Spirituelle Intelligenz - Dawson Church - E-Book

Spirituelle Intelligenz E-Book

Dawson Church

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Beschreibung

Spirituelle Intelligenz: Wie du dein Gehirn neu vernetzt und tiefes Glück, Mitgefühl und Klarheit entwickelst Unser Gehirn ist für mehr geschaffen als bloßes Überleben. Es ist für Erleuchtung gebaut. Basierend auf über 400 wissenschaftlichen Studien zeigt Dawson Church, wie du durch gezielte Praktiken deine spirituelle Intelligenz (SQ) aktivierst und das sogenannte "Erleuchtungs-Netzwerk" im Gehirn einschaltest – ein Zustand tiefster Klarheit, Verbindung und Glückseligkeit. Bliss Brain statt Höhlenmensch-Modus: So bringst du dein Gehirn zum Leuchten Die meisten Menschen stecken im Stressmodus fest – gefangen in einem inneren System, das auf Angst, Kontrolle und Reizüberflutung reagiert. Doch es gibt einen Ausweg aus dieser evolutionären Negativitätsfalle – hin zu einem Leben jenseits von chronischem Grübeln, erfüllt von Freude, Mitgefühl und geistiger Klarheit. Was du in diesem Buch erfährst: - Die vier neuronalen Schaltkreise der Erleuchtung und wie du sie aktivierst - Wie du emotionale Heilung und mentale Klarheit durch spirituelle Praxis erreichst - Was das Gyrus dentatus mit Glück, Resilienz und Anti-Aging zu tun hat - Warum Mitgefühl dein Gehirn umformt und die Evolution der Menschheit vorantreibt - Konkrete Übungen, Tagebuchfragen und geführte Meditationen zur Selbstanwendung Spirituelle Intelligenz praktisch nutzen: Church zeigt anhand faszinierender Beispiele – von Nelson Mandela über Jeanne d'Arc bis zu modernen Meditierenden – dass spirituelle Intelligenz kein esoterisches Konzept ist, sondern eine erlernbare Fähigkeit. Auch du kannst lernen, dein Gehirn auf Glück, Weisheit und innere Stärke zu programmieren. Für wen ist dieses Buch geeignet? Suchende, spirituelle Praktizierende, Coaches, Lehrer, Eltern, Wissenschaftler, Unternehmer und Führungskräfte – alle, die ihr Bewusstsein erweitern und tiefe Erfüllung erleben möchten. Warum dieses Buch lesen? Weil du spürst, dass in dir mehr steckt. Weil du das Potenzial deines Geistes freisetzen willst. Und weil du Teil der nächsten Stufe menschlicher Evolution sein kannst – bewusst, verbunden und voller Licht.

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Seitenzahl: 470

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dawson Church

Spirituelle Intelligenz

Die vergessene Kraft in deinem Gehirn – und wie dusie aktivierst

Wichtige Hinweise

– Die im Buch veröffentlichten Empfehlungen wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen. Die Empfehlungen ersetzen keine ärztliche Konsultation, und deren Anwendung erfolgt auf eigene Verantwortung der Leserinnen und Leser.

– Der Inhalt dieses Buches gibt die Meinungen des Autors wieder, die nicht unbedingt mit der Ansicht des Verlages und seines Teams übereinstimmen.

– Die Publikation enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben; für diese fremden Inhalte können wir keine Gewähr übernehmen. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung nicht erkennbar.

– Auch wenn eine gendergerechte Sprache wünschenswert ist, gibt es aus Sicht des Verlages bisher keine befriedigende, gut lesbare Lösung. Der leichteren Lesbarkeit zuliebe haben wir zumeist von der Doppelung männlicher und weiblicher Formen nach dem Muster »der … oder die …«, »er bzw. sie« usw. Abstand genommen. Selbstverständlich liegt es uns fern, dadurch jemanden zu benachteiligen.

Titel der Originalausgabe:

Spiritual Intelligence: Activating the 4 Circuits of the Awakened Brain.

© 2024/2025 by Dawson Church

Energy Psychology Press

PO Box 222, Petaluma, CA 94953-0222

www.energypsychologypress.com

Deutsche Ausgabe:

© 2025 MOMANDA GmbH, Rosenheim

www.momanda.de

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung aus dem Englischen: Maria Müller-de Haën

Lektorat der Printausgabe: Gitta Lingen

Cover: Guter Punkt, München, unter Verwendung eines Motivs von cosmin4000/iStock

Gesamtherstellung: Bernhard Keller

E-Book-Umsetzung: Bookwire

ISBN 978-3-95628-142-6

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Inhalt

Vorwort von Jean Houston

Kapitel 1: Unser Gehirn ist auf spirituelle Intelligenz vernetzt

— Das Unverzeihliche verzeihen

Das Erbe von deinen Vorfahren

Das explosionsartige Wachstum des Hominidengehirns

Der Überlebensvorteil

— Gug und ihr CYP17-Gen

Äußere und innere Bedrohungen

Was das Höhlenmenschen-Gehirn heute macht

Das Task Positive Network

Die Standardeinstellung des Gehirns

Auf der Suche nach dem Glück

— Harry und die »French Connection«

Die Neurowissenschaft verändert alles

Der Geist in unseren Genen

Das Erleuchtungs-Netzwerk

Das Bliss Brain trainieren

Die Anatomie des Gehirns und spirituelle Meisterschaft

Die Anatomie der vier wichtigsten Schaltkreise

Der Schaltkreis der Emotionsregulierung

Der Aufmerksamkeits-Schaltkreis

Der Schaltkreis zur Selfing-Kontrolle

Der Empathie-Schaltkreis

Von einem Netzwerk zum anderen wechseln

Wie spirituelle Intelligenz die subjektive Erfahrung transformiert

Spirituelle Intelligenz – eine Definition

Menschen, die spirituelle Intelligenz verkörpern

Jedes Gehirn verfügt über die nötige Hardware

Unsere gemeinsame Reise

Vertiefende Praxis

Kapitel 2: Weniger Leiden, mehr Glück

Die Muskeln wachsen lassen

— Dwayne »The Rock« Johnson: Mehr als bloß Muskeln

Gehirnwachstum – zwar unsichtbar, aber real

Gehirnschwund ist unvermeidlich

— In die Dunkelheit entschwinden

Mit der Software des Gehirns die eigene Hardware verändern

— Graham Phillips meditiert

IQ, EQ & SQ

Der Gyrus dentatus

Auf die Größe kommt es an

— Albert Einstein und die zwei Gehirnhälften

Stimmung und die Größe des Gyrus dentatus

Schrumpfung des Gyrus dentatus

Der Nucleus accumbens

Stress verändert wichtige Gehirnregionen

Reparatur des Gyrus dentatus

— Das Gewicht eines Elefanten von den Schultern nehmen

Meditation verbessert das Gehirn von Alzheimer-Patienten

Alzheimer-Patienten bauen das Erleuchtungs-Netzwerk aus

Spirituelle Intelligenz wirkt dem kognitiven Verfall entgegen

— Mamas Fahrstil und Alzheimer

Spirituelle Intelligenz prägt die Struktur und Funktion des Gehirns

— Ein neun Jahre jüngeres Gehirn

25-mal glücklicher

Vertiefende Praxis

Kapitel 3: Der Kipppunkt

— 200 Pfund beim Bankdrücken

Von vorübergehenden Stadien zu Eigenschaften bzw. Wesenszügen

— Gautamas Weg zum Kipppunkt

Der große Irrtum von Religion und Psychologie

Aufbau der Hardware zum Ausführen der Apps

Das erwachte Gehirn

Depression und Spiritualität – zwei Seiten derselben Medaille

Die neurologische Basis der spirituellen Intelligenz

Spirituelle Intelligenz als Persönlichkeitsmerkmal

— Die Mystikerin des Holocaust

Von Suchenden zu Findern

— Präsenz praktizieren

Der »Lange Weg« zur Erleuchtung

Von der Religion zur Psychologie

— Herbert Benson und die »Relaxation Response«

Die Neurowissenschaft übertrumpft die Psychologie

Der »Kurze Weg« zur Erleuchtung

— Eine Suche im geheimen Indien

Das innere Selbst erkennen

Den Kurzen Weg gehen

— Die Masken transzendieren, die wir getragen haben

Holz hacken, Wasser holen

Vertiefende Praxis

Kapitel 4: Die Erfahrung des Erwachtseins

— Der Tag, an dem sich alles änderte

Gipfelerfahrungen bieten eine transformative Perspektive

Fundamentales Wohlbefinden und außergewöhnliches Glücksempfinden

Die innere Erfahrung der spirituellen Intelligenz

Viele Wege, ein Ziel

Die fünf Merkmale von Erleuchtungserfahrungen

Die vier Lokationen, an welche Finder springen

Lokation 1 – Das Selbst zur Ruhe bringen

Lokation 2 – Positive Emotionen

Lokation 3 – Strahlende Liebe

Lokation 4 – Im Universum aufgehen

— Von der Stripperin und Drogendealerin zur spirituellen Lehrerin

Die positive Meta-Emotion

Patanjali und die vier Grundzustände von Samadhi

Sutras und Yoga-Philosophie

Die Modifikationen des Geistes

Vitarka Samadhi

Vichara Samadhi

Ananda Samadhi

Asmita Samadhi

Nichtdualität

— Ramana Maharshi, der große Lehrer der Nondualität

Alte und moderne Betrachtungsweisen

Vertiefende Praxis

Kapitel 5: Erleuchtung ohne Spiritualität

Die Gehirnwellen der spirituellen Intelligenz

Der erwachte Geist

Die Bedeutung der Gehirnwellen-Frequenzen

EcoMeditation und der erwachte Geist

— Der Diamantkristall in Marias Kehle

Das Flow-Konzept

— Der Traum, der zu einem wissenschaftlichen Durchbruch führte

Selbsttranzendenz

Jede Entscheidung und Handlung führt fließend zur nächsten

— Flow treibt eine olympische Läuferin über ihre Grenzen

Nicht Psychologie oder Spiritualität, sondern Biologie ist der Schlüssel

Der religiöse Mischmasch

Die Grundlagen der biologischen Regulierung

Reverse Engineering des Erweckungsprozesses

Und was hat das mit Religion zu tun?

Glaube stärkt die Biologie

— Der Engel am Flughafen

Die Gehirnwellenmuster von Top-Performern

Neuroliminals

Die zwei Wege zum erwachten Geist

Kopf in den Wolken

Der erwachte Geist am Arbeitsplatz

Jede Woche einen zusätzlichen Tag gewinnen

Mit den Füßen auf dem Boden

— Flow sorgt für eine Verfünffachung des Geschäfts

Team-Flow

— Smittys Ruhestand

— Das Gehirn eines Unternehmens neu vernetzen

Vertiefende Praxis

Kapitel 6: Gehirnevolution durch Mitgefühl

Die Evolution schreitet sehr langsam voran

Gelegentliche Sprünge

Pflanzen und Tiere, die sich rasant entwickeln

Silberblättriger Nachtschatten

Nachtkerze

Blaue Akelei

Elefanten ohne Stoßzähne

Sumpfgebiet-Frösche

Grüne versus braune Eidechsen

— Der Wels von Albi

Schnelle genetische Evolution beim Menschen

Toleranz für sauerstoffarme Umgebungen

Malaria-Resistenz

Laktosetoleranz

Verschwindende Weisheitszähne

Epigenetische Evolution beim Menschen im Lauf einer Generation

Der niederländische Hungerwinter

Auswirkungen des Rauchens werden von den Müttern an die Babys weitergegeben

Die bleibenden Auswirkungen des Holocaust

Die Neuvernetzung des ängstlichen Gehirns

Veränderung ist schwierig und selten

— Gefängnis an Heiligabend

Süchtig nach Cortisol

Angst bei Mäusen auslöschen …

… und bei Menschen

Kumulative Kultur

— Die Pfeilspitze aus Obsidian

— Kumulative Kultur in frühen spirituellen Traditionen

Kultur beschleunigt die menschliche Evolution

Kognitive Voreingenommenheiten, die das Gesamtbild verzerren

Perspektivenübernahme

500 Jahre immer stärkeren Mitgefühls

Kinderarbeit

— Frauenrechte

Der Niedergang des Kolonialismus

Die Weiterentwicklung des Mitgefühls

— Jimmys große Entscheidung

Mitgefühl als treibende Kraft der Gehirnentwicklung

Mitgefühl verändert das Gehirn des Einzelnen

— Der heilige Martin von Porres und das strahlende Licht

Immer mehr Menschen entwickeln Mitgefühl

Fast die Hälfte der Bevölkerung erlebt veränderte Bewusstseinszustände

Immer mehr gemeinnützige Organisationen

Mitgefühl verändert das Gehirn stark

— Das menschliche Gehirn wird größer

Hoch entwickelte Gehirne verbinden sich miteinander

Resonanz und Muster in der Natur

Das universale Bewusstsein und das menschliche Gehirn interagieren miteinander

— Die Struktur des menschlichen Gehirns sieht aus wie das Universum

Koevolution des Universums und des menschlichen Gehirns

Wir leben in einem bewussten Universum

Die Evolution gibt Vollgas

Vertiefende Praxis

Kapitel 7: Evolutionssprung der Menschheit

Der Trend hin zu globalem Wohlergehen

Gegentrends

Schlagzeilen werden immer düsterer

Verzweiflung bei den untersten 20 Prozent

Florieren der oberen 20 Prozent

Die Erwachenden

Die große Divergenz

Wohin uns die spirituelle Intelligenz zukünftig führt

Gesundheit

— Jack Schwarz und die heilende Kraft der Liebe

Lebenserwartung

Medizin

— Mit Ärzte ohne Grenzen Grenzen überschreiten

Psychologie

Sozialer Einfluss

Kreativität

Technologie

Wissenschaften

Krieg und Gewalt

— In Gottes Gnade

Politik und Regierung

Umweltaktivismus

— Verrückte Spaß-Visionäre

Landwirtschaft und Ackerbau

Klimawandel

Religion und Philosophie

— Der Papst und der Attentäter

Die Vermessung der Leere

Unternehmensführung

Wirtschaft und Finanzpolitik

Reichtum

— Giving Pledge – Das Versprechen, (etwas) zu geben

Berufe

Geschäftsleben

Justiz

Elternschaft, Ehe und generationsübergreifende Beziehungen

Bildungswesen

Kunst, Literatur und Architektur

Journalismus

Sport

Die Beavers schalten den Emotionsregulierungs-Kreislauf ein

Wie viel spirituelle Intelligenz ist für Veränderungen nötig?

Die Zukunft erleuchten

Vertiefende Praxis

Anhang

Über das Schreiben dieses Buches

Quellenangaben

Bildnachweis

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Vorwort von Jean Houston

Mit großer Bewunderung und Vorfreude stelle ich »Spirituelle Intelligenz« vor, ein Buch, das einen Wegweiser und einen Plan für den nächsten Evolutionssprung der Menschheit darstellt. Dawson Church, Visionär, Mystiker und Gelehrter, führt uns in diesem Werk in die Bereiche der Möglichkeiten, wo Wissenschaft und Geist zusammentreffen, akribisch ausgearbeitet und zutiefst transformativ. In »Spirituelle Intelligenz« nimmt uns Dawson Church mit auf eine beispiellose Reise in die unerschlossenen Bereiche unseres Gehirns, Geistes und Bewusstseins und eröffnet uns einen neuen Weg, uns selbst als Homo spiritualis zu erfahren, als den potenziellen Menschen, den ich schon seit Langem beschreibe.

Mein ganzes Leben lang habe ich das menschliche Evolutionspotenzial erforscht und darüber geschrieben, um die unentdeckten Tiefen unseres Geistes und unserer Seele zu erkunden. Mein Buch »The Possible Human«, ein Werk, das auch heute noch bei Suchenden Anklang findet, befasst sich mit dem, was wir als »Entelechie« bezeichnen: mit einem dem Menschen innewohnenden, in unseren Zellen verschlüsselten formativen Prinzip, das uns zur Selbstverwirklichung antreibt.

»Spirituelle Intelligenz« von Dawson Church zeigt, dass es sich bei diesem Trieb keineswegs nur um eine poetische Metapher handelt, sondern um ein greifbares physiologisches Phänomen. Er identifiziert spezifische Nervenbahnen – das »Erleuchtungs-Netzwerk« –, die in unserem Gehirn schlummern und darauf warten, erweckt zu werden. Wenn diese Schaltkreise aktiviert werden, öffnen sie uns für Ebenen des Mitgefühls, der Kreativität und der Weisheit, die früher nur spirituellen Adepten zugänglich waren. Wie Dawson aufzeigt, kann jeder Mensch Zugang zu diesen hohen Weisheiten haben, und zwar mithilfe von Praktiken zur Aktivierung der Schaltkreise unserer transzendenten inneren Landschaft.

Auf globaler Ebene stimmt Dawsons Arbeit mit meinem Konzept der »Sprungzeit« überein: »Sprungzeit« – ein Begriff zur Beschreibung der nie zuvor dagewesenen Möglichkeiten, die sich der Menschheit jetzt bieten. Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment der Geschichte, einer »Sprungzeit«, die durch rasche Transformation gekennzeichnet ist. »Spirituelle Intelligenz« spricht diese Zeit nicht nur als philosophisches Konzept an, sondern als ein tatsächliches, physisches Potenzial in jedem von uns. Laut Erkenntnissen der Neurowissenschaften kann sich unser Gehirn anpassen und transformieren, sodass wir unsere Nervenbahnen neu vernetzen können, um unsere höchsten Qualitäten zum Ausdruck zu bringen. Wenden wir diese Praktiken an, gestalten wir gemeinsam den Bogen unserer Evolution und jeder von uns nimmt an diesem Sprung in eine neue Ära teil.

In »Spirituelle Intelligenz« erforscht Dawson auch das Konzept des sozialen Künstlers: wir als die Architekten der Zukunft, die die Grenzen des Möglichen schaffen und erweitern. Wer einen Blick auf diese evolutionären Einsichten erhascht, ist aufgerufen, sie in unsere Kultur einzubringen und in alle unsere sozialen Systeme zu integrieren. Dawson stellt sich eine Welt vor, in der unser wachsendes Mitgefühl zu systemischen Veränderungen führt: von der Bildungsreform bis hin zur ganzheitlichen Gesundheitsfürsorge, von der Konfliktlösung bis hin zum ökologischen Verantwortungsbewusstsein. Mit dieser spannenden und mitreißenden Vision ist »Spirituelle Intelligenz« ein führendes Werk unserer Zeit und dient sowohl als persönlicher Leitfaden als auch als Manifest für eine Zukunft, die wir bewusst mitgestalten.

Im Mittelpunkt von Dawsons Arbeit steht die Erkenntnis, dass wir alle bewusst an unserer eigenen Entwicklung teilhaben können. Er bestätigt die Vorstellung der bewussten Kreativität – ein Konzept, das ich seit Langem als eines der mächtigsten Werkzeuge der Menschheit für den Wandel vertrete. In »Spirituelle Intelligenz« zeigt er uns, wie wir die neuronalen Netze unseres Gehirns aktiv gestalten können, um Resilienz, Empathie, Dankbarkeit und Weisheit zu kultivieren. Das birgt profundes Potenzial: Wir können nicht nur uns selbst, sondern zugleich kollektiv die Welt erneuern.

In »The Possible Human« habe ich untersucht, wie der Zugang zur inneren Landschaft verborgenes Wissen und tiefere Einsichten offenbaren kann. Dawson baut darauf auf und demonstriert, dass unser Potenzial nicht durch Alter, Kultur oder Herkunft begrenzt ist. Anhand neurowissenschaftlich fundierter Praktiken können wir die schöpferische Kraft nutzen, durch die wir uns ständig weiterentwickeln. Dawsons Arbeit bietet einen Weg, das sogenannte »kosmische Bewusstsein« zu manifestieren und unseren Geist mit den Intelligenzfeldern des Universums in Einklang zu bringen.

Ein weiteres wichtiges Thema in Dawsons Werk ist die Entstehung eines neuen globalen Bewusstseins. Im Zuge unserer Weiterentwicklung werden wir uns auch immer mehr unserer Verbundenheit untereinander und mit dem Planeten bewusst. Dieses Bewusstsein ist nicht nur in der Weisheit alter spiritueller Traditionen verwurzelt, sondern, wie Dawson zeigt, auch in den Strukturen unseres Gehirns und unseres Geistes. Anhand der von Dawson vorgestellten Praktiken haben wir die Möglichkeit, unser Einssein mit anderen und dem Kosmos zu erkennen und die Grenzen von Kultur, Nation und Glauben zu überwinden.

»Spirituelle Intelligenz« ist geprägt vom Respekt vor kulturübergreifender Weisheit und integriert zeitlose Wahrheiten aus verschiedenen Traditionen, um unser Potenzial freizusetzen. Dawson stützt sich auf die Lehren von Meditationsmeistern, indigenen Heilern und westlichen Wissenschaftlern und zeigt auf, dass die menschliche Entwicklung eine kollektive Reise hin zur Ganzheit ist. Er bringt uralte Weisheit und moderne Wissenschaft in einem Gewebe des Verständnisses zusammen, das Herz, Verstand und Geist anspricht.

Darüber hinaus zeigt Dawson auf, wie Praktiken wie Visualisierung, Intuition, Achtsamkeit und Meditation uns helfen können, unser Unterbewusstsein zu erforschen und zu Einsichten zu gelangen, die uns sonst verborgen bleiben würden. Diese Methoden sind mehr als nur Werkzeuge zur Selbsterfahrung; sie führen zu einem breiteren Bewusstsein, welches das Potenzial hat, sowohl die individuelle als auch die kollektive Psyche zu verändern. Bei der Erforschung der »Erfahrung des Erwachtseins« dient Dawsons Buch als »Schatzkarte« auf dem Weg durch die innere Landschaft und als Leitfaden für alle, die sich auf das Abenteuer der Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung einlassen.

»Spirituelle Intelligenz« geht auch auf das Konzept der Entelechie ein, das »formative Prinzip«, das ich in »The Possible Human« erforscht habe. Dieses Prinzip ist, wie Dawson erklärt, nichts rein Theoretisches, sondern eine dynamische Kraft in uns, die uns dazu drängt, uns voll und ganz zum Ausdruck zu bringen. Seine Entdeckungen stimmen mit der Vorstellung überein, dass jeder von uns ein einzigartiges, in seinem Wesen verschlüsseltes Potenzial besitzt und dass wir es durch Praktiken aktivieren, die unsere höheren Fähigkeiten wecken, wobei wir es zulassen, dass es unser Leben und letztlich die Welt gestaltet.

Mit diesem Buch hat Dawson eine Ressource für all jene geschaffen, die ihr Potenzial spüren und das Gefühl haben, es warte da noch etwas in ihnen darauf, geweckt zu werden. Er lädt uns ein, uns voll und ganz auf uns selbst einzulassen, die weite innere Landschaft unseres Geistes und unserer Seele zu erkunden und bewusst am sich entfaltenden Kosmos teilzuhaben. Dieser Weg ehrt die Weisheit der Vergangenheit und führt uns gleichzeitig in eine positive Zukunft.

Angesichts der beispiellosen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, soziale Umwälzungen und technologische Beschleunigung – sind dringend neue Visionäre, Ratgeber und Werkzeuge vonnöten. »Spirituelle Intelligenz« erfüllt diesen Bedarf und bietet uns einen Weg, uns nicht nur selbst zu verwirklichen, sondern uns auch zum Wohl der Welt weiterzuentwickeln.

Dieses Buch ist mehr als ein Leitfaden, es ist ein Aufruf zum Handeln, zur Transformation und zur Evolution.

Für jene, die spüren, wie sie zu ihrem Potenzial erwachen, bietet »Spirituelle Intelligenz« einen klaren Weg in die Zukunft, eine Einladung, kühn in die nächste Phase der menschlichen Evolution einzutreten und gemeinsam die Schönheit und Kraft des potenziellen Menschen zu erkennen. Lasst uns diesem Ruf mit Mut, Mitgefühl und Kreativität folgen – für uns selbst, für andere und für die Welt.

Dawson lässt in »Spirituelle Intelligenz« Ideen aufblühen, die ich über Jahrzehnte und Kulturen hinweg erforscht habe. Seine Arbeit führt die Erkenntnisse spiritueller Meister und wissenschaftlicher Pioniere zusammen und schafft so ein kohärentes Verständnis unseres gemeinsamen menschlichen Potenzials. Seine Synthese aus uralten Praktiken und modernen Neurowissenschaften bietet einen Weg zur Entfaltung dieses Potenzials und zeigt, dass unsere Entwicklung nicht durch Zeit oder Traditionen begrenzt ist. Vielmehr ist sie eine fortwährende Reise hin zur Ganzheit, bei der alle mitmachen können, die sich ihr anschließen wollen.

Tauche ein in die Weisheit dieses wunderbaren Buches! Lass dich von Dawsons Erkenntnissen leiten, dich von seinen Praktiken inspirieren und dir von seiner Vision des potenziellen Menschen deine Sinnhaftigkeit und deine Möglichkeiten offenbaren. Indem wir unsere spirituelle Intelligenz annehmen, transformieren wir nicht nur uns selbst, sondern gestalten auch die Zukunft unseres Planeten.

Kapitel 1Unser Gehirn ist auf spirituelle Intelligenz vernetzt

Das Unverzeihliche verzeihen

Anthony Ray Hinton verbrachte 30 Jahre im Todestrakt für Verbrechen, die er gar nicht begangen hatte. Ihm waren zwei Morde und eine Schießerei ohne tödlichen Ausgang in Birmingham, Alabama, im Jahr 1985 zur Last gelegt worden.

Der Staatsanwalt war bereits in der Vergangenheit aufgrund seiner rassistischen Vorurteile aufgefallen. Er erhob Anklage, obwohl Hinton zur fraglichen Zeit in einer verschlossenen Fabrik 15 Meilen entfernt arbeitete und ein von der Polizei durchgeführter Lügendetektortest ihn entlastet hatte.1

1.1 Anthony Ray Hinton

Einen Großteil seiner Zeit im Gefängnis verbrachte Hinton in Einzelhaft. Die Zelle war eineinhalb mal zwei Meter groß, und er durfte sich nur eine Stunde am Tag bewegen. Dennoch wurde er zu einem vertrauenswürdigen Freund für jeden, mit dem er Kontakt hatte, von anderen Insassen bis hin zu den Gefängniswärtern im Todestrakt.

Über 15 Jahre forderten die Anwälte der Equal Justice Initiative eine erneute Prüfung von Hintons Fall, doch der Generalstaatsanwalt von Alabama lehnte dies ab und ignorierte sogar die Bitten seiner Wärter.

Schließlich gelangte Hintons Fall bis zum Obersten Gerichtshof der USA. Die Richter hoben seine Verurteilung einstimmig auf. Als er aus dem Gefängnis von Jefferson County kam, waren seine ersten Worte: »Die Sonne scheint!«

In einem späteren Interview sagte Hinton: »Man kennt den Wert der Freiheit nicht, bis sie einem genommen wird. Die Leute rennen vor dem Regen davon. Ich laufe in den Regen hinein … Ich bin so dankbar für jeden Tropfen. Einfach um ihn auf meinem Gesicht zu spüren.«

Später wurde Hinton von dem Reporter Scott Pelley in der Fernsehsendung »60 Minutes« interviewt. Pelley fragte Hinton, ob er wütend auf die vielen Amtsträger in Alabama sei, die ihn trotz zahlreicher Beweise für seine Unschuld drei Jahrzehnte lang im Gefängnis eingesperrt hatten. Hinton antwortete, er habe ihnen allen verziehen.

Pelley bohrte hartnäckig nach: »Aber sie haben Ihnen dreißig Jahre Ihres Lebens genommen! Wie können Sie da nicht wütend sein?«

Hintons Antwort: »Wenn ich wütend und unversöhnlich bin, haben sie mir auch noch den Rest meines Lebens genommen.« In einem anderen Interview wird Hinton mit folgenden Worten zitiert: »Die Welt hat dir deine Freude nicht gegeben, und die Welt kann sie dir auch nicht wegnehmen. Du kannst zulassen, dass Menschen in dein Leben kommen und es zerstören, aber ich weigere mich, mir meine Freude rauben zu lassen. Ich wache morgens auf, und ich brauche niemanden, der mich zum Lachen bringt. Ich lache einfach von ganz alleine, denn ich habe das große Glück, einen weiteren Tag zu erleben, und wenn du das Glück hast, einen weiteren Tag zu erleben, sollte dir das doch ganz automatisch Freude bereiten.«

Im Rückblick sagt Hinton über die Veränderungen, die seine qualvollen Erfahrungen bewirkt haben: »Mein Glaube ist stärker geworden.«

Das Erbe von deinen Vorfahren

Was hat Anthony Ray Hinton die Kraft des Vergebens verliehen? Die Gabe, sich freuen zu können? Die Fähigkeit, über seine Umstände hinauszuwachsen? Einen stärkeren Glauben in Reaktion auf Ungerechtigkeit?

Manche Menschen werden nur leicht verletzt oder gekränkt und halten dennoch jahrzehntelang an ihrem Groll fest. Sie lassen sich den Rest ihres Lebens von ihrer Wut auffressen und sterben mit verbittertem Herzen.

Andere, wie Anthony Ray Hinton, erleiden extremste Grausamkeiten, haben aber die Kraft, sich von deren Nachwirkungen zu befreien. Worin liegt der Unterschied?

Der Unterschied liegt in »Spiritueller Intelligenz«.

Spirituelle Intelligenz verbindet dein persönliches menschliches Bewusstsein mit einem Bewusstsein, das größer ist als du. Sie macht den Unterschied aus zwischen einem Leben, das in der Vergangenheit verwurzelt ist und an vergangenem Groll festhält, und der Freiheit, das zu genießen, was die Gegenwart bietet.

Und was unterscheidet diese beiden Erfahrungen voneinander? Es ist die Art und Weise, wie sich der Homo sapiens weiterentwickelt hat. Unsere Gehirne, Gene, Hormone und Neurotransmitter wurden durch Jahrmillionen von Erfahrungen geprägt. Spirituelle Intelligenz kann nur im Kontext dieser Historie verstanden werden.

Dass du heute hier bist, verdankst du deinen Vorfahren. Sie haben etwas geschafft, das dazu geführt hat, dass es dich gibt: Sie haben überlebt. Sie waren womöglich ganz wunderbare Menschen; aber vielleicht waren sie auch schrecklich böse. Vielleicht hatten sie außergewöhnliche Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten; aber vielleicht waren sie auch einfach langweilig und uninteressant. Sie waren vielleicht nicht besonders talentiert, klug und geschickt – aber sie alle haben eines erreicht: Sie überlebten lange genug, um Nachkommen zu zeugen. Sie gaben ihre Gene an die nächste Generation weiter. Der nächsten Generation – ob nun gut, schlecht oder irgendetwas dazwischen – gelang ebenfalls etwas Wichtiges: Sie überlebte. Durchlaufe und wiederhole diesen Prozess über Tausende von Generationen …, und hier bist du. Du bist das Ergebnis der Überlebenskünste von Tausenden Menschen, die vor dir gelebt haben.

Deine Vorfahren haben zum Teil wegen ihrer körperlichen Fähigkeiten und ihrer Geschicklichkeit überlebt. Die Natur belohnte die körperlich Fitten. Auch Vorstellungskraft und Weisheit waren eine Hilfe: »Lass uns mit dem Stamm in das Tal zurückkehren, wo wir diese leckeren Süßkartoffeln gefunden haben.«

Aber sie haben vor allem deshalb überlebt, weil sie eine oder mehrere von vier Fähigkeiten gut beherrschten: Kämpfen, Flüchten, Erstarren und/oder Sich-Verbinden.2

1.2 Eine Orang-Utan-Mutter küsst ihre erwachsene Tochter.

Sich zu verbinden bedeutet, erfolgreich Kontakte zu knüpfen. Wenn Gefahr droht, kannst du deine Freunde zu Hilfe rufen. Reine Körperkraft ist etwas Tolles, wenn man kämpfen oder weglaufen muss. Erstarren – also still verharren, damit der Feind dich nicht bemerkt oder dich für tot hält und zurücklässt – war ein letzter Ausweg, konnte aber auch dein Leben retten.

Egal, ob es sich nun um intellektuelle Schlauheit, körperliche Stärke oder soziale Fähigkeiten handelte: Deine Vorfahren gaben diese genetischen und epigenetischen Eigenschaften an die nächste Generation weiter und wählten jene aus, die für das Überleben am nützlichsten waren. Ein größeres Gehirn war einer dieser Vorteile.

Die meisten Arten entwickeln sich langsam im Lauf von Tausenden von Generationen durch natürliche Auslese und zufällige genetische Mutation. Auch frühe Humanoide entwickelten sich langsam, bevor sich bei ihnen große Gehirne ausbildeten.

Säugetiere haben sich vor mehr als 178 Millionen Jahren aus Reptilien entwickelt, mehr als 100 Millionen Jahre vor dem Aussterben der Dinosaurier.3 Danach dauerte es noch einmal etwa 50 Millionen Jahre, bis sich die ersten Primaten entwickelten. Eine Vielzahl früher Hominidenarten lässt sich in Fossilien aus der Zeit von vor etwa 10 Millionen Jahren nachweisen.

Die frühesten Exemplare unserer Spezies, des Homo sapiens, stammen aus der Zeit vor weniger als 300.000 Jahren.4 Seitdem haben wir eine ziemlich wilde Evolutionsreise hingelegt, denn das menschliche Gehirn hat die Welt verändert.

Das explosionsartige Wachstum des Hominidengehirns

Als unsere Gehirne zu wachsen anfingen, entwickelten sie sich mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit, wie ein Blick auf die nachstehende Tabelle zeigt. Die Schädelkapazität, also der Platz im Schädel, stieg von etwa 500 Kubikzentimetern vor 3 Millionen Jahren auf 1350 Kubikzentimeter heute.5 Der größte Wachstumsschub fand erst vor etwa 800.000 Jahren statt.6

1.3 Hirnkapazität in Kubikzentimetern vor und nach dem Beginn der Nutzung von Werkzeugen durch den Menschen, eine Spanne von 3 Millionen Jahren. Von links nach rechts: Australopithecus africanus, Homo habilis, Homo erectus, Homo sapiens.7

Das stärkste Gehirnwachstum fand in der Hirnrinde statt, dem jüngsten Teil des Gehirns, in dem hoch entwickelte Prozesse ablaufen, zum Beispiel Bewusstsein, Denken, Sprache, Gedächtnis und Emotionen.8 Dieser sogenannte Cortex macht volumenmäßig 82 Prozent des Gehirns aus.9

Der Überlebensvorteil

Diese neu entwickelten Funktionen verschaffen uns einen enormen Überlebensvorteil, wenn sie mit uralten Gehirnstrukturen wie dem Kleinhirn zusammengeführt werden, das Bewegung, Schlaf, Verdauung, Atmung und Fortpflanzung steuert.10 Ein Großteil dieser Gehirnkapazität ist dem Überleben gewidmet. Das Gehirn verfügt über sich überlappende, vernetzte Regionen, die sich im Lauf der Jahrtausende und Jahrhunderte in Reaktion auf unsere Überlebensbedürfnisse entwickelt haben. Ein großer Prozentsatz des menschlichen Gehirns ist damit beschäftigt, uns am Leben zu erhalten. Ich bezeichne diese neuronale Materie in unserem Kopf als »Höhlenmenschen-Gehirn«. Das Höhlenmenschen-Gehirn ist die Hardware und die dazugehörige Software, die unseren Vorfahren das Überleben ermöglicht hat. Diese Fähigkeit hat es hervorragend beherrscht, und genau deshalb bist du heute hier.

1.4 Rekonstruktion der Gesichtszüge eines älteren Neandertalers

Als sich das Gehirn des Höhlenmenschen vor Jahrtausenden in dieser archaischen Umwelt entwickelte, war die Welt voller Bedrohungen. Frühmenschen durchstreiften in kleinen Gruppen die Ebenen, um Nahrung zu jagen und zu sammeln. Sie konkurrierten direkt mit anderen Gruppen um Ressourcen, ebenso mit anderen Hominidenarten wie Neandertalern und Denisova-Menschen11 sowie mit anderen Arten um Nahrung und Wasser, zum Beispiel mit Wölfen, Tigern, Wildschweinen, Gorillas und anderen Tieren, die eine ähnliche ökologische Nische besetzt hielten.

Es war schon eine Herausforderung, einfach nur von einem Tag zum nächsten zu überleben. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag bei etwa 25 Jahren, doch wenn eine Person die Teenagerjahre erst einmal überlebt hatte, stiegen ihre Chancen auf ein langes Leben.12 27 Prozent der Kinder starben allerdings vor Vollendung des ersten Lebensjahres, und 48 Prozent überlebten nicht die Pubertät.13 Ihre Umwelt war hart und unbarmherzig. Deshalb steht im Höhlenmenschen-Gehirn die Überlebensfähigkeit an erster Stelle.

1.5 Geschichte der Kindersterblichkeit (»child mortality«) in den letzten zwei Jahrtausenden. Bis hinein ins 19. Jahrhundert starben in den erfassten 21 historischen Gesellschaften nahezu die Hälfte aller Kinder, in einigen Ländern mehr, in anderen weniger. In jüngerer Zeit hat Niger mit 15 Prozent die höchste Sterblichkeitsrate, während Norwegen, Japan, Estland und Slowenien mit 0,3 Prozent die geringsten Todesraten bei Kindern verzeichnen.14

Während sich die Menschen und ihre größeren Gehirne weiterentwickelten, wurden die Teile des Gehirns, die zum Überleben beitrugen, höher gewertet. Gehirne, die besser in der Lage waren, Bedrohungen zu erkennen und ihnen auszuweichen, gaben diese Eigenschaften an die nächste Generation weiter.

Gug und ihr CYP17-Gen

In deiner Abstammungslinie gab es vor 100.000 Jahren ein Schwesternpaar namens Hug und Gug. Ihr Altersunterschied betrug nicht einmal ein Jahr, und sie sahen sich als Jugendliche so ähnlich, dass andere Stammesmitglieder sie kaum auseinanderhalten konnten. Aber auf psychischer Ebene waren sie sehr gegensätzlich. Hug war umgänglich, unbeschwert, fröhlich und optimistisch. Sie sah immer die positiven Seiten von Menschen und Ereignissen, und ihre Stammesmitglieder freuten sich über ihr strahlendes Lächeln, ihre witzigen Kommentare und ihr schallendes Gelächter.

Gug hingegen war eine geborene Miesepeterin. Paranoid und mürrisch, betrachtete sie jeden und alles mit Argwohn. Sie war immer bereit, in jedem Silberstreif eine dunkle Wolke zu sehen. Gug wurde schon wütend, wenn ihr ein Federschmuck hinunterfiel. Sie wies auf die Fehler von allem und jedem hin. Das machte sie zur unbeliebtesten Person im Dorf.

Was ihre Höhlenmenschen-Gehirne nicht wussten: Gug hatte eine seltene Genmutation, die eine schnelle Transkription eines Gens namens CYP17 auslöste; CYP17 produziert Cortisol, das wichtigste Stresshormon des Körpers.15 Der Grund für Gugs Pessimismus lag darin, dass ihre Cortisolreaktion eine Nanosekunde früher einsetzte als bei anderen Mitgliedern ihres Stammes.

1.6 CYP17-Gen16

Hugs und Gugs Hauptaufgabe bestand darin, mit Wasser gefüllte Kürbisse aus dem nahe gelegenen Bach ins Dorf zu tragen. Mehrmals am Tag legten sie denselben Weg durch den dichten Dschungel zurück. Gug sah auf Schritt und Tritt Gefahren und stellte sich ständig Bedrohungen vor, wo es keine gab. Ihr paranoides Gehirn produzierte Bilder von Tigern, die im Unterholz lauerten, Pythons, die sich über die Äste schlängelten, und giftigen Spinnen wie Schwarze Witwen, die von den Bäumen fielen. Hug beruhigte Gug; schließlich hatten sie denselben Weg schon Tausende Male ohne Zwischenfälle bewältigt.

Aber eines Tages lauerte wirklich ein hungriger Tiger im Gebüsch. Die Mädchen hörten ein Knurren, und aus den Bäumen heraus griff sie ein Tiger an. Hug und Gug ließen mit einem Schrei ihre Kürbisse fallen und flohen voller Angst. Aufgrund ihrer genetischen Mutation schaltete sich Gugs Cortisolreaktion gerade einmal eine Nanosekunde früher ein als die von Hug. Das verschaffte ihr einen Überlebensvorteil. Sie erreichte das Dorf und schlug Alarm. Hug dagegen wurde buchstäblich zum »gefundenen Fressen« des Tigers.

Hugs sonniger Optimismus ging zusammen mit ihren genetischen Informationen für die menschliche Ethnie verloren. Gug zeugte einen Stamm von kleinen »Guggeln«, die alle ihre CYP17-Genmutation in sich trugen und ihr Miesepetertum abbekamen. Die paranoidesten von Gugs Kindern überlebten. Wiederhole den Vorgang über 1000 Generationen, und schon hast du einen modernen Menschen mit einer hervorragenden Stressreaktion.

Ein Gehirn, das sich 10.000-mal eine Bedrohung irrtümlich einbildet, bemerkt eher die eine reale Bedrohung. Ein Gehirn, das Tausende von imaginären Bedrohungen ausblendet, wird eher die eine seltene reale Bedrohung übersehen und aus dem Genpool aussortiert werden.

Durch diesen langen Evolutionsprozess ist das menschliche Gehirn außerordentlich gut in der Lage, auch die geringste Bedrohung zu erkennen, und begünstigt genetische Mutationen, die diese Fähigkeit verbessern.

Äußere und innere Bedrohungen

Nicht nur Gene und Hormone tragen zur Überlebensfähigkeit bei, sondern auch Neuronencluster. Die Teile des Höhlenmenschen-Gehirns, die Bedrohungen und Chancen erkannten, wurden begünstigt. Diese für das Überleben zuständigen Hirnareale wurden mit der Zeit immer größer. Die ganze Vernetzung, das große Stück Nervenmaterial, das unser Überleben gesichert hat, ist immer noch in deinem und meinem Gehirn vorhanden.

Was sich jedoch verändert hat, ist unsere Umwelt. Die Neandertaler gibt es nicht mehr. Als dominante Art haben wir die Wölfe und Tiger verdrängt und müssen nicht mehr mit ihnen in Wettstreit treten. Wir haben konkurrierende Arten ausgelöscht, und viele der noch verbleibenden Arten sind vom Aussterben bedroht. Wir sind nicht mehr täglich mit existenziellen Bedrohungen konfrontiert.

Die meisten Menschen in den meisten Ländern sind einigermaßen sicher und müssen sich nicht jeden Tag Sorgen um ihr Überleben machen.17 Du musst dir keine Sorgen machen, ob du heute Wasser zum Trinken oder etwas zu essen findest. Du musst dich nicht darum sorgen, ob du heute Abend ein Dach über dem Kopf und einen trockenen Schlafplatz hast. Du musst dich nicht vor einem Angriff eines Nachbarstamms aus dem Hinterhalt oder vor einem hungrigen Bären fürchten.

Was das Höhlenmenschen-Gehirn heute macht

Das waren die äußeren Bedrohungen, über die sich unsere Vorfahren jeden Moment Gedanken machen mussten und die die Entwicklung des menschlichen Gehirns vorangetrieben haben. So kam es, dass ein großer Teil unserer Schädelkapazität dem Überleben gewidmet ist. Aber all die Bedrohungen, denen unsere Vorfahren ausgesetzt waren, gibt es in unserer Welt nicht mehr.

Was macht also dein Höhlenmenschen-Gehirn?

Es macht sich Sorgen. Da es keine objektiven Bedrohungen für dein Überleben gibt, macht es sich Gedanken über subjektive Bedrohungen: Dinge, die dein Überleben zwar nicht wirklich bedrohen, aber dennoch Grund zur Sorge bieten. Die Wirtschaft, die Sicherheit des Arbeitsplatzes, skrupellose Unternehmen, Verspätungen, Einkommensunterschiede, das Wetter, Immobilienpreise, Inflation, die Qualität der Schulen, politische Kandidaten, der Aktienmarkt, Rentenansprüche, Kryptowährungen, Hypothekenzinsen, soziale Medien, Fake News, echte Nachrichten … Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Dein Höhlenmenschen-Gehirn kann nicht zwischen realenund imaginären Bedrohungen unterscheiden.18 Seine Stressreaktion ist ähnlich – egal, ob es sich um eine objektive Bedrohung wie einen hungrigen Tiger oder um eine subjektive Bedrohung wie deine nächste Leistungsbeurteilung handelt. Wenn es keine objektiven Bedrohungen gibt, machen wir uns Sorgen über subjektive Bedrohungen. Die Sorge ist der Standardzustand unseres Gehirns.

Zwei geniale Harvard-Psychologen, Matthew Killingsworth und Daniel Gilbert, haben eine Studie zu diesem Phänomen durchgeführt. Sie ließen die Probanden eine App auf ihr Smartphone laden. In zufälligen Zeitabständen fragte die App die Teilnehmer, was sie gerade taten und wie glücklich sie waren. Am Ende hatten die Forscher über 200.000 Datenpunkte, mit denen sie arbeiten konnten.19 Wie sie herausfanden, sind Menschen, die mit Freunden und der Familie zusammen sind, in der Regel recht glücklich. Unerwarteterweise waren sie sogar auf der Arbeit glücklich. Menschen dagegen, die nichts zu tun hatten, waren normalerweise nicht glücklich; das war das überraschende Ergebnis der Studie. Man sollte eigentlich meinen, dass man am glücklichsten ist, wenn keiner etwas von einem will und man mal Pause machen kann. Doch das Gegenteil war der Fall. In der Regel waren die Menschen in ihrer Freizeit am wenigsten glücklich.

Das Task Positive Network

Hat der Verstand nichts zu tun, schweift er ab und fokussiert sich auf Gedanken, die unglücklich machen. Wenn wir hingegen etwas tun, wird eine Reihe von Gehirnarealen, das sogenannte »Task Positive Network« (TPN), aktiviert und dadurch unsere Aufmerksamkeit erregt.20

1.7 Das Task Positive Network (TPN)21

Wenn wir Probleme lösen, sei es bei der Arbeit, in der Familie oder bei einem Videospiel, ist das Task Positive Network aktiv und wir sind im Großen und Ganzen zufrieden.22 Hat das Gehirn dagegen nicht viel zu tun, schaltet sich das Task Positive Network ab und eine ganz andere Gruppe von Gehirnarealen wird eingeschaltet, das sogenannte »Default Mode Network« (DMN) bzw. »Ruhezustandsnetzwerk« – der »Standard«-Zustand, in dem sich unser Gehirn befindet, solange wir nicht aktiv mit einer Aufgabe beschäftigt sind.

Es wäre wunderbar, wenn unser Gehirn standardmäßig auf Glück eingestellt wäre, aber das hat die Evolution für uns nicht vorgesehen. Unsere Gehirne machen sich standardmäßig Sorgen. Haben wir keine Aufgabe, auf die wir uns konzentrieren können, schweift unsere Aufmerksamkeit ab und dann denken wir gerne über Erinnerungen und Situationen nach, die uns stören.

Die Standardeinstellung des Gehirns

Diese Standardeinstellung war für unsere Vorfahren unglaublich nützlich. Während du an den Tiger denkst, der dich gestern fast verschlungen hätte, und die Erinnerung daran noch einmal in allen Einzelheiten durchlebst, wird der ganze Schrecken dieses Erlebnisses wieder lebendig; dadurch schaffst du es aber wahrscheinlich auch eher, dem Tiger am nächsten Tag aus dem Weg zu gehen.

Das Default Mode Network beschäftigt sich obsessiv mit den Bedrohungen, die in der Vergangenheit unser Überleben gefährdet haben. Dann projiziert es diese Ängste in die Zukunft, um sich vorzustellen, wie wir morgen eine ähnliche Bedrohung überleben könnten.

Wenn ich an einem kalten Wintermorgen um 5 Uhr aufwache und meditieren will, drehe ich den Thermostat hoch. Die Standardeinstellung für die Nacht ist 10°C von 22 Uhr bis morgens 6 Uhr. Ich drehe die Heizung auf 22 Grad auf, aber um 6 Uhr morgens wird die Standardeinstellung von 21 Grad aktiviert und meine Eingabe wird gelöscht. Genauso wie der Thermostat an der Heizung tagtäglich auf die Standardeinstellungen gesetzt wird, stellt sich das Gehirn standardmäßig auf das Default Mode Network ein.

Unser Gehirn nutzt jede verfügbare freie Kapazität für Grübeleien und Projektionen, wenn wir das TPN nicht aktiv eine Aufgabe erledigen lassen. Dieses System der automatischen Aktivierung des DMN hat bei unseren Vorfahren so gut funktioniert, dass diese Hardware einen großen Teil unseres Gehirns ausmacht.

1.8 MRT-Bild des Default Mode Network (DMN). Der vordere Teil ist der mittlere präfrontale Cortex, der große hintere Teil der posteriore cinguläre Cortex. (Die weißen Pfeile zeigen auf Bereiche, die im Originalbild überwiegend rot bzw. orange-gelb sind.)

Wenn wir versuchen, in unseren Auszeiten zu meditieren, positiv zu denken oder inneren Frieden zu finden, schwimmen wir gegen den Strom von Millionen von Jahren der Evolution. Unser Gehirn ist einfach nicht dafür gebaut, sondern darauf eingerichtet, sich immer Sorgen zu machen. Wir machen uns als Einzelne Sorgen, wir machen uns als Familien Sorgen, wir machen uns als Gemeinschaften Sorgen, und wir machen uns als globale Spezies Sorgen. In den Medien wird ständig von Sorgen berichtet, weil sie unsere individuellen Sorgen widerspiegeln.

Logischerweise ergibt es keinen Sinn, sich in seiner freien Zeit Sorgen zu machen. Es wäre viel produktiver, sie damit zu verbringen, glücklich zu sein. Aber das tun wir nicht. Unsere Gedanken wandern zu unseren Sorgen, und so berauben wir uns selbst der Freude. Das liegt nicht etwa daran, dass es uns an Moral oder Intellekt mangelt, sondern einfach an der Vernetzung unseres Gehirns.

Wir modernen Menschen leben in einer Welt, in der unser persönliches Überleben in den meisten Fällen kaum bedroht ist. Und doch haben wir alle ein fest vernetztes Höhlenmenschen-Gehirn. Die meisten Menschen werden geboren, leben ihr Leben und sterben mit einem Gehirn, das in jedem untätigen Moment in den Überlebensmodus schaltet. Der sogenannte »Negativitätsbias« des Gehirns wird von Psychologen schon seit Jahrzehnten beobachtet.23

Das Default Mode Network ist bei Menschen mit einer schweren depressiven Störung sehr aktiv; sie grübeln über die Kränkungen der Vergangenheit und die Stressfaktoren der Zukunft nach.24 Je mehr der Geist mit negativen Gedanken beschäftigt ist, desto aktiver ist das DMN.

Dieses Netzwerk ist allerding kein Bösewicht, dem es ausschließlich darum geht, dich deines Glückes zu berauben; es erfüllt auch eine Vielzahl von nützlichen Aufgaben. Dieser Teil des Gehirns baut dein Selbstgefühl auf. Wenn du dich sicher und geborgen fühlst, eine traumafreie Kindheit hattest und ein gesundes Selbstwertgefühl hast, muss der Gedanke an die Vergangenheit oder die Zukunft kein Leid verursachen.

Das DMN erledigt zudem viele im Hintergrund ablaufende Routinetätigkeiten, sodass man nicht lange darüber nachdenken muss, wie man seine Schnürsenkel bindet oder sich die Zähne putzt. Es ist zwar auf »abschweifende Gedanken« eingestellt, aber es gehen einem in diesem Zustand auch einfach Dinge und Tagträumereien durch den Kopf und die Kreativität kann sprunghaft ansteigen.25

Bei den meisten Menschen führt die Aktivierung des DMN jedoch zu weinerlichem, sich wiederholendem, selbstbesessenem Unglücklichsein. Die Forscher Killingsworth und Gilbert bringen es elegant auf den Punkt: »Der menschliche Geist ist ein wandernder Geist, und ein wandernder Geist ist ein unglücklicher Geist.«26

Auf der Suche nach dem Glück

Wie kannst du also glücklich werden, wenn Millionen von Jahren evolutionärer Gehirnanatomie dagegen angehen?

1.9 Teilnehmer eines Retreats, das ich am Esalen Institute in Kalifornien veranstaltet habe

Wenn wir erkennen, dass wir uns infolge unseres Überlebensdenkens ständig schlecht fühlen und unglücklich sind, wollen wir wahrscheinlich ein glücklicheres Leben anstreben und entsprechend etwas unternehmen: Meditationskurse besuchen, Bücher über positives Denken lesen, einen Lebensberater oder eine Psychotherapeutin konsultieren, religiöse Retreats mitmachen, einen Ashram aufsuchen, motivierende Podcasts hören, Online-Kurse über positive Psychologie buchen. Und für eine kleine Weile macht uns das tatsächlich glücklich; es geht uns besser, allerdings hält die Wirkung nur selten an.27

Unsere Gehirne sind nicht aufs Glücklichsein eingestellt, sondern darauf programmiert, in den Überlebensmodus zu wechseln. Wir schließen die Augen, um zu meditieren, machen uns aber sofort Gedanken über unsere Aufgabenlisten und E-Mail-Postfächer. Wir machen einen Spaziergang im Park, doch unsere Gedanken kreisen um die Besprechungen der letzten Woche und die Abgabetermine der nächsten Woche, sodass wir von unserem Spaziergang zurückkommen, ohne die Schönheit um uns herum wahrgenommen zu haben. Wir fahren in den Urlaub, sind allerdings in Gedanken mit den Problemen auf der Arbeit beschäftigt. Wir schalten unser Smartphone ein mit der Absicht, einen Text von Eckhart Tolle zu lesen, doch stattdessen wählen wir Google News.

Das ist das Höhlenmenschen-Gehirn, und so raubt es uns die Freude am Leben. Wenn wir uns eine Auszeit nehmen, sollten wir eigentlich überglücklich sein. Stattdessen denkt unser Gehirn im Standardmodus nur an schlimme Dinge, um sicherzustellen, dass sie uns nicht noch einmal passieren.

Harry und die »French Connection«

Jedes Jahr fliege ich nach Europa, um Kurse zu geben. Ich fliege vom internationalen Terminal des SFO, des Flughafens von San Francisco, ab. Die Passagiere müssen ein paar Stunden früher am Flughafen ankommen, und nach dem Einchecken wartet man in der International Lounge.

Einmal saß ich dort und konnte nicht umhin, das Gespräch einer Gruppe von Leuten direkt hinter mir mitzuhören.

Ein Mann namens Harry war mit seiner Frau und zwei Freunden auf dem Weg nach Paris, genau wie ich. Harry erzählte seinen Begleitern von all den Katastrophen seiner letzten Reise: von der Verspätung des Fluges, von der Enge im Flugzeug und vom schlechten Service der Flugbegleiter; auch das Essen an Bord sei schrecklich gewesen. Nach der Landung auf dem Flughafen Charles de Gaulle in Paris hatten er und seine Begleiter erst kein Taxi finden können, das groß genug für ihr ganzes Gepäck war. Als sie dann doch noch eines fanden, fuhr der Fahrer zur falschen Adresse und war unterwegs unhöflich zu ihnen. Nachdem der Fahrer schließlich die richtige Adresse gefunden hatte, weigerte er sich, ihnen das Geld für den fälschlicherweise genommenen Umweg zu erstatten. Am nächsten Tag bekam Harry vom Frühstück Verdauungsstörungen.

Und so fuhr er fort, den folgenden Tag in allen Einzelheiten zu beschreiben und wie wieder alles schieflief. Ich konnte die Emotionen in seiner Stimme hören: Wut, Frust, Verachtung, Empörung, Groll und Schuldzuweisungen.

Irgendwann hatte ich einfach genug von dieser Energie, also verließ ich meinen Platz und entfernte mich außer Hörweite. Auf Harrys gesamter Reise nach Frankreich – wie er sie seinen Begleitern beschrieb – reihte sich eine Katastrophe an die andere. »Warum fährst du dieses Jahr eigentlich wieder dorthin, wenn es dir doch letztes Jahr so gar nicht gefallen hat?«, fragte ich mich im Stillen.

Sicherlich hat Harry viele tolle Erfahrungen gemacht: die köstliche Küche, die wunderbare Gastfreundschaft der Franzosen, die glorreiche Kultur Frankreichs, die atemberaubende Schönheit von Stadt und Land, die alten Denkmäler und all die anderen Wunder des Landes. Doch als Harry seine Reise in Gedanken Revue passieren ließ, erinnerte er sich nur an all das Schlechte. Alle Freuden der vorherigen Reise waren völlig in den Hintergrund getreten. Da sein Default Mode Network in Aktion war, hatte Harry an seine vorherige Reise nur miese Erinnerungen.

1.10 Frankreich ist voller Schönheit und Anmut.

Und nun denke zurück an die Geschichte von Anthony Ray Hinton: Er war mit dem Schlimmsten konfrontiert: Ungerechtigkeit, Missachtung und absichtliche Grausamkeit. Aber dank spiritueller Intelligenz hat er trotzdem sein Glück gefunden.

Harry hingegen befand sich nicht in einer lebensbedrohlichen Notsituation, war aber wegen irgendwelcher belangloser Ereignisse unglücklich.

Genau das ist der Unterschied in der Lebensqualität, den die spirituelle Intelligenz mit sich bringt.

Der Negativitätsbias unseres Gehirns ist ein großes Problem für den modernen Menschen. Er hindert uns daran, glücklich zu sein. Und die Herausforderung, vor der wir alle stehen, besteht darin, ein glückliches Leben zu führen, selbst wenn viele der Neuronen in unserem Schädel dazu entschlossen sind, uns weiterhin unglücklich zu machen.

Positives Denken kann gegen das Höhlenmenschen-Gehirn nichts ausrichten. Meditation hilft da selten, wie dir jeder, der mit dem Meditieren anfängt, bestätigen wird.28 Zu schwören, dass wir uns morgen nicht mehr so dumm verhalten werden wie heute, funktioniert in der Regel nicht. Die guten Vorsätze zu Neujahr, besser, freundlicher, mitfühlender, weiser und positiver zu sein, halten selten länger als bis zum 15. Januar.

Wie man das Leiden beendet und glücklich wird – das ist das zentrale Dilemma, das Philosophen, Gelehrte, Priester, Ärzte und spirituelle Lehrer seit Jahrtausenden zu lösen versuchen. Statistiken über Angst und Depression zeigen, dass wir an Boden verlieren.29

Die Neurowissenschaft verändert alles

Ich ringe mit diesen großen Fragen schon seit vielen Jahren. Als Teenager versuchte ich, dem Elend des Höhlenmenschen-Gehirns zu entkommen, und schloss mich einer spirituellen Gemeinschaft an. Ich studierte die verbreiteten Lehren der großen Weltreligionen – das, was der Philosoph Aldous Huxley »die ewige Philosophie«nannte.30 Wir bauten Bionahrung an, praktizierten Energietechniken wie Reiki und meditierten sporadisch.

Nichts davon machte mich viel glücklicher. In den 1970er-Jahren studierte ich bei den großen Lehrern des menschlichen Potenzials und machte schließlich meinen Abschluss an der Baylor University, doch auch dadurch wurde ich nicht wirklich zufriedener.

In meinen Vierzigern nahm ich mir vor, täglich zu meditieren. Innerhalb weniger Monate änderte sich mein Leben in allen Bereichen: Geld, Familie, Karriere und Gesundheit – alles begann sich zu verändern. Ich entdeckte die Energiepsychologie und befreite mich schnell von der Last meiner Vergangenheit.

Gemeinsam mit Kollegen an verschiedenen Universitäten machte ich mich daran, diese Methoden zu erforschen. Ich gründete das National Institute for Integrative Healthcare; bis heute haben wir über 100 Studien, die in Fachzeitschriften für Medizin und Psychologie veröffentlicht wurden, geleitet bzw. daran mitgewirkt.

Kurz nach der Jahrtausendwende habe ich mit Bruce Lipton an der Veröffentlichung seines bahnbrechenden Buches »The Biology of Belief« (dt. Ausg.: »Intelligente Zellen: Wie Erfahrungen unsere Gene steuern«) gearbeitet.31 Zu dieser Zeit war in wissenschaftlichen Kreisen die neue Wissenschaft der Epigenetik ein faszinierendes Thema. Wie Studien gezeigt hatten, können die Ernährung und andere Umweltfaktoren die Gene an- und ausschalten. Das brachte mich dazu, »The Genie in Your Genes« (dt. Ausg.: »Die neue Medizin des Bewusstseins: Wie Sie mit Gedanken und Gefühlen Ihre Gene positiv beeinflussen können«) zu schreiben.32

Der Geist in unseren Genen

In eben jenem Buch habe ich vorausgesagt, dass spirituelle, emotionale und psychologische Erfahrungen ebenfalls epigenetische Auswirkungen haben. Hunderte von Studien haben das bestätigt. Wie die von meinen Kollegen und mir durchgeführten Untersuchungen gezeigt haben, verändern sich Gene, die für das Immunsystem und Entzündungen verantwortlich sind, deutlich, wenn sich Bewusstsein und Energie verändern.33 Ich habe eine einfache Methode, die EcoMeditation, entwickelt, die auf Basis von sieben evidenzbasierten Praktiken Menschen schnell in tiefe Bewusstseinszustände bringt.

Zuvor waren Psychologen und Forscher wie ich weitgehend davon ausgegangen, dass das Beste, was wir tun könnten, darin bestehe, mit dem Höhlenmenschen-Gehirn Frieden zu schließen. Wir mussten uns mit der Tatsache abfinden, dass unsere Gehirne aufs Überleben ausgerichtet sind und wir deshalb die Kampf-oder-Flucht-Reaktion mit Methoden zur Stressreduzierung ausschalten mussten.

Die damals vorherrschende Wissenschaft betrachtete das Höhlenmenschen-Gehirn als etwas Unumgängliches. Unsere beste Option bestand darin, unser Verhalten zu ändern. Wenn dein Auto eine schlechte Spureinstellung hat und die Lenkung nach rechts zieht, musst du diesen Fehler bei jeder Fahrt korrigieren, und zwar, indem du das Lenkrad leicht nach links ziehst. Beim Höhlenmenschen-Gehirn gilt das Gleiche. Laut psychologischer Forschung konnten wir höchstens darauf hoffen, das Gehirn, mit dem wir geboren wurden, zu korrigieren.34

Zehn Jahre nach »The Genie in Your Genes« habe ich ein weiteres Buch geschrieben: »Mind to Matter: The Astonishing Science of How Your Brain Creates Material Reality« (dt. Ausg.: »Geist über Materie: Die erstaunliche Wissenschaft, wie das Gehirn die materielle Realität erschafft«).35 Darin habe ich mehr als 400 Studien ausgewertet, die aufzeigen, dass durch eine Bewusstseinsveränderung im Körper und im Gehirn andere Moleküle erzeugt werden. Wie weitere Studien nachweisen, nehmen wir Einfluss auf die physische Welt um uns herum.

Mittlerweile lagen schon viel mehr Forschungsarbeiten über das Gehirn vor, insbesondere Studien über die Gehirne von fortgeschrittenen Meditierenden und spirituellen Adepten. Ich fing an, die von ihnen verwendeten Methoden zu praktizieren und sie in die EcoMeditation einzubauen. Ich gelangte damit in außergewöhnliche Verfassungen und wurde glücklicher, als ich es je für möglich gehalten hätte.

Mein nächstes Buch, »Bliss Brain« (dt. Ausg.: »Bliss Brain: Angewandte neurowissenschaftliche Erkenntnisse für mehr Resilienz, Kreativität und Lebensfreude«), habe ich nach einer Reihe von Katastrophen in meinem Leben geschrieben.36Kapitel 1 erzählt davon, wie mein Haus in Kalifornien von einem riesigen Waldbrand zerstört wurde. Meine Frau und ich konnten gerade noch entkommen, bevor die Flammen unser gesamtes Hab und Gut verzehrten. In dieser Nacht wurden 5400 Häuser vernichtet, und 22 Menschen verloren ihr Leben.

Die folgenden Monate waren ein einziges Chaos. Auf das Feuer folgten diverse finanzielle und gesundheitliche Katastrophen. Ich kämpfte darum, mein Unternehmen über Wasser zu halten, und dabei gingen meine gesamten Rentenersparnisse drauf. Nach einer schweren körperlichen Verletzung musste ich mich einer Operation unterziehen. Und doch verspürte ich jeden Morgen beim Meditieren eine außergewöhnliche Glückseligkeit, was ich überhaupt nicht verstehen konnte.

1.11 Bei einer meiner Morgenmeditationen kurz nach dem Brand

Ich begann, die Gehirne und den Geist von Menschen zu erforschen, die ihre spirituelle Intelligenz »trainieren«.37–39 Ich las Dutzende von Studien über Mönche, Nonnen und Adepten, die »Erleuchtungserfahrungen« hatten. Ich tauschte mich mit anderen Experten auf diesem Gebiet aus. Gemeinsam stellten wir fest, dass die aktiven Gehirnareale dieser Menschen und die von ihnen erzeugten Gehirnwellen jene des »Bliss Brain« sind.

Das Erleuchtungs-Netzwerk

Diese Adepten erleben nicht nur ein außergewöhnliches Glücksgefühl; auch ihr Gehirn funktioniert anders, und zwar Tag für Tag und bei allen auf dieselbe Art und Weise. Wenn das Höhlenmenschen-Gehirn heruntergefahren wird – wenn Menschen aus dem Kampf-oder-Flucht-Modus in den Glücksmodus wechseln –, leuchten ganz andere Gehirnregionen auf. Wir können diese Regionen in vier verschiedene Schaltkreise einteilen:

1. Emotionsregulierungs-Schaltkreis

2. Aufmerksamkeits-Schaltkreis

3. Schaltkreis zur Selfing-Kontrolle

4. Empathie-Schaltkreis

Zusammen bilden diese vier Regionen das Erleuchtungs-Netzwerk. Wenn fortgeschrittene Praktizierende meditieren, leuchten diese vier Schaltkreise in ihrem Gehirn auf bzw. werden aktiviert und arbeiten zusammen, was zu einer Erfahrung der Glückseligkeit führt.

1995 definierte der Harvard-Psychologe Daniel Goleman in seinem bahnbrechenden Buch »Emotional Intelligence« (dt. Ausg.: »EQ – Emotionale Intelligenz«) den Umfang des menschlichen Bewusstseins neu.40 Goleman ist ein lebenslanger Freund des Neurowissenschaftlers Richard Davidson, der Pionierarbeit bei der Verwendung von MRTs zur Messung der Gehirnzustände von Meditierenden geleistet hat. Gemeinsam haben sie das Buch »Altered Traits: Science Reveals How Meditation Changes Your Mind, Brain, and Body« geschrieben.41 Darin gehen sie auf die vielen Studien über Adepten ein und identifizieren diese vier Schaltkreise.

Die Mönche, deren Gehirnaktivität sie untersuchen, haben im Lauf ihres Lebens mehr als 10.000 Stunden in Meditation verbracht. Manche haben sogar über 50.000 Stunden meditiert.

Andrew Newberg ist Neurowissenschaftler und Co-Autor von »How Enlightenment Changes Your Brain: The New Science of Transformation«.42 In zahlreichen Studien untersuchte Newberg die Gehirnaktivität von Franziskanerinnen, die jahrzehntelang in Kontemplation und spiritueller Praxis verbracht haben. Dabei wurde ein ähnliches Muster der Gehirnaktivierung festgestellt wie bei den tibetisch-buddhistischen Mönchen in Davidsons Studien. Dieses Muster findet sich bei Meistern jeder spirituellen Tradition, von Qigong über Sufismus und Kabbalismus bis hin zum Schamanismus.

Das Bliss Brain trainieren

Wenn wir diese modernen Heiligen in den Kernspintomografen legen, wird eine geringe Aktivität im Default Mode Network und eine hohe Aktivität im Erleuchtungs-Netzwerk festgestellt. Das Erleuchtungs-Netzwerk unterdrückt die Aktivität des DMN.43

1.12 Mit hochmodernen Scannern wie diesem fMRT von Siemens können Wissenschaftler feststellen, welche Gehirnareale aktiv sind und wie sie miteinander kommunizieren.

Adepten wie die Franziskanerinnen und tibetische Mönche haben diese Fähigkeit im Lauf vieler Jahre entwickelt. Das zeigt, wir können mit etwas Übung lernen, das Höhlenmenschen-Gehirn zu regulieren, indem wir das Erleuchtungs-Netzwerk aktivieren.

Ein berühmtes Beispiel ist der ehemalige Übersetzer des Dalai Lama, Matthieu Ricard: Wie MRT-Scans zeigen, sind die Bliss-Brain-Regionen seines Gehirns so aktiv, dass ein Artikel des »Smithsonian Magazine« ihn als »den glücklichsten Mensch der Welt« bezeichnete.44

Die Implikationen dieser neurowissenschaftlichen Entdeckungen sind überwältigend und bahnbrechend, sowohl was das Glück des Einzelnen als auch das Wohlergehen der menschlichen Spezies angeht. Wir müssen unser Leben nicht mehr im Kampf-oder-Flucht-Modus in den Fängen des Höhlenmenschen-Gehirns verbringen, sondern können lernen, das Erleuchtungs-Netzwerk einzuschalten und ein insgesamt glückliches Leben zu führen.

Und das Beste ist: Wie die MRT-Forschung gezeigt hat, muss man kein entsagungsvoller Mönch und keine Nonne sein, um die Bliss-Brain-Verfassung zu erreichen. Zusammen mit der Psychologin Peta Stapleton und dem Neurowissenschaftler Oliver Baumann von der Bond University habe ich eine randomisierte kontrollierte Studie mit Meditationsanfängern durchgeführt. Wie wir herausfanden, wiesen ihre Gehirne ähnliche Aktivierungsmuster auf, nachdem sie 28 Tage lang nur 22 Minuten pro Tag EcoMeditation praktiziert hatten.45

Wie du in Kapitel 5 erfährst, kann jeder lernen, schnell in den Bliss-Brain-Zustand zu gelangen. Meine Kollegin Judith Pennington stellte bereits nach der ersten Erfahrung mit der EcoMeditation Veränderungen im EEG fest.46

Die Resilienz, die mir durch die Brandkatastrophe half und es mir ermöglichte, jeden Tag ins Bliss Brain einzutreten, obwohl sich um mich herum Katastrophen abspielten, steht jedem Menschen offen. Mein leidenschaftlicher Wunsch, diese Entdeckung mit anderen zu teilen, hat mich dazu motiviert, »Bliss Brain« zu schreiben und die EcoMeditation jedem frei zugänglich zu machen, der sie haben möchte.

Millionen von Menschen haben inzwischen gelernt, in den Bliss-Brain-Zustand zu gelangen. Wir erforschen ihre Erfahrungen, um diese Fähigkeiten universell und frei verfügbar zu machen, wie du in Kapitel 5 sehen wirst. Die Fähigkeiten des Bliss Brain sind genauso trainierbar wie jede andere Fähigkeit. So wie du dir beibringen kannst, Suaheli zu sprechen, Schach zu spielen oder Fahrrad zu fahren, kannst du dein Gehirn trainieren, dich glücklich zu machen. Du kannst dich darin üben, das Erleuchtungs-Netzwerk einzuschalten, bis es zur Gewohnheit wird.

Die Anatomie des Gehirns und spirituelle Meisterschaft

Es lohnt sich, die anatomische Struktur und die physiologische Funktionsweise der vier Schaltkreise zu verstehen. Millionen von Menschen haben inzwischen die EcoMeditation erlernt, und viele von ihnen berichten von spürbaren Veränderungen dahingehend, wie sich ihr Gehirn anfühlt. Wenn zum Beispiel die Sorgen um Vergangenheit und Zukunft verschwinden und die Meditierenden ganz in den gegenwärtigen Moment kommen, beschreiben viele ein »kribbelndes Gefühl« in ihrem mittleren präfrontalen Cortex. Wenn du weißt, wo in deinem Gehirn sich dieses Gewebe befindet und welche Aufgaben es erfüllt, kannst du diese Erfahrung besser verstehen.

Das ist derselbe Bereich, der in mystischen Traditionen als »Drittes Auge« bezeichnet wird. Paramahansa Yogananda, der Autor von »Autobiography of a Yogi« (dt. Ausg.: »Autobiographie eines Yogi«), riet seinen Schülern, besonders auf die Empfindungen in diesem Bereich zu achten.47 Sant Kirpal Singh, ein großer spiritueller Lehrer des frühen 20. Jahrhunderts, nannte ihn »die Brücke zwischen dem Körper und der Seele«.48

Auch Les Fehmi, der 2021 verstorbene Neurofeedback-Pionier und einstige Direktor des Princeton Biofeedback Center, hatte körperliche Empfindungen in diesem Bereich des »Dritten Auges« festgestellt. Fehmi fand heraus, dass sich die Alphawellen seiner Schüler, die ihre Aufmerksamkeit auf diesen Teil des Gehirns richteten, automatisch und exponentiell ausbreiteten – ein Merkmal veränderter Bewusstseinszustände.49

Der mittlere präfrontale Cortex ist Teil der Gehirnanatomie, die am Erleuchtungs-Netzwerk beteiligt ist; wenn man das weiß, ergeben die Empfindungen im Bereich des »Dritten Auges« während der EcoMeditation und anderer Praktiken der spirituellen Intelligenz einen Sinn.

Die Anatomie der vier wichtigsten Schaltkreise

Nachfolgend ist die Lage der vier Schaltkreise abgebildet. Die einzige Abkürzung, die ich verwende, ist PFC für den präfrontalen Cortex; ansonsten wird der volle Name der jeweiligen Gehirnregion angegeben.

Der Schaltkreis der Emotionsregulierung

In meinem Buch »Bliss Brain« empfehle ich, zuerst den Schaltkreis für die Emotionsregulierung zu aktivieren. Denn solange deine Aufmerksamkeit von der endlosen Abfolge von Emotionen gefesselt ist, die durch dein Gewahrsein schwirren, ist es fast unmöglich, inneren Frieden zu finden.

Wenn du auf jedes willkürlich und tagtäglich auftauchende Gefühl von Verurteilung, Groll, Kritik, Enttäuschung, Wut, Missbilligung, Scham, Stress, Ekel und Schuld reagierst, bleibt im Kopf kein Raum für die Freude und den Frieden, die du verdienst. Der Schaltkreis für die Emotionsregulierung steuert all diese negativen Emotionen und macht Platz für eine höhere Erfahrung.

Der dorsolaterale PFC ist besonders wichtig. Er ist das Herzstück vom Exekutivzentrum des Gehirns. Wenn du dich entscheidest, negative Emotionen zu regulieren, leitet er diese Signale über den ventralen PFC an das emotionale Gehirn, auch Limbisches System genannt, weiter.

1.13 Schaltkreis der Emotionsregulierung: Willentliche Regulierung durch den dorsolateralen PFC und den ventrolateralen PFC; automatische Regulierung durch den mittleren PFC, den anterioren cingulären Cortex, den posterioren parietalen und den orbitofrontalen Cortex; Koordinierung durch den Gyrus dentatus50–51

Der ventrale PFC, besonders der ventrolaterale PFC und der ventromediale PFC, sind bei Meditierenden gut entwickelt.52

Mit etwas Übung läuft diese emotionale Kontrolle automatisch ab. Du regulierst negative Emotionen nicht nur während der eigentlichen Meditation, sondern auch in deinem Alltagsleben. Die Gewohnheit der negativen Emotionen verschwindet und wird durch die Gewohnheit der Gelassenheit ersetzt.

Der Aufmerksamkeits-Schaltkreis

1.14 Aufmerksamkeits-Schaltkreis: Dorsolateraler PFC, parietaler Cortex, ventrolateraler PFC sowie – tiefer im Gehirn – der Nucleus caudatus und der dorsale anteriore cinguläre Cortex53

Dieser Schaltkreis bestimmt, in welche Richtung deine Aufmerksamkeit geht. Solange sie ziellos umherwandert oder von den negativen Emotionen, die durch dein Gewahrsein ziehen, gesteuert wird, kannst du dich nicht auf das fokussieren, was im Leben wirklich wichtig ist. Wenn du dagegen den Aufmerksamkeits-Schaltkreis aktivierst und dich auf das Positive konzentrierst, füllst du deinen Geist dank der Gabe der Aufmerksamkeit mit Gelassenheit.

Der Schaltkreis zur Selfing-Kontrolle

Unser Geist kreist gerne um sich selbst: Selbstabsorption – das ist das endlose Geplapper über »ich, mich und mein«. Es ist das Default Mode Network, vor allem der mittlere PFC, der unser Selbstgefühl konstruiert.54 Mein Geist beschäftigt sich damit, was mich in der Vergangenheit verletzt hat und was mich in der Zukunft verletzen könnte. Er ist nicht im gegenwärtigen Moment, doch genau dort finden wir die größte Freude.

Dieser endlose Strom ichbezogenen Geschwätzes hält uns von der Gegenwart und vom Glück fern. Der Forscher Jeffery Martin, mit dessen Arbeit wir uns in Kapitel 3 näher befassen werden, nennt dies das »narrative Ich«.55

1.15 Schaltkreis zur Selfing-Kontrolle: Dorsolateraler PFC, anteriorer cingulärer Cortex und inferiorer frontaler Gyrus56

Dieses Ich gibt nämlich ständig Kommentare über die Belanglosigkeiten um uns herum ab und darüber, wie sich das auf mich auswirkt. In einem Gespräch mit mir sagte Jeffrey Martin einmal: »Wäre das narrative Ich ein Mensch, würdest du sicher nicht mit ihm in einem Aufzug feststecken wollen!«

Erfahrene Meditierende sind in der Lage, diese Faszination für das narrative Ich zu regulieren. Spirituelle Intelligenz ermöglicht es uns, von unserer Besessenheit mit dem individuellen Selbst, getrennt vom Rest der Schöpfung, loszukommen. Wir lassen das »Selfing« sein und können so mit etwas eins werden, das größer ist als wir.

Menschen mit spiritueller Intelligenz nutzen dafür den Schaltkreis zur Selfing-Kontrolle. Wenn du deinen inneren Kommentator zum Schweigen bringst, katapultiert dich das in den gegenwärtigen Moment und in die Glückseligkeit, die wir dort finden.

Der Empathie-Schaltkreis

1.16 Empathie-Schaltkreis: Anteriorer cingulärer Cortex, ventromedialer PFC, Hypothalamus und somatosensorischer Cortex;57nicht zu sehen: die Insula

Der Empathie-Schaltkreis ist ein einzigartiges Geschenk der Natur an dich als soziales Tier. Sein Zentrum, die Insula, enthält spezielle Neuronen, die sogenannten Von-Economo-Neuronen. Sie kommen nur bei sehr geselligen Arten wie Elefanten, Delfinen und Affen vor.58–59 Dank der Insula kannst du die Gefühle anderer so empfinden, als wären es deine eigenen.

Wie wir festgestellt haben, erzielen von allen Meditationsarten, die das Gehirn beeinflussen, jene, die auf Mitgefühl basieren, die schnellsten und stärksten neuronalen Ergebnisse.60