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Sieben Kurzgeschichten werden den Lesern hier vorgestellt, eingebettet in eine (teilweise leicht provisorische) Rahmenhandlung. Der Bogen spannt sich dabei von Märchengeschichten, Mythologischem, Esoterischem und Historischem über die Gegenwart bis hinein in den Science Fiction-Bereich. Autor und Herausgeeber wünschen gute Unterhaltung dabei. Die Mondfee erscheint ...
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Seitenzahl: 180
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Coverbild, ganzseitig
Vorbemerkungen:
Sieben kleine Geschichten werden den Lesern hier vorgestellt, eingebettet in eine (teilweise leicht provisorische) Rahmenerzählung. Der Bogen spannt sich dabei von Märchen, Mythen und Historischem über die Gegenwart hinein bis in den Science Fiction-Bereich. Autor und Herausgeber wünschen gute Unterhaltung dabei.
Vom selben Herausgeber wurden bei epubli bereits als ebook veröffentlicht:
-Franz Perrschau: „Sommer mit Flamingos“, Liebe, Urlaub, Frankreich und vieles andere Meer! (korrigierte Neufassung)
-Franz Perrschau: „Der wundersame Kunstkatalog“, Kunst, Geschichte und sechzehn kleine Geschichten dazu in einem ungewöhnlichen Rahmen. Teil I
-Franz Perrschau: „Neuigkeiten aus der guten alten Zeit!“, Ein kleiner Sylvesterspaß für Jung und Alt nach Münchhausenart.
-Franz Perrschau: „Keep Marblesuave!“, Zehn kleine Episoden und Abenteuer aus dem Leben des Lord Marblesuave und seines Butlers James. Teil I
-Franz Perrschau (Texte)/ Ludwig Gsanghofer (Melodien): „Keiner macht´s für niemand!“, Dreizehn volkstümliche Schlagertitel zum Mitschmunzeln. Teil I
-Franz Perrschau: „Die Abenteuer eines Geisterfahrads“, Geschichten, Fantasy, Esoterik. (Diese Veröffentlichung enthält als Leseprobe die ersten von jeweils drei Teilen der beiden Erzählungen „Der wundersame Vorhang“ sowie „Die Abenteuer eines Geisterfahrrads“. Übrigens keinerlei Horror dabei.)
Weitere Publikationen in dieser Form planen die Autoren und der Herausgeber im Laufe des Jahres bis spätestens Ende 2023.
PS: Die Autoren und der Herausgeber bitten freundlich um Verständnis dafür, dass sie ganz einfach viel zu beschäftigt sind, um etwaige Leserpost beantworten zu können. Vielen Dank.
Impressum
Texte: © Mai 2023 by Frank Schober (Herausgeber)
Cover: © Juni 2022 by Frank Schober (Herausgeber)
Lektorat: Frank Schober (Herausgeber)
Schwedenstraße 10
D-98617 Meiningen
E-Mail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten
Franz Perrschau
Die geheimnisvolle Mondfee
(leicht bearbeitete Neufassung)
Inhaltsverzeichnis
Die Mondfee erscheint
Das Märchen von Prinzessin Selina
Was einem so alles passieren kann
Andorin und der heilige Gral
Idismana
Lena und Henning verliefen sich im Wald
Svetleschenia
Selma entdeckt das Leben der anderen
Das Geheimnis der Schneeschüttelkugel
Here´s, where the story ends.
Das Zimmer in dem er nun schlief, seit gestern Abend erst fertig renoviert, das hatte noch keine Vorhänge und darum konnte der am Himmel stehende volle Mond sein Licht auch ganz ungehindert in dieses hineinscheinen lassen. Um einen richtigen Vorhang für die große verglaste Balkonflügeltür zu kaufen, da fehlte es dem jungen Mann derzeit ein wenig an Geld und wäre der Raum durch einen solchen bereits abgedunkelt gewesen, dann hätte man auch mit dem Licht einer Kerze wohl kaum für mehr Helligkeit darin sorgen können.
Leichten Schrittes, unhörbar fast, war sie also im Schein des Mondes vorsichtig an sein Bett herangetreten und hatte ihn dann mit dem silberseidenen feinen Saum an dem weiten Ärmel ihres Kleides so lange an der Nase gekitzelt, bis er dann endlich mal niesen musste davon und auch sogleich erwachte.
Da stand sie nun leibhaftig vor ihm und ihr mondfarbenes, ein wenig gewelltes und diesmal hochgestecktes Haar schimmerte im Glanz des Mondes mit einer bläulich bis rötlichgelben, ganz leicht vibrierenden Aura und schlagartig war es ihm wieder zu Bewusstsein gekommen, wer sie war und woher er sie kannte. Es war ein unmittelbares Wiedererkennen im Mondschein für ihn.
Er hatte sie nämlich kurzerhand einfach so zutapeziert gestern Abend und nun war sie wohl wiedergekommen, mitten in der Nacht und aus der frisch tapezierten Wand, um ihn noch einmal zu besuchen. Oder wollte sie sich nun womöglich gar beklagen oder beschweren bei ihm über sein gestriges Tun? Jedenfalls kamen jetzt langsam solche Befürchtungen in ihm auf. Aber - dass fragte er sich mittlerweile sowieso schon, zweifelnd und noch halb im Schlaf - was ging denn hier eigentlich nur vor sich?
Vor kurzem war er also umgezogen in eine kleine Zweizimmerwohnung im zweiten Stock eines Mietshauses und am Vortag, bei der Renovierung seines Wohn- und Schlafzimmers, da hatte er nach dem Abreißen einiger zuvor eingeweichter alter Tapetenreste erst einmal eine Pause eingelegt.
Er wollte sich nämlich zwischendurch und in aller Ruhe mal etwas Essbares und auch ein gutes Bierchen bei ebenso guter Musik gönnen, denn ansonsten war diese endlose Kleckserei und Kleisterei einfach nicht zu ertragen für ihn, er mochte es nun einmal wirklich nicht besonders gut leiden.
Als er dann aber wieder an seine Arbeit gehen wollte, da bemerkte er an einer Wand dieses Zimmers zufällig eine Stelle, welche in der Zwischenzeit schon wieder getrocknet war. Voller Überraschung und Erstaunen fiel ihm nun allerdings auf, dass durch das Abziehen der alten Tapetenfetzen aus einigen Farbresten und kleineren, zum Teil fast minimalen Tapetenrückständen dort das exakte Abbild, ja beinahe schon Gemälde, eines Mädchens oder einer jungen Frau entstanden war.
´Wie bezaubernd schön sie ist! Was für ein Bildnis, eine Göttin!´, so waren seine ersten, völlig unwillkürlichen Gedanken gewesen, als er dieses entdeckt und eine Weile lang fassungslos angestarrt hatte. „Oder hab´ ich vielleicht doch schon ein Bierchen zu viel getrunken?“, zweifelte er dann seine eigene Wahrnehmung an, aber diese Sorge zu haben war eigentlich völlig unnötig, wie er doch selber wusste. Jedenfalls hatte ihn die ganz unerwartete und absolut verblüffende Erscheinung an der Wand seines Wohnzimmers doch einigermaßen verunsichert und in Staunen versetzt.
Sie war als eine lebensgroße Büste dargestellt. So, wie in einem etwas erhöht an der Wand hängenden Gemälde und sah wirklich aus wie gemalt. Das erstaunliche Portrait einer selbstbewussten und außergewöhnlich schönen jungen Dame. Und sie trug eine Anmut und einen Ausdruck in ihrem Gesicht, dessen sich auch ein Vermeer, ein Poussin oder auch ein Monet nicht hätten zu schämen brauchen, wenn sie dieses Bild denn geschaffen hätten.
Man sah sie in einem halbseitlichen Profil von rechts, so, als ob man etwas links vor ihr und unterhalb von ihr im Raum stehen würde. Wie aus dem Nichts schien da an der Wand ein Bildnis entstanden zu sein und das in wirklich absolut lebensechten Proportionen und von einer genial angelegten, aber der Umstände halber vorerst nur vage, jedoch deutlich genug ausgeführten Darstellung.
Vornehmlich sah man hauchzarte Sepia- und Grüntöne samt einem mondschimmernden Gelb in den Haaren. Phantastisch, bezaubernd und unglaublich schön; die Welt konnte sich einfach nur staunend bereichert fühlen an diesem Geschöpf, durch welches sie zweifellos nun um Einiges reizender und vollkommener geworden war.
Ein überaus fein gezeichnetes junges Gesicht schaute da mit einem wachen und forschenden Blick von der Wand herab. Ihr Mund mit den grazil gewellten Lippen fast wie plaudernd, leicht offenstehend dabei und mit einem angedeuteten Lächeln. Alles wie in einer freudigen und zuversichtlichen Zufriedenheit über ihre eigene, so gelungene wie urplötzlich in die Welt gekommene Existenz.
Ihre grünlich schimmernden Augen funkelten wie suchend und erkundend schräg nach rechts unten in den Raum und unter der mit einem leichten Lächeln angehobenen Oberlippe sah man eine Reihe blendend weißer Zähne hervorblitzen.
Irgendwie schien der Ausdruck ihres Gesichtes ständig zwischen einem erwartungsfrohen Lächeln und einer vollkommen aufmerksamen, wachen und intelligenten Ernsthaftigkeit zu schweben, alles gekrönt durch ihre außerdem fast überirdische Schönheit.
Auch Schmuck trug sie. An ihrem rechten Ohr, ihrer dem Betrachter zugewandten Halbseite, war so etwas wie ein kleines Ohrgehänge aus Bernstein und Silber zu erahnen und auf beiden Seiten ihres Kopfes waren dem langen, leicht welligen und dichten, augenscheinlich blonden und lose in seiner Mitte zu einem Zopf zusammengebundenen Haar, das ihr über der linken Schulter lag, zwei kurze, schmale bunte Bänder eingeflochten, wie man deutlich erkennen konnte; ein Rotes und ein Blaues, lose wallend.
Nase und Kinn waren nur sehr zart angedeutet in ihrem anmutigen Gesicht und desgleichen ihr fein gezeichneter schöner Busen in dem weiten Ausschnitt eines ebenfalls nur hauchzart angedeuteten, fast schulterfreien und einfach gehaltenen, etwas rokokoartigen Kleides. Einfach nur bezaubernd und betörend waren die Feinheit und die Zartheit ihres Wesens.
Aber die neue Tapete war eben schon aufgelegt auf dem Tapezierbrett und der Kleister schon angerührt im Eimer, gestern Abend, und er wollte ja unbedingt so schnell wie möglich endlich mal fertig werden, zumindest mit diesem Zimmer und sowieso mit dieser nervigen Renoviererei, die ihm ja so gar nicht behagte und so hatte er sich auch gleich jedes weitere Sinnieren versagt über das, was er da vor sich sah an der Wand - oder sich, so dachte er jedenfalls gestern Abend noch, vielleicht auch einfach nur einbildete zu sehen.
„Hallo.“, sprach sie ihn jetzt ruhig an. „Nett von dir, dass du aufgewacht bist. Du hast mich gestern Abend leider einfach so zutapeziert, ganz schnell. Wie schade, fand ich!“
„Entschuldige bitte.“, sagte er, etwas kleinlaut und verlegen geworden durch ihre unerwartete Gegenwart. Sie setzte sich dann vorsichtig an den Rand seines Bettes, lächelte ihn an und sagte aufmunternd: „Ich heiße Selena.“
„F-Freut mich d-d-dich w-wiederzus-sehen!“, beteuerte er, etwas eingeschüchtert aus seinem Bett zu ihr aufsehend. „E-Es tu-tut mi-mi-mir e-ehrlich l-leid“, versuchte er sich zu rechtfertigen „und ich ha- ha-hatte w-wirklich ein r-richtig schlechtes Gewissen danach, als ich dich…, a-a-aber ich k-k-konnte ja n-n-nicht w-w-wissen, da-da-da-da-dass …“, so versuchte er sich, leicht ins Stottern gekommen dabei, aus der Affäre zu ziehen.
„Ja, ja. Schon gut.“, antwortete sie leise lachend und nickte mehrmals mit dem Kopf, um ihn zu beruhigen. „Klar konntest du nicht wissen wer ich bin und dass ich auf diese Art eben recht bequem zu dir kommen konnte aus meiner Welt. Aber ein ganz klein bisschen mehr und auch ein wenig länger hättest du dich vielleicht doch schon an mir erfreuen können.“, so gab sie ihm, wohl noch eine leichte Enttäuschung über sein gestriges geringes Interesse verspürend, nun zu verstehen.
„Glaub mir, es tut mir wirklich schrecklich leid!“, wiederholte er schuldbewusst, sich aber innerlich auch langsam wieder fangend. „Ich dachte eben, ich hätte schon zu viel Bier getrunken, als ich dich an der Wand entdeckte und wollte unbedingt schnell mit dem Renovieren fertigwerden. Aber gleich morgen mache ich die Tapete wieder weg. Versprochen!“, so wollte er sich ein wenig aus seiner Klemme herausreden.
„Nein, nein. Lass doch bitte!“, erwiderte sie ihm daraufhin ganz ruhig und abgeklärt. „Das lässt sich nun leider nicht mehr rückgängig machen und du würdest mich auch auf gar keinen Fall mehr so wiederfinden können, so wie gestern Abend. Wer weiß was du dann vielleicht entdecken würdest! Ein Raubtier eventuell! Einen Vampir möglicherweise! Oder ein noch schlimmeres Ungeheuer! Mich jedenfalls ganz bestimmt nicht!“, so klärte sie ihn auf.
„Is´schon klar“, murmelte er, seinen Fehler bedauernd einsehend und sich ratlos ein wenig zurechträkelnd in seinem Bett, „da gibt es jetzt eben kein Zurück mehr. Die Chance, dich so als Bild zu bekommen, die war eben einmalig, die gab es wohl wirklich nur einmal für mich. Ich heiße übrigens…“,
„Ich weiß“, unterbrach sie ihn leise flüsternd „du heißt Andy.“
„Woher weißt du das denn?“, fragte er sie erstaunt.
„Ich weiß sehr viel und schaue in fast jeden Winkel der Welt. Aber du brauchst deinen Fehler ja auch nicht allzu sehr zu bedauern. Ich bin ja trotzdem bei dir, wie du siehst. Und wenn du möchtest, dann werde ich dich auch in Zukunft noch ab und an besuchen kommen in der Nacht, genauso wie heute.“
„Im Ernst?“, gab er erfreut zurück, „Du bist eine so unglaubliche Schönheit und ich kann es mir auch gar nicht verzeihen, dass ich dich gestern Abend einfach so schnell übertapeziert habe. Aber, was könnten wir beide denn überhaupt zusammen unternehmen? Ich meine nur, du bist ja nun mal so etwas wie eine Fee. Eine Traumfee, oder etwa nicht?“, fragte er sie dann in einer Mischung aus Zweifel und Gewissheit.
„Mach dir doch darüber mal keine Sorgen, bitte!“, antwortete sie ihm lachend. „Ich, als Fee, wie du gerade sagtest, ich werde mir ganz bestimmt etwas einfallen lassen für uns beide. Aber fürs erste muss ich mich jetzt von dir verabschieden. Schlafe nun bitte weiter, ich werde dich ganz sicher bald wieder besuchen kommen.“
Daraufhin gab sie ihm einen hauchzarten Kuss auf die Wange und löste sich dann zügig in eine im Mondlicht schimmernde feine Wolke aus Silberstaub auf, die ganz allmählich und beinahe unmerklich verschwand im nächtlichen mondhellen Dämmerlicht seines frisch renovierten Zimmers.
Als Andy am nächsten Morgen erwachte, da wusste er wirklich nicht so richtig, was er von diesem merkwürdigen Traum halten sollte, an den er sich jedoch noch glasklar erinnern konnte. Er hatte sich vorgenommen seine neue Wohnung so gut wie möglich fertig zu renovieren und auch einzurichten in den zwei Wochen Urlaub, die ihm noch verblieben. Jedenfalls so weit, wie es ihm seine derzeit ziemlich knappen finanziellen Mittel überhaupt ermöglichten. Wahrscheinlich war des Öfteren auch ein Besuch im Trödelladen fällig, bis sich seine Finanzen wieder einigermaßen erholt hatten, denn die Miete für die neue Wohnung und die Unterhaltszahlungen für seine knapp vierjährige Tochter würden schon einen gewissen Anteil seiner auch nicht allzu üppigen Einkünfte beanspruchen.
Ersparnisse hatte er so gut wie gar keine mehr, denn die waren durch gewisse Machenschaften seiner Ex fast komplett draufgegangen. Im Moment war er finanziell jedenfalls ziemlich klamm, aber wenn nicht noch irgendetwas anderes richtig schiefging in nächster Zeit, dann würde er schon zurechtkommen.
Also werkelte er den ganzen Tag über vor sich hin und machte auch noch einen kleinen Einkaufsspaziergang. Seine Tochter konnte er heute nicht vom Kindergarten abholen, es sei denn, der Kindergarten würde mal wieder anrufen, weil seine Ex es einfach vergessen hatte sie abzuholen oder dazu gar nicht in der Lage war. Er räumte und baute noch ein wenig umher in seiner neuen Bude und dann wurde es Abend und Nacht und irgendwann ging er dann schlafen.
Als er einige Stunden geschlafen hatte, wachte er plötzlich auf und da saß sie wieder an seinem Bett. „Hallo.“, hauchte sie mit leiser Stimme, um ihn nicht zu erschrecken. „Ich bin´s wieder. Werde doch bitte erst einmal ein wenig wach, ganz in Ruhe, bevor wir miteinander reden.“, sprach sie und sie schauten sich eine Zeit lang einfach nur an. Andy war wieder völlig verdattert von ihrer Erscheinung.
„Wie wär´s denn?“, sprach sie ihn dann an, „Hättest du vielleicht Lust dazu, zusammen mit mir einen kleinen Ausflug zu unternehmen?“
„Einen Ausflug! Mit dir?“, fragte er überrascht zurück. „Jetzt um diese Zeit? Wie stellst du dir das denn vor?“
„Steh doch ganz einfach aus deinem Bett auf und dann kann’s auch gleich losgehen, wenn du willst!“, antwortete sie ihm.
„Aber ich bin doch noch gar nicht richtig angezogen dafür, gleich einen Ausflug mit dir zu starten!“, wandte er ein.
„Ja,ja, ist ja richtig, was du da sagst. Aber ich schwöre dir, wenn du in meiner Gegenwart aus deinem Bett aufstehst, um einen Ausflug mit mir zu machen, dann musst du dir um so etwas ganz bestimmt keine Sorgen machen.“, beteuerte sie ihm. „Steig einfach aus deinem Bett, gib mir deine Hand und dann können wir auch schon losziehen, wenn du innerlich bereit dafür bist!“
Andy hatte jetzt irgendwie Vertrauen zu ihr gefasst und schon war er auch aufgestanden aus seinem Bett, vollständig angekleidet, wie sie ihm versprochen hatte, und sie nahm ihn an seiner rechten Hand, sie gingen zusammen ein paar Schritte im Zimmer umher, dann lösten sie sich vom Boden und schwebten ganz sacht durch die Glasflügel der Balkontür in den mondbeschienenen Nachthimmel hinaus und waren auch bald schon einige Meter über den Dächern der Stadt unterwegs. Ausflug war wohl genau das richtige Wort das sie benutzt hatte, dachte Andy nun bei sich.
„Auf gar keinen Fall darfst du meine Hand loslassen“, warnte sie ihn eindringlich, „sonst bist du verloren!“. Sie schwebten nun langsam in Richtung des Mondes, stiegen aber auch nicht allzu hoch über die Dächer auf.
„Wie es sich für eine ordentliche gute Fee nun mal gehört“, begann sie ihm dann zu erklären, „hast du natürlich einen Wunsch bei mir frei! Und zwar darfst du dir, immer wenn wir beide zusammen unterwegs sind, eine Geschichte von mir wünschen.“
„Hmm“, überlegte er, eine Geschichte! Derletzt hatte ihn doch seine Tochter mal gefragt, als sie im Park am Märchenbrunnen vorbeikamen, ob er ihr nicht ein Märchen erzählen könne. Aber es war ihm einfach nichts eingefallen und ein Märchenbuch, um ihr daraus vorzulesen, das hatte er dummerweise auch nicht dabei, als sie noch durch den Park spazieren gingen nachdem sie auf dem Spielplatz gewesen waren und er sie dann zu seiner Ex zurückbrachte.
„Erzähl mir doch bitte ein Märchen für meine kleine Tochter, Selena! Mona heißt sie. Erst derletzt hat sie sich von mir gewünscht, dass ich ihr eines erzähle aber leider ist mir gar nichts eingefallen und ein Märchenbuch hatte ich auch nicht dabei. Eines vielleicht, dass es noch nicht gibt, oder zumindest so, auf diese Art noch nicht gibt. Viel Neues wird man ja kaum noch erfinden können bei einem Märchen, oder?“, bat er nun seine Fee, als sie so dahinschwebten.
„Ein neues Märchen? Na ja, das mit dem ´Neu´, das schätzt du wohl schon ganz richtig ein, gerade auch was Märchen angeht. Aber nun gut, wir werden gleich mal sehen, was sich da machen lässt.“, willigte sie ein.
„Jedoch, höre mir zu.“, fuhr sie dann fort. „Natürlich könnte ich dir, wie es eben üblich ist, das Märchen ganz einfach bloß so erzählen. Aber, wir könnten es auch so arrangieren, dass du die Geschichten, die ich dir schenken werde gleich selbst erleben kannst, wenn du dich traust!“ und sie sah ihn dabei etwas herausfordernd aber auch freundlich lächelnd an.
„Wirklich geschehen oder zustoßen, so sei dir versichert, kann dir allerdings nicht sehr viel, wenn du mit mir in meiner Welt unterwegs bist. Aber spannend und aufregend könnte es schon werden für dich!“, fügte sie aufmunternd hinzu. „Wie sieht´s aus? Möchtest du es wagen?“, fragte sie ihn dann gleich.
Andy überlegte kurz, ihre Worte innerlich noch einmal nachhörend und antwortete ihr, jetzt bereits einigermaßen abenteuerlustig gestimmt: „Na klar doch! Ich bin dabei! Wegen mir kann´s gleich losgehen!“
Sie schwebten nun schon ein kleines Weilchen nicht mehr über der Stadt und sahen, wenn sie den Kopf umwandten, nur noch deren verschwommene, teilweise blinkende Lichter. Dann tauchten sie in einen dichten, silbernen Nebel ein.
„Höre mir bitte gut zu jetzt!“, sagte sie dann. „Sobald wir gelandet sind und den Boden berührt haben werden wir verwandelt sein und nichts mehr voneinander wissen, auch nicht von unserem jetzigen Dasein.“, klärte sie ihn auf. „Am Schluss unseres Abenteuers wird sich das Ganze dann einfach auflösen in Silberstaub und am Morgen wirst du erwachen, als ob nichts gewesen wäre und du all dies nur geträumt hättest. Aber du wirst dich an die ganze Geschichte erinnern können, gerade so, als ob du sie wie einen Film geträumt hättest.“
Sie schwebten nun Hand in Hand langsam hernieder und Andy sah jetzt ein Märchenschloss mit vielen Zinnen und Türmen aus dem silbernen Nebel unter sich auftauchen, welcher sich gerade recht schnell aufzulösen begann.
„Gleich werden wir beide uns verlieren in der Zeit und der Welt.“, sagte Selena zu ihm, als sie sich unweit des Schlosses über einer bunten Blumenwiese dem Boden näherten und als sie diesen berührt hatten, da waren sie füreinander verschwunden.
Ja, es sollte nun sein. Der alte König hatte seinen Sohn, den Prinzen Andor, zu sich gerufen und ihn darum gebeten, sich doch endlich eine Frau zur Gemahlin zu nehmen, damit er selbst sich nun langsam zu seiner verdienten Ruhe setzen könne und das Königreich nicht ohne König und Königin bliebe. Wer wusste denn schon, wie lange er noch leben würde.
Auch, dass bald und noch zu seinen Lebzeiten eine kleine Prinzessin oder ein kleiner Prinz zur Welt kommen würde, dass wünschte er sich sehr.
Der Königssohn gelobte seinem Vater, ihm seinen Wunsch zu erfüllen und sich eine kluge, schöne und herzensgute Frau zur Gemahlin zu nehmen. Also sattelte Prinz Andor sein schönstes Pferd und machte sich auch sogleich auf den Weg.
Er war schon viele Stunden geritten, da kam er in einen Wald und hörte alsbald eine ganz zauberhafte Stimme, die ein wunderschönes, aber auch sehr trauriges Lied sang. Wie verzaubert folgte er dem Klang der Stimme und wurde durch diese auf eine Lichtung des Waldes geführt. Dort sah er auf einem Baum ein Vöglein sitzen, dass mit menschlicher Stimme sang.
„Was singst du da nur für ein wunderschönes trauriges Lied, kleiner Vogel?“, fragte er dieses.
Das Vöglein sah ihn mit unglücklichen Augen an und sprach: „Ich singe von der Prinzessin Selina. Sie ist die Tochter des Königs in diesem Land, aber sie wurde von einer bösen Hexe verzaubert und wurde selbst eine böse Fee.“ Dann begann das Vöglein wieder seine traurige Klage.
Der Königssohn hörte noch eine Weile zu und fragte dann: „War die Prinzessin denn schon immer ein böser Mensch, kleiner Vogel?“.
„Nein, nein, natürlich nicht!“, antwortete das Vöglein. „Früher war sie ein herzensgutes Kind und außerdem so schön wie Sonne und Mond. Doch die Hexe war neidisch auf die Prinzessin und hat ihr deshalb schöngetan. Aber nach und nach tat sie den Geist und das Herz der Prinzessin vergiften, so dass Selina am Ende nicht mehr unterscheiden konnte zwischen Gut und Böse. Doch dann gewinnt meistens das Böse und die Hexe konnte ihr übles Werk vollenden.
Die Prinzessin ehrte und liebte nicht mehr Vater und Mutter und auch ihr Volk vergaß sie und wurde die Herrin einer bösen Räuberbande, die hier im Walde in einer Höhle haust und ihr Unwesen treibt und die Menschen im Königreich beraubt und verfolgt. Aber die Schönste im Land ist sie immer noch. Doch, Königssohn, seid wohl auf der Hut! Wenn ihre Räuber euch fangen, so seid ihr des Todes!“, so sprach der kleine Vogel zu ihm.
Der Prinz aber wollte das nicht glauben und beteuerte dem Vöglein, dass er die Prinzessin wieder zum Guten bekehren und sie darum bitten wolle, die Räuber zu verlassen und seine Frau zu werden.