Spiel der Lügner - Clare Mackintosh - E-Book
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Spiel der Lügner E-Book

Clare Mackintosh

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Beschreibung

Jeder hat eine Vergangenheit – Wie weit würdest du gehen, um deine zu verbergen? In Clare Mackintoshs 2. hochspannendem Krimi aus Wales, »Spiel der Lügner«, hat eine fiese Reality-TV-Show tödliche Folgen. Großbritannien hat eine neue TV-Sensation: In der Reality-Show »Exposure« stellen sich sieben völlig Fremde in den walisischen Bergen einem Wettbewerb. Auch Detective Ffion Morgan schaut zu, denn die Show wird ganz in der Nähe ihres Heimatdorfes aufgezeichnet, und ihre Postbotin ist eine der Kandidatinnen. Die Teilnehmer der Show erfahren allerdings erst jetzt, worauf sie sich eingelassen haben: Jeder von ihnen hütet ein Geheimnis, das sein oder ihr Leben verändert hat. In dem teuflischen »Spiel« geht es um nichts Geringeres, als die Geheimnisse der Kontrahenten ans Licht zu bringen – live auf Sendung! Schon in der ersten Nacht verschwindet ein Kandidat spurlos, offensichtlich in Panik. Als die Show immer weiter aus dem Ruder läuft und schließlich die erste Leiche auftaucht, steckt Ffion Morgan mitten in einer verzwickten Mord-Ermittlung: Jeder ihrer Verdächtigen hat ein Alibi – und ein Geheimnis, für das es sich zu töten lohnt. Nur gut, dass der Fall sich nach England ausweitet, wo Detective Leo Brady nur zu gern seine Hilfe anbietet … Auch in ihrem 2. psychologisch subtilen Krimi um das ungleiche Ermittler-Duo Ffion Morgan und Leo Brady – sie Waliserin und weiß, er Engländer und schwarz – liefert die britische Bestseller-Autorin Clare Mackintosh wieder jede Menge Twists und Intrigen vor der wunderbar atmosphärischen Landschaft von Wales. Ihren ersten gemeinsamen Fall lösen die Detectives Ffion Morgan und Leo Brady in Band 1  »Die letzte Party«. der Krimi-Reihe »Ein Fall für Ffion Morgan«.

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Seitenzahl: 467

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Clare Mackintosh

Spiel der Lügner

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Großbritannien hat eine neue TV-Sensation: In der Reality-Show »Exposure« stellen sich sieben völlig Fremde einem Wettbewerb, und das ganze Land schaut zu – auch Detective Ffion Morgan, denn es ist »ihr« Revier. Doch die Mitspieler wissen noch nicht, worauf sie sich eingelassen haben: Ihre schlimmsten persönlichen Geheimnisse sollen – live auf Sendung! – aufgedeckt werden, und niemand wird danach weiterleben können wie zuvor. Als ein Kandidat verschwindet und die Show immer weiter aus dem Ruder läuft, steckt Ffion Morgan bald mitten in einer verzwickten Mord-Ermittlung: Jeder ihrer Verdächtigen hat ein Alibi – und ein Geheimnis, für das es sich zu töten lohnt ...

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Karte

PRESSEERKLÄRUNG

TEIL EINS

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DANKSAGUNG

Für Sarah Clayton, Lynda Tunnicliffe und Huw McKee

PRESSEERKLÄRUNG

Angesichts der tragischen Ereignisse heute verzichten wir auf die Ausstrahlung der aktuellen Folge von Exposure. Die Filmaufnahmen sind bis auf Weiteres unterbrochen, und die verbliebenen Teilnehmer wie auch die Crew werden von Fachleuten betreut. Der Vorfall liegt nun in den Händen der Polizei, und wir möchten zu diesem Zeitpunkt keinen Kommentar abgeben.

Young Productions

TEIL EINS

EINS

MONTAG | DC FFION MORGAN

Der Geruch ist sauer und süß zugleich, wie von verschimmelndem Obst. Ffion atmet durch den Mund ein, aber es stinkt so übel, dass sie es beinahe schmecken kann.

»Warst du das?«, fragt DC Alun Whitaker, ohne von seinen Papieren aufzusehen.

»Nein, war ich verdammt noch mal nicht.« Ffion klappt die Mappe mit der Zeugenaussage zu und öffnet Rightmove. Sie braucht die beruhigende Wirkung, die nur fünf Minuten Immobilienporno bringen können.

»Frauen sollen nicht furzen.« Alun blickt zu der Reihe von Schreibtischen und wird lauter. »Ich wette, Georgina tut es nicht.«

Georgina zuckt mit den Schultern und zeigt auf die Kopfhörer, die sie über ihrem dunklen, kurzen Haar trägt, um alle Geräusche auszuschalten. Nur einen Podcast, antwortet sie immer, wenn jemand fragt, was sie hört. Ffion hegt schon lange den Verdacht, dass Georgina sich gar nichts anhört. Schließlich kommt ihr »Ja« stets sehr prompt, fragt man, ob jemand einen Paned – das walisische Wort für »Tee« – möchte. Überhaupt entscheidet sie sehr selektiv, was sie hören will.

»Ich könnte mit keiner Frau zusammen sein, die furzt«, sagt Alun, als hätte er diesbezüglich eine Wahl. Aluns letzter Ausflug in die Welt des Datings endete mit einer Überweisung an ein nicht zurückverfolgbares Konto und einem Computervirus, der die zehn neuesten Fotos von Aluns Handykamera per E-Mail an all seine Kontakte verschickte; bei den letzten dreien wollte Ffion sich hinterher die Augen mit Bleiche auswaschen.

»Furzen ist was für Kerle«, fährt Alun fort. »Es ist nicht damenhaft.« Ffion überlegt, ob sie einen Furz herbeizwingen soll, nur um ihm zu widersprechen.

Alun dreht sich auf seinem Stuhl zu ihr um. Er hat lange, dünne Gliedmaßen, weshalb er Ffion an ein Insekt erinnert, wenn er die Hände so wie jetzt auf die Knie stützt. »Weißt du, wo die Akten zur Proctor-GefKV sind? Ich finde die nicht auf dem zentralen Speicher.«

»Weil sie auf meinem Laptop sind.«

»Deinem privaten Laptop?« Alun zieht eine Augenbraue hoch und verschränkt die Arme vor der Brust. Ffion versucht sich zu erinnern, ob es Grillen oder Grashüpfer sind, die ihre Beine aneinanderreiben. »Du sollst die doch direkt auf dem zentralen Laufwerk speichern.«

Ffion weiß nicht, was für Geräusche Aluns Arme machen würden, sollte er sie aneinanderreiben, aber es wäre garantiert verdammt nervig. Stirnrunzelnd sieht sie zu ihrem Bildschirm, als wollte sie eine komplizierte Formel lösen, statt den Suchradius bei Rightmove um weitere zehn Meilen auszuweiten. »Da speichere ich sie, wenn alles abgeschlossen ist.«

»Stell dir vor, alle meine Akten wären auf meinem privaten Laptop. Was würdest du machen, wenn ich von einem Bus überfahren werde?«

»Eine Party schmeißen?« Ffion klickt eine Dreizimmerwohnung fünf Meilen von Cwm Coed an. Ihr gemietetes Cottage ist ideal – und eine sagenhafte Wohltat nach einem Jahr Zusammenleben mit ihrer Mam und Seren –, aber jetzt will ihr Vermieter es zurück. Tut mir leid, Ffion, aber wenn ich es als Ferienhaus vermiete, bekomme ich das Doppelte, und es sind harte Zeiten …

Ja, ohne Scheiß, dachte Ffion, als sie nach einer neuen Bleibe zu suchen begann und feststellen musste, dass sich die Preise im letzten Jahr praktisch verdoppelt hatten.

Diese Wohnung sieht aber super aus. Nigelnagelneu, bezahlbar …

… und nur für Mieter über sechzig.

»Oh Mist.« Ffion klickt den Schlafzimmerbalkon mit Blick auf den Fluss weg. Sie rümpft die Nase, als ihr der fiese Gestank in neuer Frische entgegenweht.

»Und wenn du von einem Bus überfahren wirst, wissen wir nicht, was in dem Fall passiert.« Alun weigert sich aufzugeben. »Wir könnten entscheidende Beweise verlieren.«

»Wenn du es zum Sergeant bringst«, entgegnet Ffion, »darfst du mir sagen, was ich zu tun habe. Bis dahin hältst du die Klappe. Du bist nicht mein Chef.«

»Ganz richtig«, erklingt eine muntere Stimme von der Tür. »Der bin ich.« Detective Inspector Malik ist stets jovial. Sogar wenn er Mitarbeiter zusammenstaucht – was er bei Ffion schon mehrmals getan hat –, schlägt er einen onkelhaften Ton an, als wäre das Objekt seiner Standpauke beim Äpfelklauen erwischt worden, nicht dabei, wie es einen gepanzerten Mannschaftswagen »auslieh«, um ein IKEA-Sofa zu transportieren.

Malik tritt einen Schritt vor und schnuppert. »Hier riecht’s, als wäre jemand gestorben.«

»Das ist Ffion«, sagt Alun.

»Entsetzlich. Macht ein Fenster auf.« DI Malik trägt seine Lieblingsweste mit einem aufgedruckten Schachbrett und einer aktuellen Partie. Ohne Frage ist in diesem Schachmatt oder Patt, oder was auch immer da am obersten Knopf passiert, eine Botschaft versteckt.

Georgina ist schon aufgesprungen, um dem Wunsch ihres DIs nachzukommen. Ffion verengt die Augen. Das hat sie also gehört, ja? Georgina Kent ist das, was Chefs als dienstbeflissen bezeichnen und Ffion kriecherisch nennen würde. Als Erste da, als Letzte weg, und private Einladungen behandelt sie, als wäre sie aufs Absagen programmiert. Weder Georgina noch Ffion sind geschminkt, allerdings denkt Ffion, dass es bei Georgina eine bewusste Entscheidung ist, nicht – wie in Ffions Fall – pure Lustlosigkeit. Georgina hat die Art Haut, die binnen fünf Minuten in der Sonne braun wird; Ffions hat durchgängig die Farbe von entrahmter Milch.

Malik hält einen Computerausdruck in die Höhe. »Jemand muss sich Knochen in Cwm Coed ansehen. Könnte schwierig werden.«

»Klingt nach jemandem, den ich kenne.« Alun grinst Ffion an. Sie will etwas nach ihm werfen, als ein lauter Furz aus ihrer Büroecke ertönt.

Malik sieht sie wütend an. »Ist es das, was ich denke?«

Ffion weist mit erhobener Hand jede Verantwortung von sich. »Das passiert, wenn Sie mich jeden Tag ins Büro zwingen.«

»Wollen Sie mir erzählen, dieser Gestank wäre meine Schuld?«

Ffion ist rundum glücklich gewesen in ihrem winzigen Büro in Cwm Coed oder in ihrem Auto am Seeufer sitzend, von wo aus sie so selten wie möglich Bericht erstattete. Doch eine Mordermittlung in dem Luxusresort The Shore vor anderthalb Jahren hatte Cwm Coed und leider auch Ffion ins Scheinwerferlicht gerückt. Und ihre letzte Bewertung – keine Teamplayerin; tut sich schwer mit Autoritäten – hatte ihr eine Pendelstrecke von fünfzig Minuten nach Bryndare und Stirnfalten eingebracht, für die es mehr als Botox bräuchte, sie wieder zu glätten.

»So ungern ich es Ihnen auch sage, Ffion, aber tatsächlich werden Sie dafür bezahlt, zur Arbeit zu kommen.« Malik schreitet quer durchs Büro. »Und es ist kein Freifahrtschein für Sie, das zu tun.« Er zieht Ffions Stuhl nach hinten, sodass unter ihrem Schreibtisch ein großes, behaartes Maul zum Vorschein kommt.

Dave einen Hund zu nennen, wäre grob vereinfachend. Da er mit den Neurosen der Prozac-Generation belastet ist, zuckt er bei lauten Geräuschen sofort heftig zusammen, bellt los, wenn es zu lange still ist, und ist eigentlich nur froh, wenn er an Ffions Beine gepresst oder – noch lieber – auf ihr ist. Da Dave genauso groß ist wie ein sitzender Mensch, kann das an roten Ampeln schon mal zur Herausforderung werden, weil er den kurzen Halt als Signal nimmt, dass sie angekommen sind und er wie eine Vierzig-Kilo-Katze auf Ffions Schoß steigen darf.

»Wie oft habe ich das schon gesagt?«

Ffion fragt sich, ob Malik mit ihr oder Dave spricht, aber dann dreht sich der DI zu ihr, und ihr wird klar, dass er eine Antwort erwartet. Daves Schwanz peitscht den Teppichboden.

»Mindestens sechsmal«, springt Alun ein. Arschloch.

»Ich kann ihn nicht alleine zu Hause lassen. Er heult dann. Und die Nachbarn beschweren sich.«

»Dann besorgen Sie sich einen Hundesitter, oder lassen Sie ihn bei Ihrer Mum. Verkaufen Sie ihn an einen bekloppten Zirkus. Ist mir egal, Ffion – aber bringen Sie ihn nicht mehr mit zur Arbeit!«

»Und was, wenn er ein ESA-Hund ist?« Dave kommt unter dem Schreibtisch vor, und Ffion packt sein Halsband. »Mit Tieren zusammen zu sein, hat sich als stresslindernd erwiesen.«

»Das Einzige, was hier gelindert wird, sind die Blähungen des Hunds. Bringen Sie ihn nach Hause. Sofort.«

Widerwillig steht Ffion auf. »Dann kann ich mir ja gleich mal die Knochen ansehen. Wenn ich sowieso in die Richtung fahre.«

»Oh nein.« Malik schwenkt einen Finger. »Sie forschen zu Hause nicht rum, ohne dass jemand auf Sie aufpasst. Alun oder Georgina übernehmen das.« Er wendet sich ihnen zu. »Da wird irgendeine Reality-Fernsehserie auf dem Berg bei Cwm Coed gedreht.«

»Exposure.« Ffion zieht ihren Mantel an. Es ist Mai, aber sie sind in Nordwales, wo das quasi immer noch Winter bedeutet.

»Nie davon gehört«, sagt Georgina. »Tut mir leid, Sir.«

»Könnte ich doch dasselbe behaupten!« Malik verzieht das Gesicht. »Es klingt scheußlich. Sieben ›durchschnittliche Männer und Frauen‹ heißt es im Trailer, aber welcher durchschnittliche Mensch will gefilmt werden, wie er Fischaugen und Rinderho…«

»Ich glaube, Sie denken an Ich bin ein Star, Sir.« Alun sieht aus, als sei ihm ein bisschen schlecht.

»Der Produzent hat die Knochen heute Morgen gemeldet und …«

»Wurden die beim Camp oder bei dem Farmhaus gefunden, in dem die Crew wohnt?«, fragt Ffion. »Das Haus ist unser Zuständigkeitsbereich, aber das Camp ist gleich hinter der Grenze nach Cheshire.«

»Ich weiß nicht, wo …« Malik hält inne. »Woher wissen Sie so viel darüber?«

»Eine Frau aus unserem Ort ist dabei. Ceri Jones. Sie ist die Postbotin von Cwm Coed.« Ffion fährt ihren Computer herunter. »Bis morgen.«

»Morgen? Ffion, es ist erst drei …«

»Trotzdem wäre es Quatsch, wieder herzukommen, um gleich wieder nach Hause zu fahren, oder? Ich arbeite die letzten paar Stunden von unterwegs.« Ffion lächelt unschuldig. »Ach, und für die Farm verlässt man sich lieber nicht aufs Navi – das schickt einen mitten auf einen Acker. Man muss die einspurige Straße vorbei an Felingwm Isaf und hinter der großen Eiche rechts abbiegen.«

»Velin-goom I-saw«, wiederholt Malik langsam. Theoretisch beherrscht der DI ein Minimum an Walisisch, was die Voraussetzung für seine Versetzung von Surrey zur Polizei North Wales war. Tatsächlich lernt er noch das Alphabet.

Malik seufzt, als würde ihn quälen, was er tun soll. Er reicht Ffion einen Ausdruck, hält ihn jedoch noch einige Sekunden fest, als sie schon danach gegriffen hat. »Machen Sie keinen Blödsinn.«

»Selbstverständlich nicht, Sir.«

»Und nehmen Sie jemanden mit.«

»Ehrlich, Chef, ich arbeite besser …«

»Sie arbeiten mit jemandem zusammen, oder Sie fahren gar nicht. So einfach ist das.«

Ffion sieht erst zu Alun, dann zu Georgina; keiner der beiden wirkt entzückt von der Aussicht, mit ihr zusammenzuarbeiten. »So viel zu Baum und Borke«, murmelt sie.

Alun lacht. »Also, was meine Eiche angeht …«

»Georgina«, sagt Ffion entschlossen.

Malik bedenkt Alun mit einem vernichtenden Blick. »Die Achtziger haben angerufen. Sie wollen ihre unangebrachten Sprüche zurück.«

»Verzeihung, Sir, kommt nicht wieder vor.« Aluns Wangen glühen, und Ffion muss sich ein Schnauben verkneifen.

»Bist du fertig?«, fragt Georgina mit ihrem Mantel über dem Arm, als wäre Ffion diejenige, die sie warten lässt.

»Ich bin schon fertig geboren.« Ffion öffnet die Tür. »Komm, Dave.«

ZWEI

MONTAG | FFION

Ffions Triumph Stag parkt in einem für Motorräder reservierten Bereich. Ffion raucht ihre Selbstgedrehte mit sechs langen Zügen auf, ehe sie über den Hinterhof geht und Georgina Daves Leine hinhält.

Ängstlich beäugt ihre Kollegin den Hund. »Kann er nicht hinten sitzen?«

»Da wird ihm schlecht. Bei dir vorne geht es ihm gut.«

»Er ist es nicht, um den ich mich sorge.« Georgina steigt zögerlich auf den Beifahrersitz und hält die Leine, als könnte sie jeden Moment explodieren. Dave quetscht sich in den Fußraum und ist beinahe auf Augenhöhe mit Georgina. Unterdessen bindet Ffion sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zurück. Nach einer weiteren »sagenhaft witzigen Bemerkung« von Alun heute Morgen hatte sie den Zopf so stramm gezogen, dass das Gummi gerissen war, sodass ihr das Haar in einem roten Wust über ihre Schultern fiel, bei dem nur von Locken sprechen konnte, wer ausnehmend höflich sein wollte.

»Ist dieser Wagen überhaupt zugelassen?«, fragt Georgina und blickt zu einem Stück Pappe im Beifahrerfensterrahmen, mit dem die Scheibe oben gehalten wird.

»Zufällig ist er letzten Monat erst gewartet worden«, antwortet Ffion, lässt allerdings aus, dass Trefor Garej gesagt hat, das Auto sei eine verdammte Todesfalle und er gäbe es ihr nur wieder, weil sein Cousin mit der Frau des Neffen von Ffions Dad verheiratet ist und die ihm die Hölle heißmachen würde, täte er es nicht.

Die Straße von Bryndare zur anderen Seite des Bergs Pen y Ddraig ist schmal und gewunden mit einem steilen Abhang auf der Beifahrerseite. Georgina verzieht keine Miene. Ffion vermutet, dass sie zu sehr damit beschäftigt ist, Dave – und seinen der Übelkeit geschuldeten Sabberfaden – im Fußraum zu halten. Bis sie den Hügel nach Cwm Coed herunterfahren, haben sich all ihre Bemühungen als fruchtlos erwiesen. Dave sitzt nun auf Georginas Schoß, sodass sein Kopf Ffions Schulter streift. Alle paar Minuten wird der Lärm des uralten Motors von einem kläglichen Winseln übertönt. Hin und wieder legt Dave seine Pfoten auf Ffions Schoß, als könnte sie vergessen, dass er da ist. Schön wär’s!

In einem raren Moment der Schwäche hat Ffion sich den Hund aufgehalst, als sie eine Brandstiftung in einem Tierheim untersuchte. Dort harrte Dave schon mehrere Jahre aus, und es schien sich zu einem lebenslangen Aufenthalt zu entwickeln.

Nächste Woche wird er eingeschläfert, hat eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Tierheims zu Ffion gesagt. Das ist so traurig. Er hat doch so viel Liebe zu geben.

Die hatten bei Ffion gleich Lunte gerochen, behauptete Huw hinterher. Sie erzählen dauernd, dass die Hunde alle eingeschläfert werden, du Trottel. Ich wette zwanzig Pfund, dass du ihn wieder zurückbringst.

Es geht nicht um die zwanzig Pfund, denkt Ffion mürrisch, als sie sich Sabber von der Schulter wischt. Es geht ums Prinzip. Egal, wie sehr Ffion ihre spontane Entscheidung bereut, Dave bei sich aufzunehmen. Es kommt nicht infrage, eine Wette gegen ihren Ex-Mann zu verlieren. Außerdem hat Dave neben dem Mundgeruch und den Fürzen gewiss einige gute Eigenschaften. Ffion hat sie bloß noch nicht entdeckt.

 

Der Himmel ist strahlend blau, doch um den Berg unten wabern stellenweise noch Nebelschwaden. Sie machen die Straßenränder verschwommen, weshalb es ein Glück ist, dass Ffion die Kurven und Biegungen hier so gut kennt wie ihren eigenen Körper. Unter ihnen schlängelt sich der Llyn Drych durch das Tal. Der See ist teils schmal wie ein Fluss, und Ffion hat die Sommer ihrer Kindheit damit verbracht, von einer Seite zur anderen zu schwimmen. In der Mitte verharrte sie gern auf der unsichtbaren Grenze zwischen England und Wales. Dann fühlte sie sich für einen Moment, als gehöre sie zu keinem von beiden. Der Weiler Felingwm Isaf, was grob übersetzt so viel wie »unteres Mühltal« bedeutet, liegt an der Nordspitze des Llyn Drych – oder Mirror Lake, wie die Zuzügler sagen. Ffion verlangsamt das Tempo auf der Suche nach der Abbiegung zum Farmhaus. Die einspurige Straße führt steil nach oben, und Ffion hofft, dass ihnen niemand entgegenkommt; zu den Bremsen des Triumphs hat Trefor Garej einige sehr harsche Worte angemerkt.

»Was genau ist Exposure überhaupt?«, fragt Georgina.

Ffion weicht einem Schaf aus, das auf dem warmen Asphalt liegt. »Guckst du kein Fernsehen? Die Werbung läuft doch alle fünf Minuten.«

»Eigentlich streame ich nur. Im terrestrischen Fernsehen kommt ja nie was Anständiges.«

Ffion ist anderer Meinung. Was sie auch sagen würde, hätte sie Lust dazu; hat sie aber nicht. Terrestrisches Fernsehen (oder »normales Fernsehen«, wie Ffion es nennt) empfindet sie als wohltuend. Es erinnert sie daran, wie sie Mam einen Tee brachte, weil EastEnders anfing; an Verhandlungen, ob der walisische Sender S4C oder Hollyoaks gesehen wurde. Oder wie sie das Weihnachten vor dem Tod ihres Dads die Filme in der Programmzeitschrift eingekreist hat oder wie Mam sie bat, auf Seren aufzupassen, bis die Teletubbies kamen. Außerdem läuft im terrestrischen Programm Die Schnäppchenhäuser, Ffions heimliches Laster.

Sie blickt zu Georgina, die versucht, ihr Gesicht eulenartig von Daves haariger Schnauze wegzudrehen. »Wie der Chef gesagt hat, ist es Reality-TV. Sieben Leute wohnen für zwei Wochen auf dem Pen y Ddraig. Sie müssen die üblichen Aufgaben meistern, es gibt eine Publikumsabstimmung – du kennst das ja.«

»Eher nicht.«

Ffion sieht sie an. »Hast du nie Big Brother gesehen?«

»Nein.«

»Love Island?«

»Nein.«

»Hochzeit auf den ersten Blick?«

»Sag bitte, dass es nicht so gruselig ist, wie es sich anhört.«

»Nein, schlimmer.« Ffion biegt durch ein offenes Tor in eine Kieseinfahrt. »Das macht es ja so genial.« Sie parkt den Triumph vor dem Farmhaus, einem solide gemauerten Bau, an dem jemand noch eine kleine Holzveranda ergänzt hat. Zwei Lorbeerbäume in Pflanztöpfen wachen zu beiden Seiten der Eingangstür.

Als sie darauf warten, dass jemand ihnen öffnet, blickt Georgina auf Dave herab. »Warum lässt du ihn nicht im Auto?«

»Weil er es dann auffrisst.« Ffion hämmert erneut an die Tür, bevor sie es aufgibt und um das Haus herumgeht. Die Gartenpforte ist offen, und sie finden sich auf einem Hinterhof mit Kopfsteinpflaster wieder. Die Aussicht vorn hinunter auf den Llyn Drych war schon spektakulär, aber diese hier ist atemberaubend. Dicht bewaldete Hänge führen vom Haus hinauf zur Felsenlandschaft des Pen y Ddraig, dessen Gipfel von Nebel umhüllt ist.

Zu beiden Seiten des Hofs stehen Reihen von Nebengebäuden aus rotem Backstein mit Schieferdächern. Die Nummern eins bis acht sind auf die Türen gemalt.

»Pferde?«, fragt Georgina.

»Ich habe gesagt, ich mache das nicht!«, erklingt eine Stimme aus Nummer acht.

»Verflucht streitlustige Pferde.« Ffion geht auf die offene Tür zu, als eine dunkelhaarige, sehr stark geschminkte Frau herausgestürmt kommt und Richtung Farmhaus eilt.

»Tut mir leid. Talente können ein bisschen temperamentvoll sein.« Ein Mann tritt vor und streckt die Hand aus. »Miles Young, Young Productions. Wenn auch dieser Tage nur noch dem Namen nach jung.« Er grinst wehmütig, dann lacht er und fährt sich mit einer Hand durch sein dichtes, weißblondes Haar. Er ist Ende vierzig, hat blassblaue Augen und so feine helle Wimpern, dass sie fast nicht zu sehen sind. Die hohen Wangenknochen verleihen seinem Gesicht einen verhärmten, eher angespannten Ausdruck, den das breite Lächeln nicht wettmachen kann.

»Talent?« Georgina schüttelt ihm die Hand. »Detective Constable Georgina Kent, Bryndare CID.«

»Meine Moderatorin Roxy Wilde. Was für ein Charisma – die Kamera liebt sie!« Miles reicht Ffion die Hand. »Und Sie sind?«

»DC Morgan. Wie ich höre, haben Sie Knochen gefunden?« Kaum spricht Ffion sein Lieblingswort aus, setzt Dave sich kerzengerade auf und fegt mit dem Schwanz über das Kopfsteinpflaster.

»Ich habe vor Stunden angerufen. Wo sind …«, beginnt Miles, bremst sich aber und verzieht beschämt das Gesicht. »Sorry, ich wollte nicht … Sie haben sicher eine Million wichtigere Sachen zu tun. Es ist nur so, dass wir solch einen engen Zeitplan haben. Die meisten Reality-Sendungen zeigen Material, das am Tag vorher oder sogar noch früher gedreht wurde, aber wir beschreiten hier neue Wege. Was Sie heute Abend sehen, ist den Tag über gedreht worden. Zum Glück haben wir schon eine Menge im Kasten – die Teilnehmer sind letzte Nacht im Farmhaus geblieben, deshalb ist diese Verzögerung nicht ganz so katastrophal …«

»Könnten wir die Knochen sehen, Mr Young?«

Miles blickt sich zu dem Schreibtisch hinter ihm um, auf dem zwei Computer stehen und ein Gewirr von Kabeln verläuft, und sieht wieder Ffion an. »Natürlich.« Er greift nach seiner Jacke. Außer dem Schreibtisch gibt es in dem Raum noch ein Doppelbett und einen kleinen Kleiderschrank. Ffion bemerkt ein Teetablett und eine Tür, von der sie vermutet, dass sie zu einem Bad gehört. Ein großes Flügelfenster hinten geht zum Berghang.

»Ein toller Ort, nicht?« Miles schließt die Tür hinter sich ab. »Unser Location-Scout hat gute Arbeit geleistet. Das Camp ist ungefähr zwanzig Minuten Weg den Berg rauf.«

»Wer wohnt auf der Farm?«, fragt Georgina.

»Ich bin im Haupthaus, zusammen mit Owen Havard – er ist unser Kameramann – und Roxy, der Sie eben begegnet sind. Mein Arbeitszimmer haben Sie gesehen, und die anderen sieben Stallräume sind für die Teilnehmer, wenn sie rausgeflogen sind.« Miles geht ihnen voraus durch eine Pforte hinten auf dem Hof, von wo ein Pfad den Berg hinauf verläuft.

»Die kommen hierher zurück?«, fragt Ffion.

»Das ist eine Vertragsbedingung. Für Interviews bleiben sie noch zwei Tage auf der Farm. Wenn die erledigt sind, bekommen sie ihr Teilnahmehonorar.«

»Und das ist wie viel?« Ein Stechginsterzweig verhakt sich an Ffions Beinen.

»Zehn Riesen.«

Georgina stößt einen leisen Pfiff aus. »Nett.«

»Nicht so nett wie die hundert Riesen, die der Gewinner bekommt.«

»Ach du Sch…ande«, kann Ffion knapp einen Kraftausdruck vermeiden. Malik sagt, sie muss ihre Ausdrucksweise zügeln, was immer das verdammt noch mal heißen soll. Anscheinend haben sich Leute beklagt.

»Ich hätte noch mehr von Ihnen erwartet«, sagt Georgina. »Große Beleuchtungsgerüste, Catering-Wagen, eine riesige Crew.«

»Während des Drehs halte ich es gern klein«, antwortet Miles. »Beim Aufbau des Camps ist es zugegangen wie im Tollhaus, aber jetzt, da alles läuft, habe ich auf ein Minimum reduziert. Wir haben einen Runner, einen Laufburschen, der täglich kommt, und wenn ich sonst noch was brauche, rufe ich im Produktionsbüro an.«

»Was machen die Teilnehmer jetzt gerade?« Auch wenn sie DI Malik einen anderen Eindruck vermittelt hat, weiß Ffion nur sehr wenig über Exposure, ausgenommen, dass ein Haufen Möchtegern-Überlebenskünstler auf einem Berg in Nordwales aufeinander losgehen, was sehenswert sein soll.

»Tja, nicht viel dank dieser Knochen«, antwortet Miles trocken. »Einer von ihnen hatte vorgeschlagen, ein Feuerloch zu graben, und sobald ich gesehen habe, was da zum Vorschein kam – selbstverständlich habe ich vom Studio aus zugeschaut –, habe ich unseren Runner nach oben geschickt und die Dreharbeiten abbrechen lassen.«

Vor ihnen sieht Ffion einen hohen Drahtzaun. »Ist es das?«

»Ja. Das Grundstück gehört zu einer benachbarten Farm. Der Zaun ist für die Fasane, glaube ich, also keine besonders eindrucksvolle Barriere, aber er markiert die Grenze. Es ist ungefähr ein Quadratkilometer umzäuntes Gelände.« Er erhebt die Stimme. »Alles in Ordnung, Dario?«

»Bestens, Chef.« Dario trägt eine Warnweste, die ihm beinahe bis zu den Knien reicht und auf deren linke Brust in leuchtenden blauen Lettern SECURITY gedruckt ist. Er beäugt Ffions Begleiter interessiert. »Ist das ein Leichenspürhund?«

Georgina gibt einen Laut von sich, den Ffion für ein Lachen hielte, wüsste sie nicht, dass Georgina Kent niemals lacht.

»Nicht ganz«, antwortet Ffion.

»Diese Zee ist wieder hier gewesen«, sagt Dario zu Miles.

»Man sollte meinen, dass sie es langsam begriffen hat.« Miles dreht sich zu Georgina und Ffion um. »Da gibt es dieses Mädchen. Na ja, eine Frau wohl eher. Sie heißt Zee Hart und hat einen furchtbaren YouTube-Kanal, Hart Breaks. Sie hatte sich für die Show beworben, wurde abgelehnt und hatte dann die Frechheit, sich als Moderatorin für ein Fernsehsegment vorzuschlagen, das sie Exposure extra nennen wollte. Da wollte sie die Teilnehmer interviewen, die rausgeflogen sind, und so.«

»Sie hat sich ein Zelt aufgestellt«, sagt Dario.

»Ein Zelt?« Miles’ Stimme, die ohnedies nicht tief ist, springt eine Oktave höher. »Das ist doch garantiert nicht erlaubt!«

»Wo ist es?«, fragt Ffion.

Dario zeigt hin. »Ungefähr zwanzig Meter vom Zaun auf der anderen Seite.«

Ffion zuckt mit den Schultern. »Man kann die Leute nicht davon abhalten, wild auf dem Berg zu campen.«

Miles packt Darios Arm. »Behalte sie im Auge. Und sag mir Bescheid, wenn sie sich rührt.«

»Mach ich, Chef.«

»Und keiner geht hinter den Zaun, ohne dass ich es abgesegnet habe, okay?«

»Alles klar.«

»Die Show wird um sieben ausgestrahlt.« Miles legt die Hände wie zum Gebet zusammen. »Und dann … tja, würde mich nicht wundern, wenn die Boulevardpresse herbeieilt.« Er lacht leise. Ffion bläst die Wangen auf. Wie muss es sein, solch überbordendes Selbstvertrauen zu besitzen? Okay, Exposure klingt so, als würde sich das Ansehen lohnen. Doch letztlich ist es eine Realityshow von vielen. Und ein Boulevard-Schreiberling würde sich nur auf den weiten Weg nach Snowdonia machen, wenn sie es hier mit echter Starbesetzung zu tun hätten.

Es sei denn, die Knochen entpuppen sich als interessant …

Sie folgen Miles durch eine Metallpforte, die Dario hinter ihnen mit einem Vorhängeschloss verriegelt. Schlagartig wird Ffion heiß, auch wenn sich der Wind hier oben auf dem Berg alles andere als sommerlich anfühlt. Sie könnte bei solch einer Show nie und nimmer mitmachen. Ganz abgesehen davon, dass sie vierzehn Tage mit Fremden zusammenleben müsste, könnte sie nicht ertragen, quasi in einem Käfig gefangen zu sein. Wie ein Wildkatzengehege, denkt sie und stellt sich vor, wie sie am Zaun entlangtigert und nach einem Fluchtweg sucht.

»Wie groß ist die Anlage?«, fragt Georgina, als sie durch ein dichtes Waldstück gehen. Ffion blickt zu ihr und fragt sich, ob sie es hier genauso klaustrophobisch findet, doch ihre Kollegin sieht so unbeteiligt aus wie immer.

»Ziemlich groß.« Dario zeigt zu den Bäumen. »Das war alles Wald, aber Miles hat in der Mitte einen Teil für das Camp freischlagen lassen.«

Und tatsächlich erreichen sie wenige Minuten später eine Lichtung. Die Bäume drum herum versperren die Sicht auf den Zaun und lassen es hier vollkommen abgeschieden wirken. Sie könnten mitten in einem endlosen Wald sein, denkt Ffion. In einem anderen Land, einer anderen Zeit.

Drei große cremefarbene und glockenförmige Zelte bilden eine Reihe hinten auf der Lichtung. Ein kleines Stück entfernt befindet sich ein Jacuzzi, neben dem Holzscheite ordentlich aufgestapelt sind, und auf der gegenüberliegenden Seite ist etwas, von dem Ffion annimmt, dass es sich um ein Kompostklo handelt; das schließt sie aus dem Spaten, der an der Tür lehnt.

In der Mitte des Camps ist eine spartanische Küche, so sorgsam primitiv gestaltet wie das Klo, und davor ein großer Tisch, anscheinend aus einem einzigen Holzstück gefertigt, mit sieben Stühlen. Über dem Tisch hängen metallene Laternen an einem dicken Seil, das zwischen zwei Pfählen gespannt ist. Bis auf das Rascheln des Laubs im Wind ist es unheimlich still.

Ffion zeigt zu einem kleinen, fensterlosen Bau mit Holzverschalung – so breit wie eine Telefonzelle, aber lediglich halb so hoch. »Was ist das?«

»Das … äh … Sprechzimmer«, antwortet Miles, wird jedoch rot und lenkt ihre Aufmerksamkeit rasch auf den Rest des Camps zurück. »Die Jungs sind in einem Zelt, die Mädchen in dem anderen. Das dritte ist die Chill-Zone. In den Zelten und hier im Gemeinschaftsbereich sind Kameras, aber nicht im Wald. Die Aufnahmen der täglichen Aufgaben dort werden von Owen und Roxy direkt gefilmt.« Er zeigt zu der Feuerstelle. »Hier sind die Knochen.«

Sie gehen auf den Küchenbereich zu, wo ein zweiter Spaten neben einem Erdhaufen liegt. Ein paar Meter weiter ist ein hoher Baumstumpf, in den eine Kette mit einem Vorhängeschloss eingeschlagen wurde.

Ffion will fragen, wozu das Schloss dient, da reißt Dave so fest an seiner Leine, dass sie um ein Haar hinfliegt. »Ey!« Sie ruckt an der Leine, bevor ihr wieder einfällt, was in Der ideale Hund steht. »Ich meine, aus.« Ffion kann gut darauf verzichten, dass sich Dave mit dem Mittelfußknochen eines Mordopfers aus dem Staub macht. Sie will schon Pfoten weg vom Femur witzeln, lässt es aber, weil es bei Georgina sicher nicht gut ankäme.

Alle drei blicken sie hinunter in das flache Grab, in dem eine Ansammlung erdverkrusteter Knochen liegt.

»Es war richtig von Ihnen, die Dreharbeiten abzubrechen«, sagt Georgina.

»Ja, die Sache ist nur, wenn wir nicht bald weitermachen …«

»Wir werden einen Anthropologen der Universität Bangor brauchen. Die können uns verraten, ob das Tier- oder Menschenknochen sind. Falls es menschliche sind, können sie die datieren und einschätzen, ob die Stelle von archäologischer Bedeutung ist.« Georgina zieht ihr Mobiltelefon hervor. »Und wir müssen die Cheshire Constabulary verständigen – wir sind auf ihrer Seite der Grenze.«

»Hier haben Sie keinen Empfang«, sagt Miles. »Deshalb benutzen wir Funkgeräte.«

Ffion spürt einen Blick im Nacken. Sie dreht sich um und sieht eine Frau mit dunklem Teint, die sie von einem Zelteingang aus beobachtet. Sie ist jung und schlank und trägt anscheinend die Camp-Uniform: Cargoshorts und orangefarbener Fleecepullover. Ihr dunkles Haar fällt ihr in zwei dicken, geflochtenen Zöpfen über die Schultern.

»Was machst du denn?« Miles ist Ffions Blick gefolgt und eilt auf das Zelt zu. »Ich habe euch gesagt, ihr sollt drinnen bleiben!« Er stößt die Frau förmlich ins Zelt zurück, bevor er die Eingangsplane schließt, doch vorher hat Ffion hinten auf dem Shirt den Namen Aliyah gesehen. »Was für ein Bockmist«, murmelt sie und hockt sich hin, um die Knochen näher zu betrachten.

»Entschuldigen Sie das.« Als Miles zurückkommt, strahlt er wieder. »Exposure wird von einem der größten Glücksspielanbieter gesponsert. Es ist wichtig, dass die Teilnehmer nicht von der Außenwelt beeinflusst werden, was heißt, dass wir sie von Besuchern abschirmen müssen – sogar von aufrechten Bürgerinnen wie Ihnen!« Er lacht, doch dann fällt sein Blick auf die Knochen, und er seufzt. »Haben Sie eine Ahnung, wie lange das dauern wird? Tausende hatten sich für Exposure beworben. Einige der abgelehnten Bewerber haben mich aufgespürt und mich angefleht, es mir anders zu überlegen – mich teils sogar bedroht. Diese Show ist ein großes Ding.«

Miles’ Ansprache macht wenig Eindruck auf Georgina.

»Diese Knochen könnten zu einem Mordopfer gehören, Mr Young. Ich würde sagen, dass das auch ein ziemlich großes Ding ist, meinen Sie nicht?«

»Bis zur Ausstrahlung sind es nur noch drei Stunden, und wir müssen immer noch das Briefing der Teilnehmer drehen, vom Vorbereiten des Live-Segments ganz zu …«

»Diese Knochen sind nicht menschlich.« Ffion blickt von der Feuerstelle auf. »Sie dürfen weitermachen.«

Miles atmet auf. »Was für fantastische Neuigkeiten! Danke, Officer.«

»Moment mal, wir können nicht einfach …« Georgina sieht wütend zu Ffion. »Das Standardprozedere schreibt eindeutig vor …«

»Das sind Tierknochen.« Ffion richtet sich auf und verzieht das Gesicht, als es in ihren Knien knackt. Ist es normal, dass der Körper zu knacken beginnt, wenn man Anfang dreißig ist? In letzter Zeit ertappt Ffion sich sogar dabei, wie sie leise Ahh macht, wenn sie sich hinsetzt. Nicht mehr lange, dann futtert sie jeden Morgen Trockenpflaumen und schaltet bei ITV-Dramen die Untertitel ein, weil die Schauspieler heutzutage alle so nuscheln.

»Ich habe gar nicht gewusst, dass du einen Abschluss in Anthropologie hast.« Georginas Worte triefen vor Sarkasmus.

»Habe ich nicht.« Ffion greift in das Grab und angelt eine kleine Blechmarke heraus, an der noch Reste von etwas hängen, was mal ein Halsband gewesen sein könnte. »Aber mir ist noch keine menschliche Leiche mit der Nummer einer Tierarztpraxis untergekommen.«

 

Abends nach der Arbeit öffnet Ffion ihren Kühlschrank. Das letzte Mal hat sie ungefähr vor dreieinhalb Minuten reingesehen, und es ist immer noch nicht mehr drinnen. Sie nimmt Daves Leine auf. »Komm mit, wir essen heute Abend Chez Morgan.«

Es ist kurz vor sieben, als Ffion durch die Hintertür in ihr Elternhaus tritt. Die Küche ist Elen Morgans natürliches Habitat, und Ffion ist erstaunt, dass niemand dort ist. Wäsche hängt an dem Wandtrockner über dem Herd, und Mams Notizbuch liegt aufgeschlagen auf dem Tisch. Die Punkte auf der To-do-Liste darin sind säuberlich abgehakt. Handtücher in der Ferienwohnung wechseln. Teebeutel kaufen. Bücher in die Bücherei bringen.

»Mam?« Sie öffnet den Kühlschrank, und ihr Magen grummelt schon vor Vorfreude auf die kalte Fleischpastete, die sie dort findet.

»Hier«, wird aus dem Wohnzimmer geantwortet. »Mach das lauter, Seren, ich kann nichts verstehen.«

»Das ist die Werbung, Mam. Und ich dachte, du willst das sowieso nicht gucken.«

»Was gucken?« Ffion kommt mit ihrer Beute ins Wohnzimmer. »Alles klar, Caleb?«

Serens Freund, der auf dem Fußboden gelegen hat, setzt sich sehr gerade auf. »Ja, alles klar. Und bei dir?«, ergänzt er leicht verzögert. Seren behauptet, Ffion würde Caleb nervös machen und ihm das Gefühl geben, er müsse genau aufpassen, wie er sich verhält.

»Wird es, wenn ich das hier gegessen habe«, sagt Ffion. »Rück mal.« Sie kickt Serens Füße vom Sofa, damit sie sich setzen kann.

»Betreibe ich jetzt ein Restaurant?«, fragt Mam. Sie hat eine rote Schürze an, auf der vorn in großen weißen Lettern YES steht – das Logo von Yes Cymru, der walisischen Unabhängigkeitsbewegung.

»Drei Sterne. Die Karte ist zu klein, und am Service muss gearbeitet werden.« Ffion nimmt einen Happen von der Pastete und nickt zum Fernseher. »Okay, was sehen wir?«

DREI

MONTAG | ELEN MORGAN | FOLGE EINS

Äh, Exposure?«, sagt Seren, als sei Ffion bescheuert.

Elen schnalzt tadelnd mit der Zunge. Das Problem mit Teenagern ist, dass sie glauben, alles zu wissen. Mit Ffion war es in dem Alter dasselbe. Zu groß, um sie auf die stille Treppe zu schicken; zu jung, als dass ihnen das wahre Leben draußen schon die Ecken und Kanten gestutzt hat.

»Wie war dein Tag?«, fragt Elen Ffion. »Irgendwas Interessantes?«

»Eher nicht.«

»Mir ist heute ein Amazon-Paket von der Fußmatte geklaut worden«, sagt sie. Elen versucht, alles in Cwm Coed zu kaufen, was sie braucht, aber diesmal war es Druckertinte, und die konnte nicht bis zu ihrer nächsten Fahrt in die Stadt warten.

Seren gibt ihr einen Klaps. »Psst, es fängt an.«

Auf dem Bildschirm kollidieren grelle Farbkleckse und explodieren zu Bildern, von denen Elen Kopfschmerzen bekommt. Dass sie hierfür Heno verpasst! Ein leuchtend blauer Kreis spannt sich wie ein Gummiband, um wieder zurückzuschnellen, und nun sieht Elen, dass es sich um eine abscheuliche Darstellung des Sees handelt. Obendrüber ploppt ein giftgrünes Dreieck inmitten von lila und orangefarbenem Feuerwerk auf. Exakt synchron schwillt der Soundtrack zu einem Crescendo an, während Buchstaben vom Himmel auf den Berg krachen.

E X P O S U R E

Seren quiekt vor Aufregung.

»Ffi?«, hakt Elen nach.

Ffion löst den Blick vom Bildschirm. »Was?«

»Mein Paket?«

»Wahrscheinlich ist es nebenan.«

»Nein, da habe ich gefragt.«

»Ach, na ja.«

»Wie reizend! Meine eigene Tochter, die ranghohe Polizistin …«

»Ich bin Constable, Mam!«

»… und ihr ist völlig egal, dass ihre eigene Mam das Opfer eines Hassverbrechens wurde. Ach, na ja, sagte die Sprecherin der Polizei.«

»Das ist kein Hassverbrechen, Mam.«

»Nun, ich hasse es.«

»Was nicht …«

»Erinnerst du dich an all die Diebstähle im letzten Jahr, bei denen auch keiner geschnappt wurde? Wir haben es mit einem Serientäter zu tun. Oder einem Nachahmer.«

»Psst!« Seren dreht den Ton lauter.

Elen blickt zum Fernseher. »Ich erkenne keinen von denen.«

»Das sind keine Stars, Mam. Du sollst die gar nicht erkennen.« Neuerdings hat Seren sich angewöhnt, mit ihrer Mam zu reden, als wäre Elen dement und nicht schlicht in der Menopause. »Das sind ganz normale Leute.«

»Außer Ceri«, sagt Ffion mit vollem Mund.

»Ceri ist nicht normal? Das ist aber nicht sehr nett von dir, Ffion Morgan.«

»Ich meine, die wirst du erkennen.«

»Seht ihr den Holzstapel da bei dem Jacuzzi?« Caleb springt auf und zeigt zum Bildschirm, auf dem zu sehen ist, was die Teilnehmer im Camp erwartet. »Den habe ich gemacht!«

»Echt gut«, sagt Seren loyal.

Ffion stellt ihren Teller auf den Boden, damit Dave ihn abschlürfen kann. »Warum hast du in dem Camp Holz gestapelt?«

»Ich arbeite da«, antwortet Caleb, dessen Augen nicht vom Bildschirm weichen, als die sieben Teilnehmer den Pen y Ddraig hinauf zum Camp wandern.

»Bist du der Runner bei Exposure?«

»Das hab ich dir doch erzählt«, sagt Elen.

»Mam, du hast mir erzählt, dass er läuft.«

Elen winkt gereizt ab. Laufen, Laufbursche oder das neumodische »Runner«, wo war da der Unterschied? Im Fernseher fokussiert die Kamera reihum auf jeden Teilnehmer, und unten im Bild erscheint eine Zeile mit ihren Namen und ihrem Beruf.

»Pam Butler«, liest Seren vor. »Schulleiterin. Sie sieht wie mein alter Sportlehrer aus.«

Elen schaut stirnrunzelnd zu ihr. »Der war ein Mann!«

»Eben.«

»Also ich finde, dass sie sehr fit aussieht«, sagt Elen, die das Gefühl hat, Pam verteidigen zu müssen. Sie sieht gar nicht wie ein Mann aus, hat bloß einen praktischen Kurzhaarschnitt. Wie alle Teilnehmer hat sie eine helle Hose mit großen Seitentaschen und einen leuchtend orangefarbenen Fleecepulli an, auf dessen Rückseite ihr Name aufgedruckt ist. Pams Hosenbeine sind aufgekrempelt, bemerkt Elen. Sie hätten dem armen Ding wenigstens eine passende Hose geben können.

»Was soll denn eine Fachkraft für frühkindliche Erziehung sein?«, fragt Ffion, als Aliyah Brown auf dem Bildschirm erscheint und lächelnd die perfekten Zähne in Richtung der anderen Teilnehmer bleckt.

»Sie arbeitet in einer Kita«, erklärt Caleb.

»Warum sagen sie das nicht einfach?«, fragt Ffion. »Ich schätze, mich würden sie ›Fachkraft für Verbrechen‹ nennen, oder?«

Caleb grinst. »Miles hat dich eher …«

»Jason Shenton«, liest Elen laut vor.»Feuerwehrmann.« Jason hat einen von diesen kleinen, sehr akkuraten Bärten, die wie aufgemalt aussehen, und Elen fragt sich, was den Teilnehmern an Haar- und Hautpflege erlaubt ist. Sie würde sich nicht als anspruchsvoll bezeichnen, aber ohne ein bisschen Retinol hat man mit Anfang sechzig keine Haut wie ihre, und darauf würde sie nicht verzichten wollen.

»Der gewinnt«, sagt Seren. »Guckt euch diese Muskeln an!«

Elen blickt zu Caleb, doch der ist entweder selbstsicher genug, um sich nichts daraus zu machen, wenn seine Freundin einen anderen Mann anhimmelt, oder er ist zu sehr auf die Sendung konzentriert. Elen tippt auf Letzteres – der Junge war außer sich vor Freude, weil er den Job ergattert hat, und man muss ihm lassen, dass er sehr fleißig dabei ist. Seren sieht ihn kaum noch, was nichts Schlechtes ist, denn diesen Monat stehen ihre A-Level-Prüfungen an.

Die nächsten beiden Teilnehmer sind Männer. Henry Moore istSteuerberater und hat den Akzent von jemandem, der viel herumgekommen ist. Er ist groß, dunkelhaarig und zwar nicht Elens Typ – schon weil er zwanzig Jahre zu jung ist –, doch bei den Zuschauerinnen ist er eine klare Konkurrenz für Jason.

»Stellt euch vor, mit einem Steuerberater in einem Camp festzusitzen.« Ffion gähnt.

»Du kannst nicht einfach einen ganzen Berufsstand abkanzeln«, sagt Elen. »Mit der Einstellung findest du nie einen Mann.«

»Sprichst du für Stolz und Vorurteil vor? Ich will keinen Mann. So einen hatte ich schon und habe mir den Kaufpreis zurückerstatten lassen.«

»Dann eben einen Freund«, sagt Elen, doch Ffion reagiert nicht. Elen seufzt. Eine Mutter wünscht sich doch nur, dass ihre Kinder glücklich sind, nicht wahr? Und Ffion bildet sich vielleicht ein, dass es ihr allein besser geht, aber das glaubt Elen nicht.

»Lieber mit einem Steuerberater als mit einem Vikar«, sagt Seren, als Reverend Lucas Taylor der Kamera zuwinkt. Seine rosigen Wangen geben ihm etwas von einer Putte, obwohl Elen schätzt, dass er in den Fünfzigern ist.

»Lucas ist übrigens echt nett«, sagt Caleb. »Ich habe ihm gestern einen Kaffee gemacht, als er angekommen ist. Mit Milch, ohne Zucker. Er hat gesagt, dass er perfekt war.«

»Du machst ja auch klasse Kaffee«, sagt Seren.

Nach fünf Minuten ist Elen schon gelangweilt. Sie denkt an all die Dinge, die sie tun sollte (Wäsche, einen Onlineeinkauf, die Abrechnung für die Ferienwohnung), und an die Dinge, die sie lieber täte (alles, nur nicht dies hier). Sie seufzt laut.

»Mam, keiner zwingt dich, das zu gucken«, sagt Seren.

»Ich will doch nur Caleb unterstützen, cariad.«

Anfangs hatte Elen Bedenken in Bezug auf Caleb. Zunächst einmal ist er Engländer, und das meint sie nicht rassistisch; trotzdem wäre ein Waliser schöner. Doch bei all seiner Londoner Großstadtvorgeschichte und den Sprüchen, die Elen nicht immer so ganz versteht, ist Caleb Northcote ein guter Junge, und er und Seren sind seit einem Jahr unzertrennlich.

»Ich kann es gar nicht erwarten, deinen Namen im Abspann zu lesen, Babe.« Seren lehnt sich vor und küsst Caleb. Ein Schwall von Emotionen überkommt Elen; wie Heimweh mitten auf einer schönen Urlaubsreise. Sie hat Ffion aufwachsen gesehen (obgleich zeitweise strittig ist, dass sie jemals erwachsen wurde), und jetzt ist Seren dran. Elen sieht verstohlen zu Ffion und stellt fest, dass auch sie Seren beobachtet und ihr Gesichtsausdruck alles spiegelt, was Elen fühlt. Die beiden Mädchen sind sich sehr ähnlich – bis hin zu dem widerspenstigen Haar und dem trotzigen Ausdruck um den Mund. Resting Bitch Face nennt Seren es. Elen verkneift sich die Bemerkung, dass es ihrer Erfahrung nach auch erstaunlich beweglich sein kann.

»Ist das schräg, jemanden im Fernsehen zu sehen, den man kennt«, sagt Ffion, als Ceri Jones auf dem Bildschirm erscheint. Halb erwartet Elen, Ceri in ihrer üblichen Postbotinnenkluft zu sehen, aber sie trägt die Camp-Uniform, und das orangefarbene Oberteil lässt ihre blasse Haut teigig wirken.

»Noch schräger ist, dass man da mitmachen will«, entgegnet Elen, der schleierhaft ist, dass sich jemand vor aller Welt zum Affen machen will. Es überrascht sie, dass sich Ceri, die als Teenager furchtbar gemobbt wurde, dem hier aussetzt, denn sie ist sonst so reserviert. Elen findet es von jeher komisch, so wenig über Ceri Jones zu wissen, während die Postbotin so viel über jeden hier weiß.

Die Bewohner von Cwm Coed haben auf dieselbe Weise von Ceris Teilnahme bei Exposure erfahren wie der Rest der Nation: durch einen aufgebauschten Onlineartikel über die »heiße« neue Realityshow. Neben dem Artikel war ein Kasten mit der Überschrift »Fünf Fakten über Nordwales« gewesen, von denen drei nicht stimmten. »Dann wirst du jetzt wohl berühmt«, hat Elen am nächsten Morgen gesagt, als Ceri ihr die Post brachte.

Ceri wurde rot. »Ich durfte nichts sagen. Nicht vor der Ankündigung.«

»Warum hast du dich da beworben?«

»Weiß ich selbst nicht so genau. Aber es ist doch ganz witzig, oder?«, antwortete Ceri und wurde noch röter. Dann blieb sie nicht einmal, um sich nach Seren zu erkundigen oder Elen eine Chance zu geben zu fragen, was Ceri und Ffion am letzten Wochenende in Liverpool getrieben hatten.

»Findet ihr nicht, dass das irgendwie nicht zu ihr passt?«, fragt Elen jetzt, als sie sieht, wie Ceri zu den anderen Teilnehmern geht. »Das zu machen, meine ich?«

»Sie denkt, dass sie gewinnen kann.« Ffion zuckt mit den Schultern. »Und wenn ja, springt ein Batzen Geld für sie heraus.«

Seren rutscht auf den Fußboden zu Caleb, der näher an den Fernseher gerückt ist. »Ich dachte, sie hat eine Sugar-Momma.«

»Seren!«, weist Elen sie zurecht, obwohl Seren fast achtzehn ist und bald von zu Hause ausziehen wird.

»Sie haben Schluss gemacht.« Ffion nickt zum Fernseher. »Können wir das jetzt bitte richtig sehen?«

»Das ist Ryan«, sagt Caleb, einen Sekundenbruchteil bevor der Name des Mannes und sein Beruf unten auf dem Bildschirm erscheinen. Ryan Francis, Software-Ingenieur.

»Der da sieht nicht aus, als wäre er eine ernst zu nehmende Konkurrenz.« Ryan geht neben Ceri her, wobei er sich auf dem felsigen Terrain merklich unsicher bewegt. Er wirkt wie jemand, der sein ganzes Leben lang zu wenig draußen gewesen ist, findet Elen. Er hat rundliche Züge und lange, dunkle Wimpern, die seine blauen Augen umrahmen. Als er sich mit einem Fuß in einem Kaninchenloch verfängt und stolpert, lacht Ceri schnaubend. Die Kamera zoomt auf Ryan, der die Tränen wegblinzelt.

»Das sieht Ceri gar nicht ähnlich«, sagt Ffion.

Aber normalerweise spielt Ceri auch nicht um hunderttausend Pfund, denkt Elen, und Geld richtet seltsame Dinge mit Menschen an.

Ryan wischt sich über das Gesicht.

»Twitter wird ihn vernichten.« Seren spricht mit der resignierten Gewissheit ihrer Generation. »Vielleicht gebe ich ihm eine Mitleidsstimme.«

»Für ein Pfund zwanzig plus Netzanbietergebühren? Das darfst du gerne von deinem eigenen Telefon aus machen.« Elen wird nicht abstimmen, obwohl sie, wenn sie müsste, es für die Schulleiterin täte. Die Frau gefällt ihr. Die Teilnehmer sind kaum in dem Camp angekommen, da übernimmt Pam Butler schon ganz schnell die Aufgabenverteilung.

»Henry und Jason, ihr macht Feuer. Aliyah, Süße, ist es okay für dich, wenn du mit Lucas die Betten herrichtest?« Sie stemmt die Hände in die üppigen Hüften und schaut sich um. »Siehst du den mit ›Vorräte‹ beschrifteten Schrank, Ryan? Schau doch mal nach, was wir zum Mittagessen machen können.«

»Fällt euch auch auf, dass sie alle anderen zum Arbeiten verdonnert?«, fragt Ffion spitz. »Typisch Lehrerin.«

Ein lauter Schrei lässt sie alle zusammenfahren – im Fernseher wie auch in Elens Wohnzimmer. Aliyah kommt aus dem Frauenzelt geschossen und wirft sich dem nächstbesten Mann in die Arme: dem Steuerberater Henry Moore.

»Da ist eine riesige Spinne!« Sie erschaudert und wischt an sich herum, als würde es auf ihr von Spinnen wimmeln. »Hol die da raus, bitte! Ich kann nicht in dem Zelt schlafen, wenn da Spinnen sind!«

Seren schnaubt verächtlich. »Die hält sich nicht lange.«

Henry legt einen Arm um Aliyah und drückt sie. »Ich kümmere mich darum.«

Die Kamera wechselt zum Zeltinneren, als Henry hineingeht und sich umblickt.

»Solche Shows haben normalerweise Dutzende Cutter«, sagt Caleb mit der geballten Erfahrung von vierzehn Tagen in der Branche. »Aber Miles macht das richtig schlau. Er und ein anderer Cutter haben Wochen mit der Schablone für die Show verbracht, sodass er jetzt richtig schnell Filmmaterial einfügen kann. Storyboarding heißt das. Und er arbeitet wie irre. Jeden Morgen geht er laufen, aber sonst sitzt er am Schreibtisch, so von sechs Uhr morgens bis nach der Ausstrahlung.«

Im Fernsehen schüttelt Henry Bettdecken aus, bückt sich und nimmt etwas mit den Händen auf.

»Die Leute sagen, Miles ist ein Kontrollfreak, aber ich finde ihn genial. Und er ist echt korrekt. Dass er mich zum Beispiel im Abspann nennen lässt, das ist riesig. Damit tun sich mir wirklich Türen auf.«

In dem Camp hat Henry die Spinne entfernt und wird wie ein Held von Aliyah umarmt.

»Ich weiß, dass es erbärmlich ist«, sagt sie. »Aber wie diese Beine alle …« Sie quiekt bei dem Gedanken daran.

Henry lacht leise. »Jeder hat vor irgendetwas Angst. Mach dir nichts draus.«

»Wovor hast du Angst?«, fragt Aliyah.

»Ich? Wasser.« Henry wirkt verlegen. »Als Kind bin ich fast mal ertrunken.«

»Oh Gott!« Aliyah presst sich eine Hand auf die Brust. Es sieht so aus, als wolle sie mehr fragen, aber die beiden werden von Jason gerufen, der einen Spaten gefunden und beschlossen hat, dass sie eine Feuergrube brauchen.

»Da haben sie Knochen gefunden«, sagt Caleb.

»Knochen?« Elen sieht Ffion an. »Hast du das gewusst? Es könnte ein Tatort sein.«

»Danke für den Hinweis, Mam.«

Sie werden von einer glamourösen Brünetten abgelenkt, die auf dem Bildschirm erscheint. »Willkommen …«, die Frau legt eine dramatische Pause ein, »auf dem Drachenberg!«

Der Teilnehmerjubel wird von einem kollektiven Er heißt Pen y Ddraig! aus Elens Wohnzimmer übertönt, und Elen glaubt, dass es in jedem Haus in Cwm Coed genauso zu hören ist. Drachenberg, von wegen. Bobl bach!

»Sie wollten den walisischen Namen nehmen«, erklärt Caleb. »Aber Roxy konnte den nicht richtig aussprechen.«

»Wenn sie es nicht mal sagen können, haben sie da auch nichts zu suchen«, bemerkt Elen spitz.

»Meine Damen und Herren.« Roxy Wilde zwinkert. »Ihr denkt, dass ihr hier eine Survivalshow macht, nicht?« Einige Teilnehmer rufen Ja!, andere wechseln unsichere Blicke. Und Roxy bringt genüsslich ihre Pointe: »Falsch.«

»Was meint sie?« Elen wartet, dass Caleb es erklärt, aber der Junge sieht genauso verwirrt aus wie die drei Frauen.

»Jeder von euch hat ein Geheimnis«, sagt Roxy. »Etwas, das er oder sie unbedingt vor Freunden und Angehörigen verbergen will.« Die Kamera fährt ran, als sie die sieben Teilnehmer verschlagen angrinst. »Ihr kämpft hier nicht um eine Siegerprämie. Ihr kämpft darum, euer Geheimnis zu wahren. Um die Bloßstellung zu vermeiden.«

»Ach du Scheiße«, sagt Ffion.

Seren stößt ein kurzes, erschrockenes Lachen aus und blickt zu Caleb. »Das hast du gar nicht erzählt.«

»Ich … ich durfte nichts sagen«, verteidigt sich Caleb, aber Elen sieht ihm an, dass er peinlich berührt ist. Er wendet sich ab. Vielleicht ist er ein bisschen gekränkt, weil ihn das »kreative Genie«, das er so vergöttert, nicht in das große Geheimnis der Show eingeweiht hat.

»Euer Ziel«, fährt Roxy fort, »ist es, die vierzehn Tage durchzustehen, ohne dass euer Geheimnis enthüllt wird. Wer nach der letzten Folge noch steht, erhält ein Preisgeld von unglaublichen hunderttausend Pfund – für jeden!«

»Das können die doch nicht tun, Ffion bach, oder?«

»Ich würde sagen, sie tun es schon, Mam.«

Roxy hat einen Metallkasten aufgenommen, den sie mit einem Vorhängeschloss an einen hölzernen Sockel nahe der Stelle kettet, an der Jason und Henry die Feuergrube geschaufelt haben. Dann dreht sie sich wieder zur Kamera. »In diesem Kasten sind die Geheimnisse aller Teilnehmer, und ihr könnt abstimmen, welcher Teilnehmer bloßgestellt werden soll.«

»Oh Gott, stimmen wir ab, dass Lucas bloßgestellt wird!«, sagt Seren. »Ich wette, der ist pervers – sind Vikare doch immer.«

Elen wird übel. Wer hat sich so etwas Krankes ausgedacht? Und wie konnte das zugelassen werden? Sie will rausgehen, kann sich aber nicht rühren, weil diese Abscheulichkeit sie zu sehr bannt.

»Es kann laufend abgestimmt werden, und wir entscheiden, wann der bei den Zuschauern unbeliebteste Kandidat in die Beichtkammer geschickt wird.« Roxy grinst. »Ich kann euch sagen, dass wir einige Tricks auf Lager haben, wie wir euch zum Geständnis bringen …« Die Kamera vollführt einen schwindelerregenden Schwenk zu einem winzigen, fensterlosen Raum, in dem sich lediglich ein thronartiger, am Boden fixierter Stuhl befindet. Im ersten Bild fließt Wasser in den Raum; im nächsten huschen Ratten über den Stuhl. Danach folgen Spinnen, dann Schlangen und schließlich Kakerlaken. Plötzlich flattern Flügel, gefolgt von einem leuchtend roten Blutspritzer. Die nächste Aufnahme zeigt die Kammer von außen, und Elen sieht, dass sie eng wie ein Sarg und halb in den Boden eingelassen ist. Sie erschaudert bei dem Gedanken, dadrin gefangen zu sein.

Roxy Wilde rattert die Regeln herunter. Jeder Teilnehmer kann täglich versuchen, Immunität zu gewinnen, indem er jemand anders bloßstellt, doch sollte er sich hierbei vertun, muss er in die Kammer und drei Minuten lang seine persönliche Hölle ertragen.

»Das ist grausam«, haucht Seren, und dennoch juchzen die Teilnehmer im Fernsehen vor Aufregung.

»Los geht’s!«, ruft Jason.

»Ich bin so was von bereit!«, sagt Aliyah.

Roxy blickt in die Kamera. »Was haben unsere Teilnehmer zu verbergen? Schaltet morgen Abend wieder ein, und findet es heraus!«

Während der Abspann läuft, sehen sich Elen, Seren und Ffion stumm vor Schock an.

Schließlich stößt Ffion einen Pfiff aus. »Arme Ceri. Denkt ihr, sie hat das geahnt?«

»Das bezweifle ich«, sagt Elen. »Mir kommt es eher vor, als hätte keiner es gewusst. Stimmt das, Caleb?«

Aber Caleb ist auf den Bildschirm konzentriert und wartet auf seine Nennung, die seine Fernsehkarriere anstoßen wird. Er blinzelt hektisch, als die Musik endet, und dreht sich verwirrt zu Seren um. »Er war nicht da. Mein Name war nicht da.«

Seren steht der Mund offen. »Dieser Arsch.«

Elen weist sie nicht zurecht. Sie sieht zu Ffion und erkennt, dass sie beide dasselbe denken: wie sie sich fühlen würden, sollten ihre Geheimnisse enthüllt werden. Und wie sich die Männer und Frauen oben auf dem Pen y Ddraig bei der Aussicht auf öffentliche Erniedrigung fühlen.

»Er hat es mir versprochen.« Caleb ist den Tränen nahe. »Er hat gesagt, dass das Budget keinen festen Lohn für mich hergibt, ich aber als Produktionsassistent genannt werde.«

»Blöder W…«

»Diolch ynfawr, Seren Morgan, das reicht.« Elen geht zum Fernseher und schaltet ihn aus. »Tja, keiner, der einen Funken Anstand im Leibe hat, schaltet diesen Quatsch morgen wieder ein …«

Ffion lacht spöttisch. »Den haben die Leute nicht, Mam. Heute gucken die Leute Realityshows, deren Vorfahren ihr Strickzeug mit zu einer Hinrichtung genommen haben. Halb Großbritannien wird das morgen einschalten und unbedingt sehen wollen, wie jemandes Leben in Fetzen gerissen wird.« Sie schüttelt sich, als würde sie sich bei dem Gedanken schmutzig fühlen. »So viel steht fest: Einen Haufen alter Knochen zu finden, wird noch ihr kleinstes Problem sein.«

VIER

DIENSTAG | FFION

Natürlich ruft DI Malik am nächsten Morgen um halb elf bei Ffion an. »Wo zum Teufel stecken Sie?«

»Zu Hause.«

»Sagen Sie mir bitte, dass Sie nicht noch im Bett sind.«

Ffion sieht zu Dave, der zu ihren Füßen auf der Bettdecke ausgestreckt ist. »Ich bin nicht mehr im Bett.« Auf dem Bett zu liegen ist etwas völlig anderes, denkt sie. »Ich mache den Fallbericht zu der Proctor-Sache fertig und dachte, das geht besser, wenn ich nicht dauernd unterbrochen werde.« Tatsächlich hat sie den Bericht auf ihrem Bildschirm; gleich hinter der E-Mail an ihren Vermieter, in der sie ihm anbietet, einer Mieterhöhung um die Hälfte dessen zuzustimmen, was er mehr bekäme, würde er ihr Zuhause als Ferienunterkunft vermieten.

»Ich brauche Sie wieder bei dem Farmhaus. Georgina ist schon unterwegs.«

»Chef, wenn diese Knochen menschlich sind, fresse ich …«

»Ein Teilnehmer von Exposure wird vermisst.«

 

Auf der Fahrt nach Felignwm Isaf fallen einige Regentropfen auf Ffions Windschutzscheibe, und als sie auf die einspurige Straße nach Carreg Plas einbiegt, setzt Nieselregen ein. Georgina wartet mit einem Kaffeebecher in der Hand in der Einfahrt auf sie, und vergebens sucht Ffion nach einem zweiten. Leo und sie hatten eine ungeschriebene Regel eingeführt, als sie letztes Jahr gemeinsam im Mordfall Rhys Lloyd ermittelten: Der Erste vor Ort bringt den Kaffee mit.

Georgina operiert offensichtlich nach anderen Regeln.

Verdammt, jetzt denkt sie an Leo. Ffion bemüht sich sehr, nicht an Leo Brady zu denken. Es war alles so gut gelaufen, bis sie es komplett ruiniert hat. Ffion glaubt nicht an »den Einen« – wie kann es in einer Welt mit acht Milliarden Menschen nur einen geben, der perfekt passt? –, aber Leo und sie hatten auf eine Weise zusammengepasst, wie Ffion es nicht für möglich gehalten hätte. Es hat ihr Angst gemacht, weil es sich so groß anfühlte und es so wichtig war, dass sie es nicht versaute. Als der Fall abgeschlossen war, hatte Leo ihr geschrieben »Gehst du mit mir essen?«, und sie starrte auf die Textnachricht, bis ihr die Sicht verschwamm. Sie wusste, was sie wollte, konnte es aber nicht sagen, und je länger sie es nicht aussprach, desto schwieriger wurde es, überhaupt etwas zu sagen. Er hat ihr nie wieder geschrieben. Das war sie gewesen, ihre einmalige Chance. Und Ffion hat sie vergeigt.

»Der Vermisste ist Ryan Francis«, sagt Georgina, die auf das Haus zugeht.

»Guten Morgen«, sagt Ffion betont.

Georgina ist vor drei Monaten in Ffions Abteilung gekommen und verriet nicht, warum sie von einem trubeligen Major Crime zum relativ ruhigen Bryndare Criminal Investigation Department wechselte.

»Was ist ihre Geschichte?«, hatte Ffion DI Malik gefragt, als er ihr das neue Teammitglied ankündigte.

»Nicht jeder hat eine Geschichte, Ffion«, antwortete er. Ffion glaubte ihm nicht. Jeder hat eine, und wenn Malik ihr Georginas nicht verraten wollte, musste sie sich eben an die Quelle wenden.

»Wie kommt es, dass du weg bist von Major Crime?« Sie hatte vorgehabt, es behutsam anzugehen, indem sie der Neuen ein Mittagessen in der Kantine spendierte, aber Georgina hatte sich Sandwiches von zu Hause mitgebracht und aß an ihrem Schreibtisch.

»Ich wollte einfach eine Veränderung.«

»Das Pendeln ist grausam.«

»Nein, ich bin umgezogen.«

»Hast du hier Verwandte? Freunde?« Leute zogen weg aus Bryndare, nicht hin.

»Nein«, sagte Georgina so frostig, dass nicht einmal Ffion wagte, es noch einmal zu versuchen. Eines aber stand für sie fest: Georgina Kent hat definitiv eine Geschichte.

 

Roxy Wilde trägt Jeans und ein weißes Trägertop und zieht ihre sehr große Strickjacke fester um ihre Mitte, als sie die Tür öffnet. Ohne die schimmernden Locken und das Make-up ist sie kaum als die schillernde Moderatorin aus der ersten Folge von Exposure wiederzuerkennen.

»Das war ja eine ziemlich unerwartete Wendung gestern Abend«, sagt Ffion.

»Ja, so ist Reality-TV eben.« Roxys Lächeln erreicht ihre Augen nicht. »Man weiß nie, was kommt.«