Star Wars™ Kenobi - John Jackson Miller - E-Book

Star Wars™ Kenobi E-Book

John Jackson Miller

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Beschreibung

Bei den Einheimischen des rauen Wüstenplaneten Tatooine gilt Ben als Einzelgänger und Außenseiter. Da eskaliert der Streit zwischen den Stadtbewohnern und einem Stamm von Sandleuten. Plötzlich findet er sich mitten in einem Kampf wieder, der seine eigentliche Mission auf dem Wüstenplaneten gefährdet. Ben – oder besser Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi, Held der Klonkriege und Verräter des Imperiums – bleibt nichts anderes übrig, als sich mit unwahrscheinlichen Verbündeten unter den Einheimischen zusammenzutun, um in der Wüste Tatooines für Gerechtigkeit zu sorgen. Selbst, wenn er dabei seine Tarnung als Einsiedler aufs Spiel setzen muss!

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Seitenzahl: 645

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John Jackson Miller

KENOBI

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

Die amerikanische Originalausgabe erschien

unter dem Titel »Star Wars™ Kenobi«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung September 2015

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Copyright © 2013 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved.

Translation Copyright © 2015 by Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Melanie Miklitza, Inkcraft,

nach einer Originalvorlage

Cover Art Copyright: © 2014 by Lucasfilm Ltd.

Jacket design: Scott Biel

Jacket illustration: Chris McGrath

Redaktion: Rainer Michael Rahn

ue · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-641-14916-1

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www.blanvalet.de

Für Kathy, die dafür gesorgt hat,

dass ihr kleiner Bruder den Film sehen durfte

Dramatis Personae

ANNILEEN CALWELL; Ladenbesitzerin

ORRIN GAULT; Feuchtfarmer und Unternehmer

A’YARK; Tusken-Kriegshäuptling

KALLIE CALWELL; Annileens Tochter

JABE CALWELL; Annileens Sohn

MULLEN GAULT; Orrins Sohn

VEEKA GAULT; Orrins Tochter

WYLE ULBRECK; Feuchtfarmer

LEELEE PACE; zeltronische Handwerkerin

BEN KENOBI; Neuankömmling

Es war einmal vor langer Zeit

in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Bis die Zeit ist reif, verschwinden wir werden.

– YODA

Dunkelheit hat sich über die Galaxis gesenkt. Der Imperator hat die Kontrolle über die Galaktische Republik an sich gerissen, unterstützt von Anakin Skywalker, einst strahlendster aller Jedi-Ritter, betraut mit der Aufgabe, die Hilflosen zu schützen. Der Dunklen Seite der mystischen Macht verfallen, ist Anakin nunmehr der skrupellose Vollstrecker des Imperators, besser bekannt als Darth Vader.

Doch die Hoffnung lebt weiter: in Gestalt von Anakins neugeborenem Sohn – beschützt von Skywalkers Freund und ehemaligem Mentor Obi-Wan Kenobi, der mit dem Baby zu der abgelegenen Welt Tatooine flieht. Dorthin, wo Anakins Untergang Jahre zuvor seinen Anfang nahm, als er einen Stamm eingeborener Tusken-Räuber abschlachtete.

Kenobi, der nichts von jenem Ereignis weiß – und weiterhin der Ansicht ist, Anakin in ihrem verzweifelten Duell getötet zu haben –, widmet sich seiner neuen Aufgabe, aus der Ferne über das Kind und seine Adoptivfamilie, das Ehepaar Lars, zu wachen. Gleichwohl, jemandem, der es gewohnt ist zu handeln, fällt es nicht leicht, sich zu verstecken, und auch in der Wüste Tatooines gibt es einige, die der Hilfe eines Jedi bedürfen …

Prolog

»Sie sollten jetzt wirklich nach Hause gehen, Sir.«

Wyle Ulbreck erwachte und blickte in sein leeres Glas. »Was sagst du da?«

Der grünhäutige Schankwirt gab dem Menschen einen Klaps auf die Schulter. »Ich sagte, es ist Zeit, dass Sie nach Hause gehen, Master Ulbreck. Sie hatten genug.«

»Das meine ich nicht«, erwiderte Ulbreck, während er sich den Schlaf aus den blutunterlaufenen Augen rieb. »Du hast mich ›Sir‹ genannt.« Er musterte den Wirt argwöhnisch. »Bist du echt – oder ein Droide?«

Sein Gegenüber seufzte und zog die Schultern hoch. »Dieses Thema schon wieder? Ich habe es Ihnen vorhin bereits erklärt. Meine Augen sind groß und rot, weil ich ein Duros bin. Ich habe Sie so genannt, weil ich höflich bin. Und ich bin höflich, weil ich kein alter Feuchtfarmer bin, der nach all den Jahren draußen in der Wüste den Verstand …«

»Weißt du«, unterbrach ihn der Mann mit dem weißen Bart, »ich mache nämlich keine Geschäfte mit Droiden. Droiden sind Diebe, und zwar allesamt.«

»Warum sollte ein Droide stehlen?«

»Um die Beute anderen Droiden zu geben«, erklärte Ulbreck, dann schüttelte er den Kopf. Offensichtlich war der Wirt ein Trottel.

»Was sollte …«, setzte der Duros an. »Ach, schon gut«, brach er dann ab, während er nach der Flasche griff und das Glas des alten Farmers füllte. »Ich werde nicht mehr versuchen, mit Ihnen zu reden. Trinken Sie.«

Genau das tat Ulbreck auch.

Soweit es ihn betraf, gab es nur ein Problem in der Galaxis: die Leute. Die Leute und die Droiden. Gut, das waren zwei Dinge – aber andererseits, wäre es nicht falsch, die Probleme der Galaxis auf eine Sache begrenzen zu wollen? Das war doch nicht fair, oder? Jedenfalls empfand der alte Mensch normalerweise so, sogar wenn er nüchtern war. Während seiner sechzig Jahre als Feuchtfarmer hatte Ulbreck zahllose Theorien über das Leben aufgestellt. Doch da er einen Großteil der frühen Jahre allein gearbeitet hatte – seltsam, dass selbst die Farmhelfer einen Bogen um ihn machten –, hatten sich diese Gedanken aufgetürmt, ohne ausgesprochen worden zu sein.

Doch dafür gab es schließlich Besuche in der Stadt: Das waren für Ulbreck die Gelegenheiten, die Weisheit eines Lebens mit anderen zu teilen. Jedenfalls, wenn er nicht gerade von diabolischen Droiden ausgeraubt wurde, die vorgaben, sie wären grüne Schankwirte.

Eigentlich war Droiden der Zutritt zu Junix’ Kneipe verboten – das stand jedenfalls auf dem uralten Schild vor dem Eingang der Bar in Anchorhead. Wer immer Junix gewesen sein mochte, er war schon lange tot und unter dem Sand von Tatooine begraben, doch seine Kneipe hatte überlebt: eine nur spärlich erhellte Spelunke, wo der Zigarra-Rauch kaum den Gestank der Farmer überdecken konnte, die den ganzen Tag in der Wüste geschuftet hatten. Ulbreck kam nur selten hierher, da er für gewöhnlich eine Oasen-Bar in der Nähe seiner Farm bevorzugte. Aber da er schon einmal in Anchorhead war, um einen Verkäufer von Evaporatorteilen zu besuchen, hatte er hier einen Zwischenstopp eingelegt, um seine Feldflasche aufzufüllen.

Jetzt, ein halbes Dutzend Lum-Biere später, begann Ulbreck, an sein Zuhause zu denken. Seine Frau wartete dort auf ihn, und er wusste, dass er sich besser auf den Weg machen sollte. Andererseits: Seine Frau wartete dort auf ihn, und das war Grund genug hierzubleiben. Er und Magda hatten heute Morgen einen schrecklichen Streit wegen ihres Streits vom Vorabend gehabt, worum auch immer es dabei gegangen war. Ulbreck konnte sich nicht mehr erinnern, und er war glücklich darüber.

Doch er war ein wichtiger Mann, und die vielen Leute, die für ihn arbeiteten, würden ihn bis auf das letzte Hemd ausrauben, wenn er zu lange fortblieb. Durch einen Schleier blickte er auf das Chrono an der Wand. Dort standen Zahlen, ein paar von ihnen auf dem Kopf, wie es schien. Und sie tanzten. Ulbreck verzog das Gesicht. Er hatte nicht viel fürs Tanzen übrig. Mit surrenden Ohren rutschte er von seinem Barhocker, entschlossen, diesen Zahlen zu sagen, was er von ihnen hielt.

In diesem Moment wurde er vom Boden angegriffen. Schnell und hinterhältig sprang er Ulbreck an, offenbar in der Absicht, ihm ins Gesicht zu schlagen, wenn er nicht hinsah.

Beinahe hätte er damit Erfolg gehabt, wäre da nicht eine Hand gewesen, die Ulbreck auffing.

»Vorsicht«, sagte der Besitzer der Hand.

»Ich kenne dich nicht«, brummte Ulbreck.

»Ja«, erwiderte der bärtige Mensch, während er dem alten Farmer zurück auf seinen Hocker half. Anschließend entfernte er sich ein paar Schritte, um die Aufmerksamkeit des Wirts zu erregen.

Wie Ulbreck nun sehen konnte, hatte der in Braun gekleidete Mann etwas in der Hand – eine Art Bündel. Erschrocken blickte der Farmer sich nach seinem eigenen Bündel um, in der Furcht, es könnte ihm gestohlen worden sein; dann fiel ihm ein, dass er nie ein Bündel gehabt hatte.

»Das ist keine Kinderkrippe«, erklärte der Wirt dem Fremden, auch wenn Ulbreck die Gründe dafür schleierhaft blieben.

»Ich brauche nur eine Wegbeschreibung«, sagte der Mensch mit der Kapuze.

Der alte Farmer konnte viele Wege beschreiben. Er hatte lange genug auf Tatooine gelebt, um zahlreiche Orte zu besuchen, und auch wenn er die meisten von ihnen hasste und nie wieder dorthin zurückkehren wollte, rühmte er sich doch damit, die besten Abkürzungen zu diesen Plätzen zu kennen. Er war sicher, dass er dem Fremden besser den Weg weisen konnte als dieser Droide, der behauptete, ein Duros zu sein; also stand er auf, um sich einzumischen.

Diesmal konnte er sich selbst an der Theke festhalten.

Misstrauisch blickte er zu dem Glas auf dem Tresen zurück. »Mit dem Bier stimmt was nicht«, wandte er sich an den Wirt. »Du … du hast …«

Der Neuankömmling schob sich vorsichtig dazwischen. »Sie wollen sagen, dass das Bier verwässert ist?«

Der Wirt blickte den Gast mit der Kapuzenrobe an und schmunzelte. »Sicher, wir benutzen die kostbarste Flüssigkeit auf Tatooine, um unser Bier zu panschen. So sparen wir wahnsinnig viele Credits.«

»Das habe ich nicht gemeint«, entgegnete Ulbreck. Er versuchte sich zu konzentrieren. »Du hast was in das Bier gemischt, um mich zu betäuben. Damit du mein Geld nehmen kannst. Ich kenne euch Stadttypen.«

Der Schankwirt schüttelte seinen kahlen Kopf und warf einen Blick über die Schulter zu seiner ebenso kahlen Frau, die am Spülbecken Gläser wusch. »Wir können dichtmachen, Yoona. Man ist uns auf die Schliche gekommen.« Er wandte sich wieder zu dem kapuzenverhüllten Fremden um. »Seit Jahren haben wir die Leichen unserer Kunden im Hinterzimmer gestapelt – aber ich schätze, damit ist es jetzt vorbei.«

»Ich werde es niemandem verraten«, erwiderte der Neuankömmling mit einem Lächeln. »Falls Sie mir im Gegenzug eine Wegbeschreibung geben können. Und ein Glas blaue Milch, sofern Sie welche haben.«

Ulbreck wunderte sich gerade, worum es bei diesem Wortwechsel wohl gegangen war, als das Gesicht des Wirts einen besorgten Ausdruck annahm. Der alte Farmer drehte sich um und sah mehrere junge Menschen durch den Eingang treten. Selbst seine getrübten Augen erkannten in dem fluchenden und lachenden Haufen eine Bande betrunkener Unruhestifter.

Die beiden Mittzwanziger waren die Geschwister Gault, Mullen und Veeka, die nichtsnutzigen Sprösslinge von Ulbrecks größtem Rivalen aus dem Westen, Orrin Gault. Ihre Spießgesellen durften natürlich auch nicht fehlen: Zedd Grobbo, der große Schläger, der mehr stemmen konnte als ein Verladedroide; und, knapp halb so groß wie er, der junge Jabe Calwell, Sohn eines Nachbarn von Ulbreck.

»Schaff den Jungen hier raus«, rief der Wirt, als er den Jugendlichen hinter den anderen sah. »Ich hab’s gerade einem anderen erklärt: Die Kinderkrippe ist zwei Häuser weiter.«

Nach diesen Worten hörte der Farmer hämische Pfiffe aus den Reihen der Raufbolde – und ihm fiel auf, dass sein Wohltäter sich von den Störenfrieden abwandte, sodass sie sein Bündel nicht sehen konnten. Veeka Gault schob sich an Ulbreck vorbei und griff nach einer Flasche hinter der Theke, aber anstatt zu bezahlen, bedachte sie den Duros nur mit einer obszönen Geste.

Ihre Freunde hatten sich derweil ein wehrloses Opfer gesucht: Yoona, die Frau des Wirts. Zedd packte die nervöse Duros, die gerade ein Tablett mit leeren Krügen auf den Armen trug, und wirbelte sie zum Spaß um die eigene Achse, sodass die Gläser in alle Richtungen davonflogen. Eines von ihnen traf den Kopf eines struppigen Gastes, der an einem nahen Tisch saß.

Der Wookiee richtete sich zu voller Größe auf, um lautstark seinen Unmut kundzutun. Ulbreck hatte schon die letzten Generationen der Gaults nicht ausstehen können, und er wollte sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, auch dieser jüngsten die Meinung zu sagen. Also stolperte er zu einem Tisch in der Nähe der Gruppe hinüber, bereit, ihnen den Kopf zu waschen. Doch der Wookiee hatte natürlich das Vorrecht, außerdem kippte der Tisch, an den er sich lehnte, ohnehin um, also beschloss er, sich die Sache erst mal vom Boden aus anzusehen. Er hörte ein raschelndes Geräusch und nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie die Frau des Wirts sich neben ihm zusammenkauerte.

Der Wookiee verpasste Zedd einen Schlag mit dem Handrücken und beförderte ihn damit quer durch den Raum – zum Glück wurde seine Landung durch den Tisch einiger Gäste abgemildert, bei denen es sich ganz sicher um Diebe handelte, auch wenn es keine Droiden waren. Ulbreck hatte die grünhäutigen, langrüsseligen Rodianer schon den ganzen Nachmittag und Abend im Auge behalten und sich gefragt, wann sie wohl anfangen würden, ihn zu belästigen. Er erkannte die Schläger von Jabba dem Hutten, wenn er sie sah. Jetzt, wo ihr Tisch sich in seine Bestandteile aufgelöst hatte, regten sie sich schließlich. Ihre Stühle kippten um, als sie aufsprangen und nach ihren Blastern griffen.

»Keine Blaster!«, hörte Ulbreck den Wirt kreischen, als die anderen Gäste auf den Ausgang zustürmten. Nicht dass der Ausruf einen Erfolg gezeitigt hätte. Die Gaults hatten ihre Pistolen bereits gezückt, als ihr Kumpan von dem Wookiee zur Seite gefegt worden war, und nun, als sie sich von vorrückenden Gegnern in die Zange genommen sahen, eröffneten sie das Feuer auf die Rodianer. Der junge Jabe hätte vermutlich ebenfalls seine Waffe benutzt, hätte der Wookiee ihn da nicht bereits vom Boden hochgehoben. Der Hüne hielt den heulenden Jüngling in die Höhe, bereit, ihn gegen die Wand zu schleudern.

Der bärtige Neuankömmling kniete sich neben Ulbreck und beugte sich zu der Duros-Frau hinüber. »Wenn Sie kurz darauf aufpassen würden«, sagte er, und kaum dass er ihr sein Bündel überreicht hatte, stürzte er sich auch schon ins Geschehen.

Der alte Farmer richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Handgemenge. Über ihm warf der Wookiee Jabe gerade gegen die Wand, aber aus irgendeinem Grund prallte der Junge nie dagegen; während Ulbreck den Hals streckte, um besser sehen zu können, wirbelte Jabes um sich tretender Körper in einem unnatürlichen Bogen durch die Luft und landete hinter der Bar.

Verwirrt drehte der Farmer den Kopf, um sich zu vergewissern, ob Yoona das auch gesehen hatte. Doch sie war vor Angst wie erstarrt, ihre Augen fest zusammengekniffen. Erst als ein Blasterschuss dicht neben ihnen in den Boden fuhr, klappten ihre Lider hoch. Mit einem Schrei drückte sie Ulbreck das Bündel in die Hände und kroch davon.

Der alte Mann richtete seine eigenen angsterfüllten Augen wieder auf den Kampf; er war sicher, dass der Wookiee den jungen Jabe zu Brei schlagen würde. Doch stattdessen erblickte er den kapuzenverhüllten Menschen, der Jabes Blaster hielt und damit zur Decke hoch zielte. Er feuerte einen Schuss auf die Leuchtkugel über ihren Köpfen ab, und eine Sekunde später breitete sich Dunkelheit in Junix’ Kneipe aus.

Doch keine Stille. Erst war da das Heulen des Wookiees, dann folgten Blasterschüsse und zersplitterndes Glas, schließlich erklang ein seltsames, summendes Geräusch, sogar noch lauter als das Summen in Ulbrecks Ohren. Er hatte Angst, hinter der Ecke des umgekippten Tisches hervorzuspähen, der ihm Deckung bot, aber schließlich tat er es doch. Vage konnte er die Silhouette des Kapuzenträgers ausmachen, erhellt von einem Wirbel blauen Lichts – und orangefarbenen Blasterstrahlen, die mitten in der Luft die Richtung zu ändern schienen und harmlos in die Wände fuhren. Dunkle Gestalten huschten auf ihn zu – waren es kriminelle Rodianer? –, doch dann trat der Mensch vor, und sie wichen schreiend zurück.

Zitternd zog Ulbreck den Kopf wieder hinter den Tisch zurück.

Schließlich wurde es doch still; so still, dass der Farmer nur noch das leise Rascheln in dem Bündel auf seinem Schoß hören konnte. Er tastete nach der kleinen Arbeitslampe in seiner Weste, aktivierte sie und blickte auf die Stoffdecke hinab.

Ein winziges Baby mit einer Strähne blonden Haares gluckste ihn an.

»Hallo«, sagte er, da er keine Ahnung hatte, was er sonst sagen sollte.

Das Kleinkind gurrte.

Der bärtige Mann tauchte an Ulbrecks Seite auf. Von unten durch die Arbeitslampe beleuchtet, wirkte er geradezu gütig und nicht im Mindesten erschöpft von dem, was er gerade getan hatte – was immer das auch gewesen sein mochte.

»Danke«, sagte er, während er das Kind wieder auf seinen Arm bettete. »Entschuldigen Sie. Kennen Sie vielleicht den Weg zur Heimstatt von Owen Lars?«

Der Farmer kratzte am Bart. »Tja, also, es gibt vier oder fünf Wege dorthin. Lass mich kurz überlegen, wie ich es dir am besten beschreibe …«

»Schon gut«, erwiderte der Mann. »Ich finde es schon.« Damit verschwanden er und das Baby in der Dunkelheit.

Ulbreck erhob sich und leuchtete mit der Lampe umher.

Da lag der Tunichtgut Mullen Gault, der gerade von seiner ebenso nutzlosen Schwester wiederbelebt wurde, und dort drüben humpelte Jabe auf den offenen Ausgang zu. Draußen konnte Ulbreck gerade noch den Wookiee erkennen; augenscheinlich rannte er hinter Zedd her. Der Wirt schließlich kauerte im hinteren Teil des Raumes und versuchte, seine Frau zu beruhigen.

Jabbas Handlanger lagen tot auf dem Boden.

Der alte Farmer sackte wieder zurück und lehnte sich gegen die Theke. Was war hier geschehen? Hatte der Fremde die Kerle allein ausgeschaltet? Ulbreck konnte sich nicht erinnern, eine Waffe bei ihm gesehen zu haben. Dazu noch die Sache mit Jabe, der scheinbar einen Moment lang in der Luft gehangen hatte, bevor er hinter der Bar auf den Boden gefallen war. Und was hatte es mit diesem verfluchten, wirbelnden blauen Licht auf sich gehabt?

Er schüttelte seinen schmerzenden Kopf, und der Raum drehte sich leicht um ihn. Nein, er war betrunken; er konnte seinen getrübten Augen nicht trauen. Niemand würde sich mit Jabbas Leuten anlegen, und niemand würde ein Baby zu einer Kneipenschlägerei mitbringen. Jedenfalls nicht, wenn er auch nur einen Funken Anstand besaß – und schon gar nicht, wenn es sich um einen Heldentypen handelte.

»Die Leute taugen einfach nichts mehr«, sagte er, an niemanden im Bestimmten gerichtet. Danach schlief er ein.

Meditation

Das Päckchen ist überbracht.

Ich hoffe, Ihr könnt meine Gedanken lesen, Meister Qui-Gon: Ich habe Eure Stimme seit jenem Tag auf Polis Massa nicht mehr gehört, als Meister Yoda mir erzählte, ich könnte durch die Macht mit Euch kommunizieren. Ihr wisst sicher noch, dass wir beschlossen, Anakins Sohn zu seinen Verwandten zu bringen, damit er dort aufwachsen kann. Diese Mission ist nun vollbracht.

Es fühlt sich merkwürdig an, hier zu sein, an diesem Ort und unter diesen Umständen. Vor Jahren brachten wir einen Jungen von Tatooine fort, glaubten in ihm die größte Hoffnung für die Galaxis zu sehen. Nun habe ich ein Kind hierher zurückgebracht – in derselben Hoffnung. Ich wünsche nur, dass es diesmal besser läuft. Denn der Weg, der an diesen Punkt geführt hat, war erfüllt von Schmerz, für die gesamte Galaxis, für meine Freunde – und für mich.

Ich kann noch immer nicht fassen, dass der Jedi-Orden nicht mehr existiert. Dass die Geschichte der nunmehr verdorbenen Republik in den Händen von Palpatine liegt. Und, dass Anakin ebenfalls verdorben wurde. Die Holovids, die zeigen, wie er die Jünglinge im Tempel niedergestreckt hat, verfolgen mich noch immer in meinen Träumen … und zerschmettern mein Herz jedes Mal aufs Neue.

Doch nach dem grauenvollen Tod dieser Kinder könnte es ein Kind sein, das neue Hoffnung bringt. Wie ich schon sagte: Das Päckchen ist überbracht. Nun stehe ich neben meinem Reittier – einem tatooinischen Eopie – auf einem Dünenkamm und blicke zurück zur Heimstatt der Lars-Familie. Owen und Beru stehen draußen und halten das Baby. Das letzte Kapitel ist abgeschlossen; ein neues hat begonnen.

Ich werde mir einen Ort in der Nähe suchen, auch wenn Owen vermutlich verlangen wird, dass ich nach einem weiter entfernten Zuhause Ausschau halte, wenn er merkt, dass ich länger hierbleibe. Vielleicht ist das ohnehin das Beste. Selbst in einer so abgelegenen Gegend wie dieser scheine ich Ärger anzuziehen. Gestern gab es einen kleinen Zwischenfall in Anchorhead – und davor an einem der Raumhäfen, wo ich auf der Reise hierher umgestiegen bin. Zum Glück ging es dabei nie wirklich um mich oder um den Grund meines Hierseins, aber ich kann es mir nicht länger leisten, als Obi-Wan Kenobi auf solche Situationen zu reagieren. Ich kann mein Lichtschwert nicht einsetzen, ohne dass jeder denkt: »Jedi-Ritter«. Selbst auf Tatooine wird jeder diese Waffe erkennen!

Danach muss ich mich richten. Von nun an werde ich mich nur um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und mich von jedem Ärger fernhalten, solange es nötig ist. Ich kann nicht den Jedi für diese Welt spielen und gleichzeitig versuchen, andere Welten zu retten. Ein Leben in Abgeschiedenheit ist die einzige Lösung.

In der Stadt – selbst an einem Ort wie Anchorhead – schreitet das Leben zu schnell voran. In der Ödnis hingegen sieht die Sache anders aus. Ich kann bereits spüren, dass die Zeit hier anders verstreicht, im Rhythmus der Wüste.

Ja, ich denke, mein Dasein hier wird sich verlangsamen, weit von allem und jedem entfernt, und nur meine Schuldgefühle werden mir Gesellschaft leisten.

Gäbe es doch einen Ort, wo ich mich vor denen verstecken kann.

Teil I

Die Oase

1. Kapitel

Alles wirft zweierlei Schatten.

Das hatten die Sonnen im Morgengrauen der Schöpfung so entschieden. Sie waren Geschwister, bis die jüngere Sonne dem Stamm ihr wahres Gesicht zeigte. Eine Sünde, auf welche die ältere Sonne nur verständlich reagiert hatte, indem sie versuchte, ihren Bruder zu töten.

Doch sie war gescheitert.

Brennend, blutend hatte die jüngere Sonne ihren Bruder über den Himmel verfolgt. Der listige, ältere Stern war dem Schutz der Hügel entgegengeeilt, aber es war sein Schicksal, niemals Rast zu finden. Denn der Jüngere hatte sein Gesicht entblößt, und der Ältere sein Versagen.

Die anderen hatten es gesehen – und mussten darum in immerwährendem Unbehagen leben.

Die ersten Sandleute waren Zeugen jener Schlacht am Himmel gewesen, doch dann hatten die Sonnen ihr Antlitz hinter einem Schleier der Schande verborgen, ihren Zorn auf sie gerichtet. Der Blick der Himmelsbrüder zerrte an den Sterblichen, brannte ihr Fleisch hinfort und enthüllte ihr verborgenes Selbst. Wenn die Sandleute ihre Schatten auf dem Sand von Tatooine sahen, lauschten sie. Der jüngere Sonnengeist drängte sie zum Angriff; der ältere wies sie an, sich zu verstecken. Ratschläge der Verdammten.

Die Sandleute waren ebenfalls verdammt. Stets folgten ihnen die Zwillingsschatten von Verlust und Versagen. Sie verbargen ihre Gesichter, sie kämpften, raubten, plünderten, und dann rannten sie davon.

Die meisten Sandleute schlugen nachts zu, wenn keiner der beiden Himmelsbrüder ihnen zuflüstern konnte. A’Yark hingegen bevorzugte die Jagd im Morgengrauen. Die Stimmen der Schatten waren zu jener Stunde nur leise hörbar – und die Siedler, die sich über das Land ausgebreitet hatten, konnten ihr Ende deutlich sehen. Das war wichtig. Die ältere Sonne hatte versagt, weil sie ihren jüngeren Bruder nicht töten konnte. A’Yark würde nicht versagen, hatte noch nie versagt, wenn es darum ging, Siedler zu töten. Die ältere Sonne beobachtete den Kriegshäuptling, und vielleicht lernte sie ja von seinem Beispiel …

… so wie jetzt.

»Tusken-Räuber!«

A’Yark stürmte auf den alten Farmer zu, der die Warnung gebrüllt hatte. Der metallene Gaderffii donnerte gegen das nackte Kinn des Menschen und zertrümmerte den Knochen, anschließend sprang der Häuptling vor und stieß sein Opfer zu Boden, wo der Siedler sich hustend wand und noch einmal seinen Schrei zu wiederholen versuchte. »Tusken-Räuber!«

Jahre zuvor hatten andere Siedler den Sandleuten diesen Namen gegeben, nachdem sie das Fort Tusken verwüstet hatten. Die Räuber jener Zeit hatten den Begriff bereitwillig in ihre Sprache aufgenommen; der ultimative Beweis dafür, dass die wandelnden Parasiten nichts hatten, was die Sandleute ihnen nicht nehmen konnten. Doch A’Yark konnte es nicht ertragen, diesen stolzen Namen aus den Mündern dieser widerlichen Kreaturen zu hören – und nur wenige von ihnen waren so hässlich wie der Siedler, der nun zu A’Yarks Füßen lag. Der Mensch war uralt, und abgesehen von einem Verband um eine frische Kopfwunde waren seine weißen Haare und sein welkes Fleisch nackt dem Himmel ausgesetzt. Ein abstoßender Anblick.

A’Yark rammte den Gaderffii nach unten, sodass der Brustkorb des Siedlers zertrümmert wurde. Knochen knackten, und der Metalldorn bohrte sich durch den Körper seines Opfers, bis der Steinboden unter dem Menschen die Waffe aufhielt.

Der alte Siedler machte einen letzten, keuchenden Atemzug, und der Name Tusken gehörte einmal mehr den Sandleuten.

Sofort rannte A’Yark weiter auf das flache Gebäude zu, das sich ein Stück weiter entfernt erhob. Der Kriegshäuptling zögerte nicht, dachte nicht weiter über die Tat nach; kein Raubtier auf Tatooine hielt je inne, um über einen Mord zu sinnieren, und die Sandleute konnten es sich nicht leisten, anders zu handeln.

Wer zu lange nachdachte, starb.

Das Menschennest war so hässlich wie ein Sketto-Bau: Dreck, zu einer widerlichen Kuppel aufgetürmt, halb im Sand vergraben. Dieses Bauwerk bestand aus dem falschen Fels, den sie »Synstein« nannten. A’Yark hatte ihn schon früher gesehen.

Noch ein Ruf. Ein teigig weißer Zweibeiner mit vorragender Stirn tauchte im Eingang des Gebäudes auf, ein Blastergewehr im Anschlag. Der Häuptling warf sein Gaderffii beiseite, dann hechtete er vor und riss dem verdutzten Siedler das Gewehr aus den Händen. A’Yark wusste nicht, wie genau ein Blaster sein Opfer durchbohrte, aber es war auch gar nicht nötig, das zu verstehen. Die Waffe hatte einen Nutzen – im Gegensatz zu dem Wesen, gegen das sie jetzt eingesetzt wurde.

Halt, das stimmte nicht ganz. Einen Nutzen hatten die Siedler für die Sandleute: Sie waren eine willkommene Quelle für neue Waffen. Hätte A’Yark einen Sinn für Humor gehabt, hätte dieser Gedanke ihn vielleicht zum Lachen gebracht. Doch dieses Konzept war dem Kriegshäuptling ebenso fremd wie der weißhäutige Leib, der nun auf dem Boden lag.

Viele seltsame Dinge erwachten in der Wüste zum Leben, und ebenso viele seltsame Dinge starben in der Wüste.

Hinter dem Häuptling betraten zwei weitere Räuber das Gebäude. A’Yark kannte sie nicht, aber die Tage, als das Oberhaupt des Stammes noch von seinen Vettern flankiert in die Schlacht gezogen war, waren nun einmal vorbei. Die beiden fingen sofort an, die Kisten im Lagerbereich umzustoßen und ihren Inhalt über den Boden zu verteilen: noch mehr Metallgegenstände. Die Siedler waren regelrecht besessen von ihnen.

Die Krieger schienen ebenfalls eine Vorliebe für sie zu haben – aber dafür war jetzt nicht der richtige Moment. A’Yark knurrte sie an. »N’gaaaiih! N’gaaaiih!«

Sie wollten nicht hören – sie waren schließlich nicht die Kinder des Kriegshäuptlings; A’Yark hatte nur einen Sohn, und der war noch nicht alt genug für den Kampf. Die beiden hatten keine Eltern mehr, aber so war es dieser Tage nun einmal. Mächtige Stämme waren zu kleinen räuberischen Banden verkommen, und ihre Reihen veränderten sich ständig, weil die Überlebenden einer besiegten Gruppe mit den anderen verschmolzen.

Dass A’Yark diesen Überfall leitete, war Beweis genug für ihre missliche Situation. Kein anderer in der Gruppe war auch nur halb so alt wie der Häuptling oder hatte auch nur halb so viel gesehen. Die besten Krieger waren schon vor Jahren gefallen, und diese Jünglinge würden vermutlich nicht lange genug leben, um A’Yark die Führungsrolle streitig zu machen. Sie waren Narren, und falls sie nicht auf andere Weise starben, würde A’Yark sie früher oder später wegen ihrer Dummheit töten.

Doch heute Morgen sollte keiner von ihnen sterben. A’Yark hatte das Ziel sorgsam ausgewählt. Diese Farm befand sich in der Nähe der gezackten Jundland-Wüste, weit von den anderen Dörfern entfernt – und sie verfügte nur über wenige der abscheulichen Konstruktionen, mit denen die Siedler Feuchtigkeit aus dem Himmel saugten. Je weniger dieser Türme aufragten – Evaporatoren wurden sie genannt –, desto weniger Siedler trieben sich herum. Nun sah es ganz so aus, als hätten sie bereits alle Gegner erledigt, und abgesehen von dem Grölen des älteren Kriegers war alles ruhig verlaufen.

Doch A’Yark hatte schon vierzig Zyklen des Sternenhimmels durchlebt und wollte sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Eine Waffe lehnte neben der Tür, die nach draußen führte. Gehörte sie dem Alten, der sie dort vergessen hatte? Der Häuptling hob das Gewehr vor den silbrigen Mundschutz und schnüffelte.

Nein. Mit einer raschen Bewegung zerschmetterte A’Yark die Waffe am Türrahmen. Das Gewehr war benutzt worden, um Tusken zu töten, und der Gestank vom Schweiß eines vergangenen Tages haftete noch immer an seinem Griff. Dieser Gestank unterschied sich aber von dem normalen Geruch der Menschen, ebenso wie von dem der weißhäutigen Kreatur, die die Siedler Bith nannten. Jemand anders war hier. Doch dieses Gewehr würde er nicht mehr benutzen. Und auch sonst niemand.

Manche abergläubischen Sandleute sagten, dass eine Waffe, die einen Tusken getötet hatte, stärker sein musste als normale Waffen, aber nicht so A’Yark. A’Yark wusste, dass die Siedler einfach nur eine Vorliebe für individuelle Gewehre hatten, so wie die Tusken ein schnelles Bantha schätzten. Warum sonst sollten sie Symbole in den Kolben schnitzen? Der Mensch, der diese Waffe getragen hatte, war stärker als der alte Mann und die Bith-Kreatur, aber beim nächsten Mal würde er mit einem neuen, unvertrauten Gewehr kämpfen müssen, sofern er diesen Tag überlebte.

A’Yark war allerdings fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass das nicht geschah.

Der Kriegshäuptling nahm den Gaderffii wieder auf und schob sich an den plündernden Jünglingen vorbei. Fußspuren im Sand führten um das Gebäude herum, dorthin, wo die drei seelenlosen Evaporatoren summten und den Himmel schändeten. Eine kleine Hütte zur Wartung der widerwärtigen Maschinen erhob sich hinter den Nadeln.

Wie passend. Wer immer sich dort drinnen versteckte, A’Yark würde ihn bluten lassen, so wie sie den Himmel bluten ließen. Langsam, damit die Sonnen es sehen konnten. Und was die Siedler gestohlen hatten, würde in den Sand zurückkehren, Tropfen für Tropfen.

»Ru rah ru rah!«, rief der Kriegshäuptling und versuchte, sich der alten Worte zu entsinnen. »Wir kommen in Frieden.«

Keine Antwort. Natürlich nicht – aber ganz sicher war jemand dort drinnen, und ganz sicher hatte er die Worte gehört. A’Yark war stolz, den Satz noch nicht vergessen zu haben. Vor Jahren hatte die Familie des Häuptlings sich eine Menschenfrau einverleibt; die Tusken füllten ihre Reihen oft auf, indem sie Siedler entführten. A’Yarks Gruppe brauchte ebenfalls Verstärkung, aber heute würden sie niemanden mitnehmen. Dass diese Siedler sich so nahe der Jundland-Wüste niedergelassen hatten, war eine Beleidigung, die hart bestraft werden musste. Sie würden sterben, und die anderen würden es sehen, und sie würden sich von der Wüste fernhalten.

Die jungen Krieger verließen das Kuppelhaus und schlossen sich wieder den anderen an, als sie die Wartungshütte umstellten. Insgesamt waren sie zu acht; niemand hier konnte hoffen, gegen sie zu bestehen. Stoffumwickelte Hände schlossen sich um die Griffe alter Gaderffii, als A’Yark den Traang – das geschwungene Ende der Waffe – auf die Türklinke legte.

Knirschend öffnete sich die Metalltür. Im Inneren kauerte sich ein Trio zitternder Menschen zwischen Ersatzteilen für die Durstmaschinen zusammen: eine schwarzhaarige Frau, ein Kind in einer Decke auf ihrem Arm, und ein braunhaariger Mann, der die beiden fest an sich gedrückt hielt. In der freien Hand hielt er eine Blasterpistole.

Das war also der Besitzer des zerschmetterten Gewehrs – und A’Yark konnte sehen, dass er sich jetzt nach der Waffe sehnte. Der junge Mensch schluckte seine Angst hinunter und blickte direkt in das gute Auge des Kriegshäuptlings. »Verschwindet! Wir haben keine Angst vor euch!«

»Siedler lügen«, sagte A’Yark, und die fremdartigen Worte schienen die Menschen ebenso zu überraschen wie die anderen Tusken-Räuber. »Siedler lügen.«

Acht Gaderffii reckten sich dem Himmel entgegen, und die spitzen Dornen an ihrem Ende glänzten im morgendlichen Licht. A’Yark wusste, dass sie die Aufmerksamkeit der Sonnen erregt hatten. Gleich würden sie dem älteren Himmelsbruder zeigen, was echte Tapferkeit war …

»Ayooo-eh-EH-EHH!«

Der Laut hallte über den Horizont, und die gesamte Gruppe richtete den Blick nach Norden. Wieder erklang der Schrei, lauter diesmal, sodass es keinen Zweifel mehr an seiner Bedeutung geben konnte.

Der jüngste Tusken war der Erste, der es aussprach: ein Krayt-Drache!

Der Jüngling wirbelte herum – und stolperte über seine eigenen Stiefel, sodass er mit dem Mundschutz voran im Sand landete. Die anderen sahen ihren Kriegshäuptling an, aber der wandte sich wieder der Hütte zu. A’Yark hatte genug Menschengesichter gesehen, um ihre Mimik zu interpretieren – doch selbst für einen so erfahrenen Räuber waren die Mienen dieser Opfer verwirrend.

Der Farmer und seine Frau wirkten nicht erleichtert, vielmehr blickten sie trotzig drein.

In der Gegenwart eines Krayt, des größten und nach den Tusken gefährlichsten Raubtiers auf ganz Tatooine? Ja, dachte A’Yark. Und das war nicht alles, was der Häuptling sah. Die junge Mutter hielt neben ihrem eingewickelten Kind noch etwas in den Händen.

A’Yark bellte den Kriegern einen Befehl zu, aber es war zu spät. Ein fürchterlicher Schrei zerfetzte die Luft, ein Laut, den kein Tusken ertragen konnte. Die beiden Plünderer trampelten den gestürzten Jüngling beinahe zu Tode, als sie davonrannten, dorthin, wo sie ihre Diebesbeute abgestellt hatten. Die anderen pressten die Gaderffii vor die Brust und eilten hinter das Hauptgebäude.

Falsch. Falsch! So hatte A’Yark sie nicht ausgebildet. Ganz und gar nicht! Doch sie stürmten weiter und waren verschwunden, bevor sie überhaupt wussten, woher der Drache kam. Ihr Häuptling blieb allein mit den Siedlern zurück. Der junge Farmer hielt seinen Blaster noch immer auf A’Yark gerichtet, drückte aber nicht ab. Vielleicht hatte er das Risiko abgewogen und entschieden, dass eine vorgereckte Waffe ein besseres Abschreckungsmittel war als ein Schuss mit zitternder Hand.

Doch das war jetzt nicht mehr wichtig. Falls die Siedler auf ein Wunder gehofft hatten, war ihr Gebet erhört worden. A’Yark wandte sich mit flatternden Roben von ihnen ab.

Die Krieger waren derweil auseinandergestoben und rannten ungeordnet durcheinander. A’Yark rief ihnen hinterher, aber in dem Lärm, den der Drache verursachte, konnte oder wollte niemand die Worte hören. Irgendwie klang dieser Lärm unnatürlich. Doch wie könnte das sein? Niemand würde je auf den Gedanken kommen, einen Krayt-Drachen zu imitieren! Und falls doch, würde es nicht so klingen. So …

… mechanisch?

»AYOOOO-EEEEEEEE!«

Keine Frage, dachte der Häuptling. Das Heulen des Drachen hatte sich in ein markerschütterndes Schrillen verwandelt, welches das Volumen jedweder Lunge bei Weitem überstieg. Am lautesten war das Geräusch in der Mitte der Farm. A’Yark brauchte nicht lange, um die Quelle zu entdecken: ein Lautsprecher, der an einem der silbernen Evaporatorentürme befestigt war. Und hinter den Hügeln im Norden und Osten erklangen weitere solche Laute.

Der Kriegshäuptling stand in der Mitte des Hofs, den Gaderffii über den Kopf gereckt. »Prodorra! Prodorra! Prodorra!«

Falsch!

Die jungen Plünderer tauchten wieder auf. Sie rannten über einen Dünenkamm zurück in Richtung der Farm, und A’Yark stieß zwischen verrottenden Zähnen den Atem aus. Zumindest sie hatten den Ruf also gehört. Vielleicht konnten sie jetzt zumindest …

Blasterfeuer! Ein orangefarbener Blitz hüllte einen der beiden von hinten ein; der andere wirbelte panisch herum, nur um selbst verbrannt zu werden. A’Yark kauerte sich instinktiv zusammen und suchte hinter einem der verteufelten Evaporatoren Deckung.

»Wah-hoo!« Eine metallische Flosse, kupfern und grün, tauchte hinter der Düne auf. Der Kriegshäuptling erkannte es sofort: Das war der Landspeeder, der sie schon zuvor am Großen Felsen angegriffen hatte. Und genau wie damals waren auch jetzt mehrere Siedler in dem offenen Fahrzeug zusammengedrängt, die schrien, pfiffen und um sich schossen.

A’Yark huschte hinter den nächsten Evaporator, plötzlich von neuer Zuversicht erfüllt. Es gab überhaupt keinen Drachen – da war nur eine Gruppe von Siedlern. Falls die anderen zurückkehrten, könnten sie gemeinsam diesen Feind vernichten.

Doch sie kehrten nicht zurück. Einer floh der großen Leere im Osten entgegen, und A’Yark konnte sehen, wie zwei weitere Landspeeder hinter ihm herrasten. Und der ungeschickte Jüngling – der erst vor ein paar Tagen dem Initiationsritus für den Eintritt ins Erwachsenenalter unterzogen worden war und ihn nur mit knapper Not überstanden hatte – versteckte sich hinter der Hütte, die Finger feige in den Sand gekrallt. Wo die anderen steckten, wussten allein die Sonnen.

Das war nicht gut.

Der erste Speeder umkreiste die Farm, und seine Insassen feuerten wild um sich, ohne aber wirklich auf etwas zu ziele. Kurz darauf tauchte ein weiteres Schwebefahrzeug auf. Es war schöner als der grüne Gleiter, mit geschwungenen Linien und silberglänzend. Auf der Sitzbank hinter der Windschutzscheibe saßen zwei Menschen, am Steuer ein grimmiger Mann mit haarigem Gesicht, daneben ein älterer Passagier, der sich furchtlos aufrichtete.

A’Yark hatte diesen Siedler schon einmal gesehen, wenn auch nur aus der Ferne. Er war älter, als die meisten Tusken je wurden, hatte glattrasierte Wangen – und stets denselben vernuftlosen Ausdruck im Gesicht.

Der Lächler.

»Weiter nach Süden, Leute!«, rief er, ein Makrofernglas in der Hand. »Lasst sie nicht entkommen!«

A’Yark musste nicht jedes Wort verstehen, um zu wissen, was er sagte. Die anderen Krieger der Gruppe hatten Reißaus genommen.

Als er den Landspeeder des hochgewachsenen Menschen sah, quiekte der junge Tusken, der sich hinter der Hütte versteckt hatte, und rannte los. Sein Gaderffii blieb hinter ihm auf dem Boden zurück.

»Urrak!«, rief A’Yark ihm nach. Warte!

Zu spät. Ein weiterer Gleiter tauchte auf – und die grölenden Siedler, die darin saßen, streckten den flüchtenden Jüngling mit zahlreichen Blasterstrahlen nieder. Noch keine sechs Tage ein Krieger, und nun in Sekunden getötet.

Das war zu viel. A’Yark erhob sich, die Waffe in den Händen, und rannte in den Schatten der Hütte, fort von den lachenden Siedlern, solange deren Aufmerksamkeit noch ihrem letzten Opfer galt. Umweht vom zerschlissenen Stoff seines Umhangs, kletterte der Häuptling über den Kamm einer Düne in ihr schattiges Tal, und dann weiter über die nächste Sandverwehung.

Schließlich ließ A’Yark sich keuchend auf den Boden fallen. Drei Räuber waren tot – vielleicht mehr. Und die Sandleute konnten es sich nicht leisten, Krieger zu verlieren.

Schlimmer noch, sie hatten wegen eines miesen Tricks verloren, auf den vor vier Jahren kein Tusken hereingefallen wäre. Die Siedler schienen zu wissen, dass die einst so mächtigen Sandleute nur noch ein Schatten ihrer selbst waren.

A’Yark kämpfte sich auf die Beine hoch und blickte hinter sich. Der ältere Schatten wuchs in die Länge. Wie der ältere Sonnenbruder hatten auch sie zugeschlagen – und ihr Ziel verfehlt.

Wieder einmal war es für die Tusken Zeit, sich zu verstecken.

2. Kapitel

Von seiner erhöhten Position aus konnte Orrin Gault die ganze Farm überblicken, und so sah er, wie die Tusken flohen. Ein paar von ihnen rannten um ihr Leben – ein paar andere ihrem Tod entgegen. Der Farmer klammerte sich weiter an die Seite des Evaporatorenturms, bis auch der letzte Landspeeder am Horizont verschwunden war.

»Also gut, Notfallkontrolle, das war’s«, sagte er anschließend in sein Kommlink. »Ihr könnt jetzt abschalten.«

Orrin nahm den Finger vom Kommknopf und lauschte, obwohl seine Ohren noch immer von dem Dröhnen des Alarms klingelten; er hatte den Lautsprecher oben an der Spitze des Turms gerade erst von Hand deaktiviert. Die Augen unter dem Stoffrand seines Wüstenhuts zusammengekniffen, musterte er die Landschaft. Eine nach der anderen verstummten die anderen, mehrere Kilometer entfernten Sirenen – und Stille kehrte in die Wüste zurück.

Er blickte auf das Kommlink hinab und musste grinsen. Orrin, Junge – bist ja wirklich eine Autoritätsperson. Es war schön, in seinem Leben einen Punkt zu erreichen, an dem andere tatsächlich taten, was man ihnen sagte. Und das galt umso mehr für Tatooine, wo die Leute schon stur auf die Welt kamen und grundsätzlich von niemandem Befehle entgegennahmen.

Die Gefahr war abgewendet, und zum ersten Mal, seit der Notruf eingegangen war, atmete Orrin tief durch. Er senkte den Kopf und blickte auf das trostlose Land unter sich hinab. Vor fast fünfzig Standardjahren war er selbst auf einer Farm genau wie dieser geboren worden, weit entfernt von der nächsten Wegestation. Und selbst heute gab es keinen Ort, wo er lieber den Sonnenaufgang genoss als in der Weite der Wüste.

Die Leute hielten ihn deshalb für verrückt. Jeder, den er kannte, sehnte den Abend herbei, wenn die Hitze endlich nachließ. Doch sobald die Sonnen hinter dem Horizont verschwunden waren und die Luft sich schwer und tot auf alle Schultern senkte, musste man sich in sein unterirdisches Heim zurückziehen, denn nichts Gutes geschah je nach Einbruch der Dunkelheit, wenn die Tusken und wer weiß was sonst noch durch die Dünen streiften. Der Morgen hingegen … nun, das war, als würde man aus einem Gefängnis entlassen – jedenfalls stellte Orrin sich dieses Gefühl so vor. Auf Tatooine hockte man nachts wie eine Wompratte in ihrem Loch, aber wenn man in der Morgendämmerung nach draußen trat, wurde man wieder ein Mensch.

Und dann war da diese kurze Zeitspanne zwischen dem Aufgang der ersten und der zweiten Sonne, wenn die kalte Nacht in ihren letzten Zuckungen lag und der Planet selbst zu seufzen schien. Gute Wassersucher lebten für diese Sekunden, wenn die wertvollen Tropfen, die während der Nacht entstanden waren, plötzlich erkannten, dass der Tag bevorstand, und vor ihm flüchteten. Ein schlauer Farmer wie Orrin konnte die Tropfen riechen und ihnen folgen. Ja, es war möglich, ihnen zu folgen, und tagsüber konnte einen nichts davon abhalten. Nicht in dieser Region. Nicht mehr.

Das waren die Regeln. Seine Regeln. Sie mochten neu sein, aber sie hatten Gültigkeit – und sie waren das Ergebnis harter Arbeit und langer Erfahrung.

Schätze, ich hätte sie auch diesem Haufen Tusken erklären sollen, dachte er, während er die Leiter herunterkletterte. Für die Bewohner dieser Farm hatten die Räuber mehr als nur den Morgen ruiniert. Orrin schauderte, als er die Eingeweide von mehr als einem halben Dutzend Wartungs- und Wachdroiden sah, die den Weg der Sandleute markierten. Zwei Evaporatoren spien Funken, die Wartungsklappen an ihrem Fuß waren aufgebrochen und verbogen. Und dann gab es da noch die Einschusslöcher, die wahllos über das Gelände verteilt waren. Dort, wo das Blasterfeuer den Sand zu Glas geschmolzen hatte, stieg noch immer Rauch empor. Orrin hatte nie erlebt, dass Blutauge und seine Räuber Blaster benutzten, wenn sie sich auf eine Farm schlichen. Nein, diese Einschusslöcher stammten von seinen Leuten.

Blutauge. Dieser Überfall konnte nur sein Werk gewesen sein. Kein anderer Tusken in diesem Teil der Wüste würde es wagen, bei Morgengrauen anzugreifen. Niemand hatte je mehr als einen flüchtigen Blick auf den Kriegshäuptling erhascht und überlebt, um davon zu berichten. Falls doch ein Siedler von ihm erzählte, entgegnete Orrin stets, dass er einem anderen Tusken begegnet sein musste; einem, der eine freundlichere Gesinnung hatte. Die Beschreibungen von Blutauge konnten unterschiedlicher nicht sein. Mal war er dürr, dann fett, mal männlich, dann weiblich, mal kurz und gedrungen, dann wieder ein Wookiee in einer Fetzenrobe.

Nur in zwei Punkten stimmten all diese Geschichten überein. Blutauge war so gefährlich wie ein Lauffeuer – und er war auf einem Auge blind. Die Sandleute spähten durch Metallringe, die wie Blastermündungen aus den Augenschlitzen ihrer Masken ragten, aber bei Blutauge steckte ein blutroter Stein in einer dieser Öffnungen.

Da endeten die Übereinstimmungen aber auch schon. Die Geschichten konnten sich nicht einmal darauf einigen, in welcher Augenhöhle dieser Stein prangte. Doch nun würden sie vielleicht Genaueres erfahren. Sie waren noch rechtzeitig eingetroffen, um ein paar Zeugen zu retten.

Orrin war bereits angezogen und seit mehr als einer Stunde auf den Feldern zugange gewesen, als er den Kommruf erhielt – oder besser gesagt, den Notruf. Allein die Tatsache, dass er ein Frühaufsteher war und seine Landarbeiter bereits auf der Farm gewesen waren, hatten die Familie Bezzard vor einem grausigen Schicksal bewahrt. Doch für einige andere war jede Hilfe zu spät gekommen. Zwei von Orrins Nachbarn – Cousins seiner Exfrau – traten aus der Hintertür des Gebäudes, auf den Armen die Leiche eines toten Bith, der sich als Hilfsarbeiter verdungen hatte. Orrin schlug die Augen nieder, als sie vorbeigingen. Die Siedlerwehr würde sich um die Beerdigung kümmern. Deren Mitglieder verbrannten gerade die toten Tusken-Räuber, drüben, hinter der nächsten Düne im Osten, wo niemand es sehen konnte. Sie wollten diese Sache so erträglich wie möglich für die Bezzards machen.

Orrin wusste, wie sie sich fühlten. Er hatte so etwas selbst schon einmal durchgemacht, und sein jüngster Sohn war dabei auf genauso sinnlose Weise ums Leben gekommen.

Er hörte eine Bewegung im Inneren des Hauses. »Mullen, bist du das?«

»Jo.«

Sein ältester Sohn – er konnte es noch immer nicht ertragen, von ihm als seinem einzigen Sohn zu denken – schlenderte aus dem Kuppelbau, die beiden Hälften eines zerschmetterten Blastergewehrs in den Händen. »Sieht aus, als wäre Blutauge hier gewesen«, meinte Mullen.

»Das dachte ich mir schon.«

Seine Augen hinter einer schwarzen Schutzbrille verborgen, hätte Mullen Gault wie ein Klon seines Vaters gewirkt, als dieser fünfundzwanzig Jahre alt gewesen war – zumindest wenn er nicht so angestrengt versucht hätte, wie jemand anders auszusehen. Beide Männer waren hochgewachsen und kräftig gebaut, mit der rauen Haut von Menschen, die als Farmer geboren und aufgewachsen waren. Doch da begannen auch schon die Unterschiede. Orrins dunkles Haar ergraute langsam, und er versuchte stets gepflegt auszusehen, selbst hier draußen in der Wüste; man konnte schließlich nie wissen, wer einem über den Weg lief. Mullen hingegen war in denselben Kleidern aufgewacht, die er gestern getragen hatte, als er mit seinen Freunden um die Häuser gezogen war. Das war typisch für ihn. Vor ein paar Jahren hatte er mehrere Zähne bei einer Auseinandersetzung mit einem Glücksspieler in Anchorhead verloren – und erst vor Kurzem zwei weitere, natürlich wieder in der Stadt.

Die Leute sagten, Mullen würde ebenso oft die Stirn runzeln, wie Orrin lächelte, aber der Farmer wusste, dass das nicht stimmte. Der Junge hatte schon in der Krippe so grimmig dreingeschaut.

Orrin nahm die Teile des Gewehrs und musterte sie. Die meisten Tusken hätten alles mitgenommen, was ihnen nützlich sein könnte. Nur Blutauge schien wählerischer zu sein. »Wie viele waren es?«

Mullen zupfte an seinem Bart und rieb den Rücken am Türrahmen, um sich zu kratzen. »Drei Tusken haben wir auf dem Hof erschossen. Dazu noch die, die in die Hügel geflohen sind. Veeka hat sich gerade gemeldet – sie hat die anderen oben bei der Roiya-Schlucht verloren.« Er blickte seinen Vater aus scharfen Augen an. »Ich habe ihr gesagt, sie soll die Jagd abblasen. Das wolltest du doch, oder? Sie sind bereits auf dem Rückweg.«

Orrin schnaubte. »Gut. Wir werden den alten Blutauge noch früh genug wiedersehen. Sobald er die nächste Gelegenheit riecht …«

Er brach ab, als das verzweifelte Schluchzen einer Frau erklang. »Die Besitzerin. Alles in Ordnung mit ihr?«

»Sie ist vor dem Haus, bei dem alten Mann«, erklärte Mullen. »Sie ist ziemlich durch den Wind.«

»Das kann ich mir denken.« Orrin hob den Kopf. »Wer ist bei ihr?«

»Sagte ich doch schon. Der alte Mann.«

Orrin weitete die Augen. »Der tote alte Mann?« Er warf die beiden Hälften des Gewehrs in den Sand. »Ich sagte doch, du sollst dafür sorgen, dass jemand bei ihr bleibt, Mullen. Und damit meinte ich nicht ihren toten Vater!«

Sein Sohn blickte ihn nur an.

»Also wirklich, Junge!« Orrin schnitt eine Grimasse und stieß mit zwei Fingern gegen den Bügel von Mullens Schutzbrille, sodass sein Kopf nach hinten gegen den Türrahmen stieß. »Denk nach.«

Der junge Mann erwiderte nichts, und sein Vater ging zu dem Landspeeder zurück. Nachdem er seinen Umhang hinter dem Beifahrersitz hervorgezogen und sich um die Schultern geschlungen hatte, wandte er sich wieder zu dem Kuppelbau um. Das wird nicht angenehm.

Der Anblick der dunkelhaarigen Tyla Bezzard, die sich über ihren Vater beugte und seinen Kopf in ihrem Schoß wiegte, verschlug ihm den Atem. Was die Räuber hier getan hatten, war grausam – ein weiteres, sicheres Indiz, dass Blutauge dahintersteckte. Doch die Frau schien überhaupt nicht zu sehen, wie übel der Körper ihres Vaters zugerichtet war, und in gewisser Weise war das noch bestürzender.

Ohne aufzublicken, spürte sie Orrins Nahen. »Jemand ist hier, Papa.«

Gault nahm seinen Hut ab und kniete sich unwillkürlich neben ihr in den Sand. Er hatte Tyla bereits gekannt, als sie noch ein Kind gewesen war. Ihr Vater, Lotho Pelhane, war zwanzig Jahre lang Hilfsarbeiter auf Orrins Farm gewesen. Bevor er beschlossen hatte, auf eigene Faust sein Glück zu suchen, hatten Tyla und Gaults Kinder oft zusammen gespielt. Orrin legte ihr den Umhang um die Schultern, aber bevor er sich zurückziehen konnte, vergrub sie den Kopf an seiner Brust und begann laut zu schluchzen.

»Ich weiß, Tyla, ich weiß«, sagte er und umarmte sie. »Es ist eine verfluchte Schande.« Er blickte auf den Toten hinab, dessen Kopf noch immer seltsam verkrümmt auf dem Schoß seiner Tochter ruhte. Lotho Pelhane trug noch immer einen alten Verband um die Schläfen, ein Anblick, der geradezu surreal wirkte, wenn man den blutigen Rest seines Körpers sah. Orrin wandte die Augen ab.

Tyla wimmerte. »Ich … ich habe versucht, mich zu erinnern, Meister Gault …«

»Orrin.«

»Ich habe es versucht. Sie selbst haben uns den Alarm und den Aktivator verkauft.« Während sie sprach, zeigte sie ihm die Fernbedienung, die sie so fest mit ihren Händen umklammert hielt, als wollte sie sie zermalmen. »Ich hatte solche Angst«, keuchte sie. »Ich konnte mich erst nicht mehr daran erinnern, wie man den Alarm auslöst …«

»Schon gut«, sagte er. »Der Siedleralarm hat einwandfrei funktioniert. Und wir sind sofort gekommen.« Sanft zog er sie an sich, sodass Lothos Leiche langsam, beinahe unmerklich von ihrem Schoß rutschte. »Du hast genau das Richtige getan. Dein Mann und dein Junge sind in Sicherheit, und wir haben die Tusken erwischt.«

»Das ist mir egal!« Sie starrte auf ihren toten Vater hinab. »Ich will hier nicht mehr bleiben! Ich will fort von hier!«

Orrin zog Tyla auf die Beine und drückte ihre Schultern mit seinen kräftigen Händen. »Hör mir zu. Ich kannte deinen Vater. Du weißt, Lotho würde so etwas nicht hören wollen. Er hatte ebenso wenig Angst vor den Tusken wie vor seinem eigenen Schatten.«

Ihr Blick blieb am Verband um den Kopf ihres Vater hängen, und sie schniefte. »Letzten Monat hätten sie ihn schon beinahe erwischt – sie haben ihn vor seinem Haus niedergeschlagen, darum habe ich ihn gebeten, bei uns zu bleiben. Aber es ging ihm schon wieder viel besser. Er meinte, sie hätten ihn schon einmal verschont, also wäre er sicher …«

»Ihr seid jetzt sicher. Und du hast dafür gesorgt, indem du den Alarm ausgelöst hast. Du hast das Richtige getan …«

Sie begann wieder zu weinen. Orrin wartete geduldig; er war schon zu oft in einer solchen Situation gewesen – wenn auch in letzter Zeit immer seltener. »Es war schlimm, das will ich gar nicht abstreiten. Aber wir haben viele von ihnen erledigt, und die anderen schnappen wir auch noch. Du wirst sehen, es wird besser. Hörst du?«

Plötzlich wütend, riss sie sich von ihm los. »Was wollen sie? Diese Monster …«

»Auf Tatooine gibt es Sand, und es gibt Monster«, erklärte er. Als er den Kopf drehte, sah er Mullen bei den anderen stehen, die er mit der Beerdigung des Bith beauftragt hatte. »Ich werde jetzt mal nach deinem Mann und deinem Sohn sehen, in Ordnung? Diese Männer werden sich um deinen Vater kümmern, und dann bringen wir euch zurück zur Oase. Ihr könnt heute Nacht bei Annileen Calwell schlafen.«

Tyla nickte schwach und wandte sich von ihm ab. Sie schien noch immer nicht bemerkt zu haben, dass ihre Tunika von Blut durchtränkt war.

Als sie außer Hörweite war, bedachte Orrin seinen Sohn mit einem skeptischen Blick. »Kann ich dir diese Frau für fünf Minuten anvertrauen, ohne dass sie einen totalen Zusammenbruch erleidet?«

Mullen antwortete mit gedämpfter Stimme. »Sicher, sicher. Aber wolltest du sie nicht nach Blutauge fragen. Du sagtest doch, du …«

»Wo ist mein Hut?« Orrin sah sich auf dem Boden um. »Ich brauche etwas, womit ich dich schlagen kann. Jetzt geh schon!«

Orrin fand Tellico Bezzard, den jungen Besitzer der Farm, vor der Maschinenhütte, umgeben von einem Wirbel geschäftiger Aktivität. Der Rest der Siedlerwehr war zurückgekehrt, und die Erwachsenen – eine Unterscheidung, die Gault mehr an gesundem Menschenverstand und weniger an ihrem Alter festmachte – hatten umgehend begonnen, sich um die Dinge zu kümmern, die in einer solchen Situation erledigt werden mussten. Obwohl der Siedlerkreis offiziell keinen Anführer hatte, war Orrin stets derjenige gewesen, der die Verantwortung übernommen hatte; nun sah er zufrieden, dass die anderen viele seiner Ratschläge verinnerlicht hatten. Ein paar waren dabei, im Haus aufzuräumen, andere reparierten die Evaporatoren, und wieder andere packten die Sachen zusammen, die die Bezzards während ihres Aufenthalts in der Pika-Oase benötigen würden. Sie arbeiteten hier, obwohl sie wussten, dass ihnen dadurch wichtige Stunden auf ihren eigenen Feldern verloren gingen.

Und dann waren da noch Orrins Tochter Veeka und Jabe Calwell, der wie ein junger Mond nie von ihrer Seite wich. Sie saßen auf einem Stapel Kisten und tranken unter den morgendlichen Sonnen aus einer Feldflasche, die zwischen ihren Händen hin- und herwanderte. Seit dem Tod ihres Zwillingsbruders hatte die Einundzwanzigjährige beschlossen, das Leben für sie beide auszukosten, und Jabe, der mit sechzehn der jüngste Arbeiter auf Orrins Farm war, versuchte nach Kräften, mit ihr mitzuhalten. Sie waren gerade dabei, Tellico zu beschreiben, wie sie einen der Sandleute getötet hatten; doch der Farmer saß nur wie benommen da und wiegte sein nichts ahnendes Kind auf seinem Knie. Sein Blaster lag unbenutzt neben ihm im Sand.

Als Veeka ihren Vater mit grimmiger Miene näher kommen sah, grinste sie unbeholfen. »Oh, tut mir leid«, sagte sie, während sie Tellico rasch die Flasche in die Hand drückte. »Hier, Freund. Trink.« Der erschöpfte, junge Farmer starrte blicklos auf das Gefäß hinab.

Orrin verdrehte die Augen und trat vor. »Das sollte dir auch leidtun.« Er nahm die Flasche und warf sie hinter die Hütte, den wütenden Blick auf seine Tochter gerichtet. »Bring diesen Leuten Wasser. Sofort.«

Schmunzelnd schlenderte Veeka davon, Jabe dicht hinter ihr, und Gault seufzte. Seine Tochter besaß die Umgänglichkeit, die Mullen fehlte, aber ihr Interesse an anderen reichte keinen Zentimeter weit. Seine Kinder waren anderweitig beschäftigt gewesen, als das Mitgefühl verteilt wurde.

Wie üblich musste er sich also um alles kümmern. Er kniete sich vor den jungen Farmer und sein Neugeborenes. »Alles in Ordnung?«

Tellico sprach schnell und aufgeregt. »Ja. Ich kann gar nicht glauben, dass ihr so schnell gekommen seid.«

»Da war ein wenig Glück im Spiel. Meine Arbeiter und ich waren gerade in den westlichen Dünen beschäftigt, als ihr den Siedleralarm aktiviert habt. Bevor die anderen in der Oase überhaupt in ihre Speeder steigen konnten, waren wir schon auf halbem Weg hierher.«

Orrin wusste, dass Glück eine wichtige Rolle gespielt hatte – aber ebenso gute Planung. Es hatte genauso funktioniert, wie es funktionieren sollte: Eine Farm aktivierte den Notruf, und jeder in diesem Teil der Wüste setzte sich in Bewegung. Wer bewaffnet war und einen Gleiter hatte, folgte dem Alarm, um zu helfen; die anderen machten sich auf den Weg zur Pika-Oase, wo Waffen und Fahrzeuge hinter Dannars »Grube«, dem örtlichen Allzweckladen bereitstanden. Auf jeder Farm klang der Alarm anders, aber sie alle begannen mit einem Geräusch, das die Tusken in Panik versetzen sollte: dem aufgezeichneten Heulen eines Krayt-Drachen. Dieses Detail war in Orrins Augen das Tüpfelchen auf dem i.

»Nun, es ist eine tolle Anlage, Sir. War jeden Credit wert.«

Orrin lächelte bescheiden. »Dann erzähl deinen Freunden davon. Diese Alarmvorrichtung ist für uns alle überlebenswichtig.«

»Ihr Vater … Lotho … Er wollte nicht, dass wir uns in den Siedlerkreis einkaufen, aber …« Der junge Mann hielt inne und wandte den Kopf ab, während er das Baby enger an sich drückte.

ENDE DER LESEPROBE