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Eher nicht, befinden immer mehr Menschen. Ihren Glauben aber geben sie deshalb nicht auf. Sie suchen für ihn nur neue Formen: als spirituelle Atheisten, als Erfinder von Ritualen, in Gemeinden ohne Religion Die großen Themen der Zeit sind manchmal kompliziert. Aber oft genügt schon eine ausführliche und gut recherchierte GEO-Reportage, um sich wieder auf die Höhe der Diskussion zu bringen. Für die Reihe der GEO eBook-Singles hat die Redaktion solche Einzeltexte als pure Lesestücke ausgewählt. Sie waren vormals Titelgeschichten oder große Reportagen in GEO.
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Seitenzahl: 22
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Herausgeber:
GEO
Die Welt mit anderen Augen sehen
Gruner + Jahr AG & Co. KG, Druck- und Verlagshaus,
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg
www.geo.de/ebooks
Brauchen wir Gott?
Von Hanne Tügel
Zusatzinfos
Denkschulen: Typologie des (Un-)Glaubens
Nachlese: Buchtipps
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Eher nicht, befinden immer mehr Menschen. Ihren Glauben aber geben sie deshalb nicht auf. Sie suchen für ihn nur neue Formen: als spirituelle Atheisten, als Erfinder von Ritualen, in Gemeinden ohne Religion
Von Hanne Tügel
Heute Abend ist der Papst Muslim. Sedat Cukadar, 44 Jahre alt, bärtig, geschieden, zwei Kinder, tagsüber Kraftfahrer bei der Hamburger Stadtreinigung, lässt sich den brokatverzierten Ornat anlegen und begrüßt das Kirchenvolk. Neben ihm setzt Volker Schröder, 27, einen steifen Hut mit angeklebten Schläfenlocken auf seinen modisch kahl rasierten Kopf und wird zum orthodoxen Rabbiner. Und Dalila Ferrec, die Lippen im schwarzen Gesicht knallrot geschminkt, gibt in dunkler Soutane plus magentafarbenem Scheitelkäppchen eine katholische Bischöfin. Eine Frau? Der übergroße Jesus von Nazareth an der Kirchenwand schaut mit undeutbarem Gesichtsausdruck zu, wie sich schließlich auch sein irdischer Botschafter verwandelt: Pastor Ulfert Sterz erscheint mit Turban und Fransenbart-Perücke als Ajatollah.
„Die Insel“ heißt das Stück von Björn Bicker, das Laienschauspieler zusammen mit Profis im Herbst 2014 in der Immanuelkirche in Hamburg-Veddel aufführen. Es ist eine Multimedia-Collage über Identität, Heimat, Vorurteile, Stolz, Hoffnung. Die Eingangsszene ist nur ein Denkanstoß – und ein passender Auftakt für diesen Artikel, der um Gott und die Welt kreisen wird. Nicht von Fundamentalismus und Hass soll die Rede sein, sondern von der Sehnsucht nach Spiritualität jenseits erstarrter Rituale. Von Gläubigen und Ungläubigen, deren Antworten auf die großen Fragen zwischen Himmel und Erde sich oft erstaunlich ähneln. Von Einstein, Sigmund Freud, dem Dalai Lama und einem englischen Comedian-Paar, das dabei ist, so etwas wie eine Weltreligion ohne Gott zu stiften.
Geprobt wird hier ein noch unausgegorener Choral voller Dissonanzen, mal provokant, mal fröhlich, mal besinnlich. Den Refrain predigt das Multikulti-Ensemble von der Veddel: „Kommt, die neue Stadt wartet auf euch!“