Spring In Your Heart (Cosy Island 2) - Elle Ellis - E-Book
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Spring In Your Heart (Cosy Island 2) E-Book

Elle Ellis

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  • Herausgeber: Carlsen
  • Sprache: Deutsch
Beschreibung

Einfühlsam und hochromantisch entführt Elle Ellis ihre Leser*innen auf eine abgelegene Atlantikinsel und erzählt eine Liebesgeschichte, die jedes Herz zum Schmelzen bringt. Claire liebt ihr kleines Café auf Cosy Island und das nicht nur, weil es ihr dabei hilft, einen Teil ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen. Um noch mehr Touristen auf die Insel und ins Cat's Coffee zu bringen, wird dieses Jahr das Spring Break Festival organisiert. Auf dem Festival erlebt Claire einen unvergesslichen Abend, zum einen wegen der ausgelassenen Stimmung, aber auch wegen Chase – dem Chase, der mit seinem Humor und seinen geheimnisvollen Tattoos Claires Knie weich werden lässt. Nach einer gemeinsamen heißen Nacht beschließen die beiden, ihrer Freundschaft ein Plus hinzuzufügen. Einzige Regel: Keine Gefühle! Doch das ist leichter gesagt als getan … In »Spring In Your Heart« erwartet euch eine emotionale Geschichte, die von Liebe und Freundschaft erzählt, mit unvergesslichen Momenten und vielen Frühlingsgefühlen – Autorin und Buchbloggerin Julia Kuhn (@july_reads) Dies ist der zweite Band der gefühlvollen Slow-Burn-Romance-Reihe »Cosy Island«. Alle Bände der New-Adult-Serie bei Impress: -- Autumn In Your Eyes (Cosy Island 1) -- Spring In Your Heart (Cosy Island 2) -- Summer In Your Dreams (Cosy Island 3) -- Winter In Your Soul (Cosy Island 4)// Elle Ellis zählt mit über 20.000 Abonnent*innen zu den bekanntesten Buchbloggerinnen Deutschlands und begeistert ihre Follower*innen mit ihrer Liebe zu Büchern. Auf ihrem Instagram-Account @thebookelle schreibt sie über Geschichten, die sie bewegen, über ihre Katzen, die ihr in jeder Lebenslage ein Lächeln ins Gesicht zaubern, und über Eiskaffee, der beim Lesen einfach nicht fehlen darf.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

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Elle Ellis

Spring In Your Heart

Claire liebt ihr kleines Café auf Cosy Island und das nicht nur, weil es ihr dabei hilft, einen Teil ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen. Um noch mehr Touristen auf die Insel und ins Cat’s Coffee zu bringen, wird dieses Jahr das Spring Break Festival organisiert. Auf dem Festival erlebt Claire einen unvergesslichen Abend, zum einen wegen der ausgelassenen Stimmung, aber auch wegen Chase – dem Chase, der mit seinem Humor und seinen geheimnisvollen Tattoos Claires Knie weich werden lässt. Nach einer gemeinsamen heißen Nacht beschließen die beiden, ihrer Freundschaft ein Plus hinzuzufügen. Einzige Regel: Keine Gefühle! Doch das ist leichter gesagt als getan …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Elle Ellis kann sich ein Leben ohne Bücher nicht mehr vorstellen. Am liebsten trinkt sie Eiskaffee während sie an ihren Geschichten schreibt und sich zwischen den Worten verliert. Neben dem Schreiben teilt sie Leseempfehlungen und vieles mehr auf Instagram unter dem Namen @thebookelle. Zusammen mit ihrem Freund und den beiden Katzen Tabby und Malu lebt sie zwischen all ihren Büchern.

Für alle, denen das Meer genauso viel bedeutet wie Claire, dieses Buch ist für euch

Playlist

Billie Eilish – Happier Than Ever

Empire of the Sun – Alive

The 502s – Just A Little While

flora cash – You’re Somebody Else

Vance Joy – Fire and the Flood

BANNERS – Got It In You (Acoustic)

Kodaline – Wherever You Are

JONAH – All We Are

Taylor Swift – Wildest Dreams (Taylor’s Version)

OneRepublic – Someday

Boyce Avenue, Jennel Garcia – Demons

AUSTIN – Human

Ollie Green – Everglow (Acoustic)

Dean Lewis – Lose My Mind

ClockClock – Sorry

Axel Flóvent – Forest Fires

Avril Lavigne – Head Above Water

Birdy, RHODES – Let It All Go

Surf Curse – Freaks

Michael Schulte – Falling Apart

Chord Overstreet – Hold On

Kenna Childs – Oceans

Kapitel 1

Entwickelt die Uhrzeit eigentlich immer ein Eigenleben, wenn es mir so richtig dreckig geht? Das habe ich mich schon des Öfteren gefragt. Denn in diesen Momenten, wo ich nichts lieber tun würde, als mich vor der ganzen Welt zu verstecken, scheinen die Minuten nur so zu rasen, um mich darauf hinzuweisen, dass meine Schonzeit vorüber ist. Dass die Menschen außerhalb meiner Wohnung erwarten, eine glückliche und allzeit zu Späßen aufgelegte Claire zu sehen.

Krampfhaft starre ich erneut auf das Bild, das mir zusammen mit der so verräterischen Uhrzeit auf meinem Smartphone entgegenleuchtet. Claire, reiß dich zusammen! Ich schließe die Augen, hole tief Luft und versuche mich auf das zu konzentrieren, was vor mir liegt. Zum Glück funktioniert es und ich merke, wie sich meine Anspannung legt. Erleichtert hebe ich die Lider, nur um kurz darauf loszufluchen. Ich bin zu spät!

Wütend auf mich selbst schmeiße ich das Smartphone auf mein geliebtes weiches Sofa und stampfe über den hellen Parkettboden ins Badezimmer. Schwungvoll reiße ich die Schublade unter dem linken Waschbecken auf und hole den schwarzen Eyeliner heraus. Hoffentlich schaffe ich es noch rechtzeitig, mich wenigstens einigermaßen fertig zu machen. Routiniert stelle ich mich auf die Zehenspitzen, während die Mittagssonne durch das breite Fenster ihre Strahlen hereinschickt und mich blinzeln lässt. Vielleicht möchte sie mich damit ein wenig aufmuntern …

Allerdings nehme ich das nicht länger als einen flüchtigen Wimpernschlag wahr und rücke stattdessen, so gut es geht, näher an den Spiegel heran. Wieso hängt dieses Teil überhaupt so hoch? Ach ja … wegen Autumn und Sam. So sehr ich meine beiden besten Freunde auch liebe und froh bin, wie glücklich sie miteinander sind, kann ich nicht leugnen, mir zu wünschen, sie hätten sich weniger aufeinander konzentriert und ihre Aufmerksamkeit mehr dem Spiegel zugewendet, als sie mir vor wenigen Wochen damit geholfen haben.

Mit zitternden Fingern probiere ich einen Strich auf mein Augenlid zu malen. Hätte Autumn mir den Tipp vor ein paar Wochen nicht gegeben, wäre ich bestimmt nie auf die Idee gekommen. Sie meinte, dadurch kämen meine blauen Augen noch besser zur Geltung. Nachdem sie mir ein paar Tricks verraten hat, klappt es normalerweise immer ganz gut. Bis auf heute … Nach drei missglückten Anläufen werfe ich das Ding zurück in die Schublade und seufze frustriert auf.

Wäre ich ihm doch nur längst auf dieser Social-Media-Plattform entfolgt, dann hätte ich dieses verfluchte Bild nicht gesehen und das Make-up säße da, wo es hingehört. Ich versuche den dumpfen Schmerz, der sich jetzt in meiner Brust ausbreitet, auszublenden und die Gedanken an ihn ins Meer zu werfen. Aber egal, wie weit ich sie darin versenke, jedes Mal werden sie zurück ans Ufer gespült.

Seufzend betrachte ich mich im Spiegel und erkenne trotz des verschleierten Blicks die schwarzen Überreste von meinem Eyeliner, die sich an den Rändern meiner Augen angesammelt haben. Also greife ich auf der Ablagefläche zu ein paar Kosmetiktüchern und wische sie weg.

Dann bleibt mir wohl oder übel nur die Wimperntusche, das sollte ich schließlich hinbekommen. Sobald der Gedanke jedoch in meinem Kopf aufgetaucht ist, wird er in derselben Sekunde von dem Klopfen an meiner Wohnungstür auch schon wieder vertrieben.

Na toll. Ich seufze erneut laut auf. Am besten belasse ich es heute bei dem natürlichen Look. Vielleicht ist das bei den warmen Temperaturen, die überraschend gemeldet worden sind, sowieso besser. In spätestens vier Stunden säße der Eyeliner ohnehin überall anders als auf dem Augenlid.

Ein weiteres Klopfen erinnert mich daran, wieso ich jetzt meinem ungeschminkten Spiegelbild entgegenstarre. Und das wiederum ruft mir in Erinnerung, weshalb ich die halbe Nacht nicht geschlafen habe und unter meinen Augen nun tiefe Schatten liegen.

Das Foto. Brian. Und sie. Wobei Letztere gar nicht das Problem ist, sie ist nur der Auslöser dafür, dass ich schon lange eingesehen habe, unnötige Zeit mit einem Typen verschwendet zu haben, der es eigentlich nicht wert gewesen ist. Doch wieso beschäftigt es mich dann immer noch? Obwohl es bereits so viele Monate her ist. Länger als ein Jahr …

Das dritte Klopfen durchbricht meinen Gedankenkreislauf. Ein Glück. Wahrscheinlich würde ich sonst weiterhin in dieser endlosen Spirale festhängen. Ich eile in den lichtdurchfluteten Flur, wobei ich fast über Snowball stolpere, die eingerollt mitten auf dem Boden liegt. Ich streiche einmal durch ihr weißes, flauschiges Fell und flitze die letzten paar Schritte zu meiner Eingangstür, an der es erneut klopft.

Schnell ziehe ich sie auf und sehe mich einer breit strahlenden Autumn gegenüber. Seit sie vor einem halben Jahr mit Sam zusammengekommen ist, bekommt sie dieses Lächeln fast gar nicht mehr aus dem Gesicht. Ich wünschte, mir würde es genauso gehen … Aber ich bin froh, dass wenigstens eine von uns so glücklich ist. Sie hat es mehr als verdient.

»Bist du bereit?«

Sofort ziehe ich meine Mundwinkel ein Stück höher und schicke ein Stoßgebet zu wem auch immer, dass ich dabei einen genauso begeisterten Eindruck mache wie sie. »Klar, ich bin gleich fertig.« Ich halte ihr die Tür auf, blicke mich allerdings verstohlen zu meinen Schuhen um, als sie hereinkommt. Hoffentlich bemerkt sie nicht, dass ich ihrem Blick ausweiche. So gern ich sie habe, heute möchte ich einfach bloß den Tag genießen und alles andere vergessen. Nur einmal. Ein paar Stunden ohne diesen Orkan, der mich immer wieder mit sich reißt.

In der Ecke entdecke ich schließlich die schwarzen Sneakers und streife sie über, während Autumn Snowball begrüßt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie mich einige Sekunden anschaut und jetzt ansetzt, etwas zu sagen. Doch bevor sie dazu kommt, deute ich auf ihre lange Jeans. »Ist das nicht ein bisschen warm?«

Entschieden schüttelt sie den Kopf, wobei sich ein paar Haarsträhnen aus ihrem Messy Bun lösen, die daraufhin ihr schmales Gesicht umrahmen. »Vor heute Abend ziehe ich mich noch um.«

»Okay«, erwidere ich und greife nach meinem kleinen rosafarbenen Rucksack auf dem Boden. Als ich jedoch ein paar spitze Ohren entdecke, die aus der Öffnung hervorlugen, halte ich kurz inne und kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken. »Lucky, komm da raus, sonst musst du wohl oder übel mitkommen.« Ich streiche über den Kopf von meinem geliebten schwarzen Kater und hole ihn heraus. Mit seinen kugelrunden Augen blickt er mich aufmerksam an und fängt an zu schnurren. Ich drücke ihm einen flüchtigen Kuss ins Fell. Als hätte er mal wieder geahnt, dass ich eine kleine Aufmunterung gebrauchen kann. Genau wie vor über einem Jahr, als ich ihn als verwahrlostes kleines Katzenjunges gefunden habe. Dabei hat er gar nicht geahnt, dass ich ihn damals genauso sehr gebraucht habe wie er mich … »Wir sehen uns später.«

Mit einem Maunzen springt er aus meinen Armen und rennt schnurstracks auf Snowball zu.

»Und, bist du bereit?« Autumn sieht mir prüfend ins Gesicht. »Ist was wegen …«

Ich unterbreche sie, bevor sie den Namen ausspricht. »Ja.« Genau dieselben Worte hat sie letzte Woche zu mir gesagt und es fühlt sich an wie ein Flashback. Ein Karussell, das sich nicht aufhört zu drehen. In einer Endlosschleife. Aber es muss aufhören, es kann nicht ewig so weitergehen. Und mit dem nächsten Herzschlag fälle ich eine Entscheidung. Zwar eine kleine, doch für mich ist sie von großer Bedeutung.

»Autumn, ich muss noch eben was erledigen.« Bevor sie darauf etwas erwidern kann, eile ich bereits ins Wohnzimmer. »Geht auch ganz schnell«, rufe ich und schnappe mir vom Sofa das Smartphone. Mein Blick verharrt auf dem dunklen Display, denn ich kämpfe mit den aufsteigenden Erinnerungsfetzen.

Eine Tür fällt ins Schloss.

Das Quietschen meiner Schuhe, während ich über die verregnete Straße zurück zur Fähre eile.

»Claire, alles gut?«, holt mich Autumn zurück ins Hier und Jetzt.

Ich schlucke. »Sekunde.« Das Bild, das ich vorhin entdeckt habe, drängt sich in meine Gedanken und sorgt dafür, dass sich meine Entscheidung verfestigt. Vielleicht ist allerdings auch die Erinnerung von gerade daran schuld …

Ich entsperre das Smartphone, öffne die Social-Media-App und gehe auf Brians Profil. Dem gemeinsamen Bild der zwei widme ich keine weitere kostbare Lebenszeit, sondern drücke entschieden auf Entfolgen.

Und sobald das Zeichen aufleuchtet, dass ich ihm nicht mehr folge, nimmt der Sturm in meinem Inneren etwas ab und ich fühle mich leichter. Als wäre eine Last, die ich ständig mit mir herumgeschleppt habe, fort.

Ich atme tief ein und habe das Gefühl, meine Lungen diesmal mit etwas mehr Sauerstoff füllen zu können. Mit einem zufriedenen Lächeln drücke ich das Handy an meine Brust und laufe zurück in den Flur, wo mir Autumn bereits entgegensieht.

»Bin so weit.«

Misstrauisch verengt sie die Augen und mustert mich ein paar Sekunden. »Claire – Was hast du im Wohnzimmer gemacht?«

»Ach, nur meine Vergangenheit zurückgelassen.« Ich greife zu meinem Rucksack und schnalle ihn auf den Rücken. Dann schaue ich sie voller Motivation an. »Wollen wir? Sonst fangen die anderen ohne uns an.«

»Okay«, sagt sie langgezogen und wirft mir ein beruhigendes Lächeln zu, während wir die Treppe ins Café hinuntersteigen.

Ich weiß genau, was sie mir damit mitteilen will. Dass sie immer für mich da ist. Innerhalb der letzten sechs Monate, in denen sie jetzt hier auf Cosy Island wohnt, ist sie zu meiner besten Freundin geworden. Sie weiß genau, wann ich Zeit für mich brauche, aber genauso ist sie an meiner Seite, wenn ich bereit bin alles rauszulassen. Wie vor ein paar Wochen, als ich ihr endlich von Brian erzählt habe. Auch wenn ich mich nicht ganz dazu durchringen konnte, sie in alle Details einzuweihen, habe ich mit jedem Wort gefühlt, wie die Last auf meiner Seele kleiner wurde.

Auf der letzten Stufe dreht sie sich noch mal zu mir um und meine Mundwinkel zaubern ein Lächeln hervor, das diesmal nicht hingeklebt ist. Sie erwidert es und kehrt anschließend zu ihrem motivierten Gesichtsausdruck zurück. »Welche Kiste muss mit?«, fragt sie mich, während wir durch die Tür treten, die uns vom Cat’s Coffee trennt. Meinem Café … Auch wenn sich mein wahrgewordener Traum mittlerweile eher so anfühlt, als würde dieser Ort, der immer nach Kaffee und frischem Gebäck duftet, Autumn und mir gemeinsam gehören. Schließlich fällen wir jede Entscheidung zusammen, was sich schön anfühlt. Manchmal bemerkt man gar nicht, wie sehr einem etwas fehlt, bis es plötzlich da ist. Genauso war das mit Autumn. Mir war nicht bewusst, wie einsam die Arbeit im Cat’s Coffee für mich war, bis sie aufgetaucht ist und mich sowie alle, die auf Cosy Island leben, inklusive der Touristen und Touristinnen, mit ihrem Gebäck verzaubert hat.

»Claire?«

»Was?«, frage ich verwirrt.

Sie greift zu einer großen Box mit Servietten, die auf der Theke steht. »Was brauchen wir noch?«

»Ach so, sorry.« Ich sehe mich um, wobei mein Blick über die cremefarbenen Fronten schweift. Anschließend drehe ich mich zu den gemütlichen Tischen und Sitzecken um, die auf dem hellen Parkettboden stehen und normalerweise die Gäste dazu einladen, es sich gemütlich zu machen. Sobald ich zurück bei der Theke aus einladendem Holz ankomme, fällt mir auf, was fehlt. »Ähm – nur die Kreidetafel.« Ich greife nach der schwarzen Schieferplatte, die zu meiner rechten Seite an die Wand gelehnt dasteht, und stemme sie auf meine Arme. Wieso habe ich noch mal versprochen sie mitzubringen? Augenblicklich bereue ich die Entscheidung, als ich merke, wie schwer das Teil ist, auf dem sonst unser Getränke- und Gebäckangebot aufgeschrieben wird.

Autumn schaut mich besorgt aus ihren großen Herbstaugen an. »Geht’s?«

Ich puste meine blonden Haare aus dem Gesicht und versuche die Tafel ein Stück höherzuschieben. »Lass uns sie schnell zum Auto bringen, das Teil ist verdammt schwer.«

»Okay, komm. Zumindest wird es bestimmt gut aussehen, wenn wir darauf die Auswahl an Burgern präsentieren.« Sie schnappt sich meinen Autoschlüssel von der Theke, schiebt ihre Kiste unter den Arm und steuert zielstrebig die Eingangstür vom Café an. Ihre Finger verharren dabei auf der Klinke, um sie mir aufzuhalten.

»Danke«, presse ich zwischen den Lippen hindurch, während ich nach draußen trete.

Die kleine Glocke über der Tür läutet, sobald Autumn diese jetzt zudrückt. Das nehme ich jedoch nur am Rande wahr, weil das Hochrücken der Tafel meine gesamte Aufmerksamkeit beansprucht.

»Kannst du abschließen?«, frage ich sie.

Autumn nickt und klimpert dann vor meinem Gesicht mit ihrem Schlüsselbund herum. Nickend drehe ich mich um und steuere ächzend mein Auto an. Hierbei weht mir eine warme Brise entgegen und in dem Moment bin ich froh, mich heute früh schon für kurze Shorts entschieden zu haben. Das schwarze T-Shirt habe ich knapp über dem Bauchnabel zu einem Knoten gebunden, sodass es nicht locker an mir herunterfällt. Alles in allem ein Outfit, das für Mitte April normalerweise eher ungeeignet ist, aber anscheinend meint es das Wetter nach dem starken Sturm, der vor drei Wochen über uns hinweggefegt ist, endlich gut mit Cosy Island. Besser hätte das Timing nicht sein können.

Von der einen auf die andere Sekunde bereue ich, dass meine Gedanken mal wieder abgeschweift sind, denn die Schiefertafel beginnt gefährlich zu wackeln. O nein. Sie rutscht immer tiefer und ich kann nichts dagegen unternehmen.

»Warte, ich helfe dir.« Autumn stellt ihre Kiste auf den Asphalt und eilt zu mir. Zusammen schaffen wir es, das Ding auf meinen Armen in eine stabilere Position zu rücken, bevor Autumn den Kofferraum öffnet und wir es gemeinsam hinein verfrachten. Ein Glück, dass ich mein Auto gestern Abend direkt an der Seite und nicht auf meinem üblichen Parkplatz hinter dem Café geparkt habe.

»Geschafft.« Ich halte ihr meine Hand hin und sofort klatscht sie ab.

»Dann wollen wir mal.« Sie klaubt die andere Kiste vom Boden und verstaut sie auf dem Rücksitz, um sich anschließend schnaufend auf der Beifahrerseite niederzulassen.

Ich lasse mich auf den Fahrersitz gleiten und drücke sofort den Knopf der Klimaanlage.

Gequält verzieht Autumn ihr Gesicht. »Bitte nicht.«

»Warum ist dir eigentlich immer kalt?«, sage ich zu meiner liebsten Frostbeule und drehe die Lüftung herunter.

Augenblicklich schleicht sich ein dankbares Lächeln in ihr Gesicht. »Also, bist du schon aufgeregt?«

»Und wie.« Ich grinse sie an und drehe dabei den Schlüssel im Zündschloss. Schnurrend springt der Motor an und automatisch strömt Musik aus den Lautsprechern. Wieso vergesse ich eigentlich ständig sie vor dem Parken herunterzudrehen? Schnell stelle ich sie leiser und sehe dabei zu Autumn, die mich durch ihr Lachen auf sich aufmerksam macht. Anscheinend hat sie gerade irgendetwas zu mir gesagt, wovon ich nichts mitbekommen habe.

»Es ist das erste Mal hier, oder?«, wiederholt sie.

Ich nicke. »Hast du gehört, dass das Ocean Sleep komplett ausgebucht sein soll? Irgendjemand meinte sogar, dass sie ein Zimmer richtig teuer zum Mieten ins Internet gestellt haben und es war einfach innerhalb einer Stunde weg.« Ich lenke den Wagen auf die Straße.

»Vielleicht sollten wir uns das fürs nächste Jahr auch überlegen.«

»Klar, Snowball, Lucky und Buttercup wären bestimmt begeistert, ihr Körbchen mit einem Fremden zu teilen.«

»Na, wenn der Fremde dazu gut aussieht«, sagt sie schmunzelnd.

Ich starre stur auf die Fahrbahn vor mir. »Nein, danke. Wer weiß, wer dann letztendlich bei mir auftaucht.«

Aus den Augenwinkeln kann ich trotzdem erkennen, wie sie sich ein Lachen verkneift. »Okay – sorry.«

»Und außerdem, wo willst du ein zusätzliches Zimmer in deinem Cottage herzaubern? Seitdem Sam bei dir wohnt, platzt es doch aus allen Nähten, oder nicht?«, versuche ich den Spieß umzudrehen.

»Stimmt«, brummt sie leise. »Kannst du mir sagen, wofür er drei Surfbretter braucht? Reicht denn nicht eins?«

Dass ich das schon wusste, bevor sie beschlossen haben zusammenzuziehen, behalte ich für mich. »Na ja, sieh es mal so. Wenn ihr weniger Platz habt, teilt ihr euch halt öfter eine Dusche, die Verandaschaukel, den …«

»Claire!«, unterbricht mich Autumn mit hochroten Wangen.

Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu. Süß, dass sie immer so schnell verlegen ist. Es macht einfach zu viel Spaß, sie damit aufzuziehen.

»Sei nett, sonst erzähle ich dir Einzelheiten.« Drohend deutet sie mit dem Finger auf mich und verengt ihre Augen.

Angewidert verziehe ich das Gesicht. »Okay, ist gut.« Ich schüttle den Kopf, um bestimmte Bilder daraus zu befreien. Ständig habe ich die beiden vor meinen Augen, wenn ich ihren Küchentisch sehe. Hätte ich letzten Freitag doch nur angeklopft. Das passiert mir nie wieder.

Zum Glück für mein Kopfkino biege ich im nächsten Atemzug auf den vollen Parkplatz vom Strand ein, der auf der anderen Seite von Cosy Island liegt.

»Ist das aber voll.«

Frustriert seufze ich auf. »Und das schon um die Uhrzeit, hoffentlich bekommen wir überhaupt noch einen Platz.« Kaum habe ich die Worte ausgesprochen, entdecke ich auch schon eine kleine Lücke zwischen zwei Picks-ups. Flugs setze ich den Blinker und steuere ihn an. Nur habe ich dabei nicht mit dem schwarzen Truck gerechnet, der natürlich wie aus dem Nichts angesaust kommt und mir meinen Parkplatz genau vor der Nase wegschnappt. Wieso war das irgendwie klar?

Wütend drücke ich kräftig auf die Hupe und schmeiße die Hände in die Luft. »Hey – das war meiner«, brülle ich durch das Wageninnere.

Die Fahrertür öffnet sich und ein breitgebauter Kerl in einem lockeren T-Shirt tritt auf den Parkplatz. Sofort lasse ich meine Scheibe herunter und funkle ihn an. »Schon mal was von warten gehört?«

Lässig legt er seinen Arm auf mein Autodach und grinst mich mit seinen eisblauen Augen an. »Tut mir leid, Süße, hab dich nicht gesehen.«

Meine Hände verkrampfen sich um das Lenkrad, bis die Fingerknöchel weiß hervortreten. »Davon hab ich jetzt auch keinen Parkplatz«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Wie gesagt, sorry.« Er drückt sich von meinem Wagen ab und schlendert davon.

Stinksauer hebe ich den Mittelfinger, selbst wenn er ihn nicht sehen kann.

Neben mir beißt sich Autumn prustend auf die Unterlippe.

»Was ist so lustig?«

»Das wäre der perfekte Start für einen Liebesroman.« Schmunzelnd rutscht sie in ihrem Sitz etwas hoch und lässt dabei ihren Blick über den Parkplatz schweifen.

Ich schüttle entschieden den Kopf und setze den Wagen erneut in Bewegung. »Mit dem ganz bestimmt nicht.«

Plötzlich springt Autumn in ihrem Sitz auf. »Da vorne.« Sie deutet auf eine freie Stelle zwischen einem Toyota Prius und einem anderen Auto, dessen Marke ich nicht kenne.

Schleunigst drücke ich aufs Gas und lenke uns erleichtert in die Parklücke, bevor erneut so ein Möchtegern-Typ daherkommt und ihn uns wegschnappt.

»Dann wollen wir mal.« Von der Rückbank schnappt sie sich eine der Kisten und drückt anschließend ihre Tür auf.

Ich folge ihr ins Freie und werfe einen Blick zum Meer hinunter. Mit der Hand schirme ich meine Augen vor der Sonne ab, um den Strand besser erkennen zu können. Es dauert nicht lange, da entdecke ich, wonach ich gesucht habe. Das große Banner über der breiten Bühne kann man auch fast nicht übersehen. Die Aufregung kribbelt in meinem Magen und wandert von da bis in meine Fingerspitzen. Spring Break Festival.

Kapitel 2

Nicht mal fünf Stunden später ist das kleine elektronische Musik-Festival in vollem Gange. Obwohl ich es bei der Masse an Besuchern und Besucherinnen nicht mehr klein nennen würde. Überall feiern Menschen ausgelassen und genießen die tolle Atmosphäre, während ich zusammen mit meinen Freunden mitten auf einer Düne in einem Essensstand hocke. Aber da muss ich jetzt durch, schließlich haben Autumn und ich keine Sekunde überlegt, als uns Chase vor ein paar Wochen gefragt hat, ob wir ihn heute unterstützen können. Außerdem, wer könnte seinem zweiten besten Freund etwas abschlagen? So was war für uns schon immer selbstverständlich. Als wir noch zur Highschool gegangen sind, war ich diejenige, die ihn morgens anrufen musste, damit er die Fähre nicht verpasst. Oder er mich, wenn eine Party am vorherigen Tag mal zu lang gedauert hat.

Und so, wie er mir erst letzten Monat geholfen hat, die Espressomaschine im Café zu reparieren, bin heute ich diejenige, die ihn unterstützt. Allerdings wüsste ich jetzt auch nicht, wie er das allein mit Sam hätte schaffen sollen. Da nur noch eine Pizzabude weiteres Essen anbietet, hätten wir ahnen müssen, wie überlaufen es sein wird. Selbst zu viert haben wir gerade alle Hände voll zu tun und ich kann nicht leugnen, dass ich nun lieber zu der tanzenden Masse gehören würde.

Leise seufzend richte ich meine Aufmerksamkeit zurück auf die Warteschlange vor mir. »Noch zwei Cheeseburger«, rufe ich Chase zu und versuche die lauten Bässe zu übertönen. Mein Blick schweift kurz zu ihm rüber, wo mir sein hochgestreckter Daumen verrät, dass er alles mitbekommen hat. Routiniert schmeißt er neue Pattys auf den Grill und wirkt dabei mit seinen verstrubelten Haaren und seinem leichten Bart bestimmt auf die meisten Frauen wie ein Magnet. Mal gucken, wann die nächste ihre Hände in seiner Frisur vergräbt.

Fast muss ich mir ein triumphierendes Grinsen verkneifen, denn den neuen Schnitt hat er mir zu verdanken. Vermutlich ist er sogar froh die Wette gegen mich verloren zu haben. Eigentlich kennt er mich besser und hätte wissen müssen, dass ich es schaffe, auf einem Bein vier Shots hintereinander zu trinken. Aber wahrscheinlich hat er nur einen Grund gesucht, um zu sehen, ob ihm diese Frisur steht. Bestimmt wären seine dunklen Haare sonst weiterhin raspelkurz. Wobei das ja auch seine Vorteile hat, schließlich muss man sich keine Gedanken darum machen, wie die Frisur gerade aussieht. So wie bei mir.

Um das abzuchecken, tänzle ich zu der Ecke vom Burger-Stand, in der unsere Sachen verstaut sind. Dabei quetsche ich mich an Autumn und Sam vorbei, die die nächsten Bestellungen der zweiten Warteschlange aufnehmen und abarbeiten. Schnell ziehe ich meinen Rucksack unter Autumns Beutel hervor und krame mein Smartphone hervor, um einen prüfenden Blick in die Frontkamera zu werfen. Die zwei Knoten, die seitlich an meinem Kopf sitzen, haben sich kein bisschen gelöst und der goldene Glitzer auf meinem Scheitel ist immer noch da. Bin ich froh, dass wir vorhin ein wenig Zeit dafür erübrigen konnten. Zwischen all den festivaltauglichen Outfits und Frisuren habe ich mich doch ziemlich fehl am Platz gefühlt. Und als hätte Autumn das geahnt, ist sie natürlich bestens ausgestattet gewesen. Mein eigentliches Outfit habe ich dann schnell gegen ein schwarzes, lockeres Kleid getauscht, das knapp über meinen Knien endet. Keine Ahnung, wann Autumn es geschafft hat, das einzustecken.

Zufrieden werfe ich das Handy zurück in den Rucksack und schlage den Rückweg zur Bestellschlange ein, wo mich direkt zwei Mädchen in bauchfreien, schwarzen Spitzentops erwarten.

»Was möchtet ihr?«

Sie geben mir ihre Bestellung durch, die ich sofort an Chase weitergebe. Anschließend wende ich mich ihnen wieder zu, weil ich damit rechne, direkt die nächsten Burger aufzunehmen, aber Fehlanzeige. In dem Augenblick bricht die Menge vor der Bühne in lauten Jubel aus.

»Muss jemand Bekanntes sein«, sage ich zu den zwei Mädchen.

»Ja, dieser neue Bryce oder so.« Die eine von ihnen zuckt mit den Schultern.

»Scheint gut zu sein«, erwidere ich. Von hier hinten kann man zwar alles super erkennen, trotzdem würde ich jetzt lieber in der Menge mitfeiern. Links und rechts neben der breiten Bühne zeigen riesige Screens in regelmäßigen Abständen Momente der feiernden Besucher und Besucherinnen oder des DJs, der gerade auflegt. Untermalt wird das durch die Nebelmaschine, die zwischendurch künstlichen Rauch in den verschiedensten Farben in den Himmel schießt.

Aus den Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung wahr. Ich linse zu Chase, der nun neben mich tritt. »Hier, eure Bestellung.« Über die Theke reicht er ihnen die beiden Burger.

»Danke«, antwortet das Mädchen, das ein bisschen längere Haare als das andere hat. »Vielleicht sieht man sich später noch mal.« Ihr Blick gleitet an ihm hoch und runter.

»Ja, vielleicht«, entgegnet Chase vage. Merkwürdig, normalerweise würde er auf ihren Flirtversuch eingehen.

Sie zwinkert ihm kurz zu, bevor sie kehrtmachen und zurück in der Masse verschwinden.

»Was war das denn?«, frage ich.

Er zieht seine Augenbrauen nach oben. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

Ich werfe ihm einen misstrauischen Blick zu. »Weißt du wohl.«

»Ich habe ja gesagt, vielleicht später.« Er dreht sich um und holt aus dem Kühlschrank hinter uns eine neue Ladung Käse. »Bin gleich zurück.«

»Du wirst sie bei den Tausenden von Menschen bestimmt wiedersehen«, rufe ich ihm noch sarkastisch hinterher und wende mich dann kopfschüttelnd der Bühne zu. Dahinter taucht die Sonne in diesem Moment ins Meer und lässt den Himmel in einer Mischung aus Blau und Orange erstrahlen, was mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

Doch noch mehr freut mich, dass das erste Spring Break Festival hier auf Cosy Island so ein voller Erfolg ist. Die Menschen sind aus allen Ecken angereist, wahrscheinlich freuen sie sich genauso sehr, dass es ausgerechnet heute so warm ist. Normalerweise müsste ich ganz vorne dabei sein. Denn ich bin die Erste, die ihre Sommersachen auspackt, sobald die Temperaturen steigen. Ich liebe es, wenn die Sonne jeden Tag weit oben am Himmel steht, die Haut zum Glühen bringt und meine Stimmung aufhellt.

Ein Stupsen am Arm löst mich von dem Anblick der auf und ab hüpfenden Masse. »Hier, trink mal was.« Autumn hält mir eine Wasserflasche entgegen. In ihrem Glitzer-Pailletten-Top und den schwarzen Shorts sieht sie ziemlich festivaltauglich aus.

»Was würde ich nur ohne dich machen.« Schmunzelnd nehme ich die Erfrischung an mich und trinke in einem Zug die halbe Flasche aus.

»Verdursten oder einen Sonnenstich bekommen«, tadelt sie mich spielerisch.

Hinter ihr schlingt Sam seine sonnengebräunten Arme um ihre Hüften. Dabei drückt er ihr einen Kuss auf den Kopf, wobei ein wenig von dem goldenen Glitzer, der in ihren Haaren schimmert, an seinen Lippen kleben bleibt. Anstatt ihn darauf hinzuweisen, sehe ich lieber amüsiert dabei zu, wie es sich bei jeder Regung von ihm bewegt.

»Ganz schön viel los, was?« Sein zerrissenes Shirt sitzt locker an seinem Oberkörper.

»Wo ist eigentlich der Rest deines T-Shirts?« Ich grinse. Den Witz habe ich mir den ganzen Tag bereits verkniffen.

Er verdreht die Augen. »Den wolltest du schon die ganze Zeit bringen, was?«

Wie gut er mich doch kennt. Lachend nicke ich ihm zu und tätschle mütterlich seine Schulter. Hinter ihm kann ich Chase ausmachen, der zurück in unseren Stand klettert. Er macht sich an dem Grill zu schaffen, wahrscheinlich um ihn zu reinigen, bevor uns ein neuer Sturm an hungrigen Leuten überfällt. Immer wieder taucht er seine definierten und teilweise tätowierten Arme in den Eimer mit Wasser, um den Schwamm auszuwringen. Dass man vom Burgergrillen, Bestellungenverteilen und manchmal Surfen so eine Figur bekommt, finde ich jedes Mal aufs Neue erstaunlich. Denn seine Freizeit verbringt er lieber mit unseren Freunden oder bei einer Runde auf der Xbox, anstatt Gewichte im Gym zu stemmen – und trotzdem starrt ihm fast jede zweite Frau hinterher. Wahrscheinlich trainiert er heimlich bei Sam in der Surfschule, die dieser gemeinsam mit unserem Freund Travis führt. Und da habe ich auch schon den perfekten Einsatz für unsere nächste Wette, wenn mal wieder eine zustande kommt. Spätestens dann wird er mir verraten müssen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.

Aber Chase sieht nicht nur ziemlich gut aus. Nein, noch dazu bringt er jeden zum Lachen, kann aber auch genauso fürsorglich sein. Ich kann verstehen, weshalb ihn die Frauen so toll finden. Nicht zu vergessen, dass er immer für einen da ist, wenn man ihn braucht. Ein Anruf und er ist zur Stelle, falls er nicht gerade mit einer Frau beschäftigt ist. Denn auch das ist Chase: ein Frauenheld, den man ständig mit jemand anderem sieht … Plötzlich drängt sich eine Erinnerung in den Vordergrund, die ich längst vergessen wollte und eigentlich dachte, ich hätte es erfolgreich geschafft.

Seine Lippen auf meinen.

Chase und ich.

Mein bester Freund.

Ich schüttle den Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Das Ganze ist über ein halbes Jahr her und lag lediglich an den zu vielen Cocktails, die wir an diesem Abend in seinem Diner getrunken haben. Es waren einzig und allein ein paar flüchtige Momente. Danach ist es nie mehr vorgekommen und da wir anschließend kein Wort darüber verloren haben, bin ich mir ziemlich sicher, Chase hat es längst vergessen.

Hoffentlich.

Ich blinzle und vertreibe so die Gedanken, bis ich bemerke, dass Chase mich aus seinen karamellbraunen Augen ansieht. »Hey«, setze ich an. »Brätst du mir auch einen, Mr Chaseburger?« Ich nicke in Richtung seiner Schürze, die ein Geschenk von Sam und mir zu Weihnachten war. Das dunkelbraune Teil ist mit einem Cheeseburger in Form von seinem Gesicht mit der Aufschrift Chaseburger bedruckt. Sein aufblitzendes Schmunzeln verrät mir, dass er den Witz mittlerweile genauso gut findet.

»Aye, aye, Captain.« Er legt seine Hand an die Schläfe und salutiert mir zu, während ich das Ganze mit einem Augenverdrehen kommentiere.

»Welchen willst du denn?«

Ich lege meinen Finger an die Lippen. »Na was wohl, einen Chaseburger.«

Jetzt ist er es, der seine Augen verdreht. »So langsam wird es langweilig, Claire.«

Ich verschränke die Arme vor der Brust und schüttle entschieden den Kopf. »Finde ich überhaupt nicht.«

»Sei lieb, sonst zerstöre ich deine Frisur.« In Zeitlupe kommt er näher und streckt seine Finger nach meinem linken Haarknoten aus.

»Wag es ja nicht«, drohe ich ihm und bohre einen Zeigefinger in sein schwarzes T-Shirt.

»Okay, okay.« Er hebt beide Hände und zwinkert mir zu, was mich dazu veranlasst, meinen Finger von seiner Brust zu lösen. Dabei fällt mein Blick auf den leeren Grill.

»Hey, machst du mir jetzt einen Burger oder nicht?« Ich ziehe einen Schmollmund. Normalerweise funktioniert das immer bei Chase.

»Aber klar.« Sofort schmeißt er einen neuen Patty auf den Grill, der ein lautes Zischen von sich gibt. »Und hast du bisher schon jemanden Bekanntes entdeckt?«

»Nein, unfassbar, oder? Dass ich das mal auf Cosy Island sage, wo wir doch ständig von den Nachbarn umringt sind. Aber das haben wir echt mal wieder gebraucht.«

Mit einem Pfannenwender dreht Chase den Patty um, damit er auf der anderen Seite genauso kross angebraten wird. Er weiß einfach, wie ich meine Burger am liebsten esse. »Das stimmt, das hatten wir dringend nötig.«

»Mr Anderson wird sich mit Sicherheit freuen.« Seit knapp acht Monaten ist unser neuer Bürgermeister in seinem Amt und obwohl er nur drei oder vier Jahre älter als wir ist, hat er es total drauf. Er sprudelt praktisch vor Ideen. Der Vorschlag mit dem Spring Break Festival kam ebenfalls von ihm, vor allem, weil wir damit mehr junge Leute anlocken, bevor die Insel noch zu einem Rentenressort wird. Und so voll, wie es ist, ist das ziemlich geglückt.

Lautes Gegröle lässt mich wieder zu der feiernden Masse blicken, die in diesem Moment riesige Bälle in die Höhe befördert. Passend dazu legt der DJ ein neues Lied auf, was die Menschen ausrasten lässt. Zur Krönung des Ganzen wird nun auch glitzerndes Konfetti in die Zuschauermenge geworfen.

»Wahnsinn«, kommt es fast lautlos von meinen Lippen.

Chase’ Arm streift mich, als er nach der Soße greift. Das reißt mich zurück zu unserem Stand, hier oben auf der kleinen, sandigen Düne.

»Ja, oder? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass das auf unserer Insel stattfindet.«

Gedankenverloren bringe ich lediglich ein Nicken zustande, denn die jubelnde Masse droht mich zurück in ihren Bann zu ziehen.

»Erde an Claire – Dein Essen ist fertig.« Chase stupst mich leicht an und hält mir den vor Soße triefenden Leckerbissen unter die Nase. Sofort gilt meine ganze Aufmerksamkeit diesem Gelüst von Burger. Von der Theke schnappe ich mir eine Serviette und nehme ihn dann entgegen.

»Dankgege«, kommt es unverständlich aus meinem Mund, weil ich bereits den ersten Bissen inhaliert habe. Seine Burger sind einfach unverschämt gut. Besonders die selbstgemachte Soße hat es mir angetan. Die perfekte Mischung aus süß und scharf. Was ich ihm natürlich nie verraten würde.

»Geht’s?«, fragt Chase lachend, während mir die Soße das Kinn herunterläuft.

Ich nicke, wische sie mit der Serviette weg und sehe mich dann nach Autumn und Sam um. Doch die zwei sind nirgends zu entdecken.

»Wo sind die anderen beiden eigentlich hin?«

Chase stützt sich an der Theke ab. »Du hast mal wieder nichts mitbekommen, was?« Er schmunzelt. »Sie holen neue Servietten aus dem Supermarkt.«

Leicht verlegen zucke ich mit den Schultern. »Sorry.« Um vom Thema abzulenken, stopfe ich mir den letzten Bissen in den Mund und lecke mir anschließend über die Lippen. »War wie immer super, Chase.«

Ein paar Sekunden lang starrt er mich ausdruckslos an, doch dann dreht er sich ruckartig um und holt neuen Salat aus dem kleinen Kühlschrank, der an einem Stromgenerator angeschlossen ist. »Freut mich«, erwidert er kurz und knapp.

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Was ist heute los mit ihm? Ich hole tief Luft, doch bevor ich dazu komme, sein seltsames Verhalten zu hinterfragen, ertönt hinter uns eine laute Stimme.

»Kann mir bitte jemand helfen?«

Alarmiert drehe ich mich um, gleichzeitig, als das Mädchen ihre Worte wiederholt. Verzweifelt.

Ruckartig wendet sich auch Chase um. Zwischen ein paar Menschentrauben schaut sich ein brünettes Mädchen offensichtlich hilflos um. Von hier aus erkenne ich nicht viel, doch bei ihr scheint noch eine weitere Person zu sein, wobei diese ziemlich weggetreten wirkt.

Chase und ich wechseln einen Blick, dann springt er über die Theke, während ich durch den seitlichen Ausgang auf sie zueile.

Das Mädchen, das um Hilfe gerufen hat, kniet sich jetzt mit ihrem blauen Bikinioberteil und ihren dunklen Shorts zu ihrer Freundin auf den Boden, die in einem roten Kleid steckt.

»Was ist los?«, fragt Chase. Er kommt mir genauso verwirrt vor, wie ich mich fühle.

»Ich weiß nicht, sie bekommt irgendwie nichts mit und schafft es nicht, aufzustehen oder mir zu antworten.« Wiederholt stupst sie ihre Freundin an und hält ihr eine Wasserflasche hin. »Olivia, bitte trink was.« Ratlos schaut sie zu uns. »Wir haben nichts genommen, ehrlich, und getrunken auch so gut wie nichts. Ich schwör’s.« Ihre dunklen Augenbrauen ziehen sich verzweifelt zusammen.

»Lass uns sie lieber zu den Sanitätern bringen, vielleicht hat sie einen Sonnenstich.« Ich gehe ebenfalls auf die Knie, dabei fällt mir sofort auf, dass Olivia, wie sie anscheinend heißt, mich nicht wirklich fixieren kann. Immer wieder wandert ihr Blick umher und auf ihrer Stirn blitzen kleine Schweißperlen auf.

»Auf jeden Fall.« Chase kommt ebenfalls zu uns nach unten.

»Wir sollten sie stützen«, schlage ich vor.

Beide nicken mir zustimmend zu. Also lege ich meinen Arm um Olivias Schultern, was mir ihre Freundin nachmacht. Auf diese Weise schaffen wir es, sie auf die Beine zu bekommen, kommen jedoch keinen Schritt voran, da sie bei jedem Versuch droht seitlich wegzukippen.

»Shit«, kommt es von der Freundin.

»So wird das nichts«, seufze ich.

Chase fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Ich kann sie tragen«, bietet er an.

»Ja, bitte.« Dankbar nickt das Mädchen ihm zu.

»Okay, dann kommt.«

Wir setzen Olivia vorsichtig auf dem Boden ab, sodass Chase sie gut zu greifen bekommt. Mit ihr auf seinen Armen richtet er sich schließlich auf und deutet mit einem Nicken auf Olivias Kleid. »Kannst du das mal ein Stück runterziehen? Sie würde bestimmt nicht wollen, dass alle hier ihre Unterwäsche sehen.«

Das Mädchen blickt an ihrer Freundin herunter und formt dann mit ihren Lippen ein stummes O. Sie zieht das Kleid herunter. »Danke«, haucht sie.

Chase. Gentleman in jeder Lebenslage.

»Dann wollen wir mal.« Suchend nimmt er die Umgebung in Augenschein.

Ich deute auf ein Schild, das auf ein Notfallzelt hinweist. »Da entlang.«

Also steuern wir den Weg an.

»Geht es?«, fragt das Mädchen Chase.

Er nickt ihr lediglich zu. Anscheinend scannt er die Masse weiter nach dem Zelt ab, das bisher nicht in Sichtweite ist.

»Wie heißt du eigentlich?«, richte ich mich an sie.

»Scarlett.«

Wir eilen um einen vollen Cocktailstand herum, wo mir ein weiteres Schild auffällt. Ich nicke in die Richtung, die uns der Pfeil vorgibt.

Ein paar der Anstehenden drehen sich neugierig zu uns um, doch ich versuche ihnen keine Beachtung zu schenken. Was jedoch nicht so gut klappt, als ein Mädchen ihr Handy zückt. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich funkle sie an, was anscheinend den gewünschten Effekt erzielt. Denn sie scheint es sofort zu bemerken und schiebt das Handy mit hochroten Wangen zurück in ihre hintere Hosentasche.

»Wir sind da.« Chase’ Stimme löst mich von dem Anblick der Menschentraube, die neugierig miteinander tuschelt.

Am liebsten würde ich hingehen und ihnen meine Meinung geigen. Stattdessen sehe ich mich zu dem großen Notfallzelt um, auf das Scarlett nun deutet. »Gott sei Dank!« Erleichtert stoße ich meinen Atem aus.

Wie von selbst beschleunigen wir unsere Schritte und erreichen unser Ziel innerhalb weniger Sekunden. Dem Anschein nach haben sie uns schon bemerkt, denn sobald wir durch den offenen Eingang treten, bedeutet ein älterer Mann Chase, Olivia auf einer Trage abzulegen. Eine Frau eilt dazu und während sie sich um sie kümmern, entfernen Chase und ich uns von ihnen.

Ich inspiziere das Zelt, in dem wir anscheinend bis auf die Handvoll Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Einzigen sind.

»Ich glaube, das ist noch mal gut gegangen«, stößt Chase aus.

»Zum Glück.« Ich sehe mich nach Scarlett um, die an Olivias Trage steht und ihre Hand hält. »Ich verstehe nicht, wieso die zwei vorher niemand bemerkt hat.«

Als würde sie meinen Blick spüren, dreht sich Scarlett in dieser Sekunde zu uns um. Sie beugt sich zu Olivia runter und flüstert ihr irgendwas zu. Dann löst sie sich von ihr und kommt zu uns rüber. Ihre Mundwinkel wandern dabei immer höher. »Ohne euch hätte das wirklich schlimm ausgehen können.« Sie schluckt. »Danke.«

Flüchtig drücke ich ihre Hand. »Ich hoffe, es geht ihr bald besser.«

Erleichtert streicht sie ihre langen Haare nach hinten. »Die behandelnde Ärztin vermutet auch einen Sonnenstich.«

»Das wird schon wieder«, kommt es aufmunternd von Chase.

Sie nickt ihm zu, wobei ihr Blick an seinem Gesicht kleben bleibt. »Ja«, sagt sie langgezogen. Ein paar Sekunden kaut sie auf ihrer Unterlippe herum, ehe sie erneut ansetzt. »Also, da nun alles gut wird …« Sie tritt von einem Fuß auf den anderen. »Habt ihr Lust, später zusammen feiern zu gehen?«

Ob sie damit wirklich uns meint, bezweifle ich, denn weiterhin starrt sie nur Chase an und färben sich ihre Wangen jetzt etwa eine Nuance rosiger? Es vergeht wirklich keine Stunde, in der er nicht angemacht wird.

Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie er flüchtig zu mir sieht und sich dann im Nacken kratzt. Jede Wette, dass Chase gleich auf ihren Flirtversuch eingeht und ich zusehen muss, wie das Ganze seinen Lauf nimmt. Eigentlich stört mich das in der Regel nicht, nur muss es ausgerechnet hier und jetzt sein? Hätten sie nicht warten können, bis wir mitten im Festival sind und ich vielleicht auch einen süßen Typen finde, der sich ausnahmsweise für mich interessiert? Nicht, dass ich glaube, dass das heute passiert.

Oder in ferner Zukunft.

Doch zu meiner großen Überraschung seufzt Chase leise auf. Habe ich das richtig gehört? In der Tat, er hat geseufzt. Was ich so von ihm nicht kenne. Normalerweise würde er jetzt seine Stimme senken und ihr mit den Worten antworten, die sie wahrscheinlich hofft zu hören.

»Wir sind schon mit unseren Freunden verabredet, sorry.«

Mit großen Augen sehe ich kurz zu ihm rüber. Was redet er da? Wo ist der Chase hin, den ich kenne?

Sofort bekomme ich Mitleid mit Scarlett, besonders weil sich ihre Wangen jetzt immer dunkler färben. Mit so einer Abfuhr hat sie mit Sicherheit nicht gerechnet. Betreten schaut sie zu Boden und anschließend zu mir rüber. »Viel Spaß euch noch.« Sie wirft mir ein Lächeln zu, das nicht wirklich echt wirkt, und kehrt schnell zu Olivia zurück. Vermutlich wünscht sie sich in dieser Sekunde, nie gefragt zu haben.

Ich stupse Chase an. »Was stimmt nicht mit dir?«, flüstere ich.

Seine Antwort besteht lediglich aus einer gehobenen Augenbraue, bevor er den Ausgang des Zelts ansteuert. Kurz verharre ich an Ort und Stelle, stolpere ihm dann aber hinterher.

Es ist Chase.

Mein bester Freund, der nur in den seltensten Fällen auf einen Flirtversuch verzichtet. Der sich lieber auf One-Night-Stands einlässt als auf feste Beziehungen. Wobei … er hatte noch nie eine feste Beziehung. Höchstens auf der Highschool, doch das hat nie lange gehalten. Und den Grund dafür kennt, glaube ich, ausschließlich er selbst. Er behauptet zwar immer, dass er bisher einfach nicht die Richtige gefunden hat, nur bezweifle ich das. Und auch wenn ich ihn schon mein Leben lang kenne, weiß ich nicht, ob es ihm einfach Spaß macht, mich damit aufzuziehen, dass er mir den wahren Grund nicht verrät, oder ob er ihn mir nicht sagen will. Aber so schnell gebe ich mich nicht geschlagen …

»Chase«, setze ich an, sobald ich wieder zu ihm aufgeholt habe. »Wieso hast du dich nicht mit ihr verabredet?«

»Warum sollte ich?«

Ich bleibe stehen und starre ihm hinterher. Zumindest bemerkt er dieses Mal, dass ich nicht mehr bei ihm bin, und verharrt ebenfalls. Er dreht sich zu mir um, wobei er keine Miene verzieht.

»Sie ist süß.«

Er zuckt mit den Schultern. »Und?«

»Normalerweise wäre sie spätestens in drei Stunden in deinem Bett.« Ich gehe auf ihn zu. »Mit dir.«

»Lass gut sein.«

»Nein.«

Er schüttelt genervt den Kopf. »Ich habe einfach keinen Bock.«

»Worauf?«

Das Brummen, welches er jetzt ausstößt, übertrumpft sogar den Bass des DJs, der die Menge gerade zum Beben bringt. »Na, darauf.« Er macht eine ausladende Geste.

Ich verziehe das Gesicht. »Was?«

»Auf die ganzen One-Night-Stands, davon brauch ich mal eine Pause.«

»Okay«, antworte ich langgezogen.

»Und jetzt komm bitte. Sonst wundern sich Autumn und Sam noch, wenn sie eher zurück sind als wir.«

»Na gut«, grunze ich und gebe mich vorerst geschlagen.

Er schlägt wieder den Rückweg ein und ich eile hinterher. Dabei versuche ich den umstehenden Menschen auszuweichen, bin jedoch eher wenig erfolgreich. Noch dazu werde ich kurz darauf von jemandem angerempelt. Beinahe falle ich mitten in den Sand und kralle mich deshalb haltsuchend an meinem Gegenüber fest. Erst dann bemerke ich, woran ich mich festklammere.

An einer Brust.

Einer nackten Brust.

Shit.

Mit geröteten Wangen spähe ich nach oben und wünsche mir in diesem Augenblick, der Erdboden würde sich auftun und den Typen verschlucken. Denn es ist niemand Geringeres als der Parkplatz-Dieb.

»Erst klaust du mir meinen Parkplatz und jetzt willst du mich auch noch umwerfen?«

Der blonde Typ mit den vielen Muskeln schaut mich amüsiert an. »Sorry, Süße, hab dich nicht gesehen.«

»Ach, wie mein Auto heute Mittag.« Ich stemme meine Hände in die Hüften.

»Claire, alles okay?« Chase kommt um den Typen herumgelaufen und schaut mir prüfend ins Gesicht.

»Ja, alles gut, dieser Kerl wollte gerade weitergehen.«

Anstatt seinen Weg fortzusetzen, verzieht er jedoch seine Mundwinkel und mustert mich einmal von oben bis unten. »Kann ich es nicht wiedergutmachen?«

»Kein Bedarf, danke!«, presse ich hervor.

»Ach, komm schon, Schätzchen, du wirst es nicht bereuen.«

»Nein.« Ich möchte an ihm vorbeigehen, werde allerdings von seiner Hand davon abgehalten. Diese schüttle ich sofort ab.

»Sie hat Nein gesagt!« Chase macht einen drohenden Schritt auf ihn zu.

Allerdings ignoriert ihn dieser unverschämte Typ völlig und konzentriert sich stattdessen weiterhin auf mich. Sein Blick, der ein paar Sekunden an meinem Ausschnitt kleben bleibt, verursacht mir eine Gänsehaut und ich komme mir vor, als wäre ich irgendeine Ware im Supermarkt, die man begutachtet. »Süße, ich lad dich ein. Egal, worauf du Lust hast.«

Hört der denn nie auf? Es reicht! In meinem Kopf blitzt eine Idee auf, die sich in Sekundenbruchteilen zu einer Handlung verformt, ohne dass ich weiter darüber nachdenke.

»Worauf ich Lust habe? Darauf.« Entschlossen greife ich nach Chase’ Hand und ziehe ihn zu mir heran, um meine Lippen fest auf seine zu pressen. Völlig perplex macht er erst mal gar nichts und lässt mich lediglich seine sanften Atemzüge spüren. Doch dann … erwidert er den Kuss und sorgt dafür, dass ich für einen kurzen Augenblick alles andere vergesse. Dass alles andere in den Hintergrund rückt.

Chase schmeckt nach Wärme, Aufregung und einer Ruhe, die sofort auf mich übergreift. Zumindest, bis ich den Typen aufbrummen und davonstampfen höre, was uns beide schlagartig zurück in die Realität katapultiert.

Keuchend mache ich mich von Chase los und mustere ein paar Sekunden lang seine karamellbraunen Augen.

»Was war das denn?«, fragt er völlig irritiert.

Das frage ich mich auch. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Lässig versuche ich mit den Schultern zu zucken und zu ignorieren, dass sich mein Herzschlag beschleunigt. Allerdings beschleunigt es sich nicht nur, es beginnt zu rasen. »Ich dachte, so werden wir ihn schneller los und vermeiden eine Schlägerei.« Eilig setze ich mich wieder in Bewegung, während Chase mir genauso schnell folgt.

»Also, ich hätte nichts dagegen weiterzumachen.«

Da ist er wieder, der Chase, den ich seit Jahren kenne. Und mit diesem einen Satz sorgt er dafür, dass sich die aufgeladene Stimmung zwischen uns sofort entspannt. Vielleicht bin ich auch die Einzige, die sie so wahrgenommen hat …

Ich drehe mich zurück zu ihm, wobei ich flüchtig auf seinen Mund starre. »Das kannst du vergessen, behalte diesen Moment lieber schön in deiner Erinnerung, denn es war das erste und letzte Mal.« Schließlich ist er mein bester Freund. Mehr nicht.

»Das zweite Mal.«

»Was?«, wispere ich.