Sonnenschein und Kaffeeduft - B.G. Thomas - E-Book

Sonnenschein und Kaffeeduft E-Book

B.G. Thomas

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Beschreibung

Kaffee ist nicht nur Beans Leidenschaft, sondern auch sein Leben. Für seinen Coffeeshop stellt er alles hintenan, vor allem sein Privatleben, das seit seiner letzten Affäre ohnehin brachliegt. Als es im Coffeeshop zu Handgreiflichkeiten kommt, wirft Bean sich selbstlos in die fliegende Faust, um seinen Gast zu beschützen – und lernt so H.D. kennen, der im Tierheim »Vierbeinige Freunde« arbeitet und die eiserne Auffassung vertritt, dass nur Hunde bedingungslos lieben können. Als sich Bean und H.D. dennoch näherkommen, ist eins sicher: Sobald Bean H.D. seine Liebe gesteht, verliert er H.D. damit…

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juni 2016

Für die Originalausgabe:

© 2014 by B.G. Thomas

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Hound Dog & Bean«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN ePub: 978-3-95823-582-3

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem den Autor des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber seiner Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane des Autors und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Kaffee ist nicht nur Beans Leidenschaft, sondern auch sein Leben. Für seinen Coffeeshop stellt er alles hintenan, vor allem sein Privatleben, das seit seiner letzten Affäre ohnehin brachliegt. Als es im Coffeeshop zu Handgreiflichkeiten kommt, wirft Bean sich selbstlos in die fliegende Faust, um seinen Gast zu beschützen – und lernt so H.D. kennen, der im Tierheim „Vierbeinige Freunde“ arbeitet und die eiserne Auffassung vertritt, dass nur Hunde bedingungslos lieben können. Als sich Bean und H.D. dennoch näherkommen, ist eins sicher: Sobald Bean H.D. seine Liebe gesteht, verliert er H.D. damit…

Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld

Das ist für meine liebe Freundin

PJ Morvant-Alexander.

Wir kennen uns seit einer Ewigkeit

und unsere Liebe wächst weiter und weiter,

obwohl wir uns gegenseitig in den Wahnsinn treiben.

~~ Mädel! Danke für den Titel dieses Buches! ~~

Diese Jungs sind deine Patenkinder!

Ein besonderer Dank geht an meine Wunderwirker,

Rowan Speedwell, Andy Byassee und Sal Davis.

Wieder einmal habt ihr mich besser gemacht – danke!

(Ein zusätzliches Dankeschön für die tolle Idee von Sal.)

Und ich darf nicht vergessen, Great Plains SPCA zu danken,

ohne die ich mein kleines Freudenbündel,

meinen Augenstern, nie bekommen hätte.

Sarah Jane.

»Hunde beißen mich nie – nur die Menschen«

Marilyn Monroe

»Kaffee – das Lieblingsgetränk der zivilisierten Welt«

Thomas Jefferson

»Dies sind die Geschichten, die sich Hunde erzählen,

wenn die Flammen im Kamin hochschlagen und der eisige Nordwind bläst.«

Clifford D. Simak, Als es noch Menschen gab

»Solange es in dieser Welt noch Kaffee gab, konnte die Lage doch nicht so schlimm sein, oder?«

Cassandra Clare, City of Ashes

»Es ist besser, allein zu sein, als in schlechter Gesellschaft«

George Washington

Kapitel 1

»Nö«, sagte H.D., bevor er dem stämmigen Mann den zitternden kleinen Kläffer aus der Hand pflückte und davonging.

»Was zur Hölle?«, sagte der Mann, während das kleine, etwa achtjährige Mädchen mit den braunen Zöpfen und der Latzhose an seiner Seite in Tränen ausbrach.

In diesem Moment hätte Elaine den Ärger kommen sehen müssen. Leider war sie jedoch mit einem Telefonat beschäftigt – eine Frau hatte einen verwaisten Wurf Kätzchen gefunden – und konnte daher nur zusehen, wie H.D. sowohl den hünenhaften Mann als auch das weinende Mädchen ignorierte und sich in die Zeltgarage zurückzog. Seine dunkelblonden Dreadlocks hüpften auf seinen Schultern. Es war Frühling in Kansas City, was bedeutete, dass sich der strahlend blaue Himmel in Sekundenschnelle verdunkeln konnte. Deshalb hatten sie heute Morgen ein großes Zelt auf der Rasenfläche vor dem Parkplatz des Supermarkts aufgebaut. Es sollte die hoffnungsvollen Schützlinge von Vierbeinige Freunde vor Sonne und Regen schützen. Diese Adoptionsveranstaltungen bedeuteten jedes Mal viel Arbeit, waren für Elaine mittlerweile aber ein alter Hut. Sie waren ein wichtiger Bestandteil, da sie den Tieren eine zusätzliche Chance auf ein glückliches Zuhause gaben.

»Was zum Teufel tun Sie denn da?«, rief der Mann. »Kommen Sie sofort zurück!«

»Nö«, wiederholte H.D. und stieg in das kleine Gehege, in dem der Hund geduldig den ganzen Morgen über gewartet hatte. Elegant ließ er sich im Schneidersitz nieder und platzierte den Hund auf seinem Schoß. Noch immer zitternd kletterte die Yorkshire-Dackel-Mischling in seine Arme und schmiegte ihren Kopf unter sein Kinn. »Tut mir leid, Süße, er ist nicht gut für dich.«

Währenddessen befahl der Mann seiner Tochter, den Mund zu halten, und stampfte in das Zelt. Sofort begann die Hälfte der Hunde in ihren Gehegen zu bellen.

H.D. fixierte den Mann mit einem Blick, der ihn wie angewurzelt stehen bleiben ließ. Ein halbes Dutzend Leute beobachtete nun, wie sich der Mann in die Brust warf. Offensichtlich machte er sich auf eine Konfrontation gefasst. H.D. ignorierte ihn scheinbar und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Hündin.

»Geben Sie mir den verdammten Hund zurück!« Weitere Hunde stimmten in das Gebell ein.

»Nö«, sagte H.D. nun zum dritten Mal.

Elaine, die ihr Telefonat beendet hatte, trat zwischen die beiden. Sie hatte genau beobachtet, wohin diese Situation führen würde, und sollte besser schnell handeln, bevor sie außer Kontrolle geriet. Immerhin war das Teil ihres Jobs. Außerdem konnte sie darauf vertrauen, dass H.D. trotz seines manchmal derben Verhaltens gute Gründe für einen plötzlichen Sinneswandel hatte.

»Hör zu, du kleiner Huren–«

»Hallo.« Elaine lächelte breit. »Was ist denn hier das Problem?« Elaine war sorgsam darauf bedacht, seitlich zwischen den beiden zu stehen und sich keinem direkt zuzuwenden, um weder schwach oder streitlustig zu wirken.

»Wer zur Hölle sind Sie?«, fuhr der Mann sie an.

»Ich bin Elaine Arehart, Miteigentümerin von Vierbeinige Freunde.«

»Na dann, Elaine, sagen Sie diesem kleinen Arschloch…« Er deutete wütend mit dem Finger in H.D.s Richtung. »… dass er mir den Hund zurückgeben soll, bevor ich ihn mir nehme.«

Jetzt bellten alle Hunde und die Hälfte der Katzen stimmte in ihr Missfallen ein. Woah, dachte Elaine. Das hier wurde wirklich schnell hässlich. »Sir, bitte. Es gibt keinen Grund, solche Ausdrücke zu benutzen. Es sind Kinder anwesend.« Sie nickte in die Richtung des Mädchens, das mit Sicherheit seine Tochter war.

Der Mann warf einen Blick über die Schulter und entspannte nach einer kurzen Atempause zumindest seine Fäuste. Er atmete tief ein und betonte damit seine ohnehin schon beachtliche Brust. »Ihr Mitarbeiter hat meinen Hund gestohlen.«

Elaine wandte sich an H.D., der sie durch den Mopp seiner Dreadlocks ansah. In diesem Moment ähnelte er wieder einmal einem Hütehund, der sich irgendwie in einen Menschen verwandelt hatte. Glücklicherweise ließ er sich von der Bezeichnung Mitarbeiter nicht aus der Ruhe bringen. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes gleichgestellt. H.D. konnte nur im juristischen Sinne als Mitarbeiter gesehen werden. Sein Gehalt war lausig und er kümmerte sich intensiver um die Tiere als Elaine.

»H.D.«, sagte sie. »Hat dieser Mann für den Hund bezahlt?«

»Nö.«

Verdammt, ist das alles, was er heute sagt?

»Er hat angefangen, einen Scheck auszustellen«, fuhr H.D. fort, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Ist aber nicht fertig geworden.«

Elaine wandte sich wieder an den Mann, der sofort erwiderte: »Ich war gerade dabei. Ich hab den ganzen Papierkram ausgefüllt.«

Nun wandte sie sich wieder an H.D. Sie fühlte sich, als würde sie einem Tennismatch zusehen.

»Ich habe festgestellt, dass Mr. Brubaker und Sarah Jane nicht kompatibel sind.«

Na ja, immerhin wusste sie jetzt, wie der Mann hieß.

»Warum sind wir nicht beschissen kompatibel?«, knurrte Brubaker.

»Mr. Brubaker!« Erneut deutete Elaine mit dem Kopf auf seine Tochter. »H.D.? Warum sind Sarah Jane und Mr. Brubaker nicht kompatibel?«

»Weil er gerade nebenbei erwähnt hat, dass er Sarah Jane nicht im Haus halten will.«

»Das hab ich ihm von Anfang an gesagt. Warum hast du mich den ganzen Mist ausfüllen lassen und meinem kleinen Mädchen Hoffnungen gemacht?«

»Tut mir leid wegen Ihrer Tochter. Wirklich. Aber Sie haben mir den Eindruck vermittelt, Sarah Jane nur zum Gassi gehen nach draußen zu lassen.« H.D. wandte sich an Elaine. »Aber nein. Er will Sarah Jane den ganzen Tag draußen lassen, während er arbeitet. Mindestens zehn Stunden lang.«

Nickend wartete Elaine auf weitere Erklärungen.

»Elaine? Erinnerst du dich, wie wir Sarah Jane gefunden haben?« Er zog die zottelige, rot-graue Hündin fester an sich.

Da dämmerte es ihr. »Oh, Mist.« Wieder wandte sie sich an Mr. Brubaker. »Sir, jetzt verstehe ich es. Es tut mir leid. Aber Sarah Jane wurde im Garten eines Hauses gefunden, das seit Tagen verlassen war. Die Bewohner haben offenbar die Miete nicht bezahlt. Die arme Sarah Jane war dehydriert und fast verhungert. H.D. hat recht. Wir haben entschieden, dass wir sie dieser geistigen und seelischen Qual nicht noch einmal aussetzen werden.«

»Seelischen…?« Brubaker zog eine Braue nach oben. »Was zur…? Geistige und seelische Qual? Sie ist ein verdammter Hund, kein Mensch.«

Das hätte er nicht sagen sollen und H.D. lächelte selbstgefällig, als Elaine erkannte, dass die Inkompatibilität weit über die Frage, ob der Hund drinnen oder draußen gehalten werden sollte, hinausging. Offensichtlich war Mr. Brubaker jemand, der keinen Respekt vor dem Tier hatte, das er mit nach Hause nehmen wollte. Für ihn war Sarah Jane nicht einmal ein lebendiges Wesen, das Respekt verdiente, ganz zu schweigen von einer eigenen Persönlichkeit.

Elaine zog die Brauen zu einem dunklen Strich zusammen. Mit geschürzten Lippen zählte sie gedanklich bis zehn. »Es tut mir leid, Mr. Brubaker, aber jetzt sehe ich, was mein Kollege wesentlich schneller erkannt hat. Ganz offensichtlich sehen Sie die Würde in unserer kleinen Sarah Jane nicht. Für Sie ist sie nur ein lebender Teddybär. Sarah Jane ist kein Teddybär.«

Der Schock auf Brubakers Gesicht wäre beinahe komisch gewesen, hätte er Elaine und H.D. nicht so offen beleidigt. »Ich werde Sie verklagen!«

»Sie können meinen süßen kleinen Hintern verklagen«, erwiderte H.D. lässig und ließ sich ins Gras zurücksinken, sodass seine Haare einen verrückten Heiligenschein um seinen Kopf bildeten. Sarah Jane saß auf seiner Brust und leckte ihm das Gesicht. »Yeah, Süße, küss mich.«

Weniger unhöflich als ihr Kompagnon zuckte Elaine lediglich mit den Schultern. »Ich weiß nicht, weshalb sie uns verklagen wollen, Mr. Brubaker. Aber Sie dürfen natürlich gern einen Anwalt einschalten, wenn Sie das für nötig halten.«

»Miststück«, zischte Brubaker. »Sie wissen schon, dass ich hätte lügen können? Sie hätten keine Ahnung, was ich mit dem Köter vorgehabt hätte, und jetzt werden Sie niemanden finden, der diese schäbige Ratte –«

»Sarah Jane ist keine Ratte«, heulte das kleine Mädchen.

Elaine ging einen Schritt auf Brubaker zu. »Wir werden keine Probleme haben, ein Zuhause für unser süßes, kleines Baby zu finden, und wenn Sie dem Ganzen jetzt kein Ende setzen, werde ich…« Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche. »… jedes Tierheim und jede Tierstation im Großraum Kansas City anrufen und denen Ihren Namen und Ihre Adresse geben. Ich werde sie vor Ihnen warnen. Ich glaube, Sie sollten wirklich noch einmal darüber nachdenken, ob Sie wirklich einen vierbeinigen Freund möchten. Oder ob Sarah Jane nicht bloß eine Impulsentscheidung war.«

Brubaker fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Dann versteinerte sich sein Gesichtsausdruck jedoch und ein Hauch von Gefahr blitzte in seinen Augen auf. Schließlich griff er nach der Hand seiner weinenden Tochter und stapfte davon.

H.D. – für einige Hound Dog, für seine lang verstorbenen Verwandten und dem System der Pflegeunterbringung, dem es ohnehin vollkommen egal war, Hillary Dameron Fisher – wusste, dass er sich bei Elaine entschuldigen musste. Ihm war bewusst, dass es sicher einen besseren Weg gegeben hätte, mit der Situation umzugehen, aber meistens konnte er Menschen prinzipiell nicht ausstehen, schon gar nicht solche wie Brubaker. Er gehörte zu der Art Arschlöcher, die ihn unglaublich schnell reizten.

Elaine, eine untersetzte Frau mit schulterlangem, grauem Haar und einer brennenden Liebe für die Tiere in ihrer Obhut, ragte jedoch schon mit in die Hüften gestemmten Händen über ihm auf.

Die Hunde bellten noch immer, obwohl sich einige von ihnen langsam wieder beruhigten. Ihre Bedrängnis ließ ihn seufzen.

H.D. setzte sich auf und schüttelte sich die Dreadlocks aus dem Gesicht. »Tut mir leid«, sagte er.

»Was tut dir leid?«, fragte Elaine und verschränkte die Arme über ihrem beachtlichen Busen.

»Dass ich so ein Idiot war«, murmelte er und drückte Sarah Jane fest an sich. Sie hatte endlich aufgehört zu zittern.

»Was? Ich kann dich nicht hören, H.D.«

»Alles«, sagte er und deutete in die Richtung, in die Brubaker verschwunden war.

Elaine schüttelte den Kopf.

»Verdammt, der Typ war ein Arschloch«, rief H.D. »Er war überhaupt nicht für Sarah Jane geeignet.« Er kraulte besagter Hündin die Schultern und den Rücken, bis er ihre Lieblingsstelle gefunden hatte und ihre Hinterbeine zu zucken begannen.

»Ich leugne nicht, dass er ein Arschloch war«, erwiderte sie. »Es geht darum, wie du damit umgegangen bist. Ich bin neugierig. Ist dir das nette junge Pärchen aufgefallen, das sich umgedreht hat und davongerannt ist, als du und Brubaker euren kleinen Krach hattet?«

H.D. öffnete den Mund, jede schlagfertige Antwort blieb ihm jedoch im Halse stecken. Mit einem Klacken schloss er den Mund wieder.

»Hab ich mir gedacht. Ich bin froh, dass dieser Mann Sarah Jane nicht mitgenommen hat. Ich weiß nicht, wie du das machst… so in die Leute hineinzusehen. Im besten Fall hätten wir Sarah Jane in schlimmerem Zustand als vorher wieder zurückbekommen. Aber das Paar? Sie schienen nett zu sein. Wir müssen ein Zuhause für unsere Freunde hier finden.« Elaine breitete die Arme aus, als wollte sie all die Gehege und Zwinger umfassen, in denen sich mindestens ein Hund oder eine Katze befanden. Sogar einen Hasen und eine Schildkröte hatten sie heute mitgebracht. »Hör zu, H.D., ich mag den Durchschnittskunden genauso wenig wie du. Lieber verbringe ich meine Tage in einem Raum voller Spinnen, aber Menschen sind nun mal…«

»… ein notwendiges Übel«, beendete H.D. ihren Satz übertrieben seufzend. »Ich weiß. Ich weiß.« Sie hatte das schon oft gesagt, aber die Tatsache, dass sie recht hatte, machte ihn nicht gerade glücklicher.

»Du musst aufhören, dich wie ein Riesenbaby zu benehmen«, sagte sie.

»Dann hör auf, mich wie eins zu behandeln«, fauchte er.

»Dann hör auf, dich wie eins zu benehmen«, schoss sie zurück.

Einen Augenblick lang herrschte Stille. Schließlich ergriff Elaine wieder das Wort. »Du weißt, dass ich dich mit jedem Gramm meines vierbeinigen Herzens liebe, richtig?«

H.D. gestand sich ein, dass er das wusste. »Du bedeutest mir auch sehr viel«, erwiderte er. In Bezug auf die Äußerung seiner Gefühle war er vorsichtig und ebenso darauf bedacht, das L-Wort nicht zu benutzen.

Er sah, dass es Elaine nicht entgangen war.

»Das muss vermutlich reichen«, erwiderte sie. »Komm her und umarm mich, du alter Hound Dog, du.«

H.D. entwirrte seine Beine und erhob sich geschmeidig, nachdem er Sarah Jane auf dem Boden abgesetzt hatte. »Du weißt, dass du mir viel bedeutest, oder?«, fragte er Elaine, als er sie in eine Umarmung zog.

»Das hoffe ich doch«, antwortete sie.

Einer plötzlichen Regung folgend gab er ihr einen Kuss auf die Wange und als er sich zurückzog, sah er, dass Elaine rot wurde. »Vergeben und vergessen?«

»Natürlich«, erwiderte sie und legte eine Hand auf die Wange, die er soeben geküsst hatte.

Gut, dachte er. Es gab nicht viele Menschen, die er bereitwillig als Freunde bezeichnete. Damit verschwendete er seine Zeit nicht. Natürlich erwartete er von ihnen auch nicht, dass sie bei ihm blieben. Die wenigsten Menschen taten das.

Lächelnd wandte sich Elaine ab und ging zu einem älteren Pärchen, das sich interessiert über einen der Schäferhundmixe unterhielt.

»Guten Tag«, sagte sie fröhlich. »Wie ich sehe, haben Sie Dora schon entdeckt. Exzellente Wahl. Exzellente Wahl.«

Unterdessen hob H.D. Sarah Jane wieder auf seinen Arm und küsste ihre seltsam blonde Stirn. Es machte ihr nichts aus. Sie erwiderte seine Küsse sogar. Ihre Liebe war bedingungslos. Letztendlich war sie eben doch ein Hund.

Und ich würde einen Hund jedem Menschen vorziehen, dachte er.

Kapitel 2

Mara Nerd beobachtete Dean, der seinen Stammkunden und Freunden besser als Bean bekannt war, von der anderen Seite des Raumes aus. Seit langer Zeit kam er wieder einmal dazu, einen Kunden zu bedienen. Bean war einfach zu beschäftigt, seit er das Shepherd's Bean erweitert und den pleite gegangenen Bastelladen nebenan gekauft hatte.

Mara richtete ihre große, runde, schwarze Kunststoffbrille und beobachtete die Begegnung. Der Kunde war sehr attraktiv, das musste sie zugeben. Außerdem flirtete er ganz offenkundig: Er lehnte sich über den Tresen, lächelte und ließ seinen Blick schamlos an Bean auf und ab gleiten. Sie sah jedoch auch, dass es ihrem Boss überhaupt nicht bewusst war.

»Verdammt«, murmelte sie leise und schüttelte den Kopf. Der Typ ist ein Hengst, versuchte sie Bean gedanklich zu übermitteln. Siehst du das nicht?

Ihre telepathischen Fähigkeiten mussten stark eingerostet sein, denn nachdem Bean den Kaffee aufgebrüht hatte, lächelte er höflich und verschwand wieder im Hinterzimmer.

»Dummkopf«, sagte sie, als er an ihr vorbeiging.

Er blieb stehen. »Was?«

»Bist du blind?«, fragte sie und sah zu ihm auf. Mara war eine kleine Frau, kaum einen Meter sechzig groß.

»Nein. Warum fragst du mich das?«

»Der Typ hat dich angemacht.«

»Welcher Typ?« Bean warf einen Blick nach hinten.

»Der Typ, den du gerade bedient hast. Der wäre beinahe auf seiner Spucke ausgerutscht, so sehr hast du ihn zum Sabbern gebracht.«

»Ach echt?«, fragte Bean offensichtlich überrascht.

»Und er war ein echter Hengst«, erläuterte sie, eine Hand in die Hüfte gestemmt.

»Tatsächlich?« Erneut sah sich Bean um, aber natürlich war der Mann längst weg. »Ist mir nicht aufgefallen.«

»Ugh«, stöhnte Nerd frustriert.

»Ugh dich selbst«, erwiderte er. »Ich denke, dass du dir das nur eingebildet hast.«

»Das Einzige, was ich mir einbilde, ist, dass du endlich den Kopf aus dem Arsch ziehst und mal darauf achtest, was um dich herum passiert. Zum Beispiel dann, wenn dich ein heißer Kerl anmacht.«

Bean wischte ihren Kommentar mit einer Handbewegung beiseite. »Er war nicht mein Typ.«

»Also ist er dir aufgefallen?«, fragte sie.

»Schon möglich. Aber ich mag keine aggressiven Männer. Das ist nicht meine Art.« Und damit verschwand er im Hinterzimmer.

Nerd seufzte. Sie machte sich Sorgen um Bean. Er war ein einsamer Mann, so viel wusste sie. Er brauchte jemanden, der dem Abhilfe schaffen konnte. Soweit sie es aus den sieben Monaten, in denen sie bereits für Bean arbeitete, und den Gesprächen mit ihren Kollegen, die ihn schon seit Jahren kannten, schließen konnte, hatte Bean noch nie einen festen Freund gehabt. Zumindest keinen, mit dem es wirklich ernst gewesen wäre.

»Keine Zeit«, hatte sie ihn hin und wieder sagen gehört.

»Schaff dir Zeit«, hatte sie gedrängt. »Arbeit allein befriedigt nicht.«

»Das Sprichwort heißt Arbeit allein macht auch nicht glücklich«, sagte Bean.

»Ja, aber du bist ja nicht wirklich unglücklich. Du arbeitest nur viel. Und bräuchtest dringend ein bisschen Befriedigung.«

Eine Zeit lang war die Keine-Zeit-Ausrede nicht einmal eine Ausrede gewesen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Bean für einen der Giganten gearbeitet – die Kaffeekonzerne, die Müll als Java verkauften, wenn man Nerd fragte. Während dieser Zeit hatte Bean die ganze Welt bereist. Er war nie lange genug zu Hause gewesen, um jemanden kennenzulernen, geschweige denn, eine ernsthafte Beziehung zu führen. Damals hatte er sogar bei seinen Eltern gelebt. Was nutzte es schon, ein eigenes Zuhause zu haben, wenn man nie da war?

Aber jetzt, da er sich endlich aus dem Reiseleben zurückgezogen und das Shepherd's Bean eröffnet hatte? Tja, er musste jemanden finden. Ehemann, Liebhaber oder zumindest einen Fickpartner.

Außerdem würde es ihr helfen, über diese absurde Verknalltheit hinwegzukommen. Zugegeben, Bean war ein sehr gut aussehender Mann: groß, mit goldbraunen Augen und einem breiten, wunderschönen Lächeln. Die Haare hatte er sich vollständig abrasiert, da ihm seine Geheimratsecken unangenehm waren. Selbst das stand ihm gut und trug irgendwie zu seinem Sexappeal bei. Aber Nerd wusste schon, seit sie elf Jahre alt war und einen Blick auf Elenora Bergamini in ihrem Konfirmationskleid geworfen hatte, dass sie auf Mädchen stand. Das hübsche Mädchen hatte in dem weißen Stoff wie eine Braut ausgesehen und Nerd war total verzaubert gewesen. Verdammt, sie war verliebt gewesen. Als sie Elenora gefragt hatte, ob sie sie heiraten wollte, war die Antwort Nein gewesen. Sie hatte Nerd nur küssen wollen. Und Donnerwetter, war das nicht aufregend gewesen?

In jenem Jahr hatten sie sich oft geküsst, vor allem im Baumhaus, das Elenoras Bruder und ihr Vater gebaut hatten. Wie lange hätten sie sich wohl geküsst, hätte Elenoras Bruder sie nicht erwischt? Das war das Ende gewesen. Nerd war für immer aus dem Bergamini-Haus verbannt worden. Was auch immer Elenoras Eltern getan oder gesagt hatten, hatte dafür gesorgt, dass das Mädchen nicht mehr mit ihr befreundet sein wollte. Über Jahre hinweg hatte sich Mara immer wieder gefragt, ob diese erste Verliebtheit dazu geführt hatte, dass sie eine Lesbe geworden war, oder ob es nur jugendliche Experimente gewesen waren.

»Du musst dir diesen Mann aus dem Kopf schlafen, Nerdy«, würde ihre Pseudofreundin Tiff raten. Mara machte sich nicht viel aus Spitznamen, aber sie war froh, mit diesem so glimpflich davongekommen zu sein. Am schlimmsten hatte es ein Mädchen getroffen, das den Spitznamen Zwickel bekommen hatte, nur weil sie auf dem College einen wilden Afro getragen hatte. Das war inzwischen Jahre her. Aber in der Welt der lesbischen Spitznamen machte das keinen Unterschied. Einmal Zwickel, immer Zwickel.

»Vielleicht solltest du einfach mit ihm ficken«, hatte Tiff vorgeschlagen. »Um rauszufinden, ob du nicht doch fürs andere Team spielst.«

Bei diesem Vorschlag war es Nerd eiskalt den Rücken runtergelaufen. Das würde ja bedeuten, etwas mit seinem… also… Und sie war wirklich ein Rubinroter Dschungel liebender, eingefleischter Rita Mae Brown Fan.

»Ich weiß nicht mal, was das heißt«, hatte Tiff gesagt.

»Das liegt daran, dass du nicht lesen kannst«, erwiderte Nerd.

»Ich kann lesen, ich habe nur entschieden, es nicht zu tun.«

»Sagen wir einfach, ich mag Frauen, und belassen es dabei«, hatte Nerd gesagt. »Ich mag sie sehr.«

Ja, von dem Moment an, in dem sie herausgefunden hatte, was Lesbe bedeutete, wusste sie, was sie war. Während ihres ersten Jahres auf dem College hatte sie für ein paar Monate sogar damit geliebäugelt, eine Separatistin zu sein. Aber Frauschaft statt Mannschaft zu sagen oder Jungmann wie Jungfrau gleichzustellen, hatte sie während eines Treffens so unkontrolliert kichern lassen, dass sie aus der Gruppe geworfen worden war. Das war in Ordnung. Sie hatte sechs Brüder und verehrte sie. Sie mochte Männer wirklich. Nur nicht… auf diese Art.

Genau aus diesem Grund musste sie Bean einen Freund beschaffen. Oder ihn zumindest in diese Richtung leiten.

Die Glocke über der Tür klingelte leise und Mara hob den Blick, um zu sehen, wer gerade kam oder ging. Es war eine Frau mit leuchtend blauen Haaren, die über der Stirn auftoupiert waren. »Oh Gott«, stöhnte sie.

»Hey, Nerdy!«

Tiff. Toll. Einfach toll. Nerd lächelte. »Morgen! Was kann ich dir heute bringen?«

»Ach, süße Mara«, sagte Dean Alexander, alias Bean, zu sich selbst. »Was würde ich nur ohne dich tun?«

Natürlich hatte er den Mann gesehen, von dem sie gesprochen hatte. Und natürlich hatte er bemerkt, dass er ihn angemacht hatte – und anmachen war noch höflich ausgedrückt. Sabbern hingegen traf es genau auf den Punkt, denn das hatte der Typ wirklich getan. Aber darauf stand Bean einfach nicht. Ihm gefiel zumindest ein Mindestmaß an Subtilität. Warum so dreist sein? So offensichtlich? Nicht nur Mara, sondern allen Gästen im Laden gegenüber. Funktionierte diese Art des Flirtens tatsächlich?

Mara, wunderte sich Bean. Wie verzweifelt versuchst du, mir einen Mann zu beschaffen, wenn du glaubst, dass ich mich auf einen wie den einlasse? Was sollte diese Kuppelei überhaupt? Wenn Mara – er weigerte sich, ihren Spitznamen zu benutzen – es nicht gerade versuchte, dann ein Freund, ein Kunde und natürlich seine Mutter. Er war allein glücklich. Er brauchte niemanden, der ihn vervollständigte. Diese Phrase ging ihm auf die Nerven. Nicht, dass er etwas gegen einen Mann in seinem Leben einzuwenden hatte. Er brauchte nur keinen. Außerdem war er mit dem Shepherd's Bean unglaublich beschäftigt…

Bean ging zurück in sein Büro. Noch vor sechs Monaten hätte er nie gedacht, mal ein eigenes Büro zu haben – zumindest nicht so früh. Aber was als Hobby in seiner Garage, in der er Kaffeebohnen geröstet und an Freunde und Familie verkauft hatte, begonnen hatte, war nach und nach weiter gewachsen und aufgeblüht. Zuerst hatte er zugestimmt, für das kleine Café Radiant Cup Kaffee zu rösten. Bald war ein kleines Restaurant eingestiegen, dann ein zweites. Zu diesem Zeitpunkt hatte er entschieden, seinem eigenen Laden eine Chance geben zu können, nachdem seine Familie und Freunde ihn dazu gedrängt hatten. Warum auch nicht?

Außerdem erlaubte es ihm, Kansas City zu zeigen, wie Kaffee wirklich gemacht werden sollte. Tasse für Tasse. Es dauerte eine Weile, einen einzelnen Kunden zu bedienen, aber nachdem sie einen Schluck probiert hatten, sah es niemand mehr als verschwendete Zeit an. Die übliche erste Reaktion bestand in hochgezogenen Brauen und einem überraschenden Wow! Bean wurde nie müde, das zu beobachten.

Neulich hatte der Kansas City Chronicle eine kleine Story über ihn veröffentlicht und der Umsatz hatte sich über Nacht vervierfacht. Der Zeitungsartikel hatte die Leute dazu angeregt, das Shepherd's Bean auszuprobieren, der Kaffee sorgte dafür, dass sie immer wieder kamen.

Bean setzte sich an seinen kleinen, altmodischen Rollschreibtisch und überflog die Rechnungen. Heute Morgen war eine Lieferung aus Kenia von der Rugento Farmer Co-op. eingetroffen. Sehr nette Menschen, die gerade genug Land bewirtschafteten, um ihre Familien zu ernähren. Die letztjährige Ernte war sehr aromatisch gewesen und hatte den Kaffee vielschichtig und süß gemacht. Der Gehalt löste sich in allerlei pflaumenartiger Fruchtigkeit auf, um anschließend den Geschmack von schwarzen Kirschen und Zitronen freizugeben, sobald die Tasse langsam abkühlte.

Wenn die diesjährige Ernte auch nur halb so gut war, würde es für ihn und seine Kunden ein Vergnügen werden. Heute Nachmittag würde er die Bohnen rösten.

Das Telefon klingelte und da der Apparat direkt neben ihm stand, nahm er ab, sodass keiner der Baristas seine Arbeit unterbrechen musste.

»Guten Morgen. Danke für Ihren Anruf bei Shepherd's Bean.«

»Dean«, erklang eine fröhliche Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ich bin so froh, dass du rangegangen bist.« Dean, nicht Bean.

»Hallo, Mom«, erwiderte er.

»Wie läuft das Kaffeegeschäft?«, fragte sie.

»Gut. Sehr gut.«

»Es tut mir so leid, dass ich seit dem Ausbau erst einmal da war.«

»Ist schon in Ordnung, Mom. Für eine Tasse Kaffee ist es ein weiter Weg von Terra's Gate.«

»Aber nicht so weit, dass du ihn mir nicht vorbeibringen könntest«, schnurrte sie.

»Es ist dieselbe Entfernung, Mom.« Er schrieb das Datum auf die Rechnung und legte sie in die kleine Schublade auf der rechten Seite des Tisches.

»Aber wenn du herkommst, bekommst du obendrein noch ein Abendessen. Hast du morgen Abend etwas vor? Bitte sag mir, dass du Zeit hast, mein Lieber. Dein Vater und ich wünschen uns so sehr, dass du kommst. Es ist eine Ewigkeit her.«

»Mom, das stimmt doch nicht.« Er warf einen Blick auf seinen Tischkalender. »Zweieinhalb Wochen.«

»Und so lange soll ich warten? Sag mir, dass du morgen kommst. Big Dean wirft den Grill an.« Big Dean war sein Vater. Bean der Kleine. »Es gibt sein berühmtes Hühnchen.«

Unwillkürlich lief Bean das Wasser im Mund zusammen. »Ich glaube nicht, dass ich was vorhabe. Lass mich kurz nachsehen.« Erneut sah er in seinem treuen Kalender nach und blätterte zum nächsten Tag.

»Natürlich hast du nichts geplant«, sagte seine Mutter. »Du hast nie was vor. Gehst nie irgendwohin.«

»Mom. Das reicht.« Er seufzte. Warum diskutieren? Er hatte wirklich nichts vor und das Hühnchen seines Vaters war fantastisch. »Ich werde da sein.«

»Oh, gut. Das ist gut. Big Dean, er kommt morgen… Nein… ich hab es ihm noch nicht gesagt. Nein… mach dir keine Sorgen, ich sag es ihm«, brüllte sie halb ins Telefon.

Bean hatte eine beunruhigende Vorahnung.

»Schatz, erinnerst du dich an Mrs. McKenna?«

»Ich… ich bin nicht sicher…«

»Meine Freundin Muriel? Sloan McKennas Mutter? Er war in der Schule eine Klasse unter dir. Erinnerst du dich?«

Ähm. Die Highschool lag schon ein paar Jahre hinter ihm. Fünfzehn Jahre. Fünfzehn Jahre? Wow, die Zeit verflog wirklich, je älter man wurde. »Ich bin nicht sicher, Mom.«

»Muriel hatte immer den spektakulärsten Garten. Ihr ganzer Vorgarten war…«

Bang. Das war es. »Oh, klar.« Die McKennas hatten eine Straße weiter gewohnt, als er noch ein Kind gewesen war. »Natürlich, ich erinnere mich. Wie geht es ihr?«

»Nicht so gut, fürchte ich. Hirntumor. Inoperabel.«

»Oje«, erwiderte er überrascht. »Das ist schrecklich.« Arme Frau. Bean hatte sie als nette Dame in Erinnerung, die immer ein Eis oder einen Kühlakku parat hatte.

»Sie hat sich gegen die Chemo entschieden. Will ein kürzeres, aber dafür besseres Leben. Ich nehme an, ihr Sohn ist nicht allzu glücklich darüber. Aber es ist ja ihre Entscheidung. Bislang läuft alles so gut wie eben möglich mit einem… du weißt schon… Hirntumor. Hin und wieder tut sie etwas… Seltsames. Fragt mich, ob ich ihr einen Schneemann mitbringen kann, wenn ich einkaufen fahre. So was in der Art.«

Einen Schneemann? »Oh Mann, Mom. Das ist traurig.« Sehr traurig.

»Ja. Und ich dachte, wenn du morgen Abend da bist, würde das ein bisschen Normalität in ihren Tag bringen, verstehst du?«

»Natürlich, Mom. Ich werde kommen. Soll ich Wein mitbringen?«

»Nur Kaffee, Liebling. Das ist mehr als genug.«

Kapitel 3

Hound Dog wartete, bis der Mann neben ihm leise zu schnarchen begann – eigentlich hatte er noch zehn quälend lange, schmerzhafte Minuten darüber hinaus gewartet –, ehe er aus dem Bett schlüpfte. Mit nackten Füßen tapste er leise durch den Raum, um seine verstreuten Klamotten einzusammeln: das T-Shirt hier, seine weiche, anschmiegsame Jeans da drüben, eine Socke auf der offenen Schublabe, die zweite darunter und… seine Schuhe. Wo waren seine Schuhe?

Im Wohnzimmer. Da waren sie. Er hatte sie unter dem Couchtisch ausgezogen, während er und… wie immer er auch hieß… auf der Couch rumgemacht hatten. H.D. war schon halb aus dem Schlafzimmer, als Wie-immer-er-auch-hieß den Kopf hob.

»Hey, H.D., wo wills' du hin? Bleibst du nicht über Nacht?«

Verdammt, der Kerl ist wach. Und er kann sich an meinen Namen erinnern. Warum weiß ich seinen nicht mehr?

»Sorry, Mann«, sagte H.D. »Ich muss meinen Hund rauslassen.«

Das entsprach sogar der Wahrheit. Er hatte Sarah Jane mit nach Hause genommen, da er nicht wollte, dass sie über Nacht in einem der Zwinger bei Vierbeinige Freunde schlief. Genau genommen blieben nur die wenigsten Tiere über Nacht. Die meisten waren in Pflegefamilien in der Stadt oder den Vororten untergebracht, während sie auf ein dauerhaftes Zuhause warteten.

Es überraschte ihn wirklich, dass Sarah Jane bis jetzt noch keins gefunden hatte. Sie war einer der kostbarsten Hunde, die je in ihrer Obhut gewesen waren, vor allem nachdem sie sich physisch und psychisch von ihrer Vernachlässigung erholt hatte. Das war nur ein weiterer Grund, warum H.D. sie nicht über Nacht in einen Käfig hatte sperren wollen.

»Oh, komm schon«, sagte sein Bettpartner. Bob? Oder Rob? »Eine Nacht erträgt das Tier schon. Ich mach morgen Frühstück. Du kannst ja etwas Bacon für es mitnehmen.«

Es? Hat er gerade es gesagt?

»Ich bin Vegetarier«, log H.D. und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer.

Bob oder Rob folgte ihm. »Musst du wirklich gehen?« Der Mann lehnte sich an den Türrahmen, verschränkte die Arme vor seiner behaarten, muskulösen Brust und überkreuzte die Beine – die ebenso gut trainiert und behaart waren wie der Rest von ihm. Durch und durch Hound Dogs Typ.

Entspannt und vollkommen gelassen mit seiner Nacktheit stand er da. Während H.D. sich anzog, musste er einfach beeindruckt sein. Lecker! Ich hab mir heute Nacht alle Ehre gemacht.

Im Licht der Stehlampe glitzerten die dunklen Augen des Mannes. Ein leichter Bartschatten überzog seine Wangen und das kräftige Kinn (Hat sich das nicht wunderbar in meiner Spalte angefühlt?), aber all das war nichts im Vergleich zu der großzügigen Ausstattung, die über zwei tief hängenden Hoden drapiert war. Um ehrlich zu sein, waren es diese Augen und die talentierte Zunge gewesen, die beinahe dazu geführt hätten, dass Hound Doug nachgegeben und sich hätte ficken lassen. Letztendlich war die Antwort jedoch Nein gewesen.

»Oh, bitte, Mann. Ich muss dich haben«, hatte der Typ gesagt. Und er hatte so heiß ausgesehen, wie er mit seinem kahlrasierten Kopf zwischen H.D.s Arschbacken nach oben gesehen und so überaus männlich gewirkt hatte.

»Nein, Kumpel. Da lasse ich niemanden ran. Ist mir zu persönlich.«

»Das sagen die meisten Typen übers Küssen«, hatte Bob oder Rob gesagt.

»Was überhaupt keinen verdammten Sinn ergibt«, hatte Hound Dog erwidert. »Mann kann jeden küssen – aber Ficken ist eine ganz andere Geschichte.«

Dann hatte der Typ sein Rimming fortgesetzt und – wow! – Bob oder Rob wusste, was er da tat. Fünf Minuten voller Stöhnen später hatte er erneut nach H.D.s Arsch gefragt, was unglaublich verlockend gewesen war.

Dennoch hatte H.D. verneint, sich auf den Rücken gedreht und seine Vorderseite präsentiert. »Aber alles andere ist vollkommen in Ordnung.«

Bob oder Rob hatte entschieden, auf H.D.s Schoß zu klettern und, nachdem er auf ein Kondom bestanden hatte, ihn wie einen wilden Hengst zu reiten. Es war einfach fantastisch gewesen.

Und nun? Dieses attraktive Gesicht mit dem verschmitzten Funkeln und der Anblick der unteren Regionen… H.D. musste sich stark zusammenreißen, um den Blick abzuwenden und sich anzuziehen. Sarah Jane wartete tatsächlich auf ihn. Und die kleine Dame war etwas Besonderes. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie weinte und sich fragte, wieso sie allein war.

Und die schlichte Wahrheit lautete, dass er vorhin spitz gewesen war, jetzt aber nicht mehr. Man hatte ihn an der richtigen Stelle gekratzt, er war vom Jucken befreit worden, hatte sich genüsslich gewälzt und nun war es Zeit, nach Hause zu gehen. Es war vollbracht und höchste Zeit, die Kurve zu kratzen. Bobs oder Robs Angebot, über Nacht zu bleiben, hatte das perfekt verdeutlicht. H.D. lud nie jemanden in seine kleine Wohnung ein. Das würde bedeuten, dass der Typ vielleicht nicht ging. Wenn man jemanden begleitete, konnte man gehen – höflich, elegant oder sonst wie –, wann immer man wollte. Man konnte weg.

»Sorry… Mann«, sagte er. Er konnte ja nicht Bob oder Rob sagen. »Ich muss wirklich los.«

»Dann lass mich dir noch meine Nummer geben«, sagte der Typ.

Gut. H.D. würde sie aufschreiben und dann gleich wieder verlieren.

»Ich speicher sie in dein Handy«, sagte sein Fick und streckte die Hand aus.

Scheiße noch mal. H.D. konnte nicht einmal lügen und behaupten, er hätte keins. In der Bar hatte Elaine zweimal angerufen und der Typ hatte es gesehen. Innerlich seufzend zog H.D. sein Handy aus der Tasche und reichte es dem Kerl. Einen Moment später bekam er es zurück und warf einen Blick auf den Namen. Mike. Mike? Wie kam er denn von Mike auf Bob oder Rob?

»Jetzt gib mir deine«, sagte Mike.

»Hab ich doch.«

»Nicht dein Handy.« Mike verdrehte die Augen. Lustig, so einen gestandenen Kerl wie ihn die Augen verdrehen zu sehen. »Ich will deine Nummer.«

H.D. ratterte seine Nummer so schnell herunter, dass er hoffte, Mike würde sich nicht alles merken können. Als er sie allerdings wiederholte, stellte H.D. fest, dass das Glück nicht mit ihm war. Dennoch lächelte er und gab vor, glücklich zu sein, als er sich zum Gehen wandte.

»Warte!« Mike trat auf ihn zu und beugte sich für einen Kuss zu ihm, doch H.D. drehte den Kopf, sodass Mikes Lippen auf seiner Wange anstatt seinem Mund landeten. Irgendwie erschien ihm Küssen jetzt doch ein wenig zu persönlich.

War das Schmerz, den er da in den Augen des Hünen sah? H.D. knurrte innerlich. Wie bring ich mich nur immer in diesen Schlamassel? »Man sieht sich, Boo… Mike!« Himmel. Beinahe hätte er ihn Bob genannt.

»Bis dann«, erwiderte Mike, während Hound Dog schnell zur Tür hinaus flitzte.

Draußen auf der Straße fühlte er sich augenblicklich besser. Frei. Er konnte atmen.

Gott, was, wenn er anruft? Seine Gedanken drohten, eine gefährliche Abwärtsspirale zu bilden. Nein, befahl er sich. Nicht. Bloß nicht. Denk nicht nicht nicht nicht daran. Wenn Bob oder Mike anruft, ignorier es einfach. Im Anschluss an diesen Gedanken zog er sein Handy aus der Tasche und blockierte Mikes Nummer. Wenn er anrief, würde der Anruf direkt an die Mailbox gehen. H.D. würde es nicht einmal klingeln hören. Erleichtert seufzte er auf.

Es lag nicht daran, dass H.D. keinen Spaß mit Mike gehabt hatte. Es war großartig gewesen. Der Mann war fantastisch im Bett gewesen. Hound Dog war zweimal gekommen. Mike küsste wie ein Callboy, lutschte wie ein Stricher und ritt seinen Schwanz, als hinge sein Leben davon ab.

Das hieß aber noch lange nicht, dass der Abend nach einer Wiederholung verlangte. Kein Abend – oder Morgen oder Nachmittag – sexueller Eskapaden verlangte nach einer Wiederholung. In dieser Richtung lauerten Gefahren. Ein zweites Mal führte zu möglichem Klammern – und Mike hatte ganz plötzlich dieses Potenzial gezeigt. H.D. war nicht fürs Klammern zu haben.

Was war passiert? Als sie sich im Watering Hole miteinander bekannt gemacht hatten, hatte alles nach unkompliziertem Sex ausgesehen. Viel Knutschen und aneinander Reiben. Sie hatten über nichts Persönliches gesprochen. Nicht einmal ein Was machst du beruflich? Nur Alkohol, Herummachen in dunklen Ecken, Ohrläppchenknabbern und geflüsterte Sauereien, was sie miteinander anstellen wollten. Als Mike ihn schließlich zu sich eingeladen hatte, hatte H.D. das nur bejahen können.

Schon auf der Treppe hatten sie nicht die Finger voneinander lassen können. Im Wohnzimmer waren sie übereinander hergefallen. Und Mike hatte ihn auf Hochtouren gebracht. Braune Augen, für die er irgendwie eine Schwäche hatte, der dichte, dunkle Bartschatten, die Tatsache, dass er größer war, aber nicht zu groß… und perfekte Zähne. Aus irgendeinem Grund waren schiefe Zähne ein Abturner für H.D. Der große Schwanz war ein zusätzliches Plus gewesen. Er machte sich nicht viel aus der Größe, aber auf der anderen Seite wollte er etwas haben, das die wilde Seite in ihm weckte.

Weil es verdammt noch mal nur um Sex ging. Warum konnten die Leute das nicht verstehen? Tiere hatten das kapiert. Wenn ein männlicher Tiger ein rolliges Weibchen traf, ging er ran. Kein Hofieren. Kein Umwerben. Und ganz sicher keine Romantik. Sie fickten und gingen wieder ihrer Wege. Rein, raus, fertig. Hunde ebenso. Einer wurde läufig, der andere fühlte sich davon angezogen und sie fickten. Dann war es vorbei. Kein Bund fürs Leben. Sex, einfach und unkompliziert.

Warum – oh, warum zum Teufel – konnten Menschen nicht auch so sein?

Denn das Letzte, was Hound Dog wollte, war ein Partner.

Er wusste, wohin das führte.

Schmerz. Verrat. Verlassen werden.

Und das würde ihm nicht noch einmal passieren.

Nie. Wieder.

Sarah Jane war begeistert, dass er nach Hause kam. H.D. war noch zehn Meter von der Tür entfernt, als sie zu bellen anfing. Er hoffte, dass es an ihm lag und sie ihn erkannt hatte. Hoffentlich bellte sie nicht bei jedem so, der die Treppe nach oben stieg. Und wenn, dann würde er das von seinen Nachbarn erfahren. Aber Hundeohren waren irrsinnig scharf und ihr Geruchssinn ein wahres Wunder. Sie hätte mit Leichtigkeit herausfinden können, dass er es war.

Als er den Schlüssel ins Schloss steckte, steigerte sich ihr Gebell – ein schriller Laut, jedoch nicht so nervig wie bei anderen Rassen. Nachdem er schließlich eingetreten war, tanzte sie fröhlich um ihn herum.

»Hallo, Sarah, ich bin zu Hause!«

Sie sauste auf ihn zu, stellte sich auf die Hinterbeine und wackelte mit den Vorderpfoten in der Luft. Er bewunderte, dass ein Hund mit so kurzen Beinen und kleinen Pfoten ein solches Kunststück beherrschte. H.D. hob sie vom Boden und wurde sogleich mit einer Flut von Küssen bedeckt. Ich hätte dich nicht so lang allein lassen dürfen, dachte er. Anfangs war er auch nur ausgegangen, um ein paar Bier zu trinken. Er hatte nicht gewusst, dass er am Ende in Bobs oder Robs oder Mikes Wohnung landen würde. Schon gar nicht so lange.

»Ich weiß! Ich weiß! Ich freue mich auch, dich zu sehen.« Mit Schuldgefühlen im Bauch drückte er Sarah Jane fester an sich und schmiegte sein Gesicht an das blonde Fell auf ihrem Kopf. Es wirkte so verwirrend anders im Gegensatz zum Rest ihres rotbraunen Pelzes. Er liebte es.

Sarah Jane wand sich in seinen Armen und H.D. wusste, was das bedeutete. Mit der Leine bewaffnet, was bei der Hündin ekstatische Freude auslöste, führte er sie auf die Straße. Sie tänzelte förmlich wie ein winziges, langhaariges Pony, als sie um den Block liefen und die Spuren der anderen Hunde verfolgten.

H.D. hatte den Erklärungen des sogenannten Hundeflüsterers in der einen Folge über das Gassi gehen gelauscht. Laut seiner Fachmeinung sollte man einen Hund nicht überall anhalten, schnüffeln und pinkeln lassen. Das war das letzte Mal, dass H.D. die Sendung gesehen hatte. Seiner Meinung nach laberte der Mann nur Scheiße. Warum sollte man das einem Hund antun? Es war grausam. Hatte der Mann überhaupt Ahnung von canis familiaris?

Hunde sahen die Welt durch ihre Nase. Mit den Augen konnten sie eigentlich nicht gut sehen. Aber ihre Nasen! Dreihundert Millionen Geruchsrezeptoren. Menschen hatten nur sechs Millionen. Sie konnten einen Teelöffel Zucker in zwei mit Wasser gefüllten Olympiaschwimmbecken finden.

Die Leute glaubten, Hunde würden das Bein heben und Dinge mit ihrem Urin besprenkeln, um ihr Revier zu markieren, aber das stimmte nicht. Die Stellen, an die sie pinkelten, waren wie ein riesiges schwarzes Brett.

Wenn Sarah Jane ihre Duftspur hinterließ, hinterließ sie eine Nachricht wie: »Hi! Ich bin ein Dackel-Yorkshire-Terrier-Mix! Ich bin weiblich, drei Jahre alt und hatte schon Welpen, bin aber nicht rollig.« Das und noch vieles mehr. Wieso sollte H.D. sie also davon abhalten, die Nachrichten aus der Gemeinschaft zu lesen? Soweit es H.D. betraf, konnte Sarah Jane so oft und so viel sie wollte pinkeln.

Ein solcher Geruchssinn musste bemerkenswert sein. Es hieß, Hunde könnten Gefühle riechen. Sogar Krebs. Er war sich sicher, dass Hunde auf diese Weise jemanden auf der Stelle mochten oder verabscheuten. Scham stieg in ihm auf. Sarah Jane hatte das kleine Mädchen in der Latzhose auf Anhieb gemocht, jedoch zu zittern begonnen, als ihr Vater dazugekommen war. Ich hätte es wissen müssen. Ich habe nicht gut genug aufgepasst.

Viele Menschen, darunter auch der sogenannte Hundeflüsterer, hielten Hunde für Wölfe. Sie waren keine Wölfe. Hunde waren, was die Menschen aus ihnen gemacht, wozu sie sie gezüchtet hatten. Der perfekte Begleiter des Menschen.

Und ja, H.D. mochte sie um einiges lieber als Menschen.

Vielleicht sollte ich Sarah Jane behalten.

Seit Ramses' Tod hatte er keinen Hund mehr gehabt. Sein Tod hatte H.D. das Herz gebrochen. Er hatte gedacht, eine Weile keinen anderen Hund halten zu können. Aber Sarah Jane? Die kleine Dame war etwas Besonderes. Vielleicht hatte sie deshalb noch niemand zu sich geholt. Vielleicht war sie dazu bestimmt, bei ihm zu sein. Seine Mundwinkel bogen sich nach oben.

Das war ein schöner Gedanke.

Aber…

Vielleicht sollte er noch ein wenig warten. Ein paar Tage.

Man konnte nie wissen, wer noch auftauchte. Es könnte die richtige Person sein. Und warum sollte sich H.D. dem Schicksal in den Weg stellen?

Kapitel 4

Es hätte Bean nicht überraschen sollen, dass er und Mrs. McKenna nicht die einzigen Gäste im Haus seiner Eltern waren. Sloan, Mrs. McKennas Sohn, war ebenfalls anwesend. Große Überraschung.

»Dean?«, begrüßte ihn seine Mutter fröhlich. »Erinnerst du dich an Sloan? Er war in der Schule eine Stufe unter dir.«

Ja, Mom, dachte er. Das hast du mir gestern schon erzählt. Was du mir nicht erzählt hast, ist, dass er zum Abendessen kommt.

Lächelnd schüttelte Bean Sloans ausgestreckte Hand. »Natürlich«, sagte er. »Ich erinnere mich.«

Sloans Lächeln zeigte deutlich, wie unangenehm ihm diese Situation war.

Du hast also auch nichts davon gewusst.

»Schön, dich wiederzusehen«, sagte Sloan. »Wie lange ist es her? Fünfzehn Jahre?«

»So um den Dreh«, erwiderte Bean und ließ Sloans Hand los.

»Du hast dich verändert«, sagte Sloan. »Du warst klein und unglaublich dünn, wenn ich mich recht erinnere.«

Bean nickte. »Ja, stimmt.«

»Little Dean hat sich erst zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag voll entfaltet, oder?«, mischte sich seine Mutter ein.

»Kurz davor«, antwortete Bean.

»Na ja, jetzt bist du mit Sicherheit nicht mehr little«, kommentierte Sloan.

Oh Gott, flirtet er etwa? Bean hoffte, dass dem nicht so war. Nicht, dass irgendetwas mit Sloan nicht in Ordnung war. Im Gegenteil. Er sah gut aus mit seiner milchig weißen Haut, den umwerfend grünen Augen, der breiten Brust und dem vollen roten Haar. Nicht zu vergessen die unzähligen Sommersprossen. Aber Bean hatte noch nie auf Rothaarige gestanden und er wusste nicht, weshalb.

Irgendwie war er immer der Meinung gewesen, dass Frauen rothaarig waren, nicht Männer. Julianne Moore, Amy Adams und Nicole Kidman waren die Personifikationen von Schönheit und Sinnlichkeit. David Caruso, Ron Howard und Conan O'Brien hingegen? Nicht wirklich. Albern, das wusste er selbst, doch so war es nun mal.

»Ich hab Bier mitgebracht«, sagte Bean. »Willst du eins?«

Erleichterung zeichnete sich auf Sloans Gesicht ab. »Du hast ja keine Ahnung, wie sehr.«

»Oh doch«, lachte Bean. »Ich denke schon.« Er hielt die braune Papiertüte hoch. »Mir nach.«

Auf ihrem Weg nach draußen durchquerten sie das Wohnzimmer, in dem Mrs. McKenna auf der Couch saß. Bean war erleichtert, dass sie ziemlich gut aussah. Kein Gelbstich auf der Haut, keine dunklen Augenringe. Sie besaß sogar noch ihre dicken, roten Haare, die sie offenbar an Sloan vererbt hatte. Bean umarmte sie zur Begrüßung und erkundigte sich nach ihrem Befinden.

»Heute ist ein guter Tag«, antwortete sie lächelnd. »Wie geht es dir?«

»Fit wie ein Turnschuh.« Er grinste.

»Das bist du, in der Tat«, erwiderte sie mit glitzernden Augen und zwinkerte ihrem Sohn zu.

Bean warf einen Seitenblick auf Sloan, der augenblicklich feuerrot anlief. Beschämt. Immerhin bin ich nicht der Einzige.

»Wir gehen auf die Veranda und genehmigen uns ein Bier«, sagte Bean und hielt noch einmal die Papiertüte hoch.

»Oder dreißig«, hörte er Sloan murmeln. Nur mit Mühe konnte Bean ein Lachen unterdrücken.

»Amüsiert euch«, rief ihnen Mrs. McKenna hinterher.

»Aber denk dran, dass dein Vater draußen ist«, fügte Beans Mutter hinzu.

Um Himmels willen, Mom. Halt doch bitte den Mund. Was glaubst du denn, was wir vorhaben?

Beans Vater war nicht auf der Veranda. Der geschlossene Grill, aus dessen Lüftungsschlitzen Rauch stieg und der die Luft mit köstlichem Duft versetzte, allerdings schon.

»Tut mir leid«, sagte Sloan. »Ich glaube, unsere Mütter haben…«

»… Kuppler gespielt?«

»Ich könnte sterben. Es tut mir so leid.« Jegliche Farbe, die Sloan eben noch aus dem Gesicht gewichen war, kam nun mit voller Kraft zurück. Er wurde röter als seine Haare.

»Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte Bean. »Meine Mutter hat das eingefädelt.«

»Ich schätze, ich sollte dankbar und glücklich sein, dass Mom endlich damit klarkommt, dass ich schwul bin. Ich hab schon lang genug gebraucht.«

»Oh?«, fragte Bean, während er zwei Bierflaschen aus der Tüte zog.

»Ich hab es natürlich schon immer gewusst, aber ich hatte erst auf dem College wirklich Sex mit einem Mann. Alles davor waren nur Teenager-Spielereien gewesen. Keine große Sache. Aber nach Cooper war ich mir sicher. Leider lastete dieser ganze Druck auf mir, die Familienlinie weiterzuführen, weil ich das einzige Kind bin und mein Dad schon lange tot ist. Tja, und da war ich also, erstes Semester auf dem College und verlobt, als ich von ihrem Bruder verführt wurde.«

»Wow«, erwiderte Bean und versuchte, nicht zu lachen. Er öffnete das Bier und reichte es Sloan.

»Jap. Und das war das Ende jeder bevorstehenden Ehe.«

Bean öffnete seine eigene Flasche. »Weil du wusstest, dass du es nicht durchziehen könntest?«

Seufzend schloss Sloan die Augen. »Weil sie uns im Bett erwischt hat.«

Bean schüttelte den Kopf. »Fuck.«

»Genau das haben wir getan, als sie reingeplatzt ist.« Sloan zuckte zusammen. »Hab ich das grad laut gesagt? Heilige Scheiße, oh mein Gott…«

Dieses Mal lachte Bean.

»Können wir noch mal zurückspulen? Die letzte Minute löschen oder so?«

»Ich hab keine Ahnung, was du meinst«, sagte Bean, da er Mitleid mit Sloan hatte. »Du hast gerade gesagt, dass du dankbar sein solltest, dass deine Mom sich mit deiner Homosexualität arrangiert hat.«

»Danke, und ja«, erwiderte Sloan.

»Meine Mom marschiert auf Paraden«, sagte Bean. »Die Sache mit den Enkeln scheint sie nicht wirklich zu stören und, mal ehrlich, ich habe auch kein Verlangen danach, ihr welche zu schenken. Sie hat mich nur ein-, zweimal danach gefragt, als ich sechzehn oder siebzehn war.« Nicht, dass sie Zeit für Enkelkinder hätte, dachte er. Nein. Falsche Richtung, denk nicht drüber nach. »Gib mir lieber einen Hund.«

Sloan seufzte traurig. »Du hast Glück. Das ist alles, was sich meine Mom wünscht. Sie hat gesagt: Sie haben das in The New Normal gemacht. Such dir eine Leihmutter!« Sloan schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich heute jemanden schwängern würde, ständen die Chancen schlecht, dass Mom lange genug lebt, um die Kinder zu sehen.«

»Das tut mir leid«, sagte Bean. Er fühlte mit Sloan und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, erkannte jedoch, dass er keine Ahnung hatte, was. Beans Mutter war nicht dem Tode geweiht. Allein der Gedanke daran tat unheimlich weh.

Sloan zuckte mit den Schultern. »Das Leben ist nicht immer fair. Immerhin hab ich sie noch ein bisschen bei mir.«

Nickend schenkte Bean Sloan ein hoffentlich aufmunterndes Lächeln. Dann hob er seine Bierflasche. »Darauf, dass du deine Mom noch bei dir hast.«

Unzählige Gefühle spiegelten sich in Sloans Augen. »Auf jede einzelne Minute«, erwiderte er, bevor ihre Flaschen klackend aneinanderstießen.

Sie zuckten beide zusammen, als sich hinter ihnen jemand auffällig räusperte. Als sie sich umdrehten, trat Beans Vater durch die Glasschiebetüren auf die Veranda.

»Woah, Dad«, sagte Bean. Überrascht riss er die Augen auf. Sein Vater, der normalerweise peinlich genau auf sein Äußeres achtete, trug nun einen grauen, mehrere Tage alten Bart. »Was soll der Wildwuchs?«, fragte er deshalb.

»Hmm?«, erwiderte sein Vater gedankenverloren. Er fasste sich an die Wangen und schien beinahe überrascht, die Stoppeln zu fühlen. »Ach, zur Hölle. Ich bin in Rente. Wenn ich nicht will, muss ich mich nicht jeden Tag rasieren. Was ist deine Ausrede?«

Bean berührte seinen eigenen dichten, jedoch sauber getrimmten Bart und zuckte mit den Schultern. »Gehört zum Aussehen eines Baristas? Ist jetzt in.«

Sein Vater wandte sich schnaubend an Sloan. »Na, sieh mal einer an! Du bist gewachsen!«

»Ist lange her, Mr. Alexander.«

»Nenn mich Big Dean«, sagte Beans Vater. »Sonst fühl ich mich wirklich alt.«

Sloan zuckte unbeholfen mit den Schultern. »Also… okay.«

»Mensch! Du bist jetzt ein richtiger Mann, was?«

Bean schüttelte den Kopf. »Schon länger, Dad. Wie er gesagt hat.«

»Klar, klar…«

Big Dean ging zum Grill und öffnete ihn. Auf dem Rost brutzelten Hähnchenteile und da die Luft vorher schon gut gerochen hatte, ließ sie ihnen nun das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mit einer Zange drehte er ein paar der Stücke um. »So gut wie fertig«, sagte er, während er das Fleisch mit geschmolzener Butter aus einer winzigen Gusspfanne am Rand des Grills bestrich.

Zum Glück ist niemand von uns fett, dachte Bean. Und hoffentlich sind unsere Cholesterinspiegel alle in Ordnung!

»Ich hoffe, ich hab euch nicht bei irgendwas gestört, als ich hergekommen bin«, sagte Big Dean und warf ihnen einen wissenden Blick zu.

Nur mit Mühe konnte Bean ein Seufzen unterdrücken. »Nein, Dad. Wir haben nur ein Bier getrunken. Willst du auch eins?«

»Was trinkt ihr?«

Bean zeigte seinem Vater die Flasche eines ungefilterten Weizens aus Boulevard, einer lokalen Brauerei, die eine der größten im Mittleren Westen war. Big Dean runzelte die Stirn. »Hast du kein richtiges Bier? Ist da kein Bud in der Tüte?«

Bean verzog das Gesicht. »Nein, Dad. Und das ist kein richtiges Bier.«

Sein Vater schüttelte den Kopf. »Ja, ja. Hör sich einer Mister Ausgefallener Kaffee an. Trinkt ihr zwei mal dieses Zeug. Ich hol mir was aus dem Kühlschrank.« Nickend drehte er sich um und ließ sie allein auf der Veranda zurück.

»Ich mag dein Bier sehr«, sagte Sloan und schenkte Bean ein breites Lächeln. Seine Augen waren groß und hübsch und Bean konnte so viele Dinge in ihnen schimmern sehen.

Bitte flirte nicht mit mir