Spiel ohne Regeln (Perimeterverteidigung Buch 4): LitRPG-Serie - Michael Atamanov - E-Book

Spiel ohne Regeln (Perimeterverteidigung Buch 4): LitRPG-Serie E-Book

Michael Atamanov

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Beschreibung

Das Imperium gerät aus den Fugen. Die Großen Häuser verweigern der Thronwelt den Gehorsam und treffen immer häufiger eigene politische Entscheidungen. Selbst die loyalsten Sternsysteme im Kernland des Imperiums spüren die Schwäche der Zentralregierung und leisten den Anweisungen von oben nicht mehr Folge. Ist all das nur eine Verkettung von Zufällen oder vielmehr eine gezielte Kampagne? Kann eine starke Führungspersönlichkeit die gespaltene Menschheit einen, um die Invasion der Aliens zurückzuschlagen? Wer unter den zahlreichen Akteuren der intergalaktischen Politik wäre dieser Aufgabe gewachsen? Und was steckt hinter den hartnäckigen Gerüchten, dass einflussreiche Aristokraten mit dem Feind gemeinsame Sache machen und sich den Aliens angeschlossen haben? Dieses Buch ist das letzte der Reihe und beantwortet sämtliche Fragen, darunter auch die wichtigste von allen: „Was hat es mit Perimeterverteidigung wirklich auf sich?“

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Inhaltsverzeichnis

Kräfteverhältnis

Verwandtschaftsverhältnisse

Notlandung

Blutrünstiger Rächer

Dritte Kraft

Kartenhaus

Die schwarze Wolke löst sich auf

Blautöne

Unbekannte Flotte

Ratte in der Falle

Zwei Minuten

Unbezwingbare Armada

Dunkle Wege

Feind des Imperiums

Atempause vor dem Sprung

Suche nach Antworten

Endgegner

Epilog

Über den Autor

Spiel ohne Regeln

Roman

von Michael Atamanov

Perimeterverteidigung

Buch 4

Magic Dome Books

Spiel ohne Regeln: Perimeterverteidigung, Buch 4

Originaltitel: A Game with No Rules: Perimeter Defense, Book 4

Copyright ©M. Atamanov, 2017

Covergestaltung ©V. Manyukhin, 2017

Deutsche Übersetzung © Annika Tschöpe 2021

Lektor: Lilian R. Franke

Erschienen 2021 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00 Praha 9

Czech Republic

IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Kräfteverhältnis

„WIE GEHT ES IHR?“, fragte ich Miya, als sie in den kleinen Speisesaal kam. Ich war mir sicher, dass sie wusste, wen ich meinte – und wenn nicht, konnte sie das als Wahrheitssucherin aus meinen Gedanken lesen.

Meine Frau wirkte heute auffällig unausgeruht. Trotz aller Kosmetika und der teuren Kleidung sah ich die dunklen Ringe unter ihren Augen, die ihr vor Erschöpfung fast zufielen. Machte sich etwa das Alter bemerkbar? Vielleicht hatte Miya mittlerweile Mühe, ihr jugendliches Aussehen zu bewahren, denn immerhin war sie bereits ... Wie viele Jahre zählte sie nun? 130? 150? 200?

„Schon gut, schon gut, Georg. Das reicht!“, protestierte die schöne Rothaarige und bewies damit einmal mehr, dass sie ungeniert meine Gedanken las. „Ich habe verstanden. In Zukunft komme ich erst zum Frühstück, wenn ich mich richtig hergerichtet habe. Allerdings bin ich wirklich sehr müde. Gespräche mit der Dunklen Mutter fand ich schon immer sehr anstrengend, und unsere letzte Unterhaltung hat mir fast alle Lebenskraft geraubt.“

„Wie geht es ihr?“, wiederholte ich meine ursprüngliche Frage.

„Mit der Dunklen Mutter geht es langsam zu Ende, Georg. Ihr altersschwacher Körper will nicht mehr. Sie ist sehr hinfällig und versucht erst gar nicht, ihr Bett zu verlassen. Trotzdem ist sie nach wie vor die stärkste Wahrheitssucherin in der Galaxie und kann mit der bloßen Kraft ihres Geistes jeden Schädel wie ein weichgekochtes Ei zerquetschen. Seit sie sich mit dem Imperator überworfen hat, fehlt ihr die Machtquelle, sodass sie jetzt von ihren Reserven lebt. Wie lange diese reichen werden, wissen weder ich noch sie. Ehrlich gesagt ist mir immer noch nicht klar, wieso die Dunkle Mutter unbedingt ein Ferngespräch mit mir führen wollte. Wir haben weder über ihr Schicksal noch über den Imperator geredet. Auch politische Themen haben wir nicht angeschnitten. Ich habe mich lediglich eine halbe Stunde lang mit einer schwachen Alten unterhalten, die nach einem sehr langen Leben zu Tode erschöpft ist, und trotzdem fühle ich mich jetzt wie eine ausgepresste Zitrone. Mir ist, als hätte ich gerade eine wichtige Prüfung gehabt und leider nicht bestanden.“

Während ich über Miyas Worte nachdachte, bat ich meine Gattin zu mir an den Esstisch, doch sie ging stattdessen zu einem großen Wandspiegel. Meine Gedanken über ihr Alter hatten sie offenbar gekränkt, sodass sie sich jetzt vergewissern wollte, ob ich recht hatte. Ich grübelte weiter über Miyas Bericht nach. Die Dunkle Mutter hatte nie zu Plaudereien geneigt. Ganz im Gegenteil, die mächtigste aller Wahrheitssucherinnen war bekannt dafür, dass sie nur selten sprach. Einst galt ein Wort von ihr als Befehl, weil jeder wusste, dass aus ihrem Mund der Herrscher des Imperiums sprach.

Seit drei Monaten jedoch war alles anders. Ich gehörte zu den wenigen, die die Wahrheit über den Konflikt zwischen dem Imperator und der Dunklen Mutter kannten. Das übrige Imperium dagegen war von den Ereignissen geradezu schockiert. Alles hatte mit einem Videoclip begonnen, auf dem zu sehen war, wie die Wachposten des Imperators meine Leibwächter und meine Cousine, Herzogin Katerina ton Unatari, gnadenlos zusammenschossen, während die sonst so ruhige Dunkle Mutter fanatisch kreischend nach meinem Kopf verlangte.

Die Aufnahmen vom grundlosen Angriff auf Kronprinz Georg royl Inoky ton Mesfelle – den Helden aus dem Krieg gegen die Aliens, Herrscher des Staates Unatari und loyalen Untertan des Imperiums, der zu den beliebtesten Militärkommandanten zählte - hatte für große Aufruhr gesorgt und das Vertrauen der Gesellschaft in die Unfehlbarkeit des Imperators erschüttert. Viele führende Aristokraten und Politiker hatten diesen Vorfall verurteilt, darunter auch die Oberhäupter der Großen Häuser Blau, Purpur und Grün sowie die Vertreter des Vereinigten Generalstabs des Imperiums, und die meisten Bürger des Imperiums hatten das strenge Ultimatum, mit dem ich reagierte, als berechtigt empfunden.

Was daraufhin geschehen war, hatten viele jedoch für unmöglich gehalten. Selbst ich war verblüfft gewesen, als Imperator August royl Toll ton Akad zurückgerudert war und sich offiziell für den Angriff auf die Gesandtschaft aus Unatari entschuldigt hatte. Er hatte sogar versprochen, mich für die Ermordung meiner Diplomaten und die Zerstörung meiner Yacht Königin der Sünde mit fünf Milliarden zu entschädigen. Der Imperator hatte behauptet, die Dunkle Mutter wäre die treibende Kraft hinter dem Blutbad im Silberpalast gewesen und hätte die Situation aufgrund ihrer uralten Panik vor nichtmenschlichen Rassen nicht richtig eingeschätzt. August hatte erklärt, er wäre wider seinen Willen Opfer der Dunklen Mutter geworden und blind ihrem Rat gefolgt, wie er es sich in drei langen Jahrhunderten vertrauensvoller Zusammenarbeit angewöhnt hatte. In seiner Ansprache an das Volk hatte der Imperator verkündet, er hätte die Dunkle Mutter unehrenhaft entlassen und seine neue Wahrheitssucherin wäre nun Krista, die bislang für die Herrscherin von Haus Blau, Herzogin Ovella royl Stok ton Miro, gearbeitet hatte.1

Ich hatte dem Imperator sein Bedauern nie abgekauft, nicht vor drei Monaten und ganz sicher nicht jetzt. August royl Akad hatte schlichtweg nicht damit gerechnet, dass die Öffentlichkeit so heftig reagieren würde oder dass es mir gelingen könnte, der Verhaftung zu entgehen und aus dem Silberpalast zu entkommen. Er hatte in einer Zwickmühle gesteckt: Entweder würden mindestens Unatari und Haus Grün das Imperium verlassen, oder er musste seine Schuld eingestehen. In dieser Situation hatte er sich für eine dritte Alternative entschieden und die Dunkle Mutter zum Sündenbock gemacht, um selbst ungeschoren davonzukommen.

Eine Zeitlang hatte das den Zorn im Imperium tatsächlich dämpfen können, obwohl die Großen Häuser der Thronwelt nie wieder so uneingeschränkt vertrauten wie zuvor. Ich selbst hatte sofort Verdacht geschöpft, als die Thronwelt nicht bereit war, mir meine Entschädigung in Schiffen und Ersatzteilen zu zahlen statt in Geld. Daraufhin hatte ich angeboten, stattdessen meinen Sohn Georg Junior offiziell zum Kronprinzen des Imperiums zu ernennen. Dieser Weg zur Versöhnung hätte den Imperator keinen einzigen Guthabenpunkt gekostet, aber dennoch hatte er mir auch das verweigert.

Und als meine Fachleute für die neuen Schlachtschiffe und Angriffskreuzer schwere Laserkanonen und Warp-Antriebe aus Fertigungsanlagen im Kernland des Imperiums hatten bestellen wollen, war jegliche Belieferung ohne nähere Begründung verweigert worden. Obwohl kein offizielles Embargo verkündet worden war, durfte an den Staat Unatari offenbar keine Hightech-Militärausrüstung verkauft werden. Diese Manöver der Thronwelt hatten nicht dazu beigetragen, dass die Wogen sich geglättet hatten, und es kam für mich nicht infrage, meine Tochter Likanna zurück zu ihrer Schule in die Thronwelt zu schicken. Deshalb hielten sich sowohl Kronprinzessin Likanna royl Georg ton Unatari als auch ihre beste Freundin Kronprinzessin, Natalie royl Cruz ton Unatari, weiterhin in Unatari auf.

Likanna war mittlerweile auch zum Frühstück erschienen, und zwar in einem flauschigen Pyjama, der mit albernen Comicfiguren verziert war, und riesigen Plüschpantoffeln an den nackten Füßen. Ich wollte die junge Prinzessin gerade darauf hinweisen, dass Mädchen in ihrem Alter sich angemessen anziehen sollten, bevor sie zu Tisch kamen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Hinter Lika tauchte nämlich Prinzessin Astra in einem fast identischen Aufzug auf – kuscheliger, weißer Schlafanzug mit rosa Fröschen und kleinen, grauen Eseln, Plüschslipper, auf denen riesige Kulleraugen prangten, und auf dem Kopf eine Kapuze mit langen Hasenohren.

„Hallo, Papa!“, sagte Lika, drückte mir rasch einen Kuss auf die Wange und ließ sich im Schneidersitz auf einem hohen Stuhl nieder. „Hast du schon gehört? Astra gehört jetzt das Studio, in dem die Serie Jeanne die Sternenreisende produziert wird. Du weißt doch, vor anderthalb Jahren haben wir das Geld für ihr Gemälde Der letzte Tag von Veyerde in eine neue Staffel über Weltraumfrosch Jeanne investiert. Tja, es hat sogar für zehn neue Staffeln gereicht, und die sind einfach toll! Mit dem Geld, das wir damit verdient haben, konnten wir uns die Mehrheit an dem Studio kaufen.“

Ich sah Astra an, die strahlend lächelte. Ihre schneeweißen Zähne blitzten, das helle, wellige Haar war noch vom Schlaf zerzaust, und in ihren Augen funkelte kindliche Begeisterung. Die Prinzessin war so glücklich und stolz, dass ich mir in diesem Augenblick des Triumphs eine Bemerkung über ihre unpassende Kleidung verkniff.

Astra war mittlerweile eine erwachsene Frau, die hingebungsvolle Mutter eines sieben Monate alten Jungen, die eine hervorragende Ausbildung genossen hatte und die höfische Etikette bis ins kleinste Detail beherrschte. Dennoch konnte ich mich nicht dazu durchringen, sie wie eine Erwachsene zu behandeln. Ihr Wesen war eine seltsame Mischung aus Scharfsinn, Naivität und Schlichtheit. Und das war nicht gespielt oder aufgesetzt, sondern die Prinzessin lebte wirklich in ihrer eigenen kleinen Welt, in der alles, was sie nicht interessierte oder nicht unmittelbar betraf, nicht existierte. Vermutlich wusste Astra gar nichts von meinen Problemen mit dem Imperator, weil es dabei um Politik ging, mit der sie nichts zu tun hatte und die ihr egal war.

Seit der Zerstörung von Veyerde hatte Astra keinen Anspruch mehr auf den Titel Prinzessin, deshalb hatte ich sie der Ordnung halber vor drei Monaten zur Schwarmprinzessin ernannt und ihr Ländereien im System Uyakh zugeteilt. Ich hatte erwartet, als Herrscherin würde sie sich ein Team aus Wirtschafts-, Planungs- und Bauberatern zusammenstellen, doch Astra hatte als Allererstes angefangen, die Sprache der Iseyeks zu lernen. Zwar galt die Insektensprache aufgrund der geringen Anzahl an Wörtern und grammatischen Regeln als recht einfach, doch viele der hochfrequenten Laute ließen sich mit menschlichen Sprechorganen nicht nachbilden. Trotz aller Warnungen hatte Astra sich jedoch nicht von ihrem Plan abbringen lassen.

Zwar war es für mich nachvollziehbar, dass die Herrscherin eines Sternsystems ihre Untertanen ohne die Hilfe von Dolmetschern verstehen wollte, doch damit hatte Astra sich nicht zufriedengegeben. Schon einen Monat später hatte sie ihre Sprachkenntnisse für ausreichend gehalten, war ins intergalaktische Kommunikationszentrum auf meinem Flaggschiff Dicke Joan gegangen und hatte von den Offizieren eine Direktverbindung zum Sternsystem Uyakh verlangt. Ich selbst war damals in Sektor Neun mit wichtigen Trainingseinheiten für meine Weltraumflotte beschäftigt und hatte erst im Nachhinein vom Abenteuer meines Lieblings erfahren.

Bionica und Phobos, die mit Astras schrecklichem Akzent schwer zu kämpfen hatten, hatten mir die Rede der Prinzessin übersetzt. Als ich hörte, welchen Blödsinn sie auf dem Podium von sich gab, hatte ich förmlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Mein Liebling hatte die Idee, den Planeten Uyakh-IV zu einer Wohlfühloase und zum allersichersten Ort im gesamten Universum umzugestalten. Sie wollte überall Parks und Grünflächen sehen und regte an, alle schmutzigen Fabriken vom Planeten zu beseitigen und dort stattdessen viele Museen für interplanetare Kunst zu errichten. Außerdem wollte Astra auf ihrem Planeten die größte Kunstakademie bauen lassen, die Kunstschaffende aus der gesamten Galaxie aufnehmen sollte. Dort würde ihr kostbarer Sohn später einmal das Malen lernen ...

Allerdings war der Planet Uyakh-IV eines der Haupt-Produktionszentren des Schwarms, und die innovativen Einfälle der Prinzessin hätten die Schließung Tausender Fabriken und anderer Einrichtungen bedeutet, in denen Hightech-Produkte hergestellt wurden, die der Schwarm und der ganze Staat Unatari brauchten. Deshalb hatte ich erwartet, dass Astras unberechenbare Rede schlimme Konsequenzen haben würde, doch dazu war es nicht gekommen. Die 14 Milliarden Bewohner des Planeten Uyakh-IV hatten sich den Vortrag der neuen Herrscherin ihres Sternsystems aufmerksam angehört, wussten ihre Fürsorge zu schätzen und reagierten mit einer deutlichen Verbesserung der Beziehung zu allen Rassen des Schwarms. Mehr war nicht geschehen.

Wie ich später von Admiral Kheraisss Vej erfuhr, der selbst von Uyakh-IV stammte, galt die Weiße Königin, wie der Schwarm Prinzessin Astra nannte, als gütige, aber exzentrische und etwas dumme Begleiterin des eigentlichen Herrschers. Die Iseyeks sahen sich verpflichtet, Astra zu bewundern, ihre Eigenarten hinzunehmen und sie vor allzu leichtsinnigen Handlungen zu bewahren. Allerdings hielten sie es nicht für notwendig, ihre Anweisungen zu befolgen. Die Insekten sahen Astras Pläne sehr skeptisch, und sämtliche Fabriken auf dem Planeten waren noch in Betrieb. Meine Cousine Katerina drückte das etwas drastischer aus: „Die Iseyeks haben einen Schwachsinns-Sensor.“ Der Schwarm verhielt sich deutlich vernünftiger als befürchtet und ignorierte die seltsamen Befehle einfach.

Ja, Astra taugte nicht zur seriösen, respektablen Politikerin. Dafür wurde mein Liebling von den Einwohnern Unataris, sowohl Insekten als auch Menschen, innig geliebt. Wo immer sie auftauchte, begrüßte man sie mit Applaus und großen Blumensträußen. Und das stand in krassem Gegensatz zu meiner angetrauten Ehefrau Miya – in der Terminologie des Schwarms die Rote Königin –, die respektiert und vielleicht auch gefürchtet wurde, aber nicht geliebt.

„Komm schon, Georg, das reicht jetzt! Meinst du, solche Vergleiche höre ich gern?“

Die Empörung der Königin ließ mich auflachen. Sie war selbst schuld. Wenn sie meine Gedanken nicht lesen würde, müsste sie sich nicht darüber ärgern. Aber ich konnte über meine Frau nicht klagen. Sie hatte keine Schwierigkeiten mit meinem Liebling, weil sie Astra nicht einmal annährend als ernste Rivalin sah. Und Astra, die bald erkannt hatte, dass die Königin von Unatari ihr trotz ihres schrecklichen Rufs nicht nach dem Leben trachtete, nahm Miya ungerührt hin wie ein Möbelstück oder einen der vielen Leibwächter des Monarchen. Vor drei Monaten hatten die Königin und mein Liebling in einem vertraulichen Gespräch gewisse Regeln festgelegt, nach denen sie friedlich zusammenleben wollten. Einzelheiten waren mir jedoch nicht bekannt.

„Was meinst du mit Einzelheiten?“ Meine Gattin mischte sich schon wieder in meine Gedanken ein. „Meine vielsagenden Andeutungen hat die Prinzessin leider nicht verstanden, deshalb musste ich Astra klipp und klar befehlen, sich von Doktor Nicosid Brandt schnellstmöglich das allerbeste Verhütungsmittel zu besorgen. Ich habe ihr versichert, dass sie von mir nichts zu befürchten hat, solange sie das Mittel wie verordnet einnimmt. Und wenn sie gegen diese Regel verstößt, tja …“

Da Miya nicht weitersprach, vergewisserte ich mich, was Astra drohte.

„Georg, du weißt doch ganz genau, dass ich dir ein Versprechen gegeben habe und deinem Liebling deshalb nichts antun kann. Aber das muss Astra nicht wissen. Sie nimmt sich viel zu viel heraus und hat sich in deiner Kabine richtiggehend eingenistet. Deine Gemächer verlässt die Prinzessin im Grunde nur, wenn sie mit ihrem Sohn im Spielzimmer ist.“

Ich ging zur Königin von Unatari, die missmutig ihr Spiegelbild betrachtete, und legte sanft die Arme um sie.

„Miya, reg dich nicht auf“, sagte ich dann so leise, dass Likanna und Astra es nicht hörten. „So lebt Astra seit ihrem ersten Tag in meinem Gefolge. Sie findet das ganz normal und ahnt gar nicht, dass du dich über sie ärgerst.“

Meine Erklärung wurde durch ein Signal unterbrochen.

„Majestät, eingehender Anruf aus der Thronwelt“, meldete der Kommunikationsoffizier. „Die Dunkle Mutter möchte mit Ihrer zweiten Wahrheitssucherin Florianna ton Veyerde sprechen. Soll ich sie durchstellen?“

Diese Frage war eine reine Formalität – konnte man einer so mächtigen Wahrheitssucherin eine Bitte abschlagen? Natürlich stimmte ich zu. Meine Gattin, die ihren Verjüngungsprozess abgeschlossen hatte, drehte sich zu mir um. Ihr jetzt makellos junges Gesicht wirkte besorgt.

„Georg, das gefällt mir nicht. Die Dunkle Mutter führt sicher etwas im Schilde, ich traue ihr nicht. Das Gefühl, dass Gefahr droht, wird seit Wochen immer stärker, und jetzt ist es geradezu unerträglich. Schon bald wird etwas Unwiderrufliches geschehen.“

Ich zweifelte nicht an der Vorahnung meiner erfahrenen Wahrheitssucherin. Auch mir war aufgefallen, dass in der Politik des Imperiums in den letzten paar Tagen eine seltsame Ruhe eingekehrt war. Das gab mir ein ungutes Gefühl, denn normalerweise geschah jeden Tag irgendetwas – Aristokraten hatten Streit und versöhnten sich wieder, „ewige“ Allianzen wurden gebildet und gelöst, es gab Berichte von den Fronten, an denen Haus Purpur und Haus Blau mit wechselndem Erfolg gegen die Invasion der Aliens kämpften. Jetzt jedoch war es, als herrschte Ruhe vor dem Sturm.

Ich wandte mich zum Tisch um, der gerade unter dem wachsamen Blick meines Butlers Bryle gedeckt worden war. Jetzt hatte ich keinen Appetit mehr auf ein Frühstück.

„In vier Tagen sollte eine Konferenz der Flottenkommandanten von Unatari stattfinden, um die Fertigungsfristen für die neuen Schiffe zu besprechen“, sagte ich. Obwohl ich niemanden direkt ansprach, wusste ich, dass man meine Anweisung an die richtige Stelle weiterleiten würde. „Ich möchte, dass alle Eingeladenen darüber informiert werden, dass sich der Termin geändert hat und ich sie in 40 Minuten auf der Dicken Joan erwarte. Miya, du kommst mit mir. Ich habe eine Aufgabe für dich.“

* * *

Ich befand mich in einem kleinen, runden Raum auf meinem Flaggschiff, der für geheime Verhandlungen und Konferenzen gebaut war. Von der Außenwelt war er komplett abgeriegelt. Hier funktionierten keine Aufnahmegeräte, sämtliche Implantate wurden deaktiviert. Meine Androiden-Sekretärin Bionica schaltete sich in diesem Raum ebenfalls sofort ab, sodass der Anführer meines Sicherheitsteams, das Chamäleon Popori de Cacha, bei der Unterredung zwischen Menschen und Iseyeks dolmetschen musste. Normalerweise hätte Flora mich begleitet, um die Aufrichtigkeit und Loyalität aller Anwesenden zu prüfen, doch heute war Miya meine Wahrheitssucherin.

Die Königin von Unatari nahm zum ersten Mal an einer solchen Konferenz teil und war in einen riesigen Touchscreen mitten im Raum vertieft, über dem ein gewaltiges Hologramm des Imperialen Weltraums mit sämtlichen Perimetersektoren schwebte. Zahlreiche Marker in verschiedenen Farben zeigten die Positionen aller bekannten Flotten, nicht nur die des Imperiums, der Großen Häuser und verbündeter Königreiche, sondern sogar die der Aliens.

„Hier siehst du die genaue Position sämtlicher Kampfschiffe, die wir infiltriert haben. So präzise Angaben hat nicht einmal der Vereinigte Generalstab des Imperiums.“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, vor meiner Frau ein wenig anzugeben.

Miya stellte keine Fragen, sondern las offenbar direkt aus meinem Kopf, welche geheimen Quellen wir nutzten. Diese taktische Karte war der wahre Stolz der Flotte von Unatari. Zehntausende bescheidene Androiden, die unter dem Radar blieben und auf Militärschiffen des Imperiums der Großen Häuser als Haushälterinnen, Schauerleute, Mechaniker oder auch Freuden-Roboter für die Schiffsbesatzungen im Einsatz waren, versorgten uns mit aktuellen Daten.

Die Anzahl der Androiden, die mit der Sache von Unatari sympathisierten, war erheblich gestiegen. Bionica wurde förmlich mit verschlüsselten Daten überschwemmt, die von unseren vielen Agenten geschickt wurden. Deshalb war in meiner Kommandozentrale vor zwei Monaten eine Sonderabteilung mit 20 Robotern entstanden, die verschlüsselte Nachrichten auf gesonderten Kanälen entgegennahm, sie auf Vertrauenswürdigkeit prüfte und die Daten dann auf die Taktikkarten übertrug. Meldungen über Flottenbewegungen wurden meist von Dutzenden unabhängiger Quellen bestätigt, sodass Falschinformationen sofort herausgefiltert werden konnten. Doch soweit ich wusste, hatte wir bislang noch keine Falschinformationen entdeckt, sodass ich davon ausgehen durfte, dass das Imperium nichts von meinem geheimen Spionagenetzwerk aus Androiden ahnte.

Eine weitere Informationsquelle waren die Ariten, und zwar nicht nur die Diplomaten, die in der Thronwelt „getötet“ worden waren, sondern noch 100 weitere formwandlerische Geheimagenten, die im ganzen Imperium unterwegs waren und sich in Kommandozentralen, Flotten und Kommunikationszentren einnisteten. Noch immer wusste ich nicht, wie die Ariten einander erkannten und miteinander kommunizierten, denn zu diesem Thema äußerten sie sich nicht gern. Eines stand jedoch fest – die wertvollsten Informationen über die geheimen Docks des Imperiums, in denen riesige Raumschiffe der Superfracht-Klasse gebaut wurden, hatten wir von den Ariten-Iseyeks erhalten.

Zudem hatte der Staat Unatari zahlreiche normale Spione. In Militärkreisen hatte ich schon lange große Autorität genossen, doch seit dem ersten erfolgreichen Angriff auf die Aliens in der Geschichte, der Niederlage der furchteinflößenden Flotte der Alien-Königin und der Befreiung von fast 30 Sternsystemen war die Einstellung der Militärfraktion zu Kronprinz Georg auf annähernd +60 gesprungen. Soweit ich wusste, hatte kein anderer Flottenchef oder Aristokrat in der Galaxie einen ähnlich hohen Wert. Das hätte ich ausnutzen können, um Informationen zu ergattern, doch das schien mir nicht ratsam. Florianna und Miya gelang es zuverlässig, Spione in meinen Reihen zu entlarven, und die Wahrheitssucherinnen auf der anderen Seite hatten vermutlich ähnliche Fähigkeiten.

Die Türen öffneten sich und die Mitglieder meines geheimen Rates kamen nacheinander herein. Es waren Veteranen aus vielen Schlachten und Fachleute auf ihrem Gebiet, an deren Fähigkeiten und Loyalität ich nicht im Geringsten zweifelte. Admiral Stefan Antri-Mesfelle, der Flottenkommandant von Sektor Neun. Weltraummajorin Nicole ton Savoia, die Flottenkommandantin von Sektor Acht. Admiral Mike ton Akad, Erster Kommandant der Flotte von Unatari. Admiral Kiro Sabuto, Zweiter Kommandant der Flotte von Unatari. Alpha-Iseyek-Admiral Masss Azhzh, der Kommandant der schweren Flotte von Virho. Alpha-Iseyek-Admiral Kheraisss Vej, der Kommandant der Eingriffsflotte von Ayho. Marschall Savasss Jach, der Kommandant der Schwarm-Landungsoperationen. Sowie meine Cousine zweiten Grades und politische Beraterin, Herzogin Katerina ton Unatari.

Außerdem kam ein neues Mitglied, mein Erster Berater Apasss Ugu, auf seinen vielen kleinen Beinchen hereingeeilt. Zuvor war der Beta-Iseyek Berater der Königin Nai Igir gewesen. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich mein Glück kaum fassen können. Das einzigartige Insekt verfügte über einen phänomenalen Verstand und ein hervorragendes Gedächtnis und wusste restlos alles über sämtliche Schwarm-Systeme. Bei Bedarf lieferte Apasss Ugu auf der Stelle Informationen über im Bau befindliche Schiffe in all meinen Docks, den voraussichtlichen Fertigstellungstermin, Materialreserven und die erforderliche Anzahl an Transporten zur Versorgung sämtlicher Garnisonen. Derartig kompetente Mitarbeiter waren Gold wert – selbst unter den Massen von Schwarm-Mitgliedern hatte ein solches Genie Seltenheitswert. Deshalb hatte ich in meiner Eigenschaft als Herrscher über die Iseyeks meinem Ersten Berater auf der Stelle einen blauen Streifen auf dem Bauch verliehen, der absolute Unantastbarkeit anzeigte.

Damit waren sämtliche Teilnehmer der heutigen Privatkonferenz eingetroffen. Ich nickte Popori de Cacha zu, und der Anführer meiner Leibwache befahl einem Untergeben, die Tür zu schließen und das System zur Unterdrückung elektronischer Vorrichtungen zu aktivieren. Dass der elektromagnetische Kokon um den Raum eingeschaltet war, merkte ich daran, dass meine elektronischen Implantate nicht mehr zur Verfügung standen. Nur noch ein einiges elektronisches Gerät funktionierte, nämlich der riesige Taktikbildschirm, der genau deshalb mit einem Elektroschild versehen war.

„Gut, fangen wir an“, sagte ich und ging hinüber zu dem leuchtenden Hologramm mitten im Raum. „Ich glaube, meine Frau Miya muss ich nicht vorstellen. Unsere heutige Konferenz hat ein so ernstes Thema, dass die Königin von Unatari persönlich als Wahrheitssucherin dabei ist. Miya wird sicherstellen, dass Sie alle ehrlich sind. Außerdem wird sie jegliches Gedankenlesen bis zum Ende der Besprechung unterbinden.“

Die Mitglieder des Rates wurden unruhig – dass Gedankenlesen nicht erlaubt sein sollte, gefiel ihnen nicht. Laute Proteste gab es jedoch nicht.

„Ich möchte an eine weitere Regel erinnern“, fuhr ich fort. „Hier wird offen gesprochen, niemand muss fürchten, mit seinen Bemerkungen oder Vorschlägen andere zu kränken. Wir lassen uns in diesem Kreis nicht durch Gesetze oder Moral beschränken, sondern ziehen sämtliche Möglichkeiten in Betracht, selbst solche, die man in der Welt draußen nicht gutheißen würde. Nun möchte ich das Wort zunächst der Königin von Unatari überlassen, damit sie ihre Gedanken und Verdächtigungen mit uns teilen kann.“

Obwohl ich Miya damit überrumpelte, gelang ihr ihre Rede hervorragend. Vermutlich hatte sie in ihrem langen Leben schon viele Male öffentlich gesprochen. Dass sie Rhetorikkurse belegt hatte, wusste ich bereits, und das merkte man deutlich. Meine Frau sprach nicht sehr laut, doch jedes ihrer Worte brannte sich als unbestreitbare Wahrheit in meinen Kopf ein, wie ein Dogma, an dem es keine Zweifel gab.

Die Königin von Unatari berichtete, als Wahrheitssucherin spüre sie eine wachsende Bedrohung und habe sogar deren Ursprung ermittelt: Die Antagonisten waren zur Invasion bereit. Das Imperium kannte die Pläne unserer jahrzehntelangen Feinde, und eine Kollision der zwei mächtigsten Kräfte war unvermeidlich – nicht in ferner Zukunft, sondern vielleicht schon in den nächsten Tagen oder gar Stunden. Ganz gleich, wer in der Auseinandersetzung die Oberhand gewinnen würde, in den Plänen des Siegers war kein Platz für einen unabhängigen Staat Unatari.

„In der Zukunft kann ich uns nicht sehen“, lauteten die Schlussworte der Königin. „Keinen von den hier Anwesenden. Das bedeutet, wenn wir nicht entgegenwirken, sondern den Dingen ihren Lauf lassen, ist jeder in diesem Raum dem Untergang geweiht, sogar ich. Uns bleiben höchstens noch anderthalb Jahre.“

Die Worte der Wahrheitssucherin weckten in mir ein grausiges Gefühl. Alle Teilnehmer wirkten äußerst besorgt. Ich konnte förmlich spüren, wie die Zukunft, die sie beschrieb, bedrohlich näher rückte. Nachdem die Königin ihren Vortrag beendet hatte, wurde es still. Der Erste, der zu sich kam, war Admiral Masss Azhzh.

„Ich habe nicht die geringsten Zweifel an den Fähigkeiten der Roten Königin“, sagte er, „aber ich kann nicht verstehen, wieso wir nur so wenig Zeit haben. Unatari hat eine mächtige Weltraumflotte und könnte es mit jeglichem Feind aufnehmen. Und wenn unser Gegner zu stark ist, können wir jederzeit die Warp-Sender abschalten.“

„Das würde unseren Todeskampf nur in die Länge ziehen, aber nichts am Ergebnis ändern“, erwiderte Miya auf der Stelle.

Katerina trat vor. Nachdem sie den Rat begrüßt hatte, warf sie einen Blick auf die Taktikkarte und ergriff dann das Wort.

„Die Gefahr einer Invasion von Haus Gold ist klar, obwohl nichts darauf hindeutet, dass das Imperium Schiffe in die Peripherie des Kernlands schickt. Etwas anderes gibt mir dagegen zu denken. Der schwelende Krieg zwischen dem Imperium und den Antagonisten geht darauf zurück, dass Imperator August mit seiner Schwester Eleonora um den Thron kämpft. Deshalb sollten wir alle über die folgende Frage nachdenken: Wieso haben sich die Antagonisten noch nicht an den Herrscher von Unatari gewandt? Rein praktisch betrachtet ist Kronprinz Georg der Enkel der Herrscherin der Antagonisten, deshalb wäre es nur logisch, dass er sich seiner engsten Verwandten anschließt und nicht dem Imperator, der einem anderen Zweig des Stammbaums angehört. Wieso also hat Haus Gold uns noch keine Allianz angeboten?“

Admiral Kiro Sabuto erhob sich abrupt und sah meine Cousine streng an.

„Herzogin, ich hoffe sehr, dass Ihr Vorschlag, der Staat Unatari könne mit den Antagonisten gemeinsame Sache machen, nur hypothetisch war“, sagte er recht empört. „Wie die meisten Offiziere in der Flotte von Unatari habe ich dem Imperium mein Leben lang treu und aufrichtig gedient und bleibe ihm weiterhin loyal. Vor drei Monaten, als in der Thronwelt ein gemeiner Angriff auf Kronprinz Georg verübt wurde, sah die Lage anders aus. Ich und all meine Offiziere hätten unseren Kommandanten damals ohne Zögern verteidigt, selbst wenn das bedeutet hätte, gegen das gesamte Imperium vorzugehen. Für Geld oder aus politischem Kalkül gegen das Imperium zu kämpfen, ist aber etwas anderes. Wir würden uns damit gegen Freunde und Waffenbrüder stellen, die in den anderen Flotten des Imperiums dienen. Das würde die Streitkräfte von Unatari in große Konflikte stürzen.“

Unterstützung fand der Admiral bei Weltraummajorin Nicole ton Savoia, der Flottenkommandantin von Sektor Acht.

„Bitte verzeiht mir, wenn ich zu dreist bin, aber er sagt die reine Wahrheit. Mir wurde der Auftrag erteilt, die Flotte von Perimetersektor Acht zu leiten, und wir würden niemals mit den Antagonisten gemeinsame Sache gegen das Imperium machen. Eine solche Entwicklung würde ich als Verrat betrachten, und meine Offiziere ebenfalls. Was die Frage von Herzogin Katerina betrifft, so weiß ich die Antwort. Das liegt daran, dass beide Konfliktparteien davor zurückschrecken, Kronprinz Georg Versprechen zu machen, die sie nicht halten wollen. Man fürchtet eine heftige Reaktion. Als ich noch zum Vereinten Generalstab des Imperiums gehörte, hatte ich Einblick in die persönliche Akte des Herrschers von Unatari. Ein sehr treffender Vermerk zu den psychologischen Eigenschaften ist mir gut in Erinnerung geblieben, nämlich: ‚Wird jeden Versuch, seine Interessen zu beschneiden, unweigerlich ablehnen. Gerät außer sich, wenn ihm etwas genommen werden soll, das der Kronprinz als sein Eigentum betrachtet. Hat kein Gespür für angemessene Vergeltungsmaßnahmen. Der Herrscher von Unatari könnte jemandem den Arm abreißen, nur weil er versehentlich angerempelt wurde.‘“

Miya überlegte kurz und schloss die Augen.

„Ja, das stimmt“, bestätigte die Wahrheitssucherin. „Die Macht über ein vereintes Imperium ist nichts, das man teilen oder einem möglichen Verbündeten anbieten könnte. Deshalb bin ich ein wenig verwirrt, dass Imperator August ein solches Angebot gemacht hat. Ich spüre hier keine Trickserei – der Imperator ist wirklich bereit, seinen Thron aufzugeben, wenn Unatari die Antagonisten besiegt.“

„Aber August hat einen Sohn, Herzog Julius royl August ton Akad, der in der Thronfolge an erster Stelle steht“, stellte Katerina fest. „Was hindert August daran, kurz vor dem Sieg über die Antagonisten zurückzutreten und den Thron seinem Nachfolger zu vererben, der dem Herrscher von Unatari keinerlei Versprechen gegeben hat?“

Kiro Sabuto schüttelte den Kopf. „Damit wäre ein Krieg zwischen Unatari und dem Imperium unvermeidlich. Kronprinz Georg royl Inoky ton Mesfelle würde einen solchen Trick kaum verzeihen, und er hat genug Beweise und Einfluss, sodass ein Großteil des Militärs des Imperiums auf seiner Seite stehen würde. Der Sohn des Imperators würde verlieren, und zwar alles.“

Alle im Raum wurden still. Ich nutzte die Gelegenheit, um meine Gedanken zu äußern.

„Gehen wir davon aus, dass es unmöglich sein wird, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, und Unatari handeln muss. Aber die Vorstellung, in einen Konflikt zwischen zwei der mächtigsten Armadas in der Galaxie zu rutschen, ohne die vielen inoffiziellen Absprachen und Positionen der anderen Spieler zu kennen, gefällt mir nicht. So hat Haus Grün beispielsweise eine kolossale Flotte mit fast 15.000 Raumschiffen. Formell sind die Grünen immer noch Teil des Imperiums. Werden sie sich in dem großen Machtkampf heraushalten oder werden sie sich in jedem Fall gegen die Antagonisten stellen? Was hat der Imperator für eine solche Unterstützung zugesichert? Und wie würde sich die Flotte von Haus Grün verhalten, wenn sie sich im gleichen Sternsystem befindet wie eine unserer Flotten? Könnte es vielleicht sein, dass sie uns in den Rücken fällt?“

„Haus Grün wird sich niemals mit Unatari verbünden, dafür gibt es zu viel alten Groll“, sagte Herzogin Katerina. „Den Mord an zwei ihrer Kronprinzen und die jämmerliche Kapitulation ihrer Ersten Angriffsflotte wird die Familie Lavaelle dem Herrscher von Unatari niemals verzeihen. Sie würden versuchen, unsere Schiffe zu zerstören.“

Leider stimmte ich der Einschätzung meiner Cousine voll und ganz zu. Seit meinen allerersten Tagen in Perimeterverteidigung hatte sich mein Verhältnis zur Familie Lavaelle zusehends verschlechtert und war mittlerweile zu unversöhnlichem Hass geworden. Obwohl Unatari und Haus Grün beide zum Imperium gehörten, betrachtete ich uns nicht als Verbündete.

Meine Beziehung zu Haus Purpur hatte sich ebenfalls erheblich verschlechtert, seitdem wir Sektor Sieben geschluckt hatten. Meine Zwillingsschwester Violetta war wütend auf mich und versuchte, Haus Purpur zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Staat Unatari zu bewegen. Aus unerklärlichen Gründen bot das Oberhaupt von Haus Purpur, Herzog Takuro royl Andor, der Kronprinzessin Violetta keinen Einhalt, sondern war offenbar bereit, unser gutes Verhältnis für einen Zweck zu opfern, den ich nicht durchschaute.

Haus Blau ... Hier war die Lage sehr kompliziert und verwirrend. Die Perimetersektoren Vierzehn und Fünfzehn wurden von Aliens kontrolliert. Sektor Sechzehn hatte keine Verbindung mehr zum übrigen Gebiet von Haus Blau, und dort war der Separatismus am stärksten geworden – de facto standen die Systeme in Sektor Sechzehn nicht mehr unter der zentralen Herrschaft der Regierung. In den Sektoren Neun, Elf, Zwölf und Dreizehn kämpfte die junge Herzogin Ovella royl Stok ton Miro einen zermürbenden Zweifrontenkrieg – zum einen gegen die einfallenden Armadas der Aliens, zum anderen gegen eine massive Opposition, die rasch Morgenluft gewittert hatte, nachdem die Wahrheitssucherin Krista in die Thronwelt gezogen war. In ihrem Krieg gegen die Aliens wurde Herzogin Ovella von der Flotte des Imperiums unterstützt, doch in die politische Auseinandersetzung innerhalb von Haus Blau würden sich die Schiffe des Imperators aus Prinzip nicht einmischen.

Die politische Karte von Haus Blau erinnerte an einen Flickenteppich. Dort waren Dutzende verschiedenfarbiger Gruppen zu sehen, sowohl diejenigen, die sich offiziell zu Gegnern von Haus Blau erklärt hatten, als auch diejenigen, die vorsichtig loyal blieben, aber gewisse Bedingungen stellten. Söldner, Anarchisten, bewaffnete Rebellen, politische Randfiguren ... Örtliche Konflikte und bürgerkriegsähnliche Zustände gab es in vielen Sektoren. Sowohl große als auch kleine Städte wechselten regelmäßig den Besitzer.

Die Kräfte, die Herzogin Ovella loyal waren, kontrollierten mittlerweile weniger als 30 % des Gebiets von Haus Blau. Da sie besser organisiert und ausgerüstet waren, während unter ihren Gegnern keine Einheit herrschte, konnten sie die Angriffe nicht nur erfolgreich abwehren, sondern drängten diese sogar allmählich zurück. Bei unserem letzten Militärrat hatten wir ausführlich über den internen Konflikt in Haus Blau diskutiert, und meine Berater hatten prophezeit, dass Herzogin Ovella in drei oder vier Jahren den Sieg davontragen könnte, sofern die Aliens bis dahin Haus Blau nicht zerstörten. Und das schien nun das einzig wahrscheinliche Szenario zu sein, wenn das Imperium seine Flotte von Haus Blau abzog, um gegen die Antagonisten zu kämpfen.

Ich zoomte auf der Karte auf das Gebiet von Haus Blau.

„Hier haben wir die einzige politische Größe, die eine Auseinandersetzung zwischen dem Imperium und den Antagonisten wirklich verhindern will. Haus Blau muss seine eigenen Probleme lösen und ist zudem am anfälligsten. Wenn das Imperium seine Flotte abzieht, wird Haus Blau schon bald von den Aliens zerstört. Ich glaube, es ist Zeit für ein Gespräch mit den Blauen, um ihnen unsere Hilfe anzubieten. Nicht ohne Gegenleistung natürlich – in diesen schweren Zeiten muss man für Schutz teuer bezahlen.“

„Hat Eure Majestät vor, nur gegen die Aliens in den Krieg zu ziehen, oder wollen Sie auch im Bürgerkrieg intervenieren?“, erkundigte Marschall Savasss Jach sich.

Alle Versammelten warteten gespannt auf meine Antwort. Und ich hatte es damit nicht eilig, betrachtete die Sternenkarte und überlegte intensiv. „Nur die Aliens“ war leicht gesagt. Und wenn es so einfach gewesen wäre, hätten wir nicht darüber diskutieren müssen. Übrigens hatte man Überreste der Armada der Alien-Königin, die wir so eindrucksvoll besiegt hatten, in Sektor Fünfzehn entdeckt. Das hatte die Theorie bestätigt, dass alle drei Alien-Arten zusammenarbeiteten. Dass die bereits vorhandenen Alien-Raumschiffe durch fünf Mammuts und 20 Behemoths verstärkt worden waren, hatte das Kräfteverhältnis erheblich verändert und unter den Verteidigern große Panik ausgelöst. In dem allgemeinen Durcheinander hatten sie sich zurückgezogen, sodass Sektor Fünfzehn innerhalb weniger Wochen verloren war. Laut Aufklärungsdaten war Majestät von Orange, das gekaperte Schlachtschiff der Menschen, ebenfalls in Sektor Fünfzehn gesichtet worden.

Alle blieben stumm und warteten auf meine Antwort, aber ich sagte immer noch nichts. Schließlich stand meine Entscheidung fest.

„Man kann nicht effektiv Krieg führen, wenn die Versorgungslinien in Chaos und Anarchie versinken. Ehe wir gegen die Aliens kämpfen, werden wir den Bürgerkrieg in Haus Blau beenden. Ich schlage vor, dass wir für unsere Friedensmission von der Herrscherin von Haus Blau Sektor Zehn verlangen. Ich gehe davon aus, dass Herzogin Ovella zustimmt, sobald sie ihre Empörung über diese Dreistigkeit überwunden hat, und wir eine Abmachung treffen können. Haus Blau bekommt den lang ersehnten Frieden und Schutz vor den Aliens, und wir können unsere Position stärken. Und wenn Verhandlungen mit der Herzogin doch unmöglich sein sollten ... Nun, der Bürgerkrieg in Haus Blau hat mehr als 20 Parteien. Ich bin mir sicher, dass wir jemanden finden werden, der sich gern auf unsere Bedingungen einlässt.“

„Haus Blau ist Teil des Imperiums“, erinnerte Katerina mich. „Wenn wir uns gegen die rechtmäßigen Autoritäten stellen wollen, brauchen wir einen sehr überzeugenden Vorwand für unser Handeln, damit Unatari nicht zum Aggressor erklärt wird.“

„Vorläufig ist das nur eine hypothetische Überlegung. Nun verkünden wir Haus Blau erst einmal unseren Wunsch, ihnen eine diplomatische Gesandtschaft zu schicken, um eine militärische Zusammenarbeit auszuhandeln. Aber wenn Herzogin Ovella sich nicht fügt, brauchen wir tatsächlich einen bombensicheren casus belli, damit niemand in der Galaxie daran zweifelt, dass wir zu Recht Schiffe auf das Gebiet von Haus Blau schicken. Eine Option wäre eine Medienkampagne, die darauf abzielt, Kronprinzessin Natalie ihren rechtmäßigen Thron zu sichern. Unsere Kronprinzessin hat nach wie vor etliche Verbündete in Haus Blau, sodass wir eine legitime Forderung unterstützen würden.“

Katerina verzog das Gesicht.

„Die kleine Natalie hat ihren Anspruch auf den Thron von Haus Blau offiziell aufgegeben“, sagte sie empört. „Dafür hat sie von Herzogin Ovella sogar eine beträchtliche Abfindung erhalten. Obwohl … wir könnten behaupten, die Kronprinzessin habe nur zugestimmt, weil ihr Leben in Gefahr war. Das ist zwar ein ziemlich schwaches Argument, wäre aber immerhin eine Option.“

„Ein weiterer Faktor wurde mir in der Thronwelt durch den Imperator und die Dunkle Mutter angedeutet. Sie fürchteten, der Schwarm könne irgendwann so mächtig werden, dass er mehr als zwei Dutzend nicht-menschlicher Rassen beherrschen würde. Ich schlage vor, dass wir das genauer untersuchen. Lade Diplomaten aller nicht-menschlichen Vasallen des Imperiums zu einem großen Empfang ein, der in 15 Tagen im Hauptstadtsystem Dekeye stattfinden soll.“

Mein Erster Berater Apasss Ugu fuhr zusammen.

„Dekeye, sind Sie sich sicher?“, hakte er nach. „Nicht Unatari? Es ist nur so, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, dass Eure Majestät seine Schwierigkeiten mit der erhöhten Schwerkraft auf dem Hauptstadtplaneten hatte.“

„Das stimmt, aber mittlerweile geht es mir gesundheitlich viel besser als während der Begegnung mit Königin Nai Igir. Ich bin mir sicher, dass ich ein einstündiges Treffen mit den Botschaftern mühelos überstehe. Aber wenn ich meine körperlichen Fähigkeiten überschätze, könnten wir das Treffen auf meinem Flaggschiff Dicke Joan abhalten, das nach wie vor im Dekeye-System liegt. So oder so, ich möchte Botschafter nach Dekeye einladen, weil die gesamte Galaxie dieses System als Zentrum des Schwarms betrachtet. Und wir müssen dabei ganz beiläufig alle fünf Trägerschiffe und mindestens 50 Schlachtschiffe präsentieren. Alle sollen unsere Kampfraumschiffe sehen und daraus ihre eigenen Schlüsse über unsere militärische Stärke ziehen.“

Admiral Stefan Antri-Mesfelle erhob sich und lächelte.

„Wenn wir andere beeindrucken wollen, sollten wir vielleicht noch einen Monat warten“, schlug er vor. „Dann könnten wir den Botschaftern ein funktionsfähiges Mammut zeigen. Ich bin mir sicher, dass ein solcher Riese mehr Eindruck machen wird als alle fünf Trägerschiffe zusammen.“

Ich überlegte, musste den verlockenden Vorschlag jedoch ablehnen.

„Nein, es ist noch zu früh, das Mammut oder die Königin zu enthüllen, die ebenfalls noch in Reparatur ist. Die meisten politischen Akteure ahnen noch nicht einmal, dass sie überhaupt existieren. Wir sollten unsere Trümpfe so lange unter Verschluss halten, bis wir sie optimal einsetzen können.“

Wir diskutierten noch eine weitere Stunde über die Belange der Flotten. Die zuständigen Admiräle schlugen Methoden vor, um das Embargo für schwere Kanonen und Warp-Antriebe zu umgehen. Außerdem beschlossen wir, was mit den riesigen Schiffen in Dekeye geschehen sollte, die zur Evakuierung der Iseyek-Eier gebaut worden waren und dazu nun nicht mehr benötigt wurden. Schließlich erklärte ich die Beratung für beendet.

Kaum war die elektromagnetische Schutzvorrichtung abgeschaltet, bekam ich eine Nachricht vom Kommunikationsoffizier.

„Eure Majestät, die Dunkle Mutter wartet bereits eine Weile auf ein Gespräch mit Ihnen. Sie ist schon seit 40 Minuten in der Leitung und nicht bereit, das Gespräch noch länger aufzuschieben.“

Ich warf Miya einen Blick zu, doch meine Gattin zuckte nur erstaunt die Schultern.

„Georg“, sagte sie dann seltsam unsicher, „ich weiß auch nicht, was das ist, aber die Dunkle Mutter ist in den letzten paar Stunden deutlich schwächer geworden. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich stärker als sie. Viel stärker. Rede ruhig mit der Alten. Gefahr geht von ihr sicher nicht aus. Das spüre ich. Außerdem könnte ich dich jetzt beschützen. Selbst Florianna wäre vermutlich dazu in der Lage.“

Floriannas Stimme ertönte in meinem Kopf und erklärte, was vor sich ging.

„Bei unserem Gespräch hat die Dunkle Mutter nur ein paar Fragen zu meiner Verfassung gestellt. Danach hat sie mich mit einer Flut von Energie überschüttet und meine verletzten Stimmbänder und Nervenenden geheilt. Sie hat so viel Kraft aufgewendet, dass sie fast das Bewusstsein verlor.“

Ich gab die Anweisung, den Anruf auf den nächsten Monitor durchzustellen. Der Bildschirm leuchtete auf. Die Dunkle Mutter lag mit geschlossenen Augen in einem Krankenhausbett, eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht. Mehrere Ärzte bemühten sich um sie. Ich hörte, wie einer sagte, der Blutdruck sei gefährlich abgesunken. Deshalb wunderte ich mich sehr, als die Alte etwas sagte.

„Alle raus hier, sofort!“, war durch die Maske zu hören.

Wenige Sekunden später war die Dunkle Mutter allein. Ohne die Augen zu öffnen, zog die Wahrheitssucherin sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht.

„Georg, ich liege im Sterben“, sagte sie mit brüchiger, kaum hörbarer Stimme. „Aber ich habe in diesem Leben noch ein paar Dinge zu erledigen. Zuallererst muss ich Ihnen einen Ratschlag geben: Die Stärke Ihres Staates spielt keine Rolle, wenn er sich kampflos ergeben muss, weil sein Herrscher tot ist. Unter den Menschen, denen Sie vertrauen, sind zu viele dem Imperium und August loyal. Vergessen Sie das nicht. Der Imperator muss nur eine einzige Person aus dem Weg räumen, dann geht Ihr gesamter Staat mit allen Territorien und Weltraumflotten an denjenigen, der Ihre älteste Tochter heiratet … Mein zweiter Ratschlag: Schließen Sie sich weder dem Imperium noch den Antagonisten an, denn beides würde für Sie den Tod bedeuten. Glauben Sie mir, ich habe die Zukunft gesehen und weiß, wovon ich rede. Bleiben Sie eine unabhängige dritte Größe, konzentrieren Sie sich darauf, die gesamte menschliche Rasse zu retten, und halten Sie sich aus den Streitereien um den Thron des Imperiums heraus. Sie sind der letzte Verteidiger der Menschheit, und nichts ist wichtiger als die Rettung unserer Spezies. Lassen Sie sich durch nichts daran hindern.“

Nach diesem langen Monolog fing die Alte an zu husten und drückte sich wieder die Sauerstoffmaske aufs Gesicht. Während sie gierig nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen, stellte ich die Frage, die mich schon lange beschäftigte.

„Wann und wie werden die Antagonisten das Imperium angreifen?“

Die Dunkle Mutter lächelte trotz ihrer Schwäche und krächzte kaum hörbar eine Antwort.

„Oh, Georg, tief in Ihrem Inneren sind Sie immer noch Ruslan … Alles muss man Ihnen erklären … Sie wissen nicht das Geringste über die Kindheit des Kronprinzen, deshalb können Sie die Situation nicht richtig erfassen. Eines müssen Sie wissen: Ihre Mutter hat Sie nie geliebt. Denken Sie darüber nach, dann wird Ihnen alles klar werden. Wenn Sie selbst nicht darauf kommen, fragen Sie Ihre Beraterin Katerina. Sie ist ein cleveres Ding und wird Ihnen auf die Sprünge helfen. Jetzt habe ich alles gesagt, was ich loswerden wollte. Verbinden Sie mich mit der Wahrheitssucherin Ihrer Tochter, der kleinen Milena. Ich möchte ihr den Rest meiner Macht übertragen, denn in dieser rauen Welt wird Ihre Tochter ohne starken Schutz nicht überleben. Lebewohl, Ruslan!“

Diese Ereignisse schildert die Kurzgeschichte Aus dem Leben der Kronprinzessinnen, die als separate Sammlung von LitRPG-Kurzgeschichten erschienen ist.↩

Verwandtschaftsverhältnisse

ICH WAR EIN DUMMES RINDVIEH, und das ärgerte mich ungemein. Eine Stunde lang grübelte ich über die letzten Worte der Dunklen Mutter nach und studierte den Stammbaum der ranghöchsten Familien des Imperiums, doch eine Antwort fand ich nicht. Sicher, ich wusste bereits, dass meine „Mutter“," Kronprinzessin Elisa royl Clement ton Mesfelle-Lavaelle, die Tochter der Herrscherin der Antagonisten war. Diese Beziehung war stets der Grund gewesen, wieso die Geheimdienste des Imperiums ihr so viel Beachtung schenkten. Jedes ihrer Gespräche wurde abgehört und genauestens studiert, doch in den letzten anderthalb Jahrhundert hatte es keine einzige Äußerung gegeben, die rechtliche Schritte möglich gemacht hätte, nicht einmal gegenüber ihrer eigenen Mutter.

Kronprinzessin Elisa gehörte zu Haus Grün, das sowohl militärisch als auch wirtschaftlich viel stärker war als alle anderen Großen Häuser und verbündeten Königreiche. Meine Mutter belegte gegenwärtig den fünften Platz in der Thronfolge von Haus Grün, hatte jedoch keine realistische Chance, jemals Herzogin zu werden, da die vier Lavaelle-Kronprinzen, die vor ihr standen, hundert Jahre jünger waren. Außerdem würde das Oberhaupt von Haus Grün niemals zulassen, dass Kronprinzessin Elisa die Rechte seiner vielen Verwandten verletzte, indem sie ihren rechtmäßigen Thorn erbte.

Während der Ereignisse vor drei Monaten war mir das Oberhaupt von Haus Grün, Herzog Amelius royl Mast ton Lavaelle, vernünftig erschienen. Er gab sich gern mit seinem kleinen Reich zufrieden, denn er konnte den Imperator nach Lust und Laune ärgern und das Ansehen seines Staatsoberhaupts schmälern, während er seine politische Unabhängigkeit bewies. Allerdings hatte der Herzog viel zu gewinnen, wenn er dem Imperium loyal blieb, darunter die mächtige politische Unterstützung der Thronwelt und erhebliche Steuervorteile, deshalb konnte ich mir nicht vorstellen, dass er ein selbstmörderisches Spiel gegen Imperator August mitmachen würde.

Änderung des Ansehens. Einstellung von Haus Purpur (des Imperiums) zum Staat Unatari hat sich verschlechtert.

Aktuelle Einstellung der Fraktion von Haus Purpur (des Imperiums) zum Staat Unatari: -30 (Hass)

Änderung des Ansehens. Einstellung von Haus Grün (des Imperiums) zum Staat Unatari hat sich verschlechtert.

Aktuelle Einstellung der Fraktion von Haus Grün (des Imperiums) zum Staat Unatari: -56 (unversöhnlicher Hass)

Die unverhofften Nachrichten unterbrachen meine Überlegungen. Damit bestätigte sich, dass beide Großen Häuser auf Kollisionskurs waren. In letzter Zeit war so etwas regelmäßig geschehen, ein paarmal pro Woche, und ich hatte mich bereits daran gewöhnt. Natürlich war es nicht schön, dass die Werte derart sanken, aber ich glaubte dennoch nicht, dass Haus Purpur uns tatsächlich den Krieg erklären würde. Die Weltraumflotte von Unatari war doppelt so stark wie die von Purpur, ganz zu schweigen von der deutlich größeren Erfahrung meiner Kapitäne. Ein Krieg würde unweigerlich mit einer raschen Niederlage für Haus Purpur enden. Die nächste Nachricht war dagegen eine richtige Überraschung:

Haus Grün und Haus Purpur haben ein Militärbündnis geschlossen.

Mist, das war gar nicht gut. Die Grünen dürsteten offenbar nach Rache – vor drei Monaten hatten sie einen kräftigen Schlag einstecken müssen, als sie ohne einen einzigen Schusswechsel ihre Erste Angriffsflotte verloren hatten. Jetzt gehörten die gekaperten Raumschiffe mir, während 20.000 Offiziere und Besatzungsmitglieder der Ersten Angriffsflotte dem Staat Unatari die Treue geschworen hatten und nun zu meinen Untertanen zählten. Meine Wahrheitssucherinnen hatten alle Neulinge gründlich überprüft und sämtliche möglichen Verräter entlarvt. Offenbar hatten die Grünen daraus nicht genug gelernt, da sie nun schon wieder auf die nächste Konfrontation aus waren.

Die Thronwelt hat die Herrschaft über das System Anfey verloren.

Das System Anfey steht jetzt unter der Herrschaft von Haus Grün.

Die Thronwelt hat die Herrschaft über das System Vorposten-20 verloren.

Das System Vorposten-20 steht jetzt unter der Herrschaft von Haus Grün.

Die Thronwelt hat die Herrschaft über das System Natti verloren.

Das System Natti steht jetzt unter der Herrschaft von Haus Purpur.

Zum Glück saß ich bereits, sonst hätten mir diese unglaublichen Nachrichten vermutlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Thronwelt trat Systeme im Kernland ab? Was genau war dort im Gange? Ich rief meine außenpolitische Beraterin an und stellte genau diese Frage.

„Georg, verfolgst du die Nachrichten nicht?“ Katerina war sehr erstaunt und sogar verärgert darüber, wie schlecht ich über die aktuellen Ereignisse informiert war. „Vor einer halben Stunde hat die Thronwelt offiziell verkündet, dass die Dunkle Mutter nach langer, schwerer Krankheit verstorben ist. Für das ganze Imperium gilt eine dreitägige Staatstrauer. Währenddessen sind alle Feierlichkeiten untersagt. Ich bin gerade dabei, eine Beileidsbekundung im Namen des Staates Unatari abzufassen. Man kann zu ihr stehen, wie man will, aber die Dunkle Mutter war eine herausragende Persönlichkeit und hat die Geschicke der gesamten Menschheit 200 Jahre lang mitgestaltet.“

Die Nachricht vom Tod der Dunklen Mutter warf mich wirklich aus der Bahn. Schließlich hatte ich erst vor zwei Stunden mit der Alten gesprochen! Sicher, die Wahrheitssucherin hatte schlecht ausgesehen und sogar von ihrem bevorstehenden Dahinscheiden gesprochen, doch ich hatte trotzdem nicht damit gerechnet, dass ihr nur noch so wenig Zeit bleiben würde. Vor Entsetzen vergaß ich fast, worüber ich mit meiner Cousine sprechen wollte.

„Ich muss zugeben, ich war so mit dem Trauerfall beschäftigt, dass ich noch nicht ermittelt habe, wieso die Systeme ihren Besitzer gewechselt haben“, gab Katerina zu. „Gestern jedoch gab es das Gerücht, Imperator August plane heute Verhandlungen mit den Oberhäuptern der Großen Häuser, angeblich über die Optimierung der Logistik zwischen den einzelnen Regionen und eine Dezentralisierung.“

„Aber wieso sollte der Imperator das wollen?“, fragte ich erstaunt.

Katerina senkte die Stimme zum Flüsterton, als könnte uns jemand belauschen.

„Niemand spricht es offen aus“, sagte sie, „aber es gibt Hinweise darauf, dass August auf Frieden mit den Großen Häusern hofft, um sich ihre Loyalität vor der anstehenden Invasion der Antagonisten zu sichern. Gleichzeitig möchte er damit die negative Berichterstattung beenden, unter der er in den letzten drei Monaten gelitten hat. Was haben die Medien ihm nicht alles vorgeworfen! Militärische Fehlschläge und den Verlust von Sektor Fünfzehn, veraltete Bürokratie in der Thronwelt und ineffektive Herrschaft über die Sternsysteme, Korruption im Sekretariat … Der Disput mit der Dunklen Mutter warf ebenfalls ein schlechtes Licht auf ihn, genau wie der Angriff auf unsere Gesandtschaft und die Verschlechterung des Ansehens der Menschheit unter den außerirdischen Rassen. Indem er ein paar periphere Sternsysteme im Kernland an die Großen Häuser abtritt, will August sicher die Herzöge beschwichtigen.“

„Wäre es nicht möglich, dass Unatari sich unter dem Vorwand der Dezentralisierung und Vereinfachung der Logistik auch ein paar Sternsysteme im Kernland sichert?“ Ich lachte auf, dann wurde ich wieder ernst und fragte meine Cousine, was sie von meiner Mutter hielte. Katerina wollte jedoch nicht darüber reden.

„Georg, das ist ein schwieriges Thema. Ich kann das nicht in zwei Worten beantworten und habe gerade viel zu tun. Wie wäre es, wenn ich erst einmal unsere Beileidsbekundung veröffentliche, ein paar dringende Angelegenheiten erledige und mich dann mit dir zusammensetze? Ich brauche etwa eine Stunde, dann stehe ich dir uneingeschränkt zur Verfügung.“

„In Ordnung. Ich muss sowieso gerade zu einer Kontrolluntersuchung, dann gehe ich für eine halbe Stunde in den Fitnessraum und in die Sauna. Danach können wir uns dann unterhalten.“

* * *

In einem Wust aus Kabeln und Datenerfassungsgeräten radelte ich wild auf einem Ergometer. Mein Arzt Nicosid Brandt las meine Werte auf einem Monitor ab und notierte sich etwas auf einem kleinen Tablet, während er hin und wieder zufriedene Kommentare abgab.

„Blutdruck normal ... Herzfunktion ganz wunderbar ... Hämoglobinspiegel normal ... Venen frei ... Cholesterin normal ... Muskeln in guter Verfassung ... Hirnaktivität normal. Gut, das reicht vorläufig. Kronprinz, bitte steigen Sie ab und stellen Sie sich auf die Waage: Größe: 1,80 Meter. Gewicht: 103 Kilogramm … Majestät, das würde ich als Zielgewicht festlegen und versuchen, es zu halten. Für Ihre Knochenstruktur und Muskelmasse ist es ideal. Ein paar zusätzliche Pfunde weniger würden sehr großen Aufwand bedeuten.“

Ich drehte mich zu dem großen Spiegel an der Wand und begutachtete meine Figur von allen Seiten. Das war ein erfreulicher Anblick – die überschüssigen Fettpolster an Brust und Schenkeln waren schon lange verschwunden. Mein Bauch war viel flacher geworden, die Muskeln an Armen und Beinen dafür deutlich erkennbar. Natürlich war ich nicht Mr. Olympia, aber für einen 50-Jährigen sah ich meiner Meinung nach richtig gut aus. Das Beste war jedoch, dass ich mich großartig fühlte und den hektischen Alltag als Herrscher eines Weltraumstaates mühelos bewältigen konnte. Somit konnte ich dem Arzt wohl zustimmen, dass es keinen Grund gab, die intensive Diät weiter fortzuführen.

„Und was das Kristall betrifft ...“ Nicosid Brandt verstummte und musterte ein paar Diagramme, aus denen ich nicht schlau wurde. „Die Tests sehen gut aus. Ihre körperliche Abhängigkeit hat sich annährend neutralisiert, auch die psychische lässt nach. Ich muss wohl zugeben, dass ich die Chancen auf vollständige Genesung zu pessimistisch gesehen habe. Wenn die ärztliche Schweigepflicht nicht wäre, würde ich in einer umfassenden Abhandlung veröffentlichen, wie eine Heilung von der Kristallsucht möglich ist.“

„Das können Sie gern tun. Ich habe nichts dagegen.“

Trotz meiner Erlaubnis wirkte der alte Arzt peinlich berührt und wollte nicht darauf eingehen.

„Das geht nicht, Kronprinz. Dazu müsste ich zu viele medizinische Informationen über Sie publik machen. Ich muss auf die wissenschaftliche Studie verzichten. Jetzt tausche ich die Mikrokapseln in Ihrer Schulter aus.“

„Aber warum?“ Das erschien mir unnötig. „Sie haben erst letzten Monat neue Kapseln eingesetzt und gesagt, sie würden ein halbes Jahr reichen.“

Der Blick des alten Arztes schoss nervös hin und her, während seine Stimme plötzlich verdächtig zitterte. „M-m-m-majestät, ich … h-habe mich m-m-mit der Dosierung ge-irrt. Ich, äh, d-d-dachte, die Regeneration würde länger dauern.“

Nicosid Brandt war ein guter Arzt, aber ein schrecklicher Schauspieler. Seine Erklärungsversuche machten mich noch misstrauischer. Ruhe und Wohlwollen waren wie weggeblasen. Am ganzen Körper standen mir vor Entsetzen die Haare zu Berge.

„Flora, Miya! Ich brauche euch sofort!“, rief ich in Gedanken, und schon eine Sekunde später kam die Antwort meiner Frau.

„Flora schläft. Ich habe ihr einen Kristalltraum verordnet, damit wir uns damit abwechseln und eine von uns immer bei dir bleiben kann ... Halt! Lass den Arzt nichts spritzen! Nimm keine Medizin! Das ist ein Anschlag auf dein Leben! Ich bin sofort bei dir!“

Somit hatten meine Instinkte mich nicht getäuscht. Ich sprach laut und deutlich ins Leere: „Seke-ti huma.“ (‚Verhaftet diesen Mann‘ in der Sprache der Ravaash).

Im Handumdrehen lag der alte Arzt mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Metallboden des Krankenzimmers, weil sich ein Chamäleon-Trio in Windeseile auf ihn gestürzt hatte. Nur eine Sekunde später wurden Nicosid Brandt die Arme schmerzhaft auf den Rücken gezogen und mit Handschellen gefesselt, während Phobos und Rosss die Situation aufmerksam im Blick behielten. Die beiden riesigen Alpha-Iseyeks hatten Waffen gezückt und hätten auf meinem Befehl jeden Assistenten des Arztes erschossen.

Ich bückte mich zu der Injektionspistole, die der alte Arzt hatte fallen lassen.

„Sagen Sie mir eins, Doktor: Wie viele Jahre betreuen Sie mich schon?“, fragte ich, während ich das scheinbar so harmlos medizinische Gerät betrachtete, in dem millimetergroße Mikrokapseln steckten.

Nicosid Brandt, der von meinen Leibwächtern zu Boden gedrückt wurde, konnte nur mit Mühe antworten. „Kronprinz, ich wurde aus der Thronwelt zu Ihnen geschickt, als Sie erst vier Monate alt waren …“

„Ich kenne Sie mein ganzes Leben und habe Ihnen uneingeschränkt vertraut. Deshalb verraten Sie mir, Doktor: Wie viel muss man jemandem zahlen, damit er 50 Jahre einwandfreien Dienst vergisst und dem Mann, dem er Schutz und medizinische Versorgung geschworen hat, den Tod wünscht?“

Der Alte schwieg lange.

„Mit Geld hat das nichts zu tun“, sagte er schließlich kaum hörbar. „Diese Kapseln kamen mit der letzte Medikamentensendung aus dem medizinischen Zentrum der Thronwelt. Menschen, die ich seit Jahren kenne, sagten, es sei zum Wohle des gesamten Imperiums … Vor einiger Zeit hatte man Ihnen in einem Gefängnis der Thronwelt identische Kapseln injiziert, aber die habe ich entfernt. Jede Kapsel enthält neben der Arznei auch eine Vorrichtung, mit der Sie getrackt werden können, sowie eine kleine Ampulle Gift, die jederzeit auf einen bestimmten Befehl hin aktiviert werden kann. Man sagte mir, das sei nötig, um Ihre unberechenbare Natur zu kontrollieren. Jemand im Imperium möchte sicherstellen, dass Unatari sich unmöglich unseren Feinden anschließen kann …“

Miya kam mit entschlossenen Schritten herein. Die Königin von Unatari stellte keine Fragen, sondern sah das Gerät auf dem Tisch nur aufmerksam an und richtete dann den Blick auf die Assistenten von Nicosid Brandt.

„Seine Assistenten wussten nichts davon. Sie haben alle Angst, aber fühlen sich nicht schuldig. Wir können ihnen trauen.“

„Lasst ihn frei! Nicosid Brandt, ich möchte, dass Sie auf der Stelle Ihren alten Freund anrufen und ihm sagen, dass Sie seinen Plan nicht ausführen konnten. Danach können Sie gehen. Ich brauche Sie nicht mehr, weil ich Ihnen nicht trauen kann. Aufgrund Ihrer einwandfreien Dienste über ein halbes Jahrhundert hinweg werde ich Ihnen dennoch ein gutes Arbeitszeugnis ausstellen, Ihnen einen Bonus in Höhe einer halben Million Guthabenpunkte zahlen und Ihnen ein Ticket für den bequemsten Expressflug in die Thronwelt buchen. Dort werden Sie einen neuen Arbeitgeber finden, wenn Ihr Alter das zulässt, oder Sie können eine ordentliche Pension kassieren und sich für den Rest Ihres Lebens ausruhen.“

Schnell zog ich mich an und verließ den Krankentrakt, da ich nicht mithören wollte, wie mein ehemaliger Privatarzt mit seinem Verschwörungspartner redete. Miya blieb bei ihm. Das war die beste Garantie dafür, dass alle, die für den versuchten Anschlag verantwortlich waren, ihre wohlverdiente Strafe bekamen.

* * *

„Mein Prinz, Sie wirken am Boden zerstört“, sagte Bionica, die lediglich mit einem Mini-G-String bekleidet war und fantastisch aussah, während sie mir Nacken und Schultern gekonnt mit ihren erstaunlich kräftigen Fingern massierte.

„Ja, ich hatte einen irren Tag. Es war die Hölle los! Die Nachrichtensender wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen. Aber ich habe den Eindruck, dass mein Staat und ich an den Rand des Geschehens gedrängt wurden und abgeschrieben sind. Wissen Sie, Imperator August hat mich zu der Konferenz der Oberhäupter der Großen Häuser nicht einmal eingeladen, obwohl Unatari wirtschaftlich, militärisch und gebietsmäßig größer ist als Haus Purpur.“

Ich musste mein Jammern und Wehklagen unterbrechen, weil Bionica wollte, dass ich mich auf den Rücken drehte, damit sie meine Bauchmuskulatur bearbeiten konnte. Zum Glück hatte ich keine dicke Wampe mehr, aber von einem Sixpack war ich trotzdem noch weit entfernt. Vor Schmerz biss ich die Zähne zusammen. Mir war, als würde die Androidin mit ihren Fingern bis an meine Wirbelsäule vordringen.

„Aber bei der Konferenz waren nur die Herzöge der Großen Häuser. Wenn der Imperator von den sonstigen Monarchen nur die mächtigsten eingeladen hätte, wären alle anderen gekränkt gewesen. Folglich hätte er restlos alle Könige dazubitten müssen, sogar die allerunwichtigsten …“

„Vielleicht haben Sie recht, Bionica. Aber ich bin trotzdem gekränkt. Und dann ist da noch der Tod der Dunklen Mutter und ihre letzten Worte, die mir nicht aus dem Kopf wollen ... Was könnte Kronprinzessin Elisa mit den heutigen Ereignissen zu tun haben? Am schlimmsten jedoch war für mich der versuchte Anschlag durch meinen Privatarzt. Wem kann ich in dieser Galaxie noch trauen, wenn mir selbst die in den Rücken fallen, die ich schon ein Leben lang kenne?“

„Kronprinz, mir können Sie jederzeit vertrauen.“ Die hübsche Androidin lachte und sah mir kokett tief in die Augen, während sie mit den Fingern ein wenig unter den Rand meiner Badehose fuhr.

Doch ich hielt Bionica zurück, weil ich nicht einmal annähernd in der richtigen Stimmung war und mir der Ort auch nicht geeignet erschien. Und das war gut so – nur wenige Minuten später kam Katerina ohne Anklopfen im Badeanzug in den Massageraum neben dem Schwimmbad. Mit einem vorwurfsvollen Blick auf die kaum bekleidete Bionica ließ meine Cousine sich auf einen Stuhl sinken.

„Ich habe bereits alles erledigt, Georg, deshalb kann ich jetzt mit dir reden. Haus Blau hat unser Verhandlungsangebot angenommen und Uhrzeit und Bedingungen genannt. Unsere diplomatische Mission darf höchstens drei Raumschiffe umfassen: einen schweren Kreuzer und zwei Schiffe einer kleineren Klasse.“

Ich unterbrach Bionica, die meine Beinmuskulatur knetete, und setzte mich auf das Massagebank auf.

„Drei Schiffe? Laut Protokoll sind in einer diplomatischen Delegation bis zu sieben Schiffe erlaubt, oder?“

„Ja, das stimmt“, bestätigte meine Beraterin. „Offenbar haben die ‚Blauen‘ die Sorge, dass sieben Raumschiffe unter dem Kommando eines so renommierten Flottenleiters das gesamte Haus Blau erobern könnten. Wenn wir uns auf derartige Bedingungen einlassen, müssen wir in zwei Stunden losfliegen, um rechtzeitig einzutreffen.“

„In Ordnung, diese Verhandlungen sind wichtig für uns, deshalb werden wir nicht an den Bedingungen herummäkeln. Also drei. Unser Hauptschiff wird der schwere Angriffskreuzer Imperator August, das zweite einer der leichten Kreuzer wie ein Fluch oder eine Drossel, und als drittes nehmen wir den Mechanoid.“

„Den Mechanoid?“, fragte meine Cousine erstaunt.

„Genau. So können wir für alle Fälle einen Weg in die Hauptstadt von Haus Blau markieren – das könnte in Zukunft nützlich sind, falls die Verhandlungen scheitern und die Blauen beschließen, ihren Warp-Sender abzuschalten.“

Ich erhob mich vom Massagetisch und ging zum Beckenrand, um ins Wasser zu springen. Katerina hielt mich jedoch zurück.

„Vielleicht sollten wir als zweites Schiff die Einäugige Python nehmen. Mein Mann langweilt sich schon lange, weil nichts los ist. Er ist richtig niedergeschlagen, und das geht mir auf die Nerven. Gestern hat Corwin sich betrunken und einen Streit angezettelt, nur weil er nichts Besseres zu tun hatte. Er warf mir vor, ihn von einem Kampfschiffkapitän in einen ‚Ehegeneral‘ zu verwandeln – Herzog eines Sternsystems, der nicht die leiseste Ahnung von Politik hat und nur seiner Frau hinterherdackelt.“

„In Ordnung. Unser zweites Schiff auf dem Flug zu Haus Blau wird der leichte Kreuzer Einäugige Python. In diesem Schiff werde ich mit meinem Gefolge fliegen, doch zur Sicherheit schicken wir ein paar Ariten in unserer Gestalt auf die Imperator August. Sag Corwin, dass er den Kreuzer vorbereiten soll. Wirst du mitkommen?“

„Ehrlich gesagt, Cousin, erscheint mir das nicht notwendig. Du wirst ohne mich bestens zurechtkommen. Ich habe hier auf Unatari schon genug zu tun, und Corwin und ich könnten gut eine Pause voneinander vertragen.“

Ich sprang in das kühle, dunkelblaue Wasser und schwamm auf die andere Seite des Beckens, ohne zwischendurch aufzutauchen.

---ENDE DER LESEPROBE---