Sommerglück auf dem Kirschblütenhof - Lilac Mills - E-Book

Sommerglück auf dem Kirschblütenhof E-Book

Lilac Mills

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Beschreibung

Amor auf vier Pfoten.

Jennie Meadows hat alles, was sie braucht, um glücklich zu sein: ihren Hundesalon "Telling Tails" auf der Cherry Tree Farm und ihre treue vierbeinige Seelenverwandte Millie. Lediglich in Sachen Liebe hat sie bislang weniger Erfolg. Nach einer Reihe von unglücklichen Trennungen hat sie aber auch gelernt, dass Millies Urteilsvermögen besser ist als ihr eigenes - zumindest was Männer betrifft. Als Millie Gefallen an dem örtlichen Tierarzt findet, ist auch Jennies Interesse geweckt. Und obwohl sie eigentlich keine Dates mehr wollte, könnte sie doch dem kleinen Liebesboten auf vier Pfoten eine Chance geben …


 


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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Amor auf vier Pfoten.

Jennie Meadows hat alles, was sie braucht, um glücklich zu sein: ihren Hundesalon "Telling Tails" auf der Cherry Tree Farm und ihre treue vierbeinige Seelenverwandte Millie. Lediglich in Sachen Liebe hat sie bislang weniger Erfolg. Nach einer Reihe von unglücklichen Trennungen hat sie aber auch gelernt, dass Millies Urteilsvermögen besser ist als ihr eigenes - zumindest was Männer betrifft. Als Millie Gefallen an dem örtlichen Tierarzt findet, ist auch Jennies Interesse geweckt. Und obwohl sie eigentlich keine Dates mehr wollte, könnte sie doch dem kleinen Liebesboten auf vier Pfoten eine Chance geben …

Über Lilac Mills

Lilac Mills lebt mit ihrem sehr geduldigen Ehemann und ihrem unglaublich süßen Hund auf einem walisischen Berg, wo sie Gemüse anbaut (wenn die Schnecken sie nicht erwischen), backt (schlecht) und es liebt, Dinge aus Glitzer und Kleber zu basteln (meistens eine Sauerei). Sie ist eine begeisterte Leserin, seit sie mit fünf Jahren ein Exemplar von Noddy Goes to Toytown in die Hände bekam, und sie hat einmal versucht, alles in ihrer örtlichen Bibliothek zu lesen, angefangen bei A und sich durch das Alphabet gearbeitet. Sie liebt lange, heiße Sommer- und kalte Wintertage, an denen sie sich vor den Kamin kuschelt. Aber egal wie das Wetter ist, schreibt sie oder denkt über das Schreiben nach, wobei sie immer an herzerwärmende Romantik und Happy Ends denkt.

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Lilac Mills

Sommerglück auf dem Kirschblütenhof

Aus dem Amerikanischen von Dorothea Kallfass

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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Widmung

1

2 — Sechs Monate später

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Epilog

Impressum

Lust auf more?

Widmung

Für alle Geisterhunde dieser Welt und die Menschen, die sie immer noch lieben.

1

Er hieß Rupert und das hätte mir eigentlich schon alles sagen sollen. Nicht, dass ich jemanden wegen seines Namens in eine Schublade stecken würde, aber kein Junge aus einfachen Verhältnissen trug so einen Namen, die anderen in der Nachbarschaft würden ihn fertigmachen! Ein Junge war er allerdings nicht mehr, bei Weitem nicht, wenn man die Arme und den Oberkörper betrachtete. Hochgewachsen war er auch, so wie die meisten Ruderer.

Rupert und ich verkehrten in vollkommen unterschiedlichen Kreisen, und mir war absolut nicht klar, warum um alles in der Welt ich mich auf ein Date mit ihm eingelassen hatte. Womöglich lag es an den drei Gläsern Wein, die ich bereits intus gehabt hatte. Da Amber an jenem Morgen herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, hatte ich für zwei getrunken. Und hatte ich den Oberkörper erwähnt? Die festen Muskeln zeichneten sich unter dem engen T-Shirt ab, das sich an seinen Körper schmiegte, wie ich es gerne getan hätte. Ich konnte mich gerade noch lange genug von dem Anblick losreißen, um mich zu vergewissern, dass er obenrum kein Frankenstein war. Was ganz und gar nicht der Fall war – das Gesicht über seinen ausgesprochen breiten Schultern war äußerst ansprechend.

Aber wieso zum Teufel hatte ich mich auf eine Verabredung zum Schießen eingelassen? Wer plante so etwas für ein erstes Date? Ein Abendessen, etwas trinken gehen, eventuell ein Konzert, meinetwegen auch Eislaufen – aber doch nicht Tontaubenschießen.

Der einzige Lichtblick war, dass ich Millie mitnehmen konnte. Und hatte ich schon den Oberkörper erwähnt? Wenn das vom Rudern kam, wollte ich mehr Männer kennenlernen, die diesen Sport ausübten, das schwor ich mir (sollte es mit dem hier nichts werden).

Rupert der Ruderer. Auch ohne seine gestelzte Aussprache hätte mir klar sein sollen, dass ich nicht in seiner Liga spielte. Er hatte auf dem Kings College studiert (eine teure Privatuni, für die Mama und Papa jede Menge Kohle hinblättern mussten, in seinem Fall wohl sogar noch etwas mehr, denn er war der jüngste von drei Söhnen). Dann war da noch das Haus, vielmehr das Anwesen. Als ich mit meinem kleinen Micra die Kiesauffahrt entlangjuckelte, Millie hechelnd neben mir auf dem Beifahrersitz, war ich überzeugt, dass wir uns hier nur zum Schießen treffen würden. Nie hätte ich gedacht, dass Rupert tatsächlich hier lebte.

Ich parkte meinen zehn Jahre alten Wagen zwischen einem nagelneuen Range Rover und einem Oberklasse-Jaguar und stieg aus. Das war also Hollington Hall. Nicht schlecht. Ich fragte mich, ob sie hier auch Hochzeiten ausrichteten. Nicht, dass ich vorhatte, demnächst zu heiraten (da musste erst noch der passende Kerl gefunden werden), aber irgendwann in ferner Zukunft hatte ich schon die Absicht. Zumindest war ich nicht so wie einige meiner Freundinnen, die schon vor ihrem sechzehnten Geburtstag das passende Kleid, Schuhe und Brautjungfernoutfits ausgesucht hatten! Mein Interesse war eher verhalten.

Die Eingangstür war geschlossen, sehr ungewöhnlich für ein Hotel.

Nachdem ich Millie abgeschnallt hatte, trug ich sie die Stufen hinauf und setzte sie behutsam zwischen zwei großen Säulen auf den Boden. Ich drückte die Klinke hinunter. Abgeschlossen.

Es schien keine Klingel zu geben, nur einen großen Türklopfer mit Löwenkopf, also klopfte ich ein paarmal fest und wartete, bis eine ältere Frau mit Schürze die Tür öffnete. Sie sah mich stirnrunzelnd an.

»Ich komme zum Tontaubenschießen«, sagte ich.

Sie starrte mich ausdruckslos an.

»Mit jemandem, der Rupert heißt? Den Nachnamen weiß ich nicht, tut mir leid.« Vielleicht war ich hier gar nicht richtig, denn der lange Flur hinter der Frau sah überhaupt nicht nach Hotellobby aus. Es gab nicht mal einen Empfangstresen. Ein verschlafener Cocker Spaniel hob den Kopf und blinzelte, stand aber nicht auf. Er war wahrscheinlich so sehr an Gäste gewöhnt, dass ein weiterer, selbst mit Hund im Schlepptau, ihn nicht in seiner Ruhe störte.

»Master Rupert«, sagte die Frau mit versteinerter Miene.

»Wie bitte?«

»Sein Name ist Master Rupert Hollington.«

»Ich dachte Hollington heißt das Anwesen hier?«

»So ist es.« Sie öffnete die große Tür ein wenig weiter und trat seufzend zur Seite. »Ich werde ihn wissen lassen, dass er Besuch hat.«

Ich trat in den Flur und bekam Stielaugen. Rupert Hollington von Hollington Hall. Rupert der Ruderer, mit der vornehmen Aussprache und dem Abschluss vom Kings College, der es für eine gute Idee hielt, sich beim ersten Date zum Tontaubenschießen zu verabreden.

Ich wünschte, der schwarz-weiß gekachelte Boden würde sich auftun und mich verschlingen.

Die Hausdame, oder was auch immer sie war (keine Ahnung, wie ich sie nennen sollte, womöglich war sie sogar die in die Jahre gekommene Nanny), stakste den Flur hinunter und verschwand hinter einer Tür am anderen Ende, während ich zurückblieb und mit offenem Mund die Wendeltreppe emporstarrte. Dieses Haus war einfach riesig!

»Jessie, wie schön, dass du es einrichten konntest.« Rupert kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu und beugte sich herunter, um mich auf beide Wangen zu küssen.

»Jenni«, korrigierte ich ihn peinlich berührt.

»Bist du sicher?«

»Äh ... ja?«

»Also dann Jenni, obwohl ich hätte schwören können, du hättest dich mir mit Jessie vorgestellt.«

»Es war ziemlich laut in dem Pub«, sagte ich nachsichtig, obwohl es ihm tatsächlich kein bisschen unangenehm zu sein schien, dass er sich meinen Namen nicht richtig gemerkt hatte.

»Ich sehe, du hast deinen Hund mitgebracht«, sagte er. »Apportiert er?«

Ich sah auf Millie hinab mit ihrem fluffigen weißen Fell und dem pinkfarbenen Glitzerhalsband. »Nicht mal ein Stöckchen«, gab ich zu und fragte mich, wie er darauf kam, dass ein West Highland Terrier gut im Apportieren sein könnte. Löcher graben, das wäre etwas anderes ...

Rupert wirkte ein wenig pikiert, fing sich aber rasch wieder. »Kein Problem. Lass ihn nur nicht von der Leine, sonst lenkt er noch die richtigen Hunde ab.«

Wollte er etwa meine Millie beleidigen? Sie war ein richtiger Hund, genau wie jeder andere.

Mich beschlich das ungute Gefühl, dass dieses Date sich nicht so entwickeln würde, wie ich es mir erhofft hatte, und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als er fragte: »Sind deine Gummistiefel noch im Wagen?«

Gummistiefel? Was für Gummistiefel? Ach herrje, für Matsch und Schlamm war ich nicht passend gekleidet, sondern davon ausgegangen, dass Lederstiefel und eine dicke Jacke vollkommen ausreichen würden. Offensichtlich nicht. Als ich mir Rupert jetzt genauer ansah, fiel mir auf, dass er eine Barbour-Jacke und grüne Wellington-Stiefel trug. Sowohl die Stiefel als auch die Jacke waren mit Schlammspritzern bedeckt.

»Schießen wir draußen auf einem Feld?«, fragte ich, stolz darauf, dass ich mich immerhin so weit auskannte.

Er sah mich irritiert an. »Wo sonst?«

Vielleicht hätte ich doch ein wenig eingehendere Recherche betreiben sollen. »Ich habe noch nie zuvor eine Waffe abgefeuert«, gab ich zu. »Übers Schießen weiß ich nur, dass man ,ab‹ ruft und dann versucht, das Ding zu erwischen.«

Auf sein schallendes Gelächter war ich nicht gefasst gewesen. »Meine Liebe, du bist wirklich unbezahlbar!«

»Ach ja?« Und wenn schon, dann wusste ich eben nicht genau, wie diese fliegenden Scheiben genannt wurden. Ich hatte doch eben gerade zugegeben, dass ich keine Ahnung vom Schießen hatte.

»Wir schießen Fasane«, sagte er, nahm mich am Arm und geleitete mich zu der Tür, durch die er gekommen war.

Ich wich zurück. »Moment. Wie bitte? Also echte, lebendige Vögel?«

Er nickte.

»Igitt. Nein danke.«

»Du musst sie ja nicht anfassen«, sagte er und zog mich leicht am Arm.

Es ging mir nicht ums Anfassen – sondern darum, dass Tiere getötet wurden. Millie, die dicht neben mir stand, knurrte leise, halb drohend, halb beunruhigt, und stupste mich mit der Schnauze am Bein. Ich beugte mich zu ihr hinunter, um sie zu tätscheln, und schüttelte dabei seine Hand ab.

»Ist er zutraulich?«, fragte Rupert, beugte sich ebenfalls nach unten und hielt Millie die Hand hin, damit sie ihn beschnüffeln konnte.

Millie verkroch sich zwischen meine Beine.

»Sie«, ich betonte das Wort, »ist sehr zutraulich.« Woraufhin Millie mich prompt Lügen strafte, indem sie ein kehliges Knurren ausstieß.

Ich zog genervt an ihrer Leine und nahm mir vor, sie später dafür auszuschimpfen. Obwohl das auch nichts bringen würde, denn wenn ein Hund nicht sofort im Anschluss an das unerwünschte Verhalten gescholten wurde, wusste er ja gar nicht, wieso Frauchen so ungehalten war.

»Ich denke, das Schießen ist nichts für mich«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. Selbst wenn Rupert vorschlagen sollte, dass wir etwas anderes unternehmen könnten, wäre ich mir ziemlich sicher, dass er nichts für mich war.

Ein Blick auf Millie bestätigte mir diesen Eindruck.

Sie pinkelte ihm gerade auf die Gummistiefel.

2

Sechs Monate später

Ich hatte beschlossen, mich selbst um Patrick zu kümmern. Er war ein mürrischer alter Kerl und sehr wählerisch, wenn es darum ging, wer ihn scheren durfte. Ich war ihm am liebsten, und normalerweise verbrachte er die ganze Sitzung damit, seine Nase in meinem Dekolleté zu vergraben und kleine wimmernde Laute von sich zu geben, ob vor Wonne oder vor Verzweiflung ließ sich schwer sagen.

Der alte Bobtail stand mit eingezogenem Schwanz im Türrahmen, hielt den Kopf gesenkt und sah mich mit flehendem Blick an, aus dem ich seine Bitte herauslas, ich solle ihm doch diese grauenvolle Prozedur ersparen.

»Mrs Paisley«, begrüßte ich seine Besitzerin, trat hinter dem Empfangstresen hervor und streckte die Hand nach Patricks Leine aus. »In zwei Stunden ist er fertig, so wie immer.«

Mrs Paisley lächelte affektiert und strich sich übers Haar. »Dann sind wir nachher beide hübsch gemacht, Liebling«, wandte sie sich zärtlich an den Hund.

Die alte Dame war in Patricks Alter, jedenfalls in Hundejahren gemessen. Beide waren Senioren, mochten feste Abläufe und wirkten ruhig entschlossen. Mrs Paisley brachte Patrick schon zu Telling Tails, seit ich das »Geöffnet«-Schild an die frisch gestrichene Tür gehängt hatte.

Patrick blickte mich unter den zu lang gewordenen Stirnzotteln hervor an und seufzte. Der Hund ging immer zur selben Zeit zum »Friseur« wie sein Frauchen, pünktlich alle sechs Wochen. Für sie bedeutete das Dauerwelle auffrischen, schneiden, legen; für ihn baden, scheren und trimmen. Ich hatte keine Ahnung, ob sich Mrs Paisley auf ihren Friseurbesuch freute, aber ich wusste, dass dies bei Patrick nicht der Fall war. Der Bobtail wimmerte kläglich, als sein Frauchen mit dem für sie typischen Winken aus der Tür tänzelte.

»Na los, Patrick«, ermunterte ich ihn und führte den unwilligen Hund zum hinteren Bereich des Salons, in dem die Hunde gebadet wurden. »Dann wollen wir dich mal wieder ordentlich herrichten.«

Er folgte mir weitestgehend freiwillig, sträubte sich aber, als ich ihn die Rampe hinauf zum Badetisch führen wollte. Also stellte ich mich hinter ihn und lehnte mich mit voller Körperkraft gegen sein flauschiges, ausladendes Hinterteil, bis er sich schließlich seinem Schicksal ergab und nach oben trottete.

»Braver Junge.«

Er warf mir einen elenden Blick zu, die Augen halb von den fransigen Brauen verdeckt. Ich hielt ihn immer noch an der Leine (nicht dass er plötzlich ausriss, wie er es schon einmal versucht hatte), wählte ein passendes Halsband aus und legte es ihm um, dann klippte ich eine der Salonleinen an und befestigte sie an einer Stange am anderen Ende der Badewanne. Erst dann nahm ich ihm sein eigenes, mit Strasssteinchen besetztes Halsband ab.

»Guter Junge«, murmelte ich und tätschelte ihm den Hals.

Nachdem Patrick mich mit einem weiteren leidvollen Blick bedacht hatte, richtete er die Augen stoisch nach vorne und tat so, als bekäme er gar nicht mit, was vor sich ging. Ich kraulte ihm mit einer Hand die Ohren, während ich mit der anderen das Wasser aufdrehte. Der Hund zuckte zusammen, als der Duschkopf zu sprudeln begann.

Eine mir nur allzu bekannte Schnauze stupste mich am Bein, es war Millie. »Na, bist du hergekommen, um Patrick zu begrüßen?«

Sie hechelte mich mit glücklich strahlenden Augen an. Sie wartete immer erst ab, bis der Hund, den ich gerade wusch, angeleint war, bevor sie dazukam, obwohl sie und Patrick alte Freunde waren. Das hatte ich ihr antrainiert, da nicht alle Hunde so freundlich wie der ältere Herr hier waren.

Millie bellte nach oben zu Patrick, der mit einem tiefen Seufzer antwortete.

»Ist Krallen schneiden bei der Deluxe-Behandlung inklusive?«, rief meine neue Mitarbeiterin herüber. Helen beugte sich gerade über den Chihuahua auf ihrem Tisch und besah sich die winzigen Krallen.

»Ja«, gab ich zurück. »Aber schneid sie nur, wenn es nötig ist.«

Sie nickte und ich widerstand dem Drang, selbst nachzuschauen, wie lang die Krallen waren. Ich musste lernen, meinen Angestellten zu vertrauen. Helen war zwar neu im Telling Tails, hatte aber schon einige Erfahrung als Hundefriseurin gesammelt.

»Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass du richtig schön duftest, was hältst du davon?«, wandte ich mich wieder an Patrick und wählte ein Hundeshampoo für sensible Haut aus. In dem Moment stach mir ein unangenehmer Geruch in die Nase. »Igitt, worin hast du dich denn gewälzt?«

Ich zielte mit dem Duschstrahl auf eine dunkle Stelle an der Schulter des Hundes. Roch wie Fuchskot. Angewidert zog ich die Nase kraus und versuchte die Luft anzuhalten, da das warme Wasser die verkrusteten Exkremente aufweichte und sich so ein beißender Geruch ausbreitete.

Millies Schnauze zuckte und sie stupste mich erneut an.

»Ja, dir macht das nichts aus, wahrscheinlich gefällt dir der Geruch sogar«, beschwerte ich mich bei ihr und schäumte das Shampoo mit meinen Händen auf.

Schon bald überlagerte der Duft des medizinischen Shampoos das Kölnisch Fuchswasser, was Patrick einen weiteren traurigen Seufzer entlockte.

»Ich weiß, Schätzchen«, sagte ich verständnisvoll. »Wo du dich doch so angestrengt hast, den Duft gut im Fell zu verteilen.«

Ein weiterer tadelnder Blick. Der Bobtail gab sich wirklich Mühe, damit ich mich schuldig fühlte. Tat ich aber nicht.

»Du hast Glück, dass dein Frauchen nicht mehr so gut riechen kann, ansonsten wärst du jede Woche zum Waschen und Föhnen hier«, sagte ich stattdessen.

Er riss alarmiert den Kopf hoch und ich war sicher, dass er jedes Wort verstanden hatte. Viele »meiner« Hunde verstanden mich, besonders Millie.

Mein Westie sah eine Zeit lang zu, wie ich mich sorgfältig durch Patricks dichtes Fell arbeitete. Mit nassem Fell sah er nur noch halb so groß aus wie vorher. Vielleicht war ihm das Baden deshalb zuwider; es beraubte ihn seiner Statur und somit seiner Würde. Als ich ihm den Hintern einseifte und zwischen die Hinterbeine fuhr, zuckten sowohl der Hund als auch ich kurz zusammen.

»Glaub mir, ich wünschte mir auch, ich müsste das nicht tun«, versicherte ich ihm. Der vordere Teil eines Hundes war mir eindeutig lieber, obwohl der Schwanz einem viel über das Gefühlsleben des Hundes verriet. Jetzt gerade hatte Patrick seinen fest zwischen die Beine geklemmt, um seine Weichteile vor weiteren Angriffen zu schützen.

»Warte nur, bis ich die Krallenschere raushole«, warnte ich ihn.

Der Old English hob den Kopf, streckte die Schnauze in die Luft und tat so, als hätte er nichts gehört, aber als er plötzlich begann, sich heftig zu schütteln, verwandelte sich mein Kichern in lautes Quietschen. Als sein Schwanz mir auch noch ins Gesicht klatschte, hätte ich schwören können, dass der Hund lächelte.

Ich richtete mich auf und blickte auf meinen durchnässten Kittel und die nassen schwarzen Hosen hinunter. »Vielen Dank auch.«

Der Hund ließ die Zunge aus dem Maul gleiten und gab vor zu hecheln. Der lachte mich doch tatsächlich aus, dieser freche kleine ... Ich fragte mich, ob er wusste, dass ich – wieder einmal – vergessen hatte, mir eine Plastikschürze umzulegen, denn ich war mir ganz sicher, dass er das absichtlich gemacht hatte.

Ich duschte ihn noch ein letztes Mal ab (nur um ihm zu zeigen, wer hier der Boss war, und als er sich erneut schüttelte, wich ich rechtzeitig zurück), dann machte ich ihn los und führte ihn zu einem der Föhntische. Ich erledigte das am liebsten von Hand. Das dauerte zwar länger, war mir aber eindeutig lieber, als einen ohnehin schon nervösen Hund in eine Art Tiertrockner zu stecken. Wenn ich selber föhnte, konnte ich dabei beruhigend auf den Hund einreden und ihn berühren.

Patrick tolerierte den Föhn, aber wohl nur wegen der Gelegenheit, die sich ihm dabei bot – sobald mein Oberkörper in greifbarer Nähe war, versuchte er, die Schnauze in meinem Dekolleté zu vergraben. Nicht, dass da viel zum Vergraben gewesen wäre, trotzdem beschwerte ich mich.

Millie war uns gefolgt und wartete geduldig unter dem Tisch. »Ich kann jetzt nicht mit dir Gassi gehen«, sagte ich zu ihr. »Ich habe noch drei Kunden.«

Sie schnaufte und schenkte mir einen mitleiderregenden Blick, dann trottete sie zurück zu ihrem pinkfarbenen Kuschelkissen vorne neben dem Empfangstresen. Wieso versuchten Hunde eigentlich ständig, einem ein schlechtes Gewissen zu machen? Ich ging zwei Mal täglich mit ihr spazieren, sie war immer bei mir, wurde geherzt und verwöhnt, und trotzdem tat sie so, als würde sie ungerecht behandelt werden.

Melaney, die Dritte im Bunde hier im Telling Tails, gab ihr einen Kauknochen, mit dem sie es sich auf ihrem Kissen gemütlich machte, nachdem sie sich drei Mal darauf im Kreis gedreht und mit den Pfötchen den Stoff bearbeitet hatte. Anschließend nahm sie den Knochen zwischen die Vorderpfoten und machte sich darüber her.

Patrick leckte sich die Lefzen.

»Du bekommst auch einen, sobald ich mit dir fertig bin«, versprach ich ihm, »wenn du schön brav bist.« Er blinzelte mich an und ich musste lachen. »Ja, ich weiß, das bist du doch immer.«

Es war so laut im Salon mit den zwei Hundehaartrocknern, dem Krallenschneider und dem Radio, das Classic FM vor sich hin dudelte, dass ich meine Mutter gar nicht kommen hörte. Ich zuckte also erschrocken zusammen, als sie mir auf die Schulter tippte. Ich schaltete den Föhn aus und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. Sie lächelte mich an und hielt eine Tüte hoch, aus der es köstlich nach warmen Backwaren duftete.

»Ich habe euch allen Croissants mitgebracht«, sagte sie und ging zum Hinterzimmer des Salons, das sie immer den Aufenthaltsraum nannte. Für mich war der kleine vollgestopfte Raum nur »da hinten«. Dort standen ein paar abgenutzte Sessel, ein Teekocher, eine Mikrowelle, eine Waschmaschine und ein Trockner und er führte zu einer Minitoilette.

»Hallo Pearl«, rief Helen. »Riecht köstlich.«

»Für jeden von euch eins«, erwiderte meine Mutter, streckte den Kopf durch die Tür in den Salon und schwenkte verheißungsvoll die Tüte.

»Danke, Mum«, sagte ich, ging zu ihr und umarmte sie kurz. »Ich kann gerade keine Pause machen, ich muss Patrick in der nächsten Stunde fertig bekommen. Mrs Paisley ist nebenan beim Friseur.«

Telling Tails lag zwischen einem Friseursalon (Lauras Locken) und einem Fish-and-Chips-Laden (Zur schnellen Scholle), wenngleich dort meines Wissens nur Kabeljau und Seehecht verkauft wurden. Meine kleine Zweizimmerwohnung befand sich direkt über dem Salon und bot vom Wohnzimmer aus einen spektakulären Ausblick auf die Eisenwarenhandlung der großen Einkaufsstraße und vom Schlafzimmer aus auf einen Parkplatz. Fairerweise sollte ich einräumen, dass ich dort im Winter tatsächlich manchmal einen Blick auf die weit in der Ferne aufragenden Malvern Hills erhaschen konnte, wenn die den Parkplatz umgebenden Bäume die Blätter abgeworfen hatten und es gerade nicht regnete. Bis auf die günstige Innenstadtlage hatte meine kleine Wohnung also nicht viel zu bieten.

»Genau deswegen wollte ich mit dir sprechen«, sagte meine Mutter.

»Wegen Mrs Paisley?« Wieso um alles in der Welt wollte meine Mutter mit mir über Patricks Frauchen sprechen.

»Nein, du Dummerchen.«

»Über den Friseur?«

»Über deinen Salon.«

»Was ist mit meinem Salon?« Ich bemerkte, wie sich mein Gesicht zu einer harten Miene verschloss, konnte aber nichts dagegen tun. Denn ich wollte nicht über das sprechen, was sie gleich thematisieren würde. Wir führten diese Diskussion mindestens einmal im Monat, seitdem vor gut zwei Jahren nach Dads Tod das Geld auf meinem Konto eingegangen war, was zu jeder Menge Streit geführt hatte.

Es war ein gewaltsamer Tod gewesen, und der Schmerz war immer noch so frisch, dass er mir den Atem raubte, sobald ich ihn zuließ.

»Dein Vater hat dich angebetet, das weißt du«, sagte sie. Ganz miese Nummer, aber meine Mutter wusste genau, wo sie ansetzen musste. Sie war auch ziemlich gut darin, einem ein schlechtes Gewissen zu machen.

»Ja, ich weiß«, stieß ich durch zusammengebissene Zähne hervor.

»Du musst loslassen, Jen.«

»So wie du?« Ich wollte sie nicht ärgern, aber dass gerade sie das sagte. Ihr Zuhause war der reinste Schrein für meinen Dad, und sie sprach jeden Tag von ihm. Sie redete auch mit seinem Foto. Ständig.

»Bei mir ist das etwas anderes«, gab sie zurück.

»Ach ja? Wieso? Ich habe ihn auch geliebt.« Ich sprach mit leiser Stimme. »Können wir das ein anderes Mal besprechen? Ich habe zu tun.« Ich deutete auf den halb trocken geföhnten Patrick, der geduldig auf mich wartete, und konnte einen Blick auf Millie erhaschen, die uns mit schräg gelegtem Kopf zuhörte, den vollgesabberten, angekauten Knochen unter einer Pfote. »Du regst Millie auf«, fügte ich noch hinzu.

»Papperlapapp! Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie dich versteht. Sie ist ein Hund.«

»Ja, und du redest alle fünf Minuten mit einem Foto von Dad. Millie lebt wenigstens noch.« Entsetzt schlug ich mir eine Hand vor den Mund. Meine Mutter war alles, was mir geblieben war (neben meinem Hund), und ich wollte ihr auf keinen Fall wehtun. Aber sie ließ mich einfach nicht in Ruhe und manchmal ging mir das gehörig auf die Nerven. Außerdem sollte sie mittlerweile wissen, dass ich meine Meinung nicht ändern würde; auf gar keinen Fall würde ich das Geld ausgeben.

»Er ist nicht mehr bei uns, das weiß ich«, sagte meine Mutter mit belegter Stimme. »Ich spüre seine Abwesenheit von der Sekunde, in der ich aufwache, bis zu dem Moment, in dem ich mich wieder hinlege, und auch im Schlaf, denn meistens wache ich mit nassgeweintem Kissen auf.«

Auch jetzt stiegen ihr Tränen in die Augen, und sofort fühlte ich mich schrecklich. »Herrje, Mum, es tut mir so leid, aber du weißt doch, wie ich über das Geld denke.«

»Er hätte gewollt, dass du es nutzt, um dir deine Träume zu erfüllen.« Meine Mutter kramte in ihrer übertrieben großen gefälschten Michael-Kors-Tasche herum (die sie vor ein paar Jahren in der Türkei auf einem Markt gekauft hatte, ohne zu wissen, wer Michael Kors überhaupt war) und zog eine bunte Hochglanzbroschüre hervor. Ich nahm sie automatisch an mich, als sie sie mir hinstreckte.

Bennet & Söhne

Zu verkaufen – Kleinbauernhof in Cow’s Bottom.

Ich gab ihr die Broschüre zurück, denn mehr brauchte ich nicht zu lesen, und stakste aus dem Hinterzimmer zu dem armen, in Vergessenheit geratenen Patrick zurück. Als er mir dankbar die Hand leckte, fühlte ich mich nur noch schuldiger.

»Es ist einfach perfekt für dich«, sagte meine Mutter, die mir gefolgt war. »Und sieh dir nur mal den Preis an!« Sie tippte mit dem Finger auf die Zahl unter dem Hochglanzfoto.

Ich riss die Augen auf? Im Ernst? Für einen kleinen Hof in einem hübschen Dorf mit einem seltsamen Namen? Das musste ein Irrtum sein.

»Cottage mit drei Zimmern, Nebengebäuden und einem Hektar Land, inklusive Stallungen sowie einer Reithalle/Manege – vorläufige Baugenehmigung für Hunde- und Katzenzucht oder andere derartige Betriebe wurde bereits erteilt.« Sie unterbrach sich und sah mich an. »Was ist denn eine Manege?«, fragte sie leicht schockiert. »Heißt es nicht Manege-à-trois?«

Ich verdrehte die Augen. »Eine Manege ist die Arena in einem Trainingsgebäude für Pferde, so wie beim Dressurreiten im Fernsehen.«

»Ach, und ich dachte ...«

»Ich weiß, was du gedacht hast, Mum. Sie sprechen dort von Hundezucht. Ich habe nicht vor, Hunde zu züchten. Oder Katzen.« Das war jetzt ein wenig kindisch, aber ich wollte einfach, dass sie mich endlich in Ruhe ließ.

»Komm schon, sieh es dir wenigstens mal an. Du hast doch nichts zu verlieren.«

»Zeit, die habe ich zu verlieren, und momentan habe ich davon ohnehin zu wenig.«

»Dann stell mehr Leute ein.«

»Das kann ich mir nicht leisten.«

»Nimm das Geld von deinem Vater.«

»Das will ich nicht.« Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch vor mir. Das Gespräch drehte sich mal wieder im Kreis. Patrick winselte. »Tut mir leid«, murmelte ich und kraulte ihm die Ohren.

Meine Mutter drängte mir die Broschüre auf. »Tu es für mich«, flehte sie mich an. »Bitte.«

Ich sah sie aus schmalen Augen an und willigte ein, nur um sie loszuwerden. »Du kannst sie mir vorne hinlegen«, sagte ich beschwichtigend. Wenn sie da nur lange genug herumlag, würde sie mit Sicherheit verloren gehen.

Meine Mutter wandte sich zum Gehen, legte die Broschüre auf dem Empfangstresen ab und tätschelte Millie zum Abschied das Köpfchen.

Dann zog sie ihr Ass aus dem Ärmel. »Es gäbe dort auch einen Garten für Millie.«

3

»Das war’s für heute, ich bin erledigt.« Ich prüfte mit einem letzten Blick durch den Raum, ob auch alle Stecker gezogen waren und alles ausgeschaltet war, bevor ich die Rollos herunterließ, das Licht ausschaltete und nach meiner Handtasche griff.

Millie wartete neben der Tür, die Leine im Maul. Es war ihre Lieblingszeit des Tages, genau wie meine. Meine Arbeit liebte ich auch, aber es war wirklich ein Knochenjob und die Verantwortung für ein eigenes Geschäft lag manchmal schwer auf meinen Schultern. Wir beide freuten uns also auf einen Spaziergang im Park an der frischen Luft, der für mich auch immer eine gute Möglichkeit war, runterzukommen und abzuschalten.

Der Salon lief gut, ich konnte von den Einnahmen leben und sogar ein bisschen was zurücklegen, allerdings zu wenig, als dass ein größerer Laden dadurch in greifbare Nähe rücken würde. Ein größerer Laden bedeutete zwar mehr Kunden, aber auch mehr Miete, mehr Mitarbeiter und eine weitere Renovierung.

Mein Blick fiel auf die Broschüre, die meine Mutter dagelassen hatte. Das Hochglanzfoto schien mich zu verspotten. Meine Mutter hatte recht, es war wirklich perfekt, zumindest auf dem Papier. Der Kaufpreis war auch angemessen, lag aber so sehr über meinem Budget, dass ich allein bei dem Gedanken daran Kopfschmerzen bekam. Ich hatte in den letzten drei Jahren vielleicht ein Zehntel davon angespart, würde es mir also erst in etwa dreißig Jahren leisten können.

Es sei denn, ich nähme das Geld meines Vaters. Seine ausgezahlte Lebensversicherung war zwischen mir und meiner Mutter aufgeteilt worden. Sie hatte das Geld ebenfalls nicht angerührt, denn sie hatte auch noch eine Einmalzahlung seiner Rentenversicherung erhalten, von der sie außerdem eine monatliche Summe bekam. Zudem hatten wir hälftig das Blutgeld erhalten, das uns vom Gericht zugesprochen worden war. Alles in allem war meine Mutter ziemlich wohlhabend.

Ich eigentlich auch, wenn ich das Geld annehmen würde. Es lag immer noch auf einem Tagesgeldkonto – als ob irgendeine Geldsumme den Verlust meines Vaters ausgleichen könnte.

Ich tat mein Bestes, um nicht weiter an das Geld zu denken, und meistens gelang mir das auch.

Meine Mutter versuchte jedoch immer wieder mich zu überreden, etwas davon auszugeben (»du brauchst doch ein eigenes Zuhause, du arbeitest so hart, du solltest dir einen Urlaub gönnen, wie wäre es mit einem schicken neuen Auto« und so weiter und so fort), aber mit der Broschüre war sie dieses Mal noch einen Schritt weiter gegangen. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie mir demnächst eine Probefahrt für ein neues Auto organisieren würde.

Ich sah mir das Foto auf der Broschüre noch einmal genauer an.

»Vielleicht ist es ja gar nicht so perfekt, wie es aussieht«, sagte ich. »Was meinst du, Mill?«

Ich nahm ihr die Leine aus dem gepflegten Schnäuzchen und befestigte sie am Halsband. Sowohl die Leine als auch das Halsband waren pink und mit Strass verziert, Klischee hin, Klischee her. Ihre Hundemarke war ein rosa Herz und klimperte jedes Mal leise, wenn sich der Hund bewegte.

Ich strich ihr den Pony aus den Augen. Millie sah mich ungeduldig an.

»Ich sollte dich morgen besser ein wenig trimmen«, sagte ich, denn natürlich musste mein eigener Hund meinen Salon repräsentieren. Sie war quasi das Aushängeschild von Telling Tails, und genauso wenig wie ein Friseur ein Vogelnest auf dem Kopf tragen würde, konnte ich mir einen zotteligen Hund leisten. Außerdem liebte ich es, mich um Millie zu kümmern, und sie wiederum liebte die Aufmerksamkeit.

Ich hielt ihr die Broschüre hin und Millie schnüffelte daran. Nach einer intensiven Betrachtung gab sie ein kurzes Jaulen als Antwort und wedelte mit dem Schwanz. Was sie wirklich wollte, war ihre Gassirunde. Seufzend steckte ich die Broschüre in meine Tasche. Es schien wirklich die perfekte Gelegenheit zu sein, zumindest theoretisch.

Ich öffnete die Tür und ließ Millie hinaus. Abberton war eine recht hübsche Kleinstadt mit einer Haupteinkaufsstraße, in der sich viele kleine Geschäfte aneinanderreihten und von der einige kleinere Gassen abgingen. Im Ortskern befanden sich außerdem eine Kirche, ein Gemeindezentrum, eine Grundschule und daneben mein Lieblingsort – der Park.

Ich passte mich Millies Tempo an, während wir die Hauptstraße entlangliefen, genoss die frische Frühlingsluft und blieb immer wieder stehen, damit sie in Ruhe herumschnüffeln konnte. Als wir beim Park ankamen, ließ ich sie von der Leine, da ich wusste, dass sie in der Nähe blieb. Millie flitzte mit gesenkter Schnauze und aufgestelltem Schwänzchen los, beschnupperte die Stämme der ausschlagenden Bäume und trippelte durch die kleinen Blumeninseln, deren gelbe Narzissen einen hübschen Kontrast zu den lila und weißen Krokussen bildeten.

Sie hielt kurz inne, dann stürzte sie steifbeinig zum See, wo sie die Enten anbellte. Diese ignorierten den aufgeregten Terrier, da sie auf ihrer kleinen Insel nichts zu befürchten hatten. Einer der großen Schwäne war weniger tolerant, er breitete die Flügel aus und zischte Millie an. Ich musste lachen, als sie auf der Stelle kehrtmachte und sich zwischen meinen Beinen versteckte.

»Der könnte dich zum Abendessen verspeisen«, warnte ich sie, beugte mich hinunter und strich ihr beruhigend übers Fell. Sie spitzte die Ohren und ließ den Schwan nicht aus den Augen, bis wir in sicherer Entfernung von ihm waren. Dann machte sie sich schwanzwedelnd auf die Suche nach Eichhörnchen. Bis jetzt war sie nie auch nur näher als drei Meter an eines herangekommen, doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

Mich zog nichts in meine beengte kleine Wohnung zurück, also ließ ich mich auf einer Bank nieder und zog die Broschüre aus der Tasche, um mir die Beschreibung noch einmal ganz genau durchzulesen.

Es schien wirklich perfekt zu sein, aber das wollte nichts heißen, ich hätte ein Jahresgehalt darauf verwettet, dass es in Wirklichkeit nicht so toll war. Allerdings konnte ich das nur herausfinden, wenn ich mir den Hof ansah. Makler wussten schließlich ganz genau, wie man ein Objekt auf Fotos im besten Licht erscheinen ließ, nicht wahr? Der Preis ließ jedenfalls vermuten, dass es irgendeinen Haken gab – Wasserschäden, Bodenabsenkung, eine angrenzende stinkende Fabrik ...

Ich hatte von Cow’s Bottom schon gehört, war aber nie dort gewesen, also zog ich mein Handy hervor und googelte das Dorf. Die Bilder zeigten idyllische Cottages, so wie sie auf altmodischen Pralinenschachteln abgebildet waren: mit Reetdächern, niedrigen Zäunen, Blumen vor den Fenstern, einem Dorfanger, und all das nur wenige Kilometer von Worcester entfernt. Aber war es auch nahe genug, um Kunden von dort anzulocken, oder würde der längere Anfahrtsweg die Hundebesitzer abschrecken? Meine Stammkundschaft kam größtenteils seit Eröffnung des Ladens zu mir, und ich ging davon aus, dass die meisten von ihnen mir folgen würden. Aber wie sah es mit der Gewinnung von Neukunden aus? In so einem kleinen Dorf gab es schließlich so gut wie keine Laufkundschaft.

»Ein reizendes Cottage. Denken Sie darüber nach, es zu kaufen?«

Ich blickte auf, doch da war niemand, also wirbelte ich herum und starrte mein Gegenüber mit eisigem Blick an. Der Mann stand für mein Gefühl etwas zu dicht hinter mir, er berührte sogar beinahe die Bank, auf der ich saß.

Ich schätzte ihn auf Anfang dreißig. Er trug Jeans und ein Sweatshirt, hatte welliges braunes Haar und braune Augen – nicht übel. Aber eindeutig viel zu neugierig. Wie kam er dazu, in meine Privatsphäre einzudringen und mir einfach über die Schulter zu schauen?

»Tut mir leid«, sagte er. »Mir ist das Bild ins Auge gesprungen, als ich den hier aufheben wollte.« Er hielt einen abgewetzten Tennisball in die Höhe, woraufhin prompt ein begeistert hechelnder schwarzer Labrador angerannt kam, dessen Ohren im Wind flatterten. Er war über und über mit Schlamm bedeckt, die Zunge hing ihm weit aus dem Maul. Als er anhalten wollte, schlidderte er nach vorn und knallte gegen die Beine seines Herrchens. Der konnte sich gerade noch an der Bank abfangen. »Verfluchter Hund«, murmelte er leise. Der Labrador indes wedelte mit dem schmutzigen Schwanz.

»Randy hat sich da hinten im Graben rumgetrieben«, sagte der Mann und deutete mit dem Kopf in Richtung Wildwiese, die sich hinter der sorgfältig gepflegten Parkfläche erstreckte.

Den Graben kannte ich nur zu gut. Millie fiel jedes Mal hinein, wenn wir ihm zu nahe kamen, schaffte es mit ihren kurzen Beinchen aber nicht alleine wieder die Böschung hinauf, so dass ich immer hineinklettern und ihr heraushelfen musste. Bis zu den Knien im Schlamm zu waten gehörte nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, also beschränkte ich unsere Ausflüge auf den Park und vermied die Wildwiese, außer wir hatten anschließend ein Bad für Millie und eine lange Dusche für mich eingeplant.

Ich lächelte, erleichtert darüber, dass es einen harmlosen Grund dafür gab, dass ein Fremder hinter meiner Parkbank aufgetaucht war. Als er das Lächeln erwiderte, bildeten sich Grübchen in seinen Wangen, und in dem Moment wünschte ich, ich hätte ein wenig Make-up aufgelegt oder zumindest die Haare ein wenig sorgfältiger frisiert und nicht einfach nur locker zusammengebunden. Es wäre vielleicht auch von Vorteil gewesen, die vollgehaarten Arbeitsklamotten zu wechseln.

Er warf den Ball, und der Labrador jagte ihm nach.

»Randy?«, fragte ich grinsend.

»Es ist der Hund meiner Mutter. Ihr war die Doppeldeutigkeit des Namens gar nicht bewusst. Aber ich komme mir jedes Mal ziemlich dämlich vor, wenn ich lautstark ›Randy‹ durch den Garten rufe. Ich habe angefangen, ihn Randolph zu nennen, damit niemand auf falsche Ideen kommt.«

Ich kicherte über seinen peinlich berührten Gesichtsausdruck. Sein Gesicht war ... offen, freundlich, nett anzuschauen.

»Ist das Ihr Hund?«, fragte er, als Millie auf uns zukam, wobei sie jeden einzelnen Busch beschnüffelte. Die vertrockneten Blätter des vergangenen Herbstes waren eindeutig faszinierender als der fremde Mann neben mir.

»Ja, sie heißt Millie.«

»Hey Kleines.« Er beugte sich zu ihr und hielt ihr eine Hand hin. Millie ignorierte sie.

»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Sie ist nicht sehr kontaktfreudig. Und je älter sie wird, desto grantiger wird sie.«

»Klingt ganz nach meinem Vater. Wie alt ist sie denn?«

»Elf.«

»Randy ist vier ... Wenigstens ist Millie ein vernünftiger Name für einen Hund. Ich bin übrigens Mark.« Er streckte die Hand aus, dann verzog er das Gesicht zu einer Grimasse. »Wohl besser nicht«, sagte er und hob die vollgeschlabberte Hand in die Höhe. Er wischte sie an der Jeans ab.

»Jenni«, stellte ich mich vor.

»Wohnen Sie hier in der Nähe?«

»Ja, nicht weit von hier.« Wo genau würde ich ihm bestimmt nicht verraten, selbst wenn er ein Hundemensch war. Schließlich kannte ich ihn überhaupt nicht, außerdem hatte er mir tatsächlich ein wenig stalkermäßig über die Schulter gelinst. »Und Sie?«

»In London, aber gerade bin ich bei meinen Eltern hier in der Nähe. Mein Vater hatte einen Schlaganfall und meine Mutter hat das ziemlich schwer getroffen, also bin ich wieder in meinem alten Zimmer mit meinem Jugendbett und allem Drum und Dran und pendle von hier aus zur Arbeit.«

Er legte die Stirn in Falten, und ich fragte mich kurz, ob er wohl Single war. Unwillkürlich suchte mein Blick nach einem Ring am Finger. Kein Ring, aber das musste ja nichts heißen.

»Oh, das tut mir leid. Das ist bestimmt nicht leicht für Sie und Ihre Familie«, sagte ich. »War es ein schlimmer Schlaganfall?«

»Schlimm genug. Macht es Ihnen etwas aus?« Er deutete auf die Bank, und ich rückte zur Seite, um ihm Platz zu machen. Nett, dass er erst gefragt hatte, und von Nahem sah er sogar noch besser aus.

»Er kann nicht mehr sprechen und ist halbseitig gelähmt, und weil ihn das so frustriert, wird er oft ungehalten und schreit meine Mutter an, aber da er sich nicht richtig artikulieren kann, versteht sie ihn nicht, was ihn wiederum noch mehr aufregt. Er hat auch schon öfter mit Sachen um sich geworfen. Hätte nie gedacht, dass er noch so gut zielen kann.« Mark lächelte, aber ich sah den Schmerz dahinter und konnte es ihm nachfühlen.

»Ich kann leider nicht dauerhaft hierbleiben«, fuhr er fort. »An manchen Tagen bin ich von sieben Uhr morgens bis spät abends weg. Ich denke nicht, dass ich da überhaupt eine große Hilfe bin.« Er wandte den Blick ab und starrte über die Baumwipfel in die Ferne. »Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle. Sie halten mich wahrscheinlich für einen Spinner.«

Mir fiel ein, wie ich manchmal mit vollkommen Fremden ausführlich über den Tod meines Vaters gesprochen hatte, so wie mit der alten Dame, neben der ich im Zug nach Birmingham gesessen hatte. Die arme Frau hatte sich das dreißig Minuten lang angehört, mir die Hand getätschelt und mir eine Tasse Tee spendiert, als der Schaffner mit dem Servierwagen durchkam. Ansonsten hatte sie weder kluge Ratschläge noch irgendwelche hohlen Mitleidsphrasen von sich gegeben, sondern einfach nur zugehört.

»Ich verstehe das«, sagte ich also nur und berührte ihn kurz am Arm.

»Denken Sie darüber nach, das Cottage zu kaufen?«, fragte Mark und nickte in Richtung Broschüre, ganz eindeutig darum bemüht, das Thema zu wechseln.

»Nicht wirklich. Meine Mutter möchte, dass ich es kaufe, aber ich kann es mir nicht leisten.«

Er kniff die Augen leicht zusammen und beugte sich über die Broschüre. Ich atmete seinen Duft und den seines Aftershaves ein. Beides roch gleichermaßen angenehm. »Ein guter Preis«, sagte er.

»Das stimmt.«

Es war wirklich ein guter Preis, aber ich war einfach nicht bereit, das Geld meines Vaters auszugeben. Ich hatte mir geschworen, es nicht anzurühren, und jetzt, nur achtzehn Monate, nachdem die Zahlungen auf mein Konto eingegangen waren, hatte mich meine Mutter schon beinahe so weit, mir eine Immobilie anzusehen. Wozu? Es war reine Zeitverschwendung, sowohl für mich als auch für die Maklerfirma. Ich hatte Wichtigeres zu tun, zum Beispiel meinen Laden zu führen.

»Haben Sie es sich schon angesehen?«, fragte Mark.

»Nein, und das habe ich auch nicht vor.«

»Zu schade. Es ist wirklich ein bezauberndes Cottage. Obwohl nach dem Preis zu urteilen, wohl einiges an Renovierungen nötig sein wird.«

»Wahrscheinlich steht es direkt neben einem Kraftwerk oder etwas vergleichbar Schrecklichem.«

»Nein«, Mark hielt inne und sah zu, wie Millie und Randy sich auf Hundeart miteinander bekannt machten. »Ich glaube nicht, dass es im Raum Worcester ein Kraftwerk gibt.«

»Dann also ein Klärwerk«, schlug ich lachend vor.

»Ich habe selber nie darüber nachgedacht, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten, schon gar nicht im Bereich Abwasserverwertung. Ist es das, was Sie mit dem Grundstück vorhätten? Falls Sie daran interessiert wären, was Sie ja nicht sind.«

»Das Gelände ist zu klein, um es landwirtschaftlich zu nutzen«, sagte ich. »Ich würde es als Hundezentrum nutzen.«

»Kundenzentrum?«

»Hun-de-zen-trum.«

»Verstehe.« Nach seinem verwirrten Gesichtsausdruck zu urteilen, war dies keineswegs der Fall.

»Ich würde einen Hundesalon auf dem Gelände betreiben, möchte aber darüber hinaus noch so viel mehr anbieten. Ich hätte zum Beispiel gerne einen Bereich für Hundetraining und einen Dogsitter-Service, vielleicht auch eine Hundepension.« Ich hielt inne, meine Wangen glühten. »Jetzt habe ich sie vollgequatscht.«

»Ich höre mir lieber an, was Sie beschäftigt, als über meine Probleme nachzudenken«, sagte er betrübt.

»Wissen Sie, wenn ich ein Hundezentrum hätte, könnte ich Spaziergänge für Randy anbieten oder sogar einen Service, der beinhaltet, dass er morgens abgeholt wird, den Tag im Hundezentrum verbringt und abends wieder nach Hause gebracht wird.«

»Also eine Art Hundekindergarten?«

»Genau.«

»Gibt es denn dafür genügend Nachfrage?«

»Davon bin ich überzeugt. Die meisten Hundebesitzer wollen das Beste für ihre Vierbeiner und legen ihn sich meistens mit den besten Absichten zu, aber dann können sich die Lebensumstände ändern – so wie bei Ihren Eltern.«

»Randy ist für sie ein großer Trost, aber auch eine große Belastung«, räumte Mark ein. »Meine Mutter liebt den Hund, denn er ist der Einzige, der ihr nicht sagt, was sie tun oder wie sie sich fühlen soll, aber sie kann meinen Vater nicht unbeaufsichtigt lassen, und der arme Kerl braucht seinen Auslauf.«

»Dabei können Sie immerhin helfen.«

»Aber wie lange noch? Ich kann ja nicht für immer hierbleiben.«

Ich wusste, dass ich es bereuen würde, noch ehe die Worte aus meinem Mund kamen. »Ich werde ihn für Sie ausführen.«

»Das könnte ich niemals von Ihnen verlangen.« Mark klang bestimmt.

»Sie verlangen es ja auch nicht von mir, ich biete es Ihnen an.«

»Nur wenn ich Sie dafür bezahlen darf.«

»Ich versuche hier nicht, ein Geschäft zu machen«, wandte ich ein, denn ich wollte keinesfalls, dass er mein Angebot für den Versuch hielt, meine Geschäftsidee zu pushen.

»Sie können das doch nicht umsonst übernehmen.«

»Doch, das kann ich und das werde ich auch, ansonsten ziehe ich mein Angebot zurück.«

Während Mark nachdachte, lauschte ich auf die Hunde, die zusammen herumtollten, das Schnattern der Enten auf dem See und das Kreischen einiger Kinder, die in der Nähe spielten. Es war unglaublich friedvoll. Selbst wenn er mein Angebot ablehnen sollte, hatte ich es zumindest versucht; ich hatte das Richtige getan.

»Kann ich mich vielleicht anders bei Ihnen revanchieren?«, fragte er schließlich.

»Kommt ganz darauf an, was Ihnen da vorschwebt, aber was auch immer es ist, es sollte Sie nicht allzu viel Zeit kosten, denn sonst können Sie Randy ja genauso gut weiter selbst Gassi führen.«

»Hm. Da haben Sie recht«, gab er zu und kratzte sich am Kinn. »Wie heißt Ihr Laden?«

»Telling Tails. Wieso?«

Er kramte ein Handy aus der Jeanstasche und tippte darauf herum. »Ist es der hier?«

Ich betrachtete die mir nur allzu vertraute Webseite und seufzte ergeben. Webdesign gehörte ganz offensichtlich nicht zu meinen Stärken. »Die Seite ist noch nicht fertig«, setzte ich an.

»Das wird sie aber bald sein«, sagte er mit halb amüsiertem, halb entschlossenem Ausdruck.

»Was genau machen Sie denn eigentlich beruflich?«

»Ich bin im Marketing und ein wahres Genie, was die Gestaltung von Webseiten angeht.«

Ich lächelte. »Dann haben wir wohl einen Deal, aber dauert so etwas nicht furchtbar lange?«

»Selten, außerdem kann ich es ja am Schreibtisch erledigen. Ohne mir Gummistiefel anziehen und Hunde aus schlammigen Gräben fischen zu müssen.«

»Sagen Sie Ihrer Mutter, dass ich Randy morgen früh um halb sieben abhole, ihn gemeinsam mit Millie ausführe und ihn anschließend zurückbringe. Am Abend machen wir es genauso.«

»Ich werde das Webdesign bis Ende der Woche fertig haben und mich auch gleich um die Suchmaschinenoptimierung kümmern.«

»Um die was bitte?«

»Die Suchmaschinenoptimierung.«

»Ach das.«

»Sie haben keinen blassen Schimmer, wovon ich spreche, oder?«, fragte er mit breitem Lächeln.

»Nein«, erwiderte ich glücklich, »aber solange Sie sich darum kümmern, spielt das ja auch keine Rolle.«

»Da wäre noch eine Sache«, sagte er und wurde plötzlich ganz ernst.

Jetzt kam es. Es musste ja einen Haken geben.

Er drehte sich zu mir um und sah mir direkt in die Augen. »Sie müssen mir versprechen, dass Sie mit mir essen gehen.«

4

Millie blieb vor der steilen Treppe stehen, die zu meiner Wohnung im ersten Stock hochführte. Das tat sie in letzter Zeit immer öfter, besonders nach einem längeren Spaziergang. Zugegeben, die Stufen waren eine Herausforderung für ihre kurzen Beinchen, aber noch um Weihnachten herum war mein Westie mühelos hochgerast, ohne auch nur einmal innezuhalten. In letzter Zeit schien sie jedoch selbst treppab Schwierigkeiten zu haben.

»Na schön, ich trage dich«, sagte ich, »aber erwarte das ja nicht jedes Mal. Als Nächstes willst du noch in einem Handtäschchen umhergetragen werden.«

Ich beugte mich hinunter und nahm sie auf den Arm. Sie schnaufte vernehmlich und auch ich stieß ein kleines Ächzen aus. Verdammt noch eins, sie war ganz schön schwer. Ich sollte auf Seniorenfutter umstellen und sie auf Diät setzen.

Ich machte mich an den Aufstieg, konnte jedoch meine Füße nicht sehen, was mich ein wenig ins Schwanken brachte.

Konzentrier dich, Jen, schalt ich mich. Ich lebte hier schließlich schon lange genug und sollte den Weg eigentlich blind finden. Aber ich hatte so viel um die Ohren, dass ich sogar manchmal morgens vergaß, in den Spiegel zu schauen, bevor ich aus dem Haus ging. Aber ich gab eben auch nicht so viel auf mein Äußeres.

Millie stöhnte auf, als ich sie absetzte, und trottete voller Vorfreude aufs Abendessen mit ihren kurzen Stummelbeinchen in Richtung Küche. Sie wusste genau, dass ich sie immer zuerst fütterte, bevor ich mir etwas zu essen machte.

Toast mit Bohnen? Rührei auf Toast? Oder sollte ich mir zur Abwechslung mal ein Käse-Omelett gönnen? Ich müsste wirklich besser auf meine Ernährung und die meines Hundes achten. Ich kochte mir nur selten etwas Anständiges – nur für mich allein zu kochen fand ich einfach sinnlos –, also bekam ich eigentlich nur dann eine richtige Mahlzeit, wenn ich meine Mutter besuchte. Obwohl sie mittlerweile zwei Jahre verwitwet war, gab sie sich in allen Bereichen ihres Lebens weiterhin große Mühe – sie kochte, hielt die Wohnung sauber, war immer gut angezogen und trug Make-up, wenn sie das Haus verließ. Das war mehr, als ich von mir behaupten konnte.

Ich sah an meiner Arbeitskleidung hinunter, die über und über mit Hundehaaren bedeckt war, dachte an mein ungeschminktes Gesicht und die hastig hochgesteckten Haare, die sich mittlerweile größtenteils gelöst hatten, und verzog das Gesicht. Und wie die Wohnung erst aussah. Nicht wirklich dreckig oder unaufgeräumt (das war sie nicht), eher unbewohnt. In einer Ecke meines Schlafzimmers stapelten sich immer noch Umzugskisten, die ich nicht ausgepackt hatte, dabei lebte ich beinahe vier Jahre hier.

Vielleicht benötigte ich die ganzen Sachen in den Kisten ja gar nicht. Ich zog mir meinen Arbeitskittel über den Kopf, warf ihn in den Wäschekorb und nahm mir fest vor, die Kartons morgen früh bei einer Spendensammelstelle vorbeizubringen.

Erst mal duschen, dann essen.

Millie stupste mich mit der Schnauze an.

»Ich habe dich nicht vergessen«, sagte ich zu ihr. »Den ganzen Tag auf einem Kissen herumzuliegen und gesagt zu bekommen, wie fabelhaft du aussiehst, macht wirklich hungrig, nicht wahr?«

Sie stupste mich erneut an. Wenn es ums Futter ging, konnte der Hund ziemlich beharrlich sein. Da zeigte sich all die ihrer Rasse zugeschriebene Dickköpfigkeit.

Sie tänzelte mit wedelnder Rute um meine Beine und jaulte aufgeregt, als ich die übel riechende Hundefuttertüte öffnete und ihr etwas davon in den Napf gab. Sobald ich den Napf abgesetzt hatte, war ich komplett abgemeldet. Sie schob mich förmlich zur Seite, nur um schneller an ihr Fressen zu kommen. So viel zum Thema Dankbarkeit. Früher hatte sich Millie noch mit ihrem wuscheligen weißen Hinterteil auf den Fliesen niedergelassen und auf das Kommando gewartet, dass sie loslegen durfte, doch irgendwann war ihr dieses gute Benehmen abhandengekommen. Noch etwas, woran ich arbeiten musste.

Ich hatte gerade fertig geduscht und war noch triefnass, als es klingelte. Ich wickelte mir ein großes Badetuch um, klemmte es über dem Busen fest (es begann sofort zu rutschen) und sah nach, wer das sein konnte.

Millie bellte leicht hysterisch, wie immer, wenn jemand die Klingel betätigte.

»Hallo?«

»Ich bin’s«, meldete sich eine blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage.

Ich drückte den Knopf, der die Haustür unten an der Straße entriegelte, und raste ins Schlafzimmer, um mir etwas überzuziehen. Ross war zwar schwul, doch das bedeutete nicht, dass ich mich ihm so entblößt zeigen wollte.

»Es ist Ross«, versuchte ich Millie zu beruhigen, weil ich nicht wollte, dass sich die Nachbarn über ihr Gebell aufregten. Ironischerweise waren Haustiere, obwohl ich unten einen Hundesalon betrieb, hier oben in der Wohnung nicht erlaubt, nicht einmal ein Goldfisch. Falls sich jemand beim Vermieter beschweren sollte, könnte ich Millie ja immer noch als Riesenspinne verkleiden. Dieses Video von einem Hund, der als Riesenspinne verkleidet in der U-Bahn für Entsetzen unter den Mitfahrenden sorgte, brachte mich immer wieder zum Lachen. Allerdings müsste ich Millies Fell dann erst schwarz färben, denn eine Albinospinne mit vier weißen und vier schwarzen Beinchen würde mir keiner abkaufen. Aber selbst damit sähe sie immer noch besser aus als der Hund von Mrs Moody, einer Freundin meiner Mutter, die darauf bestand, ihrem Zwergpudel das Fell zu färben, und zwar orangerot. Offenbar war ihr der Apricot-Pudel nicht ausreichend aprikosenfarben. Und da ich mich weigerte, dem Hund das Fell zu färben, brachte sie ihn immer zu einem anderen Salon und erzählte mir jedes Mal ausführlich, wie wundervoll sie dort mit ihrem Stan umgingen.

»Du bist meine Rettung«, begrüßte ich Ross, als ich die Tür öffnete und sah, was er in den Händen hielt: eine Pizzaschachtel, Knoblauchbrot und eine Maxiflasche Pepsi Cola. »Ist das alles für mich?«