Spontanheilung - Andrew Weil - E-Book

Spontanheilung E-Book

Andrew Weil

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Beschreibung

Ein Mann, dessen Lunge hoffnungslos von Krebs befallen ist, wird mit der Auskunft, dass die Medizin nichts für ihn tun kann, nach Hause geschickt, um zu sterben. Sechs Monate später erscheint er wieder in der Praxis seines Arztes, tumorfrei.


Andrew Weil hat zahlreiche Fälle gesammelt, in denen Menschen, von den Ärzten als unheilbar aufgegeben, schwerste Krankheiten überwunden haben. Bei der Analyse dieser Spontanheilungen und während seiner jahrzehntelangen wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Naturheilmedizin entdeckte Andrew Weil ein ebenso einfaches wie verblüffendes Phänomen: Unser Körper verfügt über ein unglaublich leistungsfähiges und mächtiges Selbstheilungssystem. Dieses Selbstheilungssystem ist für unsere allgemeine Gesundheit verantwortlich, es besitzt aber auch ein ungeheures Heilungspotenzial für leichte wie schwerste Krankheiten. In diesem Buch beschreibt Andrew Weil, wie wir die Heilkräfte unseres Körpers auf natürliche Weise aktivieren und verstärken können.


»Dr. Andrew Weil schreibt klar, mit tiefem Verständnis und großem Scharfsinn über das uns angeborene Vermögen zur Selbstheilung. Dieses Buch kann unser Leben retten.« Dean Ornish

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3. Auflage der Sonderausgabe Februar 2016 Genehmigte Sonderausgabe: Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Covergestaltung: Christine Ibele Satz und Layout: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN E-Book 978-3-86445-520-9 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-0 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Widmung

Für Diana

Vorwort

Vorwort

»Spontanremission« ist der verschämte Ausdruck der Schulmedizin für jenes unerklärliche Geschehen, das alle anderen Wunder nennen. Wie die Kirche, so will auch die Schulmedizin von Wundern nichts wissen. Daran hat man als »wissenschaftlicher« Mensch nicht zu glauben. Wo sie trotzdem nicht zu leugnen sind, werden sie wenigstens »wissenschaftlich« benannt. Dass es sich bei Schulmedizin wie Kirche um Glaubensgemeinschaften handelt, die bestimmte Glaubensrichtungen vertreten und andere ablehnen, mag bei Ersterer überraschen.

Aber wäre die Medizin – ihrem Anspruch gemäß – tatsächlich eine Naturwissenschaft, könnte es jene Schwachstellen nicht geben, auf die Weil schonungslos den Finger legt. Während Naturwissenschaftler auch ihre bewährtesten Hypothesen neuen Erkenntnissen opfern, ignoriert die Schulmedizin Ausnahmen von ihren Regeln und versucht manchmal geradezu krampfhaft, Lehrmeinungen zu retten. Hier wird eher auf jenem (kindlichen) Niveau gedacht, wo Ausnahmen die Regel bestätigen. Inzwischen müssen allerdings schon so viele Ausnahmen so viele unhaltbar gewordene Regeln bestätigen, dass die Lage für die Schulmedizin ungemütlich wird. Gerade Ärzte wie Weil verstärken mit ihren fundierten und dabei einfachen und klaren Anmerkungen diesen Aufbruchprozess, der die Medizin endlich erfasst hat.

Haben Physiker die Hypothese, alle Schwäne seien weiß, wird die Entdeckung des ersten schwarzen Schwanes diese Hypothese ein für alle Mal erledigen. Anders dagegen bei der Schulmedizin, die in einem solchen Fall dazu neigt, den einen schwarzen Schwan zu übersehen, ja nicht selten sogar seine Existenz abstreitet. Anstatt im wissenschaftlichen Sinne froh über die Enttäuschung zu sein, die immerhin eine Täuschung beendet, wird eher versucht, den Entdecker des schwarzen Schwanes lächerlich zu machen. Um Beispiele zu finden, brauchen wir leider nicht bis zu Semmelweis, dem allseits behinderten Wiederentdecker der Hygiene, zurückzudenken, auch der Weg der modernen Medizin ist mit Beispielen gepflastert. Wo Physiker ihre Fehler zum Anlass nehmen, Theorien zu verbessern und noch fehlende Aspekte einzufügen, lassen sich Mediziner bei der Pflege ihrer Lehrmeinungen ungern stören. Bei diesem Spiel auch noch den Anspruch auf Naturwissenschaftlichkeit aufrechtzuerhalten ist einerseits komisch, andererseits gefährlich. Auf Physiker müsste dieser Anspruch im Übrigen geradezu beleidigend wirken.

Ein konkretes Beispiel mag das Problem veranschaulichen: Solange Krebspatienten tun, was ihnen vorausgesagt wird, nämlich in einem überschaubaren Zeitrahmen zu sterben, sind sie für unsere Schulwissenschaft von großem Interesse, wehe aber, einer stirbt nicht wie vorausgesagt, sondern wird gar – im Rahmen einer Spontanremission – wieder gesund. Anstatt das ganze Interesse der Medizin nun auf sich zu ziehen, kann er sicher sein, dass er von nun an in Ruhe gelassen wird. Ähnlich ergeht es AIDS- und HIV-positiven Patienten, die ihre Lebenserwartung bei Weitem überschritten haben. Sie werden ignoriert, als fürchte die Medizin, ihre »wissenschaftliche« Meinung ihretwegen überdenken zu müssen. Solches Verhalten ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern behindert Fortschritte in der Erkenntnis, die das eigentliche Ziel einer Wissenschaft sein müssten.

Andrew Weil, selbst von der renommiertesten amerikanischen Universität, Harvard, kommend, lässt keinen Zweifel an diesen Schwachstellen moderner Medizin. Zugleich lässt er ihr aber auch ihr Recht, wo sie im Recht ist, und verfällt keineswegs in Schwarz-Weiß-Malerei. Stattdessen entwirft er das Bild einer möglichen zukünftigen Medizin, die, die Schulmedizin einbeziehend, einen weiten Bogen spannt und auch viele Bereiche der Erfahrungsheilkunde mit umfasst. Nichts, was sich als hilfreich erwiesen hat, ist ihm tabu. So beginnt er sein Buch mit einer Fülle von Wunderberichten, ein Vorgehen, das der Medizin mehr als verdächtig ist. Einzelfälle gelten als anekdotisch, unwichtig und jedenfalls nicht aussagekräftig. Weil aber macht ganz deutlich, dass der Patient immer ein Einzelner ist und dass für ihn eine einzige Fallgeschichte, von einem Menschen, der ein ähnliches Krankheitsbild gemeistert hat, von überragender Bedeutung sein kann. Fertig werden mit Aufgabe und Chance, die in jedem Krankheitsbild liegen, ist seine Grundmaxime, und dafür ist ihm alles recht von Pflanzentinkturen über manuelle Therapien bis zu Bilderreisen in innere Seelenlandschaften.

Wenn Weil anregt, Berichte von medizinischen Wundern zu sammeln und Betroffenen verfügbar zu machen, wandelt er auf einer uralten Fährte, die längst in Vergessenheit geraten schien. Das Lesen von Legenden, von Heilsgeschichten, ist heilsam und gibt Hoffnung. Das ist nicht neu, aber immer noch wirksam. Und so bringt er das Prinzip Hoffnung zurück in die Medizin. Eine einzige Heilsgeschichte von jemandem, der etwas bewältigt hat, was einem anderen gerade bevorsteht und schwer zu werden droht, sagt mehr als viele Statistiken, wobei Weil auch den Statistiken durchaus ihr Recht lässt, denn auch sie könnten auf ihre spröde Art noch Hoffnung nähren.

Den ärztlich-wissenschaftlichen Pessimismus brandmarkt der Autor als eine Art Verhexung der Patienten und zieht den Vergleich zu dunklen Voodookünsten. Er verweist darauf, wie fatal Lehrmeinungen, insbesondere die der absoluten Spezialisten, wirken können und wie offen die Patienten in ihrer Angst dafür sind. Durch ihre Krankheit hellhörig geworden, hören sie vieles heraus und interpretieren einiges hinein. Wenn der Patient mit Nierenkrebs fragt, ob er das Rauchen aufgeben solle, und der Urologe antwortet, in diesem Stadium könne er sich das sparen, hört der Patient heraus: »Du stirbst sowieso bald, da ist schon alles gleich.« Er erlebt den vielleicht sogar nett gemeinten Rat als Verdammung.

Dagegen setzt Weil seine Heilsgeschichten, Erfahrungsberichte geheilter Patienten, die es aus eigener Kraft geschafft haben und mit der Herausforderung fertig wurden. Diese Geschichten machen Mut, Lebensmut, der zum Gesunden unverzichtbar ist. Den Kräften, die zu solchen und eigentlich allen Heilungen führen, setzt er sich hartnäckig auf die Spur und findet aus seinem durchaus wissenschaftlichen Denken, was Paracelsus in seinem analogen Weltbild schon wusste: dass es die innere Natur ist, die heilt, und nicht die Medizin. So, wie Weil uns das nahebringt, können wir es allerdings viel leichter annehmen, da er es auf dem Stand des neuesten Wissens begründet. Er erläutert etwa, wie auf der Ebene der Erbsubstanz bereits gut untersuchte Selbstheilungssysteme jede Sekunde zehn Millionen defekte Zellen ersetzen, wie in Zellmembranen ein dauernder regenerativer Austausch stattfindet und wie die Schleimhäute, unsere inneren Grenzen, sich in einem fort umbauen zur Erhaltung ihrer einwandfreien Funktion. Die Wundheilung auf Gewebeebene bietet ebenfalls ein eindrucksvolles und für jedermann nachvollziehbares Heilungsbeispiel. Unsere Leber, ein wahres Wunder an Regenerationsfähigkeit, kann den Verlust von 80 Prozent ihrer Zellen in Stunden kompensieren und in kurzer Zeit den größten Teil ihres eigenen Gewebes erneuern. Nach einem Ausflug in die Welt der körperlichen Heilsysteme widmet sich der Autor auch den geistig-seelischen Heilgesetzen, deren Ergebnisse zwar bekannt sind und in Placeboeffekt und dem Ausdruck »Droge Arzt« sogar Namen haben, die aber kaum erforscht werden, da hier kein Geld zu verdienen ist.

Bei allem Verpflichtetsein gegenüber der eigenen wissenschaftlichen Herkunft ist es vor allem Weils Menschlichkeit, die anspricht. In Harvard, der Krone der amerikanischen Medizin, ausgebildet, bewegt ihn am Ende seines Studiums statt Stolz das Gefühl, im Krankheitsfall nicht so behandelt werden zu wollen, wie er gelernt hat, seine Patienten zu behandeln. Dieses Gefühl teilt er mit vielen Kollegen, wie Umfragen belegen, nur fügt er sich nicht in das scheinbar Unabdingliche, sondern beginnt eine lange Suche. Es spricht für ihn, dass er dabei neben neuen eigenen Erkenntnissen vor allem die alten Wurzeln der Medizin wiederentdeckt, um sie uns nun mit modernen Worten nahezubringen.

Er durchschaut den Kriegscharakter der Schulmedizin, die gegen alles immer nur Waffen entwickelt, ohne auch nur einen Versuch zu machen, das Wesen des jeweiligen Gegners zu verstehen. Das Arsenal der Schulmedizin ist Ausdruck einer Antimedizin: Antibiotika, Antiarrhythmika, Antihypertensiva, Antitussiva, Anticholinergika, Antihistaminika, Antidepressiva, Antipyretika, Antiallergika, Antikoagulanzien und schließlich noch die Blocker: Beta-Blocker, Säureblocker, Ca-Antagonisten, H2-Rezeptoren-Antagonisten. Wir kämpfen Kriege gegen Krebs und Drogen, AIDS und viele mehr oder weniger gefährliche Symptome. Kriege und Waffen aber sind grundsätzlich gefährlich und können es auch für die Anwender selbst werden. Die Verluste durch sogenanntes freundliches Feuer waren zum Beispiel im Golfkrieg hoch. Die Verluste durch das freundlich gedachte Feuer der Schulmedizin werden zwar von offizieller Seite nicht gezählt, dürften aber inzwischen ein schreckliches Ausmaß angenommen haben. Noch bei jedem Ärztestreik ging die Sterblichkeit der Bevölkerung spürbar zurück. Waffen provozieren darüber hinaus die Angreifer zu größeren Anstrengungen, was wir an der zunehmenden Resistenz von Erregern zu spüren bekommen. Selbst Schulmediziner erkennen inzwischen mit Grauen, dass wir in manchen Bereichen der Medizin mittlerweile schlechter dran sind als vor der Anti(biotika)-Ära.

Obwohl Weil der Homöopathie nicht allzu viel zutraut, hat sich sein Denken doch bereits weitgehend vom allopathischen Dagegen zum homöopathischen Damit gewandelt. Im Einklang mit ihren Selbstheilungskräften lehrt er seine Patienten, sich den Chancen und Möglichkeiten zu stellen, die in jedem Krankheitsbild liegen. Seine Ratschläge reichen weit, ohne zu erschlagen. In einem für jeden nachvollziehbarem 8-Wochen-Programm integriert er sie zu einem Weg in die Gesundheit. Dabei sind die Vorschläge einfach und einleuchtend. Hier hat ein Arzt den Mut gefunden, zurückzukehren zu den ganz einfachen Schritten, und schreckt auch nicht davor zurück, Spazierengehen als beste Bewegungstherapieform zu empfehlen und einfache, fast banal wirkende, in ihren Konsequenzen aber verblüffende Atemübungen vorzuschlagen. Seine Hinweise zur Ernährung sind ebenso vernünftig wie leicht zu befolgen, ähnlich wie vieles andere, was er zur Lebensreform vorschlägt.

So ist dieses Buch vom Zauber der Einfachheit umgeben, und es bleibt ihm zu wünschen, dass nicht umsonst bleibt, was so billig und einfach zu haben ist. Da auch Ausdrucksweise und Sprache leicht eingänglich und sehr direkt sind, mag vonseiten der ins Kreuzfeuer genommenen Schulwissenschaft der Vorwurf des Populismus wieder einmal ins Spiel kommen, der gerne ausgepackt wird, wenn Ärzte so sprechen, dass ihnen auch Nichtärzte folgen können. Darin aber liegen gerade Chance und Faszination dieses Buches.

Rüdiger Dahlke

Einleitung

Einleitung

Ein Mann, dessen Lungen hoffnungslos von Krebs befallen sind, wird mit der Auskunft, dass die Medizin nichts für ihn tun kann, nach Hause geschickt, um zu sterben. Sechs Monate später erscheint er wieder in der Praxis seines Arztes, tumorfrei. Eine junge Frau, Diabetikerin und starke Raucherin, liegt nach einem schweren Herzanfall auf der Intensivstation. Ihr Arzt steht hilflos der Tatsache gegenüber, dass ihre Herztätigkeit rapide nachlässt; aber er kann nichts tun, um die Frau zu retten. Nichtsdestoweniger übersteht sie die Nacht, ist am Morgen bei vollem Bewusstsein, redet und befindet sich eindeutig auf dem Weg der Besserung. Oder: Ein Neurochirurg teilt den untröstlichen Eltern mit, dass ihr Sohn, der nach einem Motorradunfall mit schweren Kopfverletzungen im Koma liegt, nie wieder das Bewusstsein erlangen wird. Der Sohn ist heute quicklebendig.

Die meisten Ärzte, die ich kenne, haben ein oder zwei Geschichten dieser Art erlebt, Geschichten spontaner Heilungen. Wer sich die Mühe macht, solchen Geschichten nachzugehen, stößt auf sehr viele; aber nur wenige medizinische Forscher tun das. Für die meisten Ärzte sind solche Geschichten eben Geschichten, nicht ernst zu nehmen, nicht wissenschaftlich belegt und folglich nicht der Mühe wert, sie als Informationsquellen zu nutzen, um mehr über das Selbstheilungspotenzial des Körpers zu erfahren.

Die moderne Medizin ist inzwischen so teuer geworden, dass sie die öffentlichen Haushalte vieler Industrienationen strapaziert und für weite Teile der Weltbevölkerung bereits unerschwinglich geworden ist. In vielen Ländern streiten sich die Politiker über die Finanzierbarkeit oder Nichtfinanzierbarkeit des Gesundheitswesens, wobei allerdings die Grundsatzdebatte, was eigentlich unter Gesundheitsvorsorge zu verstehen ist, völlig außer Acht gelassen wird. Aus Sicht der Ärzte setzt Gesundheit eine Intervention von außen voraus, während die Anhänger der Naturheilkunde Gesundheit als Ergebnis eines Lebens im Einklang mit der Natur betrachten – so wie früher die Ärzte im alten Griechenland der Ägide des Heilgottes Asklepios folgten, während die Heiler sich Asklepios’ Tochter Hygieia, der Göttin der Gesundheit und Inbegriff der Gesundheit, anschlossen. Der Mediziner und Philosoph René Dubos schrieb dazu:

»Für die Verehrer von Hygieia ist Gesundheit der natürliche Zustand der Dinge, ein positives Attribut, das den Menschen zusteht, wenn sie ihr Leben weise führen. Für sie ist die oberste Aufgabe der Medizin, die natürlichen Gesetze zu entdecken und zu lehren, die für einen gesunden Geist des Menschen in einem gesunden Körper sorgen. Für die Anhänger von Asklepios, die den Lauf der Welt skeptischer und weiser betrachten, besteht die Hauptrolle des Arztes darin, Krankheit zu behandeln und durch die Berichtigung geburtsbedingter Unvollkommenheiten oder nach Unfällen Gesundheit wiederherzustellen.« 1› Hinweis

Die politischen Auseinandersetzungen, wie die Kosten des Gesundheitswesens zu finanzieren seien, werden weitestgehend unter den Anhängern Asklepios’ geführt. Gestritten wird dabei nicht über die Natur der Medizin oder über die Erwartungen, die die Menschen an die Medizin stellen, sondern ausschließlich darüber, wer die horrenden Kosten für die medizinische Versorgung tragen soll, die durch die Technologiehörigkeit der Ärzte inzwischen ungeheure Dimensionen erreicht haben. Ich bin ein begeisterter Anhänger Hygieias und möchte diesen Standpunkt engagiert in jeder Diskussion vertreten, bei der es um die Zukunft der Medizin geht.

Ein Beispiel mag verdeutlichen, wie diese beiden unterschiedlichen Systeme in der Praxis zu höchst unterschiedlichen Ansätzen führen. Im Westen ist das Hauptaugenmerk der wissenschaftlichen Medizin auf die Identifizierung äußerer Krankheitserreger und die Entwicklung entsprechender Waffen gerichtet, um sie zu bekämpfen. Ein herausragender Erfolg dieses Ansatzes waren die Entdeckung der Antibiotika Mitte dieses Jahrhunderts und der damit verbundene grandiose Siegeszug gegen bakterielle Infektionskrankheiten – ein Erfolg, mit dem die Anhänger des Asklepios sich die Herzen und Seelen vieler eroberten und die meisten davon überzeugten, dass die medizinische Intervention mit den Segnungen der Technologie, ungeachtet aller Kosten, der richtige Weg sei. Im Osten, insbesondere in China, hat die Medizin demgegenüber seit jeher eine völlig andere Schwerpunktsetzung. Hier wurden – auf den Spuren Hygieias – Wege und Möglichkeiten zur Erhöhung der inneren Widerstandskräfte gegen Krankheiten untersucht, sodass man, ungeachtet schädlicher Einflüsse, gesund bleiben kann. Und im Zuge ihrer Forschungen entdeckten chinesische Ärzte zahlreiche natürliche Substanzen, die die Abwehrkräfte des Körpers stärken. Zweifellos hat uns der westliche Ansatz lange Zeit Erfolge beschert, langfristig wird sich seine Brauchbarkeit vielleicht aber nicht einmal annähernd mit dem östlichen messen können.

Waffen sind gefährlich. Sie können nach hinten losgehen, den, der sie einsetzt, verletzen, und sie können auch den Feind reizen, sodass er noch aggressiver zuschlägt – ein Punkt, den wir inzwischen erreicht haben. Denn weltweit sehen sich die Experten für Infektionskrankheiten inzwischen mit der zunehmenden Resistenzentwicklung von Organismen und so mit der Nichtbehandelbarkeit von Epidemien konfrontiert.

Ein Leitartikel der Clinical Research News for Arizona Physicians, einer Publikation des Medizinischen Zentrums der University of Arizona, beschäftigte sich unlängst mit der Frage »Resistenz gegenüber antibakteriellen Agenzien: Die neue Seuche?«. Darin heißt es:

»Antibakterielle Agenzien wurden als die ›Wundermittel‹ des 20. Jahrhunderts betrachtet. Inzwischen sind Kliniker und Forscher sich aber nur allzu sehr der Tatsache bewusst, dass die mikrobische Resistenz gegenüber Medikamenten ein großes klinisches Problem darstellt … Etliches wurde an Lösungsvorschlägen bisher vorgebracht. So versucht etwa die Pharmaindustrie, neue Mittel zu entwickeln, die den gegenwärtigen Resistenzmechanismen eher standhalten. Das Problem ist jedoch, dass diese Organismen offenbar sehr schnell neue Resistenzmechanismen entwickeln … Von entscheidender Bedeutung bei der stationären Behandlung ist also die strikte Einhaltung der bei Infektionen angezeigten Behandlungsmethoden. Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen müssen begreifen, dass die antibakterielle Resistenz in der Praxis in allen Bereichen ein wachsendes Problem darstellt, das unmittelbar schwerwiegende Konsequenzen für den Patienten haben kann.« 2› Hinweis

Der Hinweis, dass das Problem »unmittelbar schwerwiegende Konsequenzen für den Patienten haben kann«, ist dabei eine durchaus euphemistische Feststellung. Denn sie bedeutet nichts anderes, als dass der Patient an Infektionen sterben kann, die bisher ärztlicherseits mit Antibiotika behandelt werden konnten. Fest steht, dass Antibiotika mit rapider Geschwindigkeit ihre Wirksamkeit verlieren, sodass manche Spezialisten für Infektionskrankheiten bereits über Alternativen nachdenken für den Fall, dass wir uns auf diese Mittel nicht mehr stützen können. Eine Möglichkeit wäre sicherlich, sich auf die in den zwanziger und dreißiger Jahren üblichen Methoden zu besinnen, deren man sich in den Krankenhäusern bediente, als es noch keine Antibiotika gab: strikte Quarantäne und Desinfektion, Aderlass und Ähnliches. Aber welche Wende wäre das angesichts unserer Apparatemedizin!

Bei den natürlichen Tonika der chinesischen Medizin gibt es dieses Problem der Resistenzentwicklung nicht, da sie nicht gegen Bakterien wirken (und somit auch deren Evolution nicht beeinflussen), sondern mit den körpereigenen Abwehrkräften. Sie erhöhen die Aktivität und Effizienz der Zellen des Immunsystems und fördern so allgemein die Abwehr von Infektionen aller Art, und nicht nur von solchen, die durch Bakterien verursacht werden. Antibiotika sind im Übrigen nur im Einsatz gegen Bakterien effektiv und bei der Bekämpfung virenbedingter Krankheiten nutzlos. Die Machtlosigkeit der westlichen Medizin gegenüber Virusinfektionen wird zum Beispiel im erfolglosen Kampf gegen AIDS klar sichtbar. Und auch hier scheint die chinesische Kräuterheilkunde HIV-Infizierten einen wesentlich vielversprechenderen Ansatz zu bieten. Ganz im Gegensatz zu den derzeit im Westen üblicherweise verabreichten antiviralen Mitteln sind die chinesischen pflanzlichen Mittel ungiftig und ermöglichen vielen HIV-Infizierten, trotz Virus in ihrem Körper noch relativ lange und frei von Symptomen zu leben.

Das östliche Konzept der Stärkung der inneren Abwehrkräfte entspricht den Prinzipien Hygieias, da es von dem Grundsatz ausgeht, dass der Körper von Natur aus über die Fähigkeit verfügt, Krankheitserreger abzuwehren und mit ihnen fertig zu werden. Würde diesem Grundsatz auch in der westlichen Medizin mehr Rechnung getragen, gäbe es die gegenwärtige ökonomische Krise in der Gesundheitsversorgung nicht, da die Methoden, die bei den natürlichen Selbstheilungskräften des Körpers ansetzen, weitaus billiger sind als die intensiven Behandlungsmethoden der Apparatemedizin. Und nicht nur das: Sie sind auch unbedenklicher und langfristig effektiver.

Das Hauptinteresse der Anhänger Asklepios’ gilt der Behandlung, das der Hygieias der Heilung. Die Behandlung kommt von außen; die Heilung kommt von innen. Das Wort »heilen« bedeutet »ganz machen«, also Integrität und Gleichgewicht wiederherstellen. Ich bin seit Langem vor allem an Berichten über Heilungen interessiert und Sie vermutlich auch. Vielleicht haben Sie sogar persönlich bei einem Krebskranken einen Fall spontaner Remission erlebt, wobei große Tumore auf scheinbar unerklärliche Weise und zum Erstaunen der behandelnden Ärzte vorübergehend oder vielleicht auch dauerhaft verschwanden. Was ist hier geschehen? Oder vielleicht kennen Sie auch jemanden, der infolge von Gebeten oder aus einem starken religiösen Erleben heraus geheilt wurde.

Dieses Buch hat den Titel Spontanheilungen. Ich habe ihn gewählt, um die Aufmerksamkeit gezielt auf die uns angeborenen Heilungskräfte, auf die intrinsische Natur des Heilungsprozesses zu lenken. Selbst wenn Behandlungen erfolgreich verlaufen,stellen die dabei erzielten Ergebnisse nichts weiter als die Aktivierung jener intrinsischen Heilungsmechanismen dar, die unter anderen Umständen vielleicht auch ohne äußeren Stimulus wirksam geworden wären. Das Thema dieses Buches lässt sich im Wesentlichen kurz wie folgt zusammenfassen: Der Körper kann sich selbst heilen – dank seines ureigensten Heilungssystems. Sofern Sie bei guter Gesundheit sind, sollten Sie dieses Buch nutzen, um sich über dieses System zu informieren, denn es sorgt dafür, dass Sie auch weiterhin bei guter Gesundheit bleiben; und darüber hinaus sollten Sie natürlich auch wissen, was Sie noch mehr für Ihre Gesundheit tun können. Sofern Sie oder Ihnen nahestehende Personen krank sind, ist es erst recht wichtig, sich über dieses System zu informieren, da es die beste Hoffnung auf Genesung verheißt.

In Teil I werden die Beweise für die Existenz dieses Heilungssystems aufgezeigt; es wird beschrieben, wie es funktioniert und mit der Psyche zusammenwirkt. Ich werde aufzeigen, dass auf jeder Ebene der biologischen Ordnung – angefangen von der DNA – Selbstdiagnose-, Selbstheilungs- und Regenerationsmechanismen existieren, die jederzeit bei Bedarf aktiviert werden können. Eine Medizin, die sich diese uns innewohnenden Heilungsmechanismen zunutze macht, ist effektiver als eine Medizin, die lediglich die Symptome unterdrückt. In diesem Abschnitt werden Sie den Geschichten von Menschen begegnen, die ich persönlich kenne, die entgegen den Vorhersagen ihrer Ärzte von Krankheiten genesen sind, den Vorhersagen von Ärzten, die keine Genesungsmöglichkeit sahen oder darauf beharrten, dass Besserungen allenfalls mit einem massiven Einsatz von Mitteln nach den Prinzipien des Asklepios erzielt werden könnten. Da ich, wann und wo immer möglich, mein Interesse an Fallgeschichten dieser Art kundgetan habe, sind mir auch sehr viele zu Ohren gekommen. Und ich glaube, dass jeder, der danach sucht, weitere finden wird. Spontanheilungen sind eine normale Erscheinung und keine Seltenheit. Wir staunen über die Geschichten spontaner Remissionen bei Krebskranken und halten sie für Wunder, schenken aber den eher alltäglichen Aktivitäten des Heilungssystems, etwa bei der Heilung von Wunden, kaum Beachtung. Und dabei sind es gerade diese ungewöhnlichen, alltäglichen Fälle, in denen sich die herausragende Wirksamkeit des Heilungssystems zeigt.

In Teil II dieses Buches erfahren Sie, wie Sie Ihr Heilungssystem optimal fördern können. Sie erfahren, wie Sie mit einer Änderung des Lebensstils Ihr Heilungspotenzial im Einzelnen erhöhen können, wobei Umweltgifte, körperliche Bewegung, Stressreduzierung, Ernährung, Vitamine, Nährstoffergänzungen sowie Heilpflanzen, die Sie allgemein zur Stärkung Ihres Wohlbefindens nutzen können, eine besondere Rolle spielen. Des Weiteren finden Sie hier ein 8-Wochen-Programm, das Ihnen als Anleitung für eine allmähliche Umstellung auf einen Lebensstil dienen kann, der Ihre natürlichen Heilungskräfte fördert.

In Teil III finden Sie praktische Ratschläge zum Umgang mit Krankheiten. Hier werden die Stärken und Schwächen der konventionellen und alternativen Behandlungsmethoden analysiert und Strategien aufgezeigt, die von Patienten erfolgreich erprobt und angewendet wurden. Darüber hinaus finden Sie hier Vorschläge zur Nutzung natürlicher Methoden im Umgang mit allgemeinen Beschwerden und Krankheiten. Dabei gehe ich im Schlusskapitel auf Krebs als Sonderfall ein, da diese Krankheit eine besondere Herausforderung an das Heilungssystem darstellt und die Wahl der Behandlungen eine sorgfältige Analyse der jeweils gegebenen Voraussetzungen im Einzelfall verlangt.

Im Nachwort gehe ich schließlich auf die Frage ein, inwieweit sich die heutigen medizinischen Institutionen und Rahmenbedingungen verändern müssten – im Sinne einer Annäherung an die Prinzipien Hygieias.

Bisher haben sich nur wenige Ärzte und Wissenschaftler mit Fallbeispielen von Heilungen beschäftigt, sodass es nicht überrascht, wenn manchem das Phänomen der »Spontanheilungen« obskur und das Konzept eines inneren Heilungssystems immer noch befremdlich erscheint. Ich behaupte hingegen: Je mehr wir uns mit diesem Konzept anfreunden, desto mehr Heilung werden wir in unserem Leben erfahren, und desto weniger werden wir gezwungen sein, auf medizinische Interventionen zurückzugreifen, die nicht nur unnütz, sondern mitunter auch schädlich und extrem kostenintensiv sind. Mit einer heilungsorientierten Medizin wäre uns wesentlich mehr gedient als mit dem gegenwärtigen System. Sie wäre unbedenklicher und wirksamer und nicht zuletzt auch billiger. Um diesem Ziel näherzukommen, habe ich dieses Buch geschrieben.

Teil I – Das Heilungssystem

Teil IDas Heilungssystem

1: Vorspiel im Regenwald

– 1 –Vorspiel im Regenwald

Ich möchte Sie zunächst an einen weit entlegenen Ort mitnehmen, den ich vor mehr als 20 Jahren besuchte: An das sandige Ufer eines breiten Flusses, eines Nebenflusses des Rio Caquetá im Nordwesten des Amazonas, nahe der Grenze zwischen Kolumbien und Ecuador. Ein schwüler Nachmittag im Jahr 1972 – und ich hatte mich verirrt. Ich war auf der Suche nach einem Schamanen, einem Kofán-Indianer namens Pedro, der irgendwo inmitten des riesigen, dichten Urwaldes in einer abgelegenen Hütte lebte. Aber der Pfad, der mich dorthin führen sollte, endete an einem unüberwindbaren Fluss, ohne jeden Hinweis, wie es weitergehen sollte. Und es war allmählich spät geworden.

Zwei Tage vorher hatte ich meinen Landrover nach einer langen und anstrengenden Fahrt am Ende einer schmutzigen Straße stehen lassen und ein Motorboot genommen, um zu einer winzigen Siedlung an der Grenze zu gelangen, wo ich eine unruhige Nacht verbrachte. Am nächsten Tag fand ich einige Indianer, die sich bereit erklärten, mich mit einem Kanu zum Ausgangspunkt eines Pfades zu bringen, der mich, wie sie sagten, zu der Lichtung führen würde, wo Pedro lebte. »Ein halber Tagesmarsch«, sagten sie, wobei mir allerdings klar war, dass ein halber Indianertagesmarsch für mich durchaus länger sein konnte. Mit meinem Rucksack war ich zwar im Wesentlichen für alle möglichen Eventualitäten gerüstet, aber ich hatte nicht viel Essbares dabei, da ich davon ausgegangen war, bald bei dem Schamanen zu sein. Nach mehreren Stunden im dunklen Urwald gabelte sich der Pfad. Doch niemand hatte mir etwas von einer Gabelung gesagt. Ich entschied mich für die rechte Abzweigung. Nach einer weiteren Stunde kam ich auf eine Lichtung mit mehreren Hütten und fünf Kofán-Indianern, die einander die Gesichter bemalten.

Mir war wahnsinnig heiß, ich war durstig und fragte auf spanisch, ob ich etwas Wasser haben könnte. Die Männer ignorierten mich. Ich fragte nochmals. Da antworteten sie, sie hätten kein Wasser. »Kein Wasser?«, rief ich entsetzt. »Wie ist das möglich?« Sie zuckten nur gleichgültig die Schultern und setzten unbeirrt ihr Schminken fort. Ich fragte nach dem Schamanen. »Nicht hier«, sagte einer der Indianer. »Wo kann ich ihn finden?«, fragte ich. Mit einer nachlässigen Kopfbewegung wurde ich auf einen Pfad hinter den Hütten aufmerksam gemacht. »Ist es weit?«, fragte ich. Wieder zuckten sie die Schultern.

Es war eine neue Erfahrung für mich. Im Hinterland Kolumbiens war ich immer überschwänglich gastfreundlichen Indianern begegnet. Nur die Einwohner der unwirtlichen Städte an der Grenze, die Mestizen, die Mitgiftjäger, die nichts unversucht ließen, um ihr Glück zu machen, waren unfreundlich und einschüchternd. Aber sobald ich die Städte hinter mir gelassen und indianisches Gebiet erreicht hatte, hatte ich mich immer sicher gefühlt, auch im Hinblick darauf, dass die Eingeborenen einen Fremden aufnehmen und ihm weiterhelfen würden.

Diese fünf Kofán-Männer waren jung, gut gebaut und offenbar sehr eitel. Sie trugen einfache Tuniken, hatten langes glänzendes schwarzes Haar und gaben sich ganz ihren kosmetischen Künsten hin. Jede an der Stirn oder auf der Wange aufgetragene neue Linie wurde erst minutenlang in der Scherbe eines zerbrochenen Spiegels begutachtet, ehe der Geschminkte zufrieden grunzend seine Zustimmung bekundete oder weitere Verschönerungen verlangte. Diese Prozedur würde bestimmt den ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen. Meine Anwesenheit interessierte sie nicht im Mindesten, und nachdem sie mich eine halbe Stunde ignoriert hatten, nahm ich meinen Rucksack und setzte meinen Weg auf dem angedeuteten Pfad fort, bis er sich Stunden später im Dickicht am Ufer des Flusses verlor.

Es war atemberaubend schön dort, obwohl ich, ehrlich gesagt, eher geneigt war, den Fluss und den Urwald als Hindernisse denn als Quellen sinnlicher Freuden zu sehen. Am Himmel über dem Blätterdach der Bäume zogen große aufgetürmte Kumuluswolken. Der Fluss hatte eine schnelle Strömung, und sein Wasser war völlig klar. Nichts deutete hier auf menschliches Leben hin, es gab keine Geräusche, außer denen der Insekten und Vögel. Wären da nicht die Sandfliegen gewesen, diese kleinen stechenden Biester, die von der Morgen- bis zur Abenddämmerung in großen Schwärmen auftraten, hätte ich nichts dagegen einzuwenden gehabt, hier mein Zelt aufzuschlagen. Ich hatte eine Hängematte und ein Moskitonetz in meinem Rucksack und hätte notfalls die Nacht hier verbringen können. Aber die Tatsache, dass ich mich verirrt hatte, ließ mir keine Ruhe und machte mich nervös; und diese Nervosität wurde zu allem Überfluss auch noch durch meinen Unmut über die Fruchtlosigkeit meiner Unternehmung verstärkt.

Dieser Schamane, der so schwierig zu finden war, sollte ein großer Heiler sein. Früher war ich schon einmal ein Jahr lang in Südamerika herumgewandert, und die meisten Schamanen, denen ich dabei begegnet war, waren für mich eine Enttäuschung gewesen. Manche waren Säufer. Andere waren eindeutig nur auf ihren Ruhm und auf Reibach bedacht. Einer wollte mich, nachdem er erfahren hatte, dass ich ein Harvarddoktor war, nur noch dazu überreden, ihm ein Zertifikat von eben jener Institution zu beschaffen, das ihm seine außergewöhnlichen Kräfte attestierte, um damit seinen Rivalen eine Nasenlänge voraus zu sein. Ich erlebte auf diesen Reisen endlose Abenteuer, aber nie lernte ich etwas dabei, was mir geholfen hätte, ein besserer Arzt zu sein. Pedro war meine letzte Hoffnung. Ein Zufall hatte mich auf seine Spur gebracht, denn er war selbst in Insiderkreisen völlig unbekannt. Ich würde der erste Gringo sein, der ihn aufsuchte. Und damit verband ich die große Erwartung, dass er mich in die Geheimnisse des Heilens, nach denen ich schon so lange suchte, einweihen würde.

Für den Moment fühlte ich mich erst einmal verloren, und die strahlende Amazonassonne nahm gerade jene typische tiefgoldene Färbung an, die das Ende des Nachmittags ankündigte. Die Nacht würde nun schnell hereinbrechen, begleitet von empfindlicher Kälte am Fluss – und das ohne die Chance, eine Unterkunft zu finden. Ich bin kein Raucher, aber ich zündete mir drei Zigaretten gleichzeitig an (die einheimische Billigmarke mit dem Bild eines nordamerikanischen Indianers auf der Packung) und blies den Qualm um mich, um mir so zumindest zeitweilig die Sandfliegen etwas vom Leibe zu halten.

Ich brach meine mageren Vorräte an, ein Päckchen Kakaomixgetränk, etwas Trockenobst. Ich stellte meinen kleinen Butankocher auf, kochte mir etwas Flusswasser ab und schlürfte die heiße Flüssigkeit, die mir nie besser geschmeckt hatte – ein wenig Wohlbehagen in dieser für mich fremden Umwelt.

Ich befand mich in dieser abgelegenen Gegend Südamerikas, weil ich auf der Suche nach etwas war, was ich für exotisch und außergewöhnlich hielt, nach etwas, was jenseits meiner herkömmlichen Erfahrungen lag. Ich war auf der Suche nach einer Quelle, die mir Einblick in die Urgründe der Heilkraft und das Zusammenwirken von Magie, Religion und Medizin gewähren würde. Ich wollte verstehen lernen, wie Geist und Psyche mit dem Körper zusammenwirken und einander gegenseitig beeinflussen. Und vor allem hoffte ich, Geheimnisse zu erfahren, die ich in der Praxis anwenden könnte, um Menschen wieder gesund zu machen. Acht Jahre hatte ich an einer renommierten Gelehrteninstitution verbracht, vier Jahre Botanik und vier Jahre Medizin studiert, aber auf meine Fragen keine befriedigenden Antworten gefunden. Meine Botanikstudien weckten in mir den Wunsch, den Regenwald zu sehen, eingeborene Heilkundige kennenzulernen und mitzuhelfen, das so rasch schwindende Wissen über Heilpflanzen zu retten. Und aufgrund meiner medizinischen Ausbildung hatte ich den Wunsch, der Welt der invasiven, technologischen Behandlungsmethoden zu entfliehen und mich dem »romantischeren« Ideal der natürlichen Heilung zu verschreiben.

Drei Jahre vorher, 1969, hatte ich mich, nach Beendigung meiner medizinischen Grundausbildung, entschieden, nicht die Art von Medizin zu praktizieren, die ich gerade gelernt hatte, und zwar aus zwei Gründen, einem emotionalen und einem logischen. Der Erste beruhte auf einem Unbehagen, denn ich wollte nicht, wenn ich selbst krank würde, so behandelt werden, wie man es mir gerade beigebracht hatte, zumindest nicht, solange es noch eine Alternative dazu gab. Der Zweite resultierte aus der Einsicht, dass die meisten Behandlungsmethoden, die ich in den vier Jahren an der Harvard Medical School und einem weiteren Jahr Praktikum gelernt hatte, nicht an die Wurzel der Krankheitsprozesse heranreichten und die Heilung nicht förderten, sondern diese Prozesse nur unterdrückten oder lediglich die sichtbaren Krankheitssymptome kurierten. In all den Jahren hatte ich fast nichts über Gesundheit und Gesundbleiben oder über die Vorbeugung von Krankheiten gelernt – ein für mich unverzeihliches Versäumnis, da die Hauptaufgabe des Arztes nach meiner Überzeugung zunächst einmal darin besteht, Menschen zu lehren, wie sie nicht krank werden. Das Wort »Doktor« kommt aus dem Lateinischen und heißt »Lehrer«. Und so sollte die Lehre von der Krankheitsvorbeugung an erster Stelle und die Behandlung einer gegebenen Krankheit erst an zweiter Stelle stehen.

Was mir nicht behagt, ist die suppressive Natur der konventionellen Medizin. Wir brauchen uns nur die Namen der gängigsten Medikamentengruppen anzusehen, die diesen Charakter allein schon durch die häufige Vorsilbe »Anti-« verraten. Wir verwenden Antispasmodika, Antihypertonika, Antiemetika und Antidepressiva, Anticholinergika, Antiarrhythmika, Antitussiva, Antipyretika und Antimykotika oder Beta-Blocker und H-Rezeptoren-Blocker: eine ausgesprochene Antimedizin, eine Medizin, die ihrem Wesen nach unterdrückt und bekämpft.

Was ist falsch daran? Bei gefährlich hohem Lieber oder einer allergischen Reaktion, die außer Kontrolle geraten ist, ist es natürlich keine Frage, dass diese Symptome zu bekämpfen sind. So habe ich denn auch im Umgang mit sehr ernsten Erkrankungen nichts gegen eine kurzfristige Anwendung solcher Behandlungsmethoden. Aber bereits sehr früh, während meines Praktikums im Krankenhaus, wurde mir klar, dass mit der Strategie, sich bei der Behandlung von Krankheiten in erster Linie auf suppressive Maßnahmen zu stützen, zwei massive Probleme aufgeworfen werden.

Erstens werden Patienten Risiken ausgesetzt, da pharmazeutische Wirkstoffe grundsätzlich stark toxisch sind; nur allzu oft stehen deshalb den gewünschten Effekten unliebsame Nebenwirkungen gegenüber. Diese negativen Reaktionen auf die Antimedikation der konventionellen Medizin sind der große Schwachpunkt dieses Systems, und ich habe während meiner klinischen Ausbildung mehr als genug davon gesehen, um zu wissen, dass es einen besseren Weg geben muss. Die Naturheilkunde dagegen faszinierte mich, weil sie unbedenkliche und natürliche Alternativen zu den toxischen Medikamenten bot.

Das zweite Problem, das zwar weniger offensichtlich, aber nichtsdestotrotz besorgniserregender ist, besteht darin, dass suppressive Behandlungsmethoden den Krankheitsprozess de facto sogar verstärken können, statt ihn zu beenden. Auf diese Möglichkeit machten mich allerdings erst die Schriften des großen Häretikers der orthodoxen Medizin, Samuel Hahnemann (1755–1843), aufmerksam, jenes abtrünnigen deutschen Arztes, der die Homöopathie, eine der wichtigsten Schulen der alternativen Medizin, entwickelte. Die Homöopathie arbeitet prinzipiell mit stark verdünnten Mitteln, die in sehr niedrigen Dosierungen zur Beschleunigung von Heilungsprozessen verabreicht werden. Ich bin kein Homöopath und mit einigen Prinzipien der homöopathischen Theorie absolut nicht einverstanden (zum Beispiel mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Immunisierung), abgesehen davon, dass mir das System insgesamt ebenso rätselhaft wie unvereinbar mit den derzeit gültigen wissenschaftlichen Modellen der Physik und Chemie erscheint. Andererseits habe ich homöopathische Heilungen erfahren und beobachtet, und ich bewundere dieses System, da hier Behandlungen vorgenommen werden, die nicht schaden können. Mehr noch: Einige Ideen Hahnemanns finde ich ausgesprochen nützlich.

Eine seiner wichtigsten Lehren setzt sich mit der Gefahr der Suppression sichtbarer Krankheitssymptome auseinander. Hahnemann veranschaulichte dieses Problem gerne am Beispiel eines Ekzems, einer Hautentzündung. Es ist besser, lehrte er, die Krankheit äußerlich zu haben, weil sie von der Oberfläche nach außen verschwinden kann. Die Gefahr bei suppressiven Behandlungsmethoden ist, dass sie den Krankheitsprozess nach innen treiben und lebenswichtige Organe in Mitleidenschaft gezogen werden können. Der juckende Ausschlag mag verschwinden, aber möglicherweise mit der Konsequenz, dass sich darunter Schlimmeres »zusammenbraut«, etwas, was sich dann vielleicht sogar als resistent gegenüber den stärksten suppressiven Mitteln erweist. 3› Hinweis

Hahnemann gelangte lange vor der Entdeckung der Kortikosteroide zu dieser Einsicht, jener äußerst potenten entzündungshemmenden Elormone, die von den allopathischen Ärzten heute so bereitwillig verabreicht werden, ohne dass sie sich allzu viele Gedanken darüber machen, welchen Schaden sie anrichten können. Lokal applizierte Steroide sind sehr effektiv in der Suppression von Hautausschlägen und in den USA heute nicht einmal mehr rezeptpflichtig, sondern frei verkäuflich. Ich erlebe immer wieder, wie Patienten davon abhängig werden. Solange sie die steroidhaltigen Cremes und Salben verwenden, haben sie ihren Ausschlag im Griff, aber sobald sie mit der Behandlung aufhören, tauchen die Symptome neuerlich und schlimmer als vorher auf. Die Krankheit wird nicht geheilt, sondern nur gehemmt, sodass sie Kräfte sammeln kann, um erneut auszubrechen, sobald die von außen wirkenden Mittel abgesetzt werden.

Sofern Steroide systematisch verabreicht werden, sind ihr suppressives Potenzial und ihre Toxizität sogar noch größer. Patienten, die beispielsweise monate- oder jahrelang Medikamente wie Prednison zur Kontrolle von rheumatoider Arthritis, Asthma und anderen Autoimmun – oder allergischen Krankheiten nehmen, haben in der Regel entsetzlich unter der Toxizität dieser Mittel zu leiden (was sich in Gewichtszunahme, Depressionen, Geschwüren, Sehschwäche bis hin zum Grauen Star, Knochenschwäche oder Akne äußert); sie können diese Mittel jedoch nicht absetzen, da sonst die Symptome wieder mit voller Kraft zum Ausbruch kämen. Aber was geschieht mit den Energien der so unterdrückten Krankheiten? Wohin gehen sie?

Meine Erfahrungen mit Patienten bestätigen Hahnemanns Warnung. Unlängst kam eine Frau, Mitte 30, zu mir in die Praxis, bei der erstmals zwei Jahre zuvor die Symptome einer schweren Autoimmunkrankheit aufgetreten waren: Sklerodermie. Typisch für diese Krankheit im Anfangsstadium ist, dass die Hände bei Kälteeinwirkung weiß werden und schmerzen. Das Raynaudsyndrom ist ein Zeichen neurovaskulärer Instabilität, die als solche die Ursache sein kann, der aber auch weitreichendere Nerven- und Kreislauffunktionsstörungen zugrunde liegen können. Bei dieser Frau folgten auf die anfänglichen Symptome Gelenkschmerzen und ein Anschwellen der Finger. Dann wurde die Haut an den Fingern und Händen dicker und härter, die klassische sichtbare Manifestation von Sklerodermie (was ja »harte Haut« bedeutet). Die Hände von Patienten mit fortgeschrittener Sklerodermie sind oft kalt, rot, glänzend, hart und unbeweglich. Diese äußere Veränderung ist entstellend genug, aber nicht das Schlimmste an dieser Krankheit. Wenn Sklerodermie auf innere Organe des Verdauungs-, Herz- und Atmungssystems übergreift, kann sie tödlich sein.

Bei dieser Patientin diagnostizierten die Ärzte sehr schnell das Problem und verabreichten ihr hoch dosiertes Prednison und andere Immunsuppressiva – und sie sprach fantastisch darauf an. Innerhalb weniger Monate hatte sich ihre Haut wieder normalisiert, die Gelenkschmerzen waren verschwunden, und ihr Arzt versicherte ihr, sie sei wieder völlig hergestellt. Ein Jahr später entwickelte sie dann jedoch eine Kurzatmigkeit. Nach Untersuchungen wurde anhand von Röntgenaufnahmen eine Lungenfibrose diagnostiziert, eine progressiv verlaufende Lungenerkrankung, bei der das normale Lungengewebe durch anomales Bindegewebe ersetzt wird. Laut Auskunft der Ärzte hatte diese Erkrankung nichts mit der vorhergehenden Sklerodermie zu tun. Dem steht jedoch entgegen, dass es sich bei einer Lungenfibrose um eine zwar ungewöhnliche, aber nichtsdestoweniger sehr wohl bekannte Manifestation des gleichen Prozesses handelt, der hierbei nur in einer wesentlich vitaleren Körperregion zum Ausdruck kommt und sich gegenüber Therapien als wesentlich resistenter erweist. Ihre Hände waren jetzt warm und weich und hatten eine natürliche Farbe. Äußerlich wies ihr Körper keine sichtbaren Krankheitszeichen auf. Aber innerlich litt sie nunmehr stattdessen an einer Lungenkrankheit, die allen Bekämpfungsmaßnahmen der konventionellen Medizin trotzte.

Bis zur Beendigung meines medizinischen Praktikums hatte ich zur Genüge solche und ähnliche Fälle in allen möglichen Variationen gesehen, sodass für mich feststand, dass ich diese Schulmedizin weder praktizieren noch mich weiter in dieser Richtung ausbilden lassen wollte. Ich wusste aber nicht, was ich stattdessen praktizieren sollte; diese Ungewissheit veranlasste mich, nach alternativen Möglichkeiten zu suchen, und war somit der Beginn meiner zuvor beschriebenen Unternehmungen. Aber nach zweijährigem Bemühen, unter teilweise schwierigen Bedingungen, hatte ich noch immer nur sehr wenig über »Heilen« gelernt. Aber vielleicht, so sagte ich mir, ehe ich mich schließlich ins Kofán-Gebiet aufmachte, musste ich einfach andere Wege gehen, um dieses Neuland zu erforschen. Die Heiler und Schamanen, die ich bisher aufgesucht hatte, waren bereits entdeckt, nur allzu gut bekannt und leicht zu finden. Was ich suchte, musste noch weiter weg, noch schwieriger zu erreichen und noch versteckter in der Tiefe des Amazonasurwaldes sein.

Und da war ich nun, verloren, der Kakao alle, der Tag seinem Ende zugeneigt. Ich habe schließlich Pedro, den Schamanen, doch noch gefunden, und ich erinnere mich noch sehr gut an unsere Begegnung, obwohl sie lange zurückliegt, denn sie war ein wichtiger Wendepunkt in meinem Leben. Mir war damals allerdings nicht bewusst, wie bedeutend sie später tatsächlich für mich sein würde. Zunächst einmal war sie für mich nichts weiter als eine weitere Enttäuschung in der langen Reihe der bisher erlebten. Es sollte sich jedoch herausstellen, dass sie in Wirklichkeit der erste Schritt auf einem neuen Weg war, der mich zurückführen und mir an einem Ort die Augen öffnen sollte, wo ich das fand, was ich gesucht und von dem ich immer gewusst hatte, dass es es gab, aber in meiner Blindheit nie hatte sehen können.

Nachdem ich meine Ausrüstung zusammengepackt und meinen Rucksack geschultert hatte, entdeckte ich etwas flussaufwärts eine längliche Sandbank. Von dort aus, überlegte ich mir, wäre die Gegend vielleicht besser zu überblicken, die Richtung, in der Pedros Hütte zu suchen war, wohl am ehesten zu erahnen. So watete ich zu der Sandbank und erspähte, nachdem ich das Ufergelände von dort aus sorgfältig inspiziert hatte, weiter flussaufwärts einen winzigen Pfad. Ich erreichte ihn, indem ich am Ufer entlang durchs Wasser ging; nach fünfundvierzig Minuten kam ich an eine Lichtung, wo ein kleiner Fluss in den großen mündete. Und genau an der Einmündung stand auf Pfählen eine einsame geräumige, strohgedeckte Hütte. Ich rannte auf sie zu, während der Himmel in den Farben des tropischen Sonnenuntergangs erglühte, und kletterte die behelfsmäßige Treppe zu einer Art Veranda hinauf, die einen freien Blick über den Zusammenfluss der beiden Flüsse bot.

Ein Schamane war nicht in Sicht. Der einzige Bewohner war ein junges Indianermädchen, das zögernd und gebrochen spanisch sprach und mich wie einen Außerirdischen ansah. Sie sagte, Pedro sei weggegangen, bereits vor zehn Tagen, und hätte eigentlich seit gestern wieder zurück sein sollen. Ich fragte, ob ich bleiben könnte. Nachdem sie nichts dagegen hatte, setzte ich meinen Rucksack ab und befestigte meine Hängematte zwischen zwei Pfählen in einer Ecke der Veranda.

Die nächsten vier Tage und Nächte verbrachte ich fast ausschließlich in meiner Hängematte, ließ massenweise Zigaretten zwischen meinen Fingern verglimmen und beobachtete, wie die langen heißen Tage den klaren sternenreichen Nächten wichen. Nur manchmal raffte ich mich trotz der lästigen Sandfliegen auf und ging einen Nachmittag lang im Fluss schwimmen. Meine Bemühungen, die junge Frau des Hauses in ein Gespräch zu verwickeln, blieben fruchtlos. Und so flüchtete ich mich vor dieser Welt der Hitze, Feuchtigkeit, blendenden Sonne und des dichten Urwaldes in eine Sammlung von Jack-London-Romanen über den hohen Norden, die ich genau für solche Umstände mitgenommen hatte. Ich hatte damit eine glänzende Wahl getroffen, es war die perfekte literarische Flucht in die Welt der Iglus, Eisfelder und klirrenden Kälte. Aber irgendwann war diese Exkursion dann leider beendet, und so las ich die Bücher noch einmal und noch einmal.

Eine kleine außerliterarische Abwechslung gab es. Pedro hatte kurz vor seinem Aufbruch einen Jaguar erlegt. Der Jaguar hatte ein Junges, das jetzt in einem Käfig im Haus stand. Es war niedlich und verspielt und freute sich, wenn man sich mit ihm beschäftigte.

Einmal hatte ich es aus dem Käfig herausgenommen und auf dem Boden mit ihm herumgespielt, bis mir sein Spiel zu ruppig geworden war. Ich wollte, dass es damit aufhörte, aber alle Versuche, es wegzuschubsen oder zu beruhigen, weckten nur weiter das wilde Tier in ihm. Plötzlich war es kein zutrauliches Kätzchen mehr, sondern nur noch eine bösartige Raubkatze. Das Indianermädchen nahm schließlich einen Besen zu Hilfe, und mit vereinten Kräften gelang es uns, das Junge in seinen Käfig zurückzuschaffen. Ich kam mit einigen hässlichen Kratzern und zwei kräftigen Bissen an den Armen davon.

Dann, eines Nachmittags, tauchte Pedro auf und begrüßte mich förmlich: ein Mann Anfang 40, der Kraft, Elan und Würde ausstrahlte. Ich mochte ihn auf Anhieb. Er sagte aber gleich von vornherein, mein weiterer Aufenthalt sei zwecklos, da er aufgehört habe, in seinem Metier zu praktizieren. Statt als Heiler zu arbeiten, war er politischer Aktivist geworden, der versuchte, seine Stammesgenossen, die Kofán-Indianer, zum Kampf gegen die Vernichtung ihres Lebensraumes und Lebensstils und damit gegen »La Texas« zu mobilisieren, wie Texaco hier genannt wurde. Der Ölkonzern war in den Nordwesten Amazoniens eingedrungen, um die dortigen reichen Erdölvorkommen auszubeuten. Bei einem kurzen Aufenthalt in einer Grenzstadt, die Texaco als Basislager diente, hatte ich einen entsetzlichen Eindruck gewonnen: eine einzige Zusammenballung von Lärm, Schmutz, Qualm, Dieben, Huren und Haudegen, die nur Zerstörung verbreiteten. Aber die Stadt lag Hunderte von Meilen von dieser friedlichen Region entfernt, und ich konnte mir nicht vorstellen, inwiefern sie Pedros Leben bedrohte.

Pedro erzählte mir dann, wie der Lärm der Texaco-Hubschrauber das Wild aus weiten Teilen des Urwaldes vertrieb und die Fischbestände in den Flüssen verschwanden. Was bei der Jagd und beim Fischen für die Indianer abfiel, war in den letzten zwei Jahren spürbar zurückgegangen, und diese Tatsache lastete Pedro einzig und allein der Ausbeutung der Erdölvorkommen an. Seine ganze Kraft investierte er jetzt dafür, Unterschriften für eine Petition zu sammeln, wonach von Texaco Wiedergutmachungsleistungen verlangt wurden. Er bedauerte, dass ich einen so langen Weg vergeblich auf mich genommen hatte. Ich auch. Aber zumindest verstand ich jetzt, warum Kofán-Männer einem Gringo, der durch ihren Wald spaziert, nicht allzu gastfreundlich begegneten.

Am nächsten Morgen brach ich auf, erreichte schließlich meinen Landrover wieder und ließ das Kofán-Gebiet endgültig hinter mir.

Ich sollte noch ein weiteres Jahr durch Kolumbien, Ecuador und Peru wandern, aber ich habe nie mehr eine so mühsame Reise um eines exotischen Wunderheilers willen auf mich genommen. Stattdessen beschäftigte ich mich in Ecuador und Peru mit Heilpflanzen, informierte mich über die Kultivierung von Kokasträuchern und die Verwendung von Kokablättern, arbeitete mit einem kolumbianischen Filmemacher zusammen, um die Verwendung von Heilpflanzen und Drogen durch Schamanen zu dokumentieren, und suchte nach außergewöhnlichen Früchten, Gewürzen und Farbstoffen. Auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehen wollte, irgendwie wusste ich, dass ich das, wonach ich suchte, nicht in der Wildnis Amazoniens oder an irgendeinem anderen exotischen Ort finden würde. Gleichwohl war ich noch immer auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen: Was ist die Quelle der Heilung? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Behandlung und Heilung? Wie können Ärzte und Patienten häufiger Heilung erreichen? Meine Suche nach Pedro lehrte mich schließlich, dass ich am falschen Ort nach Antworten suchte, dass ich mich nicht von meinem eigenen Land, von meiner Kultur, von meiner regulären Ausbildung und meinem Selbst abwenden musste, um die Quelle der Heilung zu finden. Aber ich hatte diese Jahre der Wanderschaft erst verbringen müssen, um zu dieser Einsicht zu gelangen.

Inzwischen ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen, seit ich Pedros Hütte an der Mündung des kleinen Flusses verließ. Die durch die Ölförderung verursachte Vernichtung des Regenwaldes hat inzwischen Ausmaße angenommen, die Pedro und sein Volk sich wohl nie hätten vorstellen können. Durch Straßenbau, großflächige Verschmutzung des Erdreiches mit Öl, durch das achtlose Wegwerfen und Einleiten toxischer Chemikalien in die Flüsse und die zynische Missachtung und Gleichgültigkeit gegenüber den Kulturen der Eingeborenen – und zwar sowohl seitens der nationalen Regierungen als auch der ausländischen Multis – wurden weite Teile Kolumbiens und Ecuadors irreparabel verseucht und zerstört. Dem Volk der Kofán wurde, kurz gesagt, die Lebensgrundlage entzogen. Sie sind am Ende, und das Wissen, über das die weisen Alten und traditionellen Heiler verfügen, wird bald für immer verloren sein. Längst sind auch andere Stämme der gleichen Gefahr ausgesetzt. Und ob sie dem Schicksal der Kofán entgehen können, ist mehr als ungewiss. 4› Hinweis

Meine Jahre waren lichter. Ich habe gefunden, wonach ich suchte, und mehr noch: Ich fand es meinem Zuhause wesentlich näher, unerwartet und für mich befriedigend.

Die Gesichter der Heilung: Kristin

Die Gesichter der Heilung: Kristin

Kristin Killops sollte heute eigentlich nicht mehr leben. Und erst recht sollte sie keine Kinder haben. Die Ärzte schickten sie nicht nur nach Hause, um zu sterben, sie gaben ihr auch unmissverständlich zu verstehen, dass sie aufgrund der Behandlungen, die ihr zuteilgeworden waren, ihre Gebärfähigkeit eingebüßt hatte.

Kristins Geschichte beginnt damit, dass 1974 unerklärliche Hämatome an ihrem Körper auftreten. Sie ist 19 und lebt mit Freunden auf der Insel Maui, die zu den Hawaii-Inseln gehört. Ein Arzt rät ihr zur Einnahme von Eisenpräparaten. Als nach zwei Wochen jedoch keine Besserung eingetreten ist, werden Blutuntersuchungen vorgenommen, die alarmierende Ergebnisse zeigen: Bei allen Untersuchungen wird ein Mangel an roten und weißen Blutkörperchen sowie an Blutplättchen festgestellt. Die Blutplättchen sind maßgebend für die Blutgerinnung, und der niedrige Blutplättchenspiegel ist die Ursache für die Hämatome, auf die Kristin aufmerksam geworden ist. Um die Ursache des Mangels an Blutkörperchen zu klären, wird eine Knochenmarkbiopsie vorgenommen, deren Ergebnis noch bestürzender ist: Ihr Knochenmark weist fast keine Blutkörperchen auf, nur zwei Prozent des Normalwertes. Die Diagnose lautet auf apiastische Anämie – medizinisch gesehen eine Katastrophe, da gleichbedeutend mit dem Verlust eines der lebenswichtigsten Körpergewebe, das für die gesamte Blutbildung zuständig ist. Kristin wird sofort in ein Krankenhaus im Süden Kaliforniens verlegt: Hier stehen alle technologischen Mittel zur Verfügung, die jetzt noch ihr Leben retten können.

Der Begriff »apiastisch« bedeutet »ohne Form« – eine treffende Beschreibung eines Prozesses, bei dem die regulären Bestandteile des Knochenmarks vernichtet werden; das Ergebnis ist ein »leeres Knochenmarksyndrom«, was nichts anderes heißt, als dass dort, wo blutbildende Zellen sein sollten, Leerräume und Fett entstehen. Das Knochenmark produziert die für den Sauerstofftransport zuständigen roten Blutkörperchen, die verschiedenen weißen Blutkörperchen, die für die Abwehrkräfte des Körpers von zentraler Bedeutung sind, sowie die Blutplättchen. Die Produktion all dieser Zellen verläuft normalerweise kontinuierlich, wobei jede einzelne Zelle in ihrer jeweiligen Blutzellreihe entsteht, in bestimmten Phasen heranreift und schließlich vom Knochenmark großer Knochen aus in die Blutbahnen wandert. Diese Blutzellreihen entspringen einem gemeinsamen Pool von Stammzellen im Mark, einem Pool mit »primitiven«, embryonalen Zellen, die sich sodann erst zu den einzelnen Blutzellreihen differenzieren. Eine apiastische Anämie dürfte als Ergebnis irgendeiner Schädigung oder Suppression vermutlich auf eine Fehlfunktion dieser Stammzellen zurückzuführen sein.

In Kristins Fall gab es keine erkennbare Ursache für das Versagen der Knochenmarkfunktion, es gab jedoch den Verdacht auf einen Zusammenhang mit Giftstoffen, denen sie ausgesetzt gewesen war. Denn auf Maui entwickelten sechs weitere Personen gleichzeitig Knochenmark- und Blutanomalien, und alle starben innerhalb weniger Monate. Ein solcher Cluster von Fällen lässt auf eine umweltbedingte Ursache schließen. Landwirtschaftliche Chemikalien werden auf Hawaii sorglos in Unmengen eingesetzt, vor allem auf den großflächigen Zuckerrohr- und Ananasplantagen, die auf der ganzen Insel zu finden sind. Die Frage ist, ob bei den Opfern eine genetisch bedingte Empfindlichkeit gegenüber einem Pestizid oder Herbizid vorlag, dem sie ausgesetzt waren. Wir werden es wohl nie erfahren.

Kristin kam in einem alarmierenden Zustand in Santa Barbara in Kalifornien an. Wie soll es jemandem auch anders gehen, dessen Knochenmarkfunktion praktisch gleich Null ist! Ein starker Mangel an roten Blutkörperchen kann zu einer einschneidenden Drosselung des Stoffwechsels und einer massiven Belastung des Herzens führen, das jetzt härter arbeiten muss, um den Sauerstoffmangel im Blut auszugleichen. Und der Mangel an weißen Blutkörperchen bringt die körpereigene Abwehr gegenüber Infektionen zum Erliegen. Um Kristin vor Keimen und Bazillen so gut wie möglich zu schützen, wurde sie im Krankenhaus streng isoliert, auf Antibiotika gesetzt und täglich statt mit Seife von Kopf bis Fuß mit Desinfektionsmitteln gewaschen. Darüber hinaus birgt der Mangel an Blutplättchen das Risiko anomaler – innerer und äußerer – Blutungen.

Die Behandlung einer apiastischen Anämie erfordert drastische Maßnahmen. Oft werden hohe Dosen von Steroiden und anderen Immunsuppressiva verabreicht, die in manchen Fällen wirken, in anderen jedoch nicht. Solche Behandlungen erscheinen irrational angesichts der Tatsache, dass das Immunsystem durch das Verschwinden der »Armeen« von weißen Blutkörperchen sowieso bereits gelähmt ist; es besteht jedoch die Möglichkeit, dass irgendeine Autoimmunität das Knochenmark schädigt, was dann von Steroiden unterdrückt wird. Eine Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem die Stammzellen im Knochenmark angreift, kann durch die Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien oder Viren ausgelöst werden – eine Reaktion, die sich sodann, völlig unabhängig von dem auslösenden Moment, verselbstständigt.

Kristins Ärzte begannen mit der Steroidbehandlung; sie betrachteten ihren Zustand jedoch als zu kritisch, um ihr eine Überlebenschance zu geben. Die allerletzte Hoffnung war für sie eine Knochenmarktransplantation, und so überwiesen sie sie ins Medical Center der University of California in Los Angeles. Diese Operation ist für Patienten mit aplastischer Anämie oft die letzte Hoffnung, insbesondere für junge Menschen, die meist sehr gut darauf ansprechen. Sie stellt jedoch einen schwerwiegenden Eingriff mit ungewissem Ausgang dar. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit einer Operation im Hinblick auf die begrenzte Zahl passender Spender eingeschränkt ist; Komplikationen bei der Transplantation können am ehesten ausgeschlossen werden, wenn es sich bei Spender und Empfänger um eineiige Zwillinge oder um Geschwister handelt, bei denen eine Übereinstimmung der Antigene gewährleistet ist. Kristin hatte glücklicherweise einen Bruder und eine Schwester, die diese Voraussetzung erfüllten und bereit waren, Rückenmark zu spenden.

Kristin wollte aber die Tortur einer Transplantation nicht auf sich nehmen. »Ich habe alles Mögliche versucht, um um die Transplantation herumzukommen«, sagt sie. »Visualisieren, Meditation, um Heilung zu erzielen, und ich habe jede Menge Vitamine und Nährstoffergänzungen genommen. Dann fand ich schließlich einen Heiler, der mit mir arbeiten wollte, aber es war einfach schon zu spät. Die Ärzte hatten mir eine Deadline gesetzt, von der sie nicht mehr abrücken wollten, und so hatte der Heiler nicht mehr genügend Zeit, mir zu helfen.«

Bei Kristin wurden schließlich zwei Knochenmarktransplantationen vorgenommen, aber sie hatte Pech: Beide Transplantate wurden von ihrem Körper abgestoßen. Damit hatte die Schulmedizin ausgedient. Sie hatte Kristin nun nichts mehr zu bieten, außer Zuspruch und allgemeine Unterstützung. Ihre Ärzte hatten jede Hoffnung aufgegeben.

Kristin jedoch nicht. Sie war entschlossen, andere Behandlungsmethoden, zunächst einmal Psychoheilen und Visualisierung, auszuprobieren. Der Klinikpsychologe verwies sie an einen Forscher der University of California in Los Angeles, der sich mit Psychoheilen beschäftigte. Über ihn fand sie einen Heiler, der mit Hypnotherapie und Handauflegen arbeitete. Kristin hatte die nächsten zwei Wochen vier Sitzungen bei ihm. Bei den anschließend durchgeführten Untersuchungen wurde eine bescheidene Zunahme des Knochenmarks festgestellt – für die Ärzte ein Phänomen, wie sie sagten, von dem sie bis dahin noch nie etwas gehört hatten. Obwohl ihre Blutwerte sich erheblich verbesserten, so aber doch nicht gut genug, um sie von der Isolierstation entlassen zu können, und sie brauchte auch weiterhin Transfusionen. Schließlich sagten die Ärzte jedoch, sie könnten nichts mehr für Kristin tun. Nach Gesprächen mit ihr und ihrer Mutter wurde sie aus der Klinik entlassen – was nach dem Verständnis der Mutter nichts anderes bedeutete, als dass man ihrer Tochter die Chance geben wollte, zu Hause zu sterben.

Kristin setzte ihre Suche nach Heilern verbissen fort. Sie fand einen weiteren, der fünf Tage in der Woche zum Handauflegen kam. Die Ergebnisse nach zwei Wochen erschienen wieder wie ein Wunder: Die Werte von Blutkörperchen und – plättchen waren gestiegen und lagen im Grenzbereich der unteren Normalwerte. Sie klammerte sich daran. Dann zog sie sich jedoch durch die Transfusionen eine Serumhepatitis zu, wurde sehr krank und hatte einen Monat lang über 38 °C Fieber.

Kristin hörte von einer Frau in einer Psychoeinrichtung, die Heildiäten verordnete. Die Diätvorschriften, die Kristin von ihr erhielt, waren alles andere als leicht zu befolgen: weder Zucker noch Stärken irgendwelcher Art, zwei Eier und ein zusätzliches Eigelb am Tag, mit gedünstetem Gemüse, einer Gemüsesuppe und Salat ohne Öl, ein wenig gedünsteten Fisch oder Huhn und ein Glas Granatapfel- oder Grapefruitsaft täglich, der zu 50 Prozent mit Wasser verdünnt war. Kristin hielt sich neun Monate an diese Diät. »Es war das Härteste, was ich je durchgemacht habe«, sagt sie. Sie nahm ab. »Aber damit kam ich wieder auf die Beine. Nach nur wenigen Tagen zeichnete sich bereits eine deutliche Verbesserung der Hepatitissymptome ab.«

Alles in allem lag Kristin ein halbes Jahr im Krankenhaus. Ein Jahr nachdem ihre Krankheit erstmals aufgetreten war, wusste sie, dass sie überleben würde, auch wenn der Weg bis zur vollständigen Genesung noch lang und beschwerlich war. »Außerdem hatte man mir gesagt, ich könnte wegen des Medikamentes, das man mir bei der Knochenmarktransplantation gegeben hatte, um zu verhindern, dass das Spendermark abgestoßen wurde, keine Kinder mehr bekommen«, erinnert sie sich. »Um dem Risiko unkontrollierbarer Blutungen vorzubeugen, mussten, so wurde mir gesagt, auch meine Perioden unterbunden werden; deshalb wurden mir darüber hinaus in hoher Dosierung weibliche Hormone verabreicht. Zusätzlich bekam ich Prednison, um etwaige Reaktionen auf die Transfusionen zu kontrollieren, und außerdem männliche Hormone, die die Knochenmarkbildung anregen sollten. Ich hatte ein Jahr lang keine Periode, und eine Psychoheilerin, die ihre Hand über mein Becken legte, sagte, sie fühle dort eine ›absolute Schwärze‹. Aber dann fastete ich, und nach nur einer Woche setzte meine Periode wieder ein! Und seither kommt sie immer regelmäßig.«

20 Jahre später ist Kristin eine gesunde, vitale Frau und Mutter von vier auf natürlichem Wege gezeugten, gesunden Kindern. Ihre Genesung war aus medizinischer Sicht so außergewöhnlich, dass einer ihrer Ärzte ihren Fall bei einer internationalen Konferenz über apiastische Anämie vorstellte. Kristin schreibt: »Ich bin nicht nur am Leben, ich fühle mich auch gesund und stark. Ich hatte schon immer großen Spaß an körperlichen Aktivitäten und stellte, als es mir besser ging, fest, dass ich so stark werden konnte, wie ich nur wollte. Tägliches Radfahren, regelmäßiges Laufen und Schwimmen im Meer haben mir geholfen, die letzte Hürde zu nehmen, um meine Gesundheit vollständig wiederherzustellen.

Ich bin heute glücklich und vollauf damit beschäftigt, meine vier Kinder großzuziehen. Ich bin inzwischen eine zugelassene Naturheilpraktikerin, habe aber nicht mehr praktiziert, seit ich Mutter geworden bin. Ich unterrichte Yoga und schreibe im Übrigen an einem Kinderbuch, das ich auch selbst illustrieren möchte. Wir sind eine sehr aktive Familie – wir laufen Ski, haben Spaß am Windsurfen, und ich jogge regelmäßig. Wenn ich meine Krankheitsgeschichte nicht erwähne, vermutet niemand einen solchen Hintergrund bei mir; und diejenigen, denen ich davon erzähle, können kaum glauben, dass ich jemals so schwer krank war.«

Auf welche Reserven an Heilkraft konnte Kristin zurückgreifen, um ihre Knochenmarkbildung zu reaktivieren, die ursprüngliche Krankheitsursache zu neutralisieren und die toxischen Effekte der invasiven Behandlung letztendlich wieder wettzumachen? Was mich fasziniert, ist ihre unerschütterliche Zuversicht, die sie während ihres Leidensweges an den Tag legte. »Ich habe immer daran geglaubt, dass es einen Weg gibt, um zu leben«, sagt sie. »Ich musste ihn nur rechtzeitig finden. Dieser Glaube und die Suche nach einem Weg waren die Quelle meines unverbrüchlichen Optimismus und ausschlaggebend dafür, dass ich am Heilungsprozess aktiv beteiligt war.« Und was würde Kristin anderen sagen, die mit schweren gesundheitlichen Krisen konfrontiert sind?

»Da die Menschen verschieden sind, können auch die Wege zur Heilung verschieden sein«, sagt sie. »Aber es gibt immer einen Weg. Entscheidend ist, nie aufzuhören, danach zu suchen!«

2: Gleich nebenan

– 2 –Gleich nebenan

Nachdem ich meine Südamerikareise 1973 beendet hatte, beschloss ich, mich in Tucson, Arizona, niederzulassen, wo ich auch heute lebe. Ich fühlte mich der dortigen Natur und Landschaft mit der Wüste sehr verbunden und fand schnell Kontakt zu den Leuten. Eine dieser frühen Verbindungen war Sandy Newmark, ein graduierter Anthropologiestudent an der University of Arizona, der zu meinen Nachbarn im Esperero Canyon am Fuße der Catalina Mountains zählte. Sandy verabschiedete sich schließlich von der Anthropologie, um Farmer in den White Mountains in Arizona zu werden, kehrte später dann aber wieder nach Tucson zurück und immatrikulierte sich für ein Medizinstudium. Heute ist er der Kinderarzt meiner Familie.

Sandy und seine Frau Linda, eine klinische Psychologin, haben eine Tochter, Sophia, die in der Entwicklung zurückgeblieben ist. Noch als Sophia im Säuglingsalter war, gaben viele Freunde den Newmarks Ratschläge für eine Behandlung. Einer dieser Ratschläge war, einen außergewöhnlichen Osteopathen namens Robert Fulford aufzusuchen, der bekanntermaßen bei den verschiedensten Problemen bereits erfolgreich mit Kindern gearbeitet hatte. Sandy und Linda waren so beeindruckt von ihm, dass sie Sophia zu einigen behutsamen kranialen Therapiesitzungen zu ihm brachten; und Sandy, der damals im ersten Jahr seines Medizinstudiums an der University of Arizona war, arbeitete dann selbst eine Zeit lang mit Dr. Fulford zusammen. Immer wieder sagte mir Sandy, ich müsste Dr. Fulford kennenlernen; aber ich war nicht interessiert, was zum Teil an meiner Ignoranz lag; mit Osteopathen wusste ich nichts anzufangen. Für mich waren sie Ärzte zweiter Klasse, die, genau wie viele Chiropraktiker, nur manipulierten und herumpfuschten. Mein Desinteresse lag wohl auch daran, dass ich immer noch der romantischen Vorstellung verhaftet war, irgendwo in weiter Ferne, in einer völlig anderen Kultur einen Heiler und Lehrer zu finden – trotz der wiederholten Erfahrung, dass ich von meinen Reisen immer wieder mit leeren Händen zurückgekommen war. Erst nachdem mehrere Leute mich gedrängt hatten, stattete ich Dr. Fulford schließlich einen Besuch ab.

Bob Fulford war damals Ende 70. Er war von Cincinnati nach Tucson gezogen, um sich aus seinem Berufsleben mit ständig überfüllter Praxis zurückzuziehen. Nachdem er sich ein Jahr lang von seiner Erschöpfung hatte erholen können, erhielt er eines Abends den verzweifelten Anruf eines Freundes, dessen Kind an einer schweren Lungenentzündung erkrankt war. Das Baby lag im Krankenhaus und sprach auf keine Antibiotika an. Dr. Fulford fuhr ins Krankenhaus, behandelte das Kind »mit den Händen«, und am nächsten Morgen war das Baby außer Gefahr. Diese Geschichte hatte sich im Handumdrehen herumgesprochen; es war nur eine Frage von Stunden, bis die ersten Hilfesuchenden bei ihm anriefen, sodass er sich schlagartig aus seinem Ruhestand hinaus- und wieder in seine spezielle Praxis als Osteopath hineinkatapultiert sah.

Mich verblüffte die Schlichtheit seiner Praxis: ein Wartezimmer mit einer Schwester, die für die Anmeldung zuständig war, sowie zwei Behandlungszimmer. Abgesehen von einem Diplom des Kansas City College of Osteopathy, das an der Wand hing, gab es nichts, auch nichts an Geräten und Einrichtungen, was typisch für eine ärztliche Praxis ist. Dr. Fulford war ein netter und großväterlicher Mann. Er war hochgewachsen, kräftig, wirkte entspannt und hatte große, wundervolle Hände. Er sprach ruhig und war kein Mann großer Worte. Ich sagte ihm, ich hätte viel von ihm und der Wirksamkeit seiner Methode gehört und wolle seine Behandlung gerne selbst einmal für mich in Anspruch nehmen.

»Nun, was fehlt Ihnen?«, fragte er.

»Nicht viel«, sagte ich. »Mit meinem Nacken habe ich mitunter etwas Probleme; bisweilen treten Versteifungen auf, die recht schmerzhaft sein können.«

»Gut, wir wollen sehen, was wir tun können«, sagte er.