich nicht. Ich meine nicht die Hautpflege oder Kosmetik, ich glaube, es hat auch was mit Haltung zu tun. Und das ist etwas, was man vielleicht am ehesten versteht, wenn man älter wird. Dass eine gewisse Attraktivität durch Haltung entsteht. Es gibt diesen blöden Satz, dass Frauen irgendwann unsichtbar werden. Das stimmt doch überhaupt nicht. Das ist Quatsch, den uns das Patriarchat eingeredet hat, und jetzt denken wir alle: «Oh, mit 50 in den Wechseljahren werden wir unsichtbar.» Bullshit. In dem Moment, als ich mich damit mal auseinandergesetzt und gedacht habe: «Okay, was ist denn eigentlich, wenn es hier hängt und da hängt und irgendwie nicht mehr alles so frisch ist, wo kommt denn dann die Attraktivität her? Was ist für dich attraktiv?» In dem Moment habe ich verstanden: Das ist eben die Frau, die in den Raum kommt und die eine Ausstrahlung hat. Egal, wie alt sie ist. Die Frau, die vielleicht lustig ist oder cool oder einen coolen Style hat. Das sind Oberflächlichkeiten, aber auch eine Frau, die was zu erzählen hat, bei der du merkst, da kommt was rüber, die hat eine Haltung – die ist attraktiv. Und es ist egal, ob sie 25 oder 55 ist.

 

Ich muss noch mal auf dieses Interview zurückkommen. Mich hat es ehrlich gesagt total aufgeregt. Als du erzähltest, dass du damals ein paar Kilos mehr gewogen hast, auch, als du angefangen hattest zu modeln, da konnte der Moderator überhaupt nicht begreifen, dass du kein Problem damit hattest. Er hat immer wieder nachgefragt: Ja, aber du bist doch im Fernsehen? Ja, aber du bist ja vor der Kamera und alle wollen immer dünn sein? Ich fand das ganz schlimm und habe mich gefragt, was du in diesem Moment gedacht hast.

Ich weiß nicht, ich glaube, ich bin einfach so professionell, und manchmal greift da auch ein Automatismus. Ich werde seit dreißig Jahren immer mal wieder befragt und eingeladen. Manchmal kommen so Standardantworten aus mir heraus. Dann kommt es vor, dass ich mich an das Gespräch erinnere, und ich weiß, dass ich hinterher auch dachte: «Hä? Ja, pff, keine Ahnung.» Aber, weißt du, ganz ehrlich? Man muss sich auch nicht mehr über alles aufregen.

 

Das ist wahrscheinlich auch eine Gelassenheit, die kommt, wenn man ein bisschen älter wird, oder?

Ich glaube tatsächlich, dass das so ist. Ich höre mir ganz viel von älteren Frauen an, und ich suche auch nach älteren Vorbildern. Und was alle immer sagen, ist: Man wird gelassener, und das Leben wird immer besser. Das stimmt wirklich. Aber das ist nichts, das von heute auf morgen passiert, sondern das ist ein langsamer Prozess. Irgendwann denkst du: «Das ist mir doch egal. Wieso? Ich mach mein Ding, und das ist mir jetzt auch Wurst, was die anderen denken. Ich lebe mein Leben, wie ich es möchte, und ich finde das prima so.» Es regt mich nicht mehr alles so auf, und ich bin nicht mehr so sehr auf der Suche. Ich muss nicht mehr alles durchspielen im Kopf, und ich muss mich nicht mehr über jeden Quatsch aufregen, das ist einfach so, weil ich viel erlebt habe und weiß, wer ich bin. Und ich weiß, manche Sachen interessieren mich einfach nicht. Punkt.

Ein Beispiel dafür: Ich habe ja keinen Partner. Lustigerweise habe ich darüber auf der Hinfahrt nachgedacht, weil ich an den gestrigen Abend gedacht habe, an dem beim Abendessen nur Paare waren. Das hat mich gar nicht gestört. Aber alle Menschen, die da waren und mich nicht kannten, haben nach meinem Mann gefragt. Ich habe dann einfach gesagt, dass ich keinen habe. Ich war tatsächlich die einzige Single-Frau, und ich sage dir was, ich glaube, vor zehn Jahren hätte mich das gestört. Da hätte ich gedacht: «Oh, wieso habe ich denn keinen? Und guck mal, die hat doch einen, und wieso finde ich keinen?» Aber gestern Abend hat es mich überhaupt nicht gestört.

 

Das finde ich richtig schön zu hören. Das ist natürlich ein toller Zustand, in dem man sein kann und zu dem man sich selbst einfach nur beglückwünschen kann.

Absolut. Das finde ich auch. Ich bin auch ganz überrascht, denn das kenne ich gar nicht von mir. Ich war immer auf der Suche nach einem Partner. Ich habe immer gedacht, ich brauche einen Partner, denn sonst bin ich nicht ganz und sonst passe ich nirgendwo rein. Das ist totaler Quatsch. Aber die Reaktionen sind immer noch so: «Ach, dann mach dir mal keine Sorgen, du findest noch einen. Also guck dich doch mal an, also bei dir habe ich wirklich keine Bedenken. Irgendwann kommt schon wieder mal einer.» Dann denke ich: «Ja, aber vielleicht auch nicht.»

 

Das ist doch auch gar nicht das Ziel.

Nein. Und das ist auch okay. Aber ich habe immer das Gefühl, das wird Singles, insbesondere Single-Frauen, nicht abgenommen. Wenn sie jünger sind, haben sie noch ein anderes Thema. Dann geht es auch noch um die Familienplanung. Die biologische Uhr tickt, und man bekommt immer zu hören: «Ach, irgendwann willst du ja auch Kinder, und dann kommt schon einer.» Das ist auch krass. Krasser noch. Es wird uns nicht geglaubt, dass wir glücklich sind. Das ist immer ein Übergangszustand. Aber nein, das kann ein gewähltes Lebensmodell sein.

 

Und gibt es auch Leute, die bereit sind, offen darüber zu reden? Menschen, die dich wirklich fragen, oder wird das ignoriert, weil es tabubeladen ist?

Gute Frage. Ich glaube tatsächlich, es wird ignoriert. Oder es wird nicht geglaubt. Auch von Freundinnen kenne ich das: «Ach, wirst schon sehen, irgendwann … Ich habe da noch einen. Ich habe da schon eine Idee.» Und es ist ja nicht so, dass ich mich davor verschließe, im Gegenteil. Aber ich habe eine ganz andere Haltung, als ich sie noch vor ein paar Jahren hatte. Ich mache mein Ding, ich lebe mein Leben, ich habe ein wunderschönes Leben. Ich habe ein sehr erfüllendes Leben mit sehr viel Liebe um mich herum. Ich hatte vor zwei Wochen Geburtstag, und ich hatte einen ganz großartigen Tag. Nicht mit sehr vielen Menschen, sondern mit wenigen Menschen, die ich sehr lieb habe und die mich lieb haben, das habe ich gefühlt. Ich brauche keinen Mann. Und wenn ich einen treffe, bei dem ich wirklich das Gefühl habe, das ist eine Bereicherung und wir wollen einander als Begleiter in diesem Leben, dann fände ich das super. Aber wenn nicht, ist das auch okay. Also, mir fehlt ja nicht die Liebe. Was ist das überhaupt für ein Quatsch, zu glauben, dass einem Liebe fehlen würde, nur weil man keinen Partner hat?

 

Nein, Liebe findet ja auf ganz vielen Ebenen statt.

Ganz genau. Ich habe einen kleinen, sehr feinen, sehr guten Freundeskreis, und ich habe meine beiden Töchter und meine Mutter. Ich fühle mich aufgehoben, und ich glaube auch, das ist das, was man nach außen gibt. Ich glaube, das merken andere Menschen. Dafür brauche ich echt keinen Mann. Sex hatte ich auch genug.

 

Magst du dein Alter? Die 55?

Nein. Die Zahl mag ich überhaupt nicht. Also wirklich, 55 ist echt alt.

 

Und findest du beispielsweise die 58 besser oder nur alles, was drunter ist?

Ich finde alles schlimmer. Aber dann sehe ich so tolle Frauen wie Tilda Swinton oder Iris Berben, die noch mal einen Schwung älter sind. Dann denke ich: Fuck it! Ist doch scheißegal. Es ist nur eine Zahl.

 

Es ist ja auch nur eine Zahl.

Ja. Kennst du das nicht, dass einem manchmal das eigene Alter einfällt? Und dann denkt man so: Huch, wie konnte das denn jetzt passieren?

 

Absolut, aber ich finde, alle Erfahrungen, die man macht, deuten ja darauf hin, dass, je älter man wird, sich gar nicht so viel verändert. Ich war gerade mit meiner Tante, die nächstes Jahr siebzig wird, in Israel auf einer organisierten Reise mit Teilnehmern zwischen sechzig und siebzig Jahren, und mir hat das so gutgetan. Wir hatten irre viele Termine am Tag, ein riesiges Pensum, sowohl körperlich als auch intellektuell, und alle haben das ganz genauso gewuppt wie ich. Das war für mich so schön zu sehen.

Das glaube ich.

 

Und das waren 15 Leute. Das war nicht der eine Ausnahmefall, der fit geblieben ist. Für mich ist das die Realität, dass man auch in diesem Alter noch aktiv teilnehmen kann, Neues lernen kann. Aufgeschlossen sein kann. Fit ist. Und das finde ich gut.

Toll. Was für ein tolles Erlebnis.

 

Das war ganz toll. Also, ich empfehle, mit Rentnergruppen in den Urlaub zu fahren. Aber es ist etwas Interessantes passiert. Sie haben mich gefragt: «Was machst du?» Dann habe ich von meinem Podcast erzählt, und daraufhin herrschte großes Schweigen. Keiner von ihnen hat mich verstanden. Sie waren alle über diese Lebensphase weg und gedanklich weit entfernt davon. Sie meinten: «Hä? Warum machst du dir denn so viele Gedanken? Was soll denn da kommen? Wechseljahre? Ach, Quatsch, das ist doch alles nur eine Erfindung.» Sie waren total distanziert. Sie haben natürlich ganz andere Themen, aber ich fand das spannend, diese Seite auch noch mal zu hören.

Spannend. Zumal alle Jüngeren doch mit Sicherheit total begeistert auf deine Ideen reagieren.

 

Ja, das stimmt. Und es war ganz spannend zu sehen, dass alles auch an Dramatik verliert, wenn man es überstanden hat.

Ja, das glaube ich. Studien belegen ja, dass die Lebenszufriedenheit immer weiter wächst, vorausgesetzt, man bleibt gesund. Aber dass es eigentlich so richtig geil wird ab siebzig. Das kann ich mir gut vorstellen. Die Sache mit der Gesundheit ist halt superwichtig und die Tatsache, dass – und das finde ich in der Tat das Schwierigsten am Älterwerden – man zunehmend Abschiede erlebt. Ich habe früher immer gedacht, es sind die Falten, die einen dann nerven, und dass man nicht mehr so fit ist, aber es kommen auch immer mehr Abschiede. Und je älter du wirst, desto einsamer wirst du vielleicht auch. Ich glaube, das ist tatsächlich hart. Die ganzen Beerdigungen, auf die man irgendwann geht. Aber lass uns doch bitte, weil du es gerade schon gesagt hast, mal über die Wechseljahre reden.

 

Sehr gern.

Das ist tatsächlich ein Thema, das mich sehr beschäftigt, und darüber müssen wir Frauen viel mehr reden.

 

Ganz genau. Wie fing es bei dir an? Was waren deine ersten Symptome? Und hast du sie direkt zuordnen können?

Nein. Ich habe gar nichts gewusst. Ich habe meine Mutter gefragt. Meine Mutter ist noch recht jung, sie hat mich mit 18 bekommen. Sie ist jetzt Mitte siebzig, und ich habe sie schon mal vor längerer Zeit befragt, da war ich noch weit entfernt von den Wechseljahren. Sie hat immer gesagt: «Ach, wenn das so wie bei mir ist, dann merkst du gar nichts. Ich bin mit sechzig in die Wechseljahre gekommen, und ich habe gar nichts gemerkt.» Und als ich 50 wurde, also ziemlich genau mit dem Geburtstag, fing es plötzlich an, dass ich superstarke Blutungen bekam. Wirklich krasse Sturzblutungen vor der Kamera, das war ein absoluter Albtraum. Ich habe im Studio gestanden, ich hatte meine Tage, und ich habe so doll geblutet – ich hatte einen Rock an –, dass ich in der MAZ in die Kulisse musste, um mir da irgendwas reinzustopfen, damit niemand etwas sieht. Das war ein totaler Albtraum. Und ich habe gleichzeitig auch Hitzewallungen bekommen. Ich habe einfach gemerkt, in meinem Körper ist was los. Da passiert gerade was, was ich nicht einordnen kann. Dann bekam ich sehr unregelmäßig Blutungen, und dann habe ich irgendwann gedacht: Okay, das scheinen jetzt wohl die Wechseljahre zu sein. Dann ist mir das Buch von Sheila de Liz in die Hände gefallen. Ich habe mich am Anfang ein bisschen gesträubt, weil ich gedacht habe: «Oh, jetzt so ein Bestseller zu den Wechseljahren. Und wieso heißt das Woman on Fire?» Dann habe ich es gelesen und habe es verstanden. Ich habe Hurra geschrien und all meinen Freundinnen dieses Buch geschenkt und gesagt: «Wenn ihr das nicht lest, dann schlage ich euch.» Weil ich finde, das ist eine so wichtige Lektüre und so wichtig, dass wir darüber endlich anfangen zu sprechen und dass wir das enttabuisieren. Weil ich das selbst noch merke bei mir, wie schwer es mir fällt, darüber zu sprechen.

 

Aber du machst es jetzt hier.

Ja, ich mache es hier ganz bewusst und absichtlich und auch in allen Details, weil ich das endlich loswerden will. Es passiert ja auch ganz viel, und man bekommt auch mit, dass es immer mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema gibt.

 

Wie ging es denn bei dir weiter? Hattest du noch andere Symptome als diese Hitzewallungen und Sturzblutungen?

Die kamen so mit 53. Da kam ich in die Menopause. Ich habe mit meinem Gynäkologen darüber gesprochen, und dann bin ich wie wahrscheinlich 90 Prozent aller Frauen aus allen Wolken gefallen, weil mir gegenüber ein wirklich guter Arzt saß, der mich auch durch die zweite Schwangerschaft begleitet hatte und dem ich sehr vertraut habe, und er hat gesagt: «Es tut mir leid, Frau Atwell, aber da kann ich Ihnen nix zu sagen. Da weiß ich einfach nichts drüber.» Und ich so: «What? Aber Sie sind doch mein Frauenarzt. Ich bin eine Frau, wie kann das sein?» Sagt er: «Da müssen Sie zum Endokrinologen. Das habe ich nur ein Semester gemacht in meiner Ausbildung.» Und er hat mir homöopathische Sachen über den Tisch geschoben. Ich habe dann ein bisschen Mönchspfeffer genommen, aber so richtig geholfen hat es nicht. Ich habe gemerkt, dass ich Schlafstörungen bekommen habe. Ich konnte immer gut schlafen. Und plötzlich konnte ich nicht mehr schlafen. Ich bin direkt nach dem Einschlafen wieder aufgewacht. Hatte Schweißausbrüche. Herzrasen, bin wieder eingeschlafen, wieder aufgewacht, wieder hochgeschreckt. Morgens früh aufgewacht, habe grübelnd nachts wach gelegen und bin nachts an den Kühlschrank. Heiß, kalt, habe gefroren, habe geschwitzt. Hatte Hitzewallungen, hab dann wieder gefroren. Ich konnte das zuordnen, natürlich. Ich wusste schon Bescheid. Doch ich habe mich erst dagegen gewehrt, eine Hormonersatztherapie zu machen, weil ich gedacht habe, das macht man, um länger jung und attraktiv zu bleiben.

 

Ach, den Aspekt kenne ich noch gar nicht.

Ich habe gedacht: «Ach, die nehmen jetzt alle Östrogene, weil sie keine Falten bekommen wollen.» Was für ein Blödsinn, ich war einfach nicht aufgeklärt. Ich habe dann noch mal Sheila de Liz’ Buch zur Hand genommen und habe einen Termin beim Endokrinologen vereinbart. Das war eine Offenbarung. Er hat mir das alles erklärt und mir neue Studien vorgelegt: «Lesen Sie das, wenn Sie Angst haben, dass das Krebsrisiko steigt – bitte lesen Sie das alles. Das stimmt nicht.» Ich nehme jetzt seit zwei Jahren bioidentische Hormone, und es geht mir gut. In meinem Umfeld gibt es immer mehr Frauen, die das auch machen und total zufrieden und glücklich sind, endlich wieder schlafen zu können. Es gibt ja fast vierzig Symptome, die noch gar nicht erforscht sind. Von denen man noch gar nicht genau weiß, inwiefern sie mit dieser hormonellen Veränderung zu tun haben. Und es gibt wahrscheinlich noch viel mehr Symptome. Plötzlich tauchen ganz viele Frauen in meinem Umfeld auf, die beispielsweise Schulterschmerzen haben.

 

Frozen Shoulder?

Ja. Sie haben alle plötzlich Schulterschmerzen und sagen: «Vielleicht habe ich zu viel Yoga gemacht.» Oder vielleicht sind es die Hormone. Das verändert sich auch langsam, und wir sollten alle wissen, dass die Perimenopause schon deutlich früher anfängt. Mit Mitte/Anfang vierzig in der Regel, und trotzdem weisen es alle von sich und sagen: «Nein, nein, ich habe meine Tage noch!» Aber das hat doch nichts damit zu tun. Da siehst du, wie schambesetzt dieses Thema ist. Weil es gleichgesetzt wird mit dem Verlust von Attraktivität, damit, not fuckable zu sein, Männer interessieren sich nicht mehr für dich. Du trägst nur noch Beige und färbst dir die Haare lila und bist eine Oma. Das ist schlimm. Das muss weg.

 

Das muss auf jeden Fall weg. Ich finde das auch ganz furchtbar, und gleichzeitig verstehe ich trotzdem die Tabuisierung nicht, weil es wirklich jeden angeht. Was ist denn schlimm daran zu sagen, dass man nicht mehr gut schläft? Ich kann mir das nicht so richtig erklären.

Das ist eine gute Frage. Schlimm daran ist, dass es eben gleichgesetzt wird mit der Zeit, in der die Frau ihre biologische Bestimmung verliert und deshalb uninteressant wird. Zack, weg damit. Wenn wir das mal weiterdenken, wenn wir das Rad mal weiterdrehen und uns überlegen, wo das herkommt, da wirst du ja wahnsinnig. Dann kannst du einfach nur noch wütend werden. Weil das Ganze natürlich mit dem Patriarchat zu tun hat. Das Ganze hat mit Männern zu tun, die an Schaltknöpfen sitzen. Auch in der Medizin. Die Aufgabe der Gynäkologen ist seit Jahrhunderten, Kinder, Babys, auf die Welt zu bringen, die Gesellschaft zu vermehren und sich nicht um die alten Tanten zu kümmern.

 

Deswegen wird das nicht im Medizinstudium gelehrt. Man muss Zusatzausbildungen machen, und ganz wenige tun das. Meine Frauenärztin ist auch nicht geschult.

Und wie schlimm ist das dann? Ich hatte das Glück, dass ich an den richtigen Endokrinologen geraten bin und auch eine aufgeklärte Frau bin und über Mittel verfüge und in der Großstadt lebe. Aber wie ist das für Frauen, die auf dem Land leben? Und die auch noch durch ihr Umfeld vermittelt bekommen: «Stell dich nicht so an, das kann doch nicht sein, wir alle mussten da durch.» Das ist auch so ein berühmter Satz. Ja, what the fuck? Das heißt doch nicht, dass ich das alles ertragen muss.

 

Ja, ich finde, du musst auch früh Bescheid wissen, bevor du in diesem Sumpf der Symptome steckst, weil du dich da ganz schwer rausziehen und motivieren kannst, dir Hilfe zu suchen. Du musst außerdem Glück haben, an die richtigen Leute zu geraten. Ich habe eine Freundin, die lange auf ihren Termin gewartet hat. Sie hat all ihr Vorwissen mitgebracht und zum Frauenarzt gesagt: «So, das und das und das habe ich.» Und er hat dann gesagt, obwohl sie in einer Großstadt lebt und das ein vertrauenswürdiger Arzt war: «Nee, das ist Quatsch, Sie haben ja noch Ihre Tage.»

Wahnsinn.

 

Sie ist jetzt auf der Suche nach dem nächsten Arzt. Das geht ganz vielen Frauen so. Im Schnitt suchst du vier Ärztinnen oder Ärzte auf, bevor du den findest, der dir dann hilft.

Das kann doch alles nicht angehen. Wo leben wir denn? Das sind 50 Prozent der Weltbevölkerung, gerade die Frauen in den Wechseljahren, wir sind die meisten! Also, das muss ganz, ganz schnell gehen. Ich will ja auch keine Hormonersatztherapie propagieren. Es gibt auch Frauen, die möchten das nicht. Das ist auch völlig in Ordnung, das muss ja jede für sich selbst entscheiden, aber es muss enttabuisiert werden. Wir müssen über diese Symptome reden können. Ich habe so oft gedacht: «Mann, Angela Merkel, was hat die für einen Knochenjob gemacht?» Überlege dir mal, die war genau in der Zeit, in dieser Wechseljahreszeit, Bundeskanzlerin.

 

Unglaublich eigentlich.

Jeden Morgen um – was weiß ich –, um 6 Uhr aufstehen. Ein Tag, der minutiös durchgeplant ist. Was musste sie alles leisten! Und durfte sie einmal sagen: «Ich kann jetzt gerade nicht, denn ich habe Hitzewallungen oder ich schlafe schlecht»? Ich bewundere die Frau sowieso sehr, aber sie ist in meiner Achtung noch mal gestiegen. Und ich muss dir ehrlich sagen, es muss möglich sein, dass wir darüber offen reden können und dass wir uns dann auch krankmelden können. Es gibt ja schon andere europäische Länder, die es vormachen und es den Frauen ermöglichen, in dieser Zeit etwas flexibler mit sich umzugehen. Großbritannien ist da recht weit vorne, dort gibt es auch eine Wechseljahresbeauftragte. So was muss her. Dafür muss mehr Awareness her. Die Frauen müssen aufgeklärt werden und die Männer im Übrigen auch.

 

Ja, natürlich.

Ich höre ganz oft von Männern meiner Generation: Das ist ja so ein Frauenthema. Aber du bist doch mit einer Frau verheiratet, die in dem Alter ist? Ja, aber ich will das gar nicht so genau wissen. Da denk ich: Sag mal, was bist du denn für ein Idiot?

 

Die Männer müssten alle diese Bücher auch lesen. Das ist definitiv so. Ich glaube, Frauen geben ihren Männern die Bücher nicht. Weil sie sich schämen.

Dann schließt sich der Kreis wieder, weil du attraktiv bleiben willst. Das ist ein bisschen so ähnlich wie – das ist vielleicht ein komischer Vergleich, aber fällt mir gerade ein –, wie die Frauen, die nicht wollen, dass ihre Männer bei der Geburt dabei sind, weil sie denken: Oh Gott, ich entmystifiziere mein Geschlecht, er hat meine Mumu gesehen. Da denke ich: «Sag mal, hast du sie jetzt noch alle?» Er kann ja entscheiden, ob er da unten am Fußende sitzt oder oben.

Das ist auch so ein Punkt, weißt du, als wir vorhin über Männer gesprochen haben und über mein Single-Dasein: Ich bin bereit, Kompromisse zu machen, um Gottes willen, das muss man immer im Leben, aber in manchen Bereichen bin ich es nicht mehr. Ich bin nicht mehr bereit, mit einem Mann zusammen zu sein, der sich diesen Themen verschließt, der nicht reflektiert und der seinen eigenen Scheiß nicht aufarbeitet. Ich habe mal einen Post von Sharon Stone gelesen, der ich auf Instagram folge. Sie war in einer Talkshow und hat gesagt, sie habe einfach keinen Bock mehr auf Männer, weil sie keine Männer in ihrem Alter findet, mit denen sie sich auf Augenhöhe fühle. Die ihren Shit together haben, die ihr eigenes Leben aufgearbeitet haben, die auch mal gucken, was ist nicht so gut gelaufen, die an sich arbeiten, die reflektieren, die nicht nur verdrängen. Ich weiß nicht, ob das ein Altersding ist.

 

Vielleicht ist das einfach auch ein Frauen- oder Männerding. Vielleicht sind wir auch irgendwann dazu gezwungen, uns mit uns auseinanderzusetzen, um Zeiten wie die Wechseljahre zu überstehen, oder?

Habe ich auch schon mal überlegt, ja.

 

Außer den bioidentischen Hormonen, was machst du noch, damit es dir besser geht?