Sons of Silence - Chapter 1 - Lilli Hazel - E-Book

Sons of Silence - Chapter 1 E-Book

Lilli Hazel

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Beschreibung

Nichts als flirrende Hitze und karge Wüstenlandschaften warten auf Emma, als sie nach Southlands kommt.  In die Stadt, in der ihr Vater das Oberhaupt der Eagle Eyes, dem ansässigen Motorradclub, ist. Als sie nach einer Party morgens im Clubhaus der rivalisierenden Sons of Silence aufwacht, wird ihr schnell klar, dass der Aufenthalt in Southlands nicht so friedlich verlaufen wird, wie sie es sich gewünscht hätte. Emma ist nicht viel mehr als eine Schachfigur im Krieg ihres eigenen Vaters, und sie steht vor der Wahl zwischen Freund, Feind und Familie. "Man sagt, dass Schwalben ein Symbol für Glück und Hoffnung sind. Wenn du in meiner Nähe bist, dann spüre ich beides endlich wieder."   Der Beginn der gefährlichen Biker-Saga voller Geheimnisse, Machtspiele und verbotener Gefühle.  

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Seitenzahl: 380

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sons of Silence

Chapter 1

Lilli Hazel

Inhalt

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Vier Wochen später

Biker-ABC

Danksagung

Autorenvita

Playlist

Widmung

Dieses Buch ist für alle,

die auf der Suche nach einem Zuhause sind.

Und für meinen Mann, der mir gezeigt hat, wo meins ist.

Kapitel1

Emma

Gut dreieinhalb Stunden Fahrt zu einer unmenschlichen Uhrzeit liegen hinter mir, als der Zug in den Bahnhof von Southlands einfährt. Sobald sich die Wagontüren öffnen, fliehe ich, mit meinem Gepäck in der Hand, aus dem lauten stickigen Abteil.

Neben mir saßen zwei junge Frauen, vielleicht gerade volljährig, auf dem Weg in ein Mädelswochenende. Die Sektkorken knallten schon um 7 Uhr morgens und ihr Gequatsche und Gekicher hallt wie ein dröhnendes Echo bis jetzt in meinen Ohren nach.

Die große Wanduhr am Gleis zeigt 9:25 Uhr an und die Luft auf dem Bahnsteig ist schwül.

Sofort bereue ich es, mich gegen die kurzen Shorts und für die lange Jeans entschieden zu haben.

Meine Füße bräuchten auch dringend etwas Luft. Gerne würde ich meine weißen Chucks ausziehen und barfuß über den Bahnsteig laufen. Mein Blick bleibt angeekelt auf einem festgetretenen Kaugummi am Boden hängen. Okay, vielleicht nehme ich doch lieber weiterhin qualmende Füße in Kauf.

Verschwitzt streiche ich mir das hellblonde Haar aus der Stirn und schaue mich suchend nach einem Mitglied aus dem Motorradclub meines Vaters um. Die Erwartung meinen Vater höchstpersönlich am Bahnsteig vorzufinden, um seine Tochter zu begrüßen, ist so gering, dass ich allein bei dem Gedanken daran innerlich auflache. Vermutlich wird er Chris und Willy geschickt haben. Die beiden glatzköpfigen Brüder sind Full Member aus dem Club meines Vaters und stets zur Stelle, wenn er sie ruft.

Willkommen im Club.

Willkommen in der Hölle.

Seufzend lasse ich meine verspannten Schultern kreisen.

Die Entscheidung, die Großstadt und meine Mutter für die nächsten Jahre hinter mir zu lassen und stattdessen nach Southlands zu meinem Vater zu ziehen, war nicht einfach. Auf eine verdrehte Art und Weise liebe ich die karge Wüstenlandschaft mit seinen orangenen rauen Felsen und den vielen Kakteen am Straßenrand zwar, aber der Gedanke drei Stunden entfernt von meiner Mum zu leben, bereitet mir Bauchschmerzen.

Doch man nimmt, was man kriegen kann.

Und in dem Fall sind es Southlands, mein Vater und ein Studium in Kunstgeschichte und Lyrik.

Weiterhin halte ich Ausschau nach den Männern, die den Befehl bekommen haben, die Tochter des Presidents vom Bahnsteig abzuholen und drehe mich einmal um die eigene Achse.

Denn das bin ich.

Emma, Tochter des Presidents der Eagle Eyes. Ein Motorradclub, der eher für seine Schandtaten als für soziale Projekte bekannt ist.

Unwillkürlich wandern meine Gedanken zum gestrigen Telefonat mit meinem Vater, während ich weiterhin wie bestellt und nicht abgeholt auf dem Bahnsteig stehe.

Das alte Kinderzimmer, im Haus meiner Mutter wirkte viel zu klein und beengt. Es wird Zeit endlich ein eigenes Leben zu führen. Unruhig ging ich auf und ab. Den Blick immer wieder auf mein Gepäck gerichtet, bevor er erneut aus dem Fenster huschte. Zig Mülltonnen, die am Straßenrand aufgereiht waren. Menschen die sich wie bunte Punkte auf dem Gehweg tummelten. Es war schon immer eine Hassliebe, die Großstadt und ich. Mit dem Fuß stieß ich gegen meinen gepackten Koffer, den ich in den letzten fünf Stunden dreimal ein- und wieder ausgeräumt hatte. War es wirklich die richtige Entscheidung nach Southlands zu ziehen und meinen Vater auszunutzen, damit mir der Traum vom Studium erfüllt wird? Denn das tat ich. Ich nutzte meinen Vater gnadenlos aus, um mir mein Studium finanzieren zu lassen, weil ich wusste, dass meine Mutter es sich nicht leisten konnte.

Mein Handy auf dem Bett fing an zu vibrieren.

Wenn man vom Teufel sprach.

„Hey Dad.“

„Hallo Emma. Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich es morgen nicht schaffen werde, dich vom Bahnhof abzuholen.“

Das war nichts Neues für mich.

„Alles klar, kein Problem“, gab ich kleinlaut von mir. „Bekomme ich wenigstens ein selbstgebasteltes Willkommensschild?“, versuchte ich die Stimmung scherzhaft etwas aufzulockern.

„Emma, ich bin gerade wirklich sehr beschäftigt. Es gibt viel zu tun und ich muss schauen, wer sich morgen Zeit freischaufeln kann, um dich abzuholen.“ Das war die typisch unpräzise Wortwahl meines Vaters. Zurückhaltend und zeitgleich ein wenig abweisend. Auf meinen kleinen Scherz ging er gar nicht erst ein.

Zum Glück sah er durchs Handy nicht, wie ich die Augen über seine Bemerkung verdrehte und ernsthaft überlegte meinen Koffer direkt wieder auszupacken.

„Okay. Wir sehen uns dann morgen.“ Resigniert gab ich mich mit den Informationen zufrieden, die ich von meinem Vater bekam. Wieder einmal.

„War das Daniel am Telefon?“ Meine Mum stand im Türrahmen meines Zimmers und sah mich fragend an. Ihre blonden Haare trug sie schulterlang, was ihr Gesicht betonte. Die Nase war schmal und gerade, wie meine eigene. Nur Mums Augen waren strahlend blau, während meine hellbraun mit grünen Sprenkeln darin waren.

„Ja, ein paar letzte Sachen klären für morgen“, antwortete ich ihr. Dass durch das Telefonat rein gar nichts geklärt wurde und ich stattdessen überlegte, meine Pläne nach Southlands zu ziehen wieder verwerfen wollte, verschwieg ich ihr. Sie würde es eh nicht verstehen und ihn in Schutz nehmen. So wie sie es immer tat.

Ich schaute meiner Mum nach, wie sie wieder im Flur verschwand und in dem Moment fehlte sie mir jetzt schon. Sie war das einzige Zuhause, was ich jemals hatte.

Ziemlich verloren stehe ich auf dem mittlerweile leeren Bahnsteig. Wut spült sich durch meine Nervenbahnen und trübt damit den letzten Funken Vorfreude auf die Zeit in Southlands. Irgendjemand muss doch an diesem verdammten Bahnhof auf mich warten. Die Rollen meines schweren Koffers sind nervig laut auf dem kaputten Asphalt, als ich beschließe mich alleine auf den Weg zum Ausgang des Gebäudes zu machen.

Mehrere Schaufenster der vielen kleinen Ladengeschäfte im Inneren des Bahnhofs sind nachlässig mit altem Zeitungspapier zugeklebt und die wenigen Geschäfte, die geöffnet haben, sehen eher nach zwielichtigen Spelunken aus.

Jedes Jahr, wenn ich in den Sommerferien herkam, war es ein Geschäft mehr in diesem Bahnhof, welches seine Türen geschlossen hatte. Ziemlich repräsentativ für die wiederkehrenden, deprimierenden Sommerferien hier, in denen ich vor allem am Anfang, die meiste Zeit mit dem Kindermädchen verbracht habe.

Meine romantisierten Träume von wundervollen Wochen bei meinem Papa, warmen Sommernächten auf dem Clubgelände, wo unter dem klaren Sternenhimmel Lagerfeuer gemacht wurden, während Marshmallows am Stock vor sich hin brutzelten und heiße Kerle in Lederjacken selbstgeschriebene Songs auf alten Gitarren klimperten, sind nie Realität geworden. Leider.

Dann wandern meine Gedanken zu Zoe, der Tochter von Craig, dem Vizepresident der Eagle Eyes. Zu dem Mädchen, das von Anfang an mit ihrer unbändigen Art mein Herz erwärmt und dafür gesorgt hat, mich in Southlands willkommen zu fühlen.

Auch jetzt füllt sich das schlagende Etwas in meiner Brust wieder mit Vorfreude bei dem Gedanken an kitschige Mädelsabende und durchzechte Partynächte. Schon früher habe ich Zoe dafür bewundert, dass sie auf jede Meinung scheißt und das nicht nur, weil sie sich ihre dunklen Haare an den Spitzen pink färbt.

Kurze Erinnerungsblitze schießen durch meinen Kopf. Diese Stadt bringt viele unterdrückte Gefühle zurück an die Oberfläche. Viele gute, aber auch viele schmerzhafte. Meine Gedanken wandern zu Tyler und ich kann nicht einordnen, zu welchen ich ihn zähle. Er war der damalige Hangaround meines Vaters, sah verdammt gut aus und hat mir jede Ferien schöne Augen gemacht. Oder ich ihm, wie man es nimmt. Fünf Jahre ist es her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Und geküsst, fügt eine fiese Stimme in meinem Kopf hinzu.

Es war kurz nach Mitternacht, als ich das vertraute Klirren hörte, das der Stein verursachte, den Tyler an mein Fenster warf.

Im Vorbeigehen schnappte ich mir meine Jeansjacke vom Schreibtischstuhl und öffnete leise das Fenster, um mich hindurch zu quetschen.

Von da aus konnte ich leicht auf die Flachdachgarage springen und danach hinunter auf die Auffahrt, auf der Tyler schon auf mich wartete.

„Hey Emma“, flüsterte Besagter leise an mein Ohr und nahm meine Hand, um mich vom Grundstück meines Vaters wegzuführen. Viel zu groß war die Gefahr hier erwischt zu werden.

Keine 200 Meter entfernt stand eine große Villa, die gerade mitten im Bau war.

Betreten der Baustelle verboten

Wir ignorierten das Schild gekonnt, wie auch schon die letzten drei Abende zuvor und gingen die Treppe hoch, Richtung Schlafzimmer und von dort aus auf die Dachterrasse.

Bevor ich mich überhaupt setzen konnte, zog Tyler mich in seine Arme und ich nahm den mittlerweile liebgewonnen Duft von Motoröl wahr, den er versuchte mit viel zu viel Parfum zu übertünchen. Unsere Lippen fanden relativ schnell zueinander und aus den anfangs eher vorsichtigen Küssen wurde eine wilde Knutscherei. Genauso aufregend hatte ich mir meine Sommerferien vorgestellt, tagsüber mit Zoe am Pool chillen und nachts heimliche Küsse mit Tyler unter dem Sternenhimmel austauschen.

Schon vor unserem ersten Treffen wusste ich, dass Tyler ein Auge auf mich geworfen hatte. Nicht nur seine Blicke waren eindeutig. Laut Zoe war Tyler total verknallt in mich.

Ob er wirklich verknallt in mich war oder nur verknallt in die Chance, etwas mit der Tochter vom Boss zu haben, wagte ich zu bezweifeln.

Aber ich spielte sein Spiel mit, denn küssen konnte der Kerl auf jeden Fall verdammt gut.

Ich trete aus dem heruntergekommenen Bahnhofsgebäude in die schwüle Luft und muss die Augen zusammenkneifen, um in der stechenden Mittagssonne dort draußen überhaupt etwas sehen zu können.

„Willkommen in Southlands, Emma“, höre ich eine tiefe Stimme und drehe mich erschrocken in die Richtung, aus der ich sie vermute.

Dort steht Tyler, angelehnt an seine glänzend schwarze Harley und schnippt eine angefangene Zigarette lässig zur Seite.

Kapitel2

Emma

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass Tyler genauso heiß aussieht, wie damals.

Etwas männlicher, mit mehr Bart und seine Haare sind einen Tick dunkler.

Seine blauen Augen mustern mich eingehend und ich fühle mich direkt unbehaglich.

„War das vor fünf Jahren auch schon so warm hier?“, versuche ich die angespannte Situation aufzulockern, aber Smalltalk war nie wirklich mein Ding. Über das Wetter zu reden fühlt sich nach einer sicheren Lösung an. Tyler nimmt meinen lächerlichen Versuch Konversation zu betreiben mit einem Lippenkräuseln zur Kenntnis.

Der Schweiß perlt sich auf meiner Oberlippe und ich kann die erfrischende Dusche in meinem neuen Zuhause kaum erwarten.

„Wie wärs mit einem Hallo, anstatt einer Beschwerde? Bis zum Hochsommer sind es noch anderthalb Monate, Schätzchen“, begrüßt Tyler mich und zieht mich in eine steife Umarmung. Er riecht genau wie früher. Nach einer Mischung aus Motoröl und herbem, aufdringlichem Männerparfum.

„Schätzchen?“, frage ich ihn mit hochgezogener Augenbraue und kann nicht genau einordnen, was ich von dieser neuen, aufdringlichen Tyler Version halten soll.

Er übergeht meine Nachfrage kommentarlos und schnappt sich meinen Koffer, um ihn in einem Beiwagen unterzubringen.

„Sitzt da sonst dein Schoßhündchen drin?“, frage ich ihn provozierend und nicke auf den kleinen Wagen, der seitlich an seinem Motorrad angebracht ist.

„Naja, irgendwie muss ich dein Gepäck ja mitkriegen und ich glaube kaum, dass du Lust hast das schwere Ding wie einen Tonkrug voll Wasser auf deinem Kopf zu balancieren“, gibt er grinsend zurück. Touché, Tyler. Während ich hinter ihm auf seine Maschine steige, bete ich inständig, dass sein Fahrstil mittlerweile etwas vernünftiger geworden ist. Drei Kreuze, wenn wir die Fahrt zum Clubhaus unbeschadet überstehen.

Die karge Landschaft Southlands zieht an uns vorbei. Wir lassen die Innenstadt hinter uns, während die nächste halbe Stunde bis zum Quartier meines Vaters gezwungenes Schweigen herrscht. Meterhohe Kakteen säumen den Straßenrand. Bis auf wenige Fahrzeuge, die uns entgegenkommen, ist es auch draußen still.

Mir wird einmal mehr bewusst, wie sehr mir die wüstenähnlichen Begebenheiten hier gefehlt haben. Mit einem kühlen Pool im Garten wird auch die surrende Hitze erträglich für mich.

Auf dem Grundstück meines Vaters befindet sich ein 10x3m großer Pool, an dem ich in den Ferien tagelang faul auf einer Liege lag und mir von Zoe den neuesten Klatsch aus Southlands angehört habe.

Hoffentlich darf ich den Luxus von einem eigenen Pool im Garten auch in meiner neuen Bleibe genießen, damit ich mich nicht durch den Hochsommer schwitzen muss.

Die Frage, wie weit mein Weg zur Uni sein wird, schwirrt ebenfalls in meinem Kopf rum. Leider kann ich mir kaum vorstellen, dass mein Vater mich weit entfernt von sich und seinen Leuten unterbringen wird.

Was meine Sicherheit angeht, war er schon immer fast krankhaft besessen von der Sorge, dass mir etwas passieren könnte. Ob er mit seinem ausgeprägten Beschützerinstinkt seine väterlichen Gefühle ausdrücken wollte oder ob es daran lag, dass er über alles und jeden die Kontrolle behalten will, habe ich bis jetzt nicht herausgefunden. Meine Tendenz neigt jedoch zu letzterem.

Wenn ich nach Southlands kam, sorgte er dafür, dass ich stets unter Beobachtung war. Ein Eagle an jeder Seite.

In jungen Jahren hat mir dieses Verhalten nicht sonderlich viel ausgemacht, ich war zu naiv, um zu verstehen, was vor sich ging und hatte trotz allem meinen Spaß. Im Nachhinein fühlte ich mich jedoch wie ein kleiner Vogel in einem Käfig. Eingesperrt, um nicht wegzufliegen. Jede Rückkehr aus Southlands war ein Befreiungsschlag und trotzdem kehre ich nun freiwillig hierher zurück.

Mit 23 Jahren Lebenserfahrung und als eigenständige Frau, habe ich keine Lust, mir weiterhin von Papi und seinen Handlangern den Hintern abwischen zu lassen. Um das Geld für den Lebensunterhalt nicht erst während des Studiums verdienen zu müssen oder noch mehr Geld von Big D. anzunehmen, habe ich den Semesterstart drei Jahre nach hinten verlegt und nach der Schule ein paar Jahre in einem Café gejobbt. Nun habe ich so viel Geld zusammen, dass ich mir keine Gedanken über Lebensmittel oder Handy Rechnungen machen muss. Einzig die Semestergebühren lasse ich mir von meinem Vater bezahlen und ich kann mich voll und ganz auf Lyrik und Kunstgeschichte konzentrieren.

Tyler fährt auf den Hinterhof des Clubhauses. In der Hoffnung etwas frische Luft einzuatmen, klappe ich mein Visier hoch. Stickiger Wüstenwind schlägt mir entgegen.

Welcome Home, Emma.

Mein Blick scannt die Umgebung, mir fällt jedoch nichts Ungewöhnliches auf. Es scheint alles zu sein, wie ich es zurückgelassen habe.

Auf dem Clubgelände der Eagles stehen verblichene, abgeranzte Wellblechgebäude. Der Gesamteindruck wirkt ziemlich heruntergekommen und unscheinbar. Man würde im ersten Moment nicht auf die Idee kommen, was sich dort hinter verschlossenen Türen abspielt. Aber da die Polizei von Southlands wahrscheinlich eh von meinem Vater bezahlt wird, werfen die keinen genaueren Blick hinter die marode Fassade. Eine Hand wäscht die andere.

Mindestens 15 Harleys stehen dort geparkt, sowie ein nagelneu aussehender, mattschwarzer Truck. Zwar halte ich nicht viel von diesem Motorradclub, weil mich das diktatorische Getue die Augen verdrehen lässt und mich die dadurch entstandene Arschkriecherei anekelt, aber Motorräder an sich lösen schon seit jeher eine seltsame Faszination in mir aus. Das knatternde Röhren des Motors, der Geruch nach Öl, Benzin und Abgasen, das glänzende Chrom der Auspuffanlagen, zu Hochglanz poliert, und der Duft nach grenzenloser Freiheit. All das verbinde ich mit Southlands, Zoe und den Eagles, aber zeitgleich auch mit meinem Vater. Den bitteren Geschmack, den der Gedanke an meinen Vater auf meiner Zunge hinterlässt, würde ich gerne mit einem Schluck kühlem Wasser hinunterspülen.

Das riesige Tor zur Werkstatt ist halb geöffnet, trotzdem kann man die Einschusslöcher im oberen Teil des Tors noch sehen. Es ist nicht nur der Eingang der Werkstatt, sondern auch der inoffizielle Zutritt zum Clubhaus. Tyler geht mit meinem Koffer im Schlepptau voraus. Er lehnt sich an einen rostigen Truck und spricht mit einem anderen Member, dessen ölverschmierte Hände vorgeben irgendwo an der Motorhaube zu schrauben. In Wirklichkeit flirtet er hemmungslos mit zwei Frauen, die sich im Schatten der angehenden Mittagssonne verstecken.

Beide blond, beide super schlank und beide extrem nuttig.

Gehört anscheinend zum guten Ton, wenn man ein cooler Biker sein möchte. Tylers raues Lachen dringt zu mir und ich sehe, wie er einer der Barbies einen Klaps auf den Hintern gibt, weil sie anscheinend etwas sehr Witziges von sich gegeben hat. Sie gackert los, wie ein aufgescheuchtes Huhn kurz vor dem Brüten.

Erstaunt und auch leicht angeekelt beobachte ich die Situation, die sich vor mir abspielt, bis Tyler sich losreißen kann und zu mir kommt.

„Big D. ist in seinem Büro“, lässt er mich wissen, fischt eine abgegrabbelte Schachtel Zigaretten aus seiner Hosentasche und hält sie mir fragend vor die Nase. Dankend lehne ich ab. Tyler zuckt mit den Schultern und läuft vor in Richtung Clubhaus.

Überfordert mit der Situation, weil ich sein Verhalten nicht einschätzen kann und weiß, dass wir unter Beobachtung stehen, folge ich ihm wortlos.

Mittlerweile trägt er eine Kutte und hat sich vom Hangaround, zum Prospect und nun zum richtigen Member hochgearbeitet, wie man an seinem großen Patch auf dem Rücken unschwer erkennen kann.

Ein weiterer treuer Gefolgsmann meines Vaters.

„Dann werde ich mal reingehen, mein Vater erwartet mich mittlerweile wahrscheinlich. Wir sehen uns, Tyler.“

Die Situation zwischen uns ist unangenehm und ich bin froh, eine Ausrede zu haben, um dem angespannten Schweigen entkommen zu können.

Ich gehe durch das große Tor der Werkstatt, vorbei an den beiden blonden Weibern, die mich mehr als kritisch beäugen und laufe die Stufen nach oben zum Büro meines Vaters.

Dreimal klopfe ich fest gegen die doppelflügelige Tür, auf der ebenfalls der braun-weiße Adler mit ausgebreiteten Schwingen zu sehen ist, umgeben von großen, rostigen Nieten, die ringsum in die Holztür getackert sind.

„Ja“, höre ich die laute Stimme meines Vaters, atme einmal tief durch und drücke die Klinke runter.

Kapitel3

Emma

„Hi Dad.“ Meine Stimme klingt aufgesetzt fröhlich. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich mir tatsächlich selber glauben, dass ich mich darüber freue, ihn zu sehen.

Er sitzt an seinem riesigen Schreibtisch, den Blick auf etliche Papierstapel gesenkt und hält es anscheinend nicht für nötig mich anzuschauen. Der Raum riecht wie in den Jahren zuvor. Nach einer Mischung aus abgestandenem Zigarrenrauch, seinem holzigen Aftershave, welches andauernd leicht in meiner Nase brennt, und Zimtkaugummis. Der große Safe, in dem sich eine Menge Bargeld und Waffen befinden, steht rechts hinter ihm und nimmt einen Großteil der Wand ein.

Als kleines Mädchen habe ich zufällig mal einen Blick in den Tresor geworfen und würde diesen Moment bis heute gerne rückgängig machen.

„Oh, du bist schon da Emma? Ich habe erst gegen Abend mit dir gerechnet.“ Er schaut endlich auf und sein Blick streift meinen. Ein, für seine Verhältnisse, warmes Lächeln umspielt seine Lippen.

Er wusste, dass ich um diese Uhrzeit ankomme, weil er selbst jemanden geschickt hat, um mich abzuholen, aber ich unterstütze seinen lächerlichen Smalltalk Versuch.

„Ja, der Zug war sehr pünktlich.“

„Schön, das freut mich.“ Er steht auf und kommt zu mir, um mich in eine etwas unbeholfene Umarmung zu ziehen und mir mit seinen großen schweren Händen auf die Schulter zu klopfen.

Brav, Töchterchen.

Ich erwidere seine Umarmung genauso halbherzig.

Okay, let´s play the game.

Liebe und Zuneigung kennt man anscheinend nicht, wenn man ein harter Rocker und Motorradclubboss ist. Früh habe ich gelernt mich mit dem zufrieden zu geben, was er mir entgegenbringt.

Trotz der fünf Jahre, die zwischen unserem letzten Treffen liegen, weckt der Geruch nach dem Leder seiner Kutte weitere Erinnerungen. Ausgerechnet der Stoff, der Schutz verspricht, mir aber immer verwehrt wurde. In den Arm genommen werden, Wärme und Sicherheit verspüren. Dinge, die ich nie von meinem Dad erfahren habe und die mich einmal mehr an meiner Entscheidung herzukommen, zweifeln lassen.

Draußen regnete es wie aus Eimern und helle Blitze und Donnergrollen erschütterten den Nachthimmel. Mit meinem kurzen Pyjama und nackten Füßen, schälte ich mich aus meiner rosa Herzchen Bettwäsche, um aus meinem Zimmer zu schleichen. Ich hatte panische Angst vor Gewitter. Zitternd lief ich über den kalten Fußboden, damit ich Trost bei meiner Mama fand. Die Uhr lesen konnte ich noch nicht, weshalb ich nicht abschätzen konnte, ob Mama bereits schlief oder auf der Couch saß und ihre Lieblingssendung schaute.

Im Wohnzimmer war alles dunkel, also schlich ich weiter Richtung Schlafzimmer und freute mich darauf gleich unter die warme Decke meiner Mama zu schlüpfen.

Leise Stimmen drangen an mein Ohr und ich hielt inne. Sie telefonierte.

„Daniel, ich möchte doch nur, dass du euch eine Chance gibst. Sie hat es verdient, dass sie dich kennenlernt. Ihren Vater. Bitte.“

Die Antwort meines Vaters hörte ich klar und deutlich. Bis heute schwirrt sie in meinem Kopf rum.

„Wir haben uns doch kennengelernt. Reicht das nicht? Ich möchte euch nicht unnötig in Gefahr bringen. Sie hat hier nichts zu suchen, lass sie zuhause. Sie gehört nicht in diese Welt voller Gewalt.“

Keine Ahnung, was mein Dad damit meinte. Hasste mich mein Vater so sehr, dass er mich nicht bei sich haben wollte?

Gekränkt durch seine harschen Worte, die ich am Telefon mit anhören musste und die Zurückweisung, die für mein kleines Herz zu viel waren, schlich ich ängstlich zurück in mein Zimmer und verkroch mich wieder in meinem mittlerweile kalten Bett. Das Unwetter draußen wütete weiter, aber die Gefühle in meinem kleinen 5-jährigen Ich waren so laut, dass sie jedes Gewitter der Welt übertünchen würden.

Den Kloß in meinem Hals und den leeren Platz in meinem Herzen, den mein Vater leider nie gefüllt hat, versuche ich zu überspielen, in dem ich vorgebe zu Gähnen.

„Ich weiß, dass ich gerade erst angekommen bin, aber ich wäre wirklich froh über eine Dusche und etwas Ruhe“, gebe ich kleinlaut preis und hoffe inständig, dass er den Wink versteht und mir sagt, dass Chris und Willy mich zu meiner Wohnung bringen.

„Na klar, ich sage Tyler Bescheid, dass er dir alles zeigen soll. Der Truck unten im Hof ist übrigens deiner. Ein Auto wirst du gut gebrauchen können, da die Uni ein paar Kilometer entfernt ist und du sicherlich keine Lust hast jeden Tag von einem meiner Männer begleitet zu werden.“

Erstaunt, fast schon ungläubig, sehe ich meinen Vater an und kann mein Glück kaum fassen. Vielleicht wird mein Start hier doch nicht so schlecht. Durch seine Worte wird mir eine klitzekleine Last von den Schultern genommen und mein Atem fühlt sich ein Stück befreiter an.

„Ähm danke. Das ist wirklich sehr nett“, bringe ich mühsam hervor.

Langsam drehe ich mich um und gehe in Richtung Tür.

Für den Moment verdränge ich den Gedanken, dass Tyler mich gleich fahren wird. Die beiden Glatzköpfe wären mir lieber gewesen. Zu meiner Erleichterung scheint es zumindest so, als wenn die kleine Liebelei damals zwischen uns geheim geblieben ist und ich werde alles daran setzen, dass dem so bleibt.

Kurz bevor ich die Klinke runterdrücke, höre ich ein tiefes Räuspern.

„Emma?“

Sofort stoppe ich in meiner Bewegung und warte auf seine nächsten Worte.

Fehlanzeige.

Mein Blick wandert zu ihm, doch er widmet sich längst wieder seinem Papierstapel auf dem Schreibtisch. Ich seufze.

„Was ist denn, Dad?“, frage ich ihn.

„Der Autoschlüssel liegt rechts neben der Tür.“

Natürlich, was sonst.

Mein blödes Herz spürt einen dumpfen Stich. Nach all den Jahren hat es auch jetzt noch auf ein „Schön, dass du da bist“ gewartet.

Kapitel4

Emma

Tyler wartet unten auf mich. Big D. scheint ihm Bescheid gegeben zu haben, was seine nächste Aufgabe ist. Ein Pfiff und seine Schoßhündchen gehorchen. Er hat mir wie selbstverständlich die Schlüssel von meinem Truck aus der Hand genommen und läuft vor mir her zu meinem neuen Auto. Wie selbstverständlich steigt er auf der Fahrerseite ein und ich spüre einen Anflug von Wut. Ist eine Frau nicht selbst in der Lage ein Auto zu fahren?

Doch meine Müdigkeit hindert mich an einer Gegenwehr. Widerstandslos steige ich auf der Beifahrerseite ein und lasse meinen Gurt lautstark im Gurtschloss einrasten.

Auf der Fahrt zu meinem neuen Zuhause, in dem ich die nächsten drei Jahre wohnen werde, herrscht angespanntes Schweigen.

„Wie geht’s dir, Tyler? Danke noch mal, dass du mich vorhin abgeholt hast“, versuche ich das Gespräch in Gang zu bringen und schaue ihn erwartungsvoll an.

„Gerne Emma. Mir geht’s sehr gut und dir? Ich bin mittlerweile Full Member“, erwidert er stolz und dreht seinen Rücken, soweit er das bei der Fahrt hinbekommt, zu mir, damit ich das Colour auf seiner Kutte bestaunen kann. Den großen Adler unter dem Schriftzug Eagle Eyes MC.

„Habs schon gesehen. Freut mich wirklich für dich, Tyler“, sage ich wenig enthusiastisch. Unser Gespräch ist stockend und die Gegenfrage nach meinem Befinden scheint eine reine Höflichkeitsfloskel zu sein. Vermutlich interessiert ihn die Antwort darauf nicht wirklich.

Bis heute weiß ich nicht genau, in welche Verbrechen und Gefahren mein Vater und seine Männer verstrickt sind. Die Bedeutung des Aufnähers Expect No Mercy hingegen, welcher ebenfalls vorne auf seine Kutte genäht ist, kenne ich.

Erwarte keine Gnade. Der Patch, der für viele wahrscheinlich nur einen reißerischen Spruch darstellt, bedeutet für die Leute eines MC´s Ehre. Ein Mitglied bekommt ihn nur verliehen, wenn er aufgrund eines Mordes oder einer anderen schweren Straftat, die er für den Club ausgeführt hat, ein strafrechtliches Verfahren hatte. Ich mustere Tyler mit besorgtem Blick und schlucke schwer. Hoffentlich war er in keinen Mord verstrickt. Den heutigen Tyler kann ich bisher nicht einschätzen, doch mein Gefühl sagt mir, dass er den Aufnäher mit Stolz trägt. Dadurch will er sich noch mehr Ansehen und Respekt verschaffen.

„Danke Emma! Die Wohnung, die dein Vater für dich besorgt hat, ist übrigens der Wahnsinn. Es ist eher ein kleiner Bungalow mit drei Zimmern, eigenem Pool im Garten und einer Eiswürfelmaschine in der Küche.“

„Super, ich bin gespannt.“ Diese Antwort kommt ebenfalls müde über meine Lippen.

Tyler versucht mich etwas zu enthusiastisch von dem angeblich Guten Willen meines Vaters zu überzeugen. Es wirkt für mich aufgesetzt und arschkriecherisch. Vielleicht habe ich auch einfach nur Angst davor, sehen zu müssen, wie ich kläglich gescheitert bin an dieser Aufgabe, meinem Vater alles recht zu machen und jemand anderes dadurch seine Aufmerksamkeit bekommt.

Unwillkürlich muss ich an die cognacfarbenen Lederstiefel in der hintersten Ecke meines Kleiderschranks denken und bedauere insgeheim, dass sie dort liegen. Mittlerweile sind sie mir sicher zu klein geworden.

Damals dachte ich, dass ich nur dann Daddys kleines Mädchen bin, wenn ich ebenfalls in coolen Lederstiefeln rumlaufe, wie die ganzen Frauen, die zum Club gehören. Meine Mum musste sich wochenlang mein Gebettel anhören, mir welche zu kaufen, bis sie nachgegeben hatte.

Darauf habe ich meinen Vater nur zweimal zum Essen gesehen und beide Male hatte ich die Stiefel natürlich nicht an. Zurück zu Hause, habe ich mir die Stiefel von den Füßen gerissen und in den Tiefen meines Kleiderschranks versteckt. Unter der zu kleinen Winterjacke vom letzten Jahr und einem Ordner alter Schulsachen.

Aus den Augen, aus dem Sinn.

Hat leider nicht ganz so gut geklappt.

Während der Fahrt bemerke ich, wie Tyler mir immer wieder einen prüfenden Seitenblick zuwirft. Er kommt mir verändert vor. Härter und arroganter. Keine Spur mehr von dem lockeren Sommerflirt, der nachts Steine an mein Fenster geworfen und mir verbotene Orte gezeigt hat.

Mir soll´s recht sein. Nie wieder werde ich etwas mit einem Kerl aus den Kreisen meines Vaters anzufangen, habe ich mir geschworen. Dieses ganze „Wir sind Brüder bis in den Tod“ Thema ist ehrlich gesagt sehr befremdlich für mich und umso glücklicher bin ich, dass mein Häuschen abseits des Clubhauses ist, damit mir hoffentlich ein bisschen Ruhe vergönnt ist.

Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Big D. mich unbewacht dort wohnen lässt. Irgendeinen Haken muss es geben.

Keine 15 Minuten später parkt Tyler meinen neuen Truck vor einem tollen Bungalow, der nicht nur super modern aussieht, sondern echt Charme hat, mit seinen Palmen im Vorgarten und den blühenden Ziersträuchern. Es hat ein bisschen was von einer kleinen toskanischen Villa und ich bin tatsächlich beeindruckt.

„Wow“, gebe ich ungern zu und sehe mich staunend um.

Ich mache die Tür des Trucks auf und klettere die Stufe runter auf den Asphalt vor meinem neuen Zuhause. Tyler hievt meinen Koffer von der Ladefläche und kommt zu mir.

„Big D. freut sich wirklich sehr, dass du hier bist. Eigentlich darf ich darüber kein Wort verlieren, aber wir haben momentan etwas Stress mit einem verfeindeten Club die machen Ärger an der nördlichen Grenze. Deswegen werden täglich ein bis zwei Leute zu deinem Schutz abgestellt sein. Sie werden vor dem Haus Wache halten und dich zur Uni begleiten. Aber keine Sorge, innerhalb der Mauern der Uni lassen wir dich in Frieden. Dein Vater dachte sich schon, dass du nicht begeistert sein wirst.“

Seine letzten beiden Sätze schiebt er eilig hinterher, als er meinen fassungslosen Blick sieht. So viel dazu, dass ich seine Männer nicht ständig um mich hätte und selbst zur Uni fahren dürfte.

Tyler streckt seinen Arm aus und greift sich meine Hand. Bevor ich diese, erschrocken durch die Berührung, zurückziehen kann, lässt er etwas hineinfallen.

„Das sind deine Schlüssel für das Haus und dies sind die Schlüssel für deinen Truck. Wenn du irgendwas brauchst, dann sag mir Bescheid. Im Haus liegt ein neues Handy für dich, in dem alle unsere Nummern eingespeichert sind und der Kühlschrank wurde gestern extra gefüllt.“ Ich nicke und höre nur mit einem Ohr hin, was er mir sagt. Stattdessen betrachte ich die säulenförmigen Fichten in den riesigen Ziertöpfen rechts und links neben der Haustür. Hoffentlich muss man diese Pflanzen nicht allzu häufig gießen. Mein grüner Daumen ist leider nicht besonders stark ausgeprägt.

„Schön, dass du hier bist, Emma. Vielleicht können wir da anknüpfen, wo wir vor fünf Jahren aufgehört haben. Ich habe deinen Vater gefragt, ob ich dich mal zum Essen ausführen darf.“ Stolz und ziemlich besitzergreifend schaut er mich an, tätschelt mir wie einem kleinen Kind den Arm und holt mich damit aus meinen Gedanken.

Mir läuft ein Schauer des Ekels über den Rücken. Ist das sein Ernst? Er fragt meinen Vater um Erlaubnis für ein Date mit mir?

Ungläubig, dass der Typ vor mir der gleiche ist, mit dem ich vor fünf Jahren knutschend auf der Dachterrasse saß, schaue ich ihn an.

„Das ist alles sehr lieb von dir, Tyler. Aber ich bin hier, um mich auf mein Studium zu konzentrieren und da kann ich jegliche Form von Ablenkung echt nicht gebrauchen.“ Inständig hoffe ich, dass er mir die Ausrede abkauft und nun schnell von hier verschwindet, damit ich meine Ruhe habe. Meine gesamte Körperhaltung ihm gegenüber könnte nicht abweisender sein, aber er steht für meinen Geschmack immer noch etwas zu nah vor mir.

Sein Blick verhärtet sich und ich kann sehen, dass er gekränkt ist von meiner Zurückweisung.

„Komm erstmal in Ruhe an, Emma. Pack deinen Koffer aus, schaue dich in Ruhe um und dann reden wir über alles.“ Tylers Stimme ist eine Spur kühler und der arrogante Unterton nervt mich. Die Lippen fest zusammengepresst, versuche ich mir zu verkneifen, dass ich nicht noch mal mit ihm über alles reden muss. Zustimmend nicke ich stattdessen nur, damit er endlich geht und ich keine Diskussion mit ihm vom Zaun brechen muss.

Sein Handy piept und er holt es aus seiner Hosentasche, um einen kurzen Blick drauf zu werfen.

„Die Jungs sind gleich da. Beim nächsten Schichtwechsel bin ich wieder hier. Bis dann, Emma!“ Seine Worte hören sich in meinen Ohren eher nach einer Drohung an. Tyler verschwindet aus meinem Blickfeld und ich atme tief durch.

Mit dem Haustürschlüssel, den ich so fest in meiner Hand zerdrückt habe, dass er Abdrücke hinterlassen hat, gehe ich zur Haustür und schließe auf. Gespannt, was mich im Inneren erwarten wird, trete ich ein und bin positiv überrascht.

Meine Augen scannen den großen Eingangsbereich, der zu meinem neuen Zuhause gehört. Alles wirkt etwas kühl. Die Wände und die Möbel sind schlicht und modern.

Es fehlen ein paar eigene Bilder an den Wänden und frische Blumen in der leeren Vase auf der Kommode. Vergiss nicht, wer dieses Haus für dich ausgesucht hat, Emma. Und dafür kann ich echt zufrieden sein.

Der großzügige Wohn-und Essbereich ist offen und hell, auf der Kochinsel steht ein großer gefüllter Obstkorb und das leere Bücherregal, schräg gegenüber vom Sofa, lässt mein Herz höherschlagen.

Hoffentlich kann man in der Innenstadt von Southlands vernünftig Bücher shoppen, damit diese Regale schnell gefüllt werden. Meine eigenen mussten leider bei meiner Mum bleiben, die hätten den Koffer gesprengt.

Staunend laufe ich weiter durch mein neues Zuhause und erkunde das geräumige Badezimmer mit einer Whirlpool Badewanne und das Schlafzimmer mit angrenzender Ankleide, die ein absoluter Traum ist. Alles schreit nach schickem Hotelcharme oder Musterhaus, ohne persönliche Note, aber ich werde es mir hier schon gemütlich machen.

Bevor ich nach draußen gehe und mir anschaue, was der Garten zu bieten hat, ist es endlich an der Zeit für eine Dusche, um mir den Schweiß der letzten Stunden abzuwaschen. Meine Klamotten, die ich mir vom Körper streife, lasse ich unordentlich auf den grauen Fliesen liegen und laufe in die große ebenerdige Dusche.

Die ersten kühlen Wasserstrahlen treffen meine aufgeheizte Haut und ich seufze genüsslich auf. Eine Abkühlung nach einem langen, heißen und verschwitzten Tag, fühlt sich herrlich an.

Es ist noch etwas mehr als eine Woche bis zum Beginn des Unistarts und meine Aufregung steigt langsam, wenn ich an die bevorstehende Zeit denke. Eigentlich war ich schon immer ein recht offener Mensch und konnte in der Vergangenheit schnell Anschluss finden. Neue Leute kennenlernen und Freunde finden sollte kein Problem darstellen. Selbst das Lernen fiel mir sehr leicht, weshalb ich mich nicht sorgen müsste, aber aus irgendeinem Grund bereitet mir der Gedanke an die Uni trotz allem ein wenig Bauchschmerzen. Erst recht, wenn ich dauerhaft in Begleitung meiner ganz persönlichen Wachhunde bin.

Ich stelle die Dusche ab und nehme mir eins der weichen Handtücher aus dem Regal, um mich abzutrocknen. Es duftet nach frischem Waschmittel. Gut, aber fremd.

Aus dem großen Spiegel blickt mir eine kurvige Frau mit schlanker Taille und langen Beinen entgegen. Meine nassen hellblonden Haare fallen mir bis über die vollen Brüste und die eigentlich hellbraunen Augen sehen in der Nachmittagssonne von Southlands eher grün aus in meinem sonnengeküssten Gesicht.

Wie jedes Jahr im Sommer zieren viele kleine Sommersprossen meine Nase und mittlerweile habe ich diese lieben gelernt, sodass ich sie nicht mehr überschminke, um sie zu verstecken.

„Du schaffst das hier, Emma. Du schaffst alles, was du dir vornimmst“, spreche ich mir mein tägliches Mantra vor und füge das hinzu, was Zoe mir in diesem Moment sagen würde: „Außerdem bist du klug, freundlich und verdammt heiß. Hab Spaß und genieß die Zeit, ohne dir zu viele Gedanken zu machen. Go for it, Girl!“

Mein Spiegelbild lacht mir verschmitzt entgegen, etwas verwundert über diesen kleinen Gefühlsausbruch der Wertschätzung und Selbstliebe.

Kapitel5

Emma

Warme Sonnenstrahlen wecken mich nach meiner ersten Nacht im neuen Haus und noch ziemlich verschlafen strecke ich meine müden Glieder.

Mein zu schnelles Aufsetzen wird direkt mit einem fiesen Stechen in meinem Kopf bestraft.

Das letzte Glas Wein gestern hätte ich mir wohl sparen können.

Nachdem ich mich frisch geduscht an das Auspacken meiner Sachen gemacht habe und danach erschöpft aufs Sofa gefallen bin, überkam mich ein kleiner Anflug von Einsamkeit und Angst.

Die SMS meiner Mutter konnte mich da auch nicht wirklich aufmuntern.

Hey mein Liebling,

es freut mich, dass Daniel dir so eine schöne Unterkunft besorgt hat. Die Bilder sehen traumhaft aus und vielleicht werde ich dich doch mal besuchen, um mir alles selbst anzuschauen.

Du fehlst hier zuhause sehr, aber ich weiß, dass du so hart gearbeitet hast, um dir den Traum vom Studium zu erfüllen. Also halte durch und nimm dir das Verhalten von deinem Vater nicht allzu sehr zu Herzen.

Ich habe dich sehr lieb

Deine Mama

Gestern dachte ich, die Flasche Grauburgunder im Kühlschrank würde meine angespannten Nerven etwas lockern und die negativen Gedanken vertreiben. Das hat sie auch. Die Nebenwirkungen davon, die ich am Tag zuvor verdrängt habe, sind nun leider nicht ganz so angenehm. Hinterher ist man immer schlauer.

Nach dem Frühstück habe ich mir vorgenommen, die Stadt von Southlands zu erkunden und ein paar Schätzchen für mein leeres Bücherregal zu kaufen. Einige luftige Klamotten können auch nicht schaden bei dieser unerträglichen Hitze und Dekoration für mein zu steriles Haus fehlt ebenfalls.

Das schreit regelrecht nach einer großen Shoppingtour.

Mit Schwung ziehe ich die schweren Vorhänge in meinem Schlafzimmer zur Seite und reiße das Fenster auf. Ein Schwall warmer Luft kommt mir entgegen, was für heute einen ultra heißen Tag verspricht. Ich liebe die Wärme, die staubige Wüstenluft, aber viel lieber ist mir die Abkühlung danach.

Von Weitem höre ich das Röhren eines Motorrads und schaue aus dem Fenster. Tyler kommt die Straße entlanggefahren, parkt vor dem Haus und löst einen anderen Member von seiner Nachtwache ab. Er hat sein Wort leider gehalten.

Genervt seufze ich auf und gehe in meinen Ankleideraum, um mich für die anstehende Shoppingtour fertig zu machen.

Das luftige Sommerkleid in einem unaufdringlichen Grünton ist mir bei meinem letzten Stadtbummel direkt ins Auge gesprungen. Mit seinen Spaghettiträgern, den weißen Blümchen und dem leichten Stoff, kombiniert mit feinen Riemchensandalen, ist es das perfekte Outfit für so einen heißen Tag wie heute.

Meine langen Haare lasse ich halboffen, wobei ich die obere Partie in einen kleinen Messybun drehe und dann in die offenen Haare auf jeder Seite einen feinen Zopf flechte, was dem ganzen Outfit etwas Mädchenhaftes und Unschuldiges verleiht. Auf dem Weg in die Küche bekomme ich durch das offene Fenster mit, wie Tyler mit irgendjemandem telefoniert.

„Ja, ich bin nun da. Alles ruhig, sie ist gerade aufgestanden. Auf jeden Fall. Ich lasse sie nicht aus den Augen.“ Kurze Stille. „Okay, ich werde nachher da sein.“

Na toll, das war´s dann wohl mit meinem alleinigen Stadtbummel. Was hatte ich anderes erwartet? Auf ein nerviges Anhängsel beim Shoppen habe ich überhaupt keine Lust und ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie ernst Tyler seine Aufgabe nimmt. Vielleicht lässt er mich wenigstens alleine in die Geschäfte gehen, ohne den Bodyguard mimen zu müssen.

Im Vorbeigehen schnappe ich mir eine Banane aus dem Obstkorb und stelle den Wasserkocher an, um mir einen Tee zu machen. Auf der Küchenzeile steht eine nagelneue Kaffeemaschine. Das sagt alles über das Verhältnis zu meinem Vater und darüber, wie gut er mich kennt, aus - ich hasse Kaffee.

Aber wie soll er das auch wissen, wenn ich die meiste Zeit eher mit seinem Hausmädchen verbracht habe und nicht mit ihm.

Beim ersten Bissen in die Banane klopft es an meiner Haustür. Ich kann mir denken, dass es Tyler sein wird, der davorsteht, tue jedoch überrascht, als ich ihm öffne.

„Oh hey Tyler! Was machst du denn schon so früh hier?“ Lächelnd schaue ich ihn an, in der rechten Hand die halbgeschälte Banane, in der linken meine Handtasche. In der Hoffnung ein paar Pluspunkte bei ihm zu sammeln, damit er mich alleine losziehen lässt, wird mein Lächeln einen Tick freundlicher. Er scheint das leider direkt missverstehen.

„Guten Morgen, Emma. Hast du gut geschlafen? Du siehst wundervoll aus.“ Sein lüsterner Blick lässt mich erschaudern und instinktiv trete ich einen Schritt zurück.

Er folgt mir und tritt über die Türschwelle in mein Haus.

„Ähm, ich wollte eigentlich gerade los, einen kleinen Stadtbummel in Southlands machen. Mein neues Handy habe ich eingepackt, falls was sein sollte“, gebe ich hoffnungsvoll von mir und greife mit der Linken nach hinten auf die Kommode, um mir meinen Haustürschlüssel zu schnappen und Tyler schnell wieder aus meinen vier Wänden zu bekommen.

„Ich begleite dich.“ Seine Worte lassen keinen Widerspruch zu. Mir ist klar, dass er nur die Befehle meines Vaters ausführt, ein Augenrollen kann ich mir trotzdem nicht verkneifen. Ein kleiner Teil von mir hatte wirklich gehofft, dass es anders wird, wenn ich hier wohne. Dass sich in den letzten fünf Jahren etwas verändert hätte.

Hat es auch, denke ich mit einem kurzen Blick auf Tyler. Jedoch nicht zum Positiven.

„Darf man mit 23 Jahren nicht mal alleine in die Stadt fahren, um Shoppen zu gehen?“ Seine Antwort kann ich mir denken, dennoch bin ich genervt.

„Mann wohl, aber nicht du. Ich habe dir gestern schon erzählt, dass momentan ein paar Streitigkeiten mit anderen Clubs zu klären sind und in der Zeit will dein Vater dich unter Beobachtung haben. Nur für alle Fälle.“

Er schnappt sich meinen Autoschlüssel, den ich vergessen habe, von der Kommode und folgt mir - für meinen Geschmack etwas zu dicht - zu meinem Truck.

„Was wären denn diese besagten Fälle? Ich werde hier nicht nachts aus meinem Bett verschleppt und als Lösegeldforderung entführt, oder?“, frage ich und meine Stimme trieft vor Sarkasmus.

Tylers Schweigen bringt mich zum Verstummen und ich atme laut aus.

Mitten in meiner Bewegung bleibe ich stehen und schaue ihn fassungslos an. Ist das sein Ernst? Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen habe ich mit meiner scherzhaften Vermutung genau ins Schwarze getroffen.

„Willst du oder soll ich fahren?“ Er versucht eindeutig vom Thema abzulenken. Durch sein Schweigen hat er mir wahrscheinlich bereits mehr verraten, als ihm zusteht. Unschlüssig, wie ich darauf reagieren soll, beschließe ich, seine Reaktion einfach zu ignorieren. Vielleicht interpretiert mein ratterndes Gehirn viel zu viel hinein.

„Ich fahre.“ Meine Antwort lässt ebenfalls keinen Widerspruch zu und er wirft mir die Autoschlüssel zu.

Kurz blitzen wieder einige Erinnerungen an vergangene Treffen auf und ich frage mich einmal mehr, wie es sein kann, dass mir seine Anwesenheit mittlerweile unangenehm ist.

Mein Handy vibriert in meiner Handtasche und bevor ich auf der Fahrerseite einsteige, lese ich die gerade eingegangene Nachricht von Zoe.

Hey Ems!

Ich weiß rein zufällig, dass du seit

gestern in der Stadt bist und lasse keine Ausrede

gelten, dich nicht um 14 Uhr mit mir im Stings

zu treffen.

Bis später XX

Ich fange an zu lachen und Tyler schaut mich von der gegenüberliegenden Seite fragend an.

Das ist typisch Zoe. Direkt, ziemlich vorlaut und immer die Ansprechpartnerin Nummer Eins, wenn es um News rund um Southlands und das Clubgeschehen geht. Schnell antworte ich ihr.

Hey Zeze!

Ganz zufällig habe ich absolut nichts

dagegen mich mit dir zu treffen.

Ich kanns kaum erwarten!!<3

Diese verrückte und teilweise nervige Nudel habe ich bereits bei einem meiner ersten Aufenthalte in Southlands in mein Herz geschlossen.

Sie ist die Tochter der rechten Hand meines Vaters und von Geburt an mit dem Club aufgewachsen. Da wir bis auf zwei Wochen Unterschied exakt gleich alt sind, war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns kennenlernten und anfreundeten.

„Serena, ich habe Langeweile.“ Das Hausmädchen meines Vaters war bei meinen Besuchen zeitgleich zum Babysitter geworden.

Wir waren gerade erst zurück ins Haus gekommen, nachdem wir den Nachmittag draußen im Garten verbracht hatten. Aber in meinem Alter kam die Langeweile direkt nach einer Minute ohne Beschäftigung.

Serena ratterte in den Ferien täglich das volle Programm für mich runter. Von Malen, über Schwimmen gehen, bis hin zu Frisuren zaubern am Morgen.

„Wir müssen dich gleich für das Abendessen fertig machen. Dein Vater wird da sein und er bringt Besuch mit.“ Sie führte mich an der Hand ins Badezimmer und wusch mir die Hände und das Gesicht, um die Spuren unserer Gartenarbeit zu vernichten.

Meine 7-jährige Version war der Meinung, dass ein paar Blumen im kahlen Wüstengarten, Big D. vielleicht Freude bereiten würden. Die traurige Wahrheit war, dass er es nicht mal bemerkt hatte.

Es klingelte an der Tür. Mein Vater saß schweigend neben mir und der große Esstisch wirkte nicht nur protzig, er war auch viel zu groß für uns beide. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, ausgehungert durch die Arbeit an der frischen Luft. Mein Bauchgrummeln war das einzige Geräusch, nachdem die Türklingel verhallt war.

Craig, ein guter Vertrauter und der Vizepräsident meines Vaters, trug die gleiche Kutte wie immer und betrat zusammen mit einer schönen dunkelhäutigen Frau den Raum. Sie hatte lange, dunkelbraune Haare, die ihr bis über die Schultern fielen und wirkte sehr elegant.

Hinter ihnen lief ein kleines, zierliches Mädchen, ungefähr in meinem Alter. Sie trug ein geblümtes Kleidchen, von dem sie anscheinend nicht sehr angetan war, denn sie fummelte ständig am Saum herum und man merkte ihr an, dass sie sich sichtlich unwohl fühlte.

Die Familie nahm Platz am Tisch. Das Essen wurde serviert und die typischen Gespräche unter Erwachsenen begannen. Zoe, das kleine Mädchen, schlug sich den Bauch voll, als hätte sie die letzten drei Tage nichts zum Essen bekommen. Der Appetit passte eindeutig nicht zu ihrem dürren Körper. Das Gespräch am Tisch fiel auf Motorräder und ich sah aus dem Augenwinkel, wie das Mädchen die Augen verdrehte. Kichernd schaute ich zu ihr. Sie sah mich erstaunt an und ein Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht, welches eine große Zahnlücke in ihrem Mund zur Schau stellte.

Sie hatte etwas Unzähmbares und Wildes an sich und insgeheim bewunderte ich sie in diesem Moment dafür.

„Papa, wir sind fertig mit Essen. Kann ich Zoe mein Zimmer zeigen?“

Mein Dad schaute kurz zu uns rüber und gab mir mit einem Nicken zu verstehen, dass wir aufstehen durften.

„Wow, cooles Zimmer!“ Zoe sah sich interessiert in dem großen Raum um, der nicht sonderlich persönlich war. Wie auch, wenn ich nur in den Ferien mal hier war und nichts davon wirklich mir gehörte.

„Findest du? Hat Serena, mein Kindermädchen alles ausgesucht. Ein paar der Barbies sind richtig toll, man kann denen Klebetattoos machen.“ Gespielt lässig zuckte ich mit den Schultern und sah das Mädchen neben mir abwartend an.

„Ist doch mega! Zeig mal her. Ich würde mich nicht beschweren, wenn mir ein Zimmer voller Spielsachen geschenkt wird. Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.“ Zoe entblößte wieder ihre große Zahnlücke und schnappte sich begeistert eine der Barbies.

Das Lachen kam prustend aus meinem Mund. Diesen Spruch hatte ich nie zuvor gehört. Fasziniert setzte ich mich zu ihr auf den flauschigen Teppich, um mit den Barbies zu spielen.