Star Wars. Treueschwur - Timothy Zahn - E-Book

Star Wars. Treueschwur E-Book

Timothy Zahn

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Beschreibung

Daric LaRone ist ein Imperialer Sturmtruppler und damit ein fanatischer Kämpfer des Imperators – oder etwa nicht? Als der Todesstern den Planeten Alderaan zerstört, wird Darics Glaube an das Imperium so sehr erschüttert, dass er desertiert. Doch wie lange kann er in Freiheit bleiben, wenn ihm Mara Jade, die neu ernannte »Hand des Imperators«, auf der Spur ist?

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Timothy Zahn

Treueschwur

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel»Star Wars™: Allegiance«bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.
Deutsche Erstveröffentlichung Mai 2008 by Blanvalet, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.Copyright © 2007 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.All rights reserved. Used under authorization.Translation Copyright © 2008 byPenguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.Covergestaltung: HildenDesign, MünchenCover Art Copyright © 2007 by Lucasfilm Ltd.Cover illustration by John Van FleetRedaktion: Peter ThannischHK · Herstellung: H. NawrotSatz: omnisatz GmbH, BerlinISBN 978-3-641-07826-3V002
www.blanvalet.de

Im Andenken an Katie

und für ihre Schwestern Allie und Emily,

für ihre Liebe, ihren Mut und ihre Stärke.

Dramatis Personae

Barshnis Choard: Gouverneur, Shelsha-Sektor (Mensch)

Caaldra: Söldner (Mensch)

Carlist Rieekan: General, Rebellenallianz (Mensch)

Cav’Saran: Patrouillenführer von Janusar auf Rankling (Mensch)

Chewbacca: Copilot des Millennium Falken (Wookiee)

Daric LaRone: Sturmtruppler

Darth Vader: Dunkler Lord der Sith

Han Solo: Captain des Millennium Falken (Mensch)

Joak Quiller: Pilot der Sturmtruppen

Kendal Ozzel: Captain des imperialen Sternenzerstörers Reprisal (Mensch)

Korlo Brightwater: Scout der Sturmtruppen

Leia Organa: Prinzessin und Rebellin (Mensch)

Luke Skywalker: Jedi und Rebell (Mensch)

Mara Jade: die »Hand des Imperators« (Mensch)

Mon Mothma: Oberste Kommandantin der Rebellenallianz (Mensch)

Palpatine: Imperator des Galaktischen Imperiums (Mensch)

Saberan Marcross: Sturmtruppler

Shakko: Captain des Piratenschiffs Cavalcade (Mensch)

Tannis: Pilot des Piratenschiffs Cavalcade (Mensch)

Taxtro Grave: Sturmtruppen-Scharfschütze

Thillis Slanni: Planungsleiter für Shining Hope (ein Ishi Tib)

Vak Somoril: Rangältester des imperialen Sicherheitsbüros (Mensch)

Vilim Disra: Chefadministrator, Shelsha-Sektor (Mensch)

Ydor Vokkoli: Anführer der Freedonna Kaisu (ein Mungra)

Yeeru Chivkyrie: Anführer der Republik Redux (ein Adarianer)

1

Der imperiale Sternenzerstörer Reprisal glitt lautlos durch die Schwärze des Weltalls und bereitete sich auf den Kampf gegen die Rebellenstreitkräfte vor, die die Galaxis in Stücke zu reißen drohten.

Captain Kendal Ozzel stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen auf der Kommandobrücke und betrachtete den Planeten Teardrop unmittelbar voraus, während eine Mischung aus Erwartung und düsteren Gedanken in ihm brodelte. Soweit es ihn betraf, war der ganze Planet eine Schlangengrube, in der es vor Schmugglern, drittklassigen Piratenbanden und anderem Abschaum der Gesellschaft nur so wimmelte. Er grübelte darüber nach, dass er – hätte der Todesstern unter seinem Kommando gestanden statt unter dem dieses Idioten Tarkin – anstelle von Alderaan einen Ort wie Teardrop für den ersten echten Praxistest der Waffe ausgewählt hätte.

Doch er war nicht der Verantwortliche gewesen und inzwischen waren sowohl Tarkin als auch der Todesstern Geschichte, bei Yavin 4 in Stücke gesprengt. In einem einzigen entsetzlichen Augenblick war die Rebellenallianz von einem unbedeutenden Ärgernis zu einem erbitterten Feind geworden.

Und das Imperiale Zentrum hatte reagiert. Vor weniger als drei Tagen kam der Befehl, weder bei den Rebellen noch bei ihren Sympathisanten Gnade walten zu lassen.

Nicht, dass Ozzel unter anderen Umständen Gnade hätte walten lassen. Rebellen und Rebellensympathisanten zu eliminieren war mittlerweile der beste und schnellste Weg, in der Imperialen Flotte aufzusteigen. Vielleicht sogar bis ganz nach oben, zu den Rangabzeichen eines Admirals.

»Status?«, rief er hinter sich.

»Siebenundvierzig Standardminuten bis zur Umlaufbahn, Sir«, rief der Navigationsoffizier aus einer der Datengruben der Brückencrew.

Ozzel nickte. »Halten Sie die Augen offen«, befahl er. »Niemand verlässt diesen Planeten.«

Er blickte finster auf die schwach erhellte Scheibe vor ihnen. »Niemand«, wiederholte er leise.

»Luke?«, rief Han Solo aus dem Cockpit des Millennium Falken. »Komm schon, Junior – beweg dich. Uns sitzt die Zeit im Nacken.«

»Sie sind drin!«, antwortete ihm Luke Skywalkers Stimme. »Rampen versiegelt.«

Natürlich wusste Han das bereits, dank der Anzeigen auf seiner Kontrolltafel. Wenn der Junge bei ihnen blieb, würde er lernen müssen, die Funkkanäle des Schiffs nicht mit unnötigem Geplapper zu verstopfen. »In Ordnung, Chewie, gib Stoff!«

Neben ihm stieß Chewbacca einen rollenden Laut der Zustimmung aus, und der Falke stieg sanft von der harten Oberfläche von Teardrop auf.

Offenbar nicht sanft genug. Von weiter hinten vernahm Han einige gedämpfte und ziemlich aufgebrachte Ausrufe. »Hey!«, rief jemand.

Han rollte mit den Augen, während er Energie auf die Sublichttriebwerke gab. »Das ist definitiv das letzte Mal, dass wir Passagiere kostenlos mitnehmen«, teilte er seinem Partner mit Bestimmtheit mit.

Chewbaccas Erwiderung ließ ein wenig den Respekt vermissen.

»Nein, ich mein’s ernst«, beharrte Han. »Von jetzt an gilt: Wer nicht zahlt, fliegt nicht.«

Hinter ihm erklangen Schritte, und er wandte kurz den Kopf, als sich Luke in den Sitz hinter Chewbacca fallen ließ. »Alle sind untergebracht«, verkündete er.

»Großartig«, sagte Han sarkastisch. »Sobald wir im Hyperraum sind, nehme ich ihre Getränkebestellungen entgegen.«

»Ach, komm schon«, entgegnete Luke. »Ehrlich, wenn du denkst, das ist ein steifer Haufen, hättest du mal die sehen sollen, die mit den Transporten vorher ausgeflogen wurden. Das hier sind bloß die Techniker, die die letzten paar Ausrüstungskisten zusammengepackt haben.«

Han zog eine Grimasse. Kisten, die just in diesem Augenblick die Frachträume des Falken füllten und keinen Platz für bezahlte Ladung ließen, für den Fall, dass er auf dem Weg zum Treffpunkt welche auftun konnte. Dies war ein absolut hundertprozentiger Wohltätigkeitstrip, genau wie alles andere, was er und Chewbacca für Luke und seine neuen Freunde von der Rebellenallianz getan hatten. »Tja, nun … Ich habe schon jede Menge Techniker erlebt, die für nichts zu gebrauchen waren«, murmelte er.

Er wartete darauf, dass Luke für die Techniker in die Bresche sprang, als eine Salve Laserfeuer vom hinteren Deflektor abprallte. »Was zum …«, knurrte er und zog den Falken in einen engen Abwärtslooping.

Dieses instinktive Manöver rettete ihnen vermutlich die Haut. Eine weitere Salve schoss durch die Stelle, wo sie eben noch gewesen waren, bloß dass sie diesmal aus einer anderen Richtung kam. Han wendete das Schiff wieder und hoffte flehentlich, dass ihre Passagiere noch angeschnallt waren, dann nahm er sich eine Sekunde Zeit, die Hinterschiffsanzeige zu überprüfen.

Ein Blick auf das halbe Dutzend unterschiedlicher Schiffe, die hinter ihnen aufstiegen, war alles, was er brauchte. »Piraten!«, schnappte er in Richtung der anderen, gab mehr Energie auf den Antrieb und zog das Schiff in steilem Winkel nach oben. Sich im Einflussbereich der Anziehungskraft eines Planeten ohne Deckung und ohne jede Chance auf eine schnelle Flucht in den Hyperraum mit Piraten herumschlagen zu müssen, war so ziemlich das Schlimmste, was einem Piloten passieren konnte.

Und sogar der Falke war außerstande, diese vielen Schiffe auf Dauer auszumanövrieren. »Chewie, bring uns nach oben und raus hier!«, rief er und streifte seinen Gurt ab. »Komm mit, Luke.«

Der Junge war bereits unterwegs und lief den Cockpittunnel hinab. Han folgte ihm und kam gerade noch rechtzeitig um die Ecke, um zu sehen, wie sich Luke an den Passagieren vorbeidrängte, die sich in den umlaufenden Sitz zwängten, und die Leiter zum oberen Vierlingsgeschütz hochstieg. »Captain?«, rief einer der Passagiere.

»Jetzt nicht!«, schnappte Han, packte die Leiterstreben und rutschte runter zu dem unteren Vierlingsgeschütz. Er kämpfte um sein Gleichgewicht, als die Gravitation, die dort herrschte, alles um neunzig Grad kippte, und ließ sich dann in den Sitz fallen.

Von unten sah es sogar noch schlimmer aus als vom Cockpit aus. Eine zweite Welle Piratenschiffe hatte sich der ersten angeschlossen, die aus allen Rohren an der ersten Gruppe vorbeifeuerte, um rings um den Flugvektor des Falken herum einen mörderischen Todestunnel zu bilden. Sie wollten ihre Beute dazu zwingen, weiterhin auf dieser Flugbahn zu bleiben, damit die erste Gruppe sie zur Strecke bringen konnte.

Nun, sie würden eine Überraschung erleben. Während er mit einer Hand das Bedienfeld des Vierlingsgeschützes bearbeitete, schnappte er sich mit der anderen sein Headset und streifte es über. »Luke?«

»Ich bin da. Hast du irgendeine bestimmte Strategie im Sinn, oder nehmen wir uns einfach zuerst das größte Schiff vor und sehen, wie schnell wir sie alle wegpusten können?«

Han runzelte die Stirn, als er die Geschützholme packte und ihm eine eigentümliche Idee kam. Wenn man bedachte, wie die zweite Welle positioniert war … »Nimm du dir das große Schiff an der Spitze vor«, sagte er. »Ich probier mal was Hübsches.«

Lukes Erwiderung bestand in einer Lasersalve direkt in den Bug des führenden Piratenschiffs.

Als Reaktion darauf wich das andere Schiff hastig aus – mit Sicherheit hatten sie nicht damit gerechnet, dass ein einfacher leichter Frachtraumer über solche Feuerkraft verfügte. Der Pilot fasste sich allerdings schnell wieder und brachte sein Schiff erneut in Kampfposition. Die gesamte Führungswelle zog sich dichter zusammen und schloss die Lücken, um aus ihren einander überlappenden Schilden so viel Schutz wie möglich zu beziehen. Han verfolgte dies alles, wartete auf den nächsten Schachzug, den er genau vorhersehen konnte, und hörte das Piepen seiner Anzeigetafel, als alle Schiffe an der Spitze ihre Schildenergie am Bug verdoppelten.

Was bedeutete, dass sie soeben unabsichtlich die Stärke ihrer Achterschilder reduziert hatten. Perfekt.

»Chewie – runter und abdrehen!«, rief er in seinen Kommunikator. Als Folge sackte der Falke unvermittelt ab, und für eine Sekunde kam die hintere Welle von Schiffen jenseits der Schilde der ersten Welle zum Vorschein. Han war bereit und feuerte an der führenden Welle vorbei eine doppelte Salve in die Flanke des größten Schiffs der zweiten Welle, woraufhin dieses stark ins Schlingern geriet, als das Primärsteuerungssystem in Fetzen geblasen wurde.

Gleichzeitig jagte das Laserfeuer, das einen Teil der Falle für den Falken gebildet hatte, mit vernichtender Gewalt in die Hecks der Schiffe der führenden Welle.

Das war mehr, als Han zu hoffen gewagt hatte. Zwei der kleineren Schiffe drehten plötzlich ab und brachen aus der Formation aus, weil ihre Antriebsbereiche in die Luft geflogen waren. Auf dem Weg ins Vergessen streifte eine Salve von einem der anderen Piraten das erste Schiff und prallte ab, während das zweite Schiff mit voller Wucht in ein weiteres krachte. Sie trudelten beide davon, derweil Luke das Durcheinander nutzte, um eins der anderen Führungsschiffe in feurige Asche zu verwandeln.

Auf einmal fiel der Falke zu Hans Entsetzen und Unglauben nach unten und richtete sich in einem geschwungenen Bogen wieder der Planetenoberfläche zu. »Chewie?«, blaffte er. »Was zum …«

Der Wookiee knurrte eine Warnung. Stirnrunzelnd reckte Han den Hals, um in die genannte Richtung zu schauen, genau in dem Moment, als sich die vertrauten Umrisse eines imperialen Sternenzerstörers aus dem Planetenschatten schoben.

»Han!«, keuchte Luke.

»Ich seh’s, ich seh’s«, beschwichtigte Han. Sein Verstand raste. Offensichtlich hatte sich die Rebellenzelle auf Teardrop gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht.

Wenn man mal davon absah, dass das letzte halbe Dutzend Mitglieder dieser Zelle im Augenblick ein paar Meter direkt über ihm im Hauptfrachtraum des Falken saß. Wenn die Imperialen sie erwischten …

Dann fiel ihm etwas ein, und er begriff, was Chewbacca mit diesem letzten Manöver beabsichtigte. »Luke – Feuer einstellen!«, befahl er und schlug auf die Schalter an seinem eigenen Vierlingsgeschütz. Das Letzte, was er wollte, war, dass die Imperialen einen Energiescan durchführten und feststellten, dass der Falke über diese Art Bewaffnung verfügte. »Chewie, stell für mich eine Verbindung her.«

Ein Klicken ertönte, dann rief er mit verzweifelter Stimme: »Dies ist ein Notfall! Im Anflug befindlicher Frachtraumer Argos erbittet Unterstützung von der Teardrop-Planetenverteidigung.«

Natürlich kam vom Boden keine Antwort. In Anbetracht des zwielichtigen Charakters der meisten Bewohner und Besucher des Planeten war sich Han nicht einmal sicher, dass sie dort unten überhaupt eine nennenswerte Verteidigung hatten. Aber im Grunde kümmerte es ihn nicht sonderlich, ob irgendwer auf Teardrop ihn hörte oder nicht. Alles, worüber er sich Gedanken machte, war …

»Frachtraumer Argos, teilen Sie uns den Zweck Ihrer Mission und die Art des Notfalls mit!«, erwiderte eine knappe, militärische Stimme.

»Wir haben ein medizinisches Notfallteam aus Briston für Por’ste Island an Bord, das vorhin von einem Erdbeben erschüttert wurde«, funkte Han zurück. Er sah, dass sich die verbliebenen Piratenschiffe hinter dem Falken neu formierten, um den Angriff fortzusetzen. Offenbar hatten sie den neuesten Besucher von Teardrop noch nicht bemerkt. »Wir werden angegriffen – ich glaube, von Piraten.«

»Bestätige, Argos«, sagte die Stimme. »Behalten Sie Ihren gegenwärtigen Kurs bei.«

»Aber wenn ich das mache …«

Er kam nicht dazu, seinen vorgespielten Protest zu Ende zu bringen. Hinter ihm jagte eine Zweiergruppe schimmernder grüner Turbolasergeschosse in die Piratenformation, um vier der Schiffe in Metallschrott zu verwandeln.

Diesmal verstanden sie den Wink. Die Überlebenden brachen aus der Formation aus und machten sich in alle Richtungen davon. Einige steuerten auf die Planetenoberfläche zu, während andere versuchten, in den Hyperraum zu flüchten.

Keins von beidem funktionierte. Ruhig, systematisch, präzise feuerte der Sternenzerstörer weiter und pustete die Piraten einen nach dem anderen weg, bis der Falke schließlich allein dahinflog.

»Und jetzt?«, murmelte Luke in Hans Kopfhörer.

Han achtete nicht auf ihn. »Vielen Dank, Captain«, rief er. »Es ist schön zu sehen, dass das Imperium dieses Piratenproblem ernst nimmt.«

»Keine Ursache, Argos«, sagte eine andere Stimme. »Drehen Sie jetzt um und fliegen Sie wieder nach Hause.«

»Wie, bitte?«, stieß Han hervor und versuchte, sowohl empört als auch fassungslos zu klingen. »Aber, Captain …«

»Das ist ein Befehl, Argos!«, schnitt der andere ihm scharf das Wort ab. »Ab sofort erklärt das Imperium Teardrop zum Sperrgebiet. Kehren Sie nach Briston zurück und warten Sie dort, bis die Blockade wieder aufgehoben wird.«

Han gestattete sich einen Seufzer. »Verstanden«, murmelte er, darum bemüht, seine Pokermiene aufrechtzuerhalten. Manchmal war ein besonders cleverer und scharfsinniger Mann imstande, ein zufriedenes Grinsen sogar über einen Audiofunkkanal hinweg zu spüren. Nicht, dass dieser spezielle Imperiale sonderlich clever oder scharfsinnig zu sein schien. »Sie haben ihn gehört, Pilot«, sagte er. »Kehren wir um. Nochmals herzlichen Dank für die Rettung, Captain.«

Er kletterte aus dem Sitz des Vierlingsgeschützes und stieg die Leiter hoch.

»Captain Solo, ich verlange zu wissen, was hier vorgeht«, sagte einer der Passagiere steif, als Han auf dem Rückweg ins Cockpit durch den Frachtraum kam.

»Wir bringen Sie zum Treffpunkt«, erklärte ihm Han und setzte seine beste Unschuldsmiene auf. »Warum fragen Sie?«

Bevor sich der andere genügend sammeln konnte, um die Frage zu wiederholen, war Han bereits verschwunden.

Als Han sich schließlich in den Pilotensitz fallen ließ, hatte Chewbacca sie problemlos aus der Schwerkraft von Teardrop herausgebracht. »Netter Zug, Chewie«, sagte er, als er die Tasten drückte, um einen Statusbericht zu erhalten. Der Angriff hatte ihnen ein paar neue Beulen achtern an der Außenhülle eingebracht, aber in Anbetracht der zahlreichen Kerben und Dellen, die sich dort bereits befanden, war es eher unwahrscheinlich, dass das irgendwem auffiel. »Es ist immer wieder ein Vergnügen, einem imperialen Befehl Folge zu leisten. Zur Abwechslung, quasi.«

Hinter ihnen kam Luke ins Cockpit. »Er hat’s dir wirklich abgekauft?«, fragte er und lehnte sich über Hans Schulter, um einen Blick auf den Sternenzerstörer draußen in der Ferne zu werfen.

»Warum nicht?«, hielt Han dagegen. »Er hat gesehen, dass wir im Anflug waren, und wir haben ihm außerdem gesagt, dass wir im Anflug sind. Manchmal muss man den Leuten bloß ein wenig auf die Sprünge helfen, damit sie denken, was du willst.«

»Scheint so«, sagte Luke, doch er klang noch immer zweifelnd. »Trotzdem hätten sie sich entschließen können, an Bord zu kommen und uns zu durchsuchen.«

»Keine Chance«, sagte Han. »Bloß weil sie in großen, schicken Schiffen durch die Gegend schippern, heißt das nicht, dass sie schlau sind. Sie sind hier, um Rebellen zu jagen, nicht, um irgendwelche Ladungen zu inspizieren. Sobald Chewie das Wendemanöver vollzogen hatte, war die einzige echte Frage, ob der Captain seine Schützen ein paar Schießübungen machen lassen würde.«

»Zu dumm, dass sie keine Ahnung haben, was ihnen da durch die Lappen gegangen ist«, murmelte Luke, warf einen letzten Blick hinaus und setzte sich dann wieder hin. »Ich bin bloß froh, dass ihr beide auf unserer Seite seid.«

Han sah ihn stirnrunzelnd über die Schulter an. Aber Luke betrachtete den Bildschirm des Navigationscomputers und war sich offensichtlich nicht im Mindesten darüber im Klaren, was er gerade gesagt hatte. Han wandte seinen Blick Chewbacca zu, nur um festzustellen, dass der Wookiee seinerseits ihn von der Seite ansah. »Was?«, forschte er.

Chewie zuckte mit seinen gewaltigen Schultern und wandte sich wieder seiner Konsole zu. Han sah wieder Luke an, aber dem Jungen war das Intermezzo offenbar völlig entgangen.

Mit einem säuerlichen Geschmack im Mund drehte er sich wieder zu seiner eigenen Konsole um. Auf unserer Seite. Anders ausgedrückt: Auf Lukes Seite. Und auf der Seite von Leia Organa und General Rieekan und wahrscheinlich auf der der gesamten verfluchten Rebellion.

Das Problem war nur, dass Han sich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, wann er sich auf Seiten der Rebellion geschlagen hatte.

Sicher, während dieser irrwitzigen Schlacht um Yavin hatte er Luke diese TIE-Jäger vom Hals geschafft. Keine große Sache. Er hatte dem Jungen einen Gefallen getan, und vielleicht war es auch ein bisschen Rache für die Art und Weise gewesen, wie die Imperialen ihn mit ihrem Traktorstrahl an Bord des Todessterns gezogen hatten und dann mit ihren dreckigen Füßen kreuz und quer durch den Falken marschiert waren. Er hatte kein Problem damit, dass die Rebellen ihm dafür dankbar waren.

Aber das bedeutete nicht, dass er beim Großen Knall mitmischen wollte.

Natürlich war Chewbacca ganz heiß darauf. Seine eigenen Erfahrungen mit den Imperialen und ganz allgemein die Art, wie sie sein Volk behandelten, hatten in ihm einen tief sitzenden Hass auf das Imperium geschürt. Wenn Han sein Okay dazu gab, würde er keine Sekunde zögern, sich der Rebellion anzuschließen.

Aber Han hatte nicht die Absicht, sich von irgendjemandes Zorn in diese Sache hineinziehen zu lassen. Nicht von Chewie und mit Sicherheit nicht von Luke. Er musste an sein eigenes Leben denken.

Der Sternenzerstörer trat in die Umlaufbahn des Planeten ein, als der Falke zu Lichtgeschwindigkeit überging.

Mit einer letzten Salve, die man mehr spürte als tatsächlich hörte, verstummten die Turbolaser der Reprisal.

Daric LaRone, der an der Backbordluke im dritten Sturmtruppen-Landungsschiff saß, klappte den Audioverstärker seines Helms hoch und fragte sich, ob der Kampf womöglich mit einer weiter entfernten Waffenbatterie des Sternenzerstörers fortgesetzt wurde. Er konnte nicht das Geringste hören, und einen Moment später schob er den Verstärker wieder nach unten. »Ich frag mich, was das Ganze überhaupt sollte«, murmelte er.

Neben ihm zuckte Saberan Marcross leicht mit den Schultern; die Bewegung entlockte seiner Rüstung ein leises Knacken. »Vielleicht haben die Rebellen versucht, abzuhauen«, gab er murmelnd zurück.

»Falls ja, sind sie nicht besonders weit gekommen«, kommentierte Taxtro Grave von seinem Sitz an der Steuerbordluke aus und verlagerte sein langes BlasTech-T-28-Repetierscharfschützengewehr.

»Sieh’s positiv«, meinte Joak Quiller hinter ihm. »Wenn sie alle tot sind, können wir diese Operation abblasen und uns irgendwo hinbegeben, wo’s netter ist.«

»Wer auch immer da hinten quatscht: Maul halten!«, rief eine autoritäre Stimme vom Bug des Landungsschiffs aus.

»Ja, Sir«, antwortete Marcross stellvertretend für sie alle.

LaRone lehnte sich ein Stück vor, um einen Blick auf den finster dreinschauenden Offizier zu werfen, der bei Lieutenant Colf saß. Die Rangabzeichen eines Majors schmückten seine Brust; LaRone konnte sich allerdings nicht daran erinnern, das Gesicht über dem Abzeichen schon einmal gesehen zu haben. »Wer ist das?«, fragte er mit leiser Stimme.

»Major Drelfin«, flüsterte Marcross zurück. »ISB.«

LaRone lehnte sich wieder nach hinten, und ein Schauder durchlief ihn. Das Imperiale Sicherheitsbüro war das finsterste und brutalste der Werkzeuge, derer sich Imperator Palpatine bediente. »Was treibt er auf der Reprisal?«

»Irgendwer ein Stückchen weiter oben in der Befehlskette muss zu dem Schluss gelangt sein, dass wir ein bisschen Hilfe brauchen«, sagte Marcross. Er hielt seinen Tonfall absichtlich neutral, aber LaRone kannte ihn gut genug, sodass ihm die Verachtung in Marcross’ Worten nicht entging. »Die haben ein paar ISB-Männer hergeschafft, um den Angriff zu leiten.«

LaRone zog eine Grimasse. »Ich verstehe«, sagte er im gleichen Ton wie der andere.

Aus dem Cockpit des Landungsschiffs drang ein alarmierendes Summen. »Bereitmachen zum Absetzen!«, rief der Pilot. »Absetzen in fünf!«

LaRone sah über den Gang zu Quiller hinüber und bemerkte, wie der andere leicht hin und her rutschte. Quiller war selbst ein ausgezeichneter Pilot und damit ein schrecklicher Passagier. »Langsam«, murmelte er.

Quiller hob etwas den Kopf, und LaRone lächelte beim Gedanken an den sicherlich krampfhaft entspannten Gesichtsausdruck des anderen hinter der anonymen weißen Gesichtsplatte des Helms.

Dann schien unvermittelt eine Luke unter ihm aufzuklappen und das Landungsschiff einfach zu verschwinden.

Hinter seiner eigenen Gesichtsplatte verblasste LaRones Lächeln, als seine Gedanken zu jenem schicksalhaften Tag vor zehn Standardjahren schweiften, an dem die imperialen Rekrutierungsbeamten nach Copperline gekommen waren, um dort ihre »Zelte« aufzuschlagen. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie er sich zu den anderen Jugendlichen gesellte, die sich um die Bude scharten, geblendet von den Versprechungen der Imperialen und ihren forschen Uniformen und in der unausgesprochenen Überzeugung, dass dies der beste und schnellste Weg war, dem perspektivenlosen Dasein auf ihrer kleinen Welt zu entkommen.

Bloß dass LaRone in seinem Tagtraum diesmal Nein sagte.

Zuerst hatte er an das Imperium geglaubt. Wirklich. Er war zehn gewesen, als die Flotte und die Infanterie angerückt waren und fünf Monate damit zugebracht hatten, die Piratennester auszumerzen, die Copperline seit Jahrzehnten geplagt hatten. Als acht Jahre später die Rekrutierungsbeamten gekommen waren, hatte er die Möglichkeit genutzt, sich einer so erlauchten Gruppe von Leuten anzuschließen. Als man ihm drei Jahre später eine Stelle bei den imperialen Elite-Sturmtruppen anbot, strengte er sich sogar noch mehr an, hatte sich abgerackert und geschwitzt und gebetet, dass er sich dieser ultimativen Herausforderung als würdig erweisen würde.

Sechs Jahre lang ging alles gut. Er diente mit ganzem Herzen, kämpfte mit all seiner Kraft gegen die Mächte der Finsternis und des Chaos, die Imperator Palpatines neue Ordnung zu zerstören drohten. Und er hatte voller Stolz gedient – oder zumindest hatten seine Kommandanten das gedacht.

LaRone selbst bedeuteten Auszeichnungen und Ehrungen nichts. Er trug die weiße Rüstung und machte seinen Job. Das war es, was zählte.

Aber dann kam Elriss, wo die Bevölkerung einer ganzen Stadt sechs Stunden lang im strömenden Regen hatte ausharren müssen, während die Identität jedes Einzelnen doppelt und dreifach überprüft worden war. Anschließend kam Bompreil und damit all diese schrecklichen zivilen Verluste, als sie eine Rebellenzelle ausgehoben hatten.

Und dann kam Alderaan.

LaRone bewegte sich unbehaglich auf der Bank. Die Einzelheiten waren noch immer nicht vollkommen geklärt, aber die offiziellen Berichte behaupteten allesamt, dass es sich bei dem Planeten um ein Zentrum der Rebellion gehandelt hatte und dass er erst vernichtet worden war, als man sich dem Befehl widersetzte, die Verräter auszuliefern.

LaRone hatte an den Beweggründen für den Einsatz nichts auszusetzen. Die Rebellen wurden immer stärker, immer kühner, immer gefährlicher. Man musste sie aufhalten, bevor sie alles zerstörten, was der Imperator geschaffen hatte, und sie die Galaxis wieder zurück in jenes Chaos stürzten, das zu Zeiten der Klonkriege geherrscht hatte.

Aber mit Sicherheit hatte nicht der gesamte Planet auf Seiten der Rebellen gestanden. Oder doch?

Und dann machten hinter vorgehaltener Hand die ersten Gerüchte die Runde. Einige sagten, dass Alderaan gar kein Rebellenstützpunkt gewesen war, dass die Zerstörung des Planeten nichts weiter gewesen war als ein Praxistest des Todessterns, der neuesten Waffe des Imperiums. Andere flüsterten, dass dieser Großmufti Tarkin, der durch und durch psychotische Kommandant des Todessterns, all diese Milliarden Leben einer persönlichen Fehde zwischen ihm und Bail Organa wegen vernichtet hatte.

Aber eigentlich spielte der Grund für die Vernichtung des Planeten kaum eine Rolle. Unterm Strich stand die Reaktion des Imperiums in keinerlei Verhältnis zu jeder auch nur denkbaren Provokation durch die Rebellen.

Irgendetwas ging mit dem Imperium vor, dem LaRone so lange und treu gedient hatte. Irgendetwas Schreckliches.

Und LaRone selbst steckte mittendrin.

»Bodenkontakt in drei Minuten«, rief Major Drelfin vom vorderen Teil des Landungsschiffs aus. »Sturmtruppler, bereitmachen zum Absetzen!«

LaRone atmete tief durch und zwang seine Zweifel nieder. Er war ein imperialer Sturmtruppler, und er würde seine Pflicht erfüllen. Das war alles, worauf es ankam.

Das erste der Speederbike-Landungsschiffe schwebte bedachtsam ein paar Meter über dem Boden. Als die Rampen nach unten glitten, gab Korlo Brightwater seinem Aratech-74-Z-Speeder die Sporen und röhrte in die Nachmittagssonne hinaus.

»TBR Vier-sieben-neun, kommen Sie zurück«, knurrte die scharfe Stimme seines Kommandanten, Lieutenant Natrom, in sein Ohr. »Formieren Sie sich neu zu Suchmuster Jenth!«

»Vier-sieben-neun – bestätige«, sagte Brightwater und warf einen raschen Blick in die Runde, bevor er sich in eine weite Kurve legte, die ihn zurück zu den übrigen Scouttruppen bringen würde; die waren noch immer dabei, den Transporter zu verlassen. Beim Anflug hatten sie sich so tief gehalten, dass sie beinahe den Boden gestreift hatten, um dann nördlich einer Reihe niedriger baumgesprenkelter Hügel runterzugehen; die ersten Ausläufer ihres Zielorts lagen ein paar hundert Meter auf der anderen Seite der Hügelkette. Er aktivierte seine Helmsensoren und unterzog die Hügel einer raschen, aber sorgfältigen Überprüfung, während er im weiten Bogen zum Transporter zurückkehrte. Nirgends ließen sich irgendwelche Aktivitäten feststellen, gleich welcher Art, was ihm hochverdächtig vorkam. Zu den Hügeln gehörten ein Picknick-Bereich, mehrere Wanderwege und ein halbes Dutzend Bäume, die im Laufe der Jahrzehnte geduldig zu einem aufwändigen Klettergerüst für Kinder herangezogen worden waren. Eigentlich hätte man erwarten könnne, dass irgendjemand aus der Stadt an einem so schönen, ruhigen Nachmittag seine Freizeit an diesem Ort verbrächte.

Aber es war niemand da. Aus irgendeinem Grund waren die Stadtbewohner an diesem Tag in ihren Häusern geblieben.

Vielleicht wegen der Nachricht von einer bevorstehenden imperialen Razzia?

Brightwater schüttelte verwirrt den Kopf. Also war das Ganze ein Reinfall. Die Sache war durchgesickert, und alle Rebellen, die sich womöglich in der Gegend versteckt hatten, waren schon auf halbem Wege ins Outer-Rim. »Gefechtsstand – hier TBR Vier-sieben-neun«, sprach er in seine Komlink. »Keinerlei Aktivität im Aufmarschgebiet. Die Operation ist möglicherweise aufgeflogen. Wiederhole, die Operation …«

»Scouttruppen, Randbereiche sichern!«, fiel ihm eine fremde Stimme ins Wort.

Brightwater runzelte die Stirn. »Gefechtsstand, haben Sie verstanden?«, fragte er. »Ich sagte, es gibt keinerlei Aktivität im …«

»TBR Vier-sieben-neun, beschränken Sie Ihre Kommentare auf taktische Berichterstattung«, unterbrach ihn die neue Stimme abermals. »An alle Transporter: Vorrücken!«

Brightwater reckte den Hals. Die Landungsschiffe der Sturmtruppen waren nun hoch über ihm zu sehen, sanken wie jagende Raubvögel zu Boden, bereit für den tödlichen Schlag.

Bloß dass es unten nichts gab, das zu töten sich lohnte.

Eine Bewegung rechts von ihm erregte seine Aufmerksamkeit, und er warf einen Blick zurück, als sein Partner Tibren neben ihm erschien. Brightwater hob einer stummen Frage gleich die Hand; der andere Scout schüttelte als nicht minder lautlose Warnung den Kopf.

Brightwater zog die Brauen unter dem Helm zusammen. Tibren hatte recht. Wer auch immer dieser Schwachkopf war, der bei dieser Operation das Sagen hatte, war entweder zu engstirnig oder zu dämlich zu erkennen, dass etwas nicht stimmte. Es hatte den Anschein, als gäbe es für die Sturmtruppler nichts weiter zu tun, als einfach weiterzumachen wie gehabt und die ganze Sache so zu handhaben, als wäre dies nichts anderes als eine weitere Trainingsmission. Er nickte Tibren zustimmend zu und donnerte mit seinem Speeder auf den für ihn vorgesehenen Sicherungssektor zu.

Bis sie das Gebiet fertig umkreist hatten, waren die Landungsschiffe unten; ihre schweren Geschütze glitten über die Reihen der größtenteils eingeschossigen Gebäude, während ihre aus Sturmtrupplern und uniformierten Kommandooffizieren bestehende Besatzung aus den Schotts strömte. Brightwater blieb mit seinem Speederbike in Bewegung und verfolgte mit professionellem Interesse, wie sich die Truppen zu einem doppelten Ring formierten und auf die Stadt vorrückten. Ausnahmsweise schien alles perfekt zu laufen, sogar ohne die kleinen Pannen, die eine Operation dieser Größenordnung für gewöhnlich mit sich brachte. Es war wirklich eine Schande, dass sich keine Rebellen mehr in der Stadt aufhielten, die das Manöver zu schätzen wussten.

Die Strumtruppler und Offiziere verschwanden außer Sicht, als sie zwischen und in die Gebäude vordrangen, und Brightwater wandte seine Aufmerksamkeit dem Gebiet außerhalb des Überwachungsbereichs der Spähertrupps zu. Die Rebellen waren mit ziemlicher Sicherheit von diesem Planeten geflohen, aber hin und wieder gab es Zellen mit mehr Mut als Verstand, die sich dazu entschlossen zurückzubleiben, um einen Hinterhalt zu legen.

Beinahe hoffte Brightwater, dass sie sich für dieses Vorgehen entschieden hatten. Dann würde sich dieser Nachmittag zumindest nicht als völlige Zeitverschwendung erweisen, ganz abgesehen davon, dass die Sturmtruppler dann die Chance hatten, sie im Freien wegzupusten, statt sie erst unter den Zivilisten in der Stadt ausfindig zu machen.

Er war mit den Helmsensoren auf voller Leistung in einem Bogen hoch zum Kamm des nächstgelegenen Hügels gebraust, als er hinter sich das Geräusch von Blasterfeuer vernahm. Er riss sein Speederbike scharf herum und suchte den Grenzbereich auf der anderen Seite der Stadt ab. Aber alle Scouts dort drüben saßen noch auf ihren Speedern, ohne dass irgendeiner von ihnen Anzeichen dafür zeigte, dass man auf sie schoss. Dann ertönte eine weitere Blastersalve, und diesmal erkannte er, dass der Lärm aus der Stadt drang.

Stirnrunzelnd brachte er sein Speederbike zum Stehen. Die Salven waren zu einem weniger organisierten Gestotter verkommen, aber die Schüsse hatten durchweg den charakteristischen Klang der BlasTech-E-11-Lasergewehre der Sturmtruppler. Wo blieb die misstönende Mischung aus Militär-, Sport- und Selbstverteidigungswaffen, die praktisch das Markenzeichen der Rebellenallianz war?

Und dann, geschüttelt von einem plötzlichen Frösteln, begriff er plötzlich.

Er brachte seinen Speeder wieder auf Höchstgeschwindigkeit, drückte die Nase des Gefährts den Hügel hinunter und jagte auf die Stadt zu. Was, im Namen des Imperators, machten diese Kerle da?

»TBR Vier-sieben-neun, kehren Sie auf Ihren Posten zurück«, sagte die Stimme von Lieutenant Natrom in seinem Ohrhörer.

Brightwater berührte mit der Zunge die Senderkontrolle des Komlinks, um zur vertraulichen Frequenz der Einheit zu wechseln. »Sir, in der Stadt geht irgendwas vor«, sagte er hastig. »Erbitte Erlaubnis, das zu überprüfen.«

»Erlaubnis verweigert«, sagte Natrom. Er hatte seine Stimme vollkommen unter Kontrolle, dennoch konnte Brightwater den Zorn hören, der darin mitschwang. »Kehren Sie zu Ihrem Posten zurück.«

»Sir …«

»Das ist ein Befehl, TBR Vier-sieben-neun«, sagte Natrom. »Ich werde mich nicht wiederholen.«

Brightwater atmete tief durch. Er kannte Natrom, und er kannte diesen Tonfall. Was auch immer da vorging, es gab nichts, was einer von ihnen dagegen tun konnte. »Ja, Sir«, sagte er. Er nahm einen weiteren tiefen Atemzug, versuchte sich zu beruhigen und wendete sein Speederbike wieder.

Die Sonne war hinter dem Horizont im Westen untergegangen, bevor das Blasterfeuer schließlich verstummte.

2

Als LaRone eintrat, war der Schießstand verlassen. Das heißt, abgesehen von Grave, der in der Kabine am hinteren Ende der Anlage stand und sein T-28 gegen seine gepanzerte Schulter gepresst hielt. »Grave«, begrüßte LaRone den anderen feierlich. »Wie geht’s dir?«

Eine Minute lang antwortete Grave nicht. Er feuerte gelassen und methodisch weiter und brachte die Trainingseinheit zu Ende, die er zuvor in den Schießstand einprogrammiert hatte. LaRone beobachtete auf dem Monitor, wie Grave ein Ziel nach dem anderen erwischte und dabei die Treffergenauigkeit an den Tag legte, die von Scharfschützen der Sturmtruppen erwartet wurde.

Schließlich verstummte der Blaster. Grave behielt seine Scharfschützenhaltung noch einige Sekunden bei, während die Echos verklangen, dann legte er die Waffe auf das Brett vor sich und nahm den Helm ab. »So muss es in den Klonkriegen gewesen sein«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Die ganze Stadt – alle. An Ort und Stelle abgeschlachtet.«

»Ich weiß«, sagte LaRone nüchtern. »Ich habe gerade mit Korlo Brightwater gesprochen – dem Speederbike-Scout, weißt du? Er hat gehört, im offiziellen Bericht wird es heißen, die Rebellen hätten uns aus dem Hinterhalt angegriffen.«

»Auf keinen Fall«, sagte Grave mit fester Stimme. »Ich war auf einem der Dächer, um bei Bedarf Feuerschutz zu geben, und ich habe von dort oben niemanden gesehen, der auch nur seine Nase zur Tür rausgestreckt hätte. Sogar Rebellen sind clever genug, sich bei einem Kampf in höheres Gelände zurückzuziehen.«

»Vielleicht«, stimmte LaRone zu, obwohl er einen Stich des Zweifels verspürte. »Trotzdem könnte es Rebellenaktivitäten in einem der Stadtbezirke gegeben haben, die ich nicht sehen konnte.«

»Natürlich könnte es die gegeben haben«, erwiderte Grave. »Und da keiner von uns alles sehen konnte, kann sich jeder einreden, dass genau das passiert ist. Typische ISB-Vertuschungsaktion.« Er setzte das T-28 wieder an die Schulter und feuerte ein weiteres halbes Dutzend Mal. »Bloß die Ohren konnten sie uns nicht zustöpseln, nicht wahr?«, knurrte er, als er die Waffe erneut senkte. »Und jeder Schuss, den ich gehört habe, stammte von einem E-11.«

»Ich weiß«, räumte LaRone ein. »Hat es in dieser Stadt überhaupt jemals irgendwelche Rebellen gegeben? Oder war das nichts weiter als so eine Art grotesker Anschauungsunterricht?«

Grave schüttelte den Kopf. »Sag du’s mir, LaRone. Nach allem, was ich weiß …« Er brach ab. »Nun, nach allem, was ich sehen konnte, hat es den Anschein, als hätten sie zuerst die Fremdweltler ins Visier genommen.«

»So ist es auch bei unserer Einheit angekommen«, sagte LaRone gepresst. »Nicht, dass uns irgendjemand je einen speziellen Befehl dazu erteilt hätte. Die ISB-Leute haben einfach bloß auf sie gezeigt und uns befohlen, zu feuern.«

»Und dann haben sie zugeschaut, ob einer von euch nicht mit Absicht vorbeischießt.«

LaRone spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Dieser Gedanke war ihm bisher noch gar nicht gekommen. »Willst du damit andeuten, dass das so was wie ein Test für uns war?«

Grave zuckte mit den Schultern. »Nach allem, was ich gehört habe, widerstrebt es dem ISB seit jeher, die höheren Ränge mit Freiwilligen wie uns zu besetzen. Sie wollen, dass sich die Sturmtruppen auch weiterhin ausschließlich aus Klonen zusammensetzen.«

LaRone schnaubte. »Das ist neun Jahre her. Mittlerweile sollten die wirklich darüber hinweg sein.«

»Du gehst von normalen Leuten aus«, sagte Grave säuerlich. »Aber wir reden hier über das ISB.« Er sah LaRone ernst an. »Ich hoffe, du hast heute besonders gut gezielt.«

»Ich habe meine Pflicht getan«, sagte LaRone steif. »Grave, du willst doch nicht andeuten, dass das ISB irgendetwas weiß, das wir nicht wissen, oder? Wie zum Beispiel, dass das da unten möglicherweise tatsächlich alles Rebellensympathisanten waren?«

»Du meinst, genau wie alle auf Alderaan?«

LaRones Kehle zog sich zusammen. Alderaan. »Grave, was passiert mit uns?«, fragte er leise. »Was passiert mit dem Imperium?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Grave. »Vielleicht liegt es an den Rebellen. Vielleicht machen sie so viel Druck, dass jetzt alle schwachen Nähte aufplatzen.« Er presste die Lippen fest zusammen, dann sprach er weiter. »Oder vielleicht war das Imperium auch schon immer so. Vielleicht ist uns das bis Alderaan nur nie aufgefallen.«

»Und was tun wir jetzt?«

»Wir tun gar nichts, LaRone«, sagte Grave mit einem warnenden Ton. »Was können wir schon tun?«

Uns der Rebellion anschließen? Der Gedanke durchzuckte LaRones Verstand. Aber das war ein lächerlicher Einfall, und er wusste es. Er und die anderen hatten einen Eid geschworen, das Imperium und seine Bürger zu verteidigen, und es war undenkbar, dass irgendeiner von ihnen in Erwägung zog, mit Leuten zu kollaborieren, die versuchten, die ganze Galaxis wieder ins Chaos zu stürzen. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber für so was habe ich mich nicht verpflichtet.«

»Du hast dich verpflichtet, Befehle zu befolgen«, sagte Grave und wandte sich wieder dem Schusskanal zu. Er ließ die Energiezelle seines Blasters herausschnellen, zog eine frische aus dem Gürtel und schob sie in den Schaft. »Du hast dich garantiert nicht verpflichtet, damit dich das ISB für aufrührerisches Gedankengut aus dem Verkehr zieht.«

»Mit Sicherheit nicht«, stimmte LaRone zu, und ein Schauder durchlief ihn. Anders ausgedrückt hieß das: Sag so was nie wieder.

»Zumal wir in ein oder zwei Tagen wohl eine komplette ISB-Taktikeinheit zugeteilt bekommen«, fuhr Grave fort. »Mit ihren eigenen Transportern, ihrer eigenen Befehlskette, vermutlich auch mit ihren eigenen Sturmtrupplern.«

»Wo das du das denn gehört?«

»Natürlich von Macross«, antwortete Grave, und hinter all seiner Ernsthaftigkeit kam beinahe widerwillig ein ironisches Lächeln zum Vorschein. »Woher er all seine Neuigkeiten bekommt, kann ich allerdings beim besten Willen nicht sagen.«

»Glaubst du, er könnte selbst zum ISB gehören?«

»Auf keinen Fall«, war Grave überzeugt. »Dafür ist er ein viel zu netter Kerl. Nein, er hält einfach nur immer die Ohren offen.«

»Seh ich auch so«, sagte LaRone. »Trotzdem klingt es ganz danach, als ob es irgendwer mit dieser Rebellenjagd ziemlich ernst meint.«

»Soll mir recht sein. Und ich werde vorbereitet sein, wenn wir es das nächste Mal mit richtigen Rebellen zu tun kriegen.« Beim Umdrehen setzte Grave seinen Helm wieder auf und drückte ein paar Tasten, um eine frische Zielscheibe anzufordern.

Er hatte die neue Zielübung zur Hälfte hinter sich, als LaRone leise aus der Kabine schlüpfte.

Der Empfang war in vollem Gange. Der große Ballsaal von Mufti Glovstoaks Palast glänzte nur so vor kunstvollen Lichtern und wallenden Bannern, und auf dem Balkonring spielten Musiker einlullende Musik. Nur unbedeutend weniger glanzvoll als der Saal waren die Reichen und Mächtigen, die den Raum füllten und deren kollektive Unterhaltungen einen gedämpften Gegenpol zur Musik bildeten. Es waren mindestens fünfhundert Männer und Frauen, schätzte Mara Jade, als sie gelassen zwischen den kleinen Gesprächsgruppen hindurchglitt. Die Elite der Elite des gesamten Sektors war versammelt. Glovstoak zog an diesem Abend definitiv alle Register.

Man musste sich fragen, woher er die Credits hatte, um all das zu bezahlen.

»Ah – Countess Claria.«

Mara drehte sich um. Ein älterer Mann in einer Generalsuniform kam durch die Menge auf sie zu, im Schlepptau einen jüngeren Mann in schlichter, formeller Kleidung.

»Nochmals guten Abend, General Deerian«, begrüßte Mara ihn mit einem Lächeln, während ihre Blicke über seinen Begleiter glitten. Sie identifizierte ihn als Mink Bollis, einen von Glovstoaks Helfern. Gut, wenn der innere Kreis allmählich eintrudelte, würde der Mufti selbst bald auch erscheinen. »Ich dachte, Sie hatten vor, das Büffet zu inspizieren.«

»Das war auch meine Absicht, aber dann stieß ich auf Meister Bollis.« General Deerian deutete auf den jüngeren Mann. »Ich erinnerte mich an unsere vorangegangene Unterhaltung über die Piratenprobleme Ihrer Welt und dachte, er wäre vielleicht imstande, Ihnen in dieser Hinsicht behilflich zu sein.«

»Countess«, begrüßte Bollis sie, hob ihre rechte Hand und küsste sie altmodisch. Sein Raubtierblick betrachtete ihre grünen Augen und ihr rotgoldenes Haar, glitt über ihren Schulterschmuck mit dem eingewobenen Hügel kaskadierender Blumen und sank dann noch weiter hinab, um ihre schlanke Gestalt in dem knapp geschnittenen Gewand zu mustern, das sie umhüllte. Ohne Frage waren Piraten und die Probleme, die Piraten mit sich brachten, das Letzte, was ihm durch den Kopf ging. »Ich versichere Ihnen, dass Mufti Glovstoak und die gesamte Sektorregierung willens und entschlossen ist, Sie in Ihrer Notlage zu unterstützen. Warum suchen wir uns nicht ein ruhiges Eckchen, wo Sie mir Genaueres über Ihre Situation erzählen können?«

»Das wäre wirklich …« Mara brach ab, und auf ihrem Gesicht zeigte sich flüchtig ein widerwilliges Stirnrunzeln, um sogleich wieder zu verschwinden. »Das wäre wirklich wundervoll.«

»Geht es Ihnen gut?«, fragte Deerian.

»Ich habe mich bloß einen Moment lang ein wenig seltsam gefühlt.« Mara ließ den kränklichen Ausdruck erneut über ihr Gesicht huschen, diesmal begleitet von einer leichten Unsicherheit in ihrer Haltung.

»Vielleicht sollten Sie sich einen Augenblick hinsetzen.« Deerian musterte sie eingehend. »Ambrostine kann einem leicht zu Kopf steigen, wenn man nicht daran gewöhnt ist.«

»Ich dachte, das wäre ich«, sagte Mara und verlieh ihrer Stimme eine gewisse Rauigkeit. In Wahrheit war sie bestens vertraut sowohl mit Ambrostine als auch mit den Folgen, die es hatte, wenn man zu viel davon trank.

Und zumindest Bollis wusste offenbar ebenfalls um das Sinken aller Hemmschwellen, das die nächste Phase des Rauschs kennzeichnete. »Erlauben Sie, dass ich Sie irgendwo hinbringe, wo Sie sich hinlegen können«, bot er an, und seine Augen leuchteten ein bisschen heller. Er trat an ihre Seite und griff nach ihrem Arm, um sie zu stützen.

Zu Maras gelinder Überraschung war Deerian schneller. »Mufti Glovstoak erwartet sicher, dass Sie sich um seine Gäste kümmern«, erinnerte der General Bollis, als er Mara geschickt von dem jüngeren Mann wegdirigierte. »Ich kenne mich im Palast aus – ich finde einen Ort, wo sich die Countess erholen kann.«

Bevor Bollis die richtigen Worte für einen höflichen Protest fand, hatte Deerian Mara bereits um ein komplett in Schimmerseide gekleidetes Paar herummanövriert und führte sie auf eine der Seitentüren zu.

Abgesehen von den Paaren livrierter Wächter, die an jeder Gabelung Wache standen, waren die Korridore außerhalb des Ballsaals verwaist. Keine der Wachen stellte sich Deerian in den Weg oder hielt ihn auf, als er sie in ein abgedunkeltes Büro zwei Flure weiter führte. »Meine Feldbüros beziehen ihre Möbel vom selben Lieferanten wie die Untergebenen von Mufti Glovstoak«, erklärte er Mara, als er das Licht auf niedriger Dimmstufe einschaltete und sie zum Konferenzkreis in der Mitte des Raums geleitete. »Ich kann Ihnen aus persönlicher Erfahrung versichern, dass diese Sofas genau das Richtige für ein kurzes Nickerchen sind.«

»Ich glaube, im Augenblick könnte ich sogar in einem Baggerloch schlafen«, murmelte Mara und nuschelte die Worte leicht, während sie ihre Augenlider zufallen ließ. »Vielen Dank.«

»Es war mir ein Vergnügen, Countess«, sagte Deerian, während er ihr dabei half, sich auf einem der Sofas auszustrecken. »Ambrostine ist ein heimtückischer Gegner.«

»Ich meinte für … Sie wissen schon.«

Er lächelte auf sie hinab. »Auch das war mir ein Vergnügen«, versicherte er ihr. »Wie alt sind Sie? Achtzehn? Neunzehn?«

»Achtzehn.«

Deerians Lächeln wurde ein wenig spröde. »Ich habe eine Enkelin in diesem Alter. Die würde ich auch nicht mit Bollis allein lassen. Schlafen Sie, solange Sie möchten, Countess. Ich sorge dafür, dass man Sie nicht stört.«

Er ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.

Mara rollte vom Sofa, durchquerte den Raum und presste ihr Ohr gegen die Tür, während sie die Audioverstärkungstechniken anwandte, die der Imperator sie gelehrt hatte.

Selbst mit dieser Hilfe war sie kaum imstande, zu verstehen, was Deerian zu den Wachen sagte, die dem Büro am nächsten waren. Aber sie hätte wetten können, dass er ihnen mit eindeutigen Worten zu verstehen gab, dafür zu sorgen, dass niemand die junge Dame belästigte. Das Gespräch endete, und Deerians Schritte verklangen in Richtung des Ballsaals.

Nachdem sie ihr Gehör wieder auf normal eingestellt hatte, schaltete Mara das Licht aus und huschte durch den Raum zurück.

Zeit, sich an die Arbeit zu machen.

In ihrer zugegebenermaßen bislang recht kurzen Laufbahn als Hand des Imperators war Mara die seltsame Mischung aus Vorsicht und Schludrigkeit aufgefallen, die viele Top-Politiker des Imperiums an den Tag legten. Glovstoak bildete da keine Ausnahme. Selbst an diesem Ort, im zehnten Stock des Palasts, waren die Fenster mit Einbruchswarngittern gesichert, zugleich gab es unter dem Fenstersims aber einen Öffnungsmechanismus für das Gitter, damit die Büroangestellten frische Luft hereinlassen konnten, ohne das Hauptsicherheitsbüro vorher um Erlaubnis fragen zu müssen. Es dauerte nur einen Moment, bis sie den Schlüssel gefunden hatte, und sobald das Gitter außer Betrieb war, ließ sie vorsichtig das Fenster aufgleiten und lehnte sich hinaus.

Abgesehen von den Wachen, die tief unten ihre Runden drehten, und den ein gutes Stück entfernten Aircars, die am Außenbereich des Palastgeländes entlang patrouillierten, war nichts zu sehen. Sie sammelte die Macht in sich. Sie hatte ein Paket unter einem der dekorativen Büsche versteckt, die die Außenmauer säumten.

Einen Moment lang passierte nichts. Sie konzentrierte sich stärker, und diesmal kam die kleine Elektrowinde frei und schwebte rasch nach oben, um die damit verbundene Schnur hinter sich herzuziehen. Einen Augenblick später lag die Winde in ihrer Hand, und auf das Betätigen eines Knopfes hin begannen die Motoren im Innern der Winde die Schnur aufzuwickeln, woraufhin das wesentlich schwerere, in schwarzes Packpapier eingeschlagene Paket am anderen Ende der Schnur Stück für Stück nach oben glitt.

Eine Minute später war das Paket drinnen und sein Inhalt auf dem Boden des Büros verstreut. Zwei Minuten danach hatte sie ihr wallendes Gewand gegen einen grauen Kampfanzug eingetauscht, ihren eleganten Schulterschmuck gegen den Schultergurt eines Stokhli-Sprühstabs und ihre kunstvolle Taillenschärpe gegen einen Gürtel und ein Lichtschwert.

Das Paket enthielt außerdem ein Röhrchen mit komprimierter Luft und eine aufblasbare Puppennachbildung von ihr selbst, in einem Kleid, identisch mit dem, das sie noch vor wenigen Augenblicken getragen hatte. Sie machte die Puppe bereit und platzierte sie auf dem Sofa für irgendwelche neugierigen Augen, die nach ihr schauen wollten. Nachdem sie anschließend ihr echtes Gewand außer Sicht unter dem Tisch verstaut hatte, kehrte sie zum Fenster zurück und schlüpfte nach draußen.

Mara hatte den Sprühstab erst seit wenigen Monaten und seitdem hart daran gearbeitet, um ihn perfekt zu beherrschen; inzwischen gehörte er zu ihrem bereits recht umfangreichen Repertoire an Werkzeugen und Waffen. Tatsächlich hatte sie das ganze Manöver im Trainingszentrum des Imperialen Palastes wieder und wieder geübt. Während sie auf dem Fenstersims die Beine spreizte, richtete sie das Gerät in einem Aufwärtswinkel an der Außenwand des Palasts nach oben und drückte den Daumenabzug.

Mit einem scharfen Fauchen schnellte der Sprühstab zurück gegen seine Schulterschlinge, als ein feiner Sprühnebelstrahl aus dem anderen Ende hervorschoss. Beim Kontakt mit der Luft verwandelte sich der Sprühnebel in eine fließende Flüssigkeit, die rasch am Mauerwerk erstarrte und eine unregelmäßige Oberfläche schuf, die sie hochklettern konnte. Mara hörte auf zu sprühen und kletterte hinauf.

Sie musste zweimal anhalten, um ihre spezielle Kletterwand weiter zu verlängern, bevor sie den zwanzigsten Stock und damit Glovstoaks Privatgemächer erreichte. Die Fenster waren vom gleichen Einbruchsgitter gesichert wie die des Büros, und sie hatten dieselbe eingebaute Schwachstelle. Mit Hilfe der Macht griff sie durch den Transparistahl und schaltete zunächst das Gitter ab, bevor sie den Riegel betätigte. Eine Minute später war sie drinnen.

Die Gemächer waren verlassen. Glovstoak und all seine Leute waren unten auf der großen Feier. Dennoch blieb Mara wachsam, während sie sich lautlos durch die Räume bewegte. Es war durchaus möglich, dass der Mufti einen oder zwei Droiden zurückgelassen hatte, um über sein persönliches Hab und Gut zu wachen.

Aber Droiden konnten gescannt oder umprogrammiert werden, und Glovstoak war offensichtlich nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Stattdessen verließ er sich auf zwei hoch entwickelte Alarmsysteme, um seinen geheimen Tresorraum zu sichern.

Zumindest in seinen Augen hoch entwickelt. Die professionellen Diebe, die der Imperator aufgetrieben hatte, um Mara in ihrem Handwerk zu unterweisen, hätten über beide Systeme nur gelacht. Mara selbst, die nicht halb so erfahren war, lächelte bloß und schaffte es, beide innerhalb von zehn Minuten zu neutralisieren.

Nach dem ganzen Vorgeplänkel war das Öffnen des Tresors an sich fast ein wenig enttäuschend. Nach zwei Minuten zog sie die schwere Tür auf und trat über die Schwelle.

Eine Wand des Tresorraums wurde zur Gänze von Aktenschränken für Datenkarten eingenommen, die Kopien der Verwaltungsunterlagen dieses Sektors enthielten. Gewiss interessant, aber selbst wenn Glovstoak so unbedacht gewesen wäre, dass in diesen Daten Hinweise auf seine vermeintlichen finanziellen Unregelmäßigkeiten zu finden wären, hätte man eine kleine Armee von Buchhaltern gebraucht, um ihm auf die Schliche zu kommen. Stattdessen näherte sich Mara dem hinteren Teil des Tresors und hielt nach persönlicheren Gegenständen Ausschau.

Und dort fand sie die Beweise, die sie brauchte.

Einen langen Moment betrachtete sie das halbe Dutzend Kunstwerke, die sich ihr im Strahl ihres Glühstabs zeigten. Auf den ersten Blick wirkte diese Privatsammlung ziemlich mickrig, vor allem, wenn man an die Vielzahl von Gemälden, Skulpturen und Bildhauerarbeiten dachte, die die öffentlichen Bereiche des Palasts schmückten.

Doch Mara ließ sich nicht täuschen. Die Stücke unten waren großartig, aber vergleichsweise billig. Und was noch wichtiger war: Sie lagen ohne weiteres im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten eines ehrbaren Administrators in Glovstoaks Position.

Bei den sechs Stücken im Tresor war das etwas vollkommen anderes. Jedes einzelne davon würde bei den wohlhabendsten privaten Sammlern der Galaxis ohne Zweifel hundert Millionen Credits aufwärts einbringen. Zusammen waren sie vermutlich dreimal so viel wert wie Glovstoaks Palast und alles darin.

Was bedeutete, dass der Imperator mit seinem Verdacht richtiglag: Glovstoak schöpfte die Sahne von den Steuereinnahmen ab, die er dem Imperialen Zentrum zukommen ließ.

Mara nahm eines der Gemälde und drehte es um. Im Schein ihres Glühstabs wirkte die schwarze Rückfläche eben und makellos. Aber es gab eine Kleinigkeit, die Kunsthändler mit ihren Werken machten und worüber Glovstoak sich womöglich überhaupt nicht im Klaren war. Nachdem sie ihren Glühstab auf eine bestimmte Frequenz ultravioletten Lichts eingestellt hatte, versuchte sie es erneut.

Da war sie: Eine vollständige Liste aller Händler und Auktionshäuser und Vermittler, durch deren Hände das Gemälde im Laufe seiner langen Geschichte gewandert war.

Mara lächelte. Die Händler machten diese Liste unsichtbar, um zu vermeiden, dass solch unfeiner Geschäftssinn die sorgsam kultivierte Eleganz ihrer Welt störte. Professionelle Kunstdiebe machten die Markierungen üblicherweise unleserlich, um dafür zu sorgen, dass der bisherige Weg ihrer Neuerwerbungen schwerer zu verfolgen war. Glovstoak hatte das nicht getan, was ihr unverzüglich verriet, dass er nicht mit Hilfe eines Profis an das Kunstwerk gelangt war. Interessant.

Sie notierte sich den letzten Eintrag im Hinterkopf – Peven-Auktionshaus, Crovna – und stellte das Gemälde an die Stelle zurück, wo es gestanden hatte. Auf die gleiche Art und Weise überprüfte sie zwei weitere der Kunstwerke, dann verließ sie den Tresorraum, schloss die Tür und aktivierte hinter sich wieder die Alarmanlagen.

Die Kletterpartie an der Wand hinunter ging viel leichter und schneller vonstatten als die Kletterei nach oben. Das gehärtete Stokhli-Spray würde sich nach ein paar Stunden verflüchtigen, sodass Glovstoaks Männer selbst dann keine Spuren finden würden, wenn sie daran dachten, draußen an der Außenwand nachzusehen.

Als sich die Bürotür behutsam einen Spaltbreit öffnete, war sie längst wieder in ihr Gewand geschlüpft, während der Rest ihrer Ausrüstung erneut hinter dem Busch zu ebener Erde versteckt lag. »Countess?«, sagte Deerian mit leiser Stimme.

»Ja, General?« Sie richtete sich auf dem Sofa auf und streckte sich. »Bitte, kommen Sie herein.«

»Ich hoffe, Sie fühlen sich besser?«, sagte der andere und trat in den Türrahmen.

»Viel besser«, versicherte sie und lächelte, während sie zu ihm hinüberging. »Vielen Dank für Ihre Rücksichtnahme.«

»Es war mir ein Vergnügen«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln, dann bot er ihr den Arm an. »Sollen wir auf den Empfang zurückkehren?«

»Ja, gewiss«, sagte sie und ergriff seinen Arm.

Und hoffen wir, dass sich alle gut amüsieren, dachte sie, als sie an den wachsamen Wächtern vorbeigingen. Dies ist nämlich die letzte Party, die Glovstoak jemals geben wird.

3

Wie üblich erwies sich Marcross’ Information als zutreffend. Sechs Tage nach dem Teardrop-Massaker traf die ISB-Taktikeinheit an Bord der Reprisal ein.

Und sie marschierten in großer Zahl auf: Zehn volle Bataillone, einschließlich Offiziere, Trooper, Droiden, ja, sie hatten sogar ihr eigenes Aufklärungsanalyseteam dabei. Noch mehr beunruhigten LaRone allerdings die beiden Schwadrone Sturmtruppler, die sie begleiteten.

»Was bedeutet, dass sie bei allem, was sie tun – eine weitere Stadt in Schutt und Asche legen oder noch Schlimmeres –, unsere Rüstung tragen, was wiederum heißt, dass dem gesamten Sturmtruppenkorps die Schuld dafür in die Schuhe geschoben wird«, warnte er Quiller und Grave, als die drei vom Aussichtsdeck aus in Hangarbucht 5 hinabblickten. Die ISB-Leute hatten eine sonderbare Mischung aus Raumfahrzeugen mitgebracht, von leichten Frachtraumern über alte, überholte Militärtransporter bis hin zu einer heruntergekommenen Vergnügungsyacht.

»Nicht, dass man uns nicht ohnehin die Schuld für alles in die Schuhe schieben würde«, fügte Quiller mit einem Anflug von Bitterkeit hinzu. »Was dazu führt, dass immer nur die harten Jungs zu uns kommen.«

»Und was wiederum dazu führt, dass wir die Besten des Imperiums sind«, hielt Grave mit einem gewissen Stolz dagegen. »Wir haben mit Sicherheit bessere Transporter als diese Lachnummern.«

»Meinst du etwa die da?«, fragte Quiller und deutete auf die Ansammlung von Schiffen unter ihnen. »Lass dich bloß nicht täuschen, Kumpel, nicht eine Sekunde lang. Dieser Suwantek TL-1800 zum Beispiel – siehst du diese gewellten Markierungen auf den Triebwerkstutzen?«

»Welches der Schiffe meinst du?«, fragte LaRone und runzelte angesichts der ungewohnten Bauweise der meisten Raumfahrzeuge die Stirn.

»Ich rede von diesem flachen, eckigen Ding mit den überdimensionalen Sublichttriebwerken.« Quiller zeigte darauf. »Normalerweise ist der 1800er Frachter ein echter Schrotthaufen – er fällt vielleicht nicht gleich auseinander, aber er ist langsam, schlecht bewaffnet und hat bloß mickrige Schilde. Der Navigationscomputer hat auch oft ’ne Macke.«

»Klingt, als wär’s genau das Richtige für das ISB«, murmelte Grave. »Lassen wir diese Typen einfach machen und warten wir, bis sie wieder verschwinden.«

»Wie ich schon sagte, lass dich nicht täuschen«, sagte Quiller. »Diese Triebwerke wurden vom Imperialen Zentrum vermutlich auf sechs verschiedene Arten verbessert, und die Chancen stehen gut, dass dies auf alles, was sich unter der Panzerung verbirgt, ebenfalls zutrifft. Dasselbe gilt für den Rest der Schiffe.«

»Glaubst du, die laufen unter falschen Kennungen?«, fragte LaRone.

Quiller schnaubte. »Wahrscheinlich haben die jede Menge davon. Wir sind vielleicht die Besten des Imperiums, aber man weiß nie, wann das ISB sein Grabbeltischdasein hinter sich lässt.«

»Haben Sie ein Problem mit dem ISB, Soldat?«, verlangte eine tiefe Stimme hinter ihnen zu wissen.

LaRone spürte, wie sich sein Magen verknotete. Es war Major Drelfin, der ISB-Mann, der das Massaker auf Teardrop befohlen hatte.

»Nein, Sir, nicht im Geringsten«, versicherte Quiller hastig.

»Gut zu hören«, sagte Drelfin, der näher auf sie zutrat; seine Hand lag auf dem Griff seines gehalfterten Blasters. »Und jetzt haben Sie genau fünf Sekunden Zeit, mir zu sagen, was Sie in einer Sperrzone zu suchen haben.«

»Wir sind imperiale Sturmtruppler, Sir«, erklärte LaRone, darum bemüht, seiner Stimme das richtige Maß an militärischem Respekt zu verleihen. »Wir haben überall an Bord des Schiffs Zutritt.«

»Schau an.« Drelfins Blick glitt über LaRones Tarnanzug. »Und warum sind Sie dann nicht in Rüstung?«

»Man hat uns in dieser Hinsicht einen gewissen Ermessensspielraum eingeräumt, Sir«, sagte LaRone, seine Worte mit Bedacht wählend. Die Vorschriften besagten unmissverständlich, dass Sturmtruppler außerhalb ihres Kasernensektors immer in Rüstung zu sein hatten. Doch Captain Ozzel missfiel es ohnehin, dass sie überhaupt an Bord waren, und er mochte es ganz und gar nicht, wenn die Männer auch noch in ihrer Freizeit in Kampfmontur umherspazierten. Und da sich die Sturmtruppen-Kommandanten ihrerseits geweigert hatten, ihre Männer in den Kasernen einzusperren, wenn sie außer Dienst waren, war man zu einer eher inoffiziellen Übereinkunft gelangt.

»Wer hat Ihnen diese Erlaubnis erteilt?«, verlangte Drelfin zu wissen. »Ihr Lieutenant? Ihr Major?«

»Gibt es hier ein Problem, Major?«, sagte eine neue Stimme vom anderen Ende des Aussichtsdecks.

LaRone drehte sich um und sah, wie Marcross und Brightwater auf sie zukamen; Letzterer hatte einen Putzlappen in die Tasche seines Arbeitsanzugs gestopft und Schmierfettflecken an den Händen.

»Was ist das hier? Ein Treffpunkt für den Kiddie-Klub?«, knurrte Drelfin. »Identifizieren Sie sich.«

»Sturmtruppler TKR 175«, sagte Marcross, und in seiner Stimme lag sowohl ein Anflug von Stolz als auch von Provokation. »Das ist TBR 479.«

»Ebenfalls nicht in Rüstung, wie ich sehe«, grollte Drelfin. »Und allem Anschein nach ebenfalls unter Missachtung der Vorschriften in Bezug auf Sperrzonen.«

Er richtete seinen starrenden Blick wieder auf LaRone. »Oder liegt das bloß daran, dass ihr Grenzweltrekruten die Vorschriften überhaupt nicht lesen könnt?«

»Wie ich schon sagte, Sir …«, begann LaRone.

»… sind Sie nicht der Ansicht, sich an Vorschriften halten zu müssen«, brachte Drelfin den Satz sarkastisch zu Ende. »Ich hoffe, jetzt wissen Sie es besser!«

»Ja, Sir«, sagte Brightwater. Er berührte LaRone am Arm. »Komm, LaRone. Du kannst mir dabei helfen, die Steuerruder meines Speeders auszutauschen.«

»LaRone?«, wiederholte Drelfin, und unversehens klang seine Stimme sonderbar. »Daric LaRone? TKR 330?«

LaRone warf Marcross einen raschen Blick zu, und ihm entging nicht, wie der andere auf einmal die Stirn furchte. »Ja, Sir«, sagte er.

»Soso«, sagte Drelfin leise. Ohne Vorwarnung zog er seinen Blaster. »Ich habe mir die Aufzeichnungen der Teardrop-Operation angesehen«, fuhr er fort, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich unheilvolle Runzeln, als er die Waffe auf LaRones Bauch richtete. »Man hat Ihrer Einheit befohlen, einige Rebellensympathisanten zu exekutieren. Sie haben absichtlich vorbeigeschossen!«

LaRone spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog. Also war seine mangelnde Zielgenauigkeit an diesem Tag sehr wohl jemandem aufgefallen. Das war nicht gut. »Das waren unbewaffnete Zivilisten, die keinerlei Bedrohung darstellten«, verteidigte er sich. »Wenn es Anklagen oder Verdachtsmomente gegen sie gab, hätte man sie verhaften und vor Gericht stellen müssen.«

»Das waren Rebellensympathisanten!«

Quiller trat einen Schritt vor. »Sir, wenn Sie sich über diesen Mann beschweren wollen …«

»Halten Sie sich da raus, Sturmtruppler!«, schnappte Drelfin. »Sie haben schon genug Schwierigkeiten.«

»Was für Schwierigkeiten?«, fragte Marcross.

»Sie tragen keine Rüstung, Sie befinden sich ohne Autorisierung in einer Sperrzone.« Drelfin nickte in LaRones Richtung. »Und Sie sind offensichtlich mit einem Verräter befreundet.«

»Was?«, brauste Grave auf. »Das ist lächer…«

»Mit allem gebotenen Respekt, Major, TKR 2014 hat recht«, schnitt Marcross ihm das Wort ab. »Die Vorschriften verlangen, dass eine Anschuldigung von solcher Schwere unverzüglich dem ranghöchsten Sturmtruppenoffizier mitgeteilt wird.«

»Lassen Sie mich Ihnen etwas erklären, TKR 175«, knurrte Drelfin. »Wir sind vom Imperialen Sicherheitsbüro. Was wir sagen, ist Pflicht! Was wir entscheiden, ist Vorschrift! Was wir tun, ist Gesetz!«

»Und wen immer Sie tot sehen wollen, wird erschossen?«, hielt LaRone dagegen.

»Also verstehen Sie es doch«, sagte Drelfin, und seine Mundwinkel bogen sich einem Totenschädellächeln gleich nach oben. »Ich hatte bei dieser Operation das Kommando, was bedeutet, dass ich entscheide, wie jetzt mit Ihnen zu verfahren ist. Nicht Ihr Lieutenant, nicht Ihr Major und mit Sicherheit nicht Ihr beschränkter Captain Ozzel!«

Er trat vor und presste die Mündung seines Blasters gegen LaRones Stirn. Beiläufig fiel LaRone das fremdartige Design der Waffe auf: Groß und fies, mit einer seltsam aussehenden Modifikation am Ende des Laufs. »Und wenn ich beschließe, Sie kurzerhand wegen Hochverrats zu exekutieren …« Sein Finger am Abzug straffte sich merklich.

In einem kleinen Teil seines Verstands wusste LaRone, dass Drelfin bluffte. Er spielte mit seinem Opfer wie bei einem dieser makabren Spiele, die diese engstirnigen, sadistischen kleinen Männer so sehr genossen.

Aber LaRone war ein imperialer Sturmtruppler, unbarmherzig in den Künsten des Kampfes und des Überlebens gedrillt, und diese tief verwurzelten Reflexe wussten nichts von irgendwelchen ISB-Psychospielchen. Seine linke Hand schnellte wie von selbst nach oben, hieb gegen Drelfins Handgelenk und schlug den Blaster von seiner Stirn weg.

Das war vermutlich das Letzte, womit Drelfin gerechnet hatte. Die Wucht des Hiebs ließ ihn taumeln, während er einen Fluch knurrte und versuchte, seine Waffe wieder auf sein Ziel zu richten. Doch im selben Moment griff LaRones rechte Hand nach oben, packte das andere Handgelenk und verpasste Drelfin einen weiteren Stoß. Für einen einzigen nervenaufreibenden Sekundenbruchteil zielte der Blaster erneut auf LaRones Gesicht, dann glitt der Lauf aufgrund der zu heftigen Bewegung zur Seite und schwang an LaRone vorbei. Der verlagerte sein Gewicht auf seinen rechten Fuß und wirbelte einmal halb um sich selbst, ohne das Handgelenk des Majors loszulassen, und eine Sekunde später hockte er auf Drelfin, drehte ihm den Arm um und sorgte dafür, dass der Blaster ungefährlich zur Decke zeigte. »Wie war das, dass die Launen des ISB Gesetz sind?«, zischte er.

»LaRone, bist du wahnsinnig?«, keuchte Brightwater mit hervorquellenden Augen.

»Vielleicht«, sagte LaRone. Sein Zorn verflog, und zu seiner Bestürzung erkannte er, dass Brightwater recht hatte. Wenn er vorher nicht in Schwierigkeiten gesteckt hatte, tat er es nun mit Sicherheit. »Aber das wird sich bei einem rechtmäßigen Verfahren zeigen«, fügte er hinzu. Er griff nach oben, wand den Blaster aus Drelfins Griff und ließ dann seinen Arm los.

Drelfin kam wieder hoch und starrte LaRone mit einem Blick an, der so durchdringend war wie eine Vibroklinge. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt, während er lautlos Flüche ausstieß.

Seine linke Hand umklammerte einen kleinen, versteckten Blaster.

Und diesmal, das wusste LaRone, war es kein Spiel. Ein schwacher Lichtblitz zuckte, ein gedämpfter Schuss und …

Ohne einen Laut brach Drelfin reglos auf dem Deck zusammen.

Für einen langen, erstarrten Moment rührte sich keiner oder sagte ein Wort. LaRone starrte auf den zusammengekrümmten Leichnam, dann auf den Blaster, den der Major noch immer in der Hand hielt, und sein Verstand mühte sich ab, zu begreifen, was seine Augen ihm zeigten. Nein, das konnte nicht stimmen – es war nicht so abgelaufen, wie er glaubte. Der Major musste einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erlitten haben, oder womöglich war er aus einem Versteck heraus von irgendeinem Unbekannten erschossen worden. Verdammt noch mal, das hatte nicht einmal nach einem echten Blasterschuss geklungen!

»O nein«, murmelte Brightwater wie betäubt.

LaRone schluckte schwer – und zugleich platzte die Seifenblase mit all diesen wilden Spekulationen, und die kalte Realität spülte über ihn hinweg. Daric LaRone, der all diese hochtrabenden Floskeln über Pflicht und Ehre im Kopf hatte, hatte gerade kaltblütig einen Mann erschossen.

Nein, nicht einfach nur einen Mann. Einen Offizier. Einen ISB-Offizier.

Und in diesem zweiten erstarrten Moment wusste er, dass er tot war.

Die anderen wussten es ebenfalls. »Es war Notwehr«, sagte Quiller, und seine Stimme zitterte auf eine Art und Weise, wie LaRone es bei ihm selbst in den ausweglosesten Gefechtssituationen noch nie gehört hatte. »Ihr habt es alle gesehen. Drelfin hat zuerst gezogen.«