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"Ach,hältst du bitte mal kurz?", hörte er ganz in seiner Nähe und mit halblauter Stimme eine junge Frau sagen. "Das Tuch hier ist wirklich sehr hübsch!", setzte sie dann überrascht noch hinzu. ... So beginnt eine Geschichte, in der ein junges ostdeutsches Paar im Abiturientenalter in seinen ersten gemeinsamen Urlaub nach Südfrankreich aufbricht und dort auf etwas kuriose Weise die Bekanntschaft eines anderen, etwa zehn Jahre älteren, und ebenfalls aus Deutschland kommenden Paares macht. Nach einem einigermaßen turbulent verlaufendem gemeinsamen Badeausflug der beiden Paare, entspinnt sich daraufhin ein ... "Sommer mit Flamingos"!
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Seitenzahl: 330
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Coverbild, ganzseitig
Einige Vorbemerkungen:
Aus Gründen der Steigerung des Lesevergnügens wurden die in dieser Erzählung vorkommenden erotischen Begebenheiten und Verwicklungen sämtlich, komplett und völlig frei erfunden.
Alles andere hierin ist, wie eben meist in solchen Dingen, eine Mischung aus Erlebtem, Gehörtem und der Erfindung des Autors.
Selbstverständlich hat sich der Autor aber auch von Menschen und Geschehen inspirieren lassen, die niemals etwas mit seinen eigenen, hier zum Teil verarbeiteten Erlebnissen zu tun hatten oder auch nur haben konnten.
Die Kapitel 5 und 6 enthalten nur relativ wenig Handlung, jedoch viele Gespräche über Themen, die möglicherweise nicht für alle Leute gleichermaßen interessant sein dürften. Wer das auslassen möchte, kann nach den ersten Abschnitten von Kapitel 5 aussteigen und einige Seiten oder Abschnitte vor Ende des Kapitels 6 (bzw. bei Kap.7) ohne Probleme wieder in die Geschichte einsteigen. Gute Unterhaltung beim Lesen wünscht,
Der Autor, F.P.
Folgende Titel wurden seit 2022 in der Edition Idismana bei epubli Berlin bereits als ebook veröffentlicht:
-Franz Perrschau: „Die geheimnisvolle Mondfee“, Sieben kleine Geschichten, von Märchen bis Science Fiction, vorgestellt in einer (teilweise provisorischen) Rahmenerzählung.
-Franz Perrschau: „Der wundersame Kunstkatalog“, Kunst, Geschichte und sechzehn kleine Geschichten dazu in einem ungewöhnlichen Rahmen. Teil I
-Franz Perrschau: „Neuigkeiten aus der guten alten Zeit!“, ein kleiner Sylvesterspaß für Jung und Alt nach Münchhausenart.
-Franz Perrschau: „Keep Marblesuave!“, Zehn kleine Episoden und Abenteuer aus dem Leben des Lord Marblesuave und seines Butlers James. Teil I
-Franz Perrschau (Texte)/ Ludwig Gsanghofer (Melodien): „Keiner macht´s für niemand!“, Dreizehn volkstümliche Schlagertitel zum Mitschmunzeln. Teil I
-Franz Perrschau: „Die Abenteuer eines Geisterfahrrads“, Geschichten, Fantasy, Esoterik. (Diese Veröffentlichung enthält als Leseprobe die ersten von jeweils drei Teilen der beiden Erzählungen „Der wundersame Vorhang“ sowie „Die Abenteuer eines Geisterfahrrads“. Übrigens keinerlei Horror dabei.)
-Wilhelm Jakob Grimmig: „Die sieben Sinnlosigkeiten“, Geschichten vom Schwach-, Wahn-, Blöd-, Stumpf-, Starr-, Irr- und Unsinn. Leseprobe (zwei Kurzgeschichten);
[Grimmig hat sich - übrigens ohne jeden Grimm - letzthin dazu entschlossen, sein vormaliges Pseudonym ’Ernst Aberwitz’ in Zukunft abzulegen.; d. Hrsg.]
Weitere Publikationen in dieser Form planen die Autoren und der Herausgeber auch für die nächste Zeit.
PS: Die Autoren und der Herausgeber bitten freundlich um Verständnis dafür, dass sie ganz einfach viel zu beschäftigt sind, um etwaige Leserpost beantworten zu können. Vielen Dank.
Ebenso wird ausdrücklich auch dafür um Verständnis geworben, dass aus Zeitgründen nicht alles, was die Autoren und der Herausgeber der ’Edition Idismana’ bisher veröffentlichten, bereits in die ihnen mögliche sprachliche Bestform gebracht werden konnte.
“Sommer mit Flamingos“, in der ein weiteres Mal überarbeiteten Neufassung von November 2024, darf uns hierbei wohl als der uns bisher bestmögliche erreichte ästhetische Maßstab und Standard gelten. Nochmals vielen Dank.
Autoren und Herausgeber
Edition Idismana
(Herausgeber: Frank Schober)
Impressum
Texte: © November 2024 by Frank Schober (Herausgeber)
Cover:© November 2024 by Frank Schober (Herausgeber)
Bild Idismana: © November 2024 by Frank Schober (Herausgeber)
Lektorat: Frank Schober (Herausgeber)
Schwedenstraße 10
98617 Meiningen
E-Mail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten
Erstveröffentlichung von: „Sommer mit Flamingos“ von Franz Perrschau: Juni 2022 mit gleichem Cover bei epubli
Franz Perrschau
Sommer mit Flamingos
(nochmals korrigierte und überarbeitete Neufassung)
Inhaltsverzeichnis:
Die Begegnung; Eine dieser Sachen, die immer zuerst passieren
Flamingos
Die Reise beginnt
Sommerzeit; Schöne Tage und Scherereien
Liebe auf Logisch?
Gruß aus der Steinzeit?
Frischer Wind
Ne me quitte pas
»Ach, hältst du bitte mal kurz?«, hörte er ganz in seiner Nähe und mit halblauter Stimme eine junge Frau sagen. »Das Tuch hier ist wirklich sehr hübsch!«, setzte sie dann überrascht noch hinzu.
Sie stand, ihren Rücken ihm dabei zugewandt, ebenso wie noch einige andere Kunden des kleinen Ladens etwas zu seiner Rechten, trug ein sehr sommerliches Kleid und hatte sich ihr langes und dunkel kastanienbraun glänzendes Haar auf einfache, doch elegante Weise nach oben gesteckt.
Wie er bemerkte - sie schien ihm auch um einige Jahre älter zu sein als er selbst - war sie wohl gerade dabei, sich an einem drehbaren Warenständer einige modische Tücher etwas genauer anzuschauen.
Gleich darauf und ohne sich auch nur im Geringsten nach ihm umzusehen oder ihren Blick von den Tüchern abzuwenden, reichte sie ihm dann, an ihrem linken, direkt in seine Richtung ausgestreckten Arm und mit leicht dabei abgespreizten Fingerspitzen, ihre Handtasche nach hinten.
Als der junge Mann nun dadurch begriff, das sie mit dem, was sie gerade gesagt hatte, seltsamerweise genau ihn gemeint haben musste, brachte er ihr, durch eine leichte unwillkürliche Drehung nach rechts und so schnell es ihm eben gelingen wollte, seine Hände ein wenig entgegen und nahm stumm die ihm dargebotene Handtasche an.
Nur wenige Augenblicke zuvor war er eingetreten in den Souvenirladen und dann etwas seitlich des Eingangs gleich wieder stehengeblieben, um sich zuerst einmal einen Überblick über das nicht sehr große und zur späten Vormittagsstunde schon recht gut besuchte Ladenlokal zu verschaffen.
Nicht weit von hier, wo die Fußgängerzone dann etwas hinablief, malte Tanja an ihrer Staffelei, während er - etwas außerhalb ihrer Sichtweite und abseits des allgemeinen Trubels - ein wenig auf seiner Gitarre herumgeklimpert hatte. Aber nach einer Weile, als ihm die Lust dazu dann doch irgendwie vergangen war, hatte er diese wieder zum Auto zurückgebracht.
Mittlerweile bereits einigermaßen von sich selber gelangweilt, hatte er dann beschlossen, sich hier eben allein einmal etwas umzuschauen, in der ihnen bislang noch unbekannten, etwa mittelgroßen Stadt im Osten der Provence. Schon durch die allerersten Eindrücke, welche die beiden jungen Leute bei ihrer Ankunft mit dem Auto empfangen hatten, waren sie gleich in eine ziemlich romantische Stimmung versetzt worden.
Als sie nämlich hier ankamen, am frühen Vormittag und vom nahen Zeltplatz aus, auf steilen und gewundenen Straßen, da zogen noch einzelne, wie abgerissen scheinende Nebelfetzen durch die oft schluchtartigen, meist sehr dicht und zum Teil recht stattlich bebauten felsigen Abhänge der Stadt und sie fanden alles hier sehr malerisch, beinahe schon etwas märchenhaft.
So stand er nun also da, abwartend und mit leicht klopfendem Herzen: In einem kleinem provencalischen Souvenirladen, hielt höflich und mucksmäuschenstill die Handtasche einer ihm vollkommen unbekannten jungen Dame und harrte ganz einfach weiter der Dinge, welche nun dort auf ihn zukommen mochten.
Danach zu urteilen, wie sie ihn gerade irrtümlicherweise und komplett unbesehen angesprochen und ihm dann auch noch völlig unerwartet ihre Handtasche nach hinten gereicht hatte, musste sie wohl ebenfalls aus Deutschland kommen. Außerdem war sie ganz offensichtlich auch nicht allein unterwegs, hier in dieser gebirgigen Gegend, nahe des Mittelmeers.
In ihrem luftigen Kleid schmiegte sie sich nun in das Tuch, das sie bereits an sich genommen hatte, und sagte im samtenen Ton einer Stimme, die von einer angenehmen und ganz leicht zur Tiefe neigenden Mittellage war: »Tolle Farben, hey, und wie sich das anfühlt! –
Was is’ Schatz? Gefällt es dir auch?«, erkundigte sie sich gleich darauf, wie nebenher und ohne sich dabei irgendwie nach ihm umzusehen, bei ihrem vermeintlichen Partner und dieser nickte nur schulterzuckend dazu. Eine Reaktion, vielleicht aus den Augenwinkeln heraus wahrgenommen, die ihr doch recht vertraut zu sein schien, was wohl auch der Grund dafür war, dass sie sich immer noch nicht zu ihm umgewandt hatte.
Ein wenig sich wiegend und windend vor ihm in ihrem Sommerkleid und weiter unschlüssig und prüfend das Tuch betrachtend, sagte sie dann schließlich: »Ist ja nun wirklich nicht gerade billig für so’n einfaches Tuch! Aber, hm, was meinst du – soll ich’s nehmen, Hase?«
»Ich heiße Erik.«, bemerkte der hinter ihr stehende und von ihr gerade mit “Hase“ angesprochene junge Mann beiläufig und gleich darauf ertönte von schräg gegenüber und mit hörbar ironischem Unterton schon die Stimme eines anderen Mannes:
»Naah? Hast’ dir wohl schon einen neuen Kleiderständer zugelegt, gerade eben?«, woraufhin sie sich einigermaßen irritiert erst kurz zu diesem und dann beinahe blitzartig nach links hinten zu Erik umwandte, der sie jetzt etwas unsicher, aber verschmitzt anlächelte und sich sichtlich freute über den vollkommen überraschten Ausdruck im Gesicht der jungen und außergewöhnlich schönen Frau.
Das Lachen, das daraufhin die an diesem kleinen Missgeschick beteiligten Personen erfasste, hatte, je nach Lage des Betreffenden, einen Anklang von vorsichtiger Neugier, ein wenig planloser Überrumpelung, bis hin zu einer leicht schelmenhaften Schadenfreude.
Mit einem leisen, beinahe schon geflüsterten: »Bitteschön!« gab Erik der jungen Dame nun erst einmal ihre Handtasche zurück, wobei er allerdings deutlich bemerkte, dass ihn langsam aber sicher eine gewisse Nervosität zu erfassen begann. Dann erklärte er ihr, etwas umständlich und sie dabei um Entschuldigung bittend, dass er wirklich nur darauf bedacht gewesen sei, das Herabfallen ihrer Tasche zu verhindern und diese nur deshalb und sozusagen sicherheitshalber schnell an sich genommen habe.
Ihr Begleiter beteuerte nun, dass selbstverständlich alles seine Schuld gewesen sei, da er, der vorher an genau jenem Platz gestanden hatte, sich einfach davongestohlen habe, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Beide baten Erik nun um Entschuldigung.
Dieser jedoch war alles andere als unglücklich darüber, dass es zu dem kleinen Missverständnis gekommen war. Denn er spürte sehr deutlich, dass diese Frau, neben der er jetzt schon eine kleine Weile stand, einen äußerst anziehenden, jedoch auch einigermaßen geheimnisvollen Eindruck auf ihn machte. Gleichermaßen belebend wie benebelnd und nie zuvor, so wurde ihm deutlich bewusst, hatte er durch die bloße Gegenwart einer Frau etwas Vergleichbares an sich wahrgenommen.
Allerdings bemerkte er zweifellos, dass diese sonderbare Wirkung ihrer Person und ihrer Nähe auf ihn ganz bestimmt nicht nur auf der außergewöhnlichen Schönheit und Attraktivität ihrer körperlichen Erscheinung beruhte. Gleichfalls waren auch die Eleganz ihrer Kleidung, ihrer Frisur oder etwa der besondere Duft eines Parfüms - sie hatte gar keines aufgelegt - nicht das, was ihn an ihr so bezauberte.
Es schien ihm eher so etwas wie ein Kraftfeld um sie herum zu sein. Unsichtbar, aber auch fast wie in Licht gegossen und irgendwie doch auch fließend und strömend und äußerst anregend und angenehm für ihn. Jedenfalls nahm er mit beinahe vollkommener Sicherheit dieses ganz außergewöhnliche Etwas an ihr wahr. Aber irgendwie zu beschreiben oder zu benennen, was da möglicherweise gerade auf ihn einwirkte, das hätte er ganz bestimmt nicht vermocht.
Und so sagte er in seiner einsetzenden Verwirrung nun noch einmal “Hallo“ zu dem jungen Paar, die beide Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig zu sein schienen, und bat diese auch gleich noch einmal um Entschuldigung. Obwohl es doch eigentlich gar nichts gab, wofür er sich denn zu entschuldigen hätte, außer vielleicht dafür, dass er das eingetretene Missverständnis nicht sofort aufgelöst hatte.
»Danke, für die Aufmerksamkeit!«, entgegnete ihm die junge Dame nun freundlich auf seine erneuten Beteuerungen hin. Aber die gewisse Deutlichkeit, mit der sie sich dann bereits wieder mehr ihrem Partner zuwandte, sollte wohl unmissverständlich kundtun, dass sie es nun doch an der Zeit fand zu gehen.
Lächelnd, in einer leichten Drehung ihres Oberkörpers - begleitet von einem angedeuteten Handwinken und einem charmanten Kopfnicken - verabschiedete sie sich dann mit einem leisen aber gefälligen »Adieu!« von dem jungen Mann, der ihr gerade eben kurz mal die Handtasche gehalten hatte. Gleich darauf begab sich das junge Paar dann ganz entspannt zum Verkaufstresen, um das fragliche Tuch nun doch zu erwerben.
»Gern geschehen!«, haspelte Erik ihr in seiner Verwirrung noch hinterher, enttäuscht und beinahe schon etwas verzweifelt darüber, dass sie sich nun bereits von ihm abgewandt und sich von ihm verabschiedet hatte. Keine zwei Minuten mehr, dann wäre sie wohl schon wieder - und damit sicherlich auch endgültig und für immer - aus seinem Leben verschwunden. Leicht betrübt vor sich hin sinnierend darüber, begab er sich daraufhin etwas weiter hinein in das Innere des Ladens.
Als das junge Paar diesen dann verließ, schaute Erik seiner gerade entschwindenden Zufallsbekanntschaft noch etwas nach und sie, sich wie zufällig noch einmal zu ihm umwendend, rief: »Schönen Urlaub noch!«, und winkte ihm dann zum Abschied noch einmal aufmunternd zu.
»Danke, euch auch!«, antwortete Erik ihr schnell und seine Stimmung war gerettet, da sie ihn letztendlich doch noch einmal angesprochen hatte.
Er sah sich nun noch ein wenig um hier, fand aber nichts, was ihn besonders interessiert hätte. Parfüm, Modeartikel, einige kleine antike Nachbildungen, Kunstreproduktionen und sonst nur der übliche Andenkenschnickschnack. Ein Souvenirladen eben und sein Souvenir daraus würde wohl das Andenken an diese merkwürdige und etwas kuriose Begegnung bleiben, die er soeben darin gehabt hatte.
Nach einer kleinen Weile verließ dann auch Erik den Laden, um mal bei Tanja vorbeizuschauen, die - ein Stückchen die Fußgängerzone hinab - in einem malerischen Eck am Ende eines kleinen verkehrsfreien Gässchens ihre Staffelei aufgebaut und wahrscheinlich ein Pastellbild begonnen hatte.
Erik war neunzehn und Tanja, seine Freundin, ein gutes Jahr jünger. Sie hatte gerade ihr Abitur gemacht und Erik hatte die Zeit nach seinem Abi bisher damit verbracht, in der kleinen Baufirma seines Vaters zu arbeiten.
Das hatte sich so ergeben, einfach aus dem Grund, dass er sich damals, nach seinem Schulabschluss, überhaupt noch nicht darüber im Klaren war, was er nun eigentlich studieren wollte. Aber auch jetzt hatte er in dieser Frage immer noch keine endgültige Entscheidung getroffen.
Jedoch hatte er sich auf diese Art zumindest ein gewisses finanzielles Polster für sein Studium geschaffen, das er nun doch endlich beginnen wollte im Herbst. Obwohl er eigentlich immer noch nicht so ganz genau wusste, welches denn nun eigentlich.
Eriks Vater hätte es natürlich am liebsten gesehen, dass sein Sohn Bauingenieur werden würde, wie er selbst, und dieser lehnte das auch nicht vollkommen ab. Aber es gab auch noch einige andere Dinge, bis hin zur Medizin, die er auf jeden Fall interessant fand und die zumindest aus diesem Grund als mögliche berufliche Zukunft für ihn in Frage gekommen wären.
Bei Tanja allerdings lag die Sache völlig anders. Sie hatte die Aufnahmeprüfung im Fach Bühnenmalerei geschafft und würde im kommenden Herbst gleich anfangen zu studieren. Eigentlich brachte sie ja für fast gar nichts anderes als Malerei und Theater ein echtes Interesse auf, so fand jedenfalls Erik.
Mit dem Auto von Tanjas Eltern waren die beiden nun in ihren ersten gemeinsamen Urlaub gefahren und für Tanja kam wegen Cezanne, Picasso und van Gogh überhaupt nichts anderes in Frage als die Provence. Erik hatte zwar gemault: »Was willst du denn nur bei diesen nervigen Franzosen?!«, obwohl er Frankreich so gut wie gar nicht kannte.
Aber es war zwecklos. Würde er sich wirklich geweigert haben, mit ihr dorthin zu fahren, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich einen anderen Begleiter dafür suchte als ihn zumindest ernsthaft gegeben gewesen, so machte er es sich deutlich klar. Wenn nicht in diesem, dann eben im nächsten Jahr. Sie wollte, sie musste und sie würde nach Frankreich fahren, Punkt. Also fuhren sie.
Tanja war brünett, nicht sehr groß, schlank, jedoch nicht superschlank und ganz bestimmt keine Frau für den Laufsteg, aber doch recht hübsch anzuschauen. Sie hatte sich Erik ausgesucht als ihren Freund und genauer gesagt konnte auch eigentlich nur sie sich ihn ausgesucht haben und nicht etwa umgekehrt, denn er war nun einmal etwas träge, was sein Verhältnis zum anderen Geschlecht betraf, wenn auch keinesfalls uninteressiert. Sollten die Weiber doch machen!, schien seine Einstellung auf diesem Gebiet zu sein.
Erik war mittelgroß, sah nicht übel aus mit seinen etwas welligen mittelblonden halblangen Haaren, war außerdem von sportlicher Figur und hatte bisher immer noch irgendwie Eine abbekommen die ihm gefiel, und am Lagerfeuer mit seiner Gitarre sowieso noch.
Seit der ersten Frühlingsparty im Mai war er also mit Tanja zusammen, die damals gerade ihre letzten schriftlichen Abi- Prüfungen hinter sich gebracht hatte und von Erik wegen ihrer Mathe- Prüfung getröstet werden wollte. Auf Erik hatte sie wohl ein Auge geworfen, weil der sich wegen einer manchmal recht ausgeprägten Unangepasstheit ein wenig abhob von den anderen. Allerdings konnte dies immer mal wieder zu gewissen Verwicklungen führen, die auch ihm selbst nicht immer ganz angenehm waren.
Es war einfach nicht zu glauben, dachte sich Erik, als Tanja ihm stundenlang ihr Leid klagte. Die heulte wirklich wegen einer Mathe- Prüfung, die sie ja außerdem auch noch bestanden hatte!
Später wurde es ihnen zu kühl auf der Wiese am See und sie machten sich auf den Weg zu dem Heuboden auf dem Grundstück von Eriks Familie, der etwas abseits gelegen war. Tanja war aus dem Nachbardorf und sie hatte zu Hause Bescheid gesagt, dass sie wohl bei einer Freundin übernachten werde, außerdem war sie ja auch schon volljährig.
So waren sie, bis es wieder hell wurde, ganz munter und vergnügt miteinander beschäftigt. Erik dachte, wenn die Heulerei vorbei war, dann waren die Mädels immer richtig gut in Form, was das anging, irgendwie entspannter. Sie schliefen noch ein paar Stunden im Heu und als sie aufwachten ging Erik ins Haus um etwas zu essen und zu trinken zu holen und dann begaben sie sich an den kleinen Badesee an dem gestern Abend die Party stattgefunden hatte, um miteinander zu frühstücken. Es war noch etwas Glut in der Feuerstelle und auch ein paar Stöcke vom Brennholz waren noch übrig von gestern, aber zum Baden war es ihnen noch viel zu kühl, so dass sie sich nur etwas frischmachten am Wasser. Alle anderen waren bei dieser Kälte, die nachts noch herrschte, auch irgendwann nach Hause gegangen, nur das Leergut und seine alte Gitarre lagen noch herum.
Sie frühstückten also in glücksbeseelter Stimmung nach einer ebenso mit einer großen Decke im warmen und duftigen Heu verbrachten Nacht. Ringsherum blühte und zwitscherte es wie verrückt und die Sonne wärmte nun auch schon wieder recht kräftig, so dass sie den ganzen Tag damit verbrachten, frischverliebt sich zugewandt, durch Wald und Wiesen zu spazieren. Erik hatte genug Proviant dabei in einem kleinen Rucksack, sich einen kräftigen Wanderstab gesucht und eine Quelle war auch in der Nähe.
Am Abend fuhren sie dann mit der ganzen Clique zu einem Rock-Konzert und die folgende Nacht verbrachten sie wieder zu zweien auf dem Heuboden. Seitdem waren sie zusammen und das war schön, so fanden sie. Aber zur großen und dramatischen Leidenschaft taugten sie beide nun auch wieder nicht und das wussten sie auch.
Als Erik wieder bei Tanja angelangt war, hatten sich mittlerweile einige Touristen um sie herum eingefunden, die ihr interessiert beim Malen zuschauten. Manche unterhielten sich leise darüber, äußerten ihre Meinungen oder gaben Kommentare dazu ab.
Das von ihr gewählte Motiv - ein markant aufragender mittelgroßer und typisch provencalischer Turm mit eisernem Glockenkäfig - gab schon richtig was her und das Bild schien Tanja auch wirklich gut zu gelingen. Erik staunte ein wenig, denn Tanja schien sich bei der Darstellung des spätmittelalterlichen Gebäudeenssembles am oberen Ende eines leicht gewunden ansteigenden Gässchens sogar mal ganz ernsthaft um eine wirklich korrekte Perspektive bemüht zu haben.
Obwohl er selbst weder zeichnete noch malte, hatte er doch ein einigermaßen stark ausgeprägtes geometrisches Grundverständnis für solche Dinge und regte sich immer ziemlich auf über Tanja, wenn sie da schluderte: »Erst hockst du dich da hin und malst, dann passt dir das Licht nicht mehr und du rennst dorthin und abends dann wieder was anderes, ohne auch nur ein einziges Mal darüber nachzudenken, was du da eigentlich machst und was das für dein Bild und die Perspektive und alles Andere bedeutet. Das ist doch der reinste Schwachsinn!«, schimpfte er dann wenig rücksichtsvoll, doch Tanja war das reichlich egal. Ihr kam es auf die Farbe an und auf sonst gar nichts. Sie war dann wie in einem Mal-Rausch und kümmerte sich um überhaupt nichts anderes mehr. »Lass mich bitte zufrieden damit! Ich brauch’ das! Für meine Gefühle!«, verteidigte sie sich und ihre Art zu malen dann, ohne auf seine Einwände einzugehen.
“Hiilfe“, dachte Erik in solchen Fällen immer. “Gefüühle, und alles total windschief! Weiber! Einfach nicht zum Aushalten!“ Es war ihm ein Rätsel, wie Tanja überhaupt die Aufnahmeprüfung geschafft haben konnte!
Die Touristen fanden ja alles was Tanja malte immer noch viel toller als diese selbst, aber dieses Bild schien ihr ohne Frage ziemlich gut zu gelingen. Hier, in Frankreich, gab sie sich anscheinend auch mal richtig Mühe mit solchen Sachen wie der perspektivischen Darstellung und wurde erkennbar auch immer sicherer und selbstbewusster, sich mal ernsthaft darin auszuprobieren.
Als er dann von der Seite zu ihr an die Staffelei herangekommen war - er gab er ihr ein Küsschen und die zuschauenden Leute erschraken im ersten Moment ein wenig darüber - sagte er ihr in gedämpfter Lautstärke ins Ohr, dass er das Bild wirklich toll und gelungen fand.
»Danke!«, entgegnete sie ihm, ehrlich erfreut über sein lobendes Urteil. Dann fragte sie ihn leise flüsternd und einigermaßen erschöpft: »Hast du vielleicht mal schnell ’ne Kippe für mich? Ich brauch wirklich erst mal ’ne Pause! Diese ganzen Leute hier und das alles. Das geht mir doch echt langsam auf’n Keks, sag’ ich dir!“
»Ja, ja!«, flüsterte Erik ironisch zurück, »Die bösen Leute wieder mal. Und alles, alles Spießer!«
»Sie regen mich eben nun mal auf!«, gab Tanja etwas genervt, doch in weiterhin stark gedämpftem Tonfall zurück.
»Was willst du denn nur immer, etwa Kunst ohne Publikum?«, fragte er sie daraufhin mit leicht aufgeworfenen Armen und ebenfalls im Flüsterton und sie schüttelte schulterzuckend den Kopf und dachte, dass sie sich eben daran werde gewöhnen müssen, irgendwie in der Aufmerksamkeit anderer zu stehen mit ihrer Malerei.
Das von Erik nach seinem Abitur auf dem Bau verbrachte Jahr hatte ihn schon etwas verändert in seinen Ansichten und Einstellungen und Tanjas leichter Abiturienten- und Künstlersnobismus nervte ihn nun doch schon ein wenig.
Sie waren zeitig losgefahren vom Zeltplatz, denn in der Mittagshitze wurde das Malen eher zu einer Quälerei und nun war es schon später Vormittag geworden und damit auch entsprechend heiß. Erik drehte zwei Zigaretten mit Filter und sie rauchten, wegen der großen Hitze etwas lustlos auf einem kleinen Mäuerchen unter dem schattenspendenden Blätterdach einer Platane sitzend und abwechselnd in großen Zügen Wasser aus einer großen Flasche trinkend.
Da Tanja keine Lust mehr hatte an ihrem Bild weiterzumalen, beschlossen sie zusammenzupacken, zum Auto zu laufen und dann für den Rest des Tages ans Meer zu fahren, nachdem sie vorher noch irgendwo einen kleinen Imbiss einnehmen wollten. Vielleicht fanden sie ja eine schöne einsame Stelle, an der sie bis zum späten Nachmittag ungestört baden konnten.
Danach wollten sie zum Zeltplatz zurückfahren, duschen und sich ein wenig ausruhen. Für den Abend hatten sie dann wieder einen Besuch in der Stadt geplant, um dort in der stimmungsvoll sommerlichen Atmosphäre der Altstadt Essen zu gehen.
Als sie dann am Meer angelangt waren und die Küstenstraße entlangfuhren, fanden sie jedoch fast überall Steilküste vor oder die Strände waren schon irgendwie belegt und sie bemerkten, dass das mit dem einsamen und ungestörten Baden gar nicht so leicht zu realisieren war. Sie schienen wohl einfach die falsche Ecke dafür erwischt zu haben hier.
Das Picasso-Museum, das gar nicht so weit entfernt war, wollte Tanja erst besuchen, nachdem sie noch einige Sachen gemalt hatte ohne solche starken Eindrücke empfangen zu haben. Die Anregungen von dort, das wusste sie, würden sie viel zu sehr beeinflussen, um etwa noch eigen- und selbständig weitermalen zu können. Sie würde das gar nicht einzudämmen wissen, so war ihr vollkommen klar.
Also kutschten sie einfach nur so ein wenig in der Gegend herum und fuhren am späten Nachmittag auf ihren Zeltplatz zurück, um dort zu duschen, sich ein wenig auszuruhen und auf den Abend in der Stadt vorzubereiten, jedenfalls tat Tanja dies. Die ungewohnte sommerliche Dauerhitze des Südens machte ihnen eigentlich nicht viel aus, sie vertrugen sie beide recht gut.
Am Abend zurück in der Stadt - sie hatten das Auto in einem Parkhaus abgestellt - bummelten sie auf der Suche nach einem Restaurant durch die malerischen, von Touristen und Einheimischen belebten Straßen und Gassen der Altstadt.
»Hier, hier!«, rief Tanja Erik zu und war schon halb verschwunden in dem Restaurant, das gerade ihre Aufmerksamkeit erregt hatte und somit eigentlich schon auserwählt war zum Zwecke eines Besuchs. Allerdings waren dessen Straßentische bereits alle belegt.
Das Dazusetzen zu Fremden, so wussten sie aus eigener unerfreulicher Erfahrung bereits, war in Frankreich gar nicht gut angesehen. Als sie es doch einmal getan hatten - aus Gewohnheit von zu Hause her - wurden sie, obwohl sie freundlich gegrüßt und gefragt hatten und die nicht erfolgte Verneinung irrtümlich als Zustimmung interpretierten, nicht nur von den Leuten die schon am Tisch saßen, sondern auch von der Bedienung solange komplett ignoriert, bis sie, etwas verschämt, es vorzogen wieder zu gehen. [Kleines ’Leckerli’ für unsere lieben ’Fremdschämerchen’, ôhhhhh!, F.P.; Triggerwarnung!!! Kommt noch mehr davon, reichlich!! Der Typ hat nämlich kaum einen Fettnapf ausgelassen in Frônkreisch, Frônkreisch!, d. Hrsg.]
»Oh nein!«, protestierte Erik händeringend, da er es lieber etwas ruhiger gehabt hätte. »Viel zu voll hier!«, rief er Tanja noch nach. Aber es half wieder einmal nichts mehr. Sie war schon hineingeschlüpft in das Restaurant und so musste er notgedrungen eben auch hinterher.
Drinnen war es recht geräumig, jedoch ebenso voll wie draußen und sie gingen ein wenig zwischen den Tischen umher, sich danach umschauend, ob eventuell doch noch irgendwo ein kleines Ecktischchen frei und durch sie zu belegen wäre.
Allerdings bemerkte Erik dabei sofort und sehr angenehm überrascht, dass sich auch das junge Paar von heute Vormittag aus dem Souvenirladen in dem Restaurant aufhielt. Er versuchte sogleich, vor allem natürlich aus Freude über die Wiederbegegnung mit der jungen Frau, ein wenig in deren Richtung zu lächeln.
Diese saßen zu zweit an einem Vierertisch und seine Zufallsbekanntschaft hatte ihn auch schon bemerkt. Sie hatte auch Tanja gleich richtig eingeordnet, der die beiden ein wenig beim Malen zugeschaut hatten heute Morgen. Sie und ihr Begleiter waren nämlich, nach dem kleinen Zwischenfall mit der Handtasche aus dem Souvenirladen kommend, noch etwas durch die Altstadt flaniert und dabei auf Tanja an ihrer Staffelei aufmerksam geworden.
»Tolles Farbgefühl hat die Kleine!«, hatte der Partner der jungen Dame dann beim Weitergehen zu ihr gesagt und diese reagierte nur mit einer leichten Kopfbewegung darauf.
Die junge Frau erkannte sogleich, dass die zwei gerade eingetretenen wohl keinen freien Tisch mehr finden würden und sagte darum leise zu ihrem in einem Buch blätternden Begleiter: »Du, schau mal! Da drüben ist doch der junge Typ! Der von heute Vormittag aus dem Souvenirladen! Genau der, dem ich dann aus Versehen meine Handtasche in die Hand gedrückt habe, nur weil du dich vorher klammheimlich verzogen hattest! Zusammen mit deiner kleinen Malerin übrigens! Die scheinen einen Tisch zu suchen. Bei uns is’ doch noch was frei! Ich wink´ denen mal zu. Ich heiß’ Jacqueline und du Reinhard. Wo wir herkommen sag’ ich später, okay?“
Dieser nickte nur stumm und schüttelte dann ganz leicht den Kopf, die Augen verdrehend in ratloser Verwunderung über diese nicht ganz untypische Kapriole seiner Partnerin, atmete leise schnaufend dabei aus, verzog aber kaum eine Miene.
Erik erklärte Tanja währenddessen, dass die Frau, die ihnen da gerade eben zugewunken hatte und der neben ihr sitzende Mann genau das Paar seien, deren Handtasche heute Vormittag aus Versehen in seinen Händen gelandet war. Er hatte Tanja den kuriosen Zwischenfall erzählt, als sie am Nachmittag mit dem Auto an der Steilküste unterwegs gewesen waren.
Sie blickten sich daraufhin etwas verwundert und andeutungsweise mit den Schultern zuckend an, mussten ein klein wenig lächeln und gingen dann zwischen den vollbesetzten Tischen etwas zögerlich auf die junge Frau und deren Begleiter zu, die gerade dabei war, ihnen nochmals zuzuwinken.
»Hallo! Sucht ihr einen Tisch?«, fragte sie die beiden, als diese bei ihr angelangt waren. »Bei uns is’ noch was frei, setzt euch doch zu uns. Hier is’ jeden Abend total voll. Wir hatten reserviert.«
»Danke, gern!«, antwortete Tanja erfreut. »Das is’ richtig nett von Ihnen! Hier ist es wirklich sehr schön!«
»Ja, und das Essen und alles andere ist auch sehr gut.«, bestätigte ihr die junge Frau. »Das ist Reinhard und ich heiße Jacqueline.«, stellte sie sich und ihren Partner den beiden dann vor.
»Erik und Tanja«, antwortete Tanja.
»Freut uns.«
»Ebenso.«
»Wir kennen uns ja schon ein bisschen!«, sagte die angebliche Jacqueline dann zu Erik und zog dabei lächelnd, mit andeutungsweise zugekniffenen Augen, die Oberlippe ein ganz klein wenig hinauf in Erinnerung an ihr kleines Missgeschick vom Vormittag.
»War denn noch alles drin in Ihrer Tasche?«, fragte dieser sie daraufhin und gab sich scherzhaft ein wenig erschrocken.
»Ja, ja! Sicherlich!«, erwiderte die junge Dame amüsiert, Kopf und Oberkörper dabei ganz leicht wiegend. Dann nickte sie ihm freundlich zu und machte mit einer einladenden Geste den Vorschlag: »Aber lasst uns doch “Du“ sagen!«, was alle zufrieden waren und die neuen Gäste nahmen Platz.
Karaffen mit Wasser und Wein waren schon am Tisch, Jacqueline bestellte noch weitere Gläser samt Nachschub an Getränken und es entspann sich auch gleich ein angeregtes Gespräch, wobei das ältere Paar den deutlich neugierigeren Part abgab, zumindest, was die Dame betraf.
»Wo kommt ihr her?«, … »Ah, kennen wir noch nicht!«, bekannte die junge Frau und sagte dann schnell, dass sie beide aus Hannover seien. … »Ihr seid noch ziemlich jung, zum ersten Mal in Frankreich?« … und so weiter und so fort.
Als die Getränke kamen, gaben auch Tanja und Erik ihre Bestellung auf und irgendwann im Laufe des weiteren Gesprächs stellte sich heraus, dass es sich bei Reinhard um einen echten und wahrhaftigen Maler, einen richtigen freischaffenden Künstler handelte!
Nun sei der Abend wohl gelaufen, dachte sich Erik und wirklich, Tanja sprach von da an, während des Essens und auch im weiteren Verlauf, die ganze Zeit über von rein gar nichts Anderem mehr als Kunst und Malerei in allen ihr geläufigen und bekannten Varianten!
Doch trotzdem wurde es auch für Erik ein richtig angenehmer Abend, denn die Gegenwart und das erneute Zusammensein mit dieser Jacqueline empfand er nun wirklich mehr als einfach nur angenehm.
Um diese Frau schien, wie er sogleich wieder spürte, auf unerklärliche Weise eine merkwürdig prickelnde, anregende und belebende Atmosphäre zu strömen, wie er das eben noch nie zuvor bei irgendeiner anderen Frau erlebt hatte. Und noch nie zuvor hatte ihn eine andere Frau in dieser Weise fasziniert, und das, obwohl sie sicher neun oder zehn Jahre älter war als er selbst und er sich sonst für Frauen um die Dreißig überhaupt nicht interessierte, die nahm er eigentlich gar nicht wahr, normalerweise, mit seinen neunzehn Jahren.
Erik berichtete Jacqueline, dass Tanja und er am Nachmittag an der Küste gewesen wären, aber trotz langen Suchens keine geeignete Stelle zum Baden hätten finden können. Diese erzählte ihm daraufhin, dass sie und Reinhard ein tolles und ziemlich versteckt liegendes Fleckchen an der Steilküste wüssten, ganz einsam gelegen und auch leicht zu klettern. An Wochentagen wäre man da außerdem meist ganz ungestört. Und da sie für den kommenden Tag sowieso einen Badeausflug erwogen hätten, könnten doch er und seine Freundin morgen einfach mitkommen dorthin, schlug sie dann vor.
Sie unterbreitete diesen Vorschlag auch gleich ihrem Partner, der mit Tanja derweil über Kunst diskutierte und dieser stimmte, nur beiläufig dazu nickend, gleich ohne weiteres zu. Was Tanja offensichtlich ebenso erfreute wie Erik selbst.
Dieser zog daraufhin eine Straßenkarte der Gegend aus Tanjas Handtasche und Jacqueline zeichnete ihm die Stelle ein, zu der sie morgen am späten Vormittag kommen sollten und auch wie sie da hingelangen konnten. Es führte nämlich keine befestigte Straße dorthin, sondern nur ein mehrere Kilometer langer schmaler Feldweg, welcher von einer aus einem Küstenörtchen herausführenden Landstraße abzweigte.
Sie beschrieb ihm den Ort und den Weg dahin noch ein wenig genauer und versprach Erik, dass sie und ihr Partner sich nach Möglichkeit etwas früher als zu dem vereinbarten Zeitpunkt dort einfinden würden, dann könnten sie die Stelle auch nicht verfehlen.
Der Abend ging zu Ende und die beiden Paare verabschiedeten sich voneinander. Jacqueline und Reinhard gingen in das nahegelegene Hotel in dem sie wohnten und Tanja und Erik fuhren wieder zurück auf den Zeltplatz, ein paar Kilometer vor der Stadt.
Tanja war noch immer total aufgekratzt wegen ihres Gesprächs mit Reinhard, dem Künstler. Sie kam aus dem Schwärmen über diesen Typen und sein Kunstgefasel, wie Erik nun schon meinte, gar nicht mehr heraus, was diesem allerdings bereits ziemlich auf die Nerven fiel.
»Kannst du dich vielleicht auch mal wieder ein klein wenig einkriegen mit deinem Kunstheini?«, sagte er genervt, als es ihm dann irgendwann reichte und von da an war Tanja eingeschnappt für den Rest des Abends.
Beim Einschlafen im Zelt drehte sie ihm ihren Rücken zu und als er sich von hinten an sie anschmiegte, ließ sie es sich zwar gefallen, ohne von ihm abzurücken, reagierte aber sonst nicht weiter und sie schliefen irgendwann ein.
Am nächsten Morgen wachte Erik allein auf im Zelt. Wo war Tanja denn nun schon wieder hin und was war los mit ihr? War sie etwa auf Toilette? Ging sie doch sonst nicht um diese Zeit. Oder hatte sie womöglich gar die Kurve gekratzt? War aber auch eher unwahrscheinlich.
Es regnete Bindfäden, wie er auf dem Zeltdach hören und durch das kleine Folienfenster sehen konnte und weil Erik das Zelt nicht imprägniert hatte, kam die Nässe in Blasenform auch schon ein wenig durch den dünnen und nunmehr bereits total vollgesaugten Zeltplanenstoff gesickert.
Er konnte den Gestank dieses Imprägnierzeugs eben einfach nicht ertragen und wenn man nicht anstieß an die Plane, dann passierte auch nichts und das Wasser sickerte einfach über den Stoff nach draußen ab. Also, bloß nicht an die Zeltdecke stoßen, dachte sich Erik, sonst kommt das alles gleich runtergeprasselt auf den Schlafsack!
Dann drehte sich Erik wieder auf die Seite zur Zeltwand hin und schloss erneut die Augen, um noch etwas auszuruhen. Es war ja noch nicht mal sieben Uhr und wenn Tanja bei diesem Wetter und um diese Uhrzeit schon alleine losgestiefelt war, dann sah das doch höchstwahrscheinlich schon wieder mal ganz nach einigermaßen nervigen und anstrengenden Diskussionen aus. So ein Scheißwetter und dann muss die auch noch anfangen ´rumzuspinnen, dachte er zwar ein wenig ärgerlich, sich aber trotzdem noch ganz entspannt dabei räkelnd.
Nun hörte er leise Schritte, die vorsichtig in dem Matsch und den Pfützen vor dem Zelt herumpatschten. Das schien Tanja zu sein. Hilfe, hoffentlich schleppte sie nicht die ganze Nässe und den Schlamm von draußen ins Zelt, dachte er!
Er blieb aber lieber einfach erstmal liegen unter seinem Schlafsack und mit dem Gesicht zur Zeltwand. Da schnarrte auch schon der Reißverschluss mit dem Tanja das Zelt öffnete, sich hereinkniete, ihre Schuhe von den Füßen zog und draußen unter das kurze Vordach stellte.
Dann kam sie, sich dabei drehend, ins Zelt herein, nahm den Regenschirm und schüttelte durch mehrfaches schnelles Aufspannen nach draußen das Wasser von diesem ab. Anschließend klappte sie den robusten Schirm dann ein und lehnte ihn vorsichtig in die linke vordere Ecke des Zeltes.
Erik machte sich jetzt langsam bemerkbar, indem er sich zu räkeln begann, so als ob er gerade erwachen würde und gab dabei die typischen, damit verbundenen Grummel- und Ächzgeräusche von sich. Dann drehte er sich zum Zeltinneren und sagte halblaut mit etwas krächziger Stimme: »Guten Morgen!«, was Tanja ein wenig tonlos und unbeteiligt erwiderte.
“Wahrscheinlich immer noch eingeschnappt“, dachte sich Erik. Dann fragte er sie, wo sie denn gewesen sei und sie antwortete ihm ebenso tonlos und trocken wie vorher, jedoch einigermaßen bestimmt: »Spazieren!«.
»Spazieren?«, fragte er angesichts des Wetters ungläubig zurück, Tanja kramte nun in ihren Sachen herum, und dann meinte Erik leicht genervt zu ihr: »Pass bitte auf, sonst kommt die ganze Nässe noch ’runtergeprasselt von der Zeltplane!«.
»Ja, ja! Werd’ ich schon machen!«, gab sie ihm in gleicher Weise zurück. Erik hatte sich mittlerweile wieder in seinen Schlafsack hineingewühlt und sagte, dass es gerade kurz vor Sieben sei.
»Na und?«, erwiderte Tanja mit leichter Empörung, »Ich kann ja wohl nicht die ganze Zeit einfach nur so herumliegen mit dir hier im Zelt! So als ob wir schon ein altes Ehepaar wären!«
»Altes Ehepaar?«, konterte Erik gereizt, »Wir machen doch nur ganz normal Urlaub, oder spinnst du jetzt schon vollkommen?«
Woraufhin sie erwiderte: »Ja, ja, ganz normal! Aber du gehst noch nicht mal mit mir spazieren!«
»Spa-zie-ren?«, fragte er nochmal, diesmal schon reichlich ungläubig und in einem noch etwas gereizteren Ton und sagte dann: »Bist du bescheuert? Es ist kurz vor sieben Uhr und schifft wie blöd und ich hab’ Urlaub! Verstehst du?«
»Ja, Urlaub! Ja blöd!«, erwiderte sie, seinen verschärften Ton dabei aufgreifend, »Wie kann man nur so blöd sein! Du könntest schon ein Jahr lang studieren! Aber was machst du? Nichts dergleichen, außer mit deinen Bauheinis rumhängen und Bier trinken!«
»Was soll das denn jetzt?«, antwortete er ihr überrascht und noch ärgerlicher dabei werdend, »Wir machen hier einfach nur ganz normal Urlaub, aber du musst ja hinter jeder Kunstscheiße herrennen und jetzt rennst du auch noch sinnlos im Regen herum. Wenn du nur ein einziges Mal ein ganz kleines bisschen überlegen würdest, bevor du irgendetwas machst oder sinnlos irgendwo hinrennst!«
»Ach!«, erwiderte sie, sich langsam aber sicher ereifernd, »Ich renn’ also sinnlos rum’, ja? Aber du, du machst nie irgendwas und überlegst nur! Du gehst nie irgendwo hin und jetzt liegst du einfach nur hier rum! Tausendmal am Tag frag’ ich dich, was du gerade denkst und du sagst “Nichts“ und wenn ich dann mal irgendwas zusammen mit dir machen will, dann sagst du, dass du dir das erstmal überlegen musst!«
»Na klar!! Du willst irgendwas machen!«, meinte Erik jetzt ironisch, aber nicht gerade sehr leise, »Du regst dich auf, wenn ich mir mal was überleg’ und das stört dich gewaltig. Aber weißt du, wenn alle so wären wie du, dann würden wir jetzt noch in der Höhle ums Feuer hocken!«
»Und weißt du, wenn alle so wären wie du«, gab sie ihm ebenso energisch zurück, »dann wäre bis jetzt noch nie auf der Welt irgendwo irgendetwas passiert!«
»Es schifft erstens wie blöd und zweitens hab’ ich das ganze Jahr über geschuftet im Regen und im Matsch und jetzt will ich mich einfach nur mal ausruhen ohne Pisse und Scheiße, kapiert?!«, konterte Erik ihre Antwort nicht minder beharrlich.
Tanja hatte nun genug von dieser Diskussion und beschlossen, wieder hinaus in den Regen und weiter spazieren zu gehen und verkündete: »Mir reicht’s! Lieber sitz ich im Regen, als dass ich mir das noch länger anschaue und anhöre! Ich geh’ wieder und du kannst wegen mir machen was du willst!«
Mit dem Rücken zum Ausgang kniend, hatte sie ihre durchnässten Schuhe nun schon wieder übergestreift, den Regenschirm in ihre Hände genommen und war gerade dabei, sich rückwärts aus dem Zelt nach draußen zu begeben. Aber in ihrer Erregung drückte sie dabei versehentlich zu früh auf den Spannknopf des Schirms, so dass das einigermaßen große und stabile Teil sich mit vollem Schwung vor ihr öffnete, der Schirmrand ziemlich kraftvoll an die Zeltdecke anschlug und die ganze Nässe von der Zeltplane direkt ins Zeltinnere heruntergespritzt und geprasselt kam.
Für Erik, der alles ins Gesicht und auf seinen Schlafsack bekam, sah das natürlich so aus, als hätte Tanja das in voller Absicht getan und er schimpfte nun wütend los: »Danke, daanke!!! Alles sacknass jetzt wegen dir, du blöde Kuh!«
»Entschuldigung, das war wirklich aus Versehen!«, verteidigte Tanja sich, war aber immer noch komplett verärgert und konterte deshalb: »Aber du kotzt mich trotzdem an mit deiner Trägheit!«
Woraufhin er sich erregte: »Was, ich träge! Immerzu gehst du einem auf den Geist mit deinem bescheuerten Kunst-Klimbim! Ich hab’ die Schnauze voll von deiner Spinnerei!«
Tanja heulte mittlerweile: »Gar nichts, gar nichts, wir machen gar nichts, wir streiten uns nur! Wir sind schon wie so ein altes Ehepaar!«
»Was willst du denn nur immerzu Sinnloses machen?«, fragte Erik entnervt und sehr laut, »Es schifft und ich bin sacknass jetzt wegen dir!!«
»Ich kann hier nicht mehr hocken!«, rief sie wie verzweifelt und heulte.
»Sinnlos, es ist sinnlos!«, entlud sich nun wieder Erik, »Es schihifft! Begreifst du das denn nicht? Da kann man nichts machen!«
»Doch!“, rief Tanja heulend aber energisch, »Ich muss immer was machen, und Leute wie du, die nichts machen, die sind nicht zum Aushalten für mich!«
Woraufhin Erik ziemlich laut erwiderte: »Dann leck mich doch am Aarsch! Ich muss nicht immerzu irgendwas Sinnloses machen!«
»Leck du mich am Aarsch!«, gab sie ebenso laut zurück, »Ich halt’ das nicht mehr aus mit so einer Schnarchbacke wie dir! Ich muss hier weeg!!«
»Dann hau doch endlich aaab!!!«, war Eriks Antwort, und sie kam aus vollem Halse.