Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube? - Fanny Moser - E-Book

Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube? E-Book

Fanny Moser

0,0

Beschreibung

"Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube?" wurde erstmals 1950 als erster von zwei Bänden veröffentlicht und ist eine systematische Sammlung bestens dokumentierter Spukfälle aus dem 17. bis 20. Jahrhundert. Band 2 konnte Fanny Moser leider nicht mehr beenden, da sie zuvor im Alter von 80 Jahren verstarb. Ebenso wie ihr erstes Buch zum wissenschaftlichen Okkultismus mit dem Titel "Okkultismus - Täuschungen und Tatsachen" ist "Spuk" seit langem ein Klassiker der parapsychologischen Literatur.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 595

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Fanny Mosers 1950 erstmals veröffentlichtes Werk „Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube? Eine Frage der Menschheit“, mit einem Vorwort von C. G. Jung, erschien zuletzt 1980 im Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main, ISBN 3-596-26714-5, als Lizenzausgabe des Walter-Verlags, Olten, erweitert um einen Beitrag von Prof. Dr. Hans Bender vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V. in Freiburg (Breisgau) über neuere Fälle und Erkenntnisse (Kontakt s. letzte Seite). Das vorliegende Buch basiert auf dieser letzten Ausgabe, wobei dem eigentlichen Werk Fanny Mosers ihr Bericht über das einschneidende Erlebnis der Tischlevitation von 1914 vorangestellt ist. Das Vorwort C. G. Jungs und die Erweiterung Prof. Benders der zugrundeliegenden Ausgabe sind in diesem Buch nicht enthalten.

Inhalt

Über die Autorin

Mein Weg zum Okkultismus

Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube? Eine Frage der Menschheit

Vorwort

Einleitung

I. Kapitel

Fall des Fürsprechs und Nationalrats Melchior Joller in Stans, Vierwaldstättersee (kath.), 1862

Darstellung selbsterlebter mystischer Erscheinungen

Meine Nachforschungen:

Mein erster Besuch in Stans, 1936

Zeitgenössische Äußerungen und Akten:

Literatur mit Briefen Jollers

Behördliche Akten

Zeitungsberichte mit Entgegnungen Jollers

Mein zweiter Besuch in Stans, 1937

Jollers Nachkommen und ihre Aussagen

Zwei Vergleichsfälle:

1. Fall des Schlosses T., 1867 von Dr. iur. Morice, Normandie (kath.)

2. Fall der Louise Steudner, 1862 von Dr. med. Berthelen, Zittau

II. Kapitel

Fall der Frau Pfarrer Christaller in O., Schwaben (protest.), 1900

Meine Spuk-Erlebnisse

Meine Nachforschungen:

Nachforschungen von Pfarrer Eisenschmid

Mitteilungen von Frau Pfarrer Matter und Tochter

III. Kapitel

Fall der Frau Pfarrer Sch. in Bubendorf bei Basel (protest.), 1899

3. Fall der Landmarcher; von Pfarrer Furrer, Seelisberg Ihr Bericht: »Einiges von dem, was wir im Bubendorfer Pfarrhaus erlebten.«

Berichte von Geistersehern:

4. Fall des Geistersehers H. Isenecker, 1832

5. Fall Gilieiler des Pfarrers T. in Zürich, 1897

6. Fall des Afrikapioniers Karl Peters, 1882

7. Fall des Dentisten Gl. in München, 1896

IV. Kapitel

Fall des Pfarrhauses Wang, Oberbayern (kath.), 1912

Ein Bericht von Dr. Clericus (Prof. Ludwig): »Ein oberpfälzisches Pfarrhaus als Spukhaus«

Meine Nachforschungen:

Meine Unterredung mit Herrn Dekan Pfarrer L. in Reichenhall

Besuch bei Pfarrer Buchner und bei Pfarrer Schneeweis in Wang

Zwei Vergleichsfälle:

8. Fall des Pfarrhauses Gossmansdorf, Bayern (kath.), 1926

9. Fall des Pfarrhauses Dünzling, Bayern (kath.), 1920

10. Fall des Dr. Magnus Jocham, Bayern (kath.), 1886

V. Kapitel

Fall von Prof. C. G. Jung, Zürich, 1920

VI. Kapitel

Fall des Rechtsanwaltes S. in T., Oberbayern, 1928

Meine Nachforschungen

Drei Vergleichsfälle :

11. Fall des Rechtsanwaltes Dr. K. in Prag, 1929

12. Fall des Physikprofessors X. in M.-Bayern, 1926

13. Fall des Dr. med. Faessler in X. am …see, Schweiz, 1913

VII. Kapitel

Fall der Chemikerin A. Kornitzky in Berlin

Meine Nachforschungen

Ein Vergleichsfall:

14. Fall der Zahnärztin Dr. med. Boruvka, Prag, 1946

VIII. Kapitel

Stallspuk vom Bauer Erhardt im Kanton Bern, 1919

Drei Vergleichsfälle:

15. Stallspuk der Frau Pfarrer Rippmann, Zürich, 1919

16. Stallspuk des Herrn von Plessen, Schloß Schmiedefeld bei Weinsberg, 1815

17. Stallspuk bei J. Kerner in Weinsberg, 1836

Zum Vergleich

IX. Kapitel

Fall Uffikon des Chorherrn B. Schiffmann, Beromünster, 1814, von Oberst Pfyffer von Altishofen, Luzern

X. Kapitel

Der schottische Fall Telfair-Mackie von 1695

XI. Kapitel

Rückblick

Zwei Fälle:

18. Fall Tedworth-Mompesson, England, 1663

19. Fall des Kalcherli-Hauses von Pfarrer Furrer, Seelisberg, 1864

Komplott des Totschweigens

Komplott des Vergessens

Ursachen dieses Komplotts

Quellenverzeichnis

Kontaktadressen

Über die Autorin

Fanny Moser wurde am 27. Mai 1872 als ältere von zwei Töchtern des Uhrenfabrikanten und Erbauers des „Moserdamms“ Heinrich Moser (1805 – 1874) und seiner zweiten Ehefrau Fanny Sulzer-Wart (1848 – 1925) in Badenweiler geboren. Ihr Vater starb, als Fanny erst zwei Jahre alt war. Nach dem Tod des Vaters zog die Familie von dem schlossähnlichen Wohnsitz „Charlottenfels“ über dem Rhein in Neuhausen, den ihr Vater für seine erste, jung nach einem Unfall verstorbene Ehefrau hatte bauen lassen, zunächst nach Karlsruhe, dann nach Zürich und 1888 schließlich auf die Halbinsel Au in Wädenswil bei Zürich.

Fanny Moser, die vermutlich von Privatlehrern unterrichtet worden war, besuchte erst ab 1893, als sie bereits 21 Jahre alt war, in Lausanne ein Knabeninstitut, wo sie zwei Jahre später die Matura erwarb. Anschließend studierte sie zunächst Medizin in Freiburg im Breisgau, wechselte dann aber 1899 zum Studium der Zoologie nach München.

1902 promovierte sie dort mit einer Arbeit über „Beiträge zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere“. Weitere naturwissenschaftliche Arbeiten begründeten Mosers internationalen Ruf. So arbeitete sie im Auftrag des naturhistorischen Museums in Berlin, der Preussischen Akademie der Wissenschaften und des Fürsten von Monaco.

Im Februar 1914 wurde Fanny Moser Zeugin einer Tischlevitation, die sie trotz sofortiger Untersuchung nicht erklären konnte. Dieses Erlebnis führte nach heftigen inneren Kämpfen schließlich dazu, dass sie sich mit der wissenschaftlichen Erforschung okkulter Ereignisse befasste und zu einer bedeutenden Spukforscherin wurde. In ihren beiden Hauptwerken „Okkultismus – Täuschungen und Tatsachen“ (1935) und „Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube? Eine Frage der Menschheit“ (1950) veröffentlichte sie ihre Forschung zum wissenschaftlichen Okkultismus.

Fanny Moser war ab 1903 mit dem tschechischen Musiker und Komponisten Jaroslav Hoppe (1878 – 1926) verheiratet, mit dem sie, als dieser schwer erkrankte und pflegebedürftig wurde, von Deutschland nach Tschechien (Mähren) zog. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie zunächst in München, dann ab 1943 in Zürich, wo sie am 24. Februar 1953 starb. Ihre wertvolle, privat finanzierte Sammlung parapsychologischer Literatur und einen bedeutenden Teil ihres Grundvermögens vermachte Moser dem 1950 von Hans Bender, Professor für Psychologie, in Freiburg gegründeten Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP).

In der Vorrede zu Fanny Mosers „Spuk. Irrglaube oder Wahrglaube?“ von 1950 schreibt C. G. Jung:

„Dem Wunsche der Autorin nach einigen einleitenden Worten meinerseits komme ich um so lieber nach, als mir ihr früheres Werk über Okkultismus, das mit großer Umsicht und Materialkenntnis verfaßt wurde, noch in lebhafter Erinnerung ist. Ich begrüße das Erscheinen des vorliegenden Buches, welches eine reich dokumentierte Sammlung parapsychologischer Ereignisse darstellt, als eine wertvolle Bereicherung der psychologischen Literatur überhaupt. Außerordentliche und mysteriöse Geschichten sind nicht notwendigerweise immer Lügen und Phantastereien. Frühere Jahrhunderte kannten zahlreiche »geistreiche, curieuse und ergetzliche Historien«, unter denen sich Beobachtungen befanden, die seither ihre wissenschaftliche Bestätigung gefunden haben. […]

Frau Dr. Fanny Moser hat in diesem ersten Bande ein imponierendes Tatsachenmaterial zusammengetragen. Es unterscheidet sich von andern Sammlungen dieser Art durch eine ebenso sorgfältige wie ausführliche Darstellung und Dokumentierung, welche in vielen Fällen jenen Gesamteindruck der Situation ermöglicht, den man in derartigen Berichten sonst öfter vermißt.“

Mein Weg zum Okkultismus

Der folgende Bericht Fanny Mosers über eine 1914 von ihr selbst erlebte, beeindruckende Tischlevitation stammt aus dem Oktoberheft (Jahrgang 1950/51) der Zeitschrift „Neue Wissenschaft“, die ihn mit den folgenden Worten einleitet:

„Die Autorin hat uns freundlicherweise gestattet, den folgenden Abschnitt aus ihrem zweibändigen Werk „Okkultismus, Täuschungen und Tatsachen“, Orell Füssli-Verlag, Zürich 1935, abzudrucken. Der betreffende Abschnitt, den wir – unwesentlich gekürzt – wiedergeben, gehört zu den psychologisch interessantesten Stellen des hervorragenden Werkes, das zwar im Ausland grösstes Ansehen geniesst, dafür in der rationalistischen Schweiz umso weniger bekannt ist, obwohl die Autorin selbst Schweizerin ist, es aber nie verstanden hat, für sich selber Propaganda zu machen.

Die Sitzungen, von der hier die Rede ist, fand im Februar 1914 in Berlin bei Frau Fischer statt, einem Medium, das sonst weiter nicht in Erscheinung getreten ist. Dabei lernen wir die Autorin kennen (die damals noch eine angesehene Biologin war und allem Okkulten äusserst skeptisch gegenüber stand) und werden Zeugen eines Kampfes, in dessen Verlauf aus einem Saulus allmählich ein Paulus geworden ist, obwohl die Autorin, auch nach diesem aufrüttelnden Erlebnis, erst nach jahrzehntelanger gründlicher Arbeit zu der Ueberzeugung gekommen ist, dass beim Okkultismus zwar vieles auf Täuschungen mannigfaltigster Art beruht, dass aber ein genügend grosser Rest bleibt, bei dem wir – ehrlicherweise – mit dieser Erklärung nicht durchkommen.“

Mein Weg zum Okkultismus

Am bezeichneten Tage um 5 Uhr begab ich mich mit der Handleserin in die Wohnung Frau Fischers. Sie warnte mich unterwegs, meinen Skeptismus merken zu lassen; der Erfolg könne dadurch in Frage gestellt werden. Es lag also in meinem Interesse, Vertrauen zu bekunden und die Sympathien des Mediums zu gewinnen. Dass dies anscheindend sofort gelang, ist mir, wie die ganze Sitzung, noch heute ein Rätsel.

Eine schlichte, stille Frau in mittleren Jahren mit leiser, müder Stimme und müden Bewegungen. Das Medium öffnete selbst die Türe der hübschen Parterrewohnung in einer der besten Straßen Berlins. Das sympathische, blasse Gesicht hatte einen leidenden Zug, der auf Krankheit, nervöse Erschöpfung oder tiefen Kummer schließen ließ. Ohne Umstände half sie beim Ablegen und führte uns in das große, gediegen eingerichtete Esszimmer, in dessen Mitte ein sehr großer Esstisch ohne Decke stand, der bewusste Tisch, den ich neugierig betrachtete. Vergeblich versuchte ich ihn etwas zu heben, als wir uns um ihn gesetzt hatten: das Medium, dessen Mann (ein kleiner, schmächtiger Herr, dem unsere Anwesenheit höchst unwillkommen schien), die Handleserin und ich. Frau Fischer entschuldigte sich, dass die Sitzung infolge ihres leidenden Zustandes kaum gut ausfallen werde; zudem wirke die Anwesenheit Fremder ungünstig, namentlich die von Neulingen. Ein fremder Arzt sollte noch an ihr teilnehmen. Endlich traf dieser ein und setzte sich zu uns. Er verhielt sich äußerst reserviert und ließ während der Unterhaltung nur einige skeptische Bemerkungen fallen, nach denen er offenbar den gleichen Standpunkt einnahm wie ich. Bald erhob sich das Medium, und wir begaben uns ins angrenzende Schreibzimmer, wo die Sitzung gleich stattfand. Das Zimmer war mittelgroß, eine Türe auf den Gang, zwei Fenster auf die Straße, neben dem einen in der Ecke ein Schreibtisch, in der Mitte ein großer, dünner Teppich mit einfachem ovalem Tisch ohne Decke und hellbrennender Petroleumlampe, darüber eine nichtbrennende Hängelampe. Der Tisch war ziemlich groß mit einer Mittelsäule, die in drei Füße auslief. Wir setzten uns gleich um ihn, das Medium in der Mitte der Breitseite, gegenüber dem Schreibtisch, ich so dicht zu dessen Rechten, dass ich noch an der Breitseite saß, der Arzt am Tischende links, Herr Fischer mir gegenüber an der anderen Breitseite, die Handleserin zwischen diesen beiden. Die Verteilung war also eine unregelmäßige. Schweigend bildeten wir Kette, die Hände bei der Größe des Tisches ziemlich weit eingeschoben, damit sich die kleinen Finger gegenseitig berühren konnten. So war es unmöglich, mit den Fingern oder den Handballen gegen oder unter den Tischrand zu drücken. Mit den Händen war lediglich Rotation, Gleiten oder Schaukeln des Tisches zu bewerkstelligen. Heben war nur möglich durch die unteren Extremitäten. Das war wichtig. Diese allerdings hatte ich nicht unter Kontrolle; doch saß ich so dicht neben dem Medium, dass unsere Arme und Beine sich ihrer ganzen Länge nach berührten und eine Bewegung oder Anstrengung von dessen Seite von mir kaum unbemerkt bleiben konnte. Den Teppich hatte ich gleich anfangs, so weit meine Füße reichten, nach allen Seiten abgetastet und mich versichert, das größere Apparate jedenfalls nicht unter ihm verborgen waren. Ich konnte auch nicht das mindeste von Leitungsdrähten bemerken: alle sah normal und harmlos aus.

Nach längerem schweigenden Warten kam das verdächtige „Weniger Licht!“ Eilfertig trug Herr Fischer die Lampe auf den mir und dem

Medium schräg zur Linken stehenden Schreibtisch und warf, ohne sie herunterzuschrauben, ein dreieckiges, mit zwei Enden zusammengeknüpftes schwarzes Tuch über die weiße Glocke, so dass es auf unserer Seite niederhing. Das Licht verbreitete sich noch ungehindert nach oben, unten, hinten und ein bisschen seitlich. Im ersten Augenblick erschien das Zimmer dunkel. Bald konnte ich aber das meiste ziemlich genau unterscheiden, nicht nur die Umrisse der Anwesenden, sondern auch Einzelheiten, z. B. ob sie die die Lippen bewegten, die Augen offen oder geschlossen hielten usw. Es ließ sich auch gut schreiben und lesen, wie sich später herausstellte. Wir saßen lange schweigend und still da, ohne dass sich das mindeste ereignete. Das Medium entschuldigte sich wiederholt. Herr Fischer, der seine Abneigung von Anfang an deutlich verraten hatte, drängte zum Abbruch. Doch seine Frau bat immer wieder um Geduld.

Die Situation wurde peinlicher und peinlicher, die Stille immer drückender. Ich empfand Mitleid mit der blassen Frau, die so abgespannt neben mir saß und sich kaum aufrecht hielt. Simuliert war das nicht: das Gesicht war leichenblass, die Augen geschlossen, der Atem ging mühsam. Der Kopf sank allmählich auf die Brust herab, und schwer lehnte sie mit Oberkörper und Händen auf den Tisch. Dann begann sie leise zu stöhnen und bewegte sich unruhig hin und her, wie in Schmerzen. Zweimal fiel ihr Kopf gegen meine Schulter und blieb einige Augenblicke liegen. So konnte ich das wachsbleiche Gesicht genau betrachten. Sie stöhnte mehrmals schmerzlich, raffte sich dann auf und setzte sich zurecht, um bald wieder zusammenzusinken und nach der anderen Seite zu taumeln. Dann beruhigte sie sich langsam und murmelte leise: „Jetzt kommt’s bald.“ Trotzdem: vergebliches Warten! Im Stillen begann ich die ganze Komik der Situation zu empfinden, besonders im Gedanken an die Kollegen! Was würden sie sagen, wenn sie mich in fremdem Hause mit Tischrücken beschäftigt fänden! Ich schämte mich vor mir selber und hatte Mühe, das Lachen zu unterdrücken. Da, plötzlich: ein leises Schwanken des Tisches, das rasch zu einem ausgesprochenen Schaukeln von rechts nach links wurde. Wie ein Blitz schoss mir der Gedanke durch den Kopf: „Auf den Leim gehst du mal nicht“, und ich spannte alle Sinne an, um festzustellen, was eigentlich vorging. Diese Bewegungen mussten durch die Füße oder Kniee des Mediums, eventuell mit Unterstützung der andern, zustande kommen! Der Arzt allerdings schien auszuscheiden. Nach einem Komplizen sah er nicht aus. Zu merken war aber gar nichts. Das Medium saß regungslos, wie im Traum, ganz versunken da. Nicht minder regungslos die übrigen. Und doch hätten deren Bewegungen ziemlich stark sein müssen, um ein so kräftiges Schaukeln des ansehnlichen Tisches herbeizuführen! Ich konnte jedoch absolut nichts Verdächtiges entdecken.

Bald hörte die Erscheinung auf, und schweigend warteten wir weiter.

Plötzlich bemerkte Herr Fischer zu mir: „Unter Ihrem Stuhl ist Licht!

Ich blickte herab. Wahrhaftig! Ausgerechnet unter meinem Stuhl – ein mattes, weißes, diffuses Leuchten, das ein gutes Stück nach rechts hervorstrahlte und bald erlosch! Das konnte aber sehr gut eine Täuschung sein; jeder Beweis für seine objektive Realität fehlte. Wir warteten weiter. Schließlich geschah doch etwas, was mich in Staunen versetzte: es begann zu klopfen, die berühmten Klopftöne. Sie waren aber ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte, und sehr merkwürdig: wie schwere Hammerschläge, trocken und scharf, nicht auf dem Tisch, nicht unter dem Tisch, nicht durch Tischbewegungen – der Tisch rührte sich nicht –, sondern im Holz selbst, direkt unter meinen dicht nebeneinanderliegenden Händen und über meinen Knien. Ich fühlte deutlich das Vibrieren der einzelnen Schläge. Wie in aller Welt, das war meine stumme Frage, kam dieses Klopfen, Schlag auf Schlag, schwer und dröhnend, im Holz der Tischplatte zustande? Es läßt sich nicht beschreiben, und alle Argumente dagegen verblassen zu einem Nichts. Wer das nicht selbst erlebt hat, urteile nicht. Dabei saß das Medium regungslos da, wie entgeistert, mit herabhängendem Kopf. Nicht das leiseste Zucken der Hände. Auch die Kniee schienen unbeweglich. Und dabei diese Hammerschläge! Auch von den anderen rührte sich keiner, als wäre jeder bemüht, keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Schließlich hörte das Klopfen auf. Herr Fischer drängte zum Abbruch, das Medium zum Warten. Da geschah das Unglaubliche! Noch heute steht mir der Verstand still: ein leises, aber deutliches Krachen im Tisch, und plötzlich hob er sich mit solcher Gewalt und Schnelligkeit, dass wir alle erschrocken aufsprangen und die Stühle zurückstießen, wobei meiner in der Hast umfiel. Wie von einer Riesenfaust oder einem eisernen, aus dem Boden gewachsenen Bolzen gehoben, schoss der Tisch ungefähr einen halben Meter senkrecht in die Höhe, blieb kurze Zeit dort schweben und sank dann langsam zurück. Schweigend standen wir um ihn herum und warteten auf das weitere.

Plötzlich hob er sich von neuem, jetzt aber zu solcher Höhe, dass Herr Fischer angstvoll schrie: „Haltet ihn, haltet ihn, sonst zerschlägt er wieder die Lampe!“ Nun drückten wir alle aus Leibeskräften; die Platte schwebte in Augenhöhe, so dass die kettebildenden Hände hoch emporgehoben waren. Ich drückte, was ich konnte. Die anderen anscheinend ebenso. Vergebens! Der Tisch stieg allerdings nicht weiter, senkte sich aber auch nicht im geringsten, sondern schwebte frei, dicht unter der Hängelampe, wie von eisernen Ketten getragen. Er schwebte längere Zeit unbeweglich, trotz allen Drückens, das nicht mehr Wirkung ausübte wie eine Fliege. Dann – plötzlich – schoss er herab, schräg nach meiner Seite, dass wir auseinanderstoben und das Medium und ich nach hinten gedrängt wurden. Er landete mit solcher Gewalt auf dem Boden, dass der eine Fuß abbrach und krachend gegen die Gangtüre flog. So stand er nun schief, nur zum Teil noch auf dem Teppich, in der Nähe der Rückwand.

Hier kam es zu einer dritten ähnlichen Levitation, nach welcher wir die umgefallenen Stühle aufhoben und den Tisch an seinen ursprünglichen Platz in der Zimmermitte zurückschoben: Auf Vorschlag des Mediums stellten wir uns abermals um ihn herum, worauf er wieder hochging. Diesmal schwebte er aber, das war das allermerkwürdigste, schief in der Luft, so dass das Ende rechts ungefähr bis Brusthöhe, links dem Arzt fast bis zur Augenhöhe reichte. Trotzdem ich wieder mit aller Gewalt drückte, konnte ich auch jetzt nicht das leiseste Schwanken oder Vibrieren hervorrufen. Unbeweglich schwebte er, wie auf einer festen Unterlage ruhend. Der Eindruck, ein Träger, eine Maschine, irgend etwas müsse vorhanden sein, war so zwingend, dass ich, einem unwiderstehlichen Muss folgend, unvermittelt fragte:

„Darf ich untersuchen?“ „Gewiss“, erwiderte sofort Herr Fischer. Ich unterbrach die Kette, was wieder ohne Einfluss war, kniete auf den Teppich und fuhr mit beiden Händen nach allen Richtungen unter den Tischfüßen herum. Immer wieder suchte ich nach Leitungsdrähten, Schnüren und dergleichen. Nichts, absolut nichts! Ich tastete die Tischfüße, die Platte von unten ab. Nichts! Schließlich erhob ich mich und stellte mich wieder an den Tisch, dessen schiefe Lage allein ein Skandal, ein Hohn auf jedes physikalische Gesetz war, und schloss die Kette. Schweigend warteten wir weiter; diese letzte Levitation dauerte bei weitem am längsten. Man konnte in größter Ruhe alles genau beobachten. Dann senkte sich der Tisch, diesmal langsam und sachte, auf den Boden herab.

Die Sitzung war beendet. Das Tuch wurde von der Lampe entfernt, so dass das Zimmer wieder hell beleuchtet war, und man ging ins Esszimmer. Ich blieb allein zurück. War alles Täuschung? Eine Halluzination? Ich musterte den zerbrochenen, schiefen Tisch, den abgebrochenen Fuß bei der Gangtüre – unwiderlegliche Beweise der objektiven Realität des Vorgefallenen. Ich suchte noch einmal nach irgendeiner Handhabe für eine Erklärung – vergebens.

Drüben empfahl sich rasch der Arzt, ohne irgendeine Äußerung, als ergriffe er die Flucht vor diesen Tatsachen, die keine Tatsachen sein durften. Das Medium, blass und erschöpft, entschuldigte sich: „Sonst geht alles viel rascher und besser, aber die Bedingungen waren zu schlecht.“ Ich bedankte mich, in dem Bewusstsein, dass es mir mit

Aufbietung aller Kräfte ein großes, persönliches Opfer gebracht hatte, im Kampf mit dem eigenen Mann.

In einem Sturm widerstreitender Gefühle verließ ich das Haus. Ich war wie auf den Kopf geschlagen – wie jemand, der zum erstenmal ein Erdbeben erlebt, wobei alles ins Schwanken und Stürzen gerät, was als feststehend und unverrückbar gilt, – nirgends ein Halt: selbst der Boden weicht. Wie ein im Dunkeln aufflammendes Licht alles verändern und verzerren kann, so schien mit einemmal die Welt total verändert. Ich war vollständig aus dem Gleise geworfen und tappte im Finstern. Was war überhaupt noch als sicher und feststehend zu erachten, nach dieser unheimlichen Erfahrung? Blieb noch ein fester Punkt, auf den man sich stützen konnte? War alles in der Welt nur Täuschung und Gaukelei? Zugleich erhob sich ein an Verzweiflung grenzendes Gefühl: nie mehr das Wort „unmöglich“ aussprechen zu können. Wehrlos bist du auch dem Unsinnigsten preisgegeben! Vergeblich rufst du Vernunft, Erfahrung und Wissenschaft zum Schutz, sie alle haben versagt! Was sind sie noch wert? Wie kann man noch auf sie bauen? Hilf- und richtungslos ist man dem Ansturm aller Unmöglichkeiten ausgeliefert. Dieses Bewusstsein warf mich fast zu Boden.

Es gab im Grunde nur zwei Erklärungsmöglichkeiten. Entweder: der freischwebende Tisch war eine objektive Tatsache, oder – ich war verrückt geworden und alles, auch der abgebrochene Fuß, eine Täuschung. Hatte ich aber einen Anhaltspunkt für eine solche Annahme? Nein. Sie war nur eine feige Flucht vor einer Wirklichkeit, die sozusagen meine sämtlichen Götter entthronte, meine ganzen wissenschaftlichen Anschauungen auf den Kopf stellte. Denn über das eine war ich mir klar: war mein verrückter Tisch eine objektive Wahrheit, dann, ja dann konnte ebensogut alles andere Okkulte objektive Wahrheit sein, statt hirnverbrannte Phantasien von Tollhäuslern, als welche sie jedem Normaldenkenden vorkommen müssen. Dieser Schluss war zwingend. Hier gab es nur ein Entweder – Oder. Was die Bejahung für Folgen haben musste, für Möglichkeiten in sich barg, das ahnte ich dunkel. Ungeheures musste aus einer solchen Erkenntnis herauswachsen und eine Umwandlung in unserem Denken und Fühlen herbeiführen, so dass der Kampf um diese Wahrheit, der Protest unserer Denkgewohnheiten verständlich wurde. Unser Weltbild musste sich von Grund auf wandeln. Eine solche Wahrheit konnte nur unter Schmerzen geboren werden. Dieser Kampf der Jahrtausende um eine neue Erkenntnis tobte nun in mir selbst.

Spuk

Irrglaube oder Wahrglaube? Eine Frage der Menschheit

Vorwort

Der Spuk ist der größte Verstoß gegen den gesunden Menschenverstand und guten Geschmack. Nicht Wunsch führte zu ihm, sondern Schicksal und Pflicht.

Mit dem Spuk berühren wir eine der merkwürdigsten Seiten menschlichen Sagens und Glaubens, zugleich einen beunruhigenden Erfahrungsbesitz, mehr noch, ein oft erschütterndes Erlebnisgut der Menschheit seit Urzeiten. Offen oder geheim, die Mehrzahl glaubt an ihn, fürchtet ihn bewußt oder unbewußt – wie so bezeichnend C. G. Jungs Fall – bis in unser aufgeklärtes, materialistisches Zeitalter hinein, erblickt in ihm ein Sein und Wirken übernatürlicher Art, das Hineintragen einer andern Welt in die unsere, so unmöglich es auch scheint. Je nach Einstellung gilt er als beglückender Beweis der Unsterblichkeit des Menschen, des Überlebens und Wirkens der Toten, Bestätigung von »armen Seelen« im Fegefeuer, Bestätigung der Existenz des Teufels, von Dämonen, Geistern, Gespenstern, Kobolden und ähnlichem. Für uns dagegen ist er das schlechthin Unmögliche, grotesker Wahnsinn, ein abergläubischer Überrest aus der Menschheit Kindertagen, Ärgernis den einen, Anlaß zu Hohn und Spott den andern. Dem Nachdenklichen dagegen ist er ein Anreiz, hinabzusteigen in diese Tiefen und den Versuch zu wagen, den Schleier zu lüften, der das »Unmögliche« verhüllt, das derart die Menschen in Bann zu schlagen vermag, allem gesunden Menschenverstand zum Trotz. Die Lösung dieses Rätsels ist allerdings immer wieder von verschiedensten Seiten versucht worden, von den verschiedensten Voraussetzungen ausgehend. Ergebnis? Unsicherheit auf der ganzen Linie. Was die einen behaupten und zu beweisen vermeinen, bestreiten die andern mit nicht minder triftigen Beweisen. So wissen wir vom Spuk, dem »Unghüürigen«, wie ihn der Berner, im Doppelsinn von ungeheuer-kolossal und nicht-geheuer-unheimlich, treffend bezeichnet, tatsächlich auch heute kaum mehr als einst und stehen ihm nicht weniger rat- und hilflos gegenüber als Lessing, dieser gescheite, kritische Kopf mit dem durchdringenden Verstand, der angesichts des »Kloppeding von Dibbesdorf« 1767 sich zu dem Eingeständnis gezwungen sah, hier gehe uns fast unser ganzes Latein aus!

Mag man sich zum Spuk stellen, wie man will, sicher ist das eine: Mit seiner Untersuchung betreten wir geheiligten Boden, geheiligt durch die Tradition und den Glauben der Menschheit seit dem grauen Altertum, sanktioniert durch die Bibel und andere Offenbarungen, durch die Sitten und Bräuche aller Völker in Verbindung namentlich mit dem Tod, ebenso aber auch durch die unbestreitbare Tatsache, daß, wer den Mut findet tiefer zu schürfen, an letzte Fragen rührt, auch an die Frage nach Leben und Tod und damit an das Jenseits.

Zu einer solchen Untersuchung, als dringende Notwendigkeit und entsprechende Fortsetzung meines Werkes »Okkultismus. Täuschungen und Tatsachen«1, habe ich mich allerdings schwer entschlossen, vom Wunsche beseelt, meine liegen gebliebenen biologischen Arbeiten endlich wieder aufzunehmen. Ausschlaggebend dabei war in erster Linie das Zureden von Prof. E. Bleuler, dem bekannten Zürcher Psychiater und langjährigen Leiter der Irrenanstalt Burghölzli, berühmt durch Schaffung des Schizophrenie-Begriffes, der grundlegend die klinische Psychiatrie umgestaltet hat. Er muß sogar als der eigentliche Urheber des Werkes bezeichnet werden; denn ohne seine Anregung und ständige Hilfe hätte ich kaum die Kraft gefunden, diese schwierige Arbeit in Angriff zu nehmen und auch zu Ende zu führen. Nachdem er selbst ein äußerst merkwürdiges Spukerlebnis gehabt und sich für das frühere Werk intensiv interessiert hatte, war es nur natürlich, daß er sich auch für dessen Fortsetzung interessierte. Er ging darin sogar so weit, daß er eine Nacht in einem Berner Spukhaus von Verwandten einer Freundin von mir zubrachte. Doch der Spuk wollte sich nicht zeigen. Er läßt sich nicht kommandieren! Prof. E. Bleulers Interesse war um so begreiflicher, als er bereits das Fehlen des Spuks und der spiritistischen Frage, übereinstimmend mit zahlreichen anderen, beanstandet hatte. Besonders lebhaft war das der Fall bei Oswald Spengler. Kurz vor seinem plötzlichen Tod hatte er mich nach Empfang jenes Werkes besucht. Dabei stellte sich heraus, daß für ihn die Existenz des Spuks außer Frage stand, so indiskutabel wie z. B. Telepathie und Hellsehen, die sich mehrfach in seiner Familie gezeigt hatten. So stellten es beide als eine Pflicht hin, den beschrittenen Weg weiter zu gehen und nicht vorzeitig abzubrechen. Doch ich zögerte. Der besonderen Schwierigkeiten dieses Unternehmens war ich mir nur zu sehr bewußt. Tatsächlich waren sie jedoch noch sehr viel größer als ich ahnen konnte. Im Laufe der Arbeit stellte sich das heraus, oft als habe alles sich verschworen, um dieses eine Geheimnis vor der unersättlichen, oft an Schamlosigkeit grenzenden Neugier der Menschen zu hüten und ihnen wenigstens diese Schranke zu setzen, als Beweis, daß all unser Wissen Stückwerk ist und unser Wissen begrenzt – unbegrenzt allein unser Nichtwissen.

Wo alles schwankt und unsicher ist, hat jeder Versuch seine Berechtigung, wenn in der richtigen Einstellung unternommen, jener Einstellung, die ein a priori-Urteil ablehnt und sich offen hält für alle Möglichkeiten, die wir noch lange nicht ausgeschöpft haben, in der Erkenntnis, daß jedes Jahrhundert neu bestimmt, was möglich ist, was unmöglich, gemäß dem Triumvirat: Wissenschaft, Vernunft und gesunder Menschenverstand! In dieser Einstellung, ohne jede Voraussetzung, nur beseelt vom Wunsche, die Wahrheit zu ermitteln, nicht irgend etwas zu beweisen, ist diese Arbeit, wie beim »Okkultismus«, unternommen worden. Wissen und verstehen!

Eine gültige Definition von Spuk zu geben ist allerdings noch unmöglich, angesichts der großen Verschiedenheit der Erscheinungen, ihrer Unverständlichkeit und vor allem der Tatsache, daß gar nicht

feststeht, was Täuschung, was wirklich, nämlich objektive Realität ist. Die Bezeichnung Spuk ist also einstweilen ebenfalls nur ein Sammelname, das einzig Gemeinsame die Unverständlichkeit und anscheinende Sinnwidrigkeit der Erscheinungen mit einem unbekannten »Es« als Urheber – ähnlich wie in frühern Zeiten bei den meisten Naturerscheinungen. Beim Blitz heißt es noch heute: »Es« blitzt! Im Laufe der Untersuchung dürfte sich jedoch die Möglichkeit ergeben, eine annehmbare Definition zu finden (II. Band). Einstweilen weiß wohl jeder, worum es sich handelt. Bezeichnend ist, daß ein ähnlich bequemer Sammelname andern Sprachen fehlt, so den Engländern, Italienern und Franzosen. Sie sind daher gezwungen, falls sie nicht, wie häufig, vorziehen, den deutschen Sammelnamen zu verwenden, die betr. Erscheinungen aufzuzählen: »Ghosts and haunted Houses« oder auch »Poltergeister«, ebenfalls ein beliebter Sammelname für Gepolter und Tumult verschiedenster Art. Am bekanntesten sind diese Poltergeister. Sie betätigen sich besonders in den sog. Spukhäusern, wo die Phänomene, allem Wechsel der Bewohner zum Trotz, als Dauererscheinungen auftreten.

Die Frage ist auch hier, bei diesem uralten Aberglauben: handelt es sich lediglich um Täuschungen, und zwar um Täuschungen verschiedenster Art? Oder bleibt ebenfalls ein Rest, wenn noch so klein, der sich dieser Erklärung entzieht? Im Irrglauben also ein Wahrglauben? Beim Spuk erst recht müssen wir von der Annahme ausgehen, daß vieles, wenn vielleicht nicht alles, auf Täuschungen beruht, die dort ganz allgemein eine so außerordentliche und zum Teil merkwürdige Rolle spielen. Eingehend wurde diese Seite, die auch psychologisch von größtem Interesse ist, im »Okkultismus« behandelt und immer wieder auf sie hingewiesen. Im Vordergrund stehen, neben dem Betrug mit oft eigentümlichen Motiven und erstaunlichen Kniffen die Sinnestäuschungen: Illusionen2 und Halluzinationen3, in Verbindung mit der Eidetik, jener Lehre des Marburger Physiologen Jaensch von den Anschauungsbildern als einer der häufigsten Fähigkeit namentlich Jugendlicher und Primitiver, phanatasiemäßige Sinneseindrücke als unmittelbare Wirklichkeit zu erleben, also visuelle Halluzinationen zu erleiden, die sich für die Erlebenden in keiner Weise von der objektiven, also »realen« Wirklichkeit unterscheiden. Das ist das Wesentliche. Diesen Täuschungen ist man daher wehrlos ausgeliefert, da sie sich unmittelbar als solche nicht erkennen lassen. Das ist um so begreiflicher, als sie ihre entsprechende physiologische Komponente haben: die Netzhaut wird ebenfalls erregt, nur umgekehrt, nicht von außen, sondern zentrifugal vom Sehzentrum aus. Sie lassen sich auch nicht willkürlich hervorrufen noch unterdrücken. Bezeichnende Beispiele finden sich in jenem Werk.

In diesem Zusammenhang sei noch auf eine andere mögliche Täuschungsquelle, die Synästhesien, hingewiesen, die nicht übersehen werden sollte; denn ihrerseits könnte sie in der einen oder andern Form eine gewisse Rolle spielen. Die umfassenden Farbe-Ton-Forschungen von Prof. G. Anschütz4, Hamburg, haben nämlich einerseits ergeben, daß z. B. das Farbenhören keineswegs eine nur seltene und absonderliche Eigenschaft ist, sondern viel weiter verbreitet, als man annehmen sollte, und unzählige Varianten annehmen kann. Andererseits gibt es viele Beziehungen zu den okkulten Phänomenen, so daß wenigstens eine partielle Verwandtschaft zwischen beiden Gebieten bestehen dürfte – Übereinstimmungen, die offenbar nicht auf bloßem Zufall beruhen. Anschütz zählt deren 19 auf.

Die Einsicht, daß von zahlreichen Erscheinungen, deren Realität oft mit größter Leidenschaft und Hartnäckigkeit behauptet wird, auch von Seiten durchaus Gebildeter, tatsächlich nur ein Teil »wirklich« ist, im Sinne von objektiv, ist von größter Bedeutung für die richtige Einschätzung vieler okkulter Phänomene, wie z. B. des »Zweiten Gesichts«5 (K. Schmeïng), vor allem aber des Spuks und insbesondere der Geistererscheinungen. Das Gleiche gilt vom Einfluß der Suggestion, Fremd- wie Autosuggestion, als Folge von Glauben, Angst, Erwartung und dergleichen. Die betreffenden Untersuchungen von Jaensch und seiner Schule können in ihrer Bedeutung speziell für unser Problem kaum überschätzt werden.

Auf die Fundamentalfrage, wie weit und mit welchem Recht wir überhaupt ein Objektiv und Subjektiv unterscheiden, eine Frage, die von je die Philosophen – man denke an Kant – beschäftigt hat und aufs Verschiedenste beantwortet worden ist, kann allerdings nicht eingegangen werden, obwohl sie sich beim Spuk immer wieder aufdrängt. Eine Entscheidung: objektiv – subjektiv scheint oft kaum möglich, wie sich zeigen wird, die Berechtigung dieser Dualität manchmal sogar in Frage stellend. Neuerdings hat der hervorragende Physiker, Pascual Jordan, Hamburg, in eigenartiger und interessanter Weise diese Frage im Hinblick auf die parapsychischen Erscheinungen in seiner Schrift: »Verdrängung und Komplementarität«6 behandelt.

Nebenbei: die Frage der Objektivität ist tatsächlich unlösbar, so unlösbar wie jene andere, ob sich die Erde um die Sonne bewegt oder umgekehrt die Sonne um die Erde. Da wir mitschwingen, fehlt jede Möglichkeit der Entscheidung. Aus praktischen Gründen sind wir jedoch zu einer solchen gezwungen, unabhängig von ihrer philosophischen Entscheidbarkeit. Ebenso supponieren wir auch ein Objekt unabhängig vom Subjekt, dem Menschen. Zu dieser, sagen wir Arbeitshypothese sind wir immerhin berechtigt auf Grund der Ergebnisse bei Untersuchung z. B. der ontogenetischen und phylogenetischen Entwicklung namentlich unserer Sinnesorgane, auf denen alle unsere Wahrnehmungen beruhen, Vermittler daher der Außenwelt. Ihre Erfolge gestatten jedoch bis zu gewissem Grad, unter entsprechendem Vorbehalt, dem Zeugnis unserer Sinne zu vertrauen. Zugleich werden aber auch die großen Schwierigkeiten bei Untersuchung des Spuks beleuchtet, da nicht nur der Laie die Tatsache in ihrer vollen Tragweite kaum erfaßt, daß eine Halluzination unmittelbar in keiner – ich wiederhole: in keiner Weise von einer objektiven Realität zu unterscheiden ist. Subjektiv erscheint sie ebenso »real«-wirklich, wie irgend etwas. Somit gibt es tatsächlich zwei Wirklichkeiten, eine objektive und eine subjektive, beide subjektiv gleich real. Nur auf Umwegen, oder durch Vermittlung anderer, kann die Täuschung festgestellt werden, vorausgesetzt, daß sie der Täuschung nicht ihrerseits erliegen. Die Täuschung kann also auch kollektiv sein, ohne mündliche Suggestion und auch ohne Objektsuggestion (O, Index), und zwar durch telepathische Gedankenübertragung – eine Tatsache, die nicht genug hervorgehoben werden kann, im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Entdeckung der Telepathie. Diese hat uns vor ganz neue Täuschungsmöglichkeiten gestellt, die besonders bei den Geistererscheinungen eine noch kaum abzuschätzende Rolle spielen können, so daß vielfach sogar die Neigung besteht, diese ganz auf Telepathie zurückzuführen. Die Existenz von Kollektivhalluzinationen infolge telepathischer Gedankenübertragung aus der Ferne wird allerdings aufs entschiedenste als grundlose und unwissenschaftliche Erklärung bestritten, z. B. von so hervorragenden Forschern wie Prof. Richet und Prof. E. Morselli. Tatsächlich gibt es aber zahlreiche Beweise zu ihren Gunsten, allein schon durch die indischen Zauberkünste (O. Ind.).

Das Ergebnis meines »Okkultismus« war, nach sorgfältiger Prüfung des besten mir damals zugänglichen Materials bei stark kritischer Einstellung als Ausgangspunkt, in Verbindung mit eigenen Beobachtungen und Erlebnissen, und übereinstimmend mit den bedeutendsten Forschern, daß in dem Wust mannigfachster Täuschungen unbestreitbar ein Körnchen Gold steckt, ein Rest also von Tatsachen, so merkwürdig und vorläufig auch unverständlich sie sind, die wissenschaftlich festgestellt sind und ehrlicherweise nicht abgelehnt werden können, soll das menschliche Zeugnis überhaupt noch Geltung haben – das menschliche Zeugnis, auf dem letzten Endes all unser Wissen beruht, selbst das einfachste chemische Experiment! Immer ist der Mensch das Mittelglied zwischen hier und dort. Das wird so leicht übersehen.

In einem »Nachtrag: Am Wendepunkt?« wurde zum Schluß auf Untersuchungen zum wissenschaftlichen Nachweis des sogenannten animalen Magnetismus hingewiesen. Dieser hat unter verschiedensten Namen immer wieder Gelehrte und Ärzte beschäftigt, seitdem Mesmer, dann Reichenbach (Od), mit einem noch viel zu wenig ausgewerteten Beweismaterial auf den Plan getreten sind. Zur Erklärung auch vieler, als okkult noch heftig bestrittener Erscheinungen, an denen keinesfalls mehr gezweifelt werden kann, wie für die Krankenbehandlung, wäre ein solcher Nachweis von kaum zu überschätzender Bedeutung. Man muß schon mit Blindheit geschlagen sein, um das nicht zu erkennen. Leider haben die aussichtsreichsten dieser neueren Untersuchungen, die des Physikers Dr. J. Wüst im Biologischen Institut von Prof. Dr. Romeis in München, anscheinend keine Fortsetzung erfahren. So bleibt die Frage des »animalen Magnetismus«, der »vitalen Energie« weiter in der Schwebe und wartet auf ihren Röntgen.

Zwei andere okkulte Erscheinungen, als Haupttatsachen von mir damals bezeichnet, können dagegen aufgrund zahlreicher neuer Untersuchungen von verschiedensten Seiten und eigener Beobachtungen, zum Teil aus meiner engsten Umgebung, nunmehr als gesichert bezeichnet werden, wenn auch, dem wissenschaftlichen Trägheitsgesetz entsprechend, ihre offizielle Anerkennung noch immer widerstrebend und langsam erfolgt: die Telepathie-Gedankenübertragung mit den telepathischen Halluzinationen, die als Geistererscheinungen-Phantasmen Sterbender und Toter im Volksmund eine so große Rolle spielen, und die Telästhesie-Hellsehen in ihren beiden Formen: Wahrnehmung des räumlich Verborgenen und Fernen und des zeitlich Fernen, also in Zukunft und Vergangenheit.

Die von Prof. J. B. Rhine7 und seinem Stab jahrelang im parapsychologischen Institut der Duke University in Durham (N. Carolina) auf ganz neuen Wegen durchgeführten Experimente über die außersinnliche Wahrnehmung (extrasensory Perception, ESP), nämlich Telepathie und Hellsehen (Clairvoyance) und zwar, das ist ebenfalls das Neue, mit nicht speziell ausgesuchten Versuchspersonen, haben zu dem Ergebnis geführt, daß sie eine sehr viel verbreitetere menschliche Eigenschaft ist, als anzunehmen war nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen bei speziell ausgesuchten Versuchspersonen und spontanen Erscheinungen. Bei der großen Bedeutung, die speziell der Telepathie im Hinblick auf die Frage der Geistererscheinungen und des Fortlebens nach dem Tode beigemessen wird, sind diese Ergebnisse von größtem Wert, obwohl die betreffenden Erscheinungen nicht getrennt worden sind, auch nicht getrennt werden konnten bei den angewandten Methoden: sobald ein Gegenstand zur Anwendung kommt, bleibt es immer zweifelhaft, ob Telepathie oder Hellsehen der Seele zu ihrem Wissen verhilft. Der Wert des Beweises hängt allerdings auch von dem Wert ab, der der Wahrscheinlichkeitsrechnung in Verbindung mit der statistischen Methode zugebilligt wird (O. p. 271). Aufgrund der überwältigenden positiven Ergebnisse namentlich bei den spontanen Erscheinungen kann an ihrer Bedeutung als wissenschaftlich exakte Bestätigung nicht gezweifelt werden.

Jedenfalls: die Tatsächlichkeit der Telepathie, wie der Telaesthesie, des Hellsehens in seinen beiden Formen, ist keinesfalls mehr zu bestreiten, nachdem auch so hervorragende Forscher wie Prof. C. G. Jung8, der in unsere Seele ganz neue Einblicke geöffnet hat durch die Entdeckung des Kollektivunbewußten als Erbteil von unseren Vorfahren bis in fernste Vergangenheit, ebenso Prof. Alexis Carrel, der Nobelpreisträger und Biologe und Prof. H. Driesch8, der Psychologe und Biologe, sie anerkannt haben. Letzterer ist noch einen Schritt weiter gegangen in dem Versuch, diese Erscheinungen aus der Isolierung zu befreien und der Gesamtheit unseres Seelenlebens einzuordnen, um sie unserem Verständnis näher zu bringen und so ihre allgemeine Anerkennung herbeizuführen.

Einen weiteren außerordentlichen Schritt in der Eroberung des Okkulten hat Prof. Rhine getan mit umfangreichen Untersuchungen über die Fernwirkung der Seele auf die Materie, also die Telekinese als weitere Haupttatsache, desgleichen unter Anwendung der statistischen Methode und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die ebenfalls positiven Ergebnisse gewinnen an Gewicht in Verbindung mit einer Erklärung von Prof. Jung in seiner Einleitung zu St. Edward White's Buch: »Uneingeschränktes Weltall«9, einem der berühmten Betty-Bücher, daß die »höchst seltsame Wirkung der Psyche auf die Materie« unbestreitbar sei infolge persönlicher Erfahrungen in Übereinstimmung mit einer Reihe kompetenter Naturforscher, Ärzte und Philosophen wie Zöllner, Crookes, Richet, FIammarion, Schiaparelli, Lodge, E. v Bleuler u. a. Sie sind von mir seinerzeit ausführlich behandelt worden (O. Ind.). Ebenso ist C. G. Jung von der Existenz des Spuks überzeugt, wie sein interessanter persönlicher Beitrag im Kap. V beweist. .

Als Krönung darf vielleicht die Tatsache bezeichnet werden, daß A. Carrel aufgrund auch eigener Erfahrungen sich restlos auf den Boden des Wunders in seiner Schrift »Lourdes«10 gestellt hat. Im II. Band kommen wir darauf zurück in Verbindung mit eigenem sehr eindrucksvollem Material. Dementsprechend hat er seinem letzten Werk, in welchem er auch eine genaue Definition des Wunders gibt, den zukunftsweisenden Titel »Der Mensch. Der Unbekannte.«11 gegeben.

So kann mit Genugtuung festgestellt werden, daß der Schluß, zu dem ich 1935 im »Okkultismus« gelangt war: ein Rest bleibt, der echt ist über alle Täuschungen hinaus, inzwischen eine volle Bestätigung von maßgebenden Seiten erhalten hat und die neuen Untersuchungen aussichtsreich sind für seine endgültige Eroberung. Sie beweisen ihrerseits, daß der Okkultismus mehr ist als Irrglauben, Überrest aus der Menschheit Kindertagen, der ihr anhaftet, wie die Eischalen dem Hühnchen und schleunigst abgestoßen werden sollte. Die Schlußworte meines

»Okkultismus«, als wichtigstes Ergebnis, stehen also zu Recht: Der Okkultismus ist werdende Wissenschaft – eine Wissenschaft der Zukunft!

Das Gleiche ist nunmehr auch beim Spuk zu erwarten, sobald kritisch und vorurteilslos systematisch untersucht wird unter Berücksichtigung des eventuellen Wahrheitsgehaltes, der objektiven Wirklichkeit über alle Täuschungsmöglichkeiten hinaus. Darauf kommt es an und ist eine dringende Aufgabe. Unter diesem Gesichtspunkt muß einmal auch die Rolle und Bedeutung des Spuks in Volkssagen und Märchen, Geschichte und Literatur, Sprache und Rechtswissenschaft, seine Unterschiede nach Religion, Rasse, Völkern und Gegenden untersucht werden. Was könnte auch verlockender sein als festzustellen, was durch Jahrtausende über Zeit und Raum hinweg erlebt und mit größtem Nachdruck immer wieder bezeugt worden ist und heute noch bezeugt wird, und damit hinabzusteigen in die Tiefen der Menschheitsentwicklung? Alles ist hier noch zu leisten, denn selbst grundlegende Untersuchungen, wie J. G. Frazers vielbändiges Werk: »The golden Bough«, ebenso »The Fear of the Death« und »Belief in Immortality«12, die die Frage: Irrglaube oder Wahrglaube geradezu herausfordern, berühren nicht einmal die Möglichkeit: Wahrglaube?, so unmöglich scheint sie!

Als Vorarbeit zu einer solchen umfassenden Darstellung des Spuks von großen allgemeinen Gesichtspunkten aus werden in dieser Materialsammlung vorerst 10 Fälle, als Hauptfälle bezeichnet, unterbreitet, zumeist aus meinem eigenen Material, um einen Einblick zu gewähren in das betreffende Phänomen und seine Mannigfaltigkeit, und einen Begriff zu geben von den Fundamenten, auf die seine gewichtigsten Verteidiger sich stützen können. Denn nicht auf Materialfülle kommt es an, sondern auf Materialgüte, also auf dessen Qualität, die Tragfähigkeit der Fundamente und damit Zuverlässigkeit der Zeugen. Wir müssen wissen, wer sind die Zeugen, wie sind ihre Aussagen zu bewerten usw. Eingehend wurde im »Okkultismus« diese Frage behandelt und die vielen Täuschungsmöglichkeiten und Irrtümer aufgezeigt. Was wir jetzt in erster Linie brauchen sind »Tatsachen, Tatsachen über allen Schein, Betrug, Selbsttäuschung und Vergünstigung des Zufalls erhaben«, wie bereits der hervorragende romantische Arzt Hufeland gefordert hatte (O. p. 29).

Mein Material, das allerdings hier nur zum kleinsten Teil unterbreitet werden kann, stammt aus verschiedensten Quellen, namentlich katholischen, der Schweiz, Deutschlands, der Tschechoslowakei und Englands. An der Spitze steht das umfangreiche Material von Prof. A. Ludwig, Dr. iur. et rer. pol. in Freising bei München, das er mir zur Bearbeitung anvertraut hat, da er selbst bereits zu alt und kränklich war, um das selbst übernehmen zu können. Mit großer Umsicht und Gründlichkeit hatte er während 48 Jahren Fälle gesammelt und untersucht, nachdem er ursprünglich ganz ungläubig und skeptisch siebeneinhalb Jahre als Priester ein richtiges Spukhaus bewohnen mußte, in dem es unter seinen Vorgängern ähnlich gespukt hatte, und unter seinen Nachfolgern weiter spukte, auch wenn sie beim Einzug nichts davon wußten. Über seine Erlebnisse und Beobachtungen hat er Tagebuch geführt und diesen Fall dann ausführlich in den »Psychischen Studien« veröffentlicht. Seine ausgezeichneten Kenntnisse, nicht allein über Okkultismus und Spuk, sind mir bei meiner Arbeit sehr zustatten gekommen. Ich verweise auf seine zahlreichen Beiträge in dieser Zeitschrift und der Zeitschrift für Parapsychologie, ferner auf seine zweibändige »Geschichte der okkultischen Forschung von der Antike bis zur Gegenwart«13. So machte er mich auch aufmerksam auf die bedeutsamen Spukerlebnisse Luthers, nachdem dessen sämtliche Werke auf seine Anregung hin von der Bibliothek des dortigen Seminars angeschafft worden waren. Zu größtem Dank bin ich ihm, wie auch Prof. E. Bleuler verpflichtet, für sein lebhaftes Interesse und vielfache Hilfe im Laufe meiner Arbeit.

Grundlage und Ausgangspunkt des Werkes bildet der Fall des Nationalrats und Fürsprechs Melchior Joller in Stans am Vierwaldstättersee, denn alles stempelt ihn zu einem Fall erster Klasse: seine Übersichtlichkeit, die Stärke, Verschiedenheit und Dauer der Erscheinungen auch bei Tag und in vollem Licht und zum Teil auch in abgesperrten Räumen, die Zahl und Qualität eines großen Teils der Zeugen, die Rolle der Behörden beim Versuch, ihn festzustellen und aufzuklären, und die Vollständigkeit des vorgelegten Materials. Vor allem entscheidend für seine Wertbemessung ist aber die Persönlichkeit des Nationalrats in Verbindung mit der Tatsache, daß ein ausführliches Tagebuch vorliegt, fast von Anbeginn mit Sorgfalt geführt und noch von ihm selbst 1863 in Zürich veröffentlicht. Eine wertvolle Ergänzung bilden Briefe Jollers, während des Spuks aus Stans an angesehene Persönlichkeiten geschrieben, und verschiedene Erklärungen in Tageszeitungen. So erregte dieser Fall damals allenthalben das größte Aufsehen auch über die Schweizergrenze hinaus und wird bis auf den heutigen Tag immer wieder als einer der besten der Weltliteratur erwähnt, auch z. B. von Prof. W. James, dem damals bedeutendsten Psychologen Amerikas. Das gilt heute um so mehr, als Prof. E. Bleuler und der Nervenarzt Dr. Servadio in Rom auf meine Bitte Nachkommen Jollers – Töchter und Enkelinnen – eingehend über die damaligen Ereignisse vernehmen konnten und es mir gelungen ist, noch weiteres Material über den Fall zusammenzubringen. Besonderer Dank gebührt auch den Bemühungen des Landschreibers Odermatt in Stans.

Die neun weiteren Hauptfälle, also bezeichnet, weil es bei ihnen ebenfalls gelungen ist, mit den Betreffenden, direkt oder indirekt, in Verbindung zu treten und im Interesse der Sicherstellung und Klärung des Sachverhaltes die verschiedensten Zeugnisse und Akten beizuschaffen, werden ebenso, wie im ersten, mit dem ganzen Material vorgelegt. Für den Forscher ist das unerläßlich zur Bildung eines eigenen Urteils. Im jetzigen Stadium von Unsicherheit und nur zu berechtigtem Zweifel bedeuten einige wenige Fälle, vollständig dargelegt und aufgeklärt, mehr als noch so zahlreiche interessante und merkwürdige Fälle, die Gewißheit an sich nicht zu bringen vermögen. Gehäufte Ungewißheit führt niemals zu Gewißheit, auch nicht mittels Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Der Laie dürfte trotzdem auf seine Rechnung kommen, infolge entsprechender Anordnung des Stoffes, die es ihm gestattet, aus der Fülle das Zusagende – die Rosinen – herauszusuchen!

Zur Ergänzung und Illustration sind weitere 17 Fälle beigegeben, als Vergleichsfälle bezeichnet. Allerdings sind sie mehr oder weniger gekürzt und ungleich im Wert, einige ebenfalls aus erster Hand und von besten Zeugen, die Zeugnisse und Akten zum Teil in meinen Händen.

Im Kapitel Rückblick wird das in diesem I. Band »Materialsammlung« Gebotene einer zusammenfassenden Darstellung und allgemeiner Betrachtung unterzogen unter Beigabe von zwei weiteren Fällen, die unter verschiedensten Gesichtspunkten eine wertvolle Ergänzung bilden. Der eine, von 1665, der älteste unseres Materials, ist einer der berühmtesten der Vergangenheit, auch durch die Persönlichkeit des Berichterstatters, den Hofprediger Glanvil des englischen Königs Karl II.

Mit dem II. Band »Aussichten« stehen wir vor der eigentlichen Untersuchung, mit der Grundfrage: welche Phänomene sind wirklich im Sinne von objektiv? Voraussetzung ihrer Beantwortung ist die Untersuchung der Täuschungsmöglichkeiten. Nur so besteht Aussicht, sicheren Boden für die Weiterarbeit zu gewinnen. Interessante Fälle von Pseudo-Spuk werden beweisen, wie vielfältig und groß die Täuschungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet sein können, vor allem, wenn auch keineswegs nur die Sinnestäuschungen. Die Rolle der Halluzinationen z. B. ist eine viel größere, auch bei durchaus Gesunden, als man ahnt, namentlich in Verbindung mit der Eidetik und der Telepathie. Diese beiden beweisen, daß der Glaube an die Wirklichkeit, die objektive Realität einer Erscheinung, welcher Art sie auch sein möge, nicht nur einer Geistererscheinung, an sich niemals entscheidend ist. Bei einer vollkommenen Halluzination, jener nämlich, die sich über alle Sinne erstreckt, ist auch die Täuschung vollkommen und jede Möglichkeit fehlt, sie unmittelbar als solche festzustellen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele.

Auf dieser Grundlage ergibt sich die Möglichkeit zur Entscheidung der Frage nach der Wirklichkeit, der Objektivität des Spuks als einer Realität sui generis außerhalb vom Menschen. Hier erhebt sich eine andere, eine grundlegende Frage, vor die wir immer wieder im Laufe der Untersuchung gestellt werden. Ihre Beantwortung kann unter Umständen außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein. Das ist die Frage: wann und wie kann man wissen, ob eine Erscheinung objektiv ist? Der Hinweis muß genügen auf die Taschenspielerkünste, die Spukgeräusche, namentlich Mimicrygeräusche als Nachahmung von Tätigkeiten bei Fehlen solcher, so insbesondere der Schritte Unsichtbarer, wobei oft nur die einen hören, andere nicht, auch unter anscheinend gleichen Bedingungen, und vor allem der Geistererscheinungen, bei denen das Gleiche oft der Fall ist, indem die einen sehen, andere nicht, selbst wenn auf sie aufmerksam gemacht. Auch Kinder sehen oft, wo andere nichts sehen. Damit ist der Boden vorbereitet für die Untersuchung der Erklärungsmöglichkeiten unter Heranziehung der Ergebnisse meines »Okkultismus« und von weiterem Material, auch eigenem, das zum Teil bereits in meinen Händen ist oder in Aussicht steht. Wir wollen ja nicht nur wissen, wir wollen auch verstehen, um den Spuk unserem Weltbild allmählich einordnen zu können – wenigstens so weit das bisher gelungen ist z. B. bei der Elektrizität. Von dieser hatte kein geringerer als Edison gegen Ende seines langen Lebens gestehen müssen: »Ungeachtet der vielen Jahre, die ich auf ihr Studium verwandt habe, ist sie für mich heute mehr denn je ein Mysterium.« Fortschritte in der Erkenntnis der Natur bedeuten niemals Ende, immer nur Eröffnung weiterer Perspektiven! Beweis: die neuesten Untersuchungen über das unendlich Große, unendlich Kleine und die Atomzertrümmerung! Nur die Grenzen des Erkennens werden hinausgeschoben. Am Ende steht immer das Wunder, das uns in Demut auf die Knie zwingt. Der Fortschritt als solcher bedeutet Beglückung!

Zum Schluß sei auch an dieser Stelle den vielen, Genannten und Ungenannten, gedankt, manche nicht mehr unter den Lebenden, die mir auf verschiedenste Weise geholfen haben, z. T. unter Überwindung starker innerer Hemmungen, oft unter Aufwand beträchtlicher Mühen.

Nur die Tatsache, daß mir von so Vielen, überraschend oft, wo am wenigsten zu erwarten, so von ganz skeptisch eingestellten Ärzten, Universitätsprofessoren, Rechtsanwälten usw. Hilfe gewährt wurde, hat mich davor bewahrt, den Mut zu verlieren und vorzeitig die Flinte ins Korn zu werfen angesichts der oft fast unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung und meist hochmütig verächtlichen Ablehnung dieser Materie namentlich von seiten der Gebildeten. An erster Stelle gebührt der Dank Prof. Bleuler14 und Prof. Ludwig. Beide haben in anerkennenswerter Weise auch das Manuskript einer Durchsicht und kritischen Prüfung unterzogen, so weit damals fertig, Prof. Bleuler bis zu seinem vorzeitigen Tod 1939, noch Anfang des II. Bandes, Prof. Ludwig bis zu meiner Rückwanderung in die Heimat Juli 1943, noch mit dem Entwurf zum zweiten Kapitel. 1948 ist auch er gestorben. Daß das bei dem schwierigen Versuch einer Erklärung wenigstens eines Teiles der merkwürdigen Erscheinungen nicht mehr möglich war, ist doppelt zu bedauern angesichts ihrer Wichtigkeit und der großen Schwierigkeiten bei der Abfassung. Die einsichtsvolle Zusammenarbeit der verschiedensten Fachgelehrten wäre dringend gewesen, nachdem mein eigenes Gebiet, die Zoologie, hier nicht mitreden konnte. Immerhin habe ich mich jeweils soweit möglich um entsprechenden Rat bemüht. Allerdings gab es auch hier Schwierigkeiten. Jeder ist eingesponnen im eigenen Fragenkomplex und wenig zugänglich für Grenzgebiete – namentlich Spuk!

Sollte dieser Versuch, nur ein Tasten im Dunkeln, nicht vergeblich gewesen sein, den Weg zu bahnen zur wissenschaftlichen Anerkennung und damit Erforschung des Spuks an Hand auch der neuesten Forschungsmethoden, wäre das Lohn genug für die oft qualvolle Mühe, diese widerspenstige Materie aus dem Aberglauben herauszuführen. Die Menschheit würde von einem Alpdruck befreit, der, man täusche sich nicht, auf ihr lastet bis zum heutigen Tag! Nicht hohnvolle Negierung, Aufklärung allein kann Erfolg haben, die endlich die Frage zu beantworten in der Lage ist: Was ist Irrglaube, was Wahrglaube, über alle Täuschungsmöglichkeiten hinaus? Damit wäre auch die Möglichkeit eröffnet, den Spuk wirksam zu bekämpfen, statt, wie bisher, die Menschen hilflos ihrem Unglück und wehrlos dem Gespött der allzu Gescheiten preiszugeben – wie im Fall des Nationalrats und Fürsprechs Joller mit seinem tragischen Schicksal, und im Fall der Louise Steudner, des armen Webermädchens, das unschuldig sogar ins Gefängnis wandern mußte, mit körperlicher Züchtigung im Wiederholungsfalle bedroht! Als Hexen wären sie noch bis 1785 dem Scheiterhaufen überantwortet worden! Man vergesse das nicht!

Zürich, Herbst 1950.

Dr. Fanny Moser

1 Orell Füssli Zürich (nicht mehr Reinhardt München), 2 Bde. 1935. Im Text einfach mit O. bezeichnet.

2 Sinneseindrücke falsch gedeutet, somit relative Täuschungen.

3 Sinneseindrücke ohne Objekt, somit reine Täuschungen.

4 Farbe-Ton-Forschungen, 1. Band, Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1927; 2. und 3. Band, Psycholog.-ästhet. Forschungsgesellschaft, Hamburg, 1936, 1931.

5 Das Zweite Gesicht in Niederdeutschland. Barth, Leipzig, 1937.

6 Stromverlag, Hamburg-Bergedorf, 1947.

7 J. B. Rhine: Extrasensory Perception. Bruce Humphries, Boston, 1935. The Reach of the Mind. W. Sloane Assoc. New York, 1947. New Frontiers of the Mind, Faber and Faber, London, 1937. Übersetzt von Hans Driesch: Neuland der Seele, D. Verlagsanstalt, Stuttgart, 1938.

8 C. G. Jung: Energetik der Seele. Rascher & Co. Zürich, 1938. H. Driesch Alltagsrätsel des Seelenlebens. D. Verlagsanstalt Stuttgart, 1935.

9 Origo-Verlag, Zürich, 1948.

10 Le Voyage de Lourdes, suivi de Fragments de Journal. Librairie Plon Paris, 1949.

11 D. Verlagsanstalt Stuttgart; englisch: »Man, the Unknown.“ Harper& Brothers, New York and London, 1935.

12 Macmillan and Co., London, Bde. 1-12, 1911-25 und 1933.

13 J. Baum-Verlag, Pfullingen/Württemberg, 1. Teil, 3. Aufl., 1922; II. Teil von R. Tischner, 1924.

14 Wenn von ›Bleuler‹ die Rede ist, handelt es sich immer um Prof. Eugen Bleuler.

Einleitung

Der Spuk ist nicht nur eine Frage der Menschheit. Er ist mehr. Er ist ein Erlebnisgut der Menschheit, wobei es sich nicht lediglich um Erfahrungen handelt, Erfahrungen, die man vielleicht schon morgen vergißt, sondern um Erlebnisse z. T. einprägsamster, oft aufrüttelndster Art, die sich mit keinen anderen vergleichen lassen, wie man sie auch deuten mag. Überall begegnet man ihren Spuren, in mündlichen und schriftlichen Überlieferungen, im Bilderschatz der Vergangenheit, den Dokumenten der Geschichte, den Märchen und Sagen aller Völker, in den Lebensbeschreibungen der Heiligen, Memoiren berühmter Frauen und Männer, Berichten großer Forscher und Entdecker, in der geistlichen und ärztlichen Praxis und den Gerichtsakten. Man braucht nur darauf zu achten, um das bestätigt zu finden. Sogar in den Gesetzesparagraphen spielte der Spuk eine bemerkenswerte Rolle und beschäftigt noch heute durchaus nicht selten die Gerichte. Bei allen Völkern stoßen wir auf ihn, nicht nur bei den Primitiven und den phantasiebegabten Orientalen, obwohl vorwiegend dort, wo der Zusammenhang mit der Natur, dem mütterlichen Boden, nicht zu sehr gelockert oder zerstört ist. Doch auch inmitten der Großstädte, Paris, London und Berlin z. B. tritt er auf, bricht plötzlich mit stürmischer Gewalt ins gesicherte Dasein, mit Grauen und Angst alles erfüllend und das seelische Gleichgewicht erschütternd mit der Frage, die eine entscheidende Antwort auch von seiten der Wissenschaft noch nicht erhalten hat – außer verächtlicher Negierung –, der Frage: was ist der Spuk? Wahn oder Wirklichkeit? Und doch haben alle Religionen sich mit ihm auseinandergesetzt und ihn als Tatsache anerkannt, jede auf ihre Weise. Dementsprechend sind die verschiedensten kirchlichen Abwehrmittel und Beschwörungsformeln geschaffen worden, die in vielen Fällen durch Vermittlung der Priester wirksam sind.

Bringt man den Mut auf, und Mut gehört dazu, einmal ernstlich und ausdauernd, von Vorurteilen ungehemmt, diesen lichtscheuen Dingen nachzuforschen, so staunt und erschrickt man, was alles im Geheimen sich zugetragen hat und noch heute zuträgt, oft in nächster Nähe, vielleicht sogar im eigenen Haus, von dem man keine Ahnung hat; denn über den engsten Kreis hinaus dringt nichts. Geheim gehalten wird alles und systematisch totgeschwiegen, um allmählich vergessen zu werden. Selbst der Nachbar erfährt meist nichts, bringt es nicht die Wucht der Erscheinungen an den Tag oder ein tückischer Zufall! Man muß nur verstehen, die Zungen zu lösen und die Menschen zum Reden zu bringen, eine Kunst angesichts des allgemeinen Komplotts des Totschweigens, um überraschend auf diese Erscheinungen zu stoßen. Neueste Berichte aus Bayern beweisen es.

Auch meine skeptischsten Helfer haben das mit der Zeit immer wieder feststellen müssen, so unwahrscheinlich es scheint, denn tatsächlich, die betreffenden Erscheinungen werfen alle Begriffe von Vernunft, Ordnung und Gesetzmäßigkeit über den Haufen. Sie versetzen plötzlich in eine Welt des Irrsinns, in der Teufel und Dämonen, Hexen und Zauberer, böse und neckische Geister, Kobolde und Irrwische, mitsamt den Seelen Verstorbener, den »armen Seelen« im Fegefeuer, ihr Unwesen treiben und einen Hexensabbat aufführen, gegen den unter Umständen Flucht allein als Rettung winkt. Selbst das Leben von Mensch und Tier ist nicht gefeit vor diesen gewaltsamen Übergriffen aus einer andern Welt; denn auch die Beschwörungsformeln und Zeremonien der Kirche und die Sympathiemittel des Volkes sind nicht immer wirksam.

Konsterniert, erschüttert und bis ins Innerste empört, blicken wir auf diese andere Welt, in der alles auf den Kopf gestellt scheint und die im schroffsten Gegensatz steht zu den Fundamenten unseres Wissens und Erkennens, den Erfahrungen des täglichen Lebens, ein Hohn auch auf die wissenschaftlichen Errungenschaften unserer Zeit. Daher das krampfhafte Bestreben Gebildeter wie Ungebildeter, das Erlebte schnellstens aus dem Dasein auszulöschen, für das es nicht nur wertlos, sondern im höchsten Grade unbequem und störend ist. Wir

kehren ihm also den Rücken und wollen nichts von ihm wissen. Spuk ist tabu!

Dieses geistige Unvermögen, mit dem Spuk in befriedigender Weise fertig zu werden, hat zu dem Verdikt: nicht existent, geführt, und zwar sowohl bei denen, die nichts erfahren haben und deren Blick nicht hinausreicht über den Umkreis des täglichen Lebens, wie vor allem bei jenen, die geblendet sind von den erstaunlichen Errungenschaften der heutigen Wissenschaft und ihre Theorien begreiflicherweise als endgültig betrachten. Daher wissen sie auch vom Spuk kaum etwas außerhalb von Märchen und Sagen und der schönen Literatur, in der er eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Wir wandeln in Vorurteilen und sind mit Blindheit geschlagen! Grell beleuchtet und zugleich bestätigt wird diese Tatsache durch das vorliegende Material, vor allem durch das von Prof. Ludwig gesammelte. Ebenso bestätigt es das von mir selbst gesammelte Material, das allerdings hier im I. Band nur zum kleinsten Teil unterbreitet werden kann; denn innerhalb weniger Jahre, seitdem ich zu sammeln begonnen habe, hat es sich in erstaunlicher Weise vermehrt und vermehrt sich ständig, nachdem ich herausgebracht habe, wie die Menschen zum Reden veranlaßt werden können. Man muß das verstehen! Psychologisches Einfühlungsvermögen vor allem ist erforderlich! Angesichts auch der Qualität vieler der Zeugen muß ich immer wieder entsetzt und erschüttert wiederholen: wir wandeln in Vorurteilen und sind mit Blindheit geschlagen.

Weit über dreihundert Fälle sind, ungeachtet aller Schwierigkeiten bereits in meinen Händen, ganz außerhalb von Okkultismus und Spiritismus nur im Bekanntenkreis gesammelt, ohne Hilfe von Presse und Radio. Allein über hundert sind aus erster Hand, also von den Zeugen selbst. Die übrigen sind höchstens aus dritter Hand, zum großen Teil von gebildeten, intelligenten und durchaus vertrauenswürdigen Menschen, die den Spuk zumeist kategorisch ablehnen und ihren eigenen Erlebnissen zweifelnd und ratlos gegenüberstehen. Das ist der Fall auch dann, wenn sie den Spuk in eindringlicher und sogar katastrophaler Weise selbst erlebt haben – nicht zu reden von meinen Erlebnissen: 1916, gemeinsam mit andern, in Neustrelitz (Mecklenburg), 20 Jahre später in meinem Schreibzimmer in München und 11 Jahre später in Zürich in einer Fremdenpension! Noch heute bleiben mir diese Fälle so rätselhaft wie einst.

Besonders bezeichnend ist das Material aus der Tschechoslowakei und der Schweiz, meines Mannes und meine Heimat; denn nie früher hatten wir hier von Spuk gehört oder sonst von Okkultem. Natürlich kannte ich, wie jedes Schweizerkind, das berüchtigte alte Spukhaus in der Junkerngasse in Bern, das aus diesem Grunde schon jahrzehntelang unvermietet und leer steht. Auch von den Basler Spukhäusern wußte ich, von denen jedoch nur lächelnd im Märchenton berichtet wird. Daher kam es auch, daß, als ich vom Herausgeber des »Schweizer Spiegels«, nach Erscheinen meines »Okkultismus«, um einen Artikel über den Okkultismus in der Schweiz gebeten wurde, ich zu meiner eigenen Überraschung, nach Überlegung und Rücksprache mit Prof. Bleuler, eingestehen mußte: ich weiß von nichts! Übereinstimmend mit Prof. Flournoy, dem hervorragenden Genfer Psychologen, auf Grund seiner Rundfrage in spiritistischen Kreisen Genfs 190815, kam ich meinerseits zur Überzeugung, die aufgeklärte und ganz rationalistisch eingestellte Schweiz sei kein Boden für diese primitiven Überreste aus der Menschheit Kindertagen. Ähnlich schien es in der Tschechoslowakei zu sein, ungeachtet ihres Märchenschatzes und Reichtums an sagenumwobenen Schlössern. Nach längerer Überlegung kamen mir jedoch immer größere Bedenken über die Richtigkeit dieses Schlusses. Wenigstens in den stillen Tälern und einsamen Höhen der kleinen Schweiz mußten Spuren auffindbar sein und am ehesten von Ärzten, Volksschullehrern und katholischen Geistlichen aufgedeckt werden können. Ebenso in der Tschechoslowakei mit ihrer Seele voll Musik und Poesie. Allerdings: schwerer als sonstwo müßte es speziell in der Schweiz sein, den Schleier zu lüften und den Zugang zu diesen Tiefen zu finden. Der Schweizer ist seiner Natur nach wenig mitteilsam, namentlich Fremden gegenüber. Immerhin beschloß ich, hier einen Versuch zu wagen. Gleich beim ersten, Sommer 1936, hatte ich Glück! Zufällig lernte ich in Seelisberg am Vierwaldstättersee einen Priester, Pfarrer Herger, kennen, einen aufgeschlossenen Menschen, der seit Jahren großes Interesse für das Volksleben bezeugte. Zu diesem hatte er um so leichteren Zugang, als er aus der Gegend stammte und als ehemaliger Stud. med. seiner Gemeinde in Notfällen beistehen konnte, da der Arzt jenseits des Sees wohnte. Er teilte mir sehr interessante Fälle mit zum Teil aus seiner eigenen Familie, auch einige, die er zur Genugtuung der Leute als merkwürdige Täuschungen aufdecken konnte. Ferner übergab er mir ein Manuskript seines Vorgängers, Pfarrer Furrer († 1883), über eigene und in der Gemeinde von ihm selbst gesammelte Erfahrungen, darunter auch interessante Spukfälle. Allerdings hatte er bestimmt, daß nichts zu veröffentlichen sei bis alle Beteiligten gestorben seien. Das dürfte nunmehr der Fall sein.16 Als ich dann im Bekanntenkreis meiner Heimat nachzuforschen begann, folgte ein Fall dem andern, und zwar nicht nur aus dem »Hinterland«, sondern auch z. B. aus den Städten Bern und Basel. Desgleichen in der Tschechoslowakei. Noch im Winter 1937/38 waren alle schriftlichen Nachfragen negativ ausgefallen. Ebenso, als ich im Mai 1938 in Prag den Herausgeber der Abteilung Okkultismus im Pestry Tyden, einer der größten Tageszeitungen interpellierte, in der Überzeugung, als bekannter Okkultist werde er hier am ehesten Bescheid wissen. Etwas konsterniert erklärte er, von Spuk in Prag oder Umgebung nichts zu wissen, und bezweifelte, daß etwas zu finden wäre. Als ich nach drei Wochen abreiste, hatte ich, nur durch Nachforschungen bei Verwandten und Bekannten, bereits eine ganze Anzahl zum Teil sehr interessanter Fälle entdeckt, drei davon aus Schlössern, denen nachgegangen werden mußte. .

Sprachlos bin ich immer wieder, ist es gelungen, die Sperre des Schweigens zu durchbrechen, nicht weniger sprachlos, als die Betroffenen oft selbst diesem »Unmöglichen« gegenüber. Sich offen zu ihm zu bekennen – dazu gehört allerdings moralischer Mut angesichts seiner allgemeinen hohnvollen Ächtung. Daher verbergen sich die Erlebenden mit den Stätten des Erlebens auch meist hinter Hieroglyphen: X in Y, B in O, S in T usw., jede Kontrolle von vornherein vereitelnd und Tor und Tür dem Verdikt: Unglaubwürdig, öffnend. Passive Resistenz also, wo immer man nachzuforschen sucht, oft in grotesker Weise: Spuk ist tabu! Die unterbreiteten Fälle werden das beleuchten und zugleich einen Begriff geben von der ganzen Merkwürdigkeit der Erscheinungen und den großen Schwierigkeiten der Untersuchung. .