Summer in your Dreams (Cosy Island 3) - Elle Ellis - E-Book
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Summer in your Dreams (Cosy Island 3) E-Book

Elle Ellis

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  • Herausgeber: Carlsen
  • Sprache: Deutsch
Beschreibung

Einfühlsam und hochromantisch entführt Elle Ellis ihre Leser*innen auf eine abgelegene Atlantikinsel und erzählt eine Liebesgeschichte, die jedes Herz zum Schmelzen bringt. Auf einer so idyllischen Insel wie Cosy Island aufzuwachsen, war für Summer immer wie ein wahrgewordener Traum. Doch als sie vorzeitig das College abbricht, fühlt es sich plötzlich nicht mehr ganz so schön an, denn niemand der neugierigen Bewohner darf jemals erfahren, welch dunkle Schatten Summer mit sich herumträgt. Entschlossen konzentriert sie sich auf das, was sie sich schon so lange wünscht: die Eröffnung einer eigenen Bar. Leider scheint sie aber auch bei diesem Vorhaben das Pech zu verfolgen, denn sie muss ausgerechnet mit dem nervenaufreibendem Surferboy Travis zusammenarbeiten, der sie mit jedem Satz zur Weißglut bringt. Bis sie merkt, dass er sie weitaus besser versteht, als sie jemals geahnt hätte … Leserstimmen zur Reihe: »Konnte das Buch kaum aus den Händen legen. Es hat einfach süchtig gemacht.« »Absolutes Herzensbuch & Jahreshighlight!« »Ich brauche mehr!« »Leseerlebnis des Jahres!« Dies ist der dritte Band der gefühlvollen Slow-Burn-Romance-Reihe »Cosy Island«. Alle Bände der New Adult Romance bei Impress: -- Autumn In Your Eyes (Cosy Island 1) -- Spring In Your Heart (Cosy Island 2) -- Summer In Your Dreams (Cosy Island 3) -- Winter In Your Soul (Cosy Island 4)// Elle Ellis zählt mit über 20.000 Abonnent*innen zu den bekanntesten Buchbloggerinnen Deutschlands und begeistert ihre Follower*innen mit ihrer Liebe zu Büchern. Auf ihrem Instagram-Account @thebookelle schreibt sie über Geschichten, die sie bewegen, über ihre Katzen, die ihr in jeder Lebenslage ein Lächeln ins Gesicht zaubern, und über Eiskaffee, der beim Lesen einfach nicht fehlen darf.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

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Elle Ellis

Summer in your Dreams (Cosy Island 3)

Einfühlsam und hochromantisch entführt Elle Ellis ihre Leser*innen auf eine abgelegene Atlantikinsel und erzählt eine Liebesgeschichte, die jedes Herz zum Schmelzen bringt.

Auf einer so idyllischen Insel wie Cosy Island aufzuwachsen, war für Summer immer wie ein wahrgewordener Traum. Doch als sie vorzeitig das College abbricht, fühlt es sich plötzlich nicht mehr ganz so schön an, denn niemand der neugierigen Bewohner darf jemals erfahren, welch dunkle Schatten Summer mit sich herumträgt. Entschlossen konzentriert sie sich auf das, was sie sich schon so lange wünscht: die Eröffnung einer eigenen Bar. Leider scheint sie aber auch bei diesem Vorhaben das Pech zu verfolgen, denn sie muss ausgerechnet mit dem nervenaufreibende Surferboy Travis zusammenarbeiten, der sie mit jedem Satz zur Weißglut bringt. Bis sie merkt, dass er sie weitaus besser versteht, als sie jemals geahnt hätte …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Elle Ellis kann sich ein Leben ohne Bücher nicht mehr vorstellen. Sie trinkt liebend gerne Eiskaffee und schreibt dabei an ihren Geschichten. Das Bloggen unter dem Namen “thebookelle” mag sie gar nicht mehr aus ihrem Leben wegdenken. Zusammen mit ihrem Freund und den gemeinsamen beiden Katzen lebt sie zwischen all ihren Büchern.

Für alle,

die ein paar Sonnenstrahlen gebrauchen können

Playlist

Sadie Jean – Locksmith

Selena Gomez – People You Know

Sleeping At Last – Sun

The Fray – Heartbeat

Avril Lavigne – Bite Me

BANNERS – Half Light

Andrew Belle – Dive Deep (Hushed)

Taylor Swift – Enchanted

Kodaline – Everyone Changes

Juke Ross – Keep You Dry

New West – Those Eyes

Sum 41 – Best Of Me

Maisie Peters – Good Enough

Radical Face – Always Gold

Novo Amor – Repeat Until Death

Kenna Childs – You’re Gonna Be Ok

Ellie Goulding – My Blood

Dean Lewis – Hurtless

Florence + The Machine – Never Let Me Go

Vance Joy – We’re Going Home

Kapitel 1

Mir würden hundert Sachen einfallen, mit denen ich heute lieber meine Freizeit verbringen würde. Tausend Dinge. Stattdessen muss ich mich mit den altmodischen Vorschriften meines Colleges auseinandersetzen. In welchem Jahrhundert lebe ich eigentlich? Seit wann muss man in einem digitalen Zeitalter vor Ort sein, um irgendwelche blöden Dokumente zu unterschreiben? Ich verstehe einfach nicht, wieso sie mir die Sachen nicht per Mail senden. Schließlich kann heutzutage jeder online sein Kürzel daruntersetzen und muss nicht erst über eine halbe Stunde mit der Fähre fahren, um dann weitere dreißig Minuten in einem muffigen Bus zu sitzen, bei dem auch noch die Klimaanlage ausgefallen ist.

Trotzdem bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als das durchzuziehen und mich meinem schlimmsten Albtraum zu stellen. Dabei wäre ich jetzt so viel lieber auf Cosy Island. Meinem Zuhause. Mein Rückzugsort, an den ich mich verkrieche, sobald mir alles zu viel wird. Ja, ich würde in diesem Moment alles dafür geben, dort zu sein. Und doch habe ich den Bus längst hinter mir gelassen und blicke mit einem beklemmenden Gefühl an dem dunklen Backsteingebäude des Bahia Bay Colleges hoch.

Es fühlt sich an, als würde mich dieses alte Gemäuer verspotten. Als würde mich das Hauptgebäude meines ehemaligen Colleges auslachen, sich über mich lustig machen, weil ich wirklich wegen ihnen alles hinschmeiße. Davonrenne. Obwohl es in diesem imposanten Bauwerk, das die perfekte Kulisse für eine Burg in einem Fantasyfilm liefern würde, auch schöne Zeiten gab. Nur sind die viel zu lange her. So lange, dass es sich anfühlt, als wäre ich da noch eine andere Summer gewesen. Eine Summer, die niemals bei dem Gedanken, dort reinzugehen, angefangen hätte zu zittern. Eine Summer, die jeden Tag gerne hergekommen ist. Die nachts heimlich in einen der beiden Türme des Hauptgebäudes geschlichen ist, um die Sterne zu beobachten. Oder mit einem Kerl rumzumachen … Eine Summer, die mit ihren Freundinnen draußen auf der Wiese saß, um abzuwägen, welche der vielen Partys, zu denen sie gehen könnten, am besten wäre.

Meine Freundinnen … Mein Blick schweift über die Wiesen und Bänke zu dem schattigen Plätzchen unter einem großen Ahornbaum, an dem sich jetzt andere Grüppchen niedergelassen haben und zusammen lachen. Der Rasen ist grüner und saftiger, seitdem ich das letzte Mal hier war, und der große Brunnen, der im Zentrum der Grünanlagen steht, plätschert noch immer vor sich hin. Plätschert, genauso wie an jedem anderen Tag. Doch es ist nicht jeder andere Tag. Heute bin ich definitiv das letzte Mal an diesem Ort. Auf Nimmerwiedersehen College. Auf Nimmerwiedersehen Hölle.

Das hast du vor drei Monaten auch schon gedacht. Vor drei Monaten, als ich diesem Ort endgültig den Rücken gekehrt habe. Ich schüttle den Kopf. Schluss mit dieser bescheuerten Angst. Rein und wieder raus. Wenn ich mich beeile, brauche ich keine fünf Minuten. Niemand wird mich überhaupt bemerken.

Du schaffst das! Das ist nur ein Gebäude. Na ja, genau genommen ist es weniger dieser Ort, der mich nun bei über dreißig Grad die Kapuze meines schwarzen Hoodies überziehen lässt. Sondern die Menschen. Ich habe einfach keine Lust, jemandem zu begegnen.

Ich streiche meine kupferfarbenen Haare hinters Ohr und hoffe, dass mein Outfit so alles gut verdeckt. Anschließend schiebe ich die große runde Sonnenbrille ein Stück höher auf meiner Nase und wische meine Handflächen an der kurzen Jeans ab. So wird es klappen. Niemand wird mich erkennen und ich kann nervigen Konversationen aus dem Weg gehen, auf die ich heute wirklich verzichten kann.

Dich habe ich aber schon lange nicht mehr getroffen.

Wo warst du die ganze Zeit, Summer?

Heißes Video, was ich da von dir gesehen habe.

Hoffentlich begegne ich niemandem. Hoffentlich.

Ich atme tief ein und setze anschließend einen Schritt vor den anderen. Mit dem Blick auf meine schwarzen Chucks drücke ich mich an meinen ehemaligen Kommilitonen und Kommilitoninnen vorbei, die ausgerechnet jetzt durch die Eingangstür strömen. Doch keiner scheint mich zu erkennen und so werde ich kurz darauf von der klimatisierten Luft im Inneren empfangen.

Vorsichtig linse ich hoch und stelle erleichtert fest, dass die kleine Eingangshalle nun eher verlassen vor mir liegt. Ich atme auf und bleibe an einer der weiß tapezierten Wände stehen. Der mir nur allzu vertraute Geruch nach Zitronenreiniger sticht mir in der Nase. Damit werden also immer noch jeden Tag die Flure gewischt. Und wie es scheint, hat sich auch nichts an der Glasvitrine geändert, die an der gegenüberliegenden Wand steht. Ein Pokal nach dem anderen reiht sich darin auf und funkelt mir entgegen. Natürlich untermalt von dem riesigen Foto der Cheerleading-Mannschaft. Anscheinend haben sie dieses Frühjahr irgendeinen Titel gewonnen. Die Kapitänin steht breit grinsend in der Mitte und mir kommt es vor, als wäre dieses falsche Lächeln extra für mich aufgesetzt worden. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Falsche Schlange. Und die drei, die um sie herumstehen, auch.

Ich wende den Blick ab. Sie sind es nicht wert, dass ich selbst einen einzelnen Gedanken an sie verschwende. Nur wieso mache ich es dann? Warum haben sie so eine Macht über mich, dass ich mich in dieser Sekunde auf der Stelle von diesem Ort wegbeamen möchte?

Dabei besteht eigentlich kein Grund zur Sorge. Um diese Zeit sind sie normalerweise in dieser Hipster-Bar gleich um die Ecke, um ihre entkoffeinierten Cappuccinos zu trinken, während sie darüber reden, wo es heute Abend hingeht. Das Timing habe ich extra so gewählt.

Trotzdem wäre es besser, hier nicht unnötig meine Zeit zu vertrödeln. Mit jeder Sekunde erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass mich doch jemand erkennt und sie mich mit ihren Fragen löchern. Also schaue ich mich flüchtig zu beiden Seiten um. Nur wenige Studenten und Studentinnen laufen mit einem Stapel Bücher auf den Armen den Flur entlang.

Ich schiebe die Hände in die Taschen meines Hoodies und flüchte in Richtung meines Ziels. Keine dreißig Schritte weiter bleibe ich bereits vor der braunen Tür mit Glaseinsatz stehen, über der in großen Lettern das Wort Sekretariat prangt.

Ich atme einmal tief durch und klopfe an. Das dumpfe Geräusch pocht in meinen Ohren, während sich mein Herzschlag mit jedem weiteren Atemzug beschleunigt. Schnell ziehe ich die Tür auf und trete in den lichtdurchfluteten Raum. Hinter einem breiten Schreibtisch aus schwerem Eichenholz blickt mir Mrs Robins bereits entgegen. Die gute Frau muss um die sechzig sein und arbeitet hier, seit ich dieses College besuche. Besuchte, korrigiere ich mich selbst.

Ich setze die Kapuze ab und ziehe die Sonnenbrille von meiner Nase, die ich anschließend in das Seitenfach meines Rucksacks schiebe. »Hallo, Mrs Robins«, begrüße ich sie.

Wie immer trägt sie eine dieser lockeren Blusen, auf denen kleine Blumen abgedruckt sind. Heute sind es Margeriten.

Margeriten, die auf einem hellgrünen Stoff prangen, der mich an ihre warmen Augen erinnert. Und diese werden nun immer größer, gefolgt von einem breiten Lächeln, das ihre strahlend weißen Zähne zeigt. Wahrscheinlich hat sie mich erst jetzt erkannt. Mein Outfit war also gut gewählt und es hat sich gelohnt, dafür die Hitze in Kauf zu nehmen, die sich immer weiter in mir ausbreitet.

»Summer, Schätzchen, ich habe schon mit dir gerechnet.« Flüchtig streicht sie sich seitlich über die blonden Haare, die einzelne graue Strähnen aufweisen, aber keine davon hat sich aus ihrem strengen Dutt gelöst. Dafür vertiefen sich jetzt die kleinen Fältchen um ihre Augen, als sie meinen Hoodie mustert. »Ist dir denn nicht warm? Es müssen um die vierunddreißig Grad draußen sein.«

Ich versuche ihr Lächeln zu erwidern, doch es fühlt sich irgendwie verkrampft an. »Ich weiß doch, wie die Klimaanlage hier drin immer eingestellt ist«, flunkere ich, denn ich bringe es einfach nicht übers Herz, der geduldigen Mrs Robins eine größere Lüge aufzutischen. Sie hat mir nie auch nur einen schiefen Blick zugeworfen, wenn ich in meinen ersten Wochen in diesen Raum kam, um nach dem Weg zu meinem nächsten Kurs zu fragen. Nein. Anstatt mich, wie die meisten es wohl tun würden, mit einem Campusplan rauszuwerfen, hat sie mir mit kleinen Hinweisen, an denen ich mich orientieren konnte, den Weg erklärt. Und mit jedem Mal haben wir länger zusammengestanden und sind vom Thema abgeschweift. Seitdem bin ich in den fast zwei Jahren meiner Studienzeit regelmäßig freitags mit ihrem Lieblingsdonut aus der winzigen Bäckerei aufgetaucht, die zwischen meiner Bushaltestelle und dem Campus liegt. Mit klebrigen Fingern vom Puderzucker erzählte sie mir meistens irgendeine Geschichte von ihren beiden Enkeln und hat mir damit ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Kein Wunder also, dass ich Mrs Robins in den letzten Monaten vermisst habe – als Einzige.

Und auch jetzt bringt sie es mit ihrem warmen Sonnenscheinlächeln zustande, dass meine Mundwinkel einen kurzen Augenblick nach oben wandern, bevor ich leise Luft hole, um das Folgende hervorzupressen. »Ich muss nur eben …«

»Deinen Ausweis abgeben«, seufzt sie. »Summer, Schatz. Bist du dir wirklich sicher, dass …?«

Ich grummle zustimmend, ziehe meinen Rucksack vom Rücken und hindere sie so am Weitersprechen. Das braune abgewetzte Teil aus Kunstleder fühlt sich schwer in meinen Händen an, was nicht an dem Gewicht liegt, denn bis auf meinen Geldbeutel und einer kleinen Flasche Wasser ist nichts darin zu finden. Und trotzdem fällt es mir nun alles andere als leicht, den Reißverschluss aufzumachen und aus dem vorderen Fach die kleine Karte hervorzuholen, die dort steckt, seitdem ich diesen Entschluss gefasst habe.

Es ist die richtige Entscheidung, spreche ich mir selbst Mut zu. Aber wieso brauche ich auf einmal diesen Zuspruch? Bis vor einer Minute habe ich an diesem Entschluss festgehalten wie bisher nie an etwas. Was ist los mit mir? Warum bildet sich plötzlich dieser Knoten in meinem Magen? Ich habe einen Plan und der ist gut. Verdammt gut. Genau das, was ich wollte, was ich sowieso immer vorhatte, bloß dass ich es jetzt vorziehe. Schließlich wären es nur noch zwei Semester gewesen, die ich hier hätte absitzen müssen und die Zeit kann ich auch damit verbringen, meinen Traum eher in Angriff zu nehmen. Und heute Abend geht es los. Heute Abend fange ich an, diese kleine alte Strandbar auf Vordermann zu bringen, damit sie in drei Wochen partytauglich ist. Der perfekte Start mitten in der Sommersaison.

Nur bevor ich das angehen kann, muss diese Sache hier erledigt werden. Also nicke ich Mrs Robins zu. »Sehr sicher«, murmle ich. »Wissen Sie … die Bar, von der ich immer gesprochen habe …«

»Ja?« Ihre Augen beginnen zu leuchten. Während bei ihr das Hauptthema die Enkel waren, war es bei mir meistens der Traum von einer Bar.

»Ich habe jetzt eine.« Zwar wäre es schöner, wenn ich die alleinige Besitzerin wäre, aber die neue Einrichtung, das Inventar und alles andere übersteigt bei Weitem mein Erspartes. Außerdem hätte es weitaus schlimmer kommen können, schließlich gehören die anderen fünfzig Prozent der Surfschule von Cosy Island. Denn Sam, der nicht nur einer meiner Freunde ist, sondern auch einer der Besitzer der Surfschule, war hellauf begeistert, als ich ihm vor ein paar Monaten davon erzählt habe – genau zu der Zeit, wo hier am College der Ärger begann und ich bereits immer seltener hingegangen bin. Weshalb ich bisher auch nie dazu gekommen bin, Mrs Robins auf den neusten Stand zu bringen. Doch diese scheint nun sehr glücklich darüber zu sein, was die kleinen Falten um ihre Mundwinkel verraten, die sich vertiefen. Allerdings ist da weiterhin dieser Glanz in ihren Augen. Ihre Freude scheint etwas getrübt zu sein. Ob das mit dem Grund zusammenhängt, weshalb ich überhaupt in ihrem Sekretariat stehe?

»O Summer, das ist großartig«, sagt sie trotzdem.

In knappen Worten berichte ich ihr, wie es dazu gekommen ist. Ich glaube, am meisten begeistert sie die Tatsache, dass die Strandbar auf Cosy Island liegt. Wahrscheinlich, weil sie weiß, wie viel mir diese kleine Insel bedeutet. So viel wie Sam, dem ich eigentlich bloß beiläufig von der Bar erzählt habe. Dabei hatte ich noch gar nicht mit dem Gedanken gespielt, die Bar zu teilen, sondern habe einfach meinem Frust freien Lauf gelassen, nicht zu wissen, wie ich das allein stemmen soll. Am nächsten Tag kam er dann mit der Idee auf mich zu, das Projekt gemeinsam anzugehen. Natürlich habe ich nicht lange überlegt und zugesagt.

Mittlerweile ist alles unter Dach und Fach und heute Morgen hatte ich auch endlich den Schlüssel in meinem Briefkasten. Hätte diese alte Bar nicht jemandem gehört, der schon seit Jahrzehnten nicht mehr auf unserer Insel wohnt, hätten wir längst mit den Verschönerungsmaßnahmen beginnen können. Doch heute Abend ist es endlich so weit.

Genau deshalb ist es richtig, das hier zu tun. Und ganz besonders, weil …

Mir schlecht bei dem Gedanken wird, jeden Tag weiter herkommen zu müssen. Jeden Tag daran erinnert zu werden, was ich wegen diesem einen Fehler und ihnen verloren habe. Wegen denen, die zu meinen besten Freundinnen zählten, bis sie mir gezeigt haben, wer sie wirklich sind und mir dadurch jeglichen Spaß an den Vorlesungen, die ich so gerne besucht habe, genommen haben …

»Ich hab’s gerade gesehen«, zischt jemand mit rauer Stimme direkt an meinem Ohr. »Das Video ist echt heiß.«

»Hau ab.« Ich ziehe meine Kapuze tiefer ins Gesicht und eile den Gang entlang Richtung Toilette.

»Ich kann dich gerne begleiten, dann kannst du mir ein wenig was zeigen von deinen …« Das Wort erstickt, sobald ich die Toilettentür hinter mir zudrücke und mich dagegenlehne.

Ich schüttle den Kopf, um die plötzliche Erinnerung zu verdrängen. Es ist definitiv die richtige Entscheidung, nie wieder herzukommen! Also hebe ich den Blick und sehe einer verschwommenen Mrs Robins entgegen. Ich blinzle ein paarmal, bis ich ihr freundliches Gesicht erkenne, nur um daraufhin festzustellen, dass jede Spur von ihrem Lächeln verschwunden ist. Stattdessen sind ihre Augenbrauen zusammengezogen und um ihre Mundwinkel liegt ein offensichtlich besorgter Ausdruck.

Verdammt! Ich muss dringend an meinem Pokerface arbeiten. »Also, hier ist der Ausweis«, bringe ich hervor und schiebe ihn ihr über die Ablage zu.

Doch sie nimmt ihn weder entgegen noch weicht ihr Blick auch nur eine Millisekunde von meinem Gesicht. »Summer, das mit der Bar ist toll, wirklich. Aber überleg es dir noch mal. Du kannst trotzdem hierbleiben.«

Ich schüttle den Kopf und schiebe den Ausweis weiter vor, ehe ich meine Hand zurückziehe.

Ein leises Seufzen entweicht ihren Lippen. »Ich bin zwar wesentlich älter als du, aber selbst an mir geht hier nichts vorbei«, setzt sie an.

Sobald ich die Bedeutung ihrer Worte realisiere, ist es, als ob etwas in mir ein weiteres Mal zerbrechen würde. Ich habe immer angenommen, sie wüsste nichts darüber. Sie wäre die Einzige, die mich an diesem Ort ausnahmsweise an die schönen Zeiten erinnern könnte. Einfach weil ein Teil in mir die Hoffnung hatte, dass die gute Mrs Robins von dem Klatsch und Trasch, der sich auf den Fluren abspielt, nichts mitbekommen würde.

Mein Blick verschwimmt erneut und sofort senke ich den Kopf, während ich vor Scham am liebsten im Boden versinken würde.

»Summer, Schatz. Es ist alles gut.«

Moment, was? Ich habe gedacht, sie würde mich genauso abfällig anschauen wie alle anderen, sobald das zur Sprache kommt. Mich genauso von sich stoßen, wie es jeder getan hat, der mir hier wichtig war. Doch stattdessen eilt Mrs Robins um den Schreibtisch herum und zieht mich in eine Umarmung.

Ich bin so überrumpelt, dass ich erstarre. Dafür wird mir bewusst, dass es genau das ist, wonach ich mich gesehnt habe. Da gibt es jemanden, der Bescheid weiß und anstatt mir eine weitere Beleidigung an den Kopf zu werfen, macht Mrs Robins das.

Verflucht. Warum müssen diese blöden Tränen ausgerechnet jetzt den Weg aus mir herausfinden? Ich unterdrücke ein Schluchzen und löse mich langsam von ihr, bevor mich die Verzweiflung letztendlich völlig einnimmt. Wobei, nein. Ich bin nicht verzweifelt. Ich lasse diese Sache heute ein für alle Mal hinter mir. Deshalb bin ich hier. Deshalb mache ich diesen Schritt.

»Welche Dokumente muss ich noch unterschreiben?«, sage ich also.

Mrs Robins kräuselt die Stirn. »Du musst nicht gehen. Es gibt andere Möglichkeiten, die …«

Ich schüttle den Kopf. »Bitte«, hauche ich.

Ein paar Sekunden mustert sie mein Gesicht, dann entweicht ihr ein kurzer Seufzer. »Also schön.« Sie geht zurück an ihren Schreibtisch und kramt in einem großen Stapel an Papieren. Wenige Atemzüge später findet sie anscheinend das Gesuchte.

»Da ist es ja.« Mein Studierendenausweis ruht weiterhin auf der Ablage, als sie nun zwei Blätter danebenlegt. Gefolgt von einem Kugelschreiber. »Es ist noch nicht zu spät. Gleich hier steht der Aktenvernichter.«

Ohne zu zögern oder auf ihre Bemerkung einzugehen, greife ich nach dem Stift. Ich lese mir nicht mal durch, was genau ich da unterschreiben soll. Sie könnte mir ein Zeitschriftenabo andrehen und ich würde es nicht mal merken. Sogar der Stift fühlt sich ungewöhnlich leicht in meiner Hand an, als ich unten auf der gestrichelten Linie ansetze. Merkwürdigerweise zittert meine Hand gerade jetzt überhaupt nicht. Sie ist ruhig und bringt die perfekteste Unterschrift zustande, die ich je vollbracht habe. Beim zweiten Dokument ist es genauso.

Und sobald ich anschließend den Kugelschreiber zu meinem Studierendenausweis und diesen zwei Dokumenten lege, ist es, als ob ich das erste Mal seit einigen Monaten wieder richtig aufatmen könnte. Meine Mundwinkel wandern nach oben und ich sehe zu Mrs Robins. »Danke«, sage ich und hoffe, sie weiß, dass sich das nicht nur auf ihre Worte von heute bezieht.

»Du kannst jederzeit herkommen, Summer. Egal, ob du es dir anders überlegst oder einfach nur den Ratschlag einer alten Frau brauchst.«

Ich nicke, schenke ihr ein letztes Lächeln und drehe mich dann um, weil ich merke, wie meine Augen wieder anfangen zu schimmern. Mrs Robins ist eine von den Guten.

Ich ziehe die Tür auf und trete zurück auf den Flur. Hinter mir fällt sie leise ins Schloss.

Das wäre geschafft. Ich habe es endlich hinter mir. Auf meinen Lippen liegt immer noch ein leichtes Lächeln, während ich auf den Ausgang zusteuere. Der Knoten von eben scheint weg zu sein, denn das Einzige, was ich fühle, ist Erleichterung.

Mit leichten Schritten nähere ich mich meinem Ziel, bis die kalte Türklinke in meiner Hand liegt. Ein tiefes Seufzen entweicht mir, während ich die Tür aufdrücke und ins Freie trete. Ich sehe zum Himmel, wo keine einzige Wolke zu sehen ist. Mein Lächeln wird breiter. Vielleicht schaffe ich es sogar vor heute Abend noch, dem Meer einen Besuch abzustatten. Dann kann ich ganz entspannt in mein neues Leben starten. Besser könnte ich es mir gar nicht vorstellen.

Voller neuer Energie schlendere ich los, doch ich komme nicht wirklich weit, denn auf einmal pralle ich ausgerechnet gegen eine harte Brust.

»Shit«, stammle ich und trete etwas zurück. Ich blinzle nach oben und blicke geradewegs in das Gesicht eines Kerls, dessen Miene sich ganz langsam verzieht und seine strahlend weißen Zähne hervorzaubert.

»Hi.« Er fährt sich durch die hellblonden Haare. »Sorry, hab dich nicht gesehen.«

Ich winke ab. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Mechanisch fahre ich meine Nase entlang, um die Sonnenbrille nach oben zu schieben. Doch … Da ist nichts. Nur meine kleine Stupsnase, wie meine Schwester Claire immer sagt. Verdammt, ich habe ganz vergessen sie wieder aufzusetzen, nachdem ich bei Mrs Robins war. »Schon gut«, erwidere ich hastig und setze meinen Weg fort. Nichts wie weg hier, ehe …

»Warte mal.«

Wieso wundert mich das nicht?

Ich beschleunige meine Schritte, was anscheinend nicht die Reaktion ist, die er sich erhofft hat. Fordernd schließen sich seine Finger um mein Handgelenk. Ich fahre herum, während der Zorn in mir hochkocht.

»Ich kenne dich.«

Ich schüttle den Kopf. »Da musst du mich verwechseln«, beginne ich. »Und jetzt lass mich los«, spucke ich aus und reiße mich von ihm los. Was bildet sich dieser Typ eigentlich ein?

Er mustert mich einmal von oben bis unten, ehe sich die Mundwinkel zu einem süffisanten Grinsen verziehen. Das Ekelhafteste, das ich je gesehen habe.

»Und ob. Ich bin mir sicher, wenn du diesen hässlichen Hoodie ausziehst und mir mehr von dir zeigst, erkenne ich dich wieder.« Der Kerl beißt sich einmal auf die Unterlippe, bevor er ein weiteres Mal ansetzt etwas zu sagen. Nur lasse ich ihn diesmal nicht zu Wort kommen.

»Verpiss dich«, zische ich ihm entgegen und stapfe dann zornig weiter.

Das kann doch nicht wahr sein. Wieso muss mir das Leben jedes Mal in die Quere kommen, wenn ich denke, ich hätte ausnahmsweise einmal Glück gehabt? Meine Sicht verschwimmt vor Wut und diesmal kann ich die Tränen nicht aufhalten, die sich von meinen Wimpern lösen. So eine verdammte Scheiße!

Ich ziehe die Kapuze auf und werde immer schneller und schneller, bis ich renne, diesen Ort hinter mir lasse, um nie mehr zurückzublicken.

Kapitel 2

Der warme Wind lässt meine Haare nach hinten wehen, während ich fast zwei Stunden später auf der Fähre stehe. Wie viel Pech kann jemand eigentlich haben? Ich treffe nicht nur auf diesen ekeligen Dreckskerl. Nein. Das musste natürlich nicht genug sein. Mein Bus ist auch noch ausgefallen und ich habe über eineinhalb Stunden auf den nächsten warten müssen. Wenigstens war ich da bereits so weit vom Campus entfernt, dass ich meinen Hoodie ausziehen konnte, ohne Herzklopfen zu bekommen. Jetzt steckt er in meinem Rucksack, der neben mir auf dem Boden steht.

Ich umklammere die Reling fester und schließe einen Moment die Augen. Atme tief ein und lasse die salzige Meeresluft mein Innerstes erfüllen. Zuhause. Heimat. Mit jeder verstreichenden Sekunde komme ich Cosy Island näher. Meine Mundwinkel zucken und wandern ein Stück nach oben. Hier bin ich sicher. Niemand, der auf dieser kleinen Insel wohnt, hat das Bahia Bay College besucht. Denn niemand würde freiwillig fünfmal die Woche diese Strecke auf sich nehmen. Dafür gibt es einfach genügend näher gelegene Möglichkeiten. Aber natürlich musste ich meinen sturen Dickkopf durchsetzen, weil mein Traumfach dort so einen guten Ruf hat. Einige der erfolgreichsten Eventmanager und Eventmanagerinnen haben die gleichen Kurse besucht, wie ich es getan habe. Dafür war ich gerne bereit jeden Morgen eine Stunde Fahrt in Kauf zu nehmen.

Ich seufze. Das war es dann jetzt wohl mit dem College. Zwar ohne Abschluss, aber mein Ziel ist trotzdem zum Greifen nah. Heute Abend geht Plan Strandbar los, denn das ist genau diese eine Sache, von der ich geträumt habe, seit ich sechzehn Jahre alt war. Damals, vor knapp sechs Jahren, um genau zu sein, habe ich mich zusammen mit Claire rausgeschlichen, was unsere Mom zum Glück nie bemerkt hat. Doch dieser Abend war jedes Risiko wert. Für diese fette Party am Strand hätte ich auch drei Monate Hausarrest hingenommen und das war der Moment, als mir klar wurde, was ich den Rest meines Lebens machen möchte.

Claire und ich haben so viele unvergessliche Augenblicke erlebt und genau so was möchte ich anderen Leuten ermöglichen. Die Bar soll nicht einfach ein Ort zum Abhängen sein. Nein, mit dem Strandabschnitt, der dazugehört, lassen sich einmalige Sachen planen. Einmalige Nächte, die den Gästen unter der Haut brennen werden. So, dass sie einen Abend lang ihre Sorgen vergessen. Dass sie ein paar Stunden lang nur glücklich sein können, während sie an diesem schönen und einmaligen Ort sind, der nicht nur Strand und Sonnenschein zu bieten hat, sondern auch das Meer. Das Meer, auf das ich jetzt starre, als ich meine Augen wieder öffne.

Ich drehe mich um und lehne mich gegen die Reling. Auf dem ganzen Deck stehen heute viele Grüppchen verteilt, umringt von Koffern und Rucksäcken. Eine weitere Flut an Touristen und Touristinnen nimmt Kurs auf Cosy Island, was kein Wunder für Mitte Juli ist. Mit ziemlicher Sicherheit quartieren sie sich gleich im Ocean Sleep ein, dem Hotel unserer Insel.

»Wie lange dauert es denn noch?«, ruft ein Mädchen einer Frau zu, die wahrscheinlich ihre Mom ist. Sie sitzt mit überkreuzten Beinen auf einer Bank, während das Geräusch ihrer Kaugummiblase, die sie gefühlt im Sekundentakt macht, zu mir rüberweht.

»Maggie, vor fünf Minuten war es ungefähr eine Viertelstunde«, antwortet die Frau ihr.

»Dann sind es jetzt zehn«, wirft ein Junge ein, der offensichtlich einige Jahre jünger als diese Maggie ist.

Prompt verdreht das Mädchen die Augen und drückt sich ein Paar Kopfhörer in die Ohren. »Wäre ich doch mal bei Dad geblieben.«

Schmunzelnd wende ich den Blick von ihnen ab und drehe mich zurück zum Ozean, wobei mir meine Haare ins Gesicht fliegen. Von meinem Handgelenk ziehe ich ein Haargummi, um mir damit einen lockeren Knoten im Nacken zu binden. Genau wie meine Schwester Claire bin ich nicht mit dem Talent gesegnet, mir schöne Frisuren zu machen. Aber der Knoten erfüllt seinen Zweck und ich kann ohne haarige Störung die Aussicht genießen.

Als ich heute Morgen hier oben war und mich Richtung Festland bringen ließ, stand dieser Tag wie ein Berg vor mir. Jetzt habe ich es einfach geschafft. Ich habe es hinter mir und muss nie wieder dahin zurückkehren. Allerdings gibt es da noch eine Sache, die erledigt werden muss. Irgendwie muss ich Claire und Mom beibringen, dass ich das College geschmissen habe. Natürlich wissen sie von der Strandbar, allerdings habe ich die Tatsache ausgelassen, dass ich das nicht neben meinem Studium machen werde. Wahrscheinlich ist es besser, zuerst meiner Schwester davon zu erzählen. Vermutlich wird sie am meisten dafür Verständnis haben, da auch sie es ohne einen Collegeabschluss geschafft hat, sich ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen. Nur sollte ich mir dringend eine Ausrede einfallen lassen, weil keine der beiden lockerlassen wird, bis sie den Grund dafür aus mir herausgequetscht haben. Besonders Claire nicht und mit hundertprozentiger Sicherheit werde ich ihnen niemals die Wahrheit erzählen. Davon dürfen sie nicht erfahren.

Ich reibe mir mit den Händen über die Augen. Am besten fange ich gleich damit an, es hinter mich zu bringen und Claire die College-Sache zu beichten, dann kann sie mir dabei helfen, es Mom zu erzählen. Gut, das klingt nach einem Plan. Ich werde das direkt heute erledigen, damit ich mit einem To-do weniger in mein neues Leben starte.

Ich blinzle zum Horizont, dessen Anblick meine Mundwinkel erneut höherwandern lässt. Mit dieser Aussicht konnte ich schon immer die besten Entscheidungen treffen und dabei einen klaren Kopf bewahren.

Ich greife nach meinem Rucksack und ziehe den Reißverschluss auf. Meine Finger fahren in das Seitenfach, wo vor wenigen Stunden noch mein Studierendenausweis steckte. Doch jetzt ist nichts darin zu finden, weil es keinen mehr gibt.

Mein Lächeln wird breiter, wobei ich dieses nervige Ziehen in meinem Magen ignoriere. Ich schiebe es von mir und halte mir vor Augen, weshalb ich diese Entscheidung treffen musste. Weshalb es für mich die einzig richtige Lösung war. Ich musste dieser Sache, diesem … Video entkommen. Und wenn ich nicht mehr tagtäglich mit den Konsequenzen konfrontiert bin, werde ich hoffentlich schneller vergessen und die Chance wird geringer, dass Claire oder ein Inselbewohner es doch herausbekommt. Die Chance wird geringer, dass sie mich auch fallen lassen. Nie wieder etwas mit mir zu tun haben wollen.

Am liebsten würde ich in die warme Luft hinausschreien, wie frei ich endlich bin. Nur muss ich an die Touristen und Touristinnen in meinem Rücken denken und mit ziemlicher Sicherheit würden sie mich für verrückt erklären, wenn ich das täte. Also mache ich das Einzige, was mir stattdessen in den Sinn kommt. Ich lächle noch breiter und heiße dieses Gefühl der Erleichterung willkommen.

Zumindest bis mich mein Smartphone aus diesem kostbaren Moment reißt. An jedem anderen Tag wäre ich vielleicht genervt davon. Aber nicht heute. Nicht jetzt, wo ich die Freiheit praktisch an den Fingerspitzen spüren kann. Also ziehe ich es aus meiner hinteren Hosentasche.

Mit einem breiten Grinsen werfe ich einen Blick darauf, als es auch schon erstirbt. Meine Mundwinkel wandern nach unten, während mein Herzschlag gleichzeitig dreimal so schnell lospoltert.

Du wurdest in einem Kommentar erwähnt: Bitte schreib mir. Dein Anblick geht mir nicht mehr aus dem Kopf und mein …

Weiter lese ich nicht. Mir wird schlecht. Wie konnte ich in dem Glauben sein, dass alles hinter mir lassen zu können, wenn es da draußen immer noch Menschen gibt, die so etwas schreiben? Vielleicht, weil es ausgerechnet seit zwei Tagen keine dieser Mitteilungen mehr gab. Weil ich nach vorhin voller Euphorie war und all das verdrängt habe.

Verflucht! Ich balle meine freie Hand zur Faust und will schreien. Ich will so verdammt laut schreien, dass mich alle von denen hören. Alle von denen, die mir je so etwas gesagt oder geschrieben haben. Alle von denen, die überhaupt schuld daran sind, dass man so mit mir umgeht.

Obwohl … ich … auch meinen Teil dazu beigetragen habe.

Ich seufze und schlage meine Faust auf die Reling. Das muss aufhören! Wie soll ich nach vorn blicken, wenn ich durch so etwas immer wieder daran erinnert werde? Irgendeine Lösung muss es doch geben, obwohl ich dieses beschissene Video, das auf irgendeiner anonymen Seite der eigenen College-Community hochgeladen wurde, nicht unwiderruflich gelöscht bekomme. Egal, wie oft ich es gemeldet habe. Egal, wie viele Male ich an sämtliche Mail-Adressen eine Nachricht geschickt habe. Egal, dass ich mich sogar dazu durchgerungen habe, der stellvertretenen Direktorin eine Mail zu schreiben, die bloß mit einer enttäuschenden Antwort geendet hat.

Sehr geehrte Miss Miller,

bedauerlicherweise ist das Kollegium für diese sogenannte Social-Media-Seite nicht zuständig. Sie wird von ehemaligen Studierenden betrieben, die leider nicht mehr auf unserem College eingeschrieben sind. Nutzen Sie dafür doch den Mitteilungsbutton.

Und so weiter. Blablabla. Alles versucht. Alles gemacht. Und wenn es dann mal verschwunden war, tauchte das kurze Video keine zwei Tage später auf irgendeiner anderen Seite wieder auf. Genau wie auf dieser jetzt. Mit zitterndem Daumen klicke ich auf den Kommentar, was dazu führt, dass sich das Video gleichzeitig öffnet. Ich kenne es. In- und auswendig. Habe es mir bereits Dutzende Male angesehen.

Ich in einem Kleid. In einem Hinterzimmer auf irgendeiner Studentenparty, während ich meine Hüften von einer Seite zur anderen schwinge. Der Ton meines Smartphones ist lautlos, trotzdem weiß ich, was eigentlich zu hören ist. Gedämpfte Musik, die noch von der Party stammt. Ich tanze weiter. Ein verkrampftes Lächeln auf meinen Lippen. Ganz langsam öffne ich die ersten Knöpfe meines Kleids. Mein weißer Spitzen-BH lugt ein Stück hervor, bis ich ganz in Unterwäsche dastehe. Der Bildschirm wird schwarz.

Zum gefühlt tausendsten Mal wird mir schlecht. Ich schäme mich. Schäme mich, dass ich mich von meiner damaligen sogenannten Freundin habe überreden lassen, das einem Typ zu schicken. Und das nur, damit er mir die Lösungen für eine Prüfung zukommen lässt, für die ich keine Zeit hatte zu lernen, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, auf Partys abzuhängen.

Keine fünf Sekunden nachdem Ashley es abgeschickt hat, habe ich es bereut. Hätte es sofort rückgängig gemacht, doch da war es bereits zu spät. Ich habe nie gewollt, dass mehr Leute diese paar Sekunden zu Gesicht bekommen. Ganz zu schweigen von dem gesamten College. Und alles hätte bei diesem einen undurchdachten und fragwürdigen Fehler von mir bleiben können. Aber diese Gewissensbisse, die Magenschmerzen und besonders die Scham, ein solches Video einem fast wildfremden schmierigen Kerl geschickt zu haben, waren nicht Bestrafung genug. Es dauerte nicht mal zwei Wochen und der Typ wurde erwischt und mein Video machte plötzlich die Runde. Bloß meins, obwohl ich mir sicher bin, dass ich nicht die Einzige war, die darin involviert war. Der Mistkerl flog vom College und ich bekam eine Abmahnung wegen Betrugs. Hätte ich wenigstens zu der Zeit meine Freundinnen gehabt. Aber sie waren nicht da. Danach nie mehr. Genauso wie jeder andere, der davon Wind bekommen hat.

Mittlerweile hat das Video sowieso jeder an der Bahia Bay gesehen, weshalb diese Tatsache eigentlich das kleinste Übel für mich ist. Schlimmer finde ich eher, dadurch jedes Mal mit der Angst konfrontiert zu werden, dass es doch jemand herausfindet, der mir wichtig ist. Jemand, dem ich danach nichts mehr bedeute. Wie dem Rest, dem ich danach egal war.

Irgendwie muss ich diese lästige Angst eindämmen. Sie in eine Kiste packen, wo sie von mir aus bis in alle Ewigkeit einstaubt. Wobei … wenn ich es schon nicht verhindern kann, in weiteren nervigen Kommentaren erwähnt zu werden, könnte ich zumindest dafür sorgen, dass sie mich gar nicht erst erwähnen können. Ich weiß gar nicht, wieso ich nicht schon eher auf diese Idee gekommen bin. Wahrscheinlich, weil ein Teil in mir immer noch die Hoffnung hatte, dass diese ganze Sache wie von Zauberhand rückgängig gemacht wird. Die Zeit zurückgedreht wird. Glückliche Summer ist weiterhin auf ihrem glücklichen College und macht glückliche Dinge mit ihren glücklichen Freunden.

Bei dem Gedanken muss ich selbst fast lachen. Wie man sich doch in Menschen täuschen kann …

Okay, Schluss damit! In Windeseile entsperre ich mein Display und klicke auf die App mit dem Umriss der Bahia Bay, an der ich vor drei Stunden noch Studentin war. Ich ignoriere den blauen Punkt oben in der Ecke, der mir verrät, dass ich in Kommentaren erwähnt wurde, und scrolle stattdessen durch mein Profil.

Als Letztes habe ich einen Schnappschuss von meinem Kaffeebecher samt Bücherstapel hochgeladen, den ich im Bus auf dem Weg zum Campus gemacht habe. Darunter ploppt ein Moment nach dem anderen auf. Ich auf irgendeiner Verbindungsparty. Ein Foto von einem Berg an Papieren, als ich für irgendeine Prüfung gebüffelt habe. Und … meine Freundinnen. Meine ehemaligen Freundinnen und ich mit Mikrofonen in den Händen, als wir einen Karaoke-Abend veranstaltet haben … Jetzt ist definitiv der Zeitpunkt gekommen, meinem verfluchten Profil auf Nimmerwiedersehen zu sagen. Keine Ahnung, warum ich es nicht eher gemacht habe, schließlich bin ich auf sämtlichen anderen Social-Media-Plattformen auch längst nicht mehr zu finden, weil ich Sorge hatte, dass das Video dort irgendwo auftaucht, ich darin erwähnt werde und es dadurch vielleicht Claire oder sonst wer entdeckt.

Ich klicke auf das Zahnrädchen und scrolle mich durch sämtliche Einstellungen. Scrolle, scrolle und scrolle. Ich gebe sogar in die Suchleise Profil löschen ein, aber das Einzige, was auftaucht, ist der Vorschlag, eine neue SIM-Karte mit dem Account zu verknüpfen. Ich frage mich echt, welcher Vollpfosten auf die Idee gekommen ist, ein Social-Media-Konto mit der Handynummer zu verbinden. Wenigstens lässt sie sich nicht einsehen. Nur, irgendwie muss das doch rückgängig gemacht werden.

Tja, Fehlanzeige. Ich kann höchstens eine andere konfigurieren.

Jetzt reicht es! Im Nullkommanichts habe ich die weiße Perle aus meinem Ohrloch gezogen und führe die Spitze mit zittriger Hand zu der kleinen Einkerbung an der Seite meines Smartphones. Es kostet mich einige Versuche, ehe das Ding aufspringt. Ich fische die SIM-Karte heraus, drehe mich um und verfrachte sie in den nächsten Mülleimer. Nachdem das erledigt ist, lösche ich die App und lehne mich anschließend gegen die Reling. Starre auf die Wellen, die sich an der Fähre brechen und atme tief durch. Jetzt sollte mich nichts mehr einholen können und mein Smartphone Ruhe geben.

Hoffentlich.

Trotzdem wäre schnellstmöglich eine neue Nummer gut, sonst könnte Claire vielleicht wirklich Verdacht schöpfen, dass irgendwas los ist. Ich greife zu dem Rucksack auf dem Boden, schiebe mein nun nutzloses Smartphone hinein und mache mich auf den Weg Richtung Ausgang.

Als hätte mir das Glück einmal in die Karten gespielt, legen wir keine zwei Minuten später im Hafen an und ich schlendere zwischen den Dutzenden Touristen und Touristinnen hinaus, vorbei an dem Willkommen auf Cosy Island-Schild, und steuere den Supermarkt an. Da unsere Insel nicht besonders riesig ist, dauert es keine zwanzig Minuten zu Fuß, bis ich das Geschäft erreiche. Wahrscheinlich wäre ich schneller gewesen, wenn ich unterwegs nicht Mr Taylor getroffen hätte, der mir von seinen frischen Erdbeeren vorgeschwärmt hat. Ich konnte ihn nur mit einem Versprechen, bald auf seinem Gemüsehof vorbeizuschauen, abwimmeln. Wenigstens ist mir danach kein weiterer Bewohner über den Weg gelaufen, sondern bloß Touristen und Touristinnen, die mich genauso wenig kennen wie ich sie.

Etwas weniger nervös als noch zuvor, quetsche ich mich nun durch das Gedränge im Supermarkt und bin kurz darauf bei Mrs Plumberry an der Kasse angekommen. Die ältere Dame, die bereits viele Jahre hier arbeitet, schenkt mir ein flüchtiges Lächeln. Seit Mrs Roberts endlich in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist, begegnet man ihr jetzt viel häufiger.

»Hallo, Summer, schön dich zu sehen.«

Ihr viel zu interessierter Blick auf das Kassenband lässt mich die Augen verdrehen. Schade, für viel neuen Klatsch wird mein einziger Artikel wohl nicht sorgen. Mit der Packung einer Prepaid-SIM-Karte wird sie mit Sicherheit nicht viel anfangen können. Im Gegensatz zu meiner neugierigen Schwester. Daher muss ich ihr das mit der neuen Nummer so beiläufig wie möglich mitteilen. Sie hat mir schon die Lüge abgekauft, dass ich meine Bildschirmzeit verringen möchte und deshalb meine Social-Media-Accounts eingestampft habe, da muss ich mein Glück nicht herausfordern.

Gut, dass ich hier so schnell eine passende SIM-Karte gefunden habe. Zum Glück wird sie nun auch endlich von Mrs Plumberry eingescannt.

»Hi«, brumme ich ihr zu und ziehe meinen Geldbeutel aus dem Rucksack, ehe sie mich noch in ein Gespräch verwickelt. Ich fische ein paar Scheine heraus und reiche sie ihr, bevor sie mir die Summe sagen kann.

»Na, du hast es heute aber eilig.«

Ich zucke mit den Schultern, schiebe meinen Geldbeutel zurück und greife nach der verpackten SIM-Karte. »Viel zu tun.«

»Wegen heute Abend? Ich bin schon sehr gespannt, wenn es richtig losgeht«, plappert sie munter weiter, während sie die Artikel von der Kundin hinter mir übers Band zieht.

»Mhm«, grummle ich, schiebe einen kurzen Abschiedsgruß hinterher und mache mich so schnell es geht aus dem Staub.

Sobald sich die automatischen Türen hinter mir schließen, blinzle ich gegen die grelle Sonne an. Mein Blick schweift flüchtig über den vollen Parkplatz und bleibt an dem großen Gebäude daneben hängen.

Die alten Mauern des Cinema Breeze erinnern mich an die Zeit vor ein paar Monaten, als ich noch hier gearbeitet habe, um meine Studiengebühren abzubezahlen. Es war zwar ganz cool, dreimal in der Woche von Popcorn umgeben zu sein, aber irgendwann hat mich der Geruch nach süßem gepopptem Mais genervt und ich konnte das klebrige Zeug nicht mehr sehen. Was sich meistens auf meine Laune dort ausgewirkt hat. Und anscheinend auch auf die Besucher und Besucherinnen, die ständig etwas zu nörgeln hatten. Also habe ich das Handtuch geschmissen oder eher gesagt die Schürze, sobald ich beschlossen hatte, die College-Sache hinter mir zu lassen. In den letzten Monaten habe ich von meinem Ersparten gelebt, wobei mir meine kleine Wohnung, die so gut wie keine Miete kostet, zugutekommt. Den Fonds, auf den Claire und ich jeweils zu unserem achtzehnten Geburtstag zugreifen konnten, habe ich dann genutzt, um in die Bar zu investieren. In meinen Traum, der zum Greifen nah ist. Meinem Ziel, das, ich werfe einen Blick auf meine zierliche goldene Armbanduhr, in exakt zweieinhalb Stunden startet. Vielleicht wäre es daher besser, mich jetzt zu beeilen, wenn ich Claire vorher noch einen Besuch abstatten möchte.

Also tragen mich meine Füße wie von selbst in die Richtung ihres Cafés, wo ich kurz darauf ankomme. Das Cat’s Coffee scheint beinah aus allen Nähten zu platzen, was ich bereits merke, sobald ich um die Ecke komme und jeden Tisch draußen besetzt vorfinde.

Wahrscheinlich hat sie bei dem Ansturm überhaupt keine Zeit für mich. Ob es besser wäre, an einem anderen Tag wiederzukommen? Nee … Ich muss es jetzt hinter mich bringen, sonst schiebe ich es immer weiter auf. Schließlich gehe ich bereits seit drei Monaten nicht mehr zum College und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Claire von selbst draufkommt, dass ich ganz hingeschmissen habe.

Ich schlängle mich an den Tischen vorbei, wobei mein Blick kurz an den Eiskaffees hängen bleibt, die auf fast jedem zweiten Platz stehen. Die große Haube Sahne obendrauf lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wieso wurde eigentlich nicht auch ich mit diesem Talent gesegnet? Ich hätte nichts dagegen, mir täglich zu Hause so einen zuzubereiten, aber die unzähligen verunglückten Versuche haben mich die Hoffnung längst aufgeben lassen.

»Hallo, Summer«, reißt mich eine helle Stimme aus den Gedanken.

»Autumn – Hi.«

Meine Jahreszeitennamensvetterin nickt mir zu, während sie ein Tablett mit weiteren Erfrischungen zu einem Tisch direkt neben dem Eingang balanciert. Nachdem sie leider vor eineinhalb Jahren an ihrem ersten Tag hier auf Cosy Island meine schlechte Laune zu spüren bekommen hat, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass wir mittlerweile so etwas wie Freundinnen geworden sind. Natürlich hatte Claire ihre Finger dabei im Spiel. Als hätte sie geahnt, dass irgendwas im Busch ist, wurde ich in letzter Zeit zu noch mehr Verabredungen mitgeschleppt als sonst.

Man könnte meinen, da wir schon immer auf dieser kleinen Insel leben, hätten wir denselben Freundeskreis, aber da Claire und ihre Freunde um die zwei oder drei Jahre älter sind als ich, hatte ich bis vor Kurzem nicht so viel mit ihnen am Hut. Durch die Highschool traf ich mich mit anderen Leuten, die nach und nach weggezogen sind und mittlerweile im ganzen Land verstreut leben. Und so hat Claire in den letzten Monaten meine Ausreden, wenn sie mit ihren Freunden etwas unternehmen wollte, nicht so schnell akzeptiert wie sonst. Und da Autumn nicht nur zusammen mit ihr im Cat’s Coffee arbeitet, sondern dazu ihre beste Freundin ist, haben wir unweigerlich ebenfalls mehr Zeit zusammen verbracht.

Tja und nun stehen wir hier und sie bekommt sogar ein Lächeln von mir geschenkt.

»Du bist bestimmt aufgeregt wegen heute Abend, nicht?«

»Worauf du wetten kannst.«

»Das, was ich bisher von Sam gehört habe, klingt auf jeden Fall vielversprechend.« Autumn zwinkert mir grinsend zu.

Zufälligerweise ist der Surfschul- und jetzt auch Strandbarbesitzer vor fast eineinhalb Jahren von Claires bestem Freund zu Autumns festen Freund geworden und ich glaube, sie freut sich genauso darauf, was wir aus der Bar machen werden, wie ich.

»Kommst du heute Abend mit?« Wenn man nach der Einrichtung in ihrem Cottage am Strand geht, haben wir einen ähnlichen Geschmack, weshalb es nur zu meinem Vorteil wäre, sie später dabeizuhaben. Bei dem ein oder anderen Möbelstück, das bestellt werden muss, könnte ich sie mit Sicherheit auf meine Seite ziehen, falls Sam anderer Meinung ist.

Autumns verzogene Mundwinkel verraten mir jedoch, dass ich später auf mich allein gestellt sein werde. »Würde ich gerne, aber ich habe nachher einen wichtigen Termin auf dem Festland und weiß nicht, ob ich es rechtzeitig schaffe«, antwortet sie mir, bevor sie sich dem Pärchen vor ihr zuwendet.

Ich winke ab, auch wenn sie es gar nicht mehr sieht. »Schon gut.«

»Wenigstens erfahre ich alles aus erster Hand.« Sie lächelt mir kurz zu. »Claire sucht in der Küche nach einer neuen Packung Mandelmilch, falls du zu ihr möchtest«, schiebt sie noch schnell hinterher.

»Perfekt – Bis später.«

Ich drücke mich an einem Grüppchen Touristen vorbei, die gerade das Café verlassen und finde mich anschließend im Inneren wieder. Auch hier sind die gemütlichen Sofas und Sessel voll besetzt. Während mich meine Füße wie von selbst über das helle Parkett Richtung Theke tragen, wird mein Puls mit jedem Schritt schneller. Die Aufregung wegen heute Abend, die bei dem Gespräch mit Autumn hochgekommen ist, ist schlagartig verschwunden. Zurück bleibt die Nervosität wegen des ausstehenden Gesprächs mit Claire. Wie sie wohl auf die Neuigkeiten reagieren wird?

Ich gehe links an der Theke vorbei, an der zahlreiche Getränke auf einer schwarzen Platte aufgelistet sind, und bleibe direkt vor der Schwingtür stehen, die in die Küche führt. Mir ist zwar egal, was Claire davon hält, dass ich dem College Adiós gesagt habe, aber bei dem Gedanken, ihr nicht den wahren Grund dafür zu nennen, bildet sich ein neuer Knoten in meinem Magen. Was, wenn ich mich verplappere? Was, wenn Claire mir an der Nasenspitze abliest, dass mehr dahintersteckt? Sie darf es nicht herausfinden. Das muss ich mit allen Mitteln verhindern. Der Gedanke, wie sie mich ansehen könnte, nachdem sie Bescheid weiß …

Ich schüttle den Kopf und knete die Plastikverpackung mit der SIM-Karte, deren Knistern sich einen Wettkampf mit dem Poltern meines rasenden Herzens liefert.

Du schaffst das, Summer. Wenn du das heute Morgen hinter dich bringen konntest, wirst du auch das irgendwie hinbekommen.

Ich atme einmal tief durch und strecke meine Hand nach der Tür aus, als sie wie aus dem Nichts aufgedrückt wird.

Genau in meine Richtung.

Genau gegen meinen Kopf.

Mit einem lauten Rums stolpere ich zwei Schritte rückwärts und lande geradewegs auf meinem Hintern.

Kapitel 3

»Fuck«, ertönt eine tiefe Stimme, die mir viel zu bekannt vorkommt, während ich mir über die Stirn reibe. »Geht’s?«

Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ich blinzle nach oben und rapple mich hoch. »Spinnst du?«, fahre ich Travis an, der steif vor mir steht. Seine Augen sind geweitet, allerdings nehme ich das nur am Rande wahr, bevor ich noch hinterherschiebe: »Was sollte das?«

Von der einen auf die andere Sekunde nimmt seine Miene wieder den üblichen Ausdruck an, der für mich reserviert zu sein scheint. »Wie bitte? Denkst du, ich habe das extra gemacht?« Der locker eins neunzig große Riesenarsch schiebt eine dunkelgrüne Cappy zurecht, unter der seine dunkelblonden Haare hervorschauen. Die Spitzen sind feucht, was mich vermuten lässt, dass er wahrscheinlich gerade von einer Surfstunde kommt. Darf ich vorstellen: Surfschulbesitzer Nummer zwei. Zu meinem Pech ist er genau deshalb ebenfalls mit der Strandbar verbunden, aber nur auf dem Papier. Ein Glück, denn weder er noch ich hatten Lust auf eine gemeinsame Zusammenarbeit. Und trotzdem laufen wir uns gezwungenermaßen hin und wieder über den Weg, da er zu dem Freundeskreis von Claire gehört.

Leider.

Ich schnaube. »Du hast nicht gerade eine beschissene Tür gegen deinen Kopf gerammt bekommen.«

»Ich bin nicht diejenige, die einfach vor dieser Tür rumstand.«

Jap – Unsere Abneigung beruht eindeutig auf Gegenseitigkeit. Und alles hat damit angefangen, dass er vor über einem Jahr dafür gesorgt hat, dass mein liebstes Oberteil mit Wein überschüttet wurde. Wegen ihm. Nur dass er der Meinung ist, ich wäre daran schuld, da es mein Glas war, was ich in der Hand hatte.

Ich funkle ihn an. »Wie wär’s mit einer Entschuldigung?«

»Und wie wär’s, wenn du nächstes Mal nicht hinter einer Tür stehst?«

»Du … Du«, setze ich an. »Troll.«

»Troll?« Er beißt sich auf die Unterlippe und ich erkenne nur allzu gut, wie er sich ein Lachen verkneift.

»Willst du dich über mich lustig machen?«

»Ich?« Er lacht kurz auf. »Niemals, so was machen Trolle nicht.«

Ich balle meine freie Hand zur Faust, was er genaustens registriert. Ein wissendes Grinsen schleicht sich auf seine Lippen.

Da dämmert es mir.

Verdammt. Diese winzige Reaktion war ein Fehler. Jetzt weiß er genau, wie er mich am besten zum Explodieren bringt. Und dass er das mit solch spitzen Bemerkungen schaffen kann, scheint ihm einige Freude zu bereiten. Ich hätte gerade ziemlich Lust, ihm mit der anderen Hand die Verpackung der SIM-Karte ins Gesicht zu donnern, nur das darin noch immer die kleine Karte eingeschweißt ist.

Ach, scheiß drauf. Ich hole Luft, um ihm eine weitere Tirade an Schimpfwörtern an den Kopf zu knallen, als die Tür ein zweites Mal aufgeht.

»Was ist denn hier los?« Fassungslos sieht meine Schwester zwischen Travis und mir hin und her.

»Das ist los.« Ich deute auf meine Stirn.

Ratlos mustert sie mich eine Sekunde, ehe ich seufze. »Wegen ihm habe ich diese Tür abbekommen.«

»Wie oft soll ich es noch sagen? Erstens habe ich dich nicht gesehen und zweitens war das keine Absicht.« Travis schüttelt den Kopf.

»Ist gut«, mischt sich Claire ein und greift zu einem Geschirrtuch auf dem Tresen, in das sie eine Ladung Eiswürfel gibt.

»Drück das auf deine Stirn«, wendet sie sich an mich und reicht mir das provisorische Coolpack.

Ich tue, wie mir geheißen, und versuche Travis mit meinem Blick zu durchbohren. »Wehe, das gibt einen blauen Fleck.«

Travis verschränkt die Arme vor der Brust. »Weißt du was?«

Ich funkle ihn an, ohne ihm zu antworten.

»Damit du endlich aufhörst: Entschuldigung.«

Ich verdrehe die Augen. »Steck sie dir sonst wohin.«

»Dir kann man es auch nie recht machen.«

»Es reicht, ihr beiden«, zischt Claire. »Das hier ist mein Café und ihr vergrault mit eurem kindischen Verhalten noch meine Kunden.«

»Sag das mal dem Riesentroll.«

»Summer«, poltert meine Schwester los. »Ich glaube nicht, dass Travis durch Türen sehen kann.«

»Genau, das können noch nicht mal Trolle. Besonders keine Riesentrolle.« Travis zwinkert mir zu, was mich zum Rasen bringt.

Mir ist klar, wie kindisch wir uns beide verhalten, aber in seiner Gegenwart kann ich nicht anders und so mache ich einen Schritt auf ihn zu, nur habe ich nicht mit Claire gerechnet, die mich am Arm zurückhält.