Sprechstunde Zufriedenheit - Dirk Arndt - E-Book

Sprechstunde Zufriedenheit E-Book

Dirk Arndt

4,8

Beschreibung

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum sich so viele Menschen in den unterschiedlichsten Situationen so komisch verhalten? Oder tun Sie oder ich das etwa auch und wenn ja, was ist der Grund dafür ? Als Arzt hatte ich im Laufe der vergangenen 20 Jahre über 100000 Patientenkontakte. Sowohl die Gespräche mit meinen Patienten, als auch meine Beobachtungen als Privatmensch haben mir gezeigt, wie seltsam wir Menschen manchmal ticken, obwohl wir doch eigentlich nach Zufriedenheit streben. Diese Beobachtungen, meine Gedanken und auch ein paar wissenschaftliche Ansätze dazu sind in diesem Buch in Worte gefasst, um mir und vielleicht auch Ihnen viele dieser Merkwürdigkeiten des Alltagslebens zu erklären. Vielleicht helfen meine Anmerkungen ein wenig, Begebenheiten und fremde Reaktionen in Zukunft einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und etwas besser zu verstehen. Nachdem etliche meiner Patienten inzwischen das Buch gelesen haben, wiederholt sich eine Anmerkung Imme wieder:"Beim Lesen hat man das Gefühl, als unterhalte man sich mit Ihnen." Dies ist der Grund, warum ich dem Titel "Sprechstunde"hinzugefügt habe.

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Dieses Buch ist für

Alex, Mika, Ron und Zoe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Survival oft he Fittest

Gesundheit

Glauben

Der verpasste Augenblick oder ist Glück fassbar?

Die Arbeit

Unzufriedenheit als Prinzip

Kindheit, Schule und was sonst noch eine Rolle spielen könnte

Alle Menschen sind gleich

Sport - das ganze Leben ist ein Wettbewerb

Menschen verändern

Wohin soll das Alles führen?

Kleine und große Manipulationen

Merkwürdige Gefühle

Die Sicht der Dinge

Was wollte ich eigentlich sagen?

Zusammenfassung und Danksagung

Einleitung

Mein Name ist Dirk Arndt, von Beruf bin ich Hausarzt und nebenbei Chirotherapeut und Zuhörer. Aus zuletzt genannter Funktion ist die Idee entstanden, dieses Buch zu schreiben.

Irgendeine Statistik besagt, dass wir Hausärzte im Schnitt am Tag 43 Patienten sehen, daraus habe ich errechnet, dass ich in knapp 20 Jahren einschließlich meiner Krankenhauszeit ungefähr 180000 Kontakte gehabt haben muss, viele Gespräche und Gedanken, die schon eine ganz gute Grundlage für dieses Werk sein können.

Mein Privatleben ist erfüllt vom Dasein als Ehemann , Vater, Hundehalter, Mitbewohner von Katzen, Nachbar, Kunde, Fußballfreund , Möchtegernsportler, Autofahrer und Einigem mehr.

Es ist mir wichtig, von vornherein klarzustellen, dass es sich um keinen Ratgeber handelt und das hat einen einfachen Grund:

Ich kenne Sie doch gar nicht, also kann ich Ihnen auch nichts raten.

Vielmehr möchte ich Beobachtungen mit Ihnen teilen und die mir dazu gekommenen Gedanken.

Gelegentlich kann sich etwas Ironie einschleichen, diese ist jedoch nie böse gemeint, sondern meiner Unfähigkeit geschuldet, Alles zu verstehen oder wirklich erklären zu können.

Ich werde Sie im weiteren Verlauf immer wieder einmal mit „Sie“ ansprechen, dieses hat den einfachen Grund, dass ich „Sie” im deutschen Sprachgebrauch für die respektvollste Anrede eines unbekannten Erwachsenen halte. Alle, die es vertraulicher und mit weniger Distanz halten, können selbstverständlich das „Sie“ in Ihrem Geiste durch „Du“ ersetzen, das stört mich nicht.

Sie bemerken vermutlich schon mein Bestreben, es möglichst vielen Leuten recht zu machen, ein Punkt in meiner Persönlichkeit, der noch einer gewissen Bearbeitung bedarf.

Grundsätzlich sollen erwachsene Menschen angesprochen werden, denn für Kinder gelten andere, teilweise unergründliche Gesetze und Regeln. Dennoch werde ich immer wieder den Bogen zur Kindheit spannen, wenn es dazu dienen kann, meine Gedanken anschaulicher zu machen.

Jeder einzelne Mensch ist in meinen Augen eine Persönlichkeit, die etwas besitzt, was mir sehr wichtig ist, nämlich Würde. Darum möchte mich mit Ihnen bereits im Vorfeld darauf einigen, dass es Niemandem zusteht, einen anderen Menschen absichtlich in selbiger zu verletzen. Diejenigen Leser, die sich diesem Standpunkt nur schwer oder gar nicht anschließen können, werden im weiteren Verlauf vermutlich etwas Schwierigkeiten haben, meinen Ausführungen zu folgen.

Wenn später immer wieder das Wort „man“ auftaucht, meine ich eigentlich mich, da mir natürlich unbekannt ist, was in anderen Menschen und deren Köpfen vorgeht, jedoch ist es jedem freigestellt, sich meinen Gedanken anzuschließen und sich einbezogen zu fühlen. Dies erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl und fühlt sich zunächst einmal gut an. Je häufiger es mir gelingt, dem einen oder anderen von Ihnen aus der Seele zu sprechen, desto mehr gute Gefühle habe ich also ausgelöst und das gefällt mir.

Die nächste Aufgabe wird es sein, eine gewisse Struktur in meine Gedanken zu bringen, um meine Botschaft zu vermitteln und Sie nicht unnötig zu verwirren, denn ich möchte Sie ja anregen und nicht in eine Ratlosigkeit stürzen.

Es entspricht meiner festen Überzeugung, dass in jedem von Ihnen unendlich viel Interessantes steckt und das gilt es zu entdecken. Vielleicht gelingt es mir ja, Ihnen dieses näher zu bringen.

Und unter Umständen führt dies im weiteren Verlauf, wenn Ihnen das erst einmal klar geworden ist, dazu, besser mit sich selbst umzugehen. Wer weiß?

Viele Informationen, die mir in meinem Leben begegnet sind, habe ich lange nicht verstanden, bis ich sie mir in meine eigene Sprache übersetzt habe oder bis ich mir Begriffe und viel verwendete Floskeln ausformuliert und ein echtes Bild davon gemacht habe. Diese Fähigkeit haben wir, glaube ich, sehr tief vergraben. Nicht verloren, nur verlegt. Im zarten Alter von 5 Jahren haben wir noch gefragt: „Was bedeutet das?“ Als Erwachsener gehen wir oft über Vieles hinweg, was wir hören und sehen, fragen längst nicht mehr so viel, aus Zeit- und manchmal aus Interessemangel.

Das ist ja oft auch gut so, weil wir sonst unseren Haupt- oder Arbeitsspeicher überlasten würden.

Nur manchmal würde es gar nicht so viel schaden, denn es würde Struktur in bereits abgespeicherte Daten in unserem Gehirn bringen, die wir irgendwann -noch unverstanden - in eine Zwischenablage gepackt haben, in der Hoffnung, eines Tages diesbezüglich schlauer zu sein.

Stichwort: „Kann man ja eventuell später noch einmal brauchen“.

Im weiteren Verlauf werde ich einige dieser Übersetzungen vorstellen, dann wird sicherlich klarer, was ich eben umständlich zu erklären versucht habe.

Immer wieder tun wir Sachen, ohne eigentlich genau zu wissen, warum wir sie tun. Oder wir wiederholen Tätigkeiten wieder und wieder nur um der Wiederholung willen. Stichwort: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Ist ja auch nicht schlimm, hat sogar oft Sinn, denn je häufiger wir Tätigkeiten verrichten, desto sicherer beherrschen wir sie.

Außerdem machen uns Veränderungen Angst, weil wir nicht wissen, wohin sie uns führen. Und Neuerungen könnten uns Zeit, Arbeit und Mühe kosten.

Andererseits beobachten wir mit Argwohn, Belustigung oder Verwunderung dieses gleiche Verhalten an anderen Menschen, ohne deren Beweggründe zu kennen.

Alles lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten, sogar das Verhalten Anderer.

Wir lassen uns häufig mit uns einleuchtenden Erklärungen manipulieren, weil sie auf den ersten Blick so logisch erscheinen, aber sind sie es wirklich beim zweiten Hinschauen immer noch?

In der Regel ersparen wir uns das zweite Hinschauen und die eben aufgeworfene Frage erübrigt sich. Tun wir es doch, reiben wir uns häufiger als erwartet die Augen und wundern uns.

Als Beispiel fahre ich zurück in die Zeit meiner Jugend, die Achtzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Jugendzeitschriften waren furchtbar angesagt und in diesen Zeitschriften fanden sich Interviews sowohl mit bekannten Persönlichkeiten, als auch mit Lesern (ob diese Interviews mit Zweitgenannten wirklich stattgefunden haben oder in den Redaktionen erdacht wurden, sei einmal dahingestellt) und auf die Frage, welche Eigenschaft der Befragte an Anderen am wenigsten schätze oder gar verabscheue kam regelmäßig die Antwort „Unehrlichkeit“. Logisch, oder?

Nun kann man aber auch fragen, warum ein Mensch unehrlich ist. Und ob er es immer ist oder nur einmalig oder manchmal. Sind wir nicht manchmal nicht ganz ehrlich, weil wir unser Gegenüber nicht verletzen wollen und die von uns empfundene, subjektive Wahrheit in dieser Situation gar Niemanden nutzt? Sind wir nicht manchmal aus lauter Angst vor den Konsequenzen der von uns ausgesprochenen Wahrheit unehrlich? Gibt es nicht tausend andere Gründe? Vielleicht stellt sich diese zunächst als logisch empfundene Aussage aus anderer Perspektive ganz anders dar.

Meine persönliche Antwort auf die oben genannte Frage lautet im Übrigen „Geiz“ und ich werde im weiteren Verlauf noch sehr genau erklären, warum ich mit dieser , nicht mit Sparsamkeit zu verwechselnden , Charaktereigenschaft nur schwer klar komme.

Bei manchen Problemen, die uns lästig sind, fehlen uns einfach nur kleine Tricks, um sie besser angehen und vielleicht beherrschen zu können.

Einige dieser Tricks, die ich mir abgeguckt und teilweise modifiziert habe, möchte ich Ihnen darlegen. Ein Beispiel ist mein Konzept der Rauchentwöhnung oder die Vermeidung von Infektionen.

In der Hoffnung Ihr Interesse geweckt zu haben und mich nicht so zu verzetteln, das keiner mehr durchblickt und Sie bis zum Schluss nicht zu enttäuschen, starten wir nur gemeinsam in meine Gedankenwelt.

Survival of the fittest

In den entwicklungsgeschichtlich ältesten Teilen unseres Gehirns sind zwei wichtige Informationen gespeichert, die allem Anderen übergeordnet sind, nämlich das Überleben und die Arterhaltung. Diese Informationen gaben schon unseren Vorfahren, deren Kommunikation sich noch auf ein Minimum beschränkte, Verhaltensweisen vor, die ihnen halfen, sich so zu benehmen, dass die beiden eben erwähnten Prioritäten nie außer Acht gelassen wurden und sie gelten noch heute, auch wenn viele Menschen den Eindruck erwecken, als wollten sie sich darüber hinwegsetzen.

Sie sind eine Art Schablone, in die die meisten Lebewesen hineingezwängt sind. Allerdings haben wir uns im Laufe der Jahre Regeln auferlegt, die das Ausleben unserer Instinkte im Zügel hält, damit im günstigsten Falle alle Mitglieder einer Gesellschaft, auch die schwächeren, die Gelegenheit haben, durchzukommen.

Um zu überleben, optimierte man nach und nach Lebensweisen, die sich zwischen den Kulturen nur marginal unterscheiden. Beispielsweise hat es sich bewährt, in Gemeinschaften zu leben, da man einerseits gemeinsam stärker ist, um sich zu verteidigen und andererseits gemeinsam mehr erreichen kann, indem man Aufgaben teilt und nach den individuellen Fähigkeiten der Mitglieder ausführen lässt.

Schon unsere Urahnen suchten sich gemeinsame Höhlen, richteten diese zusammen ein, beschafften sich miteinander beim Pflanzensammeln und auf der Jagd Nahrung und bildeten eine wehrhafte Einheit gegen gefährliche Tiere und Menschen, die die Gemeinschaft bedrohten.

Damit nicht alles durcheinander läuft, bedarf es einer gewissen Koordination. Diese obliegt im Allgemeinen dem Anführer oder dessen Delegierten. In der Regel bringen diese Positionen Privilegien mit sich. Die Auswahl dieses Anführers kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen, ganz nach Bedarf.

Im günstigsten Fall zeichnet sich der Anführer, Chef, Mutter, vielleicht auch Vater, Abteilungsleiter, Feldwebel, Babo , je nach Umfeld genannt, durch ein Mindestmaß an Intelligenz und Führungsqualität aus. Wenn das Auswahlkriterium allerdings vorrangig Körperkraft ist, was nicht selten vorkommt, kann es passieren, dass vorausschauendes Denken eher im Hintergrund steht. Körperkraft kann wahlweise auch durch vorhandenes Vermögen oder subjektiv empfundene, optische Vorzüge ersetzt werden und manchmal wird auch einfach derjenige die Führungsfigur, der die meiste Energie aufbringt, dieses Amt zu erlangen. Zumindest hat sich mir im Laufe der Zeit dieser Eindruck aufgedrängt. In ganz unglücklichen Konstellationen werden Leute so lange befördert, bis sie den geringst möglichen Schaden anrichten können, aber das ist ein anderes Thema.

In vielen Kulturen hat es sich durchgesetzt, einer Person oder Personengruppe mit langer Lebenserfahrung die Führungsrolle zu überlassen, wahrscheinlich in vielen Fällen keine so schlechte Idee, vielleicht aber auch nicht immer, denn viele Menschen werden ihr ganzes Leben lang nicht schlau, andere sind es schon in jungen Jahren und können ihre Ideen aufgrund ihres Alters nicht durchsetzen, vielleicht sogar, weil sie wegen ihrer Schlauheit nicht verstanden werden.

Diese Führungspersönlichkeiten „krönen“ also einen Großteil unserer Hierarchien. Parallel dazu gelangen noch einige weitere Menschen in diese erhöhte Ebene. Diese Leute weisen in der Regel Talente oder Fähigkeiten in einer Qualität oder Quantität auf, die dem Durchschnittsmenschen nicht gegeben sind. Als Beispiel dienen Spitzensportler, Künstler oder Meister eines Faches.

Ihnen kommen ebenfalls die oben erwähnten Vorzüge des Lebens zu und diese zu erlangen ist Ziel vieler unserer Zeitgenossen und war es auch schon in allen Zeiten der Menschheitsgeschichte.

Dies sind diejenigen Menschen, die ein Höchstmaß an Ansehen genießen und das, obwohl niemand die genauen Hintergründe kennt, aus welchem Grund es die bewunderte Person zu ihrem Erfolg gebracht hat. Damit meine ich, dass wir als weit Außenstehende Menschen bewundern, ohne zu wissen, warum diese es zu großem Erfolg gebracht haben, wie viele andere Leute auf deren Weg nach oben auf der Strecke geblieben sind, wie viele Ideale auf dem Weg zur Spitze über Bord geworfen wurden.

Bedauerlicherweise scheint es jedoch in unserem Gehirn auch noch einige andere Schablonen zu geben, die uns, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, antreiben, und diese stehen den ursprünglichen Ideen eines friedlichen, für alle erquicklichen Zusammenlebens entgegen. Das heißt, sie nutzen zwar dem Einzelnen oder einer Teilgruppe, erschweren jedoch der Gesamtheit das Leben.

Ein Problem ist nach meinem Dafürhalten die Antriebsfeder der Menschen, es zu Erfolg zu bringen. Dabei ist es vielen Menschen egal, was auf ihrem Weg nach oben Alles auf der Strecke bleibt.

Übersetzt man „Survival of the fittest“ richtig, so bedeutet es Überleben des am besten Angepassten. Leider glauben viele Leute, es sei das Überleben des Fittesten, also des Stärksten, gemeint und leben dies auch so. Für meinen Geschmack eine sehr merkwürdige Interpretation. Deswegen sind Ellenbogen immer wichtiger geworden und dieses Problem zieht sich durch große Teile der Gesellschaft. Man legt sinnbildlich die Arme an und verteidigt seine Position mit den Ellenhaken.

An einem gemeinsamen Strang zu ziehen ist hierbei nicht der Grundgedanke, sondern eher der, wie sich am besten Mitmenschen zu den eigenen Zwecken ausnutzen lassen. Dies geschieht schon auf der untersten Ebene und wird durch Werbestrategien noch befeuert. Dabei wird die fehlende Einsichtsfähigkeit vieler Leute, die sich danach sehnen, auch ein Stückchen vom Kuchen abzubekommen, schamlos ausgenutzt.

Es wird einem vorgegaukelt, jeder hätte aus dem Stand und ohne viel Aufwand oder Kapital, die Möglichkeit, dabei zu sein an den großen Fleischtöpfen.

Den Leuten werden entweder Konsumprodukte gleichzeitig mit Krediten angeboten, damit sie sich scheinbar jeder einfach leisten kann oder man ködert Menschen mit Halbwahrheiten. Ein Möbelhaus, das damit wirbt, dass man Glückshormone ausschüttet , wenn man Schnäppchen kauft, unglaublich! Und nahezu jeder der die Werbung hört, glaubt kritiklos daran. Klar stimmt es, dass wir uns über gut genutzte Gelegenheiten freuen, das ist sicherlich psychologisch nicht zu widerlegen, aber wie lange hält diese Freude danach an? Werden unsere letzten Gedanken sein: „Yippie, ich habe vor 30 Jahren eine Matratze unglaublich billig gekauft, ich habe mir praktisch nie ein Schnäppchen entgehen lassen“?

Dies bleibt abzuwarten, aber meine mutige Prognose lautet: „Nein werden sie nicht.“ Ich denke das Bestreben, immer mehr zu besitzen, egal ob wir es wirklich brauchen, erscheint uns immer wichtiger und nach meiner Theorie liegt das auch daran, das wir so sein wollen, wie diejenigen, die an der Spitze der Gesellschaft stehen und wenn die Ähnlichkeit nur darin besteht, auch möglichst vieles im Überfluss zu besitzen, egal, ob man es braucht oder nicht. Besitz stellt für uns ein Statussymbol dar. Haben wir das wirklich nötig?

Die ARD streut seit einigen Jahren immer wieder sogenannte Themenwochen in ihre Programme, die parallel im Radio und Fernsehen ausgestrahlt werden. Eine dieser Themenwochen widmete sich dem Glück. In einem der Beiträge fragte Eckhard von Hirschhausen, wann Geld glücklich mache. Ich rechnete mit allen möglichen Antworten, nur nicht mit der richtigen. „Wenn man es verschenkt!“ lautete sie. Nach einigem Nachdenken, leuchtete mir die Antwort ein. Wer kennt nicht das Gefühl der Vorfreude über die Freude über ein Geschenk, das man für jemanden gekauft hat. Wenn sich der Beschenkte freut, ist man selbst auch fröhlich und erinnert sich noch lange an den Moment. Oder das Gefühl, jemanden mit einem kleinen Betrag ausgeholfen zu haben, zum Beispiel einem Kind oder einer alten Frau an der Kasse vor einem, denen nur ein paar Cent gefehlt haben? Eigentlich uneigennützig, jedoch in Wirklichkeit hat man sich selbst auch einen schönen Moment beschert.

Vermutlich hätte man das Geld auch sonst nicht sinnvoller ausgegeben, man weiß es nicht.

Diese These hält auch wissenschaftlichen Untersuchungen stand, auch wenn sie sicher nicht für alle Menschen gilt, für die große Masse sollte sie richtig sein, nur weiß sie nichts davon und das ist schade.

Wer träumt nicht von einem Lottogewinn, der einen in die Lage versetzt, sich Dinge leisten zu können, von denen man bisher nur träumen konnte. Wie diese Träume aussehen, kann sehr unterschiedlich sein. Für den Einen ist es ein Fortbewegungsmittel der gehobenen Art, für den Anderen ein Haus, für den Nächsten einfach die Freiheit, in seiner Zeit tun oder lassen zu können, was Ihm oder Ihr gefällt. Was wir alle nicht wissen, die wir kein Vermögen besitzen, wie sich Reichtum in Realität anfühlt. Logisch, wir hatten ihn ja nie. Wie schnell tritt eine Gewöhnung ein? Wie lange freut man sich über erworbene Güter?

Macht der zweite Sportwagen noch genau so viel Spaß, wie der erste? In diesem Sinne sei eingeschoben, wie viele Menschen einem ersten, längst im Autohimmel entschwundenen Gefährt nachtrauern, obwohl dieses bereits mehrfach durch scheinbar hochwertigere ersetzt wurde!

Wir möchten es einfach ausprobieren, aber der großen Masse von uns wird es nie vergönnt sein.

Was wir jedoch wissen ist, wie sehr wir uns über Kleinigkeiten freuen können. Entweder die regelmäßige Gewohnheit, als Beispiel soll das in Ruhe genossene Feierabendgetränk nach getaner Arbeit dienen, oder der seltene kleine Luxus, wie die Hand voll Pralinen für sechs Euro oder der schöne Blumenstrauß, welche wir uns nur selten gönnen und dann um so mehr freuen.

Oder freie Zeit, die wir immer wieder, jedoch nicht ständig haben, ist Anlass zur Freude. Leider merken wir dies viel zu selten. Ich habe mich einmal selbst dabei beobachtet, als ich daran dachte, wie schön es wäre, in einem Café zu sitzen, die Umgebung zu genießen und einen Cappuccino zu trinken. Was ich allerdings anfänglich vollkommen übersehen habe war, dass ich gerade mit meiner innig geliebten Golden Retrieverin Zoe an einem schönen Tag einen Spaziergang unternahm, was mir wirklich Freude bereitete.

Also was wollte ich mehr?

Wir neigen also dazu, häufig das tun oder haben zu wollen, was gerade nicht zur Verfügung steht. Natürlich ist dies eine Binsenweisheit und ich erzähle Ihnen nichts Neues, aber es schadet sicher nichts, gelegentlich daran erinnert zu werden und dies idealerweise von jemanden, über den man schmunzeln muss, weil ihm der gleiche Fehler unterlaufen ist, in diesem Falle mir.

Zurück zum Traum des Reichtums: Geht es Ihnen, wenn sie vom Lottoglück träumen nicht auch so, dass Sie, wenn sie eine Weile über die Annehmlichkeiten geträumt haben, darüber nachdenken, wie Sie dafür sorgen könnten, das gewonnene Vermögen nicht wieder zu verlieren?

Da haben wir schon einmal die erste neu hinzu gekommene Sorge, die Sie bis jetzt nicht plagt. Viele reiche Menschen werde geradezu von dem Gedanken verfolgt, sie könnten verlieren, was sie besitzen und versuchen es mit Händen und Füßen festzuhalten. Sie nicht. Ein Punkt für Sie auf Ihrer Habenseite. Dies nutzt natürlich demjenigen nichts, der sich täglich um sein weiteres Auskommen sogen muss, dem die Bank auf den Füßen steht, der nicht weiß, ob beim nächsten Einkauf die EC-Karte eingezogen wird, weil sie nicht mehr gedeckt ist, das ist mir auch klar. Kenne ich.

Im Kein-Geld-Haben bin ich Fachmann. Sich immerzu in einem winzigen Spielraum bewegen zu müssen ist natürlich bedrückend und kann uns krank machen und es ist psychologisch nachgewiesen, dass der Schritt, den man tut, wenn man die Schwelle von der Armut zu einem geringen Wohlstand überschreitet einer der wichtigsten ist, was Glück bezüglich Geld betrifft. Alle anderen Schritte sind nur Zugabe und nur noch von kleinerer Bedeutung und ab einem bestimmten Wohlstand an, den man auch in Zahlen ausdrücken kann, bringen einen weitere Schritte seelisch nicht mehr weiter.

Aber von diesen Menschen, denen es allen Ecken und Enden mangelt, spreche ich in diesem Abschnitt gerade nicht, sondern von denen, die eigentlich genügend für ihre Bedürfnisse zur Verfügung haben. Diese Menschen jedoch könnten sich, wenn sie über den Sinn eines Einkaufs nachdenken, viel häufiger einen kleinen Luxus leisten, weil sie das dafür nötige Geld bei anderen Gelegenheiten eingespart haben, in dem sie sich bei der Entscheidung nur die Frage gestellt haben: „Habe ich das wirklich nötig?“

Über die Ersparnis hinaus haben Sie sich gleichzeitig selbst geschmeichelt. Warum? Ganz einfach, weil sie sich damit bewiesen haben, das Sie selbst entscheiden können, was sie brauchen, weil Sie unabhängig von äußeren Einflüssen sind.

Netter Gedanke, finden Sie nicht, da Sie für sich wieder etwas wichtiger geworden sind. Achten Sie in Zukunft einmal darauf, mit welchen Mitteln man versucht, Sie dazu zu bringen, zu konsumieren. Sie werden plötzlich merken, dass man Sie permanent für dumm verkauft.

Ich glaube, den meisten Menschen bedeutet Selbstbestimmung sehr viel. Und leider sind sie ständig in Situationen der Fremdbestimmung. Es beginnt in der Kindheit. Elternhaus, Kindergarten, Schule. Im Rahmen der Pubertät nimmt man sich fest vor, eines Tages selbst zu bestimmen, was man tut und was gut für einen ist. Überraschenderweise stellt man sehr bald fest, dass es auch als Erwachsener mit der Freiheit nicht so weit her ist. Bis vor einiger Zeit stand, zumindest für den männlichen Teil der Bevölkerung, nach der Schule Wehr – oder Zivildienst an und wenn ich mich richtig erinnere, wurde man dort anfänglich sogar von der Wohnunterkunft zum Speisesaal geführt. Dies habe ich persönlich, gerade noch geblendet vom bestandenen Abitur und in der festen Überzeugung nun ja praktisch alles zu können oder zumindest innerhalb kürzester Zeit erlernen zu können, als Beleidigung meines Intellekts empfunden. Anschließend Ausbildung oder Studium mit begleitendem Nebenjob, wo einem praktisch täglich klargemacht wird, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind. Anschließend das wirkliche Berufsleben, in dem ununterbrochen von einem verlangt wird, Aufträge auszuführen. Inzwischen ist es sogar so, dass man häufig immer den gleichen Arbeitsschritt tun muss ohne das Endprodukt zu sehen, was im Klartext bedeutet, dass man gar nicht eindeutig sieht, welchem Zweck die eigene Aufgabe dient. Ohne jede Chance, irgendeine individuelle Note in seinen Job einfließen zu lassen, vollkommen fremdbestimmt. Wir fühlen uns eingezwängt in einem System, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Jahrzehntelanges Warten auf die Rente. Wie furchtbar! Zumal das Leben nicht planbar ist und einem das Schicksal, wenn wir Pech haben, wenn das Ziel Rentenalter endlich erreicht ist, ein Schnippchen schlägt.

Krankheit, Demenz, Erkrankung oder Tod des Partners, Armut oder irgendeine andere Katastrophe machen all unsere Pläne zunichte. Bekomme ich praktisch wöchentlich von meinen Patienten zu hören. Was bedeutet das? Ganz einfach, wir sollten, in dem wir versuchen, uns zumindest in unserem Privatleben die größtmögliche Menge an Selbstbestimmung zu bewahren, das Beste aus jedem Tag machen. Wir sollten uns jedes Mal, wenn wir glauben, in unserem Privatleben unsere eigene Entscheidung getroffen zu haben, freuen. Wir sollten den Augenblick genießen, wenn es uns gelungen ist, zu durchschauen, dass uns jemand manipulieren wollte und wir dieser Manipulation widerstanden haben und das Gegenteil getan haben. Natürlich spreche ich nicht davon, wenn Entscheidungen mit unserem Partner abgestimmt werden und wir deshalb Kompromisse eingehen. Ansonsten „Bäng, gut gemacht!“ Oder: Durchschauer-Flosse drauf, wie der wunderbar philosophische Todd aus der Serie „Scrubs –Die Anfänger“ sagen würde.

Ich glaube, wir müssen das Gefühl haben, dass uns noch ein gewisse Freiheit geblieben ist. Das ist, so meine ich, auch einer der Gründe für die seit einiger Zeit aufkeimende Retro-Welle, mit Produkten, die an vergangene Zeiten erinnern.

Damals, so denken wir war der Spielraum, den jeder Einzelne noch hatte, größer als heute. Deshalb lieben wir die Produkte von damals, die jetzt ein Revival erleben, wie zum Beispiel die Fahrräder im Stil der Mitte des letzten Jahrhunderts oder die neu aufgelegten Sportschuhe der Achtziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts. Hier muss ich allerdings haarspalterisch anmerken, dass sich die Firma mit den drei Streifen nicht an die Originalnamen gehalten hat, denn zum Beispiel hießen die weißen „Samba“ Schuhe mit schwarzen Streifen damals „Universal“, aber diese kleine Rechthaberei nur nebenbei, weitere Beispiele überlasse ich Ihnen zu suchen, falls Sie Lust dazu haben, wenn nicht, nutzen Sie Ihre Zeit sinnvoll.

Wenn ich an meine Zeit als Jugendlicher zurückdenke, fallen mir oft unsere Familienausflüge an Sonntagnachmittagen mit dem Auto durch den Schwarzwald ein, wo ich groß geworden bin. Anfänglich habe ich sie uneingeschränkt genossen, je tiefer ich jedoch in die Pubertät eintauchte, desto mehr Vorbehalte tauchten dagegen auf.

Ich fühlte mich von meiner gewohnten Außenwelt abgeschnitten und fragte mich, was meine Kumpels wohl gerade taten. In Erfahrung bringen konnte ich es mangels Existenz mobiler Kommunikationsmöglichkeiten- das Handy hatte in unser Leben noch keinen Einzug gehalten- nicht.

Welche Angst, etwas zu verpassen, konnte mich überkommen! Möglicherweise waren meine Freunde ausgerechnet an diesen besagten Tagen auf die Horde Mädchen gestoßen, die bisher in unserem Leben durch Abwesenheit geglänzt hatte. Und ich wäre nicht dabei gewesen! Um es kurz zu fassen, es ist nie passiert, darum geht es jetzt jedoch nicht und ich kann das Gefühl heute immer noch reproduzieren, das mich damals quälte.

Heutzutage ist dies nicht mehr denkbar. Mobilfunknetzfreie Gegenden dürfte es, zumindest in Deutschland, nicht mehr geben und somit ist ein kontinuierlicher Daten- und Informationsfluss jederzeit problemlos möglich. Allerdings scheint diese ständige Kommunikationsbereitschaft für eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen zur Pflicht geworden zu sein und hier ist der Haken dieses technischen Fortschritts. Die Menschen fühlen sich verpflichtet, erreichbar oder online zu sein, die Jugendlichen aus einem Gruppenzwang heraus, die Berufstätigen, weil die Kollegen oder Arbeitgeber es zunehmend erwarten. Und wieder finden wir eine Einschränkung unserer geschätzten Selbstbestimmung. Was ich mir damals als utopische Erfindung gewünscht hätte, hat uns inzwischen eingeholt, teilweise überholt und manch einer wünscht sich einen Rückwärtsgang, nur diesen gibt es nicht und wir sollten uns eine Anpassungsstrategie überlegen.

Vielleicht sollten wir uns zunächst einmal überlegen, ob wir nicht doch noch mehr Autonomie über unsere Freizeit haben. Ich sehe in meiner Sprechstunde praktisch jeden Tag Menschen, die nervlich in die Knie gegangen sind, da deren Druck, den scheinbar die Außenwelt auf sie ausübt, Überhand genommen hat. Gott sei Dank finde ich dann immer wieder mal die Zeit, mit diesen Menschen gemeinsam über Strategien nachzudenken, die Situation wieder lebenswerter zu machen. Manchmal ist es nur die Anregung, darüber nachzudenken, dass eigentlich noch eine Menge an Entscheidungsfreiheit geblieben ist und derjenige sie nur nicht mehr sieht. Gelegentlich ist es nur die klar formulierte Frage nach den Konsequenzen, wenn mein Gegenüber die Spielregeln zu seinen Gunsten ändert. Ich wiederhole die Frage oft so lange, bis ich eine Antwort bekomme und dann ist es oft eine diffuse Angst vor Folgen, die bei genauerer Betrachtung und Überlegung sowieso wahrscheinlich nicht eintreten werden und falls doch, dann können sie vielleicht sogar das Türchen zur positiven Veränderung sein. Das soll heißen, dass viele Menschen in Jobs arbeiten, die ihrer Gesundheit schaden und deren Verlust gar nicht tragisch wäre, zumal es Arbeitsplätze dieser Art zuhauf gibt und vielleicht ein neuer Besserung verspricht. Es gibt inzwischen etliche Arbeitgeber, die wissen, dass die Arbeitsplatzzufriedenheit zur Effizienzsteigerung dient, diese wollen nur gefunden werden. Oft hilft es bereits, zu wissen, was man wirklich möchte und seine eigenen Wünsche für sich selbst klar benennt, erst dann kann man sich auf die Suche nach deren Erfüllung machen.

Ich möchte mit dem was ich sage und schreibe, niemandem die Zuverlässigkeit abgewöhnen, sondern glaube nur , dass man nicht jeder Erwartungshaltung, vor allem nicht jeder überfordernden, die Andere an einen hegen, nachgeben muss. Auf einer Geburtstagsfeier vor ungefähr zwei Jahren unterhielt ich mich nach langer Zeit wieder einmal mit einem guten Bekannten. Dieser ist Bauingenieur, ein zuverlässiger Mensch, jemand, auf den ich mich verlassen würde. Er erzählte mir, er hätte sich einen Coach genommen, welcher ihn gefragt habe, ob verlässlich zu Verabredungen kommen würde. Dies konnte er mit Inbrunst bejahen. Die zweite Frage lautete, ob er immer all die Sachen tun würde, die er sich für sich vorgenommen habe, zum Beispiel Sport zu treiben, ins Kino zu gehen, sich für ein Hobby Zeit zu nehmen und so weiter. Dies konnte er nicht bejahen und bekam die dritte Frage, warum er Verabredungen mit sich selbst nicht so wichtig nehme, wie die mit anderen Menschen.

Ein Gedanke, den ich ausgesprochen interessant finde.

Die Zeit hat ohnehin schon ein rasantes Tempo. Der Einzug der Computer in unser Privat – und Arbeitsleben gibt mittlerweile eine unglaubliche Taktung vor. Die Rechner haben uns gezeigt, wie schnell Jegliches gehen kann und nun muss es dies auch! Wartezeiten sind nicht mehr hinnehmbar, nie und nirgendwo. Man hat ja immer gleich wieder etwas zu erledigen.

Auffallen tut dies immer wieder im Lebensmitteldiscounter. Die Kassierer arbeiten dort teilweise mit solch atemberaubendem Tempo, dass es mir oft kaum möglich ist, meine erstandenen Waren so schnell – im korrekt platzierten Einkaufswagen- zu verstauen und ich bin erst 48 Jahre alt, wie mag es da betagteren Mitmenschen ergehen? Trotzdem geht es manchen Wartenden immer noch nicht schnell genug und es wird nach Öffnung einer weiteren Kasse verlangt.

Glauben diese Leute eigentlich, sie könnten ihren letzten Atemzug in einer Kassenschlange tun, wenn die Wartezeit zu lange ist? Früher, als die Registrierkassen noch manuell funktionierten, dauerte es doch viel länger, denn wann steht man heute schon wirklich einmal länger als fünf Minuten, aber selbst das ist einigen Zeitgenossen noch zu viel verlorene Zeit. Die arme Kassiererin fühlt sich unter Druck gesetzt und fremdbestimmt. Blöd für sie oder ihren männlichen Kollegen, zumal sie sich auch etwas Schöneres vorstellen kann, als stundenlang Waren über einen Scanner zu ziehen.

Und obwohl im Vergleich zu früheren Zeiten unglaublich luxuriöse Öffnungszeiten vorgehalten werden, sind wir unzufrieden. Das heißt, irgendwie spielen wir, die wir vor der Kasse nörgeln, auch mit in diesem großen Spiel der Hast und Hetze.

Wann habe Sie zum letzten Mal den eben erwähnten Kassierer gelobt, weil er Sie an Ihren Pfandbon erinnert oder die Eier im Karton auf Unversehrtheit überprüft hat? Als ich es einmal an einem Samstag Nachmittag dafür getan habe, weil er es mir durch seine Anwesenheit ermöglicht, noch Grillfleisch für den Abend zu kaufen, glaubte er, mich nicht richtig verstanden zu haben und ich musste mich wiederholen. Der positive Nebeneffekt war, dass die anderen Wartenden in meinen Tenor einfielen und der verdutzte Mann mit Lob überhäuft wurde, ich hoffe es tat ihm gut und ließ ihn an jenem Tag eine Weile lächeln.

Das System wurde kurz durchbrochen und etliche Leute hatten erkennbar gute Laune. Vielleicht war es eine gute Anpassung an die Situation, wir erinnern uns an die Kapitelüberschrift mit dem „Fittest“?

Unter Umständen ist das permanente Durchsetzen von Eigeninteressen gar keine so gescheite Strategie der Anpassung, wo wir doch eigentlich Gemeinschaftswesen sind und den Schutz der Herde brauchen. Vielleicht macht uns das Erreichen von Vorteilen gar nicht zufriedener, wenn auf dem Weg dort hin andere Leute Nachteile hinnehmen müssen. Vorankommen ist bestimmt erstrebenswert und beruflicher und sozialer Aufstieg aufgrund guter Leistungen ist wichtig, da Anerkennung gut tut und wir eine Motivation brauchen, weiter zu machen, gar keine Frage , aber Rücksicht auf unsere Mitmenschen ist ja auch nicht gleichbedeutend mit Leistungsverweigerung.

Gesundheit

Im vorangegangenen Kapitel wollte ich einen Aspekt aufzeigen, welcher uns in unserem Wohlbefinden einschränkt, nämlich das Gefühl in gewisser Weise gefesselt zu sein. Dies tut unserer seelischen Gesundheit nicht gut. Natürlich hat nicht jeder Mensch den gleichen Freiheitsdrang und viele von uns sind froh, wenn ihnen einer die Richtung vorgibt, wir erinnern uns, das Zusammenleben bedarf einer gewissen Koordination, aber dennoch ist es wohltuend, ab und zu einfach man selbst zu sein, ohne äußere Vorgaben.

Es gibt mit Sicherheit viele Definitionen von Stress, welche mir besonders gefällt ist folgende:

Stress bedeutet zu viele Aufgaben oder Tätigkeiten in einem zu kurz bemessenen Zeitraum erledigen zu wollen oder zu müssen. Hier hängt die individuelle Belastbarkeit sicherlich vom Einzelnen ab, einerseits von dessen Tempo und andererseits von seiner Ausdauer und Koordination.

Ich glaube auch nicht, dass jeder der sich gestresst fühlt, wirklich gestresst ist oder dass die Außenwelt Schuld immer an seinem Befinden ist. Die Menschen kommen in die Sprechstunde und beklagen sich und bei genauerem Hinterfragen findet sich, dass oft noch viel mehr dahintersteckt und unter Umständen das Bearbeiten eigener Defizite auch ganz hilfreich sein könnte, anstatt die Schuld immer bei Anderen zu suchen, wozu wir gerne einmal neigen. Allerdings sind etliche von den Geschichten, die ich zu hören bekomme, wirklich haarsträubend, vorausgesetzt sie entsprechen den Tatsachen und lösen in mir ein großes Mitgefühl und den Wunsch zu helfen aus. Diese Hilfe kann ein Gespräch sein oder auch ganz pragmatisch eine Auszeit zum Durchschnaufen, allerdings mit der Vorgabe, sich Gedanken zu machen, wie es konkret weitergehen soll. Ich fordere die Leute oft explizit zum Träumen auf, damit sie sich darüber klar werden, was sie sich wirklich noch von ihrem Leben wünschen, denn solange sie es nicht wissen, können sie es auch nicht erreichen und wenn sie sich darüber im Klaren sind, besteht wenigsten eine Chance, dass sie sich auf den Weg machen können.

Oft ist auch von Mobbing die Rede. Nun stehe ich, das liegt in der Natur der Sache, zunächst einmal auf der Seite meines Gegenübers, denn erstens lerne ich nur seine Sicht der Dinge kennen und lasse mich emotional von ihm einfangen und zweitens bin ich sein Hausarzt und empfinde es als meinen Job, auf seiner Seite zu stehen.

Und trotz dieser beiden Punkte kommt es vor, dass ich mich oft genug dabei ertappe, wenn ich mich frage, ob wir es wirklich mit einem Fall von Mobbing zu tun haben oder ob der Klagende nicht etwa nur „Opfer“ berechtigter Kritik geworden ist. Denn wer kennt nicht diejenigen, denen man beim Laufen die Schuhe besohlen kann und wenn man sie zu etwas erhöhtem Tempo auffordert, fühlen sie sich zu Unrecht kritisiert. Schwierig, schwierig.

Auch sehr beliebt ist das Thema Burnout. Auf einer vor Kurzem von mir besuchten Fortbildung mit psychiatrischem Hintergrund sagte Professor Helge Frieling, Oberarzt an der Medizinischen Hochschule in Hannover, dass Burnout gar keine Diagnose, sondern eher eine Zustandsbeschreibung sei. Allerdings können sich aus einer zunehmenden Erschöpfung Krankheiten entwickeln und dies gilt es, aufmerksam im Auge zu behalten, um gegebenenfalls rechtzeitig entgegenzusteuern zu können. Ich denke dies ist, schon allein wegen der in den letzten Absätzen geschilderten Gedanken, kein ganz so einfaches Unterfangen. Wie schützt man die wirklich Gefährdeten und unterscheidet sie vom Rest? Oft bekomme ich nach der Bitte um eine Auszeit mittels „gelbem Schein“ noch im Nachsatz den Verweis auf bisher nur sehr wenig angefallene Fehltage durch Krankheit im laufenden Jahr zu hören.

Na und? Mein Schwiegervater hat in fast fünfzig Berufsjahren wahrscheinlich keine zehn Fehltage gehabt und mein letzter liegt auch schon anderthalb Jahrzehnte zurück. Ganz klar, für mich ein Argument mit wenig Schlagkraft, was jedoch viel über eine bestimmte Einstellung meines Gesprächspartners aussagt und mich dann häufig zum Grübeln bringt, wie ich richtig handele.

Schreibe ich krank? Wie lange? Welche Konsequenzen erwachsen den Kollegen daraus? Welche erhöhte Arbeitsbelastung erwächst für diese durch das von mir ausgestellte Arbeitsunfähigkeitszeugnis? Gut, eigentlich darf mich dieser Gedanke nicht in meiner Entscheidung beeinflussen, da ich als Arzt in erster Linie für das Wohl meines Patienten verantwortlich bin, aber wer kann sich schon gänzlich von zum eigentlichen Thema irrelevanten Gedanken freimachen? Außerdem bin ich ja auch an das Sozialrecht gebunden, welches mir zwar Entscheidungsfreiheit und Ermessensspielraum gibt, jedoch auch klare Definitionen vorgibt, wann ich Bescheinigungen ausstellen darf und wann nicht. Ich denke, das ist vielen Leuten gar nicht so klar.

Jetzt einmal wieder weg von meiner Exkursion in meine Gedankenwelt und zurück zu praktischen Ideen.

Als erstes möchte ich ein paar Kleinigkeiten zu unserem vegetativen Nervensystem loswerden, denn dieses ist ein wichtiges Steuerungssystem unseres Körpers. In erster Linie besteht es aus seinen beiden Hauptnerven, dem Sympatikus, unserem Stressnerven und dem Parasympathikus, auch Vagus genannt, seinem Gegenspieler.

Diese sind kein erfundenes Konstrukt, nein es gibt sie wirklich, sie sind mehrere Millimeter dick, gut mit dem menschlichen Auge zu erkennen und beide sollten möglichst von ihrer Aktivität her im Gleichgewicht stehen. Der Sympathikus hält uns unter Strom. Er half uns in Urzeiten beim Jagen und Flüchten, lässt uns heute funktionieren und unsere Aufgaben erfüllen. Der Parasympathikus macht das Gegenteil, er beruhigt uns, lässt uns herunterkommen und unsere Akkus wieder aufladen. Dies tun die Beiden in dem sie mit einem unglaublichen Geflecht von Nerven an all unsere Organe herantreten und diese in ihrem Sinne steuern. Am einfachsten ist dies am Beispiel des Herzens zu erklären. Während der Sympathikus das Herz beschleunigt, der Puls geht hoch, bremst der Vagus es herunter. Hormonbildende Organe, wie Nebenniere, Schilddrüse, Hirnanhangdrüse und so weiter werden stimuliert oder eben in ihrer Hormonproduktion gemäßigt. Die Auswirkungen dieser beiden Nerven auf unser Befinden kann sich wahrscheinlich jeder ausmalen.

Den Einfluss auf das Herz macht man sich bereits seit einigen Jahrzehnten zunutze, um die Aktivität zu bestimmen. Das Prinzip ist ganz einfach:

Erschrickt man sich plötzlich weil zum Beispiel ein Löwe vor einem steht, zugegeben, dies kommt in unseren Breiten weniger häufig vor, es soll nur der Veranschaulichung dienen, schlägt das Herz schneller, sitzt man in einer maximal entspannten Situation bei seinem Lieblingsgetränk auf dem Sofa, schlägt es langsamer, so weit, so gut. Nun kann man dem zu untersuchenden Menschen einen Brustgurt umlegen, wie ihn viele von Ihnen vom Jogging her kennen und dieser übermittelt dem Computer, auf dem sich ein Analyseprogramm befindet, über etwas mehr als 500 Herzschläge den Puls. Nun wird die Zeit berechnet, die von Herzschlag zu Herzschlag vergeht, da diese Zeit viel exakter ist, als die Herzfrequenz, da in 0,05 Sekundenschritten gemessen wird und nicht in Schlägen pro Minute.

Ein bestimmter Algorithmus ermöglicht es dem Programm, die Variabilität der Herzfrequenz - auch in der langweiligen Messsituation eines Untersuchungsraums - zu bestimmen und auszuwerten, denn auch in einer solchen Situation unterliegt der Untersuchte noch Einflüssen wie Geräuschen, Gedanken, optischen Eindrücken und der Atmung, welche die Frequenz stimulieren. Eine hohe Variabilität spricht für eine gute Regulationsfähigkeit des Vegetativums, eine niedrige bedeutet das Gegenteil und ist schlecht.

Schlecht deshalb, weil Vegetativum, innere Organe und Psyche sich wechselseitig inspirieren.

Was bringt so eine Messung nun? Ganz einfach, bei denjenigen, deren Variabilität hoch ist, können die Untersucher ein hohes Maß an Gesundheit annehmen, bei denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, können Gegenmaßnahme eingeleitet werden und darauf gehe ich im nächsten Abschnitt ein.

In den meisten Fällen einer vegetativen Dysregulation überwiegt die sympathische Aktivität, dies klingt zwar freundlich, kann jedoch im Extremfall genau die gegenteilige Bedeutung haben. Die Ausgeglichenheit der Systeme sollte angestrebt werden.

Eine Möglichkeit den Parasympathikus zu stimulieren ist moderater Ausdauersport. Hierbei ist es jedoch wichtig, sich nicht auszupowern, auch wenn einem gelegentlich als Ausgleich zum Ärger des Tages der Sinn danach steht, denn dies stimuliert den Sympathikus zusätzlich. Nein ganz gemächliches Laufen, Radfahren , Schwimmen und so weiter mit einer Herzfrequenz je nach Lebensalter zwischen 100 und 140 Schlägen pro Minute funktionieren dauerhaft viel besser, da der Körper zwar lernt, dass er sich anstrengen muss, jedoch nicht überfordert wird und dies wirkt langfristig vagoton.

Für diejenigen, die es mit dem Sport nicht so haben, was aus den verschiedensten Gründen schade ist, stehen die bekannten Entspannungstechniken wie autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, Yoga und so weiter zur Verfügung. Freunde der Alternativmedizin finden noch zusätzliche Unterstützung in bewährten pflanzlichen Präparaten oder Homöopathika.

Nun folgt jedoch mein Favorit, eine ganz simple Atemübung, deren Erklärung schon etliche meiner Patienten über sich ergehen lassen mussten. Im Prinzip ist sie ganz simpel und das ist das Gute daran. Man atmet für 4 Sekunden durch die Nase ein und 6 Sekunden durch den Mund bei etwas geschürzten Lippen, die den Luftauswärtsstrom etwas bremsen sollen, wieder aus, fertig. Eine halbe Stunde am Tag wirkt unglaubliche Wunder und das Schöne daran ist, dass man es simultan zu Tätigkeiten machen kann, die nicht der vollen Konzentration bedürfen, sobald man den Atemrhythmus verinnerlicht hat, zum Beispiel beim Spülen, Bügeln oder Fernsehen. Günstiger ist es allerdings parallel zu einer leichten körperlichen Aktivität, wie zum Beispiel Spazierengehen.

Vor einigen Jahren hatte ich die Vermutung, dass am Abend nach einer anstrengenden Sprechstunde mein Blutdruck erhöhte sein könnte. Also maß ich den Druck heimlich und im Verborgenen vor den wachsamen Augen meiner Helferinnen, diese sollten sich ja keine Sorgen machen und siehe da, der systolische Druck fand sich jeden Abend höher als 160 mm Hg. Das war nicht gut und was tut man dann zunächst als guter Arzt?

Genau, man hört einfach auf zu messen, zumal mich seit Jahren ein exorbitant erhöhter Blutfettspiegel plagte, dem durch kein Mittel beizukommen war und den ich mir vermutlich durch irgend ein blödes Gen bereits vor meiner Geburt eingefangen hatte. Zwei Risikofaktoren für ein vorzeitiges Ableben auf einmal, da durfte ich gar nicht drüber nachdenken.

Nun dies war auch keine echte Lösung und da ich mich seit einiger Zeit mit dem vegetativen System und dessen Bedeutung und den Möglichkeiten der Beeinflussung beschäftigt habe, dachte ich mir, diese Atemtechnik einmal auszuprobieren. Jeden Tag auf meinem Hundespaziergang, da Retrieverin Zoe ja ohnehin selten mit mir sprach, begann ich, immer durch eine Garage, an der ich vorbeikam daran erinnert, vier Sekunden ein- und sechs Sekunden auszuatmen. Zuerst zählte ich mit. 1-2-3-4 und 1-2-3-4-5-6, doch bald konnte ich mir dies sparen, da ich die Atmung verinnerlicht hatte. Meist hörte ich gar nicht nach einer halben Stunde auf, da ich vollkommen vergessen hatte, dass ich nicht normal atmete und einfach meinen Gedanken nachhing.

Nach vier Wochen kontrollierte ich meinen Blutdruck wieder und er hatte sich komplett normalisiert, selten finden sich seither noch Werte über 120 mm Hg, ganz egal in welcher Situation die Messung vorgenommen wird und das, obwohl ich die Atemübungen nach anderthalb Jahren eingestellt habe und dies inzwischen fast fünf Jahre her ist. Heute benutze ich die Übung bedarfsweise, da mein Körper ja „gelernt“ hat, was ich von ihm will, wenn ich in dieser Taktung für 30 Minuten atme. Nebenbei hatte sich auch mein Triglycerid- und Cholesterinspiegel komplett normalisiert, zum ersten Mal nach 10 Jahren, als die Erhöhung aufgefallen war. Ich war baff und konnte mir dieses Phänomen anfänglich nicht erklären. Mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass ich die Synthese dieser Stoffe in der Leber durch Aktivierung meines Parasympathikus ausgebremst haben muss.

Übrigens das Zählen, sprich die Taktvorgabe für die Atmung kann man, wenn man keine Lust immerzu zu zählen hat, oder schlicht und ergreifend nicht bis 6 zählen kann, einer App namens Vagusfit Home© überlassen.

Etliche Patienten, die die Übung übernommen haben, bestätigten mir inzwischen zumindest den beruhigenden, blutdrucksenkenden Effekt.

Und wenigstens bei einer jungen Frau gelang auch eine massive Cholesterinsenkung von 290 mg/dl auf 190 mg/dl innerhalb weniger Wochen, was diese zu Tränen rührte, sie konnte es kaum fassen, ich übrigens auch nicht.

Zugegeben 2 Fälle sind nur Kasuistiken und haben keinen wissenschaftlichen Wert, aber freuen werde ich mich ja wohl dürfen.

Nun, gesundheitliche Beeinträchtigungen kommen nicht immer schicksalhaft und von alleine, sondern oft genug tun wir Menschen auch alles uns Erdenkliche, um nicht gesund zu bleiben. Wir bewegen uns zu wenig, essen ungesund und zu viel, trinken zu viel Alkohol und rauchen. Dies liegt wohl in unserer Natur, da einige ganz zu Anfang der menschlichen Entwicklung angelegte Gehirnareale permanent nach irgendwelchen Belohnungen verlangen und jeder Mensch hat eine andere Art entdeckt, diese zu bekommen.

Am blödesten finde ich das Rauchen. Professor Hans-Rudolf Raab, zu Zeiten meines Studiums