Spellbound - Höllenritt auf dem Hexenbesen - Annabel Chase - E-Book
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Spellbound - Höllenritt auf dem Hexenbesen E-Book

Annabel Chase

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Beschreibung

Folge 2: In Spellbound geht das Leben der frischgebackenen Hexe Emma so turbulent weiter, wie es angefangen hat. Mit den Zaubersprüchen läuft es nicht so rund - aber viel schlimmer ist, dass die von Höhenangst geplagte Emma lernen soll, auf einem Hexenbesen zu fliegen ... Die Flugstunden sind jedoch schnell vergessen, als es einen weiteren Mord in der magischen Stadt gibt: Eine Werwölfin wurde tot aufgefunden und Daniel gilt als Hauptverdächtiger. Jetzt kann nur noch Emma dem gutaussehenden Engel helfen, seinen Heiligenschein wieder geradezurücken!

Die Serie: Willkommen in Spellbound - einer Kleinstadt wie jeder anderen. Es gibt Tratsch, heimliche Affären und Verbrechen. Der einzige Unterschied? Hier leben keine Menschen ... Emma Hart landet durch eine Reihe misslicher Umstände in dieser zauberhaften Stadt voller übernatürlicher Wesen. Doch es gibt ein Problem: Wegen eines Fluches können die magischen Bewohner die Stadt nicht mehr verlassen. Nicht der beste Zeitpunkt für Emma, um zu erfahren, dass sie eine Hexe ist! Die Anwältin macht das Beste aus der Situation und übernimmt den Job des Pflichtverteidigers, der kürzlich ermordet wurde. Denn auch in Spellbound gibt es Ganoven und Mörder. Doch Achtung: Nicht jeder Vampir oder Werwolf ist so böse, wie er aussieht - und nicht jede Elfe ist harmlos!

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Über die Serie

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

In der nächsten Folge

Über die Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

In Spellbound geht das Leben der frischgebackenen Hexe Emma so turbulent weiter, wie es angefangen hat. Mit den Zaubersprüchen läuft es nicht so rund – aber viel schlimmer ist, dass die von Höhenangst geplagte Emma lernen soll, auf einem Hexenbesen zu fliegen … Die Flugstunden sind jedoch schnell vergessen, als es einen weiteren Mord in der magischen Stadt gibt: Eine Werwölfin wurde tot aufgefunden und Daniel gilt als Hauptverdächtiger. Jetzt kann nur noch Emma dem gutaussehenden Engel helfen, seinen Heiligenschein wieder geradezurücken!

Band 2 der zauberhaften Cosy-Crime-Serie!

Über die Serie

Willkommen in Spellbound – einer Kleinstadt wie jeder anderen. Es gibt Tratsch, heimliche Affären und Verbrechen. Der einzige Unterschied? Hier leben keine Menschen …

Emma Hart landet durch eine Reihe misslicher Umstände in dieser zauberhaften Stadt voller übernatürlicher Wesen. Doch es gibt ein Problem: Wegen eines Fluches können die magischen Bewohner die Stadt nicht mehr verlassen. Nicht der beste Zeitpunkt für Emma, um zu erfahren, dass sie eine Hexe ist! Die Anwältin macht das Beste aus der Situation und übernimmt den Job des Pflichtverteidigers, der kürzlich ermordet wurde. Denn auch in Spellbound gibt es Ganoven und Mörder. Doch Achtung: Nicht jeder Vampir oder Werwolf ist so böse, wie er aussieht – und nicht jede Elfe ist harmlos!

Höllenritt auf dem Hexenbesen

Aus dem Englischen von Ulrike Gerstner

Kapitel 1

»Heute schlagen wir ein frisches Kapitel für unsere neueste Studentin auf«, konstatierte Professor Holmes. »Ich bin sicher, wir schauen ihr gerne dabei zu, wie sie diesen Meilenstein erreicht.«

Aber nur wenn sie Erbrochenes mochten.

Wir standen mitten auf einem Feld am Rande der Stadt, die fünf Hexen der Förderklasse und der freundliche Professor Holmes von der Arabella-St.-Simon-Akademie – der ASS-Akademie, wie ich sie nannte. Der Himmel war strahlend blau, sodass kaum eine Chance bestand, sich innerhalb einer Wolke zu verirren.

Ich starrte auf den Besenstiel in Begonias Hand, und ein Gefühl des Grauens kroch durch mich hindurch. Ich würde erst dann einen eigenen Besen bekommen, wenn ich den ersten Teil des Kurses bestanden hatte, wobei ich es nicht eilig hatte, einen zu bekommen. Das Einzige, was ich mit einem Besen anstellen wollte, war Fegen.

Zögernd hob ich meine Hand. »Professor? Ich muss doch heute nicht allein fliegen, oder?«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Hart«, antwortete er. »Sie werden früh genug darauf hingewiesen, wenn der Tag Ihres Solos kommt.«

Begonia packte meinen Arm mit viel zu viel Begeisterung. »Und dann darfst du zu Broomstix gehen und dir deinen eigenen Besen holen.«

Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um.

»Wer von euch möchte nun Miss Hart auf ihrem allerersten Flug begleiten?« Der Blick des Professors glitt über die anderen Hexen.

Rein theoretisch war es gar nicht mein erster Flug, sondern nur der erste auf einem Besen. Die Ehre, mich auf meinem ersten Flug zu begleiten, gebührte Daniel, dem gefallenen Engel.

Er war der Grund dafür, dass ich überhaupt in dieser Stadt festsaß. Als er innerhalb der Stadtgrenzen mit mir flog, ahnte keiner von uns beiden, dass ich dank des Fluchs, der alle übernatürlichen Bewohner in Spellbound gefangen hielt, nicht wieder herauskommen würde. Es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um herauszufinden, dass ich eine Hexe war.

Millie hob zuerst die Hand. »Ich melde mich freiwillig.«

Professor Holmes lächelte sie an. »Das ist die Art von Hilfsbereitschaft, die ich gerne sehe, Millie.«

Millie flüsterte mir zu: »Wenn ich mit dir da oben bin, befinde ich mich nicht in der Gefahrenzone.«

Ja, das war wirklich hilfreich.

»Aber mir wäre es lieber, wenn du allein fliegen würdest, Millie«, fuhr der Professor fort. »Begonia wird sich heute mit Miss Hart zusammentun.«

Obwohl Millie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen, gelang ihr das nicht besonders gut.

Professor Holmes wandte sich an die Gruppe. »Nun denn, ihr jungen Hexen, die meisten von euch werden sich noch an die Grundregeln des Besenfliegens vom letzten Schuljahr erinnern. Grifftechnik, Gleichgewicht und Konzentration.«

Vier Köpfe wackelten zustimmend. Ich hörte aufmerksam zu und versuchte, mir jedes Wort einzuprägen.

»Millie, du demonstrierst es uns zuerst«, sagte Professor Holmes. »Wenn ich mich recht erinnere, warst du unsere Star-Schülerin in diesem Kurs. Deshalb möchte ich, dass du allein fliegst.«

Millie trat mit ihrem Besen vor und lächelte breit. Ich konnte ihr dieses selbstzufriedene Grinsen nicht verübeln. Ich hätte auch wie eine Verrückte gestrahlt, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich eine Star-Schülerin in irgendeinem Hexenkurs wäre. Bislang fiel ich eher die Kategorie »Dorftrottel«.

Millie bestieg ihren Besen, hielt sich mit beiden Händen am oberen Ende des Stiels fest und schob ihr Gesäß in Richtung der Borsten.

»Musst du irgendwie Anlauf nehmen oder so?«, erkundigte ich mich. Wie bekamen sie sonst die Besen in die Luft?

Die anderen kicherten.

»Nein, Dummerchen«, sagte Begonia. »Man verwendet einen Zauberspruch.«

»Benutzen alle den gleichen Zauberspruch?«, wollte ich wissen.

»Es gibt Standardzauber, die man verwenden kann«, erklärte Professor Holmes. »Aber wie bei jedem Zauber steht es einer Hexe frei, ihn zu personalisieren. Sie kann ihn als ihren eigenen nutzen.«

Mir gefiel, dass die Individualität in dem Hexenzirkel stets hervorgehoben wurde. Die Vorstellung, dass jede Hexe gleich ist, schien nicht zu existieren. Das war schön.

»Mach weiter, Millie«, sagte Professor Holmes.

Millie straffte die Schultern, soweit man eben die Schultern straffen kann, wenn man über einen Besenstiel gebeugt ist. Sie murmelte einen Satz vor sich hin.

Professor Holmes klatschte zweimal in die Hände. »Lauter, damit wir dich alle hören können. Dies ist eine Lernübung, schon vergessen?«

Millie räusperte sich. »Komm ich zum Himmelszelt, hab ich den Besen herbestellt.«

Der Besen begann aufzusteigen. Millies Gesichtsausdruck zeigte nichts als Heiterkeit. Sie litt eindeutig nicht unter Angstzuständen und Beklommenheitsgefühlen, die meine emotionalen Grundpfeiler darstellten.

»Wie funktioniert der Zauberspruch ohne ihren Zauberstab?«, fragte ich.

Millies Besen kam holpernd zum Stillstand. Sie drehte sich um und starrte mich finster an.

»Du musst aufhören, sie zu unterbrechen«, flüsterte Begonia. »Es stört ihre Konzentration.«

Ups. »Tut mir leid«, sagte ich leise.

Professor Holmes seufzte. »Miss Harts Frage ist durchaus berechtigt. Wir sollten sie zuerst beantworten. Beim Besenritt fungiert der Besenstiel selbst als Zauberstab. Jeder Stock ist von Magie durchdrungen. Die Hexe aktiviert diese Magie einfach, indem sie ihre Willenskraft bündelt und eine Beschwörungsformel spricht.«

Das ergab Sinn.

Millie warf uns einen Blick über ihre Schulter zu. »Kann ich jetzt loslegen?«

Professor Holmes nickte energisch.

Millie wiederholte den Zauberspruch und bündelte ihre Willenskraft. Ich beobachtete, wie der Besen höher und höher stieg. Als sie hoch genug war, um die Bäume unter sich zu lassen, machte sie einen Satz nach vorn. Je länger sie dort oben war, desto schneller flog sie.

Ich konnte verstehen, weshalb sie die Star-Schülerin war – Millie war einfach ein Naturtalent. Der entscheidende Faktor schien dabei zu sein, dass sie es genoss. Die Haare wehten hinter ihr im Wind, und die Sonne wärmte ihr Gesicht – sie war in ihrem Element. Ich spürte einen Anflug von Neid. Warum konnte ich das Fliegen nicht mit demselben Entzücken genießen?

»Gut gemacht, Millie«, rief Professor Holmes.

Ich bezweifelte, dass Millie ihn hören konnte. Sie sauste weiter durch die Luft, bis Professor Holmes schließlich ihre Eule schickte, um sie abzufangen. Jetzt verstand ich, warum die Eulen bei den Besenübungen dabei waren.

Mein Fleckenkauz Sedgwick war auch da. Er unterschied sich allerdings von den anderen Eulen, was wir herausgefunden hatten, als ich ihn bei Pfotenglück, dem Tierrettungszentrum, entdeckt hatte. Sedgwick war mein Vertrauter – das war so ein Hexending. Die übrigen Hexen in Spellbound konnten auf Katzen als Gefährten und spirituelle Berater zählen, während ich eine streitsüchtige Eule an meiner Seite wusste. Ich war so ein Glückspilz.

Millie glitt wie ein Profi zu Boden, und wir applaudierten alle voller Inbrunst. Ich hoffte, dass mein Flug so glatt verlief wie ihrer.

Laurel, die jüngste Hexe in unserer Klasse, war als Nächste dran, danach kam Sophie. Ich hatte angenommen, dass Sophie die Problemschülerin beim Besen-Training sein würde. An einem guten Tag war sie ungeschickt. Zu meiner Überraschung stieg sie mit Leichtigkeit in die Lüfte. Vielleicht war es nur ihr Zauberstab, der ihr Probleme bereitete? Da sie aber nun keinen Zauberstab brauchte, um auf einem Besen zu reiten, lief es bei ihr viel besser.

Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich merkte, dass wir an der Reihe waren.

»Soll ich mich vor oder hinter Begonia setzen?«, fragte ich. Ich erinnerte mich an Fahrgeschäfte in Freizeitparks, wo die größere Person in einer bestimmten Position im Verhältnis zur kleineren sitzen musste. Vielleicht war es hier ja genauso.

»Sie sollten sich zu Anfang noch vor Ihre Partnerin setzen«, sagte Professor Holmes. »So kann sie verhindern, dass Sie abrutschen.«

Abrutschen? Das waren ganz gewiss nicht die Worte, die ich hören wollte, bevor ich auf einem Besen Hunderte von Metern über dem Boden durch die Luft flog.

Begonia berührte sanft meine Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Emma. Hexen rutschen eher selten von ihrem Besenstiel.«

Die Verwendung der Worte »eher selten« implizierte, dass es manchmal doch passierte. Dadurch fühlte ich mich nicht viel besser.

»Du brauchst nicht nervös zu sein«, sagte Begonia. »Ich bin bei dir.«

Wenigstens vertraute ich Begonia. Vertrauen war wichtig, wenn man von jemandem hoch oben in der Luft eskortiert wurde. Vertrauen hielt mich jedoch nicht davon ab, mich zu übergeben.

Begonia hockte sich auf den hinteren Teil des Besens und gab mir ein Zeichen, mich vor sie zu setzen. Ich schluckte schwer.

»Für den Fall, dass es aktuell wird«, sagte ich, »hätte ich gerne eine Totenwache statt einer Beerdigung. Mit viel Alkohol und gutem Essen. Aber nicht im Underkoffler.«

Piotr Underkoffler war nämlich nicht nur ein unheimlicher Vampir, sondern auch der Besitzer eines Bestattungsunternehmens in der Stadt. Ich wollte nicht eine Sekunde mit ihm allein sein, nicht mal als Leiche.

»Verstanden«, sagte Professor Holmes. Ich entdeckte den Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen.

Ich schwang ein Bein über den Besen und versuchte, mich auf den schmalen Stiel zu setzen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das auf irgendeine Art bequem sein sollte. Als Kind hatte ich mit jedem Fahrradsitz zu kämpfen gehabt, der nicht die Form einer Banane besaß.

»Denken Sie daran«, sagte Professor Holmes. »Grifftechnik, Gleichgewicht und Konzentration.«

Ich achtete genau darauf, wie meine Hände auf dem Besenstiel lagen. Meine Fingerknöchel traten schon weiß hervor, und wir hatten den Boden noch nicht mal verlassen. Ich wusste nicht, wie ich das Gleichgewicht halten sollte, vor allem wenn ich nicht die Einzige auf dem Besen war. Begonia sollte als unser Ruder fungieren. Ihre Aufgabe war es, zu steuern und uns am Schweben zu halten. Meine Aufgabe war es, nicht zu sterben.

»Willst du den Zauberspruch ausprobieren?«, fragte Begonia.

»Vielleicht solltest du es dieses Mal noch machen«, erwiderte ich. »Beim nächsten Versuch bin ich dran.«

Begonias Stimme war sicher und klar. »Trag uns hoch vom grasigen Grund, dorthin, wo das Lied erklingt vom Vogelmund.«

Ich fragte mich, ob Zaubersprüche wie dieser jemals falsch interpretiert wurden. Was, wenn der Zauber davon ausging, dass sie in einer Baumkrone in der Nähe eines Adlernestes sitzen wollte?

Ich bevorzugte exaktere Zaubersprüche. Vielleicht war das die Anwältin, die aus mir sprach. Meine Zaubersprüche würden in etwa so lauten: »Wo das Lied erklingt vom Vogelmund, insbesondere im leeren Himmel in mindestens zwanzig Meter Höhe oder innerhalb eines Radius von zehn Metern um die Zirruswolken.«

Der Besen hob sich langsam und gleichmäßig. Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog, und war froh, dass ich auf das Frühstück verzichtet hatte. Ich kniff die Lider zu.

»Deine Augen sind offen, oder?«, fragte Begonia. »Das ist eine Voraussetzung.«

»Weit offen«, log ich. Ich würde unter keinen Umständen meine Augen jetzt öffnen. Mein Magen übermittelte alle Informationen, die mein Körper brauchte. Meine Augen würden keine Hilfe sein.

»Mit zwei Personen kann es schwieriger sein«, sagte Begonia. »Wir fangen zwar alle im Tandem an, aber sobald wir sachkundiger sind, machen wir es solo.«

Was wollte sie mir damit sagen? Dass sie jetzt, da ich hier saß, nicht mehr so gut auf dem Besen war? Ich hatte auf eine selbstbewusstere Aussage gehofft.

Der Besen wackelte leicht, und ich packte den Griff fester, wobei sich meine Nägel in die Haut gruben. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich gerade Blut vergossen hatte. Nicht dass es mir wichtig war. Ich war mehr damit beschäftigt, nicht vom Besen zu fallen und gen Erdboden zu stürzen.

»Sieh nur«, rief Begonia. »Die Harpyien sind unterwegs.«

Die Harpyien sind unterwegs? Was hatte das zu bedeuten? Jetzt musste ich hinsehen, sonst würde sie merken, dass meine Augen geschlossen waren. Langsam öffnete ich ein Lid gerade so weit, dass ich in der Lage war, etwas zu erkennen. In der Ferne erspähte ich drei Flügelpaare, konnte aber nicht ausmachen, ob es hässliche Vogelfrauen waren oder etwas anderes.

»Sind es die Minor-Schwestern?«, wollte ich wissen. Die Minors wohnten in dem Haus neben meinem. Sie waren ein furchterregender Haufen, vor allem die Großmutter Octavia. Ihre Zunge war messerscharf.

»Ja, ist das nicht offensichtlich?«

Ähm, nein. Ich hatte die Harpyien bisher nur in ihrer menschlichen Gestalt getroffen. »Nehmen sie oft ihre Harpyiengestalt an?«

»Ich habe sie schon ein paarmal so gesehen«, sagte Begonia. »Ich glaube, sie mögen frische Luft.«

Es war wie bei den Werwölfen und der Verwandlung. Die Harpyien waren mit ihrem natürlichen Zustand im Einklang. Beide Gruppen neigten dazu, in Spellbound in menschlicher Form zu leben, aber sie hatten auch eine ganz andere Seite. Als ich die Harpyien jetzt in der Luft sah, verstand ich sie ein wenig besser. Auf dem Boden waren sie furchterregend. In der Luft jedoch hatte ich Ehrfurcht vor ihnen.

»Wo ist Sedgwick?«, fragte Begonia. »Er sollte hier oben sein. Meine Eule fliegt auf neun Uhr.«

Ich machte den Fehler, mich umzudrehen, um nachzusehen. Die schnelle Bewegung in Verbindung mit einem Blick auf den Boden unter mir schickte Schockwellen durch meinen Körper. Und ich tat das Einzige, was ich wirklich, wirklich zu vermeiden gehofft hatte.

Voll ins Schwarze, sagte Sedgwick bei seinem Erscheinen. Du konntest nicht besser treffen, selbst wenn du es versucht hättest.

Diesmal hielt ich die Augen geschlossen. Ich brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, was ich getan hatte.

»Auf den Professor?«, krächzte ich.

Ein paar Brocken sind auch auf Millie gelandet. Sedgwick pfiff anerkennend. Sie sieht nicht glücklich darüber aus.

Nachdem der Unterricht abrupt enden musste, begaben Begonia und ich uns direkt zu Mix-n-Match, um einen Anti-Angst-Trank zu besorgen.

»Warum holen wir den nicht in der Apotheke?«, erkundigte ich mich.

»Dort lungern zu viele Mitglieder des Hexenzirkels rum«, flüsterte Begonia. »Wir wollen keine Aufmerksamkeit auf dein Problem lenken.«

»Sind nicht beide Läden im Besitz von Hexen?«, hakte ich nach.

»Eine Feeist Miteigentümerin von Mix-n-Match«, erklärte Begonia. »Darum sind wir üblicherweise nicht so oft dort.«

Das Schaufenster war mit bunten Flaschen dekoriert, die aussahen, als wären sie mit Flaschengeistern oder Parfüm gefüllt.

»Der Einfluss der Feen lässt sich durchaus erkennen«, kommentierte ich, als wir den Laden betraten.

»Oh, gut«, sagte Begonia. »Paisley arbeitet heute. Sie ist eine von uns.«

»Hey Begonia«, rief Paisley. »Ich habe dich schon seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen.«

»Ich hatte superviel zu tun mit der Schule und unserer neuen Freundin. Das ist Emma Hart.«

Paisleys Augen leuchteten auf, als sie mich sah. »Die neue Hexe.« Sie wirkte ein bisschen ehrfürchtig, und ich fühlte mich ein wenig wie Harry Potter bei seinem ersten Besuch in der Winkelgasse. Ich nehme an, wenn man für den Rest seines langen beziehungsweise unsterblichen Lebens in ein und derselben Stadt gefangen ist, ist eine neue Bewohnerin eine ziemlich große Sache.

»Das bin ich«, sagte ich.

Eine weitere junge Frau trat hinter dem Tresen hervor. Sie hatte keine Flügel, also konnte ich sie als Fee schon mal ausschließen. Es musste sich also um noch eine Hexe handeln.

»Und wie läuft die Hexen-Nachhilfe, Begonia?«, fragte sie.

Ich mochte sie auf Anhieb nicht, wahrscheinlich wegen ihres patzigen Tons und weil sie den Begriff »Nachhilfe« so betonte.

»Der Unterricht ist viel lebhafter geworden, seit Emma hier ist«, antwortete Begonia. Zum Glück entschied sie sich dafür, das heutige Missgeschick nicht zu erwähnen.

»Daran zweifle ich keineswegs.« Die andere Hexe kam näher und musterte mich. Sie sah etwa so alt aus wie ich, hatte eine Adlernase, dünne Augenbrauen und einen langen, schlanken Hals, der eher an eine Giraffe als an einen anmutigen Schwan erinnerte. »Sie haben noch nicht herausgefunden, zu welchem Hexenzirkel du wirklich gehörst, nicht wahr?«

»Jemima, sei nicht so fies«, sagte Paisley. »Du weißt genau, dass sie jetzt Teil von unserem Hexenzirkel ist.«

Jemima schnaubte. »Ich habe gehört, dein Vertrauter ist eine Eule.« Sie sprach das Wort »Eule« mit solchem Hohn aus, dass ich fast erwartete, ein ganzer Eulenschwarm würde hereinstürzen und ihr die Augen auspicken.

Ich blickte zur Tür und seufzte. So viel Glück hatte ich nicht. »Ja«, erwiderte ich daher. »Sedgwick ist mein Vertrauter, und er ist wunderbar.« Eigentlich war er eine launenhafte Nervensäge, aber das würde ich vor dieser abschätzigen Hexe nie eingestehen.

»Wir sind wegen eines Zaubertranks hier, Jemima«, sagte Begonia. »Wir lassen uns dabei am besten von Paisley helfen, während du dich wieder um das Nachwachsen deiner Augenbrauen kümmerst?«

Jemimas Mund wurde zu einer dünnen Linie. »Das war ein einziges Mal, Begonia Spence, und das weißt du ganz genau. Meine Augenbrauen sind wieder völlig in Ordnung.« Mit dem Finger berührte sie Wölbung ihrer dünnen Augenbraue. Zur Rückversicherung.

»Wenn du meinst«, sagte Begonia leichthin, und Jemima stampfte in den hinteren Teil des Ladens.

»Ist sie immer so?«, fragte ich, als die Hexe außer Hörweite war.

Paisley verkniff sich ein Lachen. »So ziemlich. Was kann ich für euch tun?«

»Emma lernt gerade, wie man auf einem Besen fliegt«, erklärte Begonia. »Sie braucht etwas, das ihren Magen beruhigt.«

»Und meine Nerven«, fügte ich hinzu.

Paisley musterte mich. »Du hast Höhenangst?«

»Sehr große.«

»Okay, das ist der erste Fall bei einer Hexe.« Sie fing an, die Flaschen im Regal zu untersuchen. »Ich wollte nicht taktlos klingen, ich bin bloß überrascht.«

»Das ist schon in Ordnung«, erwiderte ich.

Mir war bewusst, dass ich den Hexenzirkel vor eine Menge Fragen gestellt hatte, zum Beispiel, von welchem Zirkel ich abstammte und welche Fähigkeiten ich besaß. Wir waren noch dabei, das alles herauszufinden.

Bisher wussten wir, dass meine Mutter eine Hexe gewesen war, aber sonst nicht viel. Sie war ertrunken, als ich drei Jahre alt war. Ich hatte keinen Schimmer, ob sie eine Ahnung hatte, dass sie eine Hexe war.

Ich konnte telepathisch mit meiner Eule sprechen, doch nicht mit einer Katze, wie es die Hexen dieses Zirkels taten. Und ich hatte unfassbare Höhenangst.

»Du brauchst also etwas, um deinen Magen zu beruhigen und um zu verhindern, dass du auf dem Besen eine Panikattacke bekommst?« Paisley holte drei Flaschen aus dem Regal und stellte sie auf den Tresen. »Ich fürchte, bei Tränken muss man es auf mehrere Versuche ankommen lassen. Du musst jeden einzelnen ein paar Tage lang ausprobieren und sehen, wie dein Körper darauf reagiert.«

Ich betrachtete die bunten Flüssigkeiten, die in den Flaschen schwappten. »Welchen soll ich zuerst probieren?«

Paisley berührte den Deckel der Flasche mit der orangefarbenen Flüssigkeit. »Diese schmeckt am schlechtesten, ist aber normalerweise am wirksamsten.«

Also nicht viel anders als in der menschlichen Welt. »Und es wird bei beiden Problematiken helfen?«

»Na ja, es ist ein Anti-Angst-Trank, daher sollte er gegen die Höhenangst helfen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit von Übelkeit und Erbrechen verringert.«

»Gibt es mögliche Nebenwirkungen?«, fragte Begonia.

Paisley warf mir einen verlegenen Blick zu. »Übelkeit und Erbrechen.«

Begonia tätschelte mir den Rücken. »Das Schlüsselwort ist mögliche.«

»Ich werde es versuchen.« Ich hatte ja auch keine große Wahl.

»Nimm es eine Woche lang«, riet Paisley. »Wenn es nicht die gewünschten Ergebnisse liefert, dann probier den nächsten Trank.«

Ich starrte auf die orangefarbene Brühe. »Das wird nicht lustig werden.«

»Willst du die anderen beiden direkt mitnehmen, damit du daheim darauf zugreifen kannst, wenn nötig?«, wollte Paisley wissen.

»Ich glaube, ich warte«, erwiderte ich. »Es fühlt sich mehr nach Optimismus an, wenn ich sie hierlasse.«

»Klingt einleuchtend«, meinte Begonia.

»Was schulde ich dir?«, fragte ich.

Begonia hielt mich davon ab, in meine Handtasche zu greifen. »Der Hexenzirkel zahlt, Emma. Sie sehen es als eine lohnende Investition.«

»In dem Fall meinst du also, Professor Holmes zahlt.«

Sie tat so, als würde sie im nächsten Regal etwas Interessantes inspizieren. »Der Hexenzirkel zahlt, so lautet meine offizielle Antwort.«

Ich nahm meine orangefarbene Medizin in einer unauffälligen braunen Tüte mit, und wir machten uns auf den Weg zum Mittagessen.

Kapitel 2

Nach einem gemütlichen Mittagessen mit Begonia im Hallimasch beschloss ich, im Blütenrausch, dem Blumenladen, vorbeizuschauen. Gareth, mein Geistervampir-Mitbewohner und ehemaliger Besitzer meines Hauses, hatte darum gebeten, dass ich seine Lieblingsblumen wieder auffüllte.

»Sie sind die neue Hexe, nicht wahr?«, erkundigte sich die Besitzerin. Von Begonia wusste ich, dass ihr Name Sybil war.

»Emma Hart«, sagte ich. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Meine Freunde haben mir erzählt, dass Sie eine Dryade sind.«

»Ich bin eine Eschennymphe«, antwortete sie. »Man nennt uns Meliaden. Dryaden sind – formal betrachtet – eigentlich Eichennymphen.«

Ups. »Tut mir leid«, sagte ich.

Sie winkte ab. »Ein häufiger Fehler. Ich habe gehört, dass Sie jetzt Gareths Rolle als Pflichtverteidigerin übernommen haben.«

»Ich brauchte einen Job hier, und in der Menschenwelt war ich Anwältin. Also war das keine allzu große Umstellung.« Abgesehen von der Tatsache, dass ich noch nie Strafrecht praktiziert hatte und nichts über die Gesetze von Spellbound wusste.

»Schreckliche Neuigkeiten von Jolene, nicht wahr?«, meinte Sybil. »Ich hoffe, Sie müssen niemanden wegen ihres Mords verteidigen.«

Ich erstarrte. Ein Mord? »Wer ist Jolene?«

»Eine Werwölfin«, informierte Sybil. »Dann haben Sie es also noch nicht gehört.« Es schien ihr Freude zu bereiten, die Überbringerin einer schrecklichen Nachricht zu sein. »Die Ärmste ist tot. Man hat sie heute Morgen in ihrem Haus gefunden.«

Ich fuhr fort, eine Auswahl an Rosen zu treffen, wobei ich darauf achtete, mir nicht mit den Dornen in die Finger zu stechen. »Das ist ja furchtbar. Was ist passiert?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Sybil. »Ich habe gehört, dass der Sheriff im Moment noch mit Freunden und Angehörigen spricht.«

»War sie schon älter?«, fragte ich.

»O nein«, erwiderte Sybil mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Sie war ein hübsches junges Ding, und sie wollte bald Alex heiraten.«

»Wer ist Alex?«

Sybil lachte. »Sie kennen hier wirklich niemanden, oder? Alex ist der aufsteigende Stern des Rudels.« Sie senkte die Stimme. »Manche sehen ihn als den legitimen Nachfolger von Lorenzo.«

Ich fragte mich, ob Lorenzo davon wusste. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es mich freuen würde herauszufinden, dass Mitglieder meines Rudels vorzeitig meine Ablösung planten.

»Sie wohnen in Gareths altem Haus, nicht wahr?«, fragte sie.

»Ja, genau.«

»Dachte ich mir.« Sie nickte zu den Blumen in meiner Hand. »Er hat immer die gleichen ausgesucht.«

»Wirklich?« Ich täuschte Überraschung vor. »Was für ein Zufall.«

»Ist es einer?« Sie starrte mich an, und ich fragte mich, ob sie in Wahrheit wusste, dass ich Gareths Geist sehen und hören konnte. »Was für eine Art von Hexe sind Sie eigentlich? Man erzählt sich, dass Sie nicht zu demselben Zirkel wie die Hexen in Spellbound gehören.«

Okay, sie nahm kein Blatt vor den Mund. »Ich weiß nichts über meinen eigentlichen Hexenzirkel. Ich hatte keinen blassen Schimmer, dass ich eine Hexe bin, bis der Rat es mir offenbarte.«

»Ich habe gehört, dass es dieser ausgestoßene Engel war, der Sie hierhergelockt hat«, meinte Sybil, während sie Tulpen sorgfältig in einer Vase arrangierte.

»Daniel hat mich nicht hierhergelockt«, entgegnete ich. »Die ganze Sache war ein Unfall.« Ich hatte gedacht, er bräuchte meine Hilfe, und dann tat ich etwas Dummes. Ich war aus dem Auto gehüpft und zu einem See gerannt, wobei ich wie eine Verrückte mit den Armen fuchtelte. »Er hat mich vor dem sicheren Tod bewahrt.« Ich wäre nämlich entweder ertrunken, nachdem ich in den See gesprungen war, weil ich nicht schwimmen konnte, oder mein Auto hätte mich überfahren.

»Er kam immer hierher, um Blumen für Elsa Knightsbridge zu kaufen.«

»Die Tochter der Bürgermeisterin?«

»Mhm. Und für die rothaarige Hexe auch.«

»Meg?« Ich hatte Meg an meinem ersten Tag in der Stadt kennengelernt. Sie hatte zu dem Zeitpunkt ganz und gar nicht glücklich darüber gewirkt, dass sich Daniel in Rufweite befand.

Sybil lächelte. »Dann kennen Sie also doch schon ein paar Leute.«

»Die Tochter der Bürgermeisterin habe ich noch nicht kennengelernt«, informierte ich sie. »Nur die Bürgermeisterin selbst.«

Sie pfiff durch die Zähne. »Um die Wahrheit zu sagen, diese Elsa ist eine ziemliche Nervensäge. Ich weiß nicht, warum alle so überrascht waren, als er mit ihr Schluss gemacht hat. Ich war eher verwundert, dass er überhaupt etwas mit ihr angefangen hat.«

»Man kann nicht immer planen, wem sein Herz man erobern will«, erwiderte ich.

»Es heißt: wessen Herz man erobern will«, korrigierte sie mich. »Wird in der Menschenwelt keine Grammatik mehr gelehrt?«

»Die Ansprüche sinken«, gab ich zu. »Aber solange man einander versteht, ist es ja nicht so schlimm.«

Sie schüttelte den Kopf, Enttäuschung zeichnete sich in ihren glatten Zügen ab. »Noch etwas außer den Rosen?«

»Ja, ein Strauß mit diesen gelben Blumen. Sie sehen so fröhlich aus.«

»Die passen aber nicht zu den Rosen«, wandte Sybil ein.

»Das ist schon okay«, gab ich zurück. »Sie sind nicht für mich. Ich bringe sie Alex und seiner Familie vorbei.«

Sie wölbte skeptisch eine Augenbraue. »Sie sind ein bisschen seltsam. Sie haben doch erwähnt, dass Sie ihn nicht kennen.«

»Muss ich ihn denn kennen, um Trauer über seinen Verlust zu empfinden? Wird in Spellbound keine Empathie mehr gelehrt?«

Sie betrachtete mich einen Moment lang. »Alex wohnt in den Pines. Wenn Sie sich aus der Stadt raus Richtung Westen halten, kommen Sie direkt dorthin.«

»Wie viel schulde ich Ihnen?«

»Heute berechne ich nichts. Gareth war ein treuer Kunde. Ich erwarte, dass Sie das auch sein werden.«

»Geht klar, vielen Dank.«

»Gern geschehen.« Sie nickte mir knapp zu. »Schön zu wissen, dass es mit den Manieren nicht ebenfalls bergab geht.«

Lorenzo Mancini stand in seinem maßgeschneiderten Anzug vor dem Haus von Jolene und Alex. Ich erkannte den Alpha des Werwolfsrudels von der Ratssitzung in der Großen Halle, wo beschlossen worden war, dass ich in Gareths Haus einziehen und seinen Job übernehmen würde.

Lorenzo war in ein Gespräch mit einem Zentauren vertieft, Sheriff Hugo, dem Leiter der städtischen Strafverfolgungsbehörden. Der Sheriff und ich hatten uns während der Ermittlungen zum Mord an Gareth kennengelernt, als ich beschuldigt wurde, meine Grenzen zu überschreiten. Es scheint unnötig zu erwähnen, dass er nicht mein größter Fan war.

Lorenzo schnupperte in die Luft und drehte sich zu mir um, als ich mich näherte. »Miss Hart. Ich dachte es mir doch, dass ich einen unbekannten Geruch wahrgenommen habe.«

Sheriff Hugo grunzte in meine Richtung. »Was führt Sie in diesen Teil des Waldes, Miss Hart?«

Ich hielt den Strauß gelber Blumen hoch. »Ich wollte Alex mein Beileid aussprechen.«

»Was für eine aufmerksame Geste«, meinte Lorenzo. »Er ist drinnen bei seiner Familie.«

Überall waren Werwölfe. Ich war überrascht, dass der Sheriff das Haus nicht als Tatort abgesperrt hatte. Die Haustür stand offen, also ging ich hinein. Ich erkannte Alex sofort. Er wurde von einer älteren Frau, möglicherweise seiner Mutter, getröstet. Die Frau drehte sich um und starrte mich finster an.

»Sie sind kein Mitglied des Rudels«, sagte sie. In ihren Augen glitzerten unvergossene Tränen. »Was tun Sie hier?«

Ich zögerte. Jetzt, da ich hier war, kam ich mir ziemlich dumm vor. »Ich war in der Stadt, als ich die Nachricht von Jolene gehört habe. Ich wollte mein Beileid aussprechen.«

Alex hob den Kopf und sah mich an. Er bemerkte den Blumenstrauß in meiner Hand. »Ist der für mich?«

Ich nickte und streckte meine Hand aus. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was hier üblich ist, um sein Beileid zu bekunden. Wo ich herkomme, macht man das so.«

»Werwölfe verschenken keine Blumen«, knurrte die Frau.

Alex nahm den Strauß entgegen und reichte ihn der Frau. »Wärst du so freundlich und stellst sie ins Wasser? Ein Tod in meinem Haus ist für heute mehr als genug.«

Sie neigte den Kopf, eine unterwürfige Geste, und verschwand in der Küche.

»Alex Ricci«, sagte er. »Sie müssen die neue Hexe sein.«

»Emma Hart«, erwiderte ich. »Ich wollte hier nicht so reinplatzen.«

»Nein, nein.« Er wischte sich die Tränen aus den rot umränderten Augen. »Es ist eine nette Geste. Ich weiß das wirklich zu schätzen.« Er neigte den Kopf in Richtung der Küche. »Bitte entschuldigen Sie meine Mutter. Sie trauert ebenfalls. Sie hat Jolene wie eine Tochter geliebt.«

Ich stellte keine Fragen. Die Verlorenheit in seinen Augen verriet mir, dass er ihren Tod immer noch verarbeitete.

»Ich will Ihre Zeit auch gar nicht länger in Anspruch nehmen. Ich wollte nur sagen, wie leid es mir tut.«

»Danke, Emma.«

Ich eilte aus dem Haus, ehe seine Mutter zurückkam. Die Veranda war übervoll mit Leuten, und ich versuchte, mich zwischen ihnen hindurchzudrängen. Bevor ich die Treppe erreichte, lenkte ein Schluchzen meine Aufmerksamkeit auf das andere Ende der Veranda.

Die Menge lichtete sich gerade so weit, dass ein Mädchen auf der Verandaschaukel zum Vorschein kam. Mit ihrem langen blonden Haar und ihrer makellosen Haut sah sie nicht älter aus als siebzehn. Sie wirkte verzweifelt, ihre Augen waren rot und geschwollen und ihre Wangen von Tränen benetzt.

»Ist sie verletzt?«, fragte ich laut.

»Nicht verletzt. Eher voller Schmerz«, erklärte ein Mann. »Das ist Kayla. Sie ist diejenige, die Jolene gefunden hat.«

Armes Ding. Ein einziger Moment hatte sie für immer traumatisiert. »Ist sie die jüngere Schwester?«, erkundigte ich mich.

»Die Cousine von Jolene. Sie hatte sich mit ihren Eltern zerstritten, also hat Jolene sie bei sich aufgenommen. Sie war immer wie eine große Schwester für sie.«

Und jetzt war Jolene fort. Ich hatte zwar keine Geschwister, aber in jungen Jahren hatte ich beide Elternteile verloren. Ich kannte diese Art von Trauer sehr gut, kannte den Verlust von jemandem, den man liebte und zu dem man aufschaute.

»Ich werde mal nachsehen, ob es ihr gut geht«, sagte ich. Es schien, als seien die Erwachsenen damit beschäftigt, sich gegenseitig zu trösten, und Kayla hatte man einfach vergessen.

Ich bahnte mir einen Weg durch die Leute, bis ich die Verandaschaukel erreichte. Kayla blickte zu mir auf, ihre braunen Augen tränenfeucht.

»Sitzt hier jemand?«, fragte ich.

Wortlos schüttelte sie den Kopf. Ich ließ mich neben sie plumpsen und stieß mich sacht vom Boden ab, damit sich die Schaukel bewegte. Schaukeln hatten mich schon immer beruhigt.

»Ich kenne Sie nicht«, sagte das Mädchen.

»Emma Hart«, antwortete ich. »Ich bin neu in der Stadt.«

Sie runzelte leicht die Stirn. »Die Hexe?«

Ich nickte. »Wie kommst du klar? Ich habe gehört, du hast Jolene gefunden.«

Kayla schniefte und zog die Knie an ihre Brust. »Ich habe sie auf dem Küchenboden entdeckt. Dabei war ich nur fünf Minuten unter der Dusche.«

»Hattest du sie heute Morgen überhaupt gesehen?«

»Klar. Es war ein Morgen wie jeder andere. Alex ist zur Arbeit gegangen. Ich bin runter und habe gefrühstückt, dann habe ich Jolene eine Tasse Kaffee gebracht.«

»In ihrem Schlafzimmer?«

Kayla nickte. »Jolene ist Langschläferin, seit ich sie kenne. Manchmal will sie gar nicht aufstehen …« Sie brach ab. »Jedenfalls habe ich mir angewöhnt, ihr Kaffee zu bringen, um sie aus dem Bett zu bewegen. Es hat auch oft funktioniert.«

»Nachdem du in ihrem Zimmer gewesen und dann unter die Dusche bist, ist sie nach unten in die Küche gegangen. War das typisch?«

»Nicht wirklich. Normalerweise ist Jolene noch eine Weile im Bett liegen geblieben, hat gelesen oder ein Kreuzworträtsel gelöst. Wenn ich aus der Dusche kam, war sie noch in ihrem Zimmer.«

»Aber nicht heute?«

»Nein. Sie ist runtergegangen. Wahrscheinlich, um zu frühstücken.« Sie hielt inne. »Ich dachte, er würde vielleicht wieder vorbeikommen.«

»Wer ist er?«

»Das habe ich auch schon dem Alpha und Sheriff Hugo gesagt«, erklärte sie. »Dieser Engel, der hier immer herumschlich, wenn Alex zur Arbeit ging.«

»Engel?«, wiederholte ich. Ich kannte nur einen einzigen Engel in Spellbound.

»Daniel Starr.« Sie warf mir einen zögerlichen Blick zu. »Sie kennen ihn, nicht wahr? Ich habe gehört, er hat Sie hier in eine Falle gelockt.«

»Er hat mich in keine Falle gelockt«, erwiderte ich. Nicht absichtlich. »Was meinst du damit, dass er herumgeschlichen ist?«

Kayla zuckte mit den Schultern. »Sie haben sicher schon von seinem Ruf gehört.«

In der Tat war Daniels Geschichte schwierig zu vermeiden. Wohin in Spellbound ich mich auch wandte, überall schien ich auf verbitterte Frauen zu treffen.

»Soweit ich weiß, liegen Daniels Affären schon eine ganze Weile zurück.« Und sehr zu meiner Bestürzung hatte er erst vor ein paar Wochen vor meinen Augen dem anderen Geschlecht abgeschworen. Er betrachtete das Opfer als seine Chance auf Wiedergutmachung.

»Ich will nicht behaupten, dass sie tatsächlich zusammen in der Kiste waren, aber sie schienen sehr vertraut miteinander umzugehen. Wenn ich Alex wäre, hätte mir das gar nicht gefallen.«

»Hast du Alex gegenüber jemals Daniels Besuche erwähnt?«, erkundigte ich mich mit leiser Stimme. Ich wollte nicht, dass jemand hörte, dass ich Fragen stellte. Nicht nachdem Sheriff Hugo mich mehrfach gewarnt hatte, als ich das letzte Mal in einen Fall verwickelt worden war.

Aber das war Daniel, von demsie sprach. Ich konnte es nicht sein lassen. Ich fühlte mich ihm gegenüber verpflichtet, und wahrscheinlich waren da noch ein paar andere Gefühle, die ich verdrängte und ignorierte.

Kayla nestelte an einem losen Stück Holz auf dem Sitz der Schaukel. »Habe ich nicht, aber jetzt frage ich mich, ob ich es nicht besser hätte tun sollen.«

Ein Schatten fiel über uns, und ich erkannte, zu wem er gehörte, ohne auch nur einen Blick auf seine Hufe geworfen zu haben.