Stadt der Helden - Alfred Bekker - E-Book
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Stadt der Helden E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Der Umfang dieses Ebook entspricht 167 Taschenbuchseiten. Der zwölfjährige Finn hat eine Leidenschaft: Er zeichnet Comics und träumt sich in eine Stadt, in der Magie real ist, die von magischen Wesen bevölkert wird und in der mächtige Superhelden gegen Schurken und Ungeheuer kämpfen. Doch da beginnt Finn die Geschichte außer Kontrolle zu geraten. Sein Held Dunkelauge entwickelt sich zu einem Schreckensherrscher. Finn erreicht über den Abgrund der Welten hinweg der Hilferuf des Feenmädchens Aylin. Er muss die Welt, die er geschaffen hat, vor dem Helden retten, der sie eigentlich beschützen soll und dazu über sich hinauswachsen... Dazu zeichnet Finn sich selbst in die Geschichte hinein und ist auf einmal in einer fantastischen Welt, die er zu kennen glaubte und die doch mehr Geheimnisse bereithält, als er für möglich hielt.

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Alfred Bekker

Stadt der Helden

Cassiopeiapress All Age Fantasy

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Stadt der Helden – All Age Fantasy

Roman von Alfred Bekker

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

 

Der Umfang dieses Ebook entspricht 167 Taschenbuchseiten.

 

Der zwölfjährige Finn hat eine Leidenschaft: Er zeichnet Comics und träumt sich nach Zauber City, eine Stadt, in der Magie real ist, die von magischen Wesen bevölkert wird und in der mächtige Superhelden gegen Schurken und Ungeheuer kämpfen. Doch da beginnt Finn die Geschichte außer Kontrolle zu geraten. Sein Held Dunkelauge entwickelt sich zu einem Schreckensherrscher. Finn erreicht über den Abgrund der Welten hinweg der Hilferuf des Feenmädchens Aylin. Er muss die Welt, die er geschaffen hat vor dem Helden retten, der sie eigentlich beschützen soll und dazu über sich hinaus wachsen... Dazu zeichnet Finn sich selbst in die Geschichte hinein und ist auf einmal in einer fantastischen Welt, die er zu kennen glaubte und die doch mehr Geheimnisse bereit hält, als er für möglich hielt.

Die Stadt der Magie

Niemand kannte seinen wahren Namen und doch wusste jedes Kind, wer er war. Er stand auf dem Dach des Wizard State Building, einem der größten Wolkenkratzer weit und breit. Von hier aus hatte man einen hervorragenden Blick über das Labyrinth aus tiefen Straßenschluchten, Hochhäusern, Wohnblocks, Geschäften, Fabriken, Hafenanlagen - kurz: über die ganze Stadt, die so gewaltig und groß war wie keine andere. Im Westen reichte sie über den Horizont hinaus. Im Osten glitzerte das Meer. Abertausende von Flugzeugen, Helikoptern und von Magie betriebene Luftschiffe schwebten über den Dächern.

Das war Zauber City - die Stadt der Magie.

Meine Stadt, dachte der junge Mann auf dem Wolkenkratzer. Die Stadt, die ich zu beschützen habe! Er schlug die Kapuze seines Umhangs nach hinten. Er lauschte dem Lärm, der aus den Straßen zu ihm hinaufdrang. Und dabei wurden seine Augen pechschwarz. Nichts Weißes war darin jetzt noch zu sehen. Das geschah immer dann, wenn er seine magischen Kräfte sammelte.

Dunkelauge - so nannte man ihn deswegen auch. Und unter diesem Namen war er nahezu allen Einwohnern von Zauber City bekannt.

Dunkelauge - der mächtigste Magier von Zauber City und ihr Beschützer gegen die Mächte des Bösen.

Er murmelte eine Formel, um seine Augen und Ohren magisch zu verstärken. Denn durch all den Lärm der Stadt hatte er noch etwa Anderes wahrgenommen. Etwas, das ihm Sorge bereitete.

Da kommt etwas aus großer Tiefe, erkannte er. Das Wasser hörte plötzlich auf, in der Sonne zu glitzern. Ein gewaltiges, drachenartiges Ungeheuer tauchte aus den Fluten empor. Dieser Drache war so gewaltig, dass sein Maul groß genug gewesen wäre, um eines der Luftschiffe zu verschlingen, die auf die Stadt zuschwebten. Die Kreatur sprang mit enormer Kraft aus dem Wasser, breitete die lederhäutigen Flügel aus und kämpfte sich mit schwungvollen Schlägen seiner Schwingen in die Lüfte empor. Ein Feuerstrahl schoss aus dem Drachenmaul hervor und verfehlte eines der Luftschiffe nur knapp. Wäre es ein gewöhnliches Luftschiff gewesen, hätte es vermutlich eine Explosion gegeben, aber so entging es der Feuersbrunst. Mehrere Flugzeuge, die sich im Anflug auf die verschiedenen Flughäfen von Zauber City befanden, gingen auf Ausweichkurs. Das Wesen ruderte heftig mit seinem Flügeln, stieß noch eine lange Flammenzunge hervor und sank dann wieder ins Wasser. Wolken aus grauem Dampf bildeten sich, als der Drache untertauchte. Das Wasser begann durch seinen heißen Atem zu kochen. Die Wellen, die der riesenhafte Körper in Bewegung setzte, brachten einige Schiffe in Schwierigkeiten. Und bei den Piers am Hafen schwappte das Wasser über die Ufer.

„Ich werde etwas tun müssen“, sagte Dunkelauge. Und dabei umfasste seine rechte Hand den Zauberstab, den er im Gürtel stecken hatte. Dunkelauge murmelte eine Formel vor sich hin. Seine Gestalt löste sich dabei in schwarzen Rauch auf.

 

 

Der magische Zeichner

„Hey, die Pause ist zu Ende“, flötete Annas Stimme ihm von der Seite ins Ohr. Finn zuckte regelrecht zusammen. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Anna ihm offenbar schon eine ganze Weile dabei zugesehen hatte, wie er seinen Comic fortgesetzt hatte. Finn hatte gerade noch die letzten Worte in die Sprechblase schreiben können. „Ich werde etwas tun müssen“, hatte sein Held Dunkelauge, der mächtigste Zauberer von Zauber City gesagt, nachdem er vom Dach eines Hochhauses aus gesehen hatte, wie der Drache aus dem Meer aufgetaucht war.

„Hat es wirklich schon geklingelt?“, fragte Finn.

„Ja, sicher.“

Er hatte es nicht gehört. Aber so etwas passierte nicht zum ersten Mal. Wenn Finn an seinen Comics arbeitete und der Stift nur so über das Papier tanzte, bemerkte er kaum noch etwa von dem, was in seiner Umgebung so vor sich ging. Dann versank er völlig in der Welt seiner Helden in Zauber City, dieser Stadt voller phantastischer Kreaturen, in der Magie etwas ganz Selbstverständliches war. Eine Kraft, die für das Leben dort ebenso wichtig war, wie es in der realen Welt vielleicht für die Elektrizität galt.

Wenn Finn an den Abenteuern vom Dunkelauge weiterzeichnete, dann geriet er nicht selten in einen regelrechten Rausch. Nur die Geschichte war dann wichtig und er bekam in solchen Situationen regelmäßig das Gefühl, selbst ein Teil der Geschichte zu sein. Sein Zeichenstift raste dann nur so über das Papier und er war oft selbst erstaunt, was er dann anschließend auf dem Papier hatte.

Aber jetzt hatte er erst einmal eine Stunde Mathematik. Und das war nun wirklich nicht sein stärkstes Fach. Aber wenn er die Klasse noch schaffen wollte, dann musste er sich gerade in Mathe wohl oder übel noch ziemlich anstrengen.

„Du kannst das toll“, sagte Anna, noch bevor er es geschafft hatte, seinen Block wieder in die Tasche zu packen.

Finn sah sie etwas verwirrt an. „Wie bitte?“

„Comics zeichnen, meine ich.“

„Also ehrlich gesagt...“

„Ja, ich weiß, du kannst es nicht leiden, wenn man dir über die Schulter sieht! Das hast du ja schonmal gesagt.“

„Ja, nur scheint das niemand besonders ernst zu nehmen.“

„Hast du schon eine Ahnung, wie die Geschichte weitergehen soll?“

„Keine Ahnung.“

„Greift der Drache noch einmal an? Lässt du ihn etwa Teile der Stadt in Schutt und Asche legen, bevor Dunkelauge ihn schließlich besiegen kann?“ Sie lächelte und Finn sah sie stirnrunzelnd an. „Man könnte denken, dass deine Bilder im nächsten Augenblick lebendig werden und einem aus dem Bild entgegenspringen.“

„Es könnte besser sein“, gab er bescheiden zurück.

„Nein, du hast echt Talent“, meinte Anna. „Du solltest eines Tages mal was daraus machen.“

Finn hatte seine Sachen zusammengepackt. Der Schulgong ertönte zum zweiten Mal und das bedeutete, es wurde jetzt wirklich Zeit. Wenn Herr Bartmann, sein Mathelehrer etwas wirklich hasste, dann war das, wenn jemand zu spät in seinen Unterricht kam.

„Du könntest Comic-Zeichner werden und deine eigenen Serien entwickeln. Und vielleicht wird dann sogar eine deiner Geschichten verfilmt, sowie Batman oder Superman!“

Finn seufzte, während sie den Warteraum für die Busfahrschüler verließen, wo Finn oft seine Pausen verbrachte, weil es dort Tische gab und einen meistens auch niemand störte. „Ja, eines Tages...“, murmelte er.

Eines Tages als Comic-Autor zu arbeiten und sein Geld mit dem Erfinden und Zeichnen von Geschichten zu verdienen - das war natürlich sein großer Traum. Davon abgesehen war es auch das einzige, was er anscheinend ganz gut konnte, auch wenn Finn selbst mit seinen Comics selten wirklich zufrieden war. Aber zurzeit war er noch ein Zwölfjähriger, der darum kämpfen musste, dass er das Schuljahr schaffte.

Sie rannten jetzt durch die große Pausenhalle. Dort waren kaum noch Schüler. Dann ging es eine Treppe hoch. Finn nahm immer zwei bis drei Stufen mit einem Schritt, um schneller zu sein. Anna blieb ihm auf den Fersen.

„Eine Frage könntest du mir eigentlich noch beantworten“, meinte Anna, die im Gegensatz zu Finn kaum außer Atem war. Musste wohl daran liegen, dass sie zwei bis dreimal die Woche zum Leichtathletik-Training ging.

„Wir kommen zu spät“, hielt Finn ihr entgegen.

„Wieso hast du dem Mädchen mein Gesicht gegeben?“

„Was für einem Mädchen?“

„Dem aus deiner Geschichte.”

„In dieser Geschichte spielt bisher gar kein Mädchen mit.“

„Ich habe es aber gesehen.“

„Dann hast du was mit den Augen.”

Sie erreichten den Flur an dem der Klassenraum lag. Herr Bartmann unterhielt sich noch mit einer Kollegin, sodass Finn und Anna an ihm vorbei in den Klassenraum huschen konnten. Nochmal Glück gehabt, dachte Finn.

Wenig später, als Herr Bartmann mit seinem Unterricht schon angefangen hatte, nahm Finn unterm Tisch noch einmal seinen Block hervor. Sein Blick glitt kurz über die letzten Seiten seines Comics. Tatsächlich, durchfuhr es ihn. In der Szene, als der Drache aus dem Meer aufgetauchte und dabei nach dem Luftschiff schnappte und anschließend wieder ins Wasser tauchte, flüchteten Passanten und Hafenarbeiter von den Piers und Landungsstegen am Hafen, die wenig später von Wellen überspült wurden. Unter den Flüchtenden waren auch ein paar Zwerge und Oger. Magische Kreaturen aller Art gehörten in Zauber City, so wie Finn es erfunden hatte, zum normalen Straßenbild. Es gab Elfen, Vampire, Orks, vierarmige Riesen, Echsenmenschen und unzählige anderer Geschöpfe. Und da es in der Stadt ein Weltentor gab, mit dessen Hilfe eine Verbindung zu anderen Welten und Zeiten aufgebaut werden konnte, kamen ständig weitere, bisher unbekannte Geschöpfe hinzu.

Finn runzelte die Stirn.

Das gibt es doch nicht, durchfuhr es ihn, als er das Feenmädchen entdeckte.

Das war Aylin. Sie kam in einer anderen Folge von Dunkelauges Abenteuern vor, das Finn sich schon vor einiger Zeit ausgedacht und gezeichnet hatte. Das Aylin Ähnlichkeit mit Anna hatte, war Finn bisher gar nicht bewusst gewesen. Na gut, beide hatten seidiges dunkles langes Haar, große Augen und ein feingeschnittenes Gesicht. Aber das war’s auch schon an Ähnlichkeiten, fand Finn. Anna sollte sich nur nichts einbilden. Spitze Ohren, wie sie allen Angehörigen des Feenvolks - ebenso wie Elfen und Halblingen - eigen waren, stachen bei Anna jedenfalls nicht aus dem Haar hervor.

Und dass sich ein Künstler von tatsächlich existierenden Personen inspirieren ließ, war doch schließlich nichts Ungewöhnliches.

Abgesehen davon beschäftigte ihn eine andere Frage viel mehr, als dass Anna jetzt glaubte, er hätte sie in seinem Comic verewigt.

Wie um alles in der Welt kam Aylin in dieses Bild?

Schließlich war er sicher, sie nicht dorthin gezeichnet zu haben. In dieser Geschichte spielte sie nämlich gar nicht mit.

Davon abgesehen war sie ziemlich auffällig platziert. Sie war die einzige unter all denen, die vor den herannahenden Wellen flüchteten, die trotz der Gefahr stehen blieb und sich dem Betrachter zudrehte.

Sie schien einen geradezu anzustarren. Ihr Mund war geöffnet so als wollte sie etwas sagen.

Das habe ich nicht gezeichnet, durchfuhr es ihn. Noch etwas fiel ihm auf, was ihn beunruhigte. Da war ein schwungvoller Bogen, der eigentlich nur eins sein konnte: Eine halbfertige Sprech- oder Denkblase!

Das macht doch alles keinen Sinn, ging es ihm durch den Kopf. Wieso sollte ich eine Sprech- oder Denkblase für eine Person zeichnen, die in der Geschichte gar nicht vorkommt und deswegen auch nichts zu sagen hat?

„Es wäre sehr nett, wenn du vielleicht langsam auch mal dein Heft herausnehmen würdest, damit wir die Hausaufgaben vergleichen können“, hörte er Herrn Bartmanns Stimme in seinem Nacken.

„Ich...“

Noch ehe Finn seinen Block wieder in der Tasche verschwinden lassen konnte, hatte Herr Bartmann ihn bereits in der Hand. Er betrachtete stirnrunzelnd einige der Blätter. Und während er sie sich ansah, wurde sein Stirnrunzeln immer deutlicher. „Anscheinend haben wir ja einen richtigen Künstler in der Klasse“, sagte er und der Klang seiner Stimme verhieß nichts Gutes. Herr Bartmann hielt eines der Blätter hoch. „Spannende Abenteuer mit Superhelden und Drachen. Allerdings hatte ich eigentlich erwartet, dass du anstatt dieser übernatürlichen Bedrohung erst einmal die ganz reale Katastrophe abwendest, die dich am Ende des Schuljahres erwartet, wenn es dir nicht gelingt, doch noch deine Leistungen im Fach Mathematik zu verbessern.“

Finn schluckte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Eine Gardinenpredigt von Herrn Bartmann. Er konnte sich jetzt ungefähr vorstellen, was jetzt noch kommen würde. „Es wäre wirklich seht viel besser, wenn du nicht deine sämtlichen geistigen Kräfte dafür verschwenden würdest, dir Geschichten über Gruselkreaturen und Superhelden auszudenken, anstatt vielleicht in der Realität mal etwas zu Stande zu bringen - gerne auch zum Beispiel in der nächsten Mathematikarbeit.“

„Mach dir nichts draus“, sagte Anna, als sie nach der Stunde den Klassenraum verließen und sich wieder beeilen mussten, um rechtzeitig in den Chemieraum zu kommen. Herr Bartmann hatte nämlich mal wieder überzogen. „Man muss an sich glauben, ganz egal, was irgendwelche Idioten sagen! Auch wenn sie zufällig Lehrer sind und keine Gelegenheit verstreichen lassen, um einen glauben zu lassen, dass man niemals in seinem Leben auch nur irgend etwas Vernünftiges zustande bringen wird!“

„Danke, aber das sagt sich leichter als es ist“, gab Finn zurück.

„Na du Superheld!“, rief ihm der der rothaarige Nick grinsend hinterher. „Ich dachte eigentlich, du bist mehr als Schwachkopf bekannt!“

Ein paar Mädchen standen in der Nähe und kicherten.

„Selber Schwachkopf!“, knurrte Finn. Sie kannten sich schon seit dem Kindergarten und hatten sich vom ersten Moment an nicht leiden können. Einen richtigen Grund gab es dafür nicht. Und dass die sich mal in der Grundschule schlimm geprügelt hatten, war eigentlich auch viel zu lange her, um sich deswegen noch zu hassen.

Wann immer Nick Finn über den Weg lief, machte er irgendeine gemeine Bemerkung. Nick wusste genau, was Finn auf die Palme brachte. Und ein paar Lacher waren meistens auch genau im richtigen Moment in der Nähe. Fast wie bestellt. Finn wusste dann meistens nicht, was er darauf sagen sollte. Innerlich kochte er dann und fühlte sich wie eine Atombombe kurz vor der Explosion. Und Nick lachte nur darüber.

„Na wenigstens kannst du Anna zeichnen. Wenn man sonst schon nichts kann...

„Warte nur ab, bis er dich mal zeichnet - wahrscheinlich als großmäuligen Ork oder als stumpfsinnigen Zombie.“

„Uh, da kriege ich aber richtig Angst“, spottete Nick. Er schnitt eine Grimasse, die wohl einen entstellten Zombie nachahmen sollte.

„Ein paar Strichmännchen malen kann ja nun wirklich jeder“, meinte Nick.

„Du kannst mich mal“, murmelte Finn.

Der Chemieunterricht interessierte Finn viel mehr als die Mathestunde. Aber am liebsten hätte er sich jetzt seine Dunkelauge-Geschichte nochmal gründlich angesehen. Dass da dieses Feenmädchen in am Hafen von Zauber City auftauchte, obwohl er sich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, es gezeichnet zu haben, beschäftigte ihn noch immer. Oder hatte er am Ende einfach nur vergessen, dass er Aylin doch zumindest eine kleine Nebenrolle in der Geschichte gegeben hatte? Das wäre ja noch schöner, wenn sich Comic-Figuren jetzt schon selbstständig machen, ging es ihm durch den Kopf. Oder bin ich bekloppt?

Aber Finn wagte es nicht, in der Stunde seinem Block hervorzunehmen. Es reichte schließlich, dass er heute bereits einmal mit seinen Comics aufgefallen war. Das war schon unangenehm genug gewesen. Nochmal hatte er einfach keine Nerven für so ein Theater.

War es möglich, dass sich eine Geschichte völlig selbstständig fortschrieb und derjenige, der sie sich ursprünglich ausgedacht hatte, gar nicht mehr beeinflussen konnte, wie sich die Handlung letztlich weiterentwickelte? Diese Frage schwirrte nun so sehr in Finns Kopf herum, dass er sich auf etwas anderes gar nicht mehr zu konzentrieren vermochte. Manchmal, wenn er besonders intensiv damit beschäftigt gewesen war, ein weiteres Abenteuer von Dunkelauge und den anderen magisch begabten Helden in Zauber City zu zeichnen, dann war es ihm so vorgekommen. Finn hatte dann das Gefühl gehabt, dass die Story einfach so von selbst geschah, und er nur zusehen musste, sie auch schnell genug aufzuzeichnen. Seine größte Sorge war bisher gewesen, dass er dabei irgend etwas Wichtiges vergaß. Dass die ganze Geschichte sich vielleicht in eine Richtung entwickeln könnte, die er gar nicht beabsichtigt hatte, war ihm bisher noch nicht in den Sinn gekommen.

Das ist doch alles kompletter Blödsinn, sagte er sich.

„Bitte macht euch Notizen!“, drang die Stimme der Chemielehrerin in sein Ohr. Sie war noch jung und meinte es eigentlich gut. Sie gab sich viel Mühe mit ihrem Unterricht und legte großen Wert darauf, dass alle Schüler sie mochten. Die nutzten das vielfach aus, indem sie in den Chemiestunden mit dem Handy spielten und außerdem ihre Hausaufgaben nicht machten. Aber selbst wenn sie sich über die Maßen darüber ärgerte, dass sich kam einer ihrer Schüler für Chemie interessierte, hörte man sie niemals schimpfen oder gar laut werden. Sie sprach immer mit derselben, monotonen Stimmlage, weswegen sie von den Schülern mitunter auch der Roboter genannt wurde, zumal ihr Nachname Robart lautete.

Finn nahm sich ein Blatt von seinem Notizblock. Einen Moment lang hatte er darüber nachgedacht, ob das nicht eine günstige Gelegenheit wäre, stattdessen einfach den Block mit dem Comic herauszunehmen, um ihn sich nochmal eingehend anzusehen. Aber dann entschied sich Finn doch dagegen. Nach dem ganzen Theater in der Mathematikstunde war es sicher besser, jetzt etwas vorsichtiger zu sein - zumal seine Note in Chemie auch nicht so gut war, dass er es sich leisten konnte, unangenehm aufzufallen.

Aber während Frau Robart von Säuren und Basen sprach, schweiften Finns Gedanken wieder an. Nichts von dem, was Frau Robart sagte, schien ihm wichtig genug, um es sich zu notieren, auch wenn einige seiner Mitschüler bereits eifrig damit beschäftigt waren, etwas zu Papier zu

bringen. Er begann mit dem Bleistift auf dem Papier herumzukritzeln, während er darüber nachgrübelte, wie es wohl sein konnte, dass er Aylin in seinen Comic hineingezeichnet hatte, obwohl es dafür eigentlich gar keinen vernünftigen Grund gab und wieso er sich nicht daran erinnern konnte, das getan zu haben.

Während seine Bleistiftspitze über das Papier kratzte, entstanden wie von selbst die ersten Formen, Gesichter und ein paar Umrisse von Hochhäusern, wie sie so typisch für Zauber City waren. Mit ein paar weiteren Strichen entstand Dunkelauge. Sein Mantel wehte in dem heftigen Wind, der durch die schnurgeraden Straßenschluchten von Zauber City fegte. Dunkelauge war gerade aus einer Rauchwolke erschienen. Er hatte die magischen Schattenpfade benutzt - Abkürzungen durch den Raum, mit denen er sich innerhalb von Augenblicken an jeden Ort in Zauber City begeben und blitzschnell überall dort erscheinen konnte, wo er gebraucht wurde. Ein großer, grünhäutiger Oger trommelte sich mit den Fäusten auf den Oberkörper, als er Dunkelauge sah. Seine riesigen Pranken waren dabei zu dicken Fäusten geballt. Fünf weitere dieser außerordentlich kräftigen Geschöpfe standen im Hintergrund und schwangen Baseballschläger wie Keulen. Einer hielt eine Maschinenpistole in der Hand. Sie bleckten die Zähne wie Raubtiere. Große, kräftige Gestalten, von denen selbst der kleinste immer noch selbst einen sehr hochgewachsenen Menschen um einen Kopf überragt hätte. Die schlauchförmigen, genau wie bei Elfen, Halblingen und den Angehörigen des Feenvolkes spitz zulaufenden Ohren bewegten sich in verschiedene Richtungen. Sie lauschten, ob irgendwo in der Nähe bereits Polizeisirenen zu hören waren. Die Oger-Bande hatte nämlich ein paar Zwerge eingekreist, die sich aus irgendeinem Grund in diese Gegend von Zauber City verirrt hatten. Eine Gegend, in der Zwerge sich besser nicht länger als unbedingt nötig aufhielten, wenn sie nicht ausgeraubt werden wollten. Vielleicht hatten sich die Zwerge einfach nur vertan und waren an der falschen U-Bahn-Station an die Oberfläche gekommen. Die meisten Zwerge lebten nämlich in der Tiefenstadt, die sich noch unterhalb der magisch angetriebenen U-Bahn erstreckte. Genauso hoch wie die höchsten Wolkenkratzer von Zauber City in die Höhe ragten, reichte das aus zahllosen Schächten, Tunneln, Höhlen, Kanälen bestehende Labyrinth der Tiefenstadt hinab. Und die Zwerge gehörten zu jenen Geschöpfen, die dafür sorgten, dass diese Schächte immer tiefer in den Untergrund hineingegraben wurden, denn sie waren ständig auf der Suche nach wertvollen Erzen oder Edelsteinen, die sie aus der Tiefe förderten.

„Dunkelauge wird uns beschützen“, schrieb Finn in eine der Sprechblasen der Zwerge.

Der Oger mit der Maschinenpistole feuerte sofort auf Dunkelauge. Knatter! Knatter!, schrieb Finn deswegen in das Bild hinein, um deutlich zu machen, dass der Oger Dunkelauge mit einem regelrechten Geschosshagel eindeckte. Die Augen des Magiers hatten sich längst vollkommen schwarz gefärbt. Er hob die Hände und bildete eine unsichtbare magische Barriere. Daran prallten die Kugeln allesamt ab - und die Oger mussten selbst hinter ein paar Müllcontainern Deckung suchen, um nicht getroffen zu werden.

Als daraufhin der Oger mit der Maschinenpistole ein Magazin mit frischen Patronen einlegte, warnte Dunkelauge ihn. „Du solltest dir gut überlegen, ob du nochmal versuchst, auf mich zu schießen!“, schrieb Finn in Dunkelauges Sprechblase. „Du könntest dich nämlich verletzen!“

Die anderen Mitglieder der Oger-Bande waren bereits auf der Flucht. Sie schienen begriffen zu haben, dass sie gegen Dunkelauges magische Kräfte einfach keine Chance hatten. Außerdem waren bereits die Sirenen der Polizei zu hören, für die Finn extra eine eigene Sprechblase gestaltete, in der allerdings kein Text, sondern nur ein Einsatzwagen der Zauber City Police zu sehen war.

Der letzte Oger richtete trotz allem seine Maschinenpistole noch einmal auf Dunkelauge. Finn hatte dem Monster ein kantiges Gesicht gegeben, wie es für Oger typisch war. Und ganz wie von selbst hatte dieses Gesicht immer mehr Ähnlichkeiten mit Nicks Gesicht bekommen.

Ehe der Oger zum zweiten Mal auf Dunkelauge schießen konnte, hatte dieser ihm die Waffe mit Hilfe seiner Magie aus der Hand gerissen. Dazu hatte Dunkelauge nur eine Formel vor sich hingesprochen und mit seiner Hand eine Bewegung ausgeführt. Die Maschinenpistole flog einfach durch die Luft, knallte gegen eine Hauswand und fiel dann zu Boden.

Der Oger wollte sich nun mit seinen bloßen Pranken auf Dunkelauge stürzen. Grelle Strahlen schossen jetzt aus Dunkelauges Händen heraus. Sie trafen den Oger und schleuderten ihn ein ganzes Stück zurück. Der Oger machte ein ziemlich fassungsloses Gesicht.

„Heh, was soll das?”, rief er und Finn machte gleich drei Ausrufungs- und ein Fragezeichen in die entsprechende Sprechblase.

„Du hast es nicht anders gewollt“, erwiderte Dunkelauge gelassen. Er murmelte erneut ein paar Worte in der uralten Sprache der Magier, die sie ausschließlich für ihre Zauberformeln verwendeten. Dann winkte er mit der linken Hand aufwärts. Daraufhin schwebte einer der Müllcontainer empor, öffnete sich wie durch Geisterhand und anschließend ergossen sich die ganzen Abfälle über den Oger, sodass er darunter begraben wurde.

Die Zwerge, die das mit ansahen, hielten sich grinsend die Nasen zu.

Im nächsten Moment schwebte bereits ein Polizeihelikopter über dem Ort des Geschehens. Außerdem brausten mehrere Einsatzfahrzeuge der Zauber City Police mit ohrenbetäubend lauten Sirenen um die nächste Straßenecke.

„Sie können den Anführer der Bande verhaften“, wandte sich Dunkelauge an die uniformierten Beamten, die mit gezogenen Waffen aus ihren Einsatzfahrzeugen schnellten.

„Dunkelauge! Was würden wir ohne ihn nur machen“, sagte einer der Uniformierten. Aber Dunkelauge horte das schon gar nicht mehr. Er hatte sich bereits in die magischen Schattenpfade begeben. Seine Gestalt löste sich innerhalb eines Augenblicks in schwarzen Rauch auf und ihm nächsten Moment war es so als wäre er nie dort gewesen.

Der Oger mit Nicks Gesichtszügen hatte sich unterdessen mühsam aus dem Müll herausgegraben. Die Polizisten nahmen ihn gleich in Empfang, um ihm Handschellen anzulegen.