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Wie Sie von Kleinkindern lernen können, ohne Grübeln effektive Entscheidungen zu treffen und ein erfolgreiches Leben zu führen, erfahren Sie im Selbstcoaching-Ratgeber Spielend leicht zum Erfolg. Kooperatives und vorurteilsfreies Miteinander, klar kommunizierte Bedürfnisse, Experimentierfreude: Erwachsene können viel von kleinen Kindern lernen, weiß der Universitätsprofessor und Kinderarzt Dr. Hasan Merali. Denn Erfolg und Karriere können so einfach sein, wenn wir nicht über jede Bagatelle nachdenken und einfach mal machen. Ausgerechnet Kleinkindern gelingt das mit einer beneidenswerten Selbstverständlichkeit. Doch vielen Erwachsenen fehlt es dafür an Spontanität und Hartnäckigkeit. "Die Eintrittspforte in ein positiveres Erwachsenenleben." (Harvard Magazine über Spielend leicht zum Erfolg) Hasan Merali zeigt, dass die Instrumente für ein erfolgreiches Leben in uns allen angelegt sind. Egal ob wir auf der Arbeit produktiver sein, bessere Freundschaften unterhalten oder nachts nur mal durchschlafen wollen – die Lösung heißt erstaunlich oft: Mach's wie ein Kind und mach's einfach. In Spielend leicht zum Erfolg lernen Sie angelerntes Verhalten zu ändern und natürliches Selbstvertrauen zurückzugewinnen. "Einer der originellsten Ratgeber, die ich seit Langem gelesen habe." (Cal Newport, Autor von Konzentriert arbeiten über Spielend leicht zum Erfolg)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 442
Veröffentlichungsjahr: 2025
Hasan Merali
Alles erreichen mit den zehn Regeln der kindlichen Intuition
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Strerath-Bolz
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Wie wir mit Strategien aus unserer Kindheit bessere Entscheidungen treffen
Erfolg kann so einfach sein, wenn wir uns nicht von inneren Zweifeln ablenken lassen. Ausgerechnet Kleinkindern gelingt das mit einer beneidenswerten Selbstverständlichkeit, im Gegensatz zu vielen Erwachsenen. Hasan Merali weiß, dass die Instrumente für ein erfolgreiches Leben in uns allen angelegt sind, und zeigt uns wie man:
besser schläft
stärkere Freundschaften aufbaut
die Teamarbeit verbessert
produktiver ist
mehr Spaß hat
ein erfülltes Leben führt
»Einer der originellsten Ratgeber, die ich seit Langem gelesen habe.«
Cal Newport, Autor von Konzentriert arbeiten.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Widmung
Einleitung Wie sie es machen
Wer ist diese kleine Person, und warum hat sie sich eine Perle in die Nase gesteckt?
Erster Teil Ein goldenes Sternchen in Sachen Leben
1 Die Basics
Noch ein Löffelchen
Im Tiefschlaf
Routinen sind wichtig
Bildschirm aus
Powernaps
Bewegung ist wichtig
2 Freundlichkeit
Freundlichkeit gegenüber Fremden
Freundlich sein, wenn andere es nicht sind
Kleinkinder und Vorurteile aufgrund der Herkunft
Die Motivation für Freundlichkeit
Warmes Leuchten und der Gipfel der Bedürfnispyramide
Mind Control
Wir sind so geboren
3 Lachen
Lernen durch Lachen
Gemeinsames Lachen macht Freu(n)de
Lachen ist das beste Antidepressivum
Wer mehr lacht, lebt auch länger
Mehr kichern!
Mehr Zeit mit kleinen Menschen
4 Lesen
Lesen im Kleinkindalter und der Drang zu lernen
Das lesende Gehirn
Lesen bringt Vorteile für Kleinkinder
Vorteile für Erwachsene
Wie man sich in einem Buch verliert
Digital, Print oder Audio?
5 Spielen
Spielen ist nicht nur ein Kinderspiel
Was heißt Spielen?
Spielen baut Stress ab und Wohlbefinden auf
Spiel inspiriert Kreativität
Spiel und romantische Beziehungen
Mehr Zeit zum Spielen
Zweiter Teil Ein goldenes Sternchen in Sachen Arbeit
6 Teamwork
Klare Kommunikation, um ein Teammitglied zurückzuholen
Durch Herausforderungen navigieren
Eine respektvolle Art, ein Projekt aufzugeben
Jedem eine Stimme geben
Vor allem fair und respektvoll
Das ultimative Teammitglied
7 Mentoring
Ein Mentor hat viele Vorteile
Anleitung, um das beste Projekt auszuwählen
Führen durch Beispiel
Ermutigung ist wichtig
Um Hilfe bitten
Finde deinen Batman
8 Selbstgespräche
Von außen nach innen
Sprich mit dir selbst, um Probleme besser zu lösen
Große Gefühle managen
Wie Selbstgespräche Ernährung, Schlaf und Bewegung verbessern können
9 Fragen und Nein sagen
Ein kleiner Sokrates
Wir sind fragescheu
Fragen können das Lernen beschleunigen
Ein zweites Date
Sie sagen gar nicht immer Nein
Neiiiin!
Die Zwickmühle, erwachsen zu sein
Allzu ehrgeizige Pläne
Tut mir leid, ich mache das nicht
10 Risiko und Selbstvertrauen
Angstlust
Warum Kleinkinder nicht ins Casino dürfen
Sicherheit ist nicht immer die beste Option
Mutig sein
High-Five für mich selbst
Mut ist wichtig
Die Last der Expertise
Dress for Success
Schluss
Dank
Anhang
Für Arya, die mich täglich inspiriert
Stellen Sie sich bitte mal eine ganz andere Welt vor. Sie kommen mit Ihrem leuchtend roten Dreirad eines Morgens zur Arbeit, und gerade in dem Moment, in dem Sie in eine Parklücke fahren wollen, schneidet Sie jemand mit einem SUV von Power Wheels und nimmt Ihnen den Parkplatz weg. Es stellt sich heraus, dass der mit dem SUV Frankie ist. Er ist neu in der Firma, Sie kennen ihn noch nicht gut. Ohne eine Spur von Frust winken Sie ihm fröhlich zu, rufen »Guten Morgen!« und suchen sich einen anderen Parkplatz, der ein ganzes Stück vom Bürogebäude entfernt liegt. Aber so kommen Sie gleich zu einer kleinen Sporteinheit. Kaum dass Sie von Ihrem Dreirad abgestiegen sind, werden Sie von Lucy entdeckt, die Sie vor einer Woche kennengelernt haben. Sie rennt so schnell sie kann auf Sie zu, um Sie mit einer dicken Umarmung zu begrüßen. Aus irgendeinem Grund haben Sie das Hemd falsch herum an, Ihr Haar ist total zerzaust, und auf Ihrer Wange prangt eine Schokoladenspur von den Pfannkuchen mit Schokotropfen, die Sie zum Frühstück gegessen haben. Aber Lucy ist das egal. Tatsächlich merkt sie gar nichts davon, genauso wenig wie Sie. Sie sieht nur eine Person mit einem guten Herzen. Händchenhaltend spazieren Sie zusammen zur Arbeit.
Später an diesem Vormittag sitzen Sie in der Finanzbesprechung, die jedes Quartal stattfindet, sind begeistert und haben ein breites Lächeln im Gesicht, das die ganze Zeit nicht nachlässt. Wann immer möglich, versuchen Sie einen Scherz anzubringen, und Ihre Kollegen machen noch mehr Scherze, weil sie wissen, dass sie Sie damit zum Lachen bringen. Diese Besprechung macht wirklich Spaß, denken Sie sich.
In Ihrem Kopf tauchen viele Fragen auf, die Sie hemmungslos stellen, ohne sich Sorgen zu machen, man könnte Sie für dumm halten. Ihr Ziel besteht einzig und allein darin, die Dinge besser zu verstehen, was am Ende der Besprechung auch der Fall ist. Sie haben absolut keine Angst, Ihre Meinung zu sagen, und tatsächlich wird jede Ihrer Ideen von Ihren Kolleginnen und Kollegen anerkannt.
Im letzten Jahr haben ein paar Ihrer Ideen die Firma mächtig vorangebracht, aber Sie finden, dass Sie dafür noch keine angemessene Gehaltserhöhung bekommen haben. Deshalb machen Sie ohne zu zögern einen Termin mit Ihrer Chefin aus, um die Sache zu diskutieren. Ihre vielen ehrlichen Fragen und Ihr bemerkenswertes Selbstvertrauen sorgen dafür, dass sie Ihren Beitrag besser versteht. Mit der Folge, dass sie Ihnen sogar eine höhere Gehaltserhöhung vorschlägt, als Sie ursprünglich im Sinn hatten. Super, dann können Sie demnächst ein paar Spielsachen für Ihre Geschwister kaufen! Sie stellt während der Besprechung auch fest, dass Sie von allen in der Firma, die Sie kennen, als die großzügigste und mitfühlendste Person angesehen werden.
Als Sie nach der Besprechung an Ihrem Schreibtisch sitzen, arbeiten Sie an einer wichtigen Vorlage, deren Deadline nächste Woche ist. Ein Abschnitt beschäftigt sich mit einem besonders kniffligen Problem, bei dem Sie nicht ganz sicher sind, wie es zu lösen wäre. Das ist ein bisschen frustrierend. Doch Sie fangen sofort an, in der dritten Person mit sich selbst zu sprechen, um die Sache zu durchdenken. Und das funktioniert. Sie können den Abschnitt erfolgreich fertigstellen, und mit derselben Technik kriegen Sie auch Ihre Frustration in den Griff.
Da Sie so gerne Sport treiben, fällt es Ihnen schwer, lange am Schreibtisch zu sitzen. Deshalb findet die Besprechung am Ende des Vormittags während eines Spaziergangs statt. Ihre Mittagspause nehmen Sie heute später als die meisten anderen – nicht, weil Sie zu viel zu tun haben, sondern weil Sie einfach noch nicht hungrig sind. Sie essen nämlich nur, wenn Sie hungrig sind, und hören auf, wenn Sie satt sind. Ohne unnötige Snacks zwischendurch. Am Nachmittag sind Sie auch nicht müde, weil Sie sich nicht vollgestopft haben und weil Sie gut ausgeruht sind. Letzte Nacht haben Sie elf Stunden geschlafen, und am Spätnachmittag machen Sie regelmäßig ein Nickerchen. Als Sie später im Laufe Ihres Arbeitstages am Druckerraum vorbeikommen, bemerken Sie, dass Frankie mit dem IT-Support telefoniert, weil er irgendein Dokument nicht vom gemeinsamen Laufwerk laden kann. Sie hören, wie er offensichtlich frustriert sagt: »Das habe ich schon probiert.« Also denken Sie, hilfsbereit wie Sie sind, nicht daran, dass er Ihnen am Morgen den Parkplatz weggenommen hat, sondern Sie bitten ihn höflich, das Telefongespräch zu beenden, und verbringen die nächste Viertelstunde damit, zusammen mit ihm das Problem mit dem Laufwerk zu lösen. Wenn jemand Ihre Hilfe braucht, helfen Sie, das steht außer Frage.
Dies, meine Freundinnen und Freunde, war ein Blick in die schöne Welt der Kleinkinder. Eine Welt voller Staunen, Begeisterung und echtem Glück. Ein Ort, an dem vollkommene Ehrlichkeit herrscht, unerschütterliches Mitgefühl, kaum eine Beurteilung aufgrund der äußeren Erscheinung, dazu der Antrieb, aktiv zu sein und sich angemessen zu ernähren. Ein Ort der endlosen Ideen und der Lust am Ausprobieren. Natürlich gibt es Dinge, die ich weggelassen habe, zum Beispiel die fünf Minuten, in denen Sie geweint und gebrüllt haben, weil Sie Ihren Kugelschreiber verlegt hatten, oder die zahlreichen blauen Flecken, die Ihre Kolleginnen und Kollegen sich an Couchtischen und anderen Möbeln zugezogen haben, weil sie herumrannten und glaubten, sie könnten fliegen. Und die vollgekackten Windeln bei der morgendlichen Besprechung. Doch in diesem Buch geht es nun einmal um die positiven Seiten: Es geht darum, zu betonen, wie wir von diesen kleinen, schlauen Rackern lernen können, unser Arbeits- und Privatleben zu verbessern, und wie wir mit ihrer Hilfe ganz allgemein bessere Menschen werden können.
Würde es Ihnen gefallen, zu allen Menschen großzügig und freundlich zu sein, auch zu denen, die sich in der Vergangenheit egoistisch verhalten haben? Würde es Ihnen Freude bereiten, sich besser zu ernähren und Ihr Gewicht unter Kontrolle zu bekommen? Und würde es Ihnen guttun, bei der Arbeit so angstfrei zu sein, dass Sie alle erdenklichen Fragen stellen und sich dabei wohlfühlen könnten? Wie wäre das, wenn Sie die Fähigkeit und das Selbstvertrauen besäßen, im Privat- und Berufsleben mehr Risiken einzugehen? Ich bin sicher, das würden wir uns alle wünschen, doch in den Jahrzehnten, die seit unserer eigenen Kleinkinderzeit vergangen sind, hat das Leben die meisten von uns in eine andere Richtung geführt. Höchste Zeit also, dass wir wenigstens teilweise an diesen wunderbaren Ort zurückkehren. Verstehen Sie dieses Buch gern als Erinnerung an eine Lebensphase, die Sie wahrscheinlich gar nicht mehr so gut in Erinnerung haben. Eine Phase, in der Sie all das, was ich Ihnen als Wunschbild vor Augen geführt habe, konnten und wussten. In diesem Buch möchte ich Ihnen zeigen, warum es wichtig ist, wie ein Kleinkind zu handeln.
Treten wir für einen Moment einen Schritt zurück und betrachten die magische Kleinkindzeit etwas genauer. Jene Zeit, in der Kinder ihre ersten Schritte machen, in der sie lernen, zu sprechen und zu singen, in der sie ihre eigenen, einzigartigen Tanzbewegungen erfinden. Diese Lebensphase beginnt mit einem Jahr und erstreckt sich etwa bis zu einem Alter von drei Jahren – hier gibt es unterschiedliche Definitionen. Es ist eine Zeit der Entdeckungen und des Lernens neuer Fähigkeiten, die nahtlos in die nächste Phase übergeht: die Vorschulzeit. Vorschulkinder sind drei bis fünf Jahre alt. Sie stellen jede Menge Fragen, malen wunderbare Bilder (zumindest in den Augen ihrer Eltern) und lernen, die Toilette zu benutzen. In diesen zwei Lebensphasen, wenn die Kinder ständig mit neuen Aufgaben konfrontiert sind und die Welt kennenlernen, zeigen sie einige der besten Eigenschaften, die wir als Menschen haben können. Dieses Buch konzentriert sich auf genau diese beiden Lebensphasen und zieht dafür hauptsächlich Forschungsergebnisse heran, die sich mit Kindern zwischen einem und fünf Jahren beschäftigen. Ich erwähne das, weil ich den Begriff »Kleinkind« im Folgenden ganz allgemein für diese beiden Phasen verwende, die auf die Säuglingszeit (bis zu einem Jahr) folgt und der mittleren Kindheit (ab fünf Jahren) vorausgeht.
Wie kommt es nun, dass Kleinkinder eine so bemerkenswerte Offenheit, Hingabe an ihr Tun und unvergleichliche Neugier zeigen? Die Antwort ist einfach: Ihre Gehirne unterscheiden sich von denen Erwachsener. In der frühen Kindheit vollzieht sich ein schnelles Wachstum und eine starke Entwicklung des Gehirns, und dieses Gehirn ist von der Evolution auf Lernen ausgerichtet worden, oft mehr als das von Erwachsenen. Neuronen (also Gehirnzellen) haben Synapsen, die für die Kommunikation mit anderen Neuronen sorgen. Bei der Geburt hat jede Gehirnzelle etwa 2500 Synapsen, im Alter von zwei Jahren sind es 15000. Die Fähigkeit des Gehirns, solche Kommunikationswege zu schaffen und zu reorganisieren, nennt man Neuroplastizität. Und genau diese Flexibilität erlaubt es Kleinkindern, anders zu denken und erstaunlich schnell zu lernen. Mit der Zeit durchläuft das Gehirn aber natürlicherweise einen Prozess, bei dem Synapsen wieder abgebaut werden, sodass bei Erwachsenen nur noch halb so viele Synapsen vorhanden sind.1, 2 Sie können also aufgrund Ihrer Erfahrung möglicherweise Muster erkennen und damit viel schneller als ein Kleinkind zu Schlussfolgerungen kommen, doch Kleinkinder sind für alle Möglichkeiten offen und lernen, was auch immer es in jeder beliebigen Situation zu lernen gibt.
Ein zweiter Grund, warum das Gehirn eines Kleinkinds sich von dem eines Erwachsenen unterscheidet und warum sie sich so anders verhalten, liegt in der noch nicht vollendeten Entwicklung des präfrontalen Kortex. Dieser Bereich des Gehirns ist verantwortlich für unsere Handlungskontrolle und insofern auch zuständig für zielgerichtetes Verhalten. Wichtige Funktionen wie Planung und die Nutzung des Kurzzeitgedächtnisses, um Informationen greifbar zu halten, solange wir sie akut brauchen, sind Beispiele für die Arbeit des präfrontalen Kortex.3 In diesem Bereich verfügen Kleinkinder ganz klar über weniger Fähigkeiten als ältere Kinder und Erwachsene. Andererseits hat ein unterentwickelter präfrontaler Kortex verschiedene Vorteile. So zeigen Erwachsene wesentlich mehr selektive Aufmerksamkeit, weil sie sich nur auf die relevantesten Informationen konzentrieren. Ihr präfrontaler Kortex filtert all das heraus, was das Gehirn für irrelevant hält. Kleinkinder verteilen ihre Aufmerksamkeit viel breiter, sodass ihnen mehr Details auffallen.
Ich sehe das am besten, wenn ich mit meiner Tochter Arya spazieren gehe. Wenn ich allein unterwegs wäre, würde ich den Weg zur Kita in fünf Minuten schaffen. Mit ihr zusammen brauche ich eher fünfzehn Minuten. Das liegt nicht nur an ihren kurzen Beinen, sondern daran, dass sie Dinge bemerkt, die mir gar nicht auffallen, und stehen bleiben muss, um sie genau zu betrachten. Obwohl sie diesen Weg nun schon Hunderte Male gegangen ist, findet sie immer wieder etwas Neues, wozu sie mir eine Frage stellen muss. Da ist ein Vogel, den sie noch nie gehört hat, der Duft von nassem Gras nach dem Regen, eine Wolke, die vielleicht aussieht wie ein Hase. Diese Aufmerksamkeit des Kleinkinds auf viele Details sorgt dafür, dass sie Informationen besser sammeln als Erwachsene. Und das wiederum führt zu einer besseren Anpassungsfähigkeit an verschiedene Situationen.4
Eine weitere Folge des noch nicht ausgereiften präfrontalen Kortex ist Kreativität. Kinder denken viel flexibler als Erwachsene. Sie können zum Beispiel einem einzigen Gegenstand verschiedene Nutzungsmöglichkeiten zuordnen. Wenn Erwachsene ein Objekt sehen, verbinden sie es automatisch mit bestimmten Funktionen, und zwar aufgrund früherer Erfahrungen und mithilfe ihres ausgereiften präfrontalen Kortex.5 Kleine Kinder haben diese Angewohnheit nicht, was eine Erklärung dafür liefert, warum Kindergartenkinder bei der Marshmallow-Challenge so gut abschneiden. Dabei geht es darum, aus zwanzig Spaghetti, einem Meter Klebeband, einem Meter Schnur und einem Marshmallow möglichst schnell eine freistehende Struktur zu bauen.
Kindergartenkinder schlagen bei dieser Aufgabe Studierende an der Business School, Anwälte und die meisten anderen Erwachsenen. Bei Testreihen mit verschiedenen Gruppen gab es nur zwei, die den Kindergartenkindern überlegen waren: Architektinnen und Ingenieure bilden die eine, CEOs die zweite Gruppe, aber nur, wenn sie von einer ausführenden Kraft unterstützt wurden. CEOs allein konnten die Kindergartenkinder nicht schlagen. Einer der größten Unterschiede bei der Herangehensweise an die Aufgabe liegt darin, dass Erwachsene ihr Handeln planen, während Kinder immer wieder verschiedene Prototypen bauen und ihr Design dabei verbessern.6 Der unausgereifte präfrontale Kortex kann also in neuartigen Situationen ein Vorteil sein. Wenn wir älter werden und unser präfrontaler Kortex ausreift, gewinnen wir zwar Handlungsfunktionen, verlieren aber gleichzeitig einige der natürlichen Fähigkeiten, die wir hatten, um zu forschen, zu lernen und kreativ zu sein.7
Und zu guter Letzt besitzen kleine Kinder eine dominierende rechte Gehirnhälfte. Diese rechte Gehirnhälfte fokussiert sich nicht auf Logik, wie es die linke Gehirnhälfte tut, sondern ist eher emotional, nonverbal und experimentell ausgelegt.8 Das zeigt sich bei Kleinkindern auf verschiedene Weise: Sie leben im Augenblick und gehen Risiken ein. Sie wagen Sprünge aus großer Höhe, jagen Tiere und lassen alles stehen und liegen, um einem fremden Menschen zu helfen. Sie sind impulsiv, oft auf eine Weise, die wir nur bewundern können. Sie müssen nicht einen ganzen Tag lang nachdenken, mit Kolleginnen diskutieren und allerlei Pro und Kontra abwägen. Sie treffen schnelle Entscheidungen, und da sie über ein hohes Maß an Empathie verfügen, sind es oft gute Entscheidungen. Manchmal verletzen sie sich, doch ihre Fähigkeit, ständig ihre physischen und kognitiven Grenzen zu überschreiten, erweitert ihr Selbstvertrauen beim Umgang mit neuen Aufgaben.
Wenn Kleinkinder älter werden und ihr Gehirn ausreift, übernimmt die linke Gehirnhälfte mehr Aufgaben. Dann erwacht der Drang, die Welt besser zu verstehen, und die ständigen »Warum?«-Fragen setzen ein. Da die linke Gehirnhälfte zu diesem Zeitpunkt noch nicht so stark ist wie die rechte, haben Kinder keine Angst, jede nur mögliche Frage zu stellen, die ihnen in den Sinn kommt. Hierin unterscheiden sie sich von Erwachsenen, die vielleicht das Gefühl haben, eine Frage sei peinlich oder unangemessen. Kleinkinder sind auf ihre Ziele konzentriert: Lernen, Verstehen und ein möglichst intensiver Umgang mit den Menschen und ihrer ganzen Umgebung.
Das erwachsene Gehirn mit seinen verengten synaptischen Kommunikationswegen, einem ausgereiften präfrontalen Kortex und einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen den Gehirnhälften hat viele Vorteile. Erwachsene können komplexe Aufgaben in die Zukunft hinein planen, können ihre Fähigkeit zum Nachdenken nutzen und Entscheidungen treffen, die einem logischen Muster folgen. Doch dieser Reifungsprozess geht auch mit Verlusten einher. Wir verlieren Kreativität, Spontaneität, Neugier, Furchtlosigkeit und den intensiven Drang, zu lernen und neue Hypothesen auszuprobieren.9 Unser Glück, dass die Neuroplastizität auch im gesamten Erwachsenenalter erhalten bleibt. Wir können unser Gehirn jederzeit neu formen, uns verbessern und von anderen lernen.10 In diesem Buch werden wir vielerlei Wege erkunden, auf denen Kleinkinder die besten Lehrer für unsere Selbstverbesserung sind.
Schon lange wollte ich dieses Buch schreiben. Als Forscher und Kinderarzt, der sich auf Notfallmedizin bei Kindern spezialisiert hat, habe ich das große Privileg, ständig mit Kindern umzugehen. Ich erlebe sie bei voller Gesundheit, mit überbesorgten jungen Eltern, die ihr Baby zu mir bringen, weil es Nahrung erbricht. Und ich erlebe sie, wenn ihr Leben am seidenen Faden hängt, wie bei dem Sechsjährigen, der beim Radeln von einem Auto angefahren wurde. Außerdem bin ich stolzer Vater eines Kleinkinds. Einige von Ihnen haben vielleicht auch das Glück, mit Kindern zu arbeiten oder eigene Kinder bzw. Enkelkinder zu haben. Doch selbst wenn Sie nicht regelmäßig mit Kindern zu tun haben oder sie nicht einmal mögen – wir können viel von ihnen lernen. Glauben Sie den Bildern aus dem Fernsehen oder der Popkultur nicht, die Ihnen weismachen wollen, Kleinkinder würden einen Wutanfall nach dem anderen bekommen und Essen durch die Gegend werfen. Eher informelle Definitionen des Begriffs »Kleinkind«, zum Beispiel als »eine Kreuzung aus Soziopath, tollwütigem Tier, Cockerspaniel, Dämon und Engel«11 taugen auch nicht viel. Es gibt viele Missverständnisse über Kleinkinder – wer mit ihnen arbeitet oder welche großgezogen hat, weiß es besser. Allen Behauptungen zum Trotz gibt es so etwas wie die »Trotzphase« nicht, jedenfalls nicht, wenn man dieses Alter aus einem Blickwinkel betrachtet, der die Entwicklung angemessen berücksichtigt. Ebenso wenig wie den »Zuckerrausch« oder die mäkeligen Esser. Tatsächlich sind Kleinkinder unglaublich sanfte, liebevolle Seelen und in vielen Bereichen wesentlich weiter fortgeschritten in ihrem Denken und Handeln als Erwachsene.
Es gibt viele ausgezeichnete Bücher darüber, wie man sein Kind zu einem glücklichen, gesunden Menschen erzieht. Dieses Buch ist anders. Es bringt auch keine lustigen Zitate aus Kindermund (obwohl ich die liebe!). In diesem Buch sind die Rollen umgekehrt. Ich möchte Ihnen viele verschiedene Wege aufzeigen, wie diese intelligenten, neugierigen kleinen Menschen Sie lehren können, Ihr Arbeits- und Privatleben besser zu gestalten. Ich werde dabei auf eine Vielzahl interessanter Studien eingehen, die uns helfen zu verstehen, warum Kleinkinder in bestimmten Situationen auf eine bestimmte Weise reagieren. Es geht mir darum, Ihnen zu zeigen, wie viel besser unser Erwachsenenleben sein könnte, wenn wir einige oder alle Wesenszüge von Kleinkindern übernehmen würden.
An dieser Stelle gilt mein Dank all den Forscherinnen und Forschern, deren Studien ich für dieses Buch heranziehe. Alles an diesen Studien war großartig, vom Aufbau bis zu den objektiven Analysen, und es war mir eine Freude, die wichtigsten auszuwählen. Ich möchte auch betonen, dass die Forschenden im Umgang mit Kleinkindern ganz eigenen Herausforderungen begegnen mussten. In der Forschung werden bestimmte Personen – oder Subjekte, wie sie in diesem Zusammenhang genannt werden – ausgeschlossen, weil sie einige Kriterien für die jeweilige Studie nicht erfüllen. Es kann zum Beispiel sein, dass sie zu jung oder zu alt für ein bestimmtes Medikament oder einen Impfstoff sind. Ich fand es interessant, von den Gründen zu lesen, warum bestimmte Kleinkinder von Studien ausgeschlossen wurden: mangelnde Impulskontrolle, fehlende Kooperation, sinnlose Bemerkungen oder die Tatsache, dass sie versuchten, die Studienleiterinnen auszutricksen.12, 13 Wie auch immer: Dieses Buch soll keinen umfassenden Überblick über die gesamte Forschungsliteratur zum Thema Psychologie und Entwicklung von Kindern liefern. Es handelt sich vielmehr um eine Darstellung der wichtigsten und interessantesten Studien im Hinblick auf die Frage, was wir von unseren Lehrerinnen und Lehrern im Kleinkindalter lernen können. Ich werde technische Details und Analysen dabei vernachlässigen und stattdessen versuchen, die Fakten so zu präsentieren, wie sie in der Studie stehen, hier und da mit meinen eigenen Interpretationen. Einige Themen sind vielleicht etwas kontrovers – auch das habe ich entsprechend vermerkt.
Lassen Sie uns also loslegen und die wunderbare Welt entdecken, in der diese kleinen Menschen denken und funktionieren. In den zehn folgenden Kapiteln werden wir ein breites Themenspektrum betrachten: Schlaf, Teamwork, Umgang mit Risiken und vieles mehr. Am Ende jedes Kapitels finden Sie ein paar entscheidende »Lerninhalte« – handhabbare Themen, die Sie in Ihrem eigenen Privat- und Berufsleben umsetzen können. Um das gesamte Buch zusammenzufassen, habe ich am Ende einen Kleinkind-Tagesplan eingefügt, den Sie für Ihr tägliches Leben nutzen können.
Der einzige Rat, den ich Ihnen darüber hinaus gebe, ist der folgende: Beobachten Sie Kleinkinder, pflegen Sie Umgang mit ihnen. Sie werden viele der Themen, die in diesem Buch aufgezeigt werden, wiedererkennen. Und Sie werden wahrscheinlich noch mehr Möglichkeiten entdecken, wie Ihnen das Denken und Handeln nach Art von Kleinkindern in Ihrem Leben helfen kann. Denken Sie daran: Irgendwann in Ihrem Leben waren Sie schon einmal so. Sie müssen nur ein paar Schritte zurückgehen, um Ihr glücklicheres, gesünderes Selbst wiederzufinden.
Iss, was du willst, mach ein Nickerchen und lauf herum
Guter Nachtschlaf, gesunde Essgewohnheiten und Bewegung – all diese Faktoren wirken sich außerordentlich günstig auf unseren Körper und unseren Geist aus. Bessere Stimmung, ein geringeres Risiko für verschiedene Krankheiten, ein gesundes Gewicht und ein verbessertes Gedächtnis sind nur einige dieser Vorteile. Wenn Sie dafür sorgen, dass die Basics stimmen, hilft Ihnen das vermutlich, sich besser zu konzentrieren und effektiver zu arbeiten. Für die meisten von uns ist in mindestens einem dieser Bereiche noch Luft nach oben. Ohne Berücksichtigung dieser drei Elemente dürfte es schwerfallen, die Ideen umzusetzen, um die es später in diesem Buch gehen wird. Möglicherweise fehlt Ihnen sogar von vornherein die nötige Konzentration, um dieses Buch zu lesen. Deshalb steht dieses Kapitel ganz vorn. Nehmen wir uns also die Zeit und sehen uns genauer an, auf welch bemerkenswerte Weise Kleinkinder dafür sorgen, dass die Basics stimmen.
Jack Danger liebt rohes Gemüse. In einer Reihe von Videos, die gepostet wurden, als er vier Jahre alt war, sieht man Jack, wie er zu Hause in Alaska durch seinen Garten spaziert, Gemüse pflückt und darauf herumkaut. In einer Szene zieht er eine Rübe aus dem Beet, bemerkt aber nach dem ersten Bissen, dass etwas damit nicht stimmt. »Da ist … Dreck drauf.« Doch kein Problem, er schüttelt die Erde ab, mampft weiter und geht dann rüber zu dem Beet mit dem Grünkohl. Als seine Mom ihn fragt, wofür der Grünkohl gut ist, antwortet Jack zwischen zwei Bissen: »Das ist eine Pflanze mit Fasern. Die kann mir helfen, Kacka zu machen.«14,15 Jack ist sicher ein Muster an gesunder Ernährung, wie es nicht für alle Kleinkinder zutrifft, doch die meisten Kleinkinder haben bessere Essgewohnheiten als die meisten Erwachsenen. Wir können einige wertvolle Lektionen von ihnen lernen.
Im Gegensatz zu Jack essen viele von uns nicht genug komplette Lebensmittel. Wenn wir in einem Land leben, wo es jederzeit genug zu essen gibt, ist ein erheblicher Teil der Lebensmittel hoch verarbeitet und besitzt eine hohe Kaloriendichte. Dies und die Tatsache, dass viele von uns einfach zu viel essen, zeigt sich an unserer Taille. Drei von zehn Kanadiern und vier von zehn US-Amerikanern sind fettleibig, Tendenz steigend. In den Vereinigten Staaten rechnet man damit, dass 2030 fast die Hälfte aller Erwachsenen fettleibig sein wird.16
Der Schlüsselfaktor für einen Gewichtsverlust ist nicht Bewegung, sondern eine geringere Kalorienaufnahme.17 Bewegung ist unglaublich wichtig, aber eher dafür, die Kilos nicht wieder zuzulegen.18 Wenn wir unsere Kalorienzufuhr begrenzen würden, könnten wir Übergewicht und Fettleibigkeit vermeiden. Das wussten Sie wahrscheinlich schon; trotzdem achten nur wenige von uns auf die Kalorienmengen, die wir verzehren. Und noch weniger von uns zeichnen diese Mengen auf. Wenn Sie das tun, umso besser – doch die meisten von uns tun es nicht.
Zum Glück gibt es eine viel einfachere Möglichkeit, unsere Kalorienzufuhr zu begrenzen. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit, an eine Zeit, als Sie mühelos dazu in der Lage waren, mit Essen aufzuhören, sobald Sie satt waren. Wenn Ihnen dann jemand mehr aufdrängen wollte, haben Sie sich gewehrt und vielleicht sogar mit dem Essen um sich geworfen! Diese kleinen Leute sind schlau und viel mehr mit ihrem Körper verbunden als wir Erwachsenen. Als Kinderarzt kann ich Ihnen gar nicht sagen, wie viele Kinder man zu mir bringt (sogar in die Notaufnahme), weil sie »nicht essen«. Und dies, obwohl das Kind eine vollkommen normale Gewichtszunahme zeigt. Isst dieses Kind wirklich zu wenig? Oder sind es vielleicht die Eltern, die mit zu großen Portionen rechnen? Kleinkinder wissen einfach besser, wie es sich anfühlt, wenn man satt ist und was der nächste Schritt sein sollte: nämlich aufzuhören.
Im Gegensatz zu Erwachsenen, die sich durch verschiedene Emotionen wie Langeweile zum Essen verleiten lassen oder essen, weil alle anderen rundherum es auch tun, besitzen Kleinkinder die erstaunliche Fähigkeit, nur dann zu essen, wenn sie Hunger haben. Und natürlich, um ein bisschen herumzuspielen. Unnormale Ernährungsmuster entwickeln sich im Leben von Kindern dann, wenn die Bezugsperson versucht, sie zum Essen zu bewegen, obwohl sie nicht hungrig sind.19 Selbst wenn man ihnen zuckerreiche Speisen vorsetzt, können Kinder sich selbst regulieren und darauf verzichten. In einem Experiment beobachteten Forschende der Pennsylvania State University 31 (ursprünglich 32, aber ein Kind »verweigerte die Teilnahme«) drei- bis fünfjährige Kinder in einer Kindertagesstätte. Drei Monate lang bot man den Kindern zum Nachmittagssnack Weizencracker und süße Kekse an. Zu Beginn des Zeitraums hatten die Kinder drei Wochen lang Zugang zu beiden Möglichkeiten und konnten so viel davon essen, wie sie wollten. Dann folgte eine fünfwöchige Phase mit Einschränkungen. Während dieser Phase bekam jedes Kind eine große Portion Cracker, die Kekse jedoch standen in einem durchsichtigen Behälter auf dem Tisch. Die Kinder konnten die Kekse also sehen, durften sie aber nicht essen. Nach zehn Minuten mit den Crackern, während sie die Kekse anschauten, folgten zwei Minuten, in denen Kekse gegessen werden durften. Dann wurde der Behälter wieder verschlossen. Nach diesen fünf Wochen folgten wieder drei Wochen, in denen die Kinder Zugang sowohl zu Crackern als auch zu Keksen hatten, so wie in der Anfangsphase.
Erstaunlicherweise ergab die Analyse der Daten, dass es vor und nach der Einschränkungsphase keinen Unterschied in den Mengen von Crackern und Keksen gab, die die Kinder verzehrten. Während der Einschränkungsphase jedoch entschieden sich die Kinder häufiger für die Kekse, fragten häufiger danach und versuchten häufiger, an sie heranzukommen.20 Der Effekt, dass Kleinkinder sich immer für süße Kekse entscheiden (ein Bild, das die meisten von uns haben), beruht also einfach darauf, dass man die Kekse als besondere Leckerei bezeichnet und sie ihnen vorenthält. Im Normalfall würden Kleinkinder sich nicht für Völlerei entscheiden.
Das kann man von Erwachsenen nicht so erwarten, doch wir können andere Strategien nutzen. Am einfachsten wäre es, Junkfood gar nicht im Haus zu haben. Wenn Sie Lust auf einen Snack haben und nur gesunde Sachen im Haus sind, greifen Sie eher danach, einfach weil Ihnen nichts anderes zur Verfügung steht. Und wenn Sie sich doch dazu entscheiden, ein paar Ihrer liebsten kalorienreichen Snacks vorrätig zu haben, sollten sie außer Sicht und nicht so leicht zugänglich sein. Daten von Erwachsenen zeigen, dass fettleibige Individuen eher dazu neigen, an verschiedenen Stellen im Haus Lebensmittel sichtbar vorrätig zu halten, als nicht fettleibige Personen.21
Kleinkinder sind aber nicht nur in der Lage, kalorienreiche Lebensmittel zu meiden und eher zu essen, um ihren Hunger zu stillen, als zum bloßen Vergnügen. Sie besitzen auch die bemerkenswerte Fähigkeit, die Portionsgröße und die Zahl ihrer Mahlzeiten pro Tag an den Kalorienbedarf anzupassen. In einer landesweiten Studie beobachtete ein Forschungsteam von Mathematica Policy Research eine zufällig zusammengestellte Gruppe von mehr als 3000 amerikanischen Säuglingen und Kleinkindern auf ihre Portionsgrößen und die Zahl der Mahlzeiten hin. Aufgrund von 24-Stunden-Protokollen, die die Eltern ausfüllten, stellten die Forschenden fest, dass Kleinkinder (Ein- und Zweijährige) kleinere Portionen verzehrten, wenn sie häufiger aßen, und größere, wenn sie seltener aßen.22 Und dies, ohne auch nur darüber nachzudenken. Leider schwand diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter der Kinder.23 Doch die Strategie ist in jedem Fall ausgezeichnet: Denken Sie mal an Ihre letzte Mahlzeit, wenn Sie sich zum Essen hinsetzen. War sie groß oder klein? Und wie lange ist das her? Vielleicht können Sie die nächste Mahlzeit entsprechend anpassen und entweder Ihre Portionsgröße oder die Zahl der Mahlzeiten an Ihren Kalorienbedarf anpassen. Denn sowohl bei Erwachsenen24 als auch bei Kindern25 stehen Portionsgröße und Kalorienaufnahme in einem klaren Zusammenhang. Und wenn es uns nicht so leichtfällt, weniger zu uns zu nehmen, weil wir gelernt haben, unseren Teller leer zu essen, könnten wir von vornherein kleinere Portionen vorsehen.
Was das Thema Selbstregulierung beim Essen angeht, lohnt sich auch ein kurzer Blick ins Säuglingsalter. Kinder unter einem Jahr können nicht nur die Menge, die sie verzehren, angepasst an die Zahl der Mahlzeiten regulieren – so wie es Kleinkinder tun –, sondern auch angepasst an die Nährstoffdichte ihrer Nahrung. Gemeint ist die Zahl der Kalorien pro Gewichtseinheit in einem bestimmten Lebensmittel. Ein ganzer Kohlkopf hat zum Beispiel eine niedrige Nährstoffdichte: Er ist schwer, hat aber sehr wenige Kalorien. Nüsse dagegen haben eine sehr hohe Energiedichte – sie enthalten viele Kalorien bei einem geringen Gewicht. Stellen wir uns kurz vor, ein Säugling, der sich im Wesentlichen von Püree und Milch oder fertiger Säuglingsnahrung ernährt, hätte auf einmal den Mund voller Zähne und wäre in der Lage, die Dinge zu essen, von denen sich ältere Kinder oder Erwachsene ernähren. Wenn dieser Säugling nun zum Mittagessen Fastfood bekäme, würde er automatisch einen Salat zum Abendessen wählen, weil sein innerer Kalorienzähler noch funktioniert. Leider geht genau diese Funktion im Alter von zwölf Monaten verloren,26 aber wir können immer noch manuell nachrechnen. Die Schwierigkeit beim Kalorienzählen liegt allerdings darin, dass es Zeit kostet und am Anfang etwas überfordernd wirkt. Wenn man es jedoch richtig macht, kann man damit effektiv Gewicht verlieren, und nach ein paar Monaten lässt auch der Zeitaufwand nach.27 Es gibt jede Menge Forschung dazu, dass Erwachsene die Kalorienmenge ihrer Nahrung durchgehend unterschätzen. Wenn Sie also alles andere versucht haben, könnte es sich lohnen, einen Kalorienzähler zu benutzen.
Das nächste Mal, wenn Sie essen, hören Sie auf die Hinweise aus Ihrem Inneren: Sind Sie hungrig oder nicht? Nur weil die Uhr eine bestimmte Zeit anzeigt oder andere Leute essen oder Sie sich langweilen, muss das nicht heißen, dass Sie essen müssen. Und wenn Sie noch einen Schritt weiter gehen wollen, probieren Sie doch mal Hara Hachi Bu aus! Diese Methode wird von den gesündesten Menschen der Welt praktiziert, die auf der japanischen Insel Okinawa leben, und sie bedeutet: Hör auf zu essen, wenn du zu 80 Prozent satt bist.28 Sie sind ein erwachsener Mensch, Sie müssen nicht mehr den letzten Bissen auf dem Teller aufessen, wie Sie es vielleicht gelernt haben (möglicherweise unter Tränen). Diese Idee von wegen »nur noch drei Bissen« trainiert Kinder letztlich darauf, ihre inneren Sättigungsgefühle zu ignorieren.29 Es wird Zeit, dass wir damit aufhören, im Interesse unserer Kinder und in unserem eigenen Interesse. Kleinkinder können ihr Essverhalten sehr gut kontrollieren. Es sind die Eltern, die ihre Kinder zum Essen drängen, bestimmte Lebensmittel einschränken oder übermäßiges Essen vorführen und zu große Portionen anbieten. Würden sie damit aufhören, hätten wir wahrscheinlich alle eine bessere Beziehung zum Essen.30 Es könnte hilfreich sein, Ihre Portionsgrößen und die Zahl der Mahlzeiten an Ihren tatsächlichen Bedarf anzupassen, so wie es Kleinkinder tun. Und wenn das alles nichts nützt, versuchen Sie es mit einem Kalorienzähler, es gibt ja viele ganz großartige Apps.
Wir alle haben es schon erlebt und erleben es (manchmal täglich): Schlaf ist die unabdingbare Voraussetzung für optimales Funktionieren, für Konzentration und Stimmung. Leider geben die meisten von uns dem Schlaf nicht genug Priorität und bekommen viel weniger, als sie benötigen.
Die aktuelle Empfehlung lautet, Erwachsene sollten in der Nacht regelmäßig mindestens sieben Stunden schlafen. Alles, was darunter liegt, wird mit einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht, darunter Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Schlaganfall, Depression, Demenz und Fettleibigkeit. Es gibt auch deutliche Hinweise darauf, dass eine Schlafdauer von weniger als sieben Stunden zu einem Absinken der Leistungsfähigkeit und einem Ansteigen der Fehlerrate führt.31 Einige von uns akzeptieren ein Schlafdefizit unter der Woche und versprechen sich, dass sie am Wochenende aufholen werden. Nur leider hebt der Erholungsschlaf am Wochenende die meisten negativen Auswirkungen von Schlafmangel unter der Woche nicht auf, darunter auch die Gewichtszunahme.32
Für Kinder ist Schlaf sogar noch wichtiger, denn sie brauchen ihn für ihr Wachstum und ihre Entwicklung. Die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besagen, dass Kinder von einem bis zwei Jahren elf bis vierzehn Stunden guten Schlaf brauchen, Kinder zwischen drei und vier Jahren brauchen zehn bis dreizehn Stunden. Diese Empfehlung erstreckt sich über die gesamte Zeit von 24 Stunden und schließt Nickerchen ein.33
Irgendwann sind wir als Gesellschaft in Sachen Schlaf offenbar falsch abgebogen. Forscher der University of South Australia haben nämlich die Schlafdaten von fast 700000 Kindern und Jugendlichen aus zwanzig Ländern untersucht, und zwar über den Zeitraum von 1908 bis 2005. Dabei konnten sie eine stetige Abnahme der Schlaflänge bei Kindern und Jugendlichen feststellen – über diesen Zeitraum von 97 Jahren hat die Schlafdauer um mehr als eine Stunde pro Nacht abgenommen.34
Es gibt viele Faktoren, die zu schlechtem und unzureichendem Schlaf beitragen. Ich möchte vor allem auf drei Punkte hinweisen, die Kleinkindern helfen, besser zu schlafen und Ihnen hoffentlich ebenfalls helfen können. Der erste Punkt ist eine feste Routine zum Schlafengehen, die vor allem Lesen einschließt. Der zweite Punkt betrifft weniger Zeit vor dem Bildschirm, bevor Sie schlafen gehen. Und der dritte: ein Nickerchen untertags.
Kleinkinder profitieren von Routinen, die ihnen ein Gefühl von Ordnung und Sicherheit geben. Und nirgendwo im Leben ist Routine so wichtig und hilfreich wie beim Zubettgehen. Einer der wichtigsten Faktoren, die dazu beitragen, dass Kleinkinder in der Nacht gut schlafen, ist das Einhalten einer festen Schlafenszeit und einer festen Abfolge von Aktivitäten vor dem Einschlafen. Viele Erwachsene haben keine regelmäßige Schlafenszeit und fühlen sich deshalb morgens oft müde oder schlecht gelaunt. Beides ist natürlich kontraproduktiv. Eine gute Routine vor dem Einschlafen hat für Kleinkinder viele Vorteile: Sie gehen früher ins Bett, schlafen leichter ein, werden nachts nicht so oft wach und vor allem: sie schlafen länger. Doch auch über die Schlafqualität hinaus hat eine feste Einschlafroutine viele Vorteile. Sie steht in Verbindung mit einer verbesserten Regulierung von Emotionen und Verhalten und fördert sogar die Lesefähigkeit.35
So eine Einschlafroutine muss nicht kompliziert sein. Tatsächlich ist es besser, wenn sie nur einige wenige Aktivitäten umfasst. Beliebte Aktivitäten für Kleinkinder sind Baden, Massage, Vorlesen und Schmusen. Und ich bin sicher, diese Punkte hätten auch bei Ihnen eine positive Wirkung.36 Doch einer der wichtigsten Faktoren – das wissen alle Menschen, die mit Kindern umgehen – ist Regelmäßigkeit. Je mehr sich Kinder an ihre Routine halten, desto besser schlafen sie.37 Und dasselbe gilt für Sie als Erwachsene: Halten Sie sich an Ihre Routine und Ihre feste Schlafenszeit.
Das Tolle daran, wenn man seine Schlafqualität mit Hilfe von Routinen verbessern will: Man hat in der Regel schnell Erfolg. Um herauszufinden, wie gut eine feste Einschlafroutine wirkt, führten Forschende des Children’s Hospital in Philadelphia eine Studie durch, für die 200 Ein- bis Dreijährige nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Das bedeutete: Sobald die Familien der Teilnahme an der Studie zugestimmt hatten, entschied ein Computer wahllos, ob die Kinder der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe zugeordnet werden sollten. Die Interventionsgruppe ist bei solchen Studien immer diejenige, an der eine neue Idee getestet wird, die Kontrollgruppe macht einfach so weiter wie bisher. Die Zuordnung per Zufallsgenerator wird angewandt, um Voreingenommenheiten auszuschließen und der Wahrheit etwas näher zu kommen.
Bei dieser Studie folgten die Bezugspersonen zunächst der bisherigen Routine, sodass grundlegende Vergleichsdaten gesammelt werden konnten. Dann bekamen die Bezugspersonen für zwei Wochen den Auftrag, drei einfache Dinge zu tun, bevor das Kind ins Bett gebracht wurde: Baden Sie das Kind, cremen Sie es mit Lotion ein und schließen Sie eine ruhige Aktivität an, etwa Schmusen oder ein Schlaflied. Die gesamte Routine sollte nach dem Bad noch eine halbe Stunde dauern. Die Mütter in der Kontrollgruppe brachten ihre Kinder während der gesamten Studiendauer so ins Bett, wie sie es immer taten. Einige von ihnen hatten möglicherweise eine feste Einschlafroutine, doch sie bekamen keine genauen Instruktionen, was und wie viel sie tun sollten. Nach der dreiwöchigen Studiendauer konnte man in der Interventionsgruppe verschiedene Verbesserungen beobachten, wenn man sie mit der Kontrollgruppe verglich: Die Kinder schliefen schneller ein, wurden nachts weniger häufig wach und schliefen länger.38 Nachdem sich diese Ergebnisse nach zwei Wochen zeigten, schlossen die Forschenden eine weitere Testreihe bei Ein- bis Zweijährigen (und einigen Säuglingen) an. Die Ergebnisse waren sogar noch besser: Die Kinder mit der festen Einschlafroutine zeigten bereits nach drei Nächten Verbesserungen.39
Wenn Sie darüber nachdenken, was Sie als Einschlafroutine etablieren könnten, sollten Sie die Aktivitäten von Kleinkindern ansehen, die diesen beim Einschlafen helfen. Eine Abendroutine, die der eines Kleinkindes ähnelt, könnte auch Ihnen zu einem besseren Nachtschlaf verhelfen.40 Bisher haben wir darüber gesprochen, wie wichtig eine feste Schlafenszeit und ein Bad sind, doch was sollten wir unmittelbar vor dem Einschlafen tun? Die Antwort auf diese Frage finden wir in einer unglaublichen Studie zum Thema Entwicklung im Kindesalter, bei der mehr als 4000 Kinder aus zwanzig amerikanischen Städten von ihrer Geburt bis zum Alter von fünf Jahren begleitet wurden. Die Kinder wurden sogar von den Forschenden zu Hause besucht, sodass man sich ein Bild von den Aktivitäten zur Schlafenszeit machen konnte. Im Rahmen einer umfassenderen Studie wurde eine bemerkenswerte Reihe von Faktoren untersucht, doch konzentrieren wir uns auf den Schlaf: Es konnte festgestellt werden, dass sprachbasierte Aktivitäten vor dem Einschlafen mit einer längeren Schlafdauer in Verbindung standen. Sprachbasierte Aktivitäten sind Dinge wie Vorlesen, Geschichtenerzählen oder Singen.41 Das perfekte Ende Ihrer Einschlafroutine scheint also ein gutes Buch zu sein.
Jedes Kleinkind wird Ihnen sagen, dass die letzten Minuten jeder beliebigen Einschlafroutine darin bestehen müssen, die Bettdecke festzustecken. Es beruhigt sie, wenn sie unter einer gemütlichen Decke liegen, und es schenkt ihnen jenes Gefühl der Sicherheit, das sie brauchen, um in ihrem eigenen Bett schlafen zu können. Die Medienmogulin Arianna Huffington hat erwachsene Töchter, die dieses Ritual wahrscheinlich nicht mehr brauchen, aber sie hat es für etwas ganz anderes adaptiert: für ihr Handy. Als Fürsprecherin eines besseren Schlafs und Autorin des Buchs The Sleep Revolution weiß sie, wie wichtig es ist, vor dem Schlafengehen nicht auf einen Bildschirm zu starren.42 Deshalb hat sie für ihr Handy ein Bett mit Wäsche aus Satin entworfen, das außerhalb ihres Schlafzimmers steht und in dem das Handy jede Nacht aufgeladen wird.43
Wenn Sie schon mal irgendetwas über besseren Schlaf gelesen haben, ist Ihnen höchstwahrscheinlich der Rat begegnet, die Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen einzuschränken. Das ist gar nicht so einfach umzusetzen, denn Smartphones und Streaming-TV sind aus verschiedenen Gründen eine regelrechte Sucht geworden. Trotzdem ist es enorm wichtig, dass Sie sich diesen Dingen am späten Abend entziehen, wenn Sie besser schlafen wollen. Und das Thema geht alle an, auch Kleinkinder. In einer Studie von Forschenden der East Michigan University wurden fast 500 Zweijährige zweimal zu Hause besucht, sodass die Forschenden sämtliche Aktivitäten rund um die Schlafenszeit des Kindes aufzeichnen konnten. Die Eltern bekamen sogar Mikrofone angesteckt, sodass mitgehört werden konnte, wenn Eltern und Kind allein waren. Die Beobachtungen erstreckten sich auf die Stunde vor der Einschlafroutine und auf die Routine selbst. Um den Schlaf der Kinder akkurat messen zu können, bekamen sie einen Aktivitätsmesser, eine Art Armbanduhr, die in der Lage ist, den Schlaf objektiv aufzuzeichnen. Wie erwartet, stand Bildschirmzeit in der Phase vor oder während der Einschlafroutine in Verbindung mit mehr Schlafschwierigkeiten. Die Kinder schliefen später ein und weniger gut durch.44
Es gibt verschiedene Gründe, warum Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen schädlich ist. Zum einen stört sie die Ausschüttung von Melatonin. Melatonin ist ein Hormon, das von der Zirbeldrüse im Gehirn produziert und nachts ausgeschüttet wird. Es reguliert den zirkadianen Rhythmus (unsere innere Uhr) und erleichtert das Einschlafen.45, 46 Licht, vor allem kurzwelliges blaues Licht, wie es vom Smartphone abgestrahlt wird, unterdrückt die Melatoninproduktion.47 Und ein niedriger Melatoninspiegel kann Schlaflosigkeit hervorrufen. Deshalb hilft das Einnehmen von Melatonin beim Einschlafen, vor allem dann, wenn der zirkadiane Rhythmus aus dem Takt geraten ist (zum Beispiel durch einen Jetlag). Übrigens sinkt der natürliche Melatoninspiegel mit zunehmendem Alter. Je älter Sie also sind, desto wichtiger ist es, den Melatoninspiegel zu unterstützen und nicht zu senken. Auf diese Weise schützen Sie Ihren natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus.
Der zweite Grund, warum Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen kontraproduktiv ist: Das Licht, das die Geräte aussenden, führt zu einem wachen, aufmerksamen Zustand. Das liegt zum Teil an der schon erwähnten Unterdrückung der Melatoninproduktion, doch auch am Tag, wenn man im Blut praktisch kein Melatonin nachweisen kann, macht Licht uns wach. Studien mit Positronen-Emissions-Tomografie (PET), die die Gehirnaktivität messen kann, zeigen, dass eine Lichtexposition bei Nacht mehrere Gehirnareale aktiviert, die mit Aufmerksamkeit zu tun haben.48
Und schließlich ist das alles auch eine Zeitfrage. Je mehr Zeit Sie mit Fernsehen, Sprachnachrichten oder YouTube verbringen, desto weniger Zeit bleibt Ihnen zum Schlafen.49 Das Problem: Schlaf scheint so etwas wie die letzte Option zu sein. Doch wenn Sie eine Schlafroutine entwickeln und die Vorteile eines verbesserten Schlafs bemerken, werden Sie sich wahrscheinlich entschließen, viel mehr und öfter zu schlafen.
Wir müssen also davon ausgehen, dass die Auswirkungen von Bildschirmzeit im Wesentlichen physiologischer Art sind und dass Erwachsene davon genauso betroffen sind wie Kleinkinder, wahrscheinlich sogar mehr, weil ihr Melatoninspiegel ohnehin altersbedingt sinkt. Forschende in Belgien, die 844 flämische Erwachsene im Alter zwischen 18 und 94 Jahren beobachteten, konnten zeigen, dass die Benutzung eines Handys zur Schlafenszeit mit mehr Berichten über Schlaflosigkeit, Erschöpfung und längere Schlaflosigkeit in Verbindung stand.50 Vielleicht besteht die beste Möglichkeit, sich gegen den Drang zum Bingewatching oder übermäßigen Scrollen zu wappnen, darin, alle elektronischen Geräte mit Ausnahme eines einfachen Weckers aus dem Schlafzimmer zu verbannen. In einer Studie mit dem sehr passenden Titel »Sleeping with the Frenemy« konnten Forschende der University of East London zeigen, dass sich das subjektive Wohlbefinden von Erwachsenen in drei von vier Parametern verbesserte, wenn Sie eine Woche lang kein Handy im Schlafzimmer hatten.51 Sie könnten wie die Teilnehmenden dieser Studie – und Ms. Huffington – davon profitieren, wenn Sie dieses Experiment ebenfalls durchführen und Ihr Handy für eine Weile aus Ihrem Schlafzimmer verbannen.
Kleinkinder sind ein extrem glücklicher Haufen. In den Kapiteln 3 und 5, in denen es um Lachen und Spiel geht, werden wir noch sehen, wie sehr sie ihr Leben zu genießen wissen. Mit Spaß und Kichern verbringen sie einen Großteil ihres Tages, und es gibt eigentlich nur zwei Dinge, die ihnen die Laune verderben. Das eine ist, wie bei allen Menschen, der Hunger, das andere Schlafmangel. Sie sind extrem darauf angewiesen, gut ausgeruht zu sein. Wenn man ein Schläfchen ausfallen lässt, ist das der sicherste Weg zu einem nörgelnden Kleinkind. Selbst Kleinkinder, die mit hohem Fieber ins Krankenhaus kommen, kehren nach einer einzigen Dosis Fiebersaft zu ihrem normalen, erfreulichen Zustand zurück. Doch ein ausgefallenes Schläfchen lässt sich nicht so leicht aus der Welt schaffen.
Damit sie ausreichend Schlaf bekommen, bauen Kleinkinder in ihren Tagesablauf immer ein Nickerchen ein. Im ersten Jahr, also zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag, sind es sogar mindestens zwei. Sobald sich der zweite Geburtstag nähert, gehen sie zu einem Nickerchen pro Tag über, bis am Ende des Kleinkindalters Schluss damit ist. Die meisten Kinder hören irgendwann auf, ein Mittagsschläfchen zu halten, doch weitaus die meisten Kleinkinder tun es, und wir sprechen hier nicht von Kurzschlaf. Im Alter von einem Jahr verbringen neun von zehn Kleinkindern zwischen zwei und vier Stunden am Tag schlafend, im Alter von vier Jahren liegt die Quote der Kinder, die zwischen anderthalb und zweieinhalb Stunden schlafen, immer noch bei 80 Prozent.52 Kleinkinder brauchen nur eine Gelegenheit zum Schlafen, dann tun sie es. Letztlich genügen eine ruhige Zeit am Tag, ein passender Ort und das richtige Licht.53
Und warum halten Kleinkinder jeden Tag ein Nickerchen? Wegen der vielen Vorteile, die das bringt, darunter nicht zuletzt die Konsolidierung von Gelerntem in einer Phase rasanter Entwicklung des Gehirns. Um dies zu illustrieren, untersuchten Forschende der University of Sussex die Art, wie Kleinkinder Wörter lernen, eine extrem wichtige Aufgabe in diesem Alter. Sie beobachteten 48 dreijährige Vorschulkinder und lasen ihnen eine Woche lang Geschichten vor. Die Hälfte der Kinder bekam drei verschiedene Geschichten vorgelesen, die andere Hälfte dieselbe Geschichte zu drei unterschiedlichen Zeiten. Und die eine Hälfte der Kinder hielt gleich nach dem Vorlesen ein Nickerchen, die andere nicht. Alle Kinder wurden auf ihr Wortverständnis hin getestet: unmittelbar nach dem Vorlesen, zweieinhalb Stunden später, dann noch einmal nach 24 Stunden und nach Ablauf der Woche. Wie erwartet zeigten die Kinder, die drei Mal dieselbe Geschichte gehört hatten, ein besseres Wortverständnis. Interessanterweise hatte aber das Schläfchen nach dem Vorlesen starke Auswirkungen auf die Leistung – so sehr, dass die Kinder, die drei verschiedene Geschichten gehört, nach dem Vorlesen aber geschlafen hatten, genauso viele Wörter behalten hatten wie diejenigen, die mehrmals dieselbe Geschichte gehört, danach aber nicht geschlafen hatten.54 Die stärkste Leistung zeigten die Kinder, die dieselbe Geschichte mehrmals gehört und nach dem Vorlesen geschlafen hatten. Es gibt im Übrigen auch verschiedene Studien, bei denen Kleinkinder am Schlafen untertags gehindert wurden. Sie alle zeigen, wenig überraschend, dass Kinder weniger leistungsfähig beim Lösen schwieriger Aufgaben sind, wenn sie kein Nickerchen gehalten haben.55
Bei Erwachsenen wird ein modifizierter Ansatz empfohlen: Halten Sie ein Nickerchen am frühen Nachmittag, und sorgen Sie dafür, dass es weniger als dreißig Minuten dauert. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Powernap. Es kann bei Schlaflosigkeit helfen und sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Lernfähigkeit erhöhen.56
Fassen wir zusammen: Legen Sie eine Schlafenszeit fest, bei der Sie jede Nacht mindestens sieben Stunden Schlaf bekommen, und halten Sie sich daran, wenn möglich auch am Wochenende. Mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen legen Sie Ihr Smartphone weg und schalten alle anderen Bildschirmgeräte ab, auch Ihren Computer oder Tablet. Um zu vermeiden, dass Sie während der Nacht auf Ihr Smartphone blicken, verbannen Sie es aus dem Raum, in dem Sie schlafen. Und entscheiden Sie sich für zwei Aktivitäten, die Sie in gleichbleibender Reihenfolge jeden Abend durchführen. Die eine Aktivität kann mit Ihrer persönlichen Hygiene zu tun haben: ein Bad oder Zähneputzen (oder beides). Bei der anderen geht es um irgendeine ruhige Beschäftigung: Hören Sie Musik oder schreiben Sie Ihre Gedanken mit der Hand auf Papier. Beenden Sie Ihren Abend mit Lesen. Und selbst wenn es schwierig zu organisieren ist: Versuchen Sie am Nachmittag einen Kurzschlaf einzubauen, vielleicht erst einmal nur an den Tagen, an denen Sie nicht arbeiten müssen.
Obwohl wir genau wissen, wie viele Vorteile Bewegung hat, kann es schwierig sein, regelmäßig die Zeit und Energie dafür aufzubringen. Doch je mehr wir es aufschieben, desto mühsamer wird es, wenn wir immer weiter zunehmen und Bewegung bisher nicht in unseren Tagesablauf eingebaut haben. Kleinkinder scheinen nie eine Ausrede zu haben, nicht aktiv zu sein. Sie sind echte Vorbilder, wenn es darum geht, sich regelmäßig zu bewegen. Gehen Sie mal mit einem dreijährigen Kind in den Park. Sobald es ein Klettergerüst erspäht, wird es darauf zu rennen, um hochzuklettern und runterzuspringen. Kinder fordern sich ständig mit immer schwierigeren körperlichen Aktivitäten heraus und finden im Park auch Mitstreiter, die ihre Motivation erhalten. Wenn sie sich verletzen, führt das normalerweise nur zu einer kurzen Unterbrechung, bevor es weitergeht. Ich habe zahllose Kleinkinder gesehen, die selbst mit einem schmerzhaften Knochenbruch weitermarschierten. Sie gehen bis zur Erschöpfung, bevor sie eine Pause auch nur erwägen. Und Sie können drauf wetten, dass Kleinkinder keinen Tag auslassen oder gar drei Trainingstage pro Woche planen. Sie trainieren instinktiv jeden Tag. Eine solche Hingabe an regelmäßige Bewegung würde uns allen wirklich guttun. Und so ist es kein Wunder, dass etwas ältere Kinder bei Fitnesstests etwa so gut abschneiden wie trainierte erwachsene Ausdauersportlerinnen und -sportler.57
Denken Sie mal eine Minute lang darüber nach, wie viele Stunden am Tag Sie sitzend verbringen – am Schreibtisch, auf der Couch oder im Auto. Inaktivität ist für viele Erwachsene der Normalzustand, stundenlang, oft halbe Tage lang, bevor wir endlich mal aufstehen und uns bewegen. Bei Kleinkindern ist es genau umgekehrt. Tatsächlich wird empfohlen, dass Kleinkinder nie mehr als eine Stunde am Stück inaktiv sein sollten.58 Mindestens einmal pro Stunde sollten sie aufstehen und springen, rennen, tanzen. Selbst wenn Sie sich richtig Mühe geben, wird es Ihnen schwerfallen, ein Kleinkind eine ganze Stunde zum Stillsitzen zu bringen – sie haben einfach einen eingebauten Bewegungsdrang. Und der ist wichtig, denn sowohl Kleinkinder als auch Vorschulkinder sollten am Tag mindestens drei Stunden lang körperlich aktiv sein.59 Die meisten Erwachsenen sind froh, wenn sie das in einer Woche schaffen.
Im Gegensatz zu Erwachsenen, die sich oft nicht an einmal gesetzte Gesundheitsrichtlinien halten, gelingt es Kleinkindern unglaublich gut und auf natürliche Weise, ihre Trainingsziele zu erreichen. In einer der besten Studien zum Messen der Aktivitätslevel von Kindern statteten Forschende in Neuseeland Kinder mit Akzelerometern aus, die sie eine Woche lang ständig tragen sollten. Diese Akzelerometer sind Sensoren, die Bewegung messen. Ihre Fitbit-Uhr hat z.B. einen Akzelerometer, um Ihre Schritte zu zählen. Dass es den Forschenden gelang, 380 Kinder dazu zu bringen, diese Geräte so lange um die Taille zu tragen, ist bereits für sich genommen preisverdächtig. Auf jeden Fall konnten sie damit die Schlafzeit, die im Sitzen verbrachte Zeit, leichte körperliche Aktivität und mittlere bis starke körperliche Aktivität messen. Nach einer Woche, in der die Daten von Hunderten Kindern gesammelt worden waren, zeigte sich, dass die Zweijährigen fast fünf Stunden pro Tag leichten körperlichen Aktivitäten nachgingen, die Dreijährigen etwas mehr als fünf Stunden lang und die Fünfjährigen fünf Stunden und zwanzig Minuten. Geht man bei den Fünfjährigen von zehneinhalb Stunden Schlaf aus, dann waren sie 40 Prozent ihrer im Wachzustand verbrachten Zeit körperlich aktiv. Und das jeden Tag.60
Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern besteht in der sitzend verbrachten Zeit. In der eben erwähnten Studie zeigte sich, dass die Zweijährigen pro Tag etwa siebeneinhalb Stunden sitzend verbrachten. Britische Erwachsene kommen unter der Woche auf neuneinhalb Stunden täglich und auf je neun Stunden am Samstag und Sonntag.61
Für die meisten von uns dürfte es unmöglich sein, so viel Zeit mit körperlicher Aktivität zu verbringen wie ein Kleinkind. Doch wir sollten alle mehr Wert darauf legen. Selbst wenn Sie im Beruf einer im Wesentlichen sitzenden Tätigkeit nachgehen, versuchen Sie jede Stunde einmal aufzustehen und sich zu bewegen. Andere Vorschläge in Bezug aufs Berufsleben betreffen Meetings im Gehen oder ein zwanzigminütiges Schreibtischworkout jeden Tag. Unabhängig von Ihrem derzeitigen Trainingslevel ist jede Steigerung hilfreich und wird Sie hoffentlich motivieren, sich noch mehr zu verbessern.
Essen Sie nur, wenn Sie hungrig sind.Wenn die Sättigung einsetzt, hören Sie auf zu essen. Sie müssen Ihren Teller nicht leer essen. Wenn jemand Sie dazu überreden will, »noch einen Bissen« zu essen, zermatschen Sie die Erbsen und machen abstrakte Kunst daraus.
Schalten Sie eine Stunde vor dem Zubettgehen alle Bildschirmgeräte aus. Katzenvideos können Sie auch morgen noch anschauen.
Legen Sie sich eine Einschlafroutine zu. Wenn Sie jemanden dazu überreden können, Sie mit Körperlotion einzucremen, umso besser.
Bitten Sie um eine Gutenachtgeschichte. Wenn das nicht klappt, lesen Sie sich selbst etwas vor.
Machen Sie sich das tägliche Nickerchen zur festen Gewohnheit. Powernaps sind für Sieger gemacht.
Nutzen Sie jedes bisschen freie Zeit für ein Training, selbst wenn es nur ein kurzer Spaziergang ist. Machen Sie das jeden Tag.
Was auch immer du tust, ich teile meine Sticker mit dir
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