Staatsrecht I - Stefan Korioth - E-Book

Staatsrecht I E-Book

Stefan Korioth

0,0

Beschreibung

Das Lehrbuch vermittelt Studierenden aller Ausbildungsstufen einen kompakten Überblick über das Staatsorganisationsrecht. Die Neuauflage bringt das Lehrbuch auf den Stand des Jahres 2022. Sie geht ausführlich auf die Herausforderungen des Verfassungsrechts in der Corona-Pandemie ein, berücksichtigt neuere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere zum Klimaschutz, zu den Gesetzgebungskompetenzen sowie zu den parlamentarischen Informationsrechten, und begleitet die vielfältigen Entwicklungen im Wahlrecht. Am Ende des Buches findet sich ein umfangreiches Wiederholungskapitel, das mit Übersichten und Schemata sowie einer Zusammenstellung möglicher Prüfungsgegenstände aus dem Staatsorganisationsrecht der Vorbereitung auf die Zwischenprüfung sowie die Erste Juristische Staatsprüfung dienen soll.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 791

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Studienreihe Rechtswissenschaften

herausgegeben vonProfessor Dr. Winfried Boecken und Professor Dr. Heinrich Wilms (†)

fortgeführt vonProfessor Dr. Winfried Boecken und Professor Dr. Stefan Korioth

Staatsrecht I

Staatsorganisationsrechtunter Berücksichtigung europäischerund internationaler Bezüge

von

Professor Dr. Stefan KoriothMünchen

und

Juniorprofessor Dr. Michael W. Müller, M.A., LL.M. (Cambridge)Mannheim

6., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

6. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-041817-2

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-041818-9

epub: ISBN 978-3-17-041819-6

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Das Lehrbuch vermittelt Studierenden aller Ausbildungsstufen einen kompakten Überblick über das Staatsorganisationsrecht. Die Neuauflage bringt das Lehrbuch auf den Stand des Jahres 2022. Sie geht ausführlich auf die Herausforderungen des Verfassungsrechts in der Corona-Pandemie ein, berücksichtigt neuere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere zum Klimaschutz, zu den Gesetzgebungskompetenzen sowie zu den parlamentarischen Informationsrechten, und begleitet die vielfältigen Entwicklungen im Wahlrecht. Am Ende des Buches findet sich ein umfangreiches Wiederholungskapitel, das mit Übersichten und Schemata sowie einer Zusammenstellung möglicher Prüfungsgegenstände aus dem Staatsorganisationsrecht der Vorbereitung auf die Zwischenprüfung sowie die Erste Juristische Staatsprüfung dienen soll.

Professor Dr. Stefan Korioth ist seit 2000 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Professor Dr. Michael W. Müller ist seit 2022 Inhaber der Juniorprofessur für Öffentliches Recht mit einem Schwerpunkt auf Rechtsfragen der Digitalisierung an der Universität Mannheim.

Vorwort

Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass es seit dem Erscheinen der Vorauflage eine Reihe staatsorganisationsrechtlicher Weiterentwicklungen gegeben hätte. Die Corona-Pandemie hat nicht nur den Grundrechtsschutz vor neue Herausforderungen gestellt (dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – „Bundesnotbremse I“ und 1 BvR 971/21, 1069/21 – Schulschließungen als Mittel des Infektionsschutzes – „Bundesnotbremse II“). Auch Grundfragen der Staatsorganisation sind angesprochen, so im Bereich des Gesetzesvorbehalts und überhaupt des Verhältnisses von Legislative und Exekutive in Krisensituationen. Weitere Bewegung ist in das Bund-Länder-Verhältnis gekommen. Wie schon in den Jahren seit 2006 in der föderalen Finanzordnung zu beobachten, zeigt jetzt auch die Corona-Krise eine deutliche Gewichtsverschiebung zugunsten des Bundes und die Etablierung neuer informeller entscheidungsvorbereitender Gremien, wie den Runden zwischen Ministerpräsidentinnen/Ministerpräsidenten und Kanzlerin/Kanzler. Hinzu kommen eher formale Probleme wie die Digitalisierung parlamentarischer Sitzungen.

Abgesehen davon gibt es eine Reihe neuerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die Anlass gegeben haben, die entsprechenden Abschnitte des Lehrbuchs zu überarbeiten und teilweise neu zu fassen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz (BVerfG, Beschluss vom 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., BVerfGE 157, 30), gibt der intertemporalen Freiheitssicherung, aber auch der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG neue Dimensionen. Fortentwickelt wurden die rechtsstaatlichen Anforderungen an rückwirkende Gesetze und gesetzgeberische Verweisungen. Die Entscheidung zum Berliner Mietendeckel (BVerfG, Beschluss vom 25.3.2021 – 2 BvF 1/20 u. a., BVerfGE 157, 223) enthält fast lehrbuchartige Darstellungen zur Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Fast zum Dauerbrenner entwickeln sich parlamentarische Informationsrechte gegenüber der Regierung. Vielfältige neue Entwicklungen gibt es im Wahlrecht. Schließlich zeigen neue Entscheidungen zur hier in Grundzügen behandelten supra- und internationalen Einbindung (PSPP mit Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Europäischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht, Informationspflichten der Bundesregierung im Zusammenhang von Integrationsschritten) dass sich Verfassungsrecht keineswegs mehr allein im nationalen Zusammenhang bewegt.

Mit dieser Auflage kommt Prof. Dr. Michael Müller, der bereits seit der zweiten Auflage durchgängig die Hauptlasten der Neubearbeitungen getragen hat, zur Freude des anderen Autors als Mitautor hinzu. Das sichert dem Buch die nötige Kontinuität.

Unser Dank geht an Frau Aenne Wulferding, die bei der Aktualisierung des Buchs umsichtig und kenntnisreich mitgeholfen hat, sowie an Frau Joyce Marmonti, Frau Gabriele Steiger, Herrn Markus Kern, Herrn Michael Rapp, Frau Lisa-Marie Schmidt, Herrn Leopold Heckel, Frau Ricarda Schwarzbart, Frau Talitha du Toit und Herrn Julian Uhlenbusch (München) sowie Frau Tanja Seidl, Herrn Max Hopp, Herrn Tom Ruppenthal und Frau Rosa Kuntz (Mannheim) für ihre vielfältige Unterstützung.

Oldendorf/München/Mannheim, im Mai 2022Stefan Korioth/Michael Müller

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Kommentare zum Grundgesetz

Teil I:Grundlagen

A.Staatsrecht als Rechtsgebiet

§ 1Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland

§ 2Staat und Staatsrecht

§ 3Verfassung und Verfassungsrecht

§ 4Staatsrecht und Verfassungsrecht

B.Deutsche Verfassungsgeschichte im Überblick

§ 5Die Zeit vor 1848

§ 6Die sog. Paulskirchenverfassung von 1848/1849

§ 7Der Norddeutsche Bund

§ 8Das Deutsche Reich und die Reichsverfassung von 1871

§ 9Die Weimarer Reichsverfassung

§ 10Die Zeit des Nationalsozialismus

§ 11Besatzungszeit und Grundgesetz

C.Das Grundgesetz und seine Geltung

§ 12Überblick: Aufbau und Inhalt des Grundgesetzes

§ 13Der zeitliche Geltungsbereich

I.Der Ewigkeitsanspruch von Verfassungen20

II.Die Unterscheidung von Verfassunggebung und Verfassungsänderung21

III.Die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes in Art. 79 Abs. 3 GG22

1.Funktion der Ewigkeitsgarantie22

2.Inhalt der Ewigkeitsgarantie23

IV.Die besondere Funktion von Art. 146 GG24

§ 14Der funktionale Geltungsbereich

I.Staatsgewalt25

II.Staatsgebiet26

1.Umfang des Staatsgebiets26

2.Gebietshoheit26

3.Staatsgebiet des Grundgesetzes27

III.Staatsvolk27

1.Grundprinzipien der Erlangung der Staatsangehörigkeit28

a)Originärer Erwerb28

b)Derivativer Erwerb28

2.Der Begriff des Staatsvolks im Grundgesetz29

3.Staatsangehörigkeit und die Geltung des Grundgesetzes30

IV.Zusammenfassung: Die Geltung des Grundgesetzes30

Teil II:Staatsstrukturprinzipien und Staatszielbestimmungen

§ 15Strukturprinzipien als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen

§ 16Demokratie

I.Demokratietheoretische Überlegungen33

1.Demokratie als Element der antiken Staatsformenlehre33

2.Staatstheoretische Rechtfertigung der Demokratie als Staatsform34

3.Notwendige Eigenschaften der demokratischen Staatsform35

a)Gleiche staatsbürgerliche Mitwirkungsrechte35

b)Demokratisch legitimiertes Repräsentativsystem36

c)Transparenz der staatlichen Entscheidungsverfahren37

d)Mehrheitsprinzip37

e)Demokratischer Minderheitenschutz und rechtsstaatliche Anforderungen38

II.Einzelne Demokratietypen der Gegenwart39

1.Direkte und indirekte Demokratie39

2.Präsidiale und parlamentarische Demokratie40

3.Exekutive und legislative Demokratie40

4.Sog. „Räte-“ und „Volksdemokratien“41

III.Die Elemente der Demokratiekonzeption des Grundgesetzes41

1.Demokratisch legitimiertes Repräsentativsystem41

a)Repräsentative Demokratie42

b)Zulässigkeit von Abstimmungen42

c)Demokratische Legitimation43

2.Herrschaft auf Zeit44

3.Parlamentarismus, parlamentarische Demokratie und parlamentarisches Regierungssystem44

4.Parteiendemokratie45

5.Mehrheitskontrolle im Rechtsstaat46

6.Anwendungsbereich des Demokratieprinzips46

§ 17Republik

I.Der Begriff der Republik47

II.Die Entscheidung des Grundgesetzes für die Republik48

§ 18Rechtsstaat

I.Formeller Rechtsstaat49

II.Materieller Rechtsstaat50

III.Synthese von formellem und materiellem Rechtsstaat im Grundgesetz51

IV.Normative Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips im Grundgesetz51

V.Gewaltenteilung52

1.Der Begriff der Gewaltenteilung52

2.Gewaltenteilung als rechtsstaatliches Prinzip53

3.Gewaltenteilung im Grundgesetz54

a)Horizontale Gewaltenteilung55

b)Vertikale Gewaltenteilung57

VI.Die Bindung staatlicher Gewalt57

1.Bindung an Menschenwürde und Grundrechte (Art. 1 Abs. 1 u. 3 GG)58

2.Bindung an die Verfassung58

3.Gesetzesbindung59

a)Gesetzesbindung der Verwaltung59

b)Gesetzesbindung von Rechtsprechung und Gesetzgeber64

4.Rechtsbindung65

5.Rechtsschutzanspruch als Effektuierung staatlicher Bindung; Staatshaftungsrecht66

VII.Rechtsstaatliche Prinzipien66

1.Verhältnismäßigkeitsprinzip66

2.Rückwirkung68

a)Strafrechtliches Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG)69

b)Echte Rückwirkung („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“, retroaktiv)69

c)Unechte Rückwirkung („Tatbestandliche Rückanknüpfung“, retrospektiv)70

3.Vertrauensschutz71

4.Bestimmtheitsgebot71

a)Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensnormen71

b)Verweisungen72

c)Verordnungsermächtigung72

d)Satzungsermächtigung73

5.Rechtsstaatliche Anforderungen an das Strafrecht74

§ 19Der Bundesstaat

I.Begriff und Abgrenzung76

1.Bundesstaat und Einheitsstaat77

2.Bundesstaat und Staatenbund77

a)Souveränität77

b)Völkerrechtssubjektivität78

c)Selbstbestimmungsrecht der Partialvölker78

3.Bundesstaat und supranationaler Staatenverbund79

II.Der Bundesstaat des Grundgesetzes80

1.Der zweigliedrige Bundesstaat und sein Schutz durch Art. 79 Abs. 3 GG81

2.Homogenität von Bund und Ländern83

a)Aufteilung der Kompetenzen (Art. 30 GG)83

b)Vorrang des Bundesrechts (Art. 31 GG)84

c)Homogenitätsprinzip (Art. 28 Abs. 1 GG)85

3.Bundestreue und Bundeszwang85

a)Das Prinzip des bundesfreundlichen Verhaltens (Bundestreue)85

b)Bundeszwang (Art. 37 GG)86

4.Kooperativer Föderalismus87

5.Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern87

a)Gesetzgebungskompetenzen88

b)Verwaltungskompetenzen96

c)Rechtsprechungskompetenzen102

d)Finanzkompetenzen103

6.Die Funktion der kommunalen Gebietskörperschaften106

III.Der Bundesstaat des Grundgesetzes in der Europäischen Union108

§ 20Sozialstaat

I.Inhalt des Sozialstaatsprinzips als Strukturprinzip112

II.Sozialstaatliche Leistungsansprüche113

III.Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums114

IV.Auslegungsprinzip115

§ 21Staatszielbestimmungen

I.Allgemein116

II.Natürliche Lebensgrundlagen (Art. 20a GG)117

III.Tierschutz (Art. 20a GG)119

IV.Europäische Integration (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG)119

V.Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Art. 109 Abs. 2 GG)121

VI.Tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG)121

VII.Gleichstellung behinderter Menschen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG)122

Teil III:Die Staatsorgane

§ 22Der Begriff des Staatsorgans

§ 23Der Bundestag

I.Organteile126

1.Präsident126

2.Präsidium128

3.Ältestenrat128

4.Ausschüsse129

5.Abgeordnete131

a)Beginn und Ende des Abgeordnetenamtes132

b)Abgeordnete als Vertreter des gesamten Volkes, Grundsatz des freien Mandats133

c)Rechte der Abgeordneten136

d)Anforderungen an die Abgeordneten139

6.Fraktionen140

a)Fraktionen als Organteile des Bundestags142

b)Privilegien der Fraktionen, fraktionslose Abgeordnete143

c)Fraktionen im Rechtsverhältnis zu den Abgeordneten144

d)Fraktionen als rechtsfähige Vereinigungen im allgemeinen Rechtsverkehr145

7.Gruppen145

8.Parlamentarische Opposition146

II.Die Wahl zum Deutschen Bundestag147

1.Wahlen im repräsentativen parlamentarischen System147

2.Wahlrechtsgrundsätze149

a)Die Allgemeinheit der Wahl149

b)Die Unmittelbarkeit der Wahl154

c)Die Freiheit der Wahl156

d)Die Geheimheit der Wahl158

e)Die Gleichheit der Wahl158

f)Die Öffentlichkeit der Wahl160

3.Das System der personalisierten Verhältniswahl, § 1 Abs. 1 Satz 2 BWahlG160

a)Mehrheitswahl (Personenwahl)161

b)Verhältniswahl (Listenwahl)161

c)Modifikationen und Kombinationssysteme162

d)Das Wahlsystem nach dem BWahlG163

4.Wahlperiode, Grundsatz der Diskontinuität174

5.Rechtsschutz im Wahlrecht175

III.Zuständigkeiten des Bundestags180

1.Einleitung180

2.Wahlfunktion (Kreationsfunktion)180

a)Wahl des Bundespräsidenten (Art. 54 GG)181

b)Wahl des Bundeskanzlers (Art. 63 GG)181

c)Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG)181

d)Sonstige Wahlfunktionen des Bundestags182

3.Gesetzgebungsfunktion182

4.Mitwirkungs- und Zustimmungsfunktion183

a)Mitwirkung bei völkerrechtlichen Verträgen (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG)183

b)Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union; Integrationsverantwortung des Bundestags184

c)Feststellung des Haushaltsplanes durch Haushaltsgesetz (Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG)186

d)Feststellung des Verteidigungsfalls (Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG)186

e)Zustimmung zu militärischen Einsätzen der Bundeswehr186

5.Selbstorganisation (Parlamentsautonomie)188

a)Rechte des Bundestagspräsidenten188

b)Wahl der Leitungsorgane189

c)Geschäftsordnungsautonomie189

6.Kontrollfunktion191

a)Zitierrecht (Art. 43 Abs. 1 GG)193

b)Frage-, Auskunfts- und Informationsrechte193

c)Untersuchungsrecht197

7.Öffentlichkeitsfunktion202

8.Beschlussorgan203

9.Anklageorgan203

IV.Verfahren203

§ 24Der Bundesrat

I.Organe209

1.Präsident und Präsidium210

2.Mitglieder210

3.Ausschüsse212

4.Europakammer212

5.Plenum212

II.Stimmverteilung213

III.Zuständigkeit213

IV.Verfahren215

§ 25Der Gemeinsame Ausschuss

§ 26Der Bundespräsident

I.Stellung von Organ und Amtsinhaber218

1.Staatsoberhaupt218

2.Amtsvoraussetzungen219

3.Persönlicher Status220

4.Amtszeit221

5.Amtseid222

6.Vertretung222

II.Zuständigkeiten222

1.Integrationsfunktion223

2.Repräsentationsfunktion224

3.Reservefunktion224

4.Staatsnotarielle Funktionen und Prüfungsrecht226

a)Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung und bestimmter Beamter226

b)Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren226

5.Sonstige Funktionen230

III.Gegenzeichnungspflicht230

§ 27Die Bundesversammlung

I.Zusammensetzung232

II.Wahl des Bundespräsidenten232

§ 28Die Bundesregierung

I.Organe (Mitglieder)234

1.Bundeskanzler235

2.Bundesminister236

3.Bundeskabinett236

4.Staatssekretäre237

II.Amtszeit237

1.Bundeskanzler237

a)Beginn der Amtszeit238

b)Ende der Amtszeit239

2.Bundesminister243

III.Organisation243

1.Kanzlerprinzip243

2.Ressortprinzip245

3.Kollegialprinzip245

4.Selbstorganisation246

5.Koalitionsvereinbarung247

6.Verwaltungsunterbau247

IV.Zuständigkeiten247

1.Regierungsfunktion247

2.Verwaltungsfunktion251

3.Rechtsetzungsfunktion251

§ 29Das Bundesverfassungsgericht

I.Aufbau und Status252

II.Zuständigkeiten253

III.Prozessuale Grundsätze254

1.Antragsprinzip254

2.Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags254

3.Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts255

IV.Verhältnis zu überstaatlicher Gerichtsbarkeit256

1.Das Verhältnis zum EuGH256

2.Das Verhältnis zum IGH259

3.Das Verhältnis zum EGMR259

§ 30Die Parteien als Organe des Verfassungslebens

I.Funktion und verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien261

1.Organisation und Vermittlung der politischen Willensbildung des Volkes261

2.Funktionsgerechter Verfassungsstatus262

a)Rechtliche Trennung von Staatsinstitutionen und Parteien262

b)Verfassungsprozessualer Sonderstatus264

II.Stellung und Aufbau der politischen Parteien265

1.Begriff der politischen Partei265

a)Vereinigung von Bürgern265

b)Ziel der politischen Einflussnahme266

c)Ernsthaftigkeit der Zielsetzung266

d)Inhalt der Zielsetzung268

2.Politische Betätigung268

3.Parteiverbot und Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung270

4.Innere Ordnung und Aufbau274

a)Rechtliche Vorgaben274

b)Demokratische Grundsätze274

c)Föderativer Aufbau274

d)Satzung und Programm274

e)Parteiorgane274

f)Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen275

5.Parteifinanzen275

a)Finanzierung der politischen Parteien275

b)Transparenz276

Teil IV:Die Staatsfunktionen

§ 31Die Gesetzgebung

I.Der Begriff des Gesetzes280

1.Der materielle Gesetzesbegriff280

2.Der formelle Gesetzesbegriff280

3.Der Gesetzesbegriff im Grundgesetz281

4.Normenhierarchie281

II.Das Gesetzgebungsverfahren für einfache Bundesgesetze282

1.Die Gesetzesinitiative (Art. 76 GG)283

a)Gesetzesinitiative der Bundesregierung284

b)Gesetzesinitiative des Bundesrates285

c)Gesetzesinitiative des Bundestages286

2.Das Verfahren im Bundestag (Art. 77 Abs. 1 GG)287

3.Die Mitwirkung des Bundesrates (Art. 77, 78 GG)289

a)Unterscheidung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen290

b)Das Vermittlungsverfahren und der Vermittlungsausschuss292

c)Beteiligung des Bundesrates bei Zustimmungsgesetzen295

d)Beteiligung des Bundesrates bei Einspruchsgesetzen295

e)Umdeutung einer verweigerten Zustimmung in einen Einspruch297

4.Die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten (Art. 82 Abs. 1 GG)297

5.Die Verkündung im Gesetzblatt (Art. 82 Abs. 1 GG)298

6.Das Inkrafttreten des Gesetzes (Art. 82 Abs. 2 GG)299

III.Das Gesetzgebungsverfahren für verfassungsändernde Gesetze299

IV.Das Verfahren beim Erlass von Rechtsverordnungen300

1.Rechtsverordnungen als Gesetzgebung durch die Exekutive300

2.Funktion300

3.Voraussetzungen und Rechtsfolgen301

a)Ermächtigungsadressaten301

b)Bestimmtheitsgrundsatz und Wesentlichkeitstheorie301

c)Anforderungen an die Rechtsverordnung303

d)Fehlerfolge304

§ 32Die vollziehende Gewalt

I.Trennung von Regierung und Verwaltung306

1.Regierung306

2.Verwaltung307

3.Trennung von Regierung und Verwaltung308

II.Die Ausgestaltung der Bundeseigenverwaltung308

1.Zuweisung der Organisationsgewalt309

2.Aufbau der Bundesverwaltung310

III.Die Bundeswehr310

§ 33Die Rechtsprechung

I.Definition und Abgrenzung313

II.Aufgabe der Rechtsprechung314

III.Organkompetenz der Gerichtsbarkeit314

IV.Gerichtsbarkeit315

1.Verfassungsgerichtsbarkeit315

2.Fachgerichtsbarkeit316

V.Rechtlicher Status des Richters316

§ 34Auswärtige Gewalt

I.Art. 32 Abs. 1 GG als allgemeine Regelung der Verbandskompetenz318

II.Abschluss und Transformation völkerrechtlicher Verträge319

1.Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge319

2.Transformation des völkerrechtlichen Vertrages320

III.Die Beteiligung an internationalen Einrichtungen321

IV.Die Mitwirkung an der Europäischen Integration323

1.Der Prozess der Europäischen Integration323

2.Kompetenzen und institutioneller Aufbau der Europäischen Union324

3.Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Mitwirkung an der Europäischen Integration325

V.Zusammenfassung330

Teil V:Übersichten – Schemata – Definitionen

A.Übersichten

Übersicht 1:Der Staatsbegriff (Drei-Elemente-Lehre) (vgl. dazu oben Rn. 4 ff.)

Übersicht 2:Strukturprinzipien und Staatszielbestimmungen (Rn. 88 ff.)

Übersicht 3:Das Wahlsystem der Bundesrepublik Deutschland

Übersicht 4:Zuständigkeiten des Bundestags (Rn. 547 ff.)

Übersicht 5:Die Wahl des Bundeskanzlers (Rn. 551)

Übersicht 5a:Das Mehrheitsprinzip im GG (Rn. 612)

Übersicht 6:Normenhierarchie

Übersicht 7:Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat (Rn. 271 ff.)

Übersicht 8:Gesetzgebungsverfahren (Rn. 861 ff.)

Übersicht 9:Die Gewaltenteilung nach dem Grundgesetz (Rn. 169 ff.)

Übersicht 10:Verwaltungsfunktionen

Übersicht 11:Vollzug von Gesetzen

Übersicht 12:Justiz/Gerichtsbarkeit (Rn. 955 ff.)

B.Schemata

Schema 1:Verfassungskonformität eines formellen Bundesgesetzes

Schema 2:Verfassungskonformität einer Rechtsverordnung des Bundes

Schema 3:Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Überblick)

Schema 4:Organstreitverfahren

Schema 5:Abstrakte Normenkontrolle

Schema 6:Bund-Länder-Streit

Schema 7:Verfassungsbeschwerde

Schema 8:Konkrete Normenkontrolle

C.Problemkreise

I.Das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag

1.Die sog. „verkappte Regierungsvorlage“ (s. oben Rn. 877)356

2.Die Gesetzesvorlage durch einen einzelnen Abgeordneten (s. oben Rn. 878)356

3.Folgen eines Verstoßes gegen Art. 76 Abs. 2 GG (s. oben Rn. 870)357

4.Verstoß gegen Vorschriften der GOBT (Bsp.: § 78 Abs. 1 Satz 1 GOBT) (s. oben Rn. 882)357

II.Die Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren

5.Reichweite der Zustimmungsbedürftigkeit (s. oben Rn. 896 ff.)358

6.Uneinheitliche Stimmabgabe im Bundesrat (s. oben Rn. 652 f.)358

7.„Zustimmungsverweigerung bei Einspruchsgesetz“ (s. oben Rn. 914)359

III.Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens

8.Prüfungsrecht des Bundespräsidenten (s. oben Rn. 695 ff.)359

IV.Verfassungsfragen der Wahl zum Deutschen Bundestag

9.Verfassungsmäßigkeit der 5 %-Sperrklausel (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BWahlG) (s. oben Rn. 517 ff.)360

10.Verfassungsmäßigkeit der Grundmandatsklausel (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BWahlG) (s. oben Rn. 521 ff.)360

V.Sonstige Problemkreise

11.Die Rückwirkung von Gesetzen (s. oben Rn. 210 ff.)360

12.Verfassungsprozessuale Stellung von Parteien (s. oben Rn. 812 ff.)361

D.Definitionen

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AA.A.; a. A.anderer Ansichta. a. O.am angegebenen Ortabgedr.abgedrucktAbgGAbgeordnetengesetzAbs.Absatza. E.am Endea. F.alte FassungALAd legendum (Zeitschrift)Allg.Allgemein(e/er/es)Anm.Anmerkung(en)AöRArchiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)Art.ArtikelAufl.AuflageAz.AktenzeichenBBAnz.BundesanzeigerBauGBBaugesetzbuchBayVBl.Bayerische VerwaltungsblätterBd.BandBGBBürgerliches GesetzbuchBGBl.BundesgesetzblattBMinGBundesministergesetzBPWahlGBundespräsidentenwahlgesetzBRHGGesetz über den BundesrechnungshofBVerfGBundesverfassungsgerichtBVerfGEEntscheidung(en) des BundesverfassungsgerichtsBVerfGGBundesverfassungsgerichtsgesetzBWahlGBundeswahlgesetzBWahlOBundeswahlordnungDDBDer Betrieb (Zeitschrift)d. h.das heißtDok.Dokument(e)DÖVDie Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)DRiGDeutsches RichtergesetzDRiZDeutsche RichterzeitungDVBl.Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)EEAGEuropäische AtomgemeinschaftEGEuropäische Gemeinschaft(en)EGKSEuropäische Gemeinschaft für Kohle und StahlEinl.EinleitungEMRKKonvention zum Schutze der Menschenrechte und GrundfreiheitenEStGEinkommensteuergesetzetc.et ceteraEUEuropäische UnionEuGHEuropäischer GerichtshofEuGrZEuropäische Grundrechte-ZeitschriftEuZWEuropäische Zeitschrift für WirtschaftsrechtEvStLEvangelisches StaatslexikonFf., ff.folgend, folgendeFn.FußnoteFSFestschriftGGASPGemeinsame Außen- und Sicherheitspolitikgem.gemäßGGGrundgesetzggf.gegebenenfallsGOBRGeschäftsordnung des BundesratsGOBRegGeschäftsordnung der BundesregierungGOBTGeschäftsordnung des BundestagsGOVermAGeschäftsordnung VermittlungsausschussHHStRHandbuch des StaatsrechtsHVerfRHandbuch des Verfassungsrechts (Benda/Maihofer/Vogel)HessStGHHessischer Staatsgerichtshofh. M.herrschende(r) Meinunghrsg.herausgegebenHrsg.HerausgeberIi. e. S.im engen SinneIGHInternationaler Gerichtshofinsbes.insbesonderei. S. d.im Sinne der/desi. V. m.in Verbindung mitJJAJuristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)JBl.Juristische Blätter (Zeitschrift)JöRJahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Zeitschrift)JuraJura (Zeitschrift)JuSJuristische Schulung (Zeitschrift)JZJuristenzeitungKKJKritische Justiz (Zeitschrift)Llit.littera (Buchstabe)Mm. w. N.mit weiteren NachweisenNNdsVBl.Niedersächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)n. F.neue FassungNJWNeue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)NordÖRZeitschrift für Öffentliches Recht in NorddeutschlandNr.NummerNSDAPNationalsozialistische deutsche ArbeiterparteiNuRNatur und Recht (Zeitschrift)NVwZNeue Zeitschrift für VerwaltungsrechtNWVBl.Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)PParl.RatParlamentarischer RatParlStGGesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen StaatssekretärePartGParteiengesetzPJZSPolizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in StrafsachenProt.ProtokollPUAGParlamentarisches UntersuchungsausschussgesetzRRGBl.ReichsgesetzblattRn.RandnummerRuStAGReichs- und StaatsangehörigkeitsgesetzSS.Seites.sieheSächsVBl.Sächsische VerwaltungsblätterSGGSozialgerichtsgesetzSlg.Sammlungsog.so genannt(e/er/es)Sp.SpalteStGBStrafgesetzbuchstr.streitigSTWGStabilitäts- und WachstumsgesetzSÜRSeerechtübereinkommenTThürVBl.Thüringer VerwaltungsblätterUu.undu. a.und andere, unter anderemusw.und so weiterVv.von/vomVBlBWVerwaltungsblätter für Baden-WürttembergVerf.VerfasserVerfassungsR-HdbHandbuch des Verfassungsrechts (Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz)VerwArch.Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)vgl.vergleicheVRVerwaltungsrundschau (Zeitschrift)VVDStRLVeröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen StaatsrechtslehrerVwVfGVerwaltungsverfahrensgesetzWWahlprüfGWahlprüfungsgesetzWissRWissenschaftsrecht (Zeitschrift)WRVWeimarer ReichsverfassungZz. B.zum BeispielZBRZeitschrift für BeamtenrechtZfAZeitschrift für ArbeitsrechtZfGZeitschrift für GeschichtswissenschaftZfSH/SGBZeitschrift für Sozialhilfe und SozialgesetzbuchZGZeitschrift für GesetzgebungZJSZeitschrift für das juristische StudiumZParl.Zeitschrift für ParlamentsfragenZRPZeitschrift für Rechtspolitik

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Achterberg, Parlamentsrecht, 1984

Albrecht/Küchenhoff, Staatsrecht, 3. Aufl. 2015

Augsberg/Augsberg/Schwabenbauer, Klausurtraining Verfassungsrecht, 4. Aufl. 2021

Badura, Staatsrecht: systematische Erläuterung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 7. Aufl. 2018

Battis/Gusy, Einführung in das Staatsrecht, 6. Aufl. 2018

Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2020

Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bände, 2. Aufl. 1994, Neudruck 2012 (zit.: HVerfR)

Bumke/Voßkuhle, Casebook: Verfassungsrecht, 8. Aufl. 2020

Degenhart, Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht, 36. Aufl. 2020

Epping, Grundrechte, 9. Aufl. 2021

Gröpl, Staatsrecht I, 13. Aufl. 2021

Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz, Handbuch des Verfassungsrechts. Darstellung in transnationaler Perspektive, 2021 (zit. VerfassungsR-HdB)

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999

Höfling/Rixen, Fälle zum Staatsorganisationsrecht 6. Aufl. 2019

Ipsen/Kaufhold/Wischmeyer, Staatsrecht I, 33. Aufl. 2021

Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13 Bände, 3. Aufl. 2003–2015 (zit.: HStR)

Kämmerer, Staatsorganisationsrecht, 4. Aufl. 2022

Katz/Sander, Staatsrecht, 19. Aufl. 2019

Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 37. Aufl. 2021

Mager, Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht unter Berücksichtigung der europarechtlichen Bezüge, 9. Aufl. 2021

Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020

Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010

Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, 5. Aufl. 2020

Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021

Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre, 4. Aufl. 2019

Stein/Frank, Staatsrecht, 21. Aufl. 2010

Streinz, Europarecht, 11. Aufl. 2019

Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 17. Aufl. 2017

Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018

Kommentare zum Grundgesetz

AK-GG, Alternativ-Kommentar zum GG, Loseblattsammlung, Stand: 2. Aufbaulieferung 2002

BerlK, Berliner Kommentar zum GG, Loseblattsammlung, Stand: 2021

BK, Bonner Kommentar zum GG, Loseblattsammlung, Stand: 213. Ergänzungslieferung 2021

Dreier, Grundgesetzkommentar, 3 Bände, 3. Aufl. 2013 (Band 1), 3. Aufl. 2015 (Band 2), 3. Aufl. 2018 (Band 3)

Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Loseblattkommentar, Stand: 95. Ergänzungslieferung 2021

Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. München 2020

v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 3 Bände, 7. Aufl. 2018

v. Münch/Kunig, Grundgesetz – Kommentar, 2 Bände, 7. Aufl. 2021

Sachs, Grundgesetz – Kommentar, 9. Aufl. 2021

Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 15. Aufl. 2021.

Teil I:Grundlagen

A.Staatsrecht als Rechtsgebiet

1Die Beschäftigung mit dem Staatsrecht steht traditionell am Beginn des juristischen Studiums. Es geht dabei nicht nur darum, die Staatsorganisation der Bundesrepublik Deutschland kennen zu lernen. Vielmehr sollen auch die grundlegenden Prinzipien der Verfassungsordnung unter dem Grundgesetz veranschaulicht werden, die Auswirkungen auf die Ausgestaltung der gesamten Rechtsordnung und damit aller anderen Rechtsgebiete haben.

Diesen Zusammenhängen widmet sich der erste Teil dieses Lehrbuchs. Einführend sollen die Stellung des Staatsrechts als Rechtsgebiet veranschaulicht und sein Gegenstand, der Staat, vorgestellt werden. Weiterhin soll untersucht werden, was es bedeutet, dass das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen Verfassungsrecht ist und wie sich dies historisch herausgebildet und entwickelt hat. Schließlich soll ein Überblick über die Charakteristika des Grundgesetzes gegeben und sein Geltungsbereich dargestellt werden.

§ 1Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland

2Das nationale Recht der Bundesrepublik Deutschland lässt sich in zwei große Bereiche unterteilen, das öffentliche Recht und das Privatrecht1. Vereinfacht gesagt regelt das Privatrecht die Rechtsverhältnisse unter gleichberechtigten – privaten – Rechtssubjekten, die ihre Rechtsbeziehungen autonom gestalten dürfen. Das öffentliche Recht beschäftigt sich demgegenüber – ebenfalls vereinfacht – mit den Rechtsverhältnissen des Staates, also dessen Organisation auf verschiedenen Ebenen und seinem Auftreten in vorrangig Über-/Unterordnungsverhältnissen gegenüber Privaten. Das öffentliche Recht lässt sich danach in verschiedene Bereiche unterteilen:

–  Staatsrecht;

–  Strafrecht;

–  Sonstiges öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungs- und Prozessrecht.

Das Strafrecht regelt die Einordnung bestimmter Verhaltensweisen als strafwürdig und die Feststellung und Durchsetzung des daraus folgenden staatlichen Strafanspruchs. Es hat sich traditionell zu einem Sachgebiet mit einer eigenen Dogmatik und daher auch in der Rechtswissenschaft zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt.

Das Verwaltungsrecht regelt umfassend die Rechtsbeziehungen der Exekutive. Es ist ein klassischer Teil der Wissenschaft vom öffentlichen Recht.

Auch das Recht der Gerichtsverfassung und sämtliche Prozessordnungen (also auch etwa die Zivilprozessordnung), die die Zuständigkeiten der einzelnen Gerichte und das jeweilige gerichtliche (und damit hoheitliche) Verfahren regeln, gehören zum öffentlichen Recht.

Völker- und Europarecht stellen internationale Rechtsordnungen dar, die jedoch in das nationale Recht hineinwirken. Da sie im Ausgangspunkt die Rechtsbeziehungen des Staates auf der internationalen Ebene regeln, werden sie als Teil des öffentlichen Rechts verstanden.

3Das Staatsrecht ist also Teil des öffentlichen Rechts. Es wird grundsätzlich in zwei große Bereiche unterteilt: die Grundrechte und das Staatsorganisationsrecht.

Während sich die Dogmatik der Grundrechte mit subjektiven Rechtspositionen beschäftigt, die die Staatsgewalt beschränken und die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger prägen, befasst sich das Staatsorganisationsrecht mit allen anderen Bereichen des Aufbaus der staatlichen Gewalt. Die Bezeichnung ist dabei insofern ungenau, als hierunter nicht nur die Organisation des Staates, die Staatsorgane und die Staatsfunktionen behandelt werden, sondern auch grundlegende Prinzipien und Leitentscheidungen, die zum Selbstverständnis unseres Staates gehören.

Diese grundlegenden Prinzipien entfalten – ähnlich den Grundrechten in ihrer Funktion als objektiv-rechtliche Wertentscheidungen – ihre Wirkung im Verfassungsstaat weit über die bloße Staatsorganisation hinaus. Sie bilden den Rahmen für die gesamte rechtliche Ordnung und sind daher auch bei der Beschäftigung mit anderen Gebieten, nicht nur des öffentlichen Rechts, von zentraler Bedeutung.

§ 2Staat und Staatsrecht

4Wenn sich das Staatsrecht also mit den normativen Grundlagen des Aufbaus und der Funktionsweise eines Staates beschäftigt, setzt es dessen Existenz schon voraus: so ist etwa das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar an deren Bestand geknüpft – mit ihrem Untergang verlöre es seine Geltung.

Die Bestimmung dessen, was ein Staat allgemein ist, also die Festlegung seiner Existenzbedingungen und Ziele, ist demgegenüber eine dem Staatsrecht vorgelagerte Frage der Staatsphilosophie2, seine internationale Anerkennung Gegenstand des Völkerrechts. Aus der Vielzahl der dort angestellten Überlegungen soll hier nur kurz referiert werden, was als Grundkonsens der gegenwärtigen Staatsphilosophie betrachtet werden kann:

Ein Staat ist eine organisatorische Konstruktion einer Gemeinschaft von Menschen. Nach dem weit verbreiteten Modell eines „Gesellschaftsvertrags“ existiert er dadurch, dass jeder Einzelne seine originäre Selbstverteidigungsfähigkeit, die er in einem (gedachten) vorstaatlichen Zustand besitzt, an eine übergeordnete Organisation abgibt, die effizienter und sicherer die individuelle Sphäre eines jeden gegen Zugriffe Dritter verteidigen kann. Von dieser Prämisse ausgehend muss diese Gemeinschaft ihre organisatorische Kompetenz ausschließlich von ihren Mitgliedern ableiten und darf nicht von anderen Gemeinschaften abhängig sein. Sie muss in der Lage sein, ihre Angelegenheiten vollkommen autonom zu regeln, das heißt, sie muss souverän sein.

5Primärer Gegenstand des Staatsrechts ist daher das rechtliche Verhältnis dieser Organisation „Staat“ zu ihren Mitgliedern. Eine Organisation, die ihre Rechtsbeziehungen zu ihren Mitgliedern umfassend regeln kann, ist ein souveräner Staat (innere Souveränität).

Da in der Welt nicht nur eine einzige Gemeinschaft von Menschen existiert (dies wäre ein Weltstaat), hat jeder Staat auch einen territorialen Bezug und steht in einem Verhältnis zu anderen, gleichartig organisierten Gemeinschaften. Kann der Staat seine rechtlichen Beziehungen unbeeinflusst von diesen anderen Organisationen regeln, besitzt er äußere Souveränität.

6Aus diesen beiden Bezugspunkten, innere und äußere Souveränität, hat sich eine Theorie entwickelt, die als kleinsten gemeinsamen Nenner notwendiger Existenzvoraussetzungen eines Staates drei Bereiche auflistet (sog. Drei-Elemente-Lehre)3:

–  Staatsvolk;

–  Staatsgebiet;

–  Staatsgewalt.

Diese Lehre wird häufig mit Georg Jellinek verbunden; er ist jedoch nicht ihr einziger Vertreter – ähnliche Gedanken wurden bereits erheblich vor seiner Zeit und auch außerhalb des deutschen Rechtskreises formuliert4. Im Völkerrecht hat sie sich in der Staatsdefinition der sog. Konvention von Montevideo niedergeschlagen.

Jedenfalls alle normativen Aussagen zu diesen Bereichen sind somit Gegenstand des Staatsrechts.

→ S. zur Drei-Elemente-Lehre auch die Übersicht unter Rn. 1008.

§ 3Verfassung und Verfassungsrecht

7Der Begriff des Verfassungsrechts ist enger als der des Staatsrechts5: Sein Anknüpfungspunkt ist nicht die bloße Existenz eines Staates, sondern die Niederlegung der für diesen geltenden staatsrechtlichen Regelungen in einer Verfassung.

8Im modernen, rechtsstaatlichen Sinne setzt eine Verfassung mehr voraus als die bloße Regelung staatsrechtlicher Fragestellungen: Eine grundlegende Norm des Staatsrechts kann auch in einem einfachen Gesetz formuliert sein, sie kann sogar Gegenstand einer nicht niedergeschriebenen bloßen Übung sein, wie die Einsetzung des Premierministers in Großbritannien oder die Einberufung eines altgermanischen Things.

Der Sinn einer Verfassung liegt darin, dass eine besondere Art der schriftlichen Niederlegung („Verfasstheit“) eine höhere Verbindlichkeit – etwa durch den Vorrang vor sonstigem „einfachen“ Recht oder erschwerte Abänderbarkeit – gewährleisten soll. Die bloße Schriftlichkeit genügt dabei nicht; es bedarf vielmehr zusätzlicher Sicherungsmechanismen.

9Dies zeigt sich insbesondere im Vergleich zu Diktaturen, die auch von der Existenz staatsrechtlicher Normen ausgehen, welche teilweise sogar schriftlich fixiert sind, jedoch keine besondere Bindung der Herrschaft zum Ausdruck bringen. Sie sehen staatsrechtliche Normen vielmehr als bloße Deklaration bereits bestehender Gegebenheiten staatlicher Macht im jeweiligen System.

So betrachtete etwa der Nationalsozialismus das sog. Führerprinzip als Norm des Staatsrechts. Die Formulierung dieses Prinzips hatte jedoch nur eine beschreibende Bedeutung, die Staatsführung sollte hierdurch in keiner Weise gebunden oder beschränkt werden.

Auch Art. 1 der Verfassung der DDR von 1968 beanspruchte keine besondere Form der Geltung für sich:

Artikel 1

Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.

Der Bezeichnung der Deutschen Demokratischen Republik als sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern kam keinerlei normative Funktion zu. Ebenso wenig ergab sich eine Bindungswirkung daraus, dass die DDR nach ihrer Verfassung unter der Führung der Arbeiterklasse stand. In der Praxis war dies gerade nicht der Fall.

Bei solchen staatsrechtlichen Deklarationen ohne besondere Bindungswirkung handelt es sich um bloße Proklamationen.

10Sinn einer Verfassung im rechtsstaatlichen Sinne ist demgegenüber die Begründung, Bindung und Legitimation der Herrschaftsgewalt. Die Ausübung von Herrschaftsgewalt soll durch Normen geregelt werden, die deren jeweilige Inhaber nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres abändern können. Die Beschränkung von Herrschaftsgewalt ist insofern charakteristisch für eine Verfassung6.

Die zitierte Verfassung der DDR war somit nur der Bezeichnung, nicht aber der Bedeutung nach eine Verfassung, denn der SED verblieb die letzte Regelungszuständigkeit über ihren Inhalt und diese Regelungszuständigkeit kannte keine Beschränkung.

11Auf die Bezeichnung als Verfassung kann es daher nicht ankommen. Aus der Beschränkung der Herrschaftsgewalt als notwendige Anforderung an die Verfassung ergeben sich aber normative Konsequenzen: Ist in der Verfassung die Beschränkung der Herrschaftsgewalt formuliert, diese aber jederzeit durch den Träger der Staatsgewalt problemlos wieder abänderbar, geht auch eine solche Verfassung über bloße Proklamation nicht hinaus.

Die Beschränkung der Herrschaftsgewalt durch die Verfassungsurkunde muss also bestimmte Verfestigungen enthalten: Sie wäre wertlos, wenn die Verfassung durch denjenigen, der die Herrschaftsgewalt ausübt, ohne weiteres wieder abgeändert werden könnte. Auch darf die Ausübung von Herrschaftsgewalt gegenüber den Gewaltunterworfenen nicht beliebig sein. Vielmehr bedarf eine Verfassung der Regelung subjektiver Rechtsgewährleistungen. Wie diese im Einzelnen aussehen, ob sie formeller oder materieller Natur sind, ob sie vor dem Parlament oder vor Gerichten geltend zu machen sind, ist je nach Rechtskultur sehr unterschiedlich. Entscheidend ist, dass der Herrschaftsgewalt durch subjektive Rechtspositionen der Gewaltunterworfenen Grenzen gesetzt sein müssen.

§ 4Staatsrecht und Verfassungsrecht

Die Beschränkung staatlicher Regelungsmöglichkeiten durch den Verfassungsstaat stellt sich somit als Fortentwicklung der zum Wesen des Staates und seiner Souveränität aufgestellten Überlegungen dar:

12Ausgehend vom oben skizzierten Vertragsmodell, wonach der Einzelne seine Selbstverteidigungsfähigkeit auf den Staat überträgt, sind Sinn und Aufgabe des Staates:

–  Schaffen eines Friedenszustandes;

–  Gewährleistung von Rechtssicherheit;

–  möglichst weitgehende Verwirklichung von Gerechtigkeit.

Eine erste Bindung des Souveräns (Herrscher) ergibt sich in diesem Modell aus dem (gedachten) Staatsvertrag, durch den der Übergang vom Ur- oder Natur­zustand in den staatlichen Friedenszustand ermöglicht wurde: Er darf diesen Friedenszustand nicht infrage stellen, etwa indem er selbst zur Bedrohung für die Bürger wird.

13Die Schaffung von Rechtssicherheit und das Anstreben von Gerechtigkeit als weitere Staatsaufgaben gehen demgegenüber über das Minimum hinaus, das für ein Gemeinwesen zu fordern ist, das die Bezeichnung Staat beanspruchen kann. Rechtssicherheit erfordert eine gewisse Bindungswirkung, die der Souverän etwa in Thomas Hobbes’ Leviathan nicht kennt. In dem Moment, in dem der Staat Rechtssicherheit anstrebt, tritt er sozusagen in einen höheren Aggregatzustand. Er wird vom bloßen Staat zum Verfassungsstaat.

Verfassungsrecht muss damit im Vergleich zum Staatsrecht zusätzliche Voraussetzungen erfüllen:

–  Regelungen der Begrenzung der Herrschaftsgewalt;

–  erschwerte Abänderbarkeit dieses normativen Systems;

–  Schutz subjektiver Rechte.

14Die Unterscheidung von Verfassungsrecht und Staatsrecht ist heute nur in den Ländern problematisch, die nicht über eine geschriebene Verfassungsurkunde verfügen, die den dargestellten Voraussetzungen entspricht, wie z. B. das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Darüber hinaus hat sie für die Staaten Bedeutung, die zwar eine Verfassungsurkunde besitzen, welche jedoch keine oder eine nur partielle effektive Bindungswirkung gegenüber der Staatsgewalt entfaltet, wie dies in den kommunistischen Staaten China und Nordkorea sowie in Staaten mit klerikaler Autoritätsverankerung, wie dem Iran, der Fall ist.

15In der Bundesrepublik Deutschland ist Staatsrecht dagegen weitestgehend Verfassungsrecht. Das Grundgesetz regelt die Ausübung von Herrschaftsgewalt im Bundesgebiet, beansprucht eine höherrangige Verbindlichkeit, die mit einer erschwerten und teilweise sogar ausgeschlossenen Abänderbarkeit einhergeht und verleiht den Bürgern subjektive Rechtspositionen. Es gibt allerdings einige Gebiete, die zum Staatsrecht gehören, aber keine verfassungsrechtliche Verankerung erfahren haben. Dies sind beispielsweise die Regelungen der Geschäftsordnungen der obersten Bundesorgane, diese betreffende Gesetze, aber auch das Wahlrecht, das Staatsangehörigkeitsrecht und das Recht der politischen Parteien.

Dass Staatsrecht in Deutschland im Wesentlichen Verfassungsrecht ist und dass dieser Verfassung, dem Grundgesetz, ein derart überragender Stellenwert im politischen und juristischen System zukommt wie in der Bundesrepublik, ist Ergebnis einer längeren historischen Entwicklung, die im folgenden Abschnitt kurz skizziert werden soll.

B.Deutsche Verfassungsgeschichte im Überblick

§ 5Die Zeit vor 1848

16Staats- und Verfassungsrecht im modernen, oben dargestellten Sinne sind, da sie an die Existenz eines Nationalstaates anknüpfen, erst seit dem Beginn der Herausbildung von Territorialstaaten ab dem 16. Jahrhundert denkbar und ab dem Ende des 18. Jahrhunderts verwirklicht, erst in Nordamerika und Frankreich, später auch in Deutschland. Das mittelalterliche Herrschaftsverständnis war wesentlich von der Vorstellung von Personenverbänden geprägt, die Rechtsstellung des Königs im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war nicht durch Rechtstexte umschrieben. Erst mit der Zeit wurden einzelne mit der Organisation von Herrschaft zusammenhängende Fragen als Rechtsfragen aufgefasst und in später sogenannten „Reichsgrundgesetzen“ (leges fundamentales, insb. die Goldene Bulle von 1356 und der Augsburger Religionsfriede von 1555) geregelt. Der Aufstieg der Territorien, der durch den Westfälischen Frieden von 1648 beschleunigt wurde, führte zu einer neuen Konzeption von Staatlichkeit, die den oben vorgestellten Begriff der Souveränität zum Ausgangspunkt nahm. Die Philosophie der Aufklärung (Thomas Hobbes, John Locke und vor allem Jean-Jacques Rousseau) entwickelte das oben dargestellte Vertragsmodell zur Begründung staatlicher Herrschaft.

17Die mit diesem Staatsverständnis zusammenhängende Idee einer geschriebenen, staatliche Macht begrenzenden Verfassung stellte einen Bruch mit der überkommenen, monarchischen Tradition dar, der mit der Unabhängigkeitserklärung der Amerikanischen Kolonien (1776) und der Französischen Revolution (1789) im Ausland auch in der politischen Realität effektuiert wurde. In Deutschland kam es zu einer derart grundlegenden Umwälzung nie, jedoch hatten diese Ereignisse auch hier großen Einfluss auf die Entwicklung des Staatsverständnisses.

18Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (Altes Deutsches Reich), das aus über 30 Monarchien bestand, war durch den Aufstieg der Territorien bereits stark zersplittert, als die napoleonischen Kriege und der daran anschließende Wiener Kongress (1815) zu einer grundlegenden Neuordnung Europas führten. Unter ­Napoleons Einfluss traten viele Fürsten aus dem Reich aus, gründeten 1806 den sog. Rheinbund und nahmen eigene Souveränität auch gegenüber dem Reich für sich in Anspruch. Am 6.8.1806 legte Franz II. als damit letzter Kaiser des alten Reichs – von Napoleon ultimativ dazu aufgefordert – die deutsche Kaiserwürde nieder. Der Rheinbundakte vom 12.7.1806 traten nach und nach alle deutschen Territorialstaaten mit Ausnahme Preußens und Österreichs bei. Sie waren durch diesen völkerrechtlichen Vertrag mit dem französischen Kaiser diesem gegenüber zur Kriegsbeteiligung verpflichtet.

19Die Niederlage Napoleons in den Befreiungskriegen mit der Völkerschlacht bei Leipzig als Höhepunkt und die auf die Besetzung von Paris im März 1814 folgende Abdankung Napoleons resultierten in einer weiteren Stabilisierung der bereits vorhandenen Partikularstaaten. Im Pariser Frieden war eine Versammlung zur Neuorganisation Europas vorgesehen, die als Wiener Kongress von 1814 bis 1815 stattfand und in die Deutsche Bundesakte vom 8.6.1815 und die Wiener Kongressakte vom 9.6.1815 mündete. Mit der Deutschen Bundesakte entstand der Deutsche Bund als völkerrechtlicher Staatenbund, dem neben den deutschen Fürstentümern auch Dänemark, die Niederlande und Luxemburg angehörten. Er umfasste 38 Staaten, wobei Österreich und Preußen eine besondere Machtposition innehatten. Das einzige zentrale Organ des Deutschen Bundes, der Bundestag, tagte unter dem Vorsitz Österreichs in Frankfurt. Primäre Funktion des Deutschen Bundes war die Gewährleistung äußerer und innerer Sicherheit, eine Rechtsetzungs­kompetenz kam ihm nicht zu.

20Erste dauerhafte Verfassungen auf deutschem Boden entwickelten sich daher in den Einzelstaaten, insbesondere in Baden und Bayern (1818) sowie Württemberg (1819). Diese Verfassungen des sog. Süddeutschen Frühkonstitutionalismus kamen jedoch nicht durch eine Abspaltung oder Revolution wie in Amerika oder Frankreich zustande, sondern wurden von den Fürsten, die nach Art. 13 der Deutschen Bundesakte sogar zu „landständischen Verfassungen“ verpflichtet waren, als Mittel zur Aufrechterhaltung der eigenen Macht eingesetzt7. Sie wurden teilweise oktroyiert (Bayern), teilweise mit den Ständen vereinbart (paktiert, Württemberg), jedenfalls aber waren sie „herrschaftsmodifizierend, nicht herrschaftsbegründend“ (Dieter Grimm).

21In dieser Situation zunehmender Verfestigung der partikularstaatlichen Souveränität war eine politische Einheit der über eine einheitliche Sprache und Kultur verfügenden deutschen Nation Sehnsüchten und Wünschen vorbehalten, die sich in den nachfolgenden Jahrzehnten in der Romantik widerspiegelten. Ein erster Schritt zu einer gemeinsamen Zentralgewalt war die Gründung des ab 1834 so bezeichneten Deutschen Zollvereins infolge des preußischen Zollgesetzes von 1818, der mit der Etablierung einer zollrechtlichen Freihandelszone zunächst aber nur wirtschaftliche Bedeutung hatte.

§ 6Die sog. Paulskirchenverfassung von 1848/1849

22Den ersten Versuch einer gesamtdeutschen Verfassung stellt die sog. Paulskirchenverfassung von 1848/49 dar. Nach der Niederringung Napoleons führten Bevölkerungswachstum und damit verbundene Massenarbeitslosigkeit, die fortschreitende Industrialisierung sowie Missernten in der Landwirtschaft in den 1840er Jahren zu sozialen Verwerfungen in den deutschen Staaten. Angestoßen durch die (dritte) französische Revolution im Februar 1848 und den damit verbundenen Sturz des französischen Königs Louis Philippe kam es auch in Deutschland zu Massenbewegungen und Aufständen, die insbesondere zu blutigen Straßenkämpfen in Berlin sowie zur Abdankung des österreichischen Kaisers und zum Austausch der Regierungen in einigen Kleinstaaten führten (sog. Märzminister). Die regierenden Fürsten versuchten durch Konzessionen weitere revolutionäre Fortentwicklungen zu verhindern und ließen die von den Abgeordneten der 2. Kammern im Rahmen eines „Vorparlaments“ initiierten Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung zu.

23Diese trat, unmittelbar vom Volk (das hieß nach dem Verständnis der damaligen Zeit allen männlichen, selbstständigen Deutschen) gewählt, am 18.5.1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Die Nationalversammlung nahm für sich in Anspruch, den Souverän widerzuspiegeln, also Ausdruck und Inhaber der obersten Gewalt in Deutschland zu sein. Am 28.6.1848 wurde von der National­versammlung das Reichsgesetz über die Einführung einer provisorischen Zentralgewalt erlassen und Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser (Reichsverwalter), dem provisorischen Staatsoberhaupt, gewählt.

Der im März 1849 fertiggestellte Verfassungstext sah neben den bereits im Dezember 1848 beschlossenen Grundrechten des deutschen Volkes ein auf das monarchische System festgelegtes Staatsorganisationsrecht vor: Es sollte ein Erbkaisertum auf Reichsebene geben, wobei im Rahmen einer kleindeutschen Lösung (ohne Österreich) der preußische König die Kaiserwürde erhalten sollte. Der Kaiser sollte seine Stellung nicht von Gottes Gnaden ableiten, sondern durch die Verfassung zugewiesene Kompetenzen wahrnehmen. Zur Gesetzgebung sollte ein aus Volkshaus und Staatenhaus bestehender Reichstag befugt sein, dem Kaiser sollte lediglich ein Vetorecht zukommen.

24Diese nach dem Versammlungsort als Paulskirchenverfassung bezeichnete Verfassung trat jedoch nie in Kraft. Nachdem mit knapper Mehrheit (290 Stimmen gegen 248 Enthaltungen) beschlossen worden war, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anzutragen, lehnte dieser ab. Mit einer Annahme der Krone aus der Hand des Volkes hätte er die Volkssouveränität anerkennen und sich von der Vorstellung eines Monarchen von Gottes Gnaden verabschieden müssen. In einem Brief schrieb Friedrich Wilhelm IV.: „Man nimmt nur an und schlägt nur aus eine Sache, die gebothen werden kann“.

Das in der Folge nach Stuttgart verlegte „Rumpfparlament“ wurde im Juni 1849 durch württembergische Truppen aufgelöst. Weitere Versuche einer Einigung unter den deutschen Fürsten wie das sog. Dreikönigsbündnis von 1849 oder der Fürstentag von 1863 blieben erfolglos.

§ 7Der Norddeutsche Bund

251864 kam es, ausgelöst durch die Einverleibung der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Dänemark, zum Deutsch-Dänischen Krieg, den Österreich und Preußen gewannen. In der Folge konnten sich diese jedoch nicht über die rechtliche Behandlung der Herzogtümer einigen, was zu einem Krieg führte, den Preußen gegen Österreich, das sich mit Hannover, Sachsen und den süddeutschen Staaten verbündet hatte, in der Schlacht von Königgrätz im Juli 1866 gewann. Der Friedensschluss von Prag sah die Auflösung des Deutschen Bundes vor.

26Preußen schloss daraufhin am 18.8.1866 mit 15 norddeutschen Staaten und Freien Städten einen Vertrag, der später auf 23 Mitglieder erweitert wurde und das Ziel der Ausarbeitung einer Verfassung und der Konstitution eines Reichstages verfolgte (sog. August-Bündnis). Diese Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde am 16.4.1867 verabschiedet und trat nach der Umsetzung im jeweiligen Landesrecht der Mitgliedstaaten am 1.7.1867 in Kraft. Anders als beim Deutschen Bund handelte es sich beim Norddeutschen Bund um einen Bundesstaat, dem völkerrechtliche Souveränität zukam. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes sah als zentrales Organ einen als Länderkammer konzipierten ­Bundesrat vor. Dessen mitgliedschaftliche Rechte bemaßen sich nach dem Bevölkerungsanteil, so dass Preußen allein 40 % der Stimmen zukamen. Die Führungsrolle Preußens manifestierte sich weiterhin darin, dass „der Krone Preußens“ das Bundespräsidium, d. h. die völkerrechtliche Vertretung und exekutivische Leitung des Bundes zustand8. Auch das Amt des Bundeskanzlers, der den Vorsitz im Bundesrat und die Geschäfte des Norddeutschen Bundes führte, hatte mit Otto von Bismarck der damalige preußische Ministerpräsident inne. Von besonderer verfassungsgeschichtlicher Bedeutung war die Etablierung des Reichstags als Volksvertretung, dessen Abgeordnete in allgemeiner, direkter und geheimer Abstimmung gewählt wurden und Immunität sowie Indemnität genossen. Das „preußische Dreiklassenwahlrecht“ galt auf Reichsebene nicht.

27Der Bund verfügte über ein weit reichendes Gesetzgebungsrecht, vor allem auf vielen Gebieten des Zivilrechts, der Staatsangehörigkeit, der Zölle und Verbrauchsteuern. Die Folge war eine erhebliche Rechtsvereinheitlichung im Gebiet des Norddeutschen Bundes, insbesondere durch das Gesetz über die Freizügigkeit (1867), die Gewerbeordnung (1869), das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1869), das Gesetz über Erwerb und Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (1870) und das Strafgesetzbuch9 (1870). Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung wurde darüber hinaus durch die Schaffung eines Obersten Gerichtshofes in Handelssachen gewährleistet, der in Leipzig eingerichtet wurde. Die Bedeutung des Norddeutschen Bundes für die Rechtseinheit ist hoch einzuschätzen. Der Kern der hier angestoßenen und nach 1871 fortgeführten Gesetzgebung bildet auch heute noch den Grundbestand wichtiger Bundesgesetze.

§ 8Das Deutsche Reich und die Reichsverfassung von 1871

28Als 1870 Frankreich nach der Provokation Bismarcks (sog. „Emser Depesche“) Preußen den Krieg erklärte, fragte Bismarck auch bei den süddeutschen Staaten um deren Teilnahme an. Daraufhin traten Bayern, Hessen, Baden und Württemberg 1870 dem Norddeutschen Bund mit Wirkung zum 1.1.1871, nach Ratifizierung durch die Landtage, bei. Nach dem Sieg über Frankreich wurde am 18.1.1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles ein neues deutsches Kaiserreich proklamiert, das sich aus den Staaten zusammensetzte, die zu diesem Zeitpunkt Mitglieder des Norddeutschen Bundes waren. Dieses gab sich mit der Verkündung im Reichsgesetzblatt am 16.4.1871 auch eine neue deutsche Verfassung, die aber im Wesentlichen inhaltsgleich mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes war.

Sie ersetzte jedoch das bisherige Bundespräsidium durch den Deutschen Kaiser als Staatsoberhaupt und schuf somit eine konstitutionelle Monarchie in Form eines Bundesstaats. Diese war als Erbmonarchie ausgestaltet, zum ersten Kaiser wurde der preußische König Wilhelm I. proklamiert. Der Kaiser war zwar konstitutionelles, d. h. durch die Verfassung gebundenes Staatsoberhaupt, aber ihm kamen eine Reihe von Befugnissen zu, die eine stärkere Stellung gewährleisteten, als sie z. B. die englische Monarchie heute besitzt; insbesondere konnte er den Reichskanzler unabhängig vom Parlament ernennen (Art. 15). Er war Oberbefehlshaber von Heer und Marine (Art. 53 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1). Die vorzeitige Auflösung des Reichstages bedurfte seiner Zustimmung (Art. 24). Grundrechte kannte die Reichsverfassung nicht, weshalb sie mit Blick auf die Rechtsposition der Bürger einen Rückschritt im Vergleich zur Paulskirchenverfassung darstellt. Von besonderer verfassungsgeschichtlicher Bedeutung ist sie jedoch als erste Kon­stitutionalisierung der bundesstaatlich organisierten Reichseinheit.

§ 9Die Weimarer Reichsverfassung

29Zu einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Neubestimmung kam es nach der Niederlage des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg. Die Forderung des amerikanischen Präsidenten Wilson nach einer Abdankung der „Beherrscher der deutschen Politik“ und die erfolgreiche Novemberrevolution der Soldaten und Arbeiter führten zur Abdankung Kaiser Wilhelms II., die Reichskanzler Max von Baden am 9.11.1918 bekanntgab: „Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen.“ Am selben Tag proklamierten sowohl der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann als auch das Mitglied des „Spartakusbundes“ und der USPD Karl Liebknecht eine „deutsche Republik“. Die kurzzeitige Zusammenarbeit zwischen SPD und USPD im „Rat der Volksbeauftragten“ als provisorischer Regierung war durch den Streit um die zukünftige Ausgestaltung dieser Republik geprägt: Auf dem Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands vom 16. bis 20.12.1918 konnten sich schließlich die Delegierten der SPD mit ihrer Forderung, Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung abzuhalten, gegen den Antrag der USPD auf Schaffung einer sozialistischen Räterepublik durchsetzen. Bei der Wahl am 19.1.1919 waren erstmals in der deutschen Geschichte auch Frauen wahlberechtigt. Die Wahl wurde nach dem Verhältniswahlrecht durchgeführt. Aus ihr ging nach dem Austritt der USPD aus dem Rat der Volksbeauftragten und der Niederschlagung des sog. „Spartakusaufstands“ die SPD als stärkste Kraft hervor. Nach dem Zusammentritt der verfassunggebenden Nationalversammlung in Weimar, das einerseits von den revolutionären Unruhen verschont geblieben war und andererseits Assoziationen zur deutschen Klassik hervorrief, bildete die SPD zusammen mit Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei die sog. „Weimarer Koalition“. Friedrich Ebert wurde erster Reichspräsident, Philipp Scheidemann erster Ministerpräsident des Reiches. Die vom Berliner Staatsrechtslehrer Hugo Preuß vorbereitete und von der Nationalversammlung am 31.7.1919 angenommene Verfassung wurde vom Reichspräsidenten am 11.8.1919 ausgefertigt. Diese Verfassung, die nach ihrem Entstehungsort als „Weimarer Reichsverfassung“ bezeichnet wird10, ist die erste republikanische Verfassung Deutschlands (vgl. Art. 1 Satz 1 WRV): Alle Staatsgewalt hatte jetzt vom Volke auszugehen (Art. 1 Satz 2 WRV).

30Diese Merkmale der Volkssouveränität und der Demokratie wurden durch plebiszitäre Strukturen verstärkt. Die Verfassung sah sowohl Volksbegehren als auch Volksentscheid vor. Weitere Strukturprinzipien der Weimarer Reichsverfassung waren die parlamentarische Demokratie und der Föderalismus. Der Staat bestand aus dem Reich und den Ländern, wobei sich in den starken Kompetenzen des Reichs in den Bereichen Gesetzgebung und Verwaltung eine deutliche Tendenz zur Zentralisierung und Unitarisierung zeigte. Das Prinzip der Verfassungshomogenität (Art. 17 WRV) sollte eine zu starke Autonomie der Einzelstaaten, wie sie die Verfassung des Kaiserreichs noch ermöglicht hatte, ausschließen. Dieses Homogenitätsgebot findet sich heute in Art. 28 Abs. 1 GG.

31Zentrale Fragen der Verfassunggebung waren neben dieser Neubestimmung des Föderalismus die Ausgestaltung des Regierungssystems und die Aufnahme von Grundrechten in die Reichsverfassung. Das Staatsorganisationsrecht der Weimarer Reichsverfassung sah als zentrale Organe den Reichspräsidenten, den Reichstag, die Reichsregierung, den Reichsrat und den Reichswirtschaftsrat vor. Eine besonders starke Stellung („Ersatzkaiser“) kam dem Reichspräsidenten zu, der unmittelbar vom Volk für sieben Jahre gewählt wurde, wobei eine Wiederwahl ohne Einschränkung zulässig war (Art. 41 WRV). Über die gewöhnlichen Aufgaben des Staatsoberhaupts, die völkerrechtliche Vertretung, den Gesetzesvollzug und das Begnadigungsrecht, hinaus besaß der Reichspräsident das Recht zur Herbeiführung eines Volksentscheides über vom Reichstag beschlossene Gesetze (Art. 73 Abs. 1 WRV) und den (delegierbaren) Oberbefehl über die Wehrmacht (Art. 47 WRV) sowie einige starke politische Rechte, die der Rechtsstellung des Kaisers in der Reichsverfassung von 1871 ähnelten. Eine Einschränkung erfuhren seine Rechte dadurch, dass alle Anordnungen und Verfügungen der Gegenzeichnung durch den Reichskanzler bedurften (Art. 50 WRV).

32Der Reichspräsident ernannte den Reichskanzler und die Reichsminister ohne Beteiligung des Reichstags (Art. 53 WRV), dem lediglich die Möglichkeit eines Misstrauensvotums verblieb: Dieses verpflichtete die Regierung zum Rücktritt, ohne dass es einer vorherigen Neuwahl bedurft hätte (Art. 54 WRV). Ein besonders großer Instabilitätsfaktor des Regierungssystems war dieses „destruktive Misstrauensvotum“, von dem sich die heutige Regelung des Art. 67 GG bewusst abgrenzt (sog. „konstruktives Misstrauensvotum“), jedoch nicht: durch ein Misstrauensvotum endeten lediglich drei Regierungen11.

Wesentlich größere Probleme bereitete das in der Verfassung für die Wahl des Reichstags vorgeschriebene System der reinen Verhältniswahl, das zu einer gravierenden Zersplitterung des Parlaments und damit Instabilität aller Regierungen führte. Zwar war der Reichspräsident bei der Ernennung des Reichskanzlers grundsätzlich nicht an die Zusammensetzung des Parlaments gebunden, in der Praxis wurde jedoch versucht, eine Führungspersönlichkeit zum Reichskanzler zu ernennen, die das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments genoss, um den Beschluss der von der Regierung initiierten Gesetze durch das Parlament sicherzustellen. Ob die Berücksichtigung des Vertrauens des Reichstags eine rechtliche oder nur eine politische Voraussetzung der Regierungsernennung benannte, war in der Weimarer Staatsrechtslehre umstritten12.

Weiterhin konnte der Reichspräsident den Reichstag auflösen (Art. 25 WRV). Voraussetzungen dieser Auflösung nannte die Weimarer Reichsverfassung nicht; die einzige Beschränkung des Ermessens des Reichspräsidenten bestand darin, dass er den Reichstag aus dem gleichen Grund nur einmal auflösen durfte, was in der Praxis keine ernsthafte Hürde darstellte13. Insgesamt wurde der Reichstag achtmal vom Reichspräsidenten aufgelöst14.

33Besondere Bedeutung im Weimarer System kam dem Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten nach Maßgabe von Art. 48 Abs. 2 WRV zu.

Die Norm lautet:

Artikel 48Weimarer Reichsverfassung

[…]

(2) Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.

(3) Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen.

[…]

(5) Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.

Auf Basis dieser Norm – ein konkretisierendes Reichsgesetz wurde nie erlassen und auch nicht für nötig erachtet – konnte der Reichspräsident unter Mitwirkung des Reichskanzlers weitgehend autonom tätig werden und dabei auch wesentliche Grundrechte außer Kraft setzen. Besonders weitreichende Bedeutung kam Art. 48 Abs. 2 WRV deshalb zu, weil unter „Maßnahmen“ auch, was nach dem Wortlaut alles andere als zwingend war, der Erlass von Rechtsnormen verstanden wurde. Wann immer der Reichstag seinen Rechtsetzungsaufgaben nicht nachkam, was wegen der Parteienzersplitterung häufig der Fall war, konnte der Reichspräsident sog. „Notverordnungen“ erlassen. Dies sowie das praktisch unkontrollierte Auflösungsrecht des Reichspräsidenten bezüglich des Reichstags und seine freie Ernennungs­befugnis hinsichtlich der Reichsregierung machten Art. 48 Abs. 2 WRV zu einem kaum kontrollierbaren Element präsidentieller Macht. Von ihm wurde insbesondere in der Zeit zwischen 1919 und 1925 durch Reichspräsident Ebert (mehr als 100 Notverordnungen, vor allem zu wirtschaftlichen Fragestellungen) sowie zwischen 1930 und 1932 durch Reichspräsident Hindenburg reger Gebrauch gemacht.

34Vom Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten streng zu unterscheiden sind die sog. Ermächtigungsgesetze15. Das Notverordnungsrecht stützte sich auf eine verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage und ermöglichte ausschließlich dem Reichspräsidenten, nicht etwa der Reichsregierung, den Erlass gesetzesvertretender Verordnungen, die auf Verlangen des Reichstags wieder außer Kraft zu setzen waren.

Ermächtigungsgesetze dagegen stellten vom Reichstag erteilte (ursprünglich befristete) Ermächtigungen an die Reichsregierung dar, Rechtsakte ohne Zusammentritt des Reichstags in Kraft zu setzen, delegierten also faktisch die Gesetzgebungszuständigkeit vom Reichstag auf die Regierung. Ohne dass dies in der Verfassung vorgesehen gewesen wäre, waren solche Gesetze von Anfang an üblich: zwischen 1920 und 1923 gab es insgesamt fünf Ermächtigungsgesetze16. Obwohl diese Gesetze zumindest mit der Begründung neuer Gesetzgebungszuständigkeiten verfassungsändernden Charakter hatten, erließ der Reichstag keines im Wege der formellen Verfassungsänderung. Da jedoch die verfassungsändernde Mehrheit jeweils gegeben war und es lediglich an der Textänderung fehlte, wurden die Ermächtigungsgesetze von der Weimarer Staatsrechtslehre als zulässige verfassungsdurchbrechende Gesetze angesehen17. Diese Möglichkeit der stillschweigenden Verfassungsänderung durch Gesetz wurde generell akzeptiert. Sofern die erforderliche Mehrheit gegeben war, sollte es zu deren Wirksamkeit nicht einmal darauf ankommen, ob sich der Gesetzgeber der Verfassungsänderung überhaupt bewusst war18. Im Ergebnis stellte dies den Inhalt der Weimarer Reichsverfassung zur Disposition des Gesetzgebers.

35Zwar etablierte die Weimarer Reichsverfassung einen Staatsgerichtshof, aber auch diesem kam keine Möglichkeit zu, Verfassungsänderungen und die Gesetzgebung zu kontrollieren. Er war gem. Art. 15, 18 und 19 WRV auf die Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten zwischen Reich und Land, zwischen Ländern und Anklageverfahren gegen Regierungsmitglieder wegen vorsätzlicher Verfassungsverletzungen beschränkt. Verfahren der Normenkontrolle oder des Organstreits19 gab es ebenso wenig wie die Möglichkeit einer auf die Verletzung subjektiver Rechte gestützten Verfassungsbeschwerde. Insgesamt waren die im zweiten Teil der Weimarer Reichsverfassung enthaltenen Grundrechte ein schwaches Instrument: ihre Bindungswirkung war nicht ausdrücklich geregelt, häufig wurden sie als bloße Programmsätze verstanden. Die Zulässigkeit der materiellen Verfassungsänderung durch einfaches Gesetz (Verfassungsdurchbrechung) und die mangelnde verfassungsgerichtliche Kontrolle stellen somit weitere Defizite der Weimarer Reichsverfassung dar.

36Die Zersplitterung des Parlaments, die eine Gesetzgebung im ordnungsgemäßen Verfahren schwierig machte, führte zu häufigen Regierungswechseln: insgesamt hatte die Weimarer Republik zwischen 1919 und 1933 18 Regierungen, wobei das am längsten tätige Kabinett unter Hermann Müller zwischen 1928 und 1930 auf 22 Monate Regierungstätigkeit kam20. Dies zeigt deutlich die Instabilität des Regierungssystems der Weimarer Reichsverfassung.

37Insgesamt traf die konsequent demokratische rechtsstaatliche Weimarer Reichsverfassung auf eine Gesellschaft, die – in Klassen- und Interessengegensätzen zerrissen – für sie nicht reif war. Sie bot nicht ausreichend Schutz davor, Objekt politischer Opportunität zu werden. Zusammenfassend können folgende „Konstruktionsfehler“ der Weimarer Verfassung festgehalten werden, die für den Untergang der Weimarer Republik mitursächlich gemacht werden:

–  Das Verhältniswahlsystem und die damit verbundene Zersplitterung des Parlaments.

–  Die Instabilität der Regierungen infolge der parlamentarischen Zersplitterung.

–  Die Möglichkeit eines destruktiven Misstrauensvotums.

–  Das jederzeitige Auflösungsrecht des Reichspräsidenten zu Lasten des Reichstags.

–  Das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten einschließlich der Außerkraftsetzung von Grundrechten.

–  Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch einfaches Gesetz (Verfassungsdurchbrechung) und die hieraus resultierende Etablierung von Ermächtigungsgesetzen.

–  Die fehlende verfassungsgerichtliche Kontrolle der Tätigkeit der Staatsorgane und der Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen.

§ 10Die Zeit des Nationalsozialismus

38Zwischen 1930 und Anfang 1933 verfiel die Weimarer Verfassung. Das parlamentarische Regierungsprinzip wich einem Präsidialsystem der Zusammenarbeit von Reichspräsident und Reichsregierung, gestützt auf Notverordnungen. Zur schrittweisen Auflösung der Weimarer Republik kam es nach der nationalsozialistischen Machtübernahme: Als Hindenburg am 30.1.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, glaubte man, die beim Volk beliebt gewordenen Nationalsozialisten würden sich mit der Zeit totlaufen. Hitler jedoch war von Anfang darum bemüht, seine Herrschaft schnell und konsequent durch Einschüchterung und durch Systemveränderungen zu festigen.

Der Reichstagsbrand gab Hitler bereits im Februar 1933 Gelegenheit, auf eine Notverordnung Hindenburgs hinzuwirken, mit der wichtige Grundrechte wie insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit vorübergehend außer Kraft gesetzt wurden. Das auf parlamentarischem Wege erreichte „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 24.3.1933 ermöglichte eine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit der Regierung (sog. Ermächtigungsgesetz)21. Seine Verfassungskonformität ist einerseits aufgrund der oben dargestellten Bedenken gegen eine Verfassungsdurchbrechung und die hier bewirkte vollständige Aufhebung der Gewaltenteilung, andererseits mit Blick auf die seinem Beschluss vorangehende Inhaftierung und Einschüchterung von Abgeordneten problematisch. Man kann das Ermächtigungsgesetz als „Selbstmord des parlamentarischen Systems“ bezeichnen; in der Folge konnte Hitler, der nach dem Tod Hindenburgs am 2.8.1934 auch das Amt des Reichspräsidenten übernahm22, weitreichende Umorganisationen der staatlichen Ordnung selbstständig beschließen.

Unmittelbar auf das Ermächtigungsgesetz folgte die Gleichschaltung der Länder in vier Gesetzen: dem vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31.3.193323, dem Zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7.4.193324, dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30.1.193425 und dem Reichsstatthaltergesetz vom 30.1.193526. Hinzu kamen die Abschaffung des Reichsrates27 und des Reichswirtschaftsrates28 sowie die Umgestaltung der Vorschriften über Volksbegehren und Volksentscheid in eine Befugnis der Reichsregierung, das Volk zu befragen29, und die Auflösung der politischen Parteien. Schließlich erging das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1.12.193330, das die Grenzen zwischen staatlichen und politischen Organisationen vollständig beseitigte. Der NSDAP wurde sogar der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Die Justiz wurde durch eine Umwandlung der Gerichtsorganisation der Länder in Reichsorganisationen in das zentralistische System integriert (sog. Verreichlichung der Justiz)31. Infolge der Justizänderungen besaß der Staatsgerichtshof keine Zuständigkeit mehr und entfiel. Errichtet wurden vielfältige Sondergerichte, wie insbesondere der berüchtigte Volksgerichtshof32.

39Vor dem Hintergrund, dass es erklärtes Ziel des Nationalsozialismus war, die alte Rechtsordnung durch einen neuen, vollständig der nationalsozialistischen Ideologie unterworfenen Staat zu ersetzen, wirkt es erstaunlich, wie sehr die Nationalsozialisten um den Schein von Legalität und Kontinuität auf Basis der Weimarer Reichsverfassung bemüht waren. So wurde das auf einem Parlamentsbeschluss beruhende befristete Ermächtigungsgesetz auch nach der Etablierung eines totalitären Führerstaates mehrfach verlängert, so 193733, 193934 und schließlich durch Führererlass vom 10.5.194335 mit unbestimmter Geltungsdauer.

§ 11Besatzungszeit und Grundgesetz

40Die Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg führte zum vollständigen Zusammenbruch des nationalsozialistischen Unrechtssystems und einem Neubeginn unter alliierter Besatzung. Bereits während des Krieges waren Überlegungen für die zukünftige politische und staatsrechtliche Organisation Deutschlands in der sog. Atlantikcharta festgehalten worden. Im auf der Krimkonferenz vom 4.–11.2.1945 beschlossenen Abkommen von Jalta wurde die Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands festgehalten, das Potsdamer Abkommen enthielt Regelungen über die Zusammenarbeit der Alliierten, wie insbesondere die Einrichtung des Alliierten Kontrollrates und des Rates der Außenminister.

Die unterschiedlichen Interessen sowie internen Verhältnisse der Alliierten gestalteten das weitere Verfahren schwierig: Einigkeit bestand zunächst hinsichtlich einer Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen und der vollständigen Zerstörung der nationalsozialistischen Strukturen. Frankreich und die Sowjetunion sprachen sich für eine möglichst weitgehende Schwächung Deutschlands aus, die Sowjetunion strebte auch keine Demokratie nach westlichem Muster an. Der Wiederaufbau des politischen Lebens begann in der Kommune, 1946 und 1947 wurden in ganz Deutschland Länder gegründet. Die Spaltung in Zonen führte schließlich zu einer weiteren Schwächung der ohnehin durch den Krieg beeinträchtigten Wirtschaft. Da insbesondere die USA eine wirtschaftliche Erstarkung Deutschlands für erforderlich hielten, kam es zum Zusammenschluss der Zonen, zunächst der englischen und amerikanischen (sog. Bizone), später auch der französischen (sog. Trizone). Eine Einheit aller vier Zonen wurde wegen der unüberbrückbaren Differenzen der Westmächte mit der Sowjetunion für nicht realisierbar gehalten. Im Rahmen der sog. Sechs-Mächte-Konferenz vom 23.–26.2.1948, an der sich neben den drei westlichen Alliierten auch die sog. Benelux-Staaten beteiligten, wurde eine vorläufige politische Neuordnung eines westdeutschen Staates beschlossen, die einerseits eine Stabilisierung gewährleisten, andererseits jede Anfälligkeit für nationalsozialistische wie kommunistische Ideologien verhindern sollte.

Man entschloss sich zu einem föderalistischen System mit einem erheblichen Gewicht der Länder bei gleichzeitiger Etablierung einer Zentralgewalt, die stark genug sein sollte, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse und der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zu gewährleisten. Als Voraussetzungen hierfür wurden die Demokratisierung sowie die Gewährleistung von Recht und Freiheit einschließlich eines Justizwesens mit einem Obersten Gerichtshof, der über die Einhaltung subjektiver Rechtspositionen wachen sollte, gesehen36.

Die genaue Ausgestaltung des Regierungssystems war zwischen Großbritannien, das die Bildung eines Zweikammersystems auf Zentralebene forderte, und Frankreich, das lediglich eine aus Vertretern der Einzelstaaten gebildete Zentralinstanz zulassen wollte, umstritten37. Ein Einlenken Frankreichs in dieser Frage wurde letztlich durch wirtschaftliche Zugeständnisse erzielt, wobei – um eine Schwächung der französischen Position in der Öffentlichkeit zu vermeiden – die Ergebnisse der Londoner Konferenz nur teilweise veröffentlicht wurden38, was zu Missdeutungen in Deutschland führte.

41Sie wurden schließlich von den Alliierten in ein an die deutschen Politiker und die Öffentlichkeit gerichtetes Dokument umgearbeitet, das nach dem Ort der Übergabe im Frankfurter Hauptquartier der Alliierten später „Frankfurter Dokumente“ genannt wurde. Darin waren die Beschlüsse der Alliierten in arbeitstaugliche Vorgaben an die westdeutschen Ministerpräsidenten umformuliert. Insgesamt wurden drei Dokumente vorgelegt: Dokument Nr. I enthielt Bestimmungen für eine zukünftige Verfassung Deutschlands, in Dokument Nr. II ging es um die Länderneugliederung in den westlichen Besatzungszonen, in Dokument Nr. III wurden Grundzüge eines Besatzungsstatuts39 mitgeteilt.

Dokument Nr. I lautete:

„In Übereinstimmung mit den Beschlüssen ihrer Regierungen autorisieren die Militärgouverneure der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone in Deutschland die Ministerpräsidenten der Länder ihrer Zonen, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die spätestens am 1. September 1948 zusammentreten sollte. Die Abgeordneten zu dieser Versammlung werden in jedem der bestehenden Länder nach den Verfahren und Richtlinien ausgewählt, die durch die gesetzgebende Körperschaft in jedem dieser Länder angenommen werden. Die Gesamtzahl der Abgeordneten zur verfassungsgebenden Versammlung wird bestimmt, indem die Gesamtzahl der Bevölkerung nach der letzten Volkszählung durch 750000 oder eine ähnliche von den Ministerpräsidenten vorgeschlagene und von den Militärgouverneuren gebilligte Zahl geteilt wird. Die Anzahl der Abgeordneten von jedem Land wird in demselben Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung stehen, wie seine Bevölkerung zur Gesamtbevölkerung der beteiligten Länder.

Die verfassungsgebende Versammlung wird eine demokratische Verfassung ausarbeiten, die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft, die am besten geeignet ist, die gegenwärtig zerrissene deutsche Einheit schließlich ­wieder herzustellen, und die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentral­instanz schafft und die Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält. […]“

42Nach einigen Unstimmigkeiten40 kam es schließlich auf der Frankfurter Konferenz vom 26.7.1948 zu einer Einigung zwischen den Alliierten und den Ministerpräsidenten. Dabei wurden die Londoner Empfehlungen im Wesentlichen angenommen, man einigte sich lediglich auf die Bezeichnung „Grundgesetz“ statt „Verfassung“, was einerseits den provisorischen Charakter eines zu gründenden westdeutschen Staates und seiner Verfassung zum Ausdruck brachte, andererseits an die „leges fundamentales“ des Alten Reiches anknüpfte. Ferner wurde statt einer (vom Volk gewählten) verfassunggebenden Versammlung ein aus Ländervertretern gebildeter „Parlamentarischer Rat“ als Forum zur Ausarbeitung des Grundgesetzes akzeptiert.

43