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Wer steckt hinter der Rückkehr von Großadmiral Thrawn? Der zweite Band der spektakulären Trilogie.
Die Neue Republik steht am Abgrund. Vorangetrieben durch den perfiden Plan der Imperialen droht ein Bürgerkrieg. Und auch das Gerücht, dass Großadmiral Thrawn noch immer lebt, schürt Furcht in den Herzen der einstigen Rebellen um Prinzessin Leia, Luke Skywalker und Han Solo. Denn in ihrem derzeitigen Zustand hätte die Neue Republik dem militärischen Genie nichts entgegenzusetzen. Die Helden der Rebellion müssen tief in den imperialen Raum vordringen und dabei vor allem die Antwort auf eine Frage finden: Wer oder was ist die Hand von Thrawn?
»Großadmiral Thrawn – Die Legende« ist die erfolgreichste Star-Wars-Buchtrilgoie aller Zeiten. »Die Hand von Thrawn« ist die spektakuläre Fortsetzung, und endlich ist auch diese Trilogie wieder lieferbar.
»Die Hand von Thrawn« ist wie »Großadmiral Thrawn – Die Legende« eine Star-Wars-Legends-Trilogie. Die beschriebenen Geschehnisse können daher von der Geschichte der Filme und Streamingserien abweichen.
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Seitenzahl: 602
Veröffentlichungsjahr: 2025
»Die Hand von Thrawn« ist wie »Großadmiral Thrawn – Die Legende« eine Star Wars-Legends-Trilogie. Die beschriebenen Geschehnisse können daher von der Geschichte der Filme und Streamingserien abweichen. »Thrawn – Der Aufstieg« sowie »Thrawn – Im Dienste des Imperiums« entsprechen dem offiziellen Kanon.
Großadmiral Thrawn – Die Legende
1. Erben des Imperiums
2. Die dunkle Seite der Macht
3. Das letzte Kommando
Die Hand von Thrawn
1. Schatten der Vergangenheit
2. Blick in die Zukunft
3. Der Zorn des Admirals
Thrawn – Der Aufstieg
1. Drohendes Unheil
2. Verborgener Feind
3. Teurer Sieg
Thrawn – Im Dienste des Imperiums
1. Thrawn
2. Allianzen
3. Verrat
Buch
Die Neue Republik steht am Abgrund. Vorangetrieben durch den perfiden Plan der Imperialen droht ein Bürgerkrieg. Und auch das Gerücht, dass Großadmiral Thrawn noch immer lebt, schürt Furcht in den Herzen der einstigen Rebellen um Prinzessin Leia, Luke Skywalker und Han Solo. Denn in ihrem derzeitigen Zustand hätte die Neue Republik dem militärischen Genie nichts entgegenzusetzen. Die Helden der Rebellion müssen tief in den imperialen Raum vordringen und dabei vor allem die Antwort auf eine Frage finden: Wer oder was ist die Hand von Thrawn?
Timothy Zahn
Die Hand von Thrawn
Blick in die Zukunft
Deutsch von Ralf Schmitz
Die Originalausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Star Wars: The Hand of Thrawn: Visions of the Future (Teil 1)« bei Bantam Spectra, New York.
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Copyright der Originalausgabe © 1997 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.
All rights reserved.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Alexander Groß
Covergestaltung: © Isabelle Hirtz, Hamburg
Emblem: Melanie Korte
HK · Herstellung: fe
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-32986-0V002
www.blanvalet.de
Für alle Star Ladys, Wild Karrdes, Club Jaders und für meine Bothan-Spione.
Und vor allem für Tish Pal, Minister für Information und Desinformation.
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Der imperiale Sternzerstörer Schimäre glitt durch die Schwärze des Weltraums; sein einziger Begleiter war der stumme Gasriese Pesitiin, der sich tief unter ihm drehte.
Admiral Pellaeon stand am vorderen Aussichtsfenster und starrte zu der toten Welt hinaus, als Captain Ardiff die Brücke betrat. »Meldung von Major Harch, Admiral«, sagte er schneidig. »Alle durch den Angriff der Piraten entstandenen Schäden sind behoben. Ihr Schiff ist wieder klar zum Gefecht.«
»Danke, Captain«, erwiderte Pellaeon und verbarg sorgsam ein Lächeln. In den dreißig Stunden, die seit dem gescheiterten Angriff auf die Schimäre vergangen waren, hatte Ardiff zunächst an einen Überfall durch Garm Bel Iblis, den General der Neuen Republik, geglaubt. Danach hatte er den Verdacht gehegt, hinter der Attacke würden abtrünnige imperiale Elemente stecken, und später, verräterische Rebellen könnten darin verwickelt gewesen sein. Schließlich war er zu der festen Überzeugung gelangt, dass eine Piratenbande für den Angriff verantwortlich war.
Natürlich musste man Ardiff fairerweise zugestehen, dass er eben dreißig Stunden Zeit gehabt hatte, sich seine diversen Theorien durch den Kopf gehen zu lassen. Der vorläufige Bericht der Techniker über die Trümmer des zerstörten Kaloth-Schlachtkreuzers hatte seine Meinung ohne Zweifel ebenfalls beeinflusst.
»Irgendetwas Neues von den Patrouillen?«, fragte Pellaeon.
»Nur weitere negative Meldungen, Sir«, antwortete Ardiff. »Immer noch keine Hinweise auf Aktivitäten irgendwo im System. Oh, und die im Sensortarnmodus fliegende Angriffsfähre, die Sie auf den Fluchtkurs der Angreifer angesetzt hatten, hat sich ebenfalls gemeldet. Noch immer keine Spur.«
Pellaeon nickte. Er hatte nichts anderes erwartet – jeder, der es sich leisten konnte, einen Schlachtkreuzer zu kaufen und zu fliegen, kannte für gewöhnlich auch ein paar Tricks, um ein Raumschiff zu verstecken. »Es war einen Versuch wert«, erklärte er Ardiff. »Lassen Sie es die Einheiten noch mit einem weiteren System versuchen; unsere Reichweite ist auch ohne Relais groß genug. Wenn sie bis dahin keine Spur entdeckt haben, sollen sie zurückkehren.«
»Jawohl, Sir«, sagte Ardiff leise.
Pellaeon konnte Ardiffs Zögern erkennen, ohne hinzusehen. »Eine Frage, Captain?«, verlangte er zu wissen.
»Es geht um diesen Kommunikationsausfall, Sir«, entgegnete Ardiff. »Es gefällt mir nicht, so vollkommen ohne Kontakt zu sein. Es ist, als wäre man blind und taub; und, offen gesagt, es macht mich nervös.«
»Mir gefällt es auch nicht besonders«, gab Pellaeon zu. »Aber wenn wir Verbindung mit dem Universum dort draußen aufnehmen wollten, könnten wir lediglich eine Übertragung an eine imperiale Relaisstation senden oder uns Zugang zum HoloNet verschaffen; und in der gleichen Minute, in der wir eins von beidem tun, weiß jeder von Coruscant bis Bastion, dass wir hier sind. Wenn das geschieht, werden noch ganz andere Parteien als gelegentlich auftauchende Piratenbanden Schlange stehen, um uns aufs Geratewohl zu beschießen.«
Und, so fügte er im Stillen hinzu, dann gäbe es auch keine Möglichkeit, ein unauffälliges Treffen zwischen ihm und Bel Iblis zu arrangieren. Vorausgesetzt, der General war überhaupt zu Gesprächen bereit.
»Ich verstehe das alles, Admiral«, sagte Ardiff, »aber haben Sie einmal daran gedacht, dass der gestrige Zwischenfall vielleicht keine isolierte Attacke gegen ein isoliertes imperiales Raumschiff war?«
Pellaeon hob eine Augenbraue. »Wollen Sie damit andeuten, dass der Überfall Teil eines koordinierten Angriffs auf das Imperium war?«
»Warum nicht?«, erwiderte Ardiff. »Ich bin im Augenblick bereit einzuräumen, dass es nicht die Neue Republik war, die jene Angreifer angeheuert hat. Aber weshalb hätten die Piraten den Überfall nicht auf eigene Faust durchführen sollen? Das Imperium hat den Piratenbanden stets hart zugesetzt. Vielleicht haben sich einige von ihnen zusammengetan und beschlossen, dass die Zeit reif sei für Rache.«
Pellaeon strich sich nachdenklich über die Lippen. Auf den ersten Blick war dies eine lächerliche Vorstellung – noch auf dem Sterbebett war das Imperium weitaus mächtiger, als dass irgendein Zusammenschluss von Freibeuterbanden hoffen konnte, den Sieg davonzutragen. Doch das bedeutete noch lange nicht, dass sie nicht dumm genug waren, es trotzdem zu versuchen. »Bleibt die Frage, woher sie wussten, dass wir hier sind«, stellte er fest.
»Wir wissen immer noch nicht, was mit Colonel Vermel geschehen ist«, erinnerte ihn Ardiff. »Vielleicht war es diese Piratenkoalition, die ihn erwischt hat. Er könnte ihnen von Pesitiin erzählt haben.«
»Nicht freiwillig«, bemerkte Pellaeon düster. »Falls sie ihn gefoltert haben, um ihn zum Reden zu bringen, werde ich Bastions Mond mit ihren Häuten schmücken.«
»Ja, Sir«, sagte Ardiff. »Aber das führt uns zu der Frage zurück, wie lange wir noch hier ausharren wollen.«
Pellaeon blickte durch die Aussichtsfenster auf die Sterne. Ja, das war allerdings die Frage. Wie lange sollten sie noch hier, mitten im Nirgendwo, warten – in der Hoffnung, dass die langsame Zerrüttung des Imperiums aufgehalten werden konnte? Dass sie den Krieg gegen die Neue Republik beenden konnten?
Dass sie endlich Frieden fanden?
»Zwei Wochen«, sagte er. »Wir geben Bel Iblis noch zwei weitere Wochen, um auf unser Angebot zu reagieren.«
»Auch wenn die Botschaft ihn vielleicht gar nicht erreicht hat?«
»Die Botschaft hat ihn erreicht«, erwiderte Pellaeon überzeugt. »Vermel ist ein einfallsreicher und äußerst kompetenter Offizier. Was auch immer ihm zugestoßen sein mag, ich habe keinen Zweifel, dass er seine Mission zuvor erfüllt hat.«
»Ja, Sir«, sagte Ardiff. Der Klang seiner Stimme verriet, dass er Pellaeons Überzeugung keineswegs teilte. »Und wenn Bel Iblis nicht innerhalb dieses Zeitraums erscheint?«
Pellaeon presste die Lippen zusammen. »Das entscheiden wir, wenn es so weit ist.«
Ardiff zögerte, doch dann trat er einen halben Schritt näher an seinen Vorgesetzten heran. »Sie glauben wirklich, dass dies unsere größte Hoffnung ist, nicht wahr, Sir?«, fragte er leise.
Pellaeon schüttelte den Kopf. »Nein, Captain«, sagte er. »Ich glaube, es ist unsere einzige Hoffnung.«
Der Keil sich nähernder Sienar-IPV/4-Patrouillenraumer brach in perfekter Formation nach beiden Seiten auseinander, und der imperiale Sternzerstörer Relentless glitt elegant zwischen den sich hinter ihm bereits wieder formierenden Gruppen hindurch auf seine vorgesehene orbitale Position zu. »Sehr eindrucksvoll«, wandte sich Moff Disra brummend an den schlanken Mann, der neben ihm stand. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen, während er über die Brücke hinweg auf die grünblaue Welt blickte, die vom Bugfenster eingerahmt wurde. »Ich hoffe, Sie haben mich nicht den ganzen Weg hierhergeschleppt, damit ich mir die Manöver der kroctarianischen Heimatverteidigung anschaue.«
»Geduld, Eure Exzellenz«, entgegnete Major Grodin Tierce neben ihm mit leiser Stimme. »Ich sagte bereits, dass wir eine Überraschung für Sie haben.«
Disras Mundwinkel zuckten. Ja, das hatte Tierce gesagt. Und es war alles, was Tierce bisher gesagt hatte. Und was Flim anging …
Disra ließ den Blick zum Sessel des Admirals wandern, und seine Mundwinkel zuckten noch ein wenig mehr. Ihr harmloser Schwindler saß dort, dummdreist und stolz auf sein blaues Make-up und die rot glühenden Kontaktlinsen sowie die weiße Uniform des Großadmirals. Das perfekte, von Lasern geformte Ebenbild von Großadmiral Thrawn; eine Maskerade, an deren Echtheit jeder Imperiale an Bord der Relentless von Captain Dorja an abwärts fest glaubte.
Ärgerlich war nur, dass es auf dem Planeten unter ihnen keine Imperialen gab. Weit gefehlt. Kroctar, ein Brennpunkt des Handels und die Zentralwelt des Shataum-Sektors, lag tief im Territorium der Neuen Republik und besaß exakt so viel militärische Feuerkraft, wie man einer solchen Welt zutrauen würde. Es gab keine Garantie dafür, dass irgendjemand dort sich durch Flims Augen und Uniform oder seine schauspielerischen Fähigkeiten beeindrucken lassen würde.
Flim mochte ja aussehen wie Thrawn, aber er besaß das taktische Genie eines im Abfall hausenden Parasiten. Tierce, ein ehemaliger Sturmtruppler und Angehöriger der Ehrengarde unter Imperator Palpatine, war der militärische Kopf ihrer kleinen Gruppe; und falls Captain Dorja einen vermeintlich untergeordneten Major auf den vorgeblich brillanten Großadmiral Thrawn zueilen sah, um diesem Ratschläge zu erteilen, so würde diese ganze Illusion wie eine Seifenblase zerplatzen. Welchen Bluff Tierce hier auch immer im Sinn haben mochte – es wäre besser, wenn er gelang.
»Eine Übertragung von der Planetenoberfläche, Admiral«, rief der Kommoffizier aus dem Mannschaftsschacht an Backbord. »Es ist Lord Superior Bosmihi, das Oberhaupt der Vereinten Fraktionen.«
»Auf den Lautsprecher, Lieutenant«, sagte Thrawn. »Lord Superior Bosmihi, hier spricht Großadmiral Thrawn. Ich habe Ihre Nachricht erhalten. Was kann ich für Sie tun?«
Disra sah Tierce mit einem Stirnrunzeln an. »Die haben uns gerufen?«, fragte er leise.
Tierce nickte, und ein schmales, aber zufriedenes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Psst«, machte er. »Hören Sie zu.«
»Wir entbieten Ihnen unseren Gruß, Großadmiral Thrawn«, dröhnte eine nasale nichtmenschliche Stimme aus dem Komm. »Und wir gratulieren Ihnen von Herzen zu Ihrer triumphalen Wiederkehr.«
»Danke«, entgegnete Thrawn weich. »Wenn ich mich recht erinnere, waren Sie bei unserer letzten Begegnung weniger enthusiastisch.«
Disra warf Tierce einen scharfen Blick zu. »Während seines Durchmarschs durch diesen Sektor vor zehn Jahren«, murmelte Tierce. »Keine Sorge, er weiß alles darüber.«
Bosmihi ließ ein glucksendes Lachen hören. »Ah ja, Sie erinnern sich sehr gut«, gab er vergnügt zu. »In jenen Tagen hielten die Furcht vor der Macht des Imperiums und die Verlockung der versprochenen Freiheit unser Volk in ihrem Bann.«
»Jene Lügen hatten Macht über viele Völker«, stimmte Thrawn zu. »Impliziert die Wahl Ihrer Worte, dass die Kroctari zu einer neuen Einschätzung gelangt sind?«
Aus dem Komm drang ein widerwärtiges schnaufendes Geräusch. »Wir haben erlebt, wie alle Versprechungen nach und nach gebrochen wurden«, antwortete der Lord Superior bedauernd. »Von Coruscant geht keine Ordnung mehr aus, keine gemeinsamen Ziele, keine klaren Strukturen, keine Disziplin. Tausend unterschiedliche Spezies zerren die Galaxis in tausend verschiedene Richtungen.«
»Notwendigerweise«, bemerkte Thrawn. »Aus ebendiesem Grund führte Imperator Palpatine die Neue Ordnung ein. Es war der Versuch, den Niedergang umzukehren, den Sie nun kommen sehen.«
»Dennoch wurden wir gleichermaßen davor gewarnt, den imperialen Versprechungen zu trauen«, wich Bosmihi aus. »Die Geschichte des Imperiums ist die der brutalen Unterwerfung nichtmenschlicher Spezies.«
»Sie sprechen von der Herrschaft Palpatines«, erwiderte Thrawn. »Das Imperium hat sich von seinem selbstzerstörerischen Vorurteil gegen alle Nichtmenschen befreit.«
»Die Tatsache, dass Sie eine Kommandoposition einnehmen, scheint dies zu beweisen«, sagte Bosmihi vorsichtig. »Trotzdem, andere meinen, das Vorurteil existiere noch immer.«
»Andere lügen in vielerlei Hinsicht, wenn es um das Imperium geht«, widersprach Thrawn. »Aber es ist gar nicht notwendig, dass Sie sich auf mein Wort verlassen. Sprechen Sie mit irgendeiner der fünfzehn nichtmenschlichen Rassen, die gegenwärtig unter der Herrschaft des Imperiums leben; Wesen, die sich dem Schutz und der Stabilität überlassen, die wir ihnen bieten.«
»Ja, Schutz.« Der Lord Superior schien sich geradezu auf dieses Wort zu stürzen. »Es heißt, das Imperium sei schwach – gleichwohl erkenne ich, dass Sie noch immer über große Macht verfügen. Welche Sicherheitsgarantien bieten Sie den Systemen, die sich Ihnen anschließen?«
»Die besten Garantien der Galaxis«, antwortete Thrawn, und sogar Disra spürte, wie ihm angesichts der verborgenen Einschüchterung und Drohung, die mit einem Mal in der Stimme des Schwindlers lagen, ein Schauer über den Rücken lief. »Mein persönliches Versprechen, Sie zu rächen, falls irgendjemand Sie angreifen sollte.«
Daraufhin war ein Laut zu hören, der halb wie ein Schlucken und halb wie ein Aufstoßen klang. »Ich verstehe«, sagte Bosmihi nüchtern. »Für mein Verständnis kommt dies ziemlich unerwartet, und ich entschuldige mich dafür, doch im Interesse der Vereinten Fraktionen der Kroctari-Völker möchte ich Sie um die Wiederaufnahme in das Imperium ersuchen.«
Disra sah Tierce an und spürte, wie seine Kinnlade um ein paar Millimeter herabsackte. »Wiederaufnahme?«, zischte er.
Tierce lächelte. »Die Überraschung, Eure Exzellenz.«
»Im Namen des Imperiums nehme ich Ihr Ersuchen an«, sagte Thrawn. »Ohne Zweifel steht Ihre Delegation schon bereit, um die Einzelheiten zu erörtern?«
»Sie kennen mein Volk sehr gut, Großadmiral Thrawn«, entgegnete der Lord Superior mit leiser Ironie. »Ja, meine Delegation wartet in der Tat auf Ihre Entscheidung.«
»Dann geben Sie ihr das Zeichen, sich zu nähern«, teilte Thrawn ihm mit. »Wie es der Zufall will, hält sich Moff Disra zurzeit auf der Relentless auf. Da er ein Spezialist in allen politischen Belangen ist, wird er die Verhandlungen führen.«
»Es wird uns eine Ehre sein, ihm zu begegnen«, erwiderte Bosmihi. »Obwohl ich bezweifle, dass seine Anwesenheit wirklich so zufällig ist, wie Sie eben andeuteten. Vielen Dank, Großadmiral Thrawn, und bis zu unserem Treffen.«
»Bis zu dem Treffen, Lord Superior Bosmihi«, sagte Thrawn und winkte in Richtung des Mannschaftsschachts.
»Übertragung beendet, Admiral«, bestätigte der Kommoffizier.
»Danke«, sagte Thrawn und erhob sich fast gemächlich aus seinem Kommandosessel. »Teilen Sie den TIE-Abfangjägern mit, sie sollen sich als offizielle Eskorte bereithalten. Sie treffen mit der Fähre des Lord Superior zusammen, sobald diese die Atmosphäre verlässt, und begleiten sie in voller Ehrenformation. Captain Dorja, ich wünsche, dass Sie die Fähre persönlich in Empfang nehmen und die Delegation in den Konferenzraum 68 führen. Moff Disra wird Sie dort erwarten.«
»Verstanden, Admiral«, erwiderte Dorja. Er marschierte mit großen Schritten von der Brücke, warf Disra ein schmales, zufriedenes Lächeln zu, als er ihn passierte, und trat dann in einen wartenden Turbolift auf der Achterbrücke.
»Sie hätten etwas sagen sollen«, flüsterte Disra Tierce zu, als sich die Tür des Turbolifts hinter dem Captain schloss.
Der Gardist zuckte die Achseln – eine kaum merkliche Bewegung der Schultern. »Ich war nicht ganz sicher, ob es das war, was sie wollten, als sie uns riefen«, entgegnete er und dirigierte Disra durch die Achterschotts zu einem anderen Turbolift. »Aber es schien mir durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen. Kroctar hat mehrere potenziell gefährliche Nachbarn, und der Geheimdienst berichtete, dass die Vereinten Fraktionen zunehmend enttäuscht sind über die Unfähigkeit Coruscants, sich zu entscheiden, mit welchem Nachdruck sie Auseinandersetzungen innerhalb der Systeme einen Riegel vorschieben wollen.«
Sie erreichten den Turbolift und betraten die wartende Kabine. »Kroctar ist nur der Anfang«, fuhr Tierce fort, als die Tür sich schloss und sie sich in Bewegung setzten. »Und ein Ende ist nicht in Sicht. Wir haben bereits Anfragen von zwanzig weiteren Systemen, deren Regierungen wünschen, dass Großadmiral Thrawn auf einen kleinen Plausch vorbeischaut.«
Disra schnaubte. »Die haben doch nur vor, ihre Gegner in Aufregung zu versetzen.«
»Wahrscheinlich«, stimmte Tierce zu. »Aber was interessiert es uns, weshalb sie sich uns wieder anschließen möchten? Es kommt bloß darauf an, dass sie es tun – und dass dadurch Schockwellen von hier bis nach Coruscant ausgelöst werden.«
»Bis Coruscant etwas zu unternehmen beschließt.«
»Was könnten sie schon unternehmen?«, konterte Tierce. »Ihre eigene Charta gestattet es allen Mitgliedssystemen ausdrücklich, sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurückzuziehen.«
Das Komm des Turbolifts ließ ein Piepsen hören. »Moff Disra?«
»Ja?«
»Eine Nachricht für Sie kommt eben herein, Eure Exzellenz; private Verschlüsselung, Kennzeichnung Usk-51.«
Disra fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. Von allen dummen, hirnlosen … »Danke«, sagte er so ruhig wie möglich. »Legen Sie die Nachricht in Konferenzraum 68, und sorgen Sie dafür, dass sie nicht mitgeschnitten wird.«
»Ja, Eure Exzellenz.«
Tierce runzelte die Stirn und sah ihn an. »Ist das nicht …?«
»Und ob er das ist«, entgegnete Disra bissig. Die Tür des Turbolifts glitt auf. »Kommen Sie. Und bleiben Sie außer Sicht.«
Zwei Minuten später befanden sie sich in dem Konferenzraum, hatten die Tür hinter sich versiegelt und den Raum abgeschirmt. Nachdem er das in der Mitte des Tisches eingelassene Kommdisplay aktiviert hatte, entnahm Disra seiner Mappe die entsprechende Datenkarte zur Entschlüsselung und schob sie in den Schacht. Dann schaltete er auf Empfang …
»Das wird aber auch Zeit«, knurrte Captain Zothip mit blitzenden Augen; sein buschiger blonder Bart sträubte sich vor Wut. »Glauben Sie nur nicht, ich hätte was Besseres zu tun, als …«
»Was …«, bellte Disra. Zothips Kopf zuckte zurück, und seine Tirade brach in plötzlicher Verwirrung ab. »… glauben … Sie … hier … eigentlich … zu … tun?«, fuhr Disra in das Schweigen hinein fort. Er betonte jedes einzelne Wort. »Wie können Sie es wagen, ein derart verrücktes Risiko einzugehen?«
»Nichts gegen Ihr sauberes Image«, grollte Zothip, dessen Unverschämtheit wieder die Oberhand gewann. »Wenn der Umgang mit Piraten Ihnen neuerdings peinlich ist …«
»Hier geht es nicht um Peinlichkeit«, erwiderte Disra eisig. »Ich denke vielmehr an unsere beiden Hälse und daran, ob wir sie uns womöglich brechen. Oder ist Ihnen etwa nicht aufgefallen, über wie viele Relais diese Übertragung läuft?«
»Scherz beiseite«, entgegnete Zothip mit einem Schnaufen. »Und ich dachte, Ihre wundervolle imperiale Kommunikationsausrüstung würde mal wieder nach Belieben mit den Ionen verfahren. Also, wo stecken Sie? In Ihrem Ferienhaus? Zählen Sie Ihr Geld?«
»Kaum«, sagte Disra. »Ich befinde mich an Bord eines imperialen Sternzerstörers.«
Zothips Miene schien sich zu verdüstern. »Falls Sie mich damit beeindrucken wollen, starten Sie besser einen neuen Versuch. Ich habe Ihre kostbaren Sternzerstörer gründlich satt.«
»Wirklich?« Disra lächelte kalt. »Lassen Sie mich raten: Sie wurden übermütig, schossen aus allen Rohren, und Admiral Pellaeon hat Ihnen dafür die Schwanzfedern gestutzt?«
»Spotten Sie nicht, Disra«, warnte Zothip. »Spotten Sie niemals über mich. Ich habe einen Kaloth-Schlachtkreuzer und achthundert gute Männer an diesen verfluchten katchni verloren. Und irgendjemand wird mit seiner Haut dafür bezahlen. Pellaeon – oder Sie!«
»Seien Sie nicht albern«, entgegnete Disra höhnisch. »Und versuchen Sie nicht, mir die Sache anzuhängen. Ich hatte Sie gewarnt, sich ernsthaft mit der Schimäre anzulegen. Sie sollten lediglich dafür sorgen, dass Pellaeon glaubt, Bel Iblis würde ihn angreifen.«
»Und wie sollte ich das Ihrer Einschätzung nach anstellen?«, schoss Zothip zurück. »Seine Familie beleidigen? Listen alter corellianischer Schimpfworte an ihn schicken?«
»Sie haben einem Imperialen zu hart zugesetzt, und er hat sich gewehrt«, erklärte Disra. »Sehen Sie darin eine ebenso nützliche wie schmerzliche Lektion. Und hoffen Sie, diese Lektion niemals wiederholen zu müssen.«
Zothips Augen weiteten sich. »Ist das eine Drohung?«, wollte er wissen.
»Eine Warnung«, blaffte Disra. »Unsere Partnerschaft ist bisher für uns beide äußerst gewinnbringend gewesen. Ich hatte die Chance, den Schiffen der Neuen Republik schweren Schaden zuzufügen, und Sie kamen dadurch in die Lage, die Handelswaren von diesen Raumschiffen einzusammeln.«
»Ich habe das ganze Risiko getragen«, warf Zothip ein.
Disra zuckte die Achseln. »Ungeachtet dessen gefällt es mir ganz und gar nicht, eine derart wertvolle Verbindung wegen einer solchen Trivialität zerbrechen zu sehen.«
»Vertrauen Sie mir, Disra«, sagte Zothip sanft, »wenn unsere Verbindung zerbricht, werden Sie noch auf vieles mehr stoßen, was Ihnen nicht gefällt.«
»Ich werde eine Liste machen«, erwiderte Disra. »Und jetzt gehen Sie Ihre Wunden lecken; und wenn Sie das nächste Mal mit mir reden wollen, benutzen Sie die üblichen Kanäle. Dieser Code gehört zwar zu den besten, die jemals entworfen wurden, aber nichts ist absolut sicher.«
»Die Verschlüsselung ist also richtig gut, wie?«, sagte Zothip boshaft. »Das muss ich mir merken. Sollte ich jemals dringend Geld brauchen, müsste ich damit auf dem freien Markt einen guten Preis erzielen. Wir bleiben in Kontakt.«
Das Display wurde schwarz. »Idiot«, schnaubte Disra den leeren Bildschirm an. »Schwachsinniger, hirnverbrannter Idiot.«
Jenseits des Tisches rührte sich Tierce. »Ich hoffe, Sie haben vor, sich gegenüber den Kroctari ein wenig klüger zu verhalten«, sagte er.
Disra ließ den Blick vom Bildschirm zu dem Gardisten wandern. »Meinen Sie etwa, ich hätte zulassen sollen, dass er sich an meiner Schulter ausweint? Oder hätte ich Ist ja gut! sagen und ihm einen neuen Schlachtkreuzer kaufen sollen?«
»Die Cavrilhu-Piraten könnten zu einem gefährlichen Gegner werden«, warnte ihn Tierce. »Natürlich nicht militärisch, aber aufgrund der Dinge, die sie über Sie wissen.«
»Zothip ist der Einzige, der überhaupt etwas weiß«, brummte Disra. Tierce hatte recht – er hätte es ein wenig gelassener angehen sollen. Doch Zothip hätte ihn trotzdem nicht auf diesem direkten Weg kontaktieren sollen, vor allem dann nicht, wenn er sich außerhalb der Sicherheit seines Arbeitsraums aufhielt. Er hatte indes nicht die Absicht, vor Tierce einen Irrtum zuzugeben. »Keine Sorge, ihm liegt zu viel an unserem Arrangement, um es wegen eines einzelnen Schlachtkreuzers über Bord zu werfen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, entgegnete Tierce nachdenklich. »Man sollte niemals unterschätzen, was Menschen aus Stolz zu tun bereit sind.«
»Nein«, sagte Disra. »Oder aus Überheblichkeit.«
Tierce’ Augen verengten sich ein wenig. »Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass Sie zu weit gegangen sind«, antwortete Disra kategorisch. »Gefährlich weit. Für den Fall, dass Sie es vergessen haben: Flims Job war es, das imperiale Militär zu beflügeln und auf unsere Seite zu bringen. Es war niemals Teil des Plans, die Neue Republik auf diese Weise offen zu brüskieren.«
»Ich habe Ihnen bereits auseinandergesetzt, dass Coruscant keinerlei legale Handlungsbasis besitzt …«
»Und Sie denken, das wird sie aufhalten?«, entgegnete Disra. »Meinen Sie denn wirklich, dass eingeschüchterte Nichtmenschen, die glauben, dass Großadmiral Thrawn ihnen seinen Atem ins Genick haucht, sich durch irgendwelche Feinheiten des Gesetzes beeindrucken lassen? Schlimm genug, dass Sie mich dazu überredet haben, Flim dem Senator der Diamala vorzuführen. Und jetzt das hier!« Er deutete mit einer Hand in die Richtung des Planeten.
»Mit der Diamala-Angelegenheit haben wir exakt das erreicht, was beabsichtigt war«, gab Tierce kühl zurück. »Wir haben damit Zweifel und Bestürzung geweckt, ein paar alte Animositäten geschürt und einige der letzten besänftigenden Stimmen zum Schweigen gebracht, über die die Neue Republik noch verfügte.«
»Wunderbar, wenn man davon absieht, dass dieser neue kleine Trick die Wirkung jenes anderen vollkommen zunichtemacht«, konterte Disra. »Wie kann irgendwer sich noch fragen, ob die Diamala lügen, nachdem ein ganzer Planet Thrawn zu sehen bekommen hat?«
Tierce lächelte. »Oh, aber das ist der entscheidende Punkt: Der ganze Planet hat ihn ja gar nicht gesehen. Lediglich die handverlesene Delegation des Lord Superior wird ihn zu Gesicht bekommen – alle anderen haben bloß deren Wort, dass Thrawn zurückgekehrt ist. Und da ein Teil seiner Botschaft an die benachbarten Systeme besagen wird, dass Kroctar unter dem Schutz Thrawns steht, wird die Begegnung mit ihm ebenso beargwöhnt werden wie jene mit dem Diamala.«
»Aus Ihrem Mund hört sich immer alles so vernünftig an«, sagte Disra scharf. »Aber an dieser Sache ist mehr, als Sie vorgeben. Ich frage mich, was das sein mag.«
Tierce hob die Brauen. »Das klang gerade wie eine Drohung.«
»Es war nur eine halbe Drohung«, verbesserte Disra ihn kalt. »Hier ist die andere Hälfte.« Er langte unter seine Hemdbluse und zog den winzigen dort verborgenen Blaster.
Er hatte keine Chance, damit zu zielen. Noch ehe er die Waffe ganz gezogen hatte, warf sich Tierce bereits über den Konferenztisch; der Schwung seines Satzes ließ ihn auf Ellbogen und Bauch mit dem Kopf voran auf dem polierten Verbundglas in Disras Richtung schlittern. Disra sprang intuitiv nach rechts und versuchte sich außer Reichweite der ausgestreckten Hände zu bringen, doch noch während er den Blaster hob, rollte sich Tierce teilweise herum und griff nach dem Kommdisplay in der Tischmitte, um seine Richtung zu ändern und sich gleichzeitig ganz auf den Rücken zu drehen; dann brachte er die Füße nach vorn und stieß sich von dem Display ab, um an Tempo zu gewinnen.
Das Manöver erwischte Disra nahezu erstarrt. Ehe er sich wieder bewegen konnte, um sein Ziel zu finden, traf Tierce’ Fuß den Blaster genau in der Mitte des Laufs und ließ die Waffe quer durch den Raum wirbeln.
Disra tat einen unsicheren Schritt nach hinten, und der bittere Geschmack der Niederlage schnürte ihm die Kehle zu. Die Hände hatte er in einer vergeblichen Geste der Verteidigung erhoben, als Tierce behände vom Tisch sprang. Er hatte nur diese einzige Chance gehabt, dem Ehrengardisten die Kontrolle über seinen großen Plan zu entreißen, und er hatte versagt.
Und jetzt würde Tierce ihn töten.
Doch einmal mehr überraschte dieser ihn. »Das war ausgesprochen dumm, Eure Exzellenz«, sagte der andere Mann gelassen, durchquerte den Raum und hob den Blaster auf. »Das Krachen eines Schusses hätte Ihnen in kürzester Zeit eine Einheit Sturmtruppen auf den Hals gehetzt.«
Disra holte vorsichtig Luft und ließ die Hände sinken. »Das gilt für beide Seiten«, brachte er heraus und wusste im gleichen Augenblick, dass der Gardist nicht zu derart lautstarken Methoden greifen musste, falls er ihn töten wollte.
Doch Tierce schüttelte bloß den Kopf. »Sie bestehen auf einem Missverständnis«, sagte er.
»Und Sie bestehen darauf, hinter meinem Rücken zu agieren«, konterte Disra. »Ein oder zwei Systeme zu gewinnen, ist nicht das Risiko wert, Coruscant zum Handeln zu zwingen. Was verschweigen Sie mir?«
Tierce schien ihn mit Blicken zu messen. »Also gut«, sagte er dann. »Haben Sie jemals den Ausdruck Die Hand des Thrawn gehört?«
Disra schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Sie haben ziemlich schnell darauf geantwortet.«
»Ich habe diesen Plan ausgearbeitet, lange bevor Sie auf der Bildfläche erschienen«, rief Disra dem anderen schroff ins Gedächtnis. »Ich habe alles in den imperialen Aufzeichnungen gefunden und gelesen, was Thrawn auch nur entfernt betraf.«
»Auch alles in den geheimen Dateien des Imperators?«
»Einmal gelang mir der Zugang, ja.« Disra runzelte die Stirn, als ihm ein Gedanke kam. »War es das, worum es bei Ihrem kleinen Ausflug nach Yaga Minor im vergangenen Monat wirklich ging?«
Tierce zuckte die Achseln. »Der vordringliche Grund war kein anderer als der, über den wir gesprochen haben: die dortige Kopie des Caamas-Dokuments zu verändern, um die Übereinstimmung mit den Manipulationen herzustellen, die Sie zuvor bereits an der Kopie auf Bastion durchgeführt hatten. Aber da ich mir schon mal Zugriff auf das System verschafft hatte, habe ich einige Zeit darauf verwendet, nach Querverweisen zu suchen.«
»Natürlich«, entgegnete Disra. Dies war nicht so vulgär wie eine unverhohlene Lüge, sondern lediglich das zweckmäßige Auslassen eines Teils der Wahrheit. »Und?«
Tierce schüttelte den Kopf. »Nichts. Soweit es die imperialen Aufzeichnungen angeht, existiert dieser Begriff nicht einmal.«
»Was bringt Sie darauf, dass er es doch tut?«
Tierce sah ihm unverwandt in die Augen. »Weil ich ihn Thrawn einmal an Bord der Schimäre erwähnen hörte – im Zusammenhang mit dem totalen Sieg des Imperators.«
Plötzlich schien es im Raum sehr kalt zu werden. »Sie meinen eine Art Superwaffe?«, fragte Disra vorsichtig. »Ein neuer Todesstern oder Sonnenhammer?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Tierce. »Ich glaube aber nicht. Superwaffen entsprachen mehr dem Stil des Imperators oder Admiralin Daalas, aber nicht dem Thrawns.«
»Und er ist sehr gut ohne sie ausgekommen«, räumte Disra ein. »Wenn man sich die Sache durch den Kopf gehen lässt, so schien er stets mehr an Eroberungen denn an Massenvernichtung interessiert. Außerdem, falls eine neue Superwaffe irgendwo existierte, hätten die Rebellen sie mittlerweile bestimmt gefunden.«
»Höchstwahrscheinlich«, erwiderte Tierce. »Bedauerlicherweise können wir da nicht ein für alle Mal sicher sein. Sind Sie bei Ihren ausgedehnten Forschungen über die Geschichte Thrawns zufällig auf die Namen Parck und Niriz gestoßen?«
»Parck war der imperiale Captain, der Thrawn auf einem verlassenen Planeten am Rand der Unbekannten Regionen gefunden und zum Imperator zurückgebracht hat«, erklärte Disra. »Niriz war der Captain des imperialen Sternzerstörers Admonitor, der Thrawn ein paar Jahre später während einer angeblichen kartografischen Expedition wieder in die Unbekannten Regionen befördert hat.«
»Angeblich?«
Disra rümpfte die Nase. »Man muss nicht besonders aufmerksam zwischen den Zeilen lesen, um zu begreifen, dass Thrawn sich in der Politik am imperialen Hof versucht und dabei die Finger verbrannt hat. Wie man das damals auch nannte, seine Rückkehr in die Unbekannten Regionen kam einem Exil gleich. Schlicht und einfach.«
»Ja, das war seinerzeit auch die allgemeine Auffassung unter den Ehrengardisten«, sagte Tierce nachdenklich. »Ich frage mich heute bloß, ob nicht noch mehr dahintersteckte. Gleichwohl, der entscheidende Punkt ist, dass weder Parck noch Niriz – auch nicht die Admonitor – jemals in den offiziellen Dienst für das Imperium zurückkehrten. Nicht mal, als Thrawn selbst zurückkam.«
Disra hob die Schultern. »Im Kampf gefallen?«
»Oder sie kehrten zurück und verstecken sich irgendwo«, meinte Tierce. »Möglicherweise bewachen sie diese Hand des Thrawn.«
»Die was wäre?«, wollte Disra wissen. »Sie sagen, es handle sich um keine Superwaffe. Um was dann?«
»Ich habe nicht behauptet, dass es sich nicht um eine Superwaffe handelt«, widersprach Tierce. »Ich habe lediglich gesagt, dass Superwaffen nicht Thrawns Stil waren. Ich persönlich sehe allerdings zwei wahrscheinlichere Möglichkeiten. Haben Sie jemals von einer Frau namens Mara Jade gehört?«
Disra forschte in seinem Gedächtnis. »Ich glaube nicht.«
»Sie arbeitet gegenwärtig für den Schmugglerboss Talon Karrde«, erklärte Tierce. »Doch zur Blütezeit des Imperiums war sie eine der besten Undercover-Agentinnen des Imperators, und ihr Titel lautete Die Hand des Imperators.«
Die Hand des Imperators. Die Hand des Thrawn. »Interessante Vorstellung«, sagte Disra nachdenklich. »Aber wenn diese Hand eine Person ist, wo war er oder sie all die Jahre?«
»Vielleicht ebenfalls untergetaucht«, antwortete Tierce. »Die zweite Möglichkeit ist jedoch noch faszinierender. Erinnern Sie sich daran, dass Thrawn, abgesehen von allem anderen, ein herausragender Stratege war? Was würde seinem Stil mehr entsprechen, als einen großen Plan zurückzulassen, der seinen Sieg garantieren soll?«
Disra schnaubte. »Der nach zehn Jahren imperialer Rückzugsgefechte vollkommen nutzlos wäre.«
»Ich würde das nicht so rasch abtun«, warnte Tierce. »Ein Stratege wie Thrawn betrachtet Schlachtpläne nicht allein nach der Anzahl der Kriegsschiffe und den Stellungen der Vorposten; er bedenkt darüber hinaus das geopolitische Gleichgewicht, kulturelle und psychologische Blößen, historische Animositäten und Rivalitäten – alle denkbaren Faktoren. Faktoren, die höchstwahrscheinlich auch heute noch genutzt werden können.«
Geistesabwesend rieb Disra die Stelle seiner Hand, an der Tierce’ Tritt ihn getroffen hatte und der Blaster schmerzhaft mit der Haut kollidiert war.
Oberflächlich betrachtet war dies alles absurd. Und doch, er hatte die Geschichte von Thrawns Leistungen studiert und die Berichte über das Genie dieses Mannes gesehen. Aber konnte er wirklich einen Schlachtplan entworfen haben, der auch nach zehn Jahren und tausend Niederlagen noch Verwendung finden mochte? »Was ist mit dieser fünf Jahre währenden Kampagne, auf die ich in seinen Aufzeichnungen gestoßen bin?«, fragte er. »Gab es dort etwas, das mir entgangen ist?«
»Nein.« Tierce schüttelte den Kopf. »Ich habe mir das bereits genau angesehen. Es handelt sich dabei um nichts weiter als einen vorläufigen Entwurf seiner Pläne nach der Konfrontation bei Bilbringi. Falls die Hand des Thrawn wirklich eine umfassende Strategie ist, so hat er sie anderswo versteckt.«
»Bei Captain Niriz auf der Admonitor, meinen Sie?«, vermutete Disra.
»Vielleicht«, antwortete Tierce. »Oder aber der endgültige Sieg liegt buchstäblich in der Hand einer bestimmten Person. Wie auch immer, es gibt dort draußen jemanden, der etwas besitzt, was wir haben wollen.«
Disra ließ ein dünnes Lächeln sehen. Plötzlich war alles so klar wie Transparistahl. »Und um diesen Jemand ans Licht zu locken, haben Sie beschlossen, unseren Köder ein wenig weiter auszuwerfen.«
Tierce senkte andeutungsweise den Kopf. »Unter den gegebenen Umständen, denke ich, war es das Risiko wert.«
»Vielleicht«, murmelte Disra. »Das setzt natürlich voraus, dass das Ganze nicht bloß ein Haufen Geschwätz war.«
Tierce’ Mundwinkel zuckte. »Ich war mehrere Monate gemeinsam mit dem Großadmiral an Bord der Schimäre, Disra. Davor habe ich ihn fast zwei Jahre lang an der Seite des Imperators beobachtet. Und niemals während all der Zeit habe ich ihn ein Versprechen geben hören, das er nicht fähig war einzuhalten. Wenn er gesagt hat, die Hand des Thrawn ist der Schlüssel zum Sieg, dann ist das auch so. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Dann lassen Sie uns darauf hoffen, dass, wer auch immer diesen Schlüssel in Händen hält, sich zeigt, bevor Coruscant nervös genug wird, um etwas zu unternehmen«, sagte Disra. »Womit fangen wir an?«
»Sie bereiten sich zunächst einmal darauf vor, die Kroctari als Angehörige des Imperiums willkommen zu heißen«, entgegnete Tierce. Er legte Disras Blaster auf den Tisch, zog eine Datenkarte aus seinem Hemd hervor und platzierte sie neben der Waffe. »Hier haben Sie eine kurze Übersicht über die Spezies im Allgemeinen und Lord Superior Bosmihi im Besonderen«, fuhr er fort und bewegte sich in Richtung Ausgang. »Ich fürchte, das ist das gesamte Datenmaterial, das wir an Bord hatten.«
»Das wird genügen«, erwiderte Disra, trat an den Tisch und hob die Datenkarte auf. »Wo gehen Sie hin?«
»Ich dachte, ich schließe mich Captain Dorja an, wenn er die Delegation aus dem Hangar geleitet«, antwortete Tierce. »Ich freue mich schon darauf, Ihr Verhandlungstalent in der Praxis zu erleben.« Ohne eine Entgegnung abzuwarten, trat er durch die Tür und war verschwunden.
»Und darauf, zu sehen, ob der imperiale Ehrengardist und der Schwindler den Moff noch brauchen«, brummte Disra vernehmlich hinter ihm her.
Wahrscheinlich. Aber das war in Ordnung. Sollte er ihn doch beobachten – sollte Flim ihn beobachten, wenn es ihm gefiel. Er würde es ihnen schon zeigen. In dem Moment, da die kroctarianische Delegation wieder nach Hause flog, würden sie beide vollkommen davon überzeugt sein, dass Disra nicht bloß ein müder alter Politiker war, dem sein brillanter Plan irgendwie entglitten war. Er war ein unerlässlicher Teil dieses Triumvirats, ein Teil, der nicht einfach so im Hintergrund verschwinden würde. Vor allem dann nicht, wenn sie die Garantie für den endgültigen Sieg beinahe in Händen hielten.
Er hatte das hier begonnen; und beim Blut des Imperators, er würde bis zum Ende dabeibleiben.
Er schob die Datenkarte in seinen Datenblock, verstaute den Blaster wieder in dem verborgenen Holster und begann zu lesen.
Von der Brücke des imperialen Sternzerstörers Tyrannic aus waren keine Planeten zu erkennen. Keine Planeten, keine Asteroiden, keine Raumschiffe, keine Sterne. Nichts als vollkommene eintönige Schwärze.
Mit Ausnahme eines einzelnen Punktes. An Steuerbord, kaum sichtbar für Captain Nalgol, befand sich eine kleine, schmutzig weiße Scheibe: der winzige Ausschnitt des Kometen, neben dem die Tyrannic sich durch den Raum bewegte und der durch das Tarnfeld des Raumers lugte.
Sie flogen nun schon seit Monaten auf diese Weise: vollkommen blind und taub für den Rest des Universums jenseits ihrer insularen Existenz.
Nalgol sah darin indes kein echtes Problem. Er hatte, als er noch ein Kadett gewesen war, Dienst auf einem der abgelegensten Horchposten des Imperiums geschoben, und die schlichte Tatsache, dass es da draußen nichts gab, was er betrachten konnte, machte ihm nichts aus. Doch nicht jedes Mitglied der Mannschaft war so abgebrüht wie er. Die Trainingsräume für die Kampfübungen waren in diesen Tagen dreifach belegt, und er hatte Gerüchte gehört, denen zufolge einigen der Piloten, welche die Erkundungsschiffe flogen, hohe Bestechungssummen angeboten worden waren, damit sie ein oder zwei Passagiere auf ihre Ausflüge in den Raum jenseits der Finsternis mitnahmen.
Auf dem Höhepunkt der Macht des Imperiums waren die Besatzungen der Sternzerstörer die Elite der Galaxis gewesen. Doch dieser Ruhm lag lange zurück; und wenn nicht bald etwas geschah, würde sich Nalgol mit einem ernsten Personalproblem herumschlagen müssen.
Draußen leuchtete im oberen Backbordquadranten ein strahlend heller Blitz auf. Relativ strahlend zumindest: der Rückstrahl eines ihrer Erkundungsschiffe, das gewissenhaft so präpariert worden war, dass es wie ein alter Minenschlepper aussah. Nalgol sah zu, wie der Raumer eine Kehre beschrieb, um anschließend unter dem wie eine Pfeilspitze geformten Rumpf der Tyrannic in einem Hangar zu verschwinden.
Nein, die unablässige Schwärze konnte ihm nichts anhaben. Trotzdem musste er zugeben, dass es ein gutes Gefühl gewesen war, für einen Moment einen Blick hinauszuwerfen.
Er hörte Schritte auf der Kommandogalerie neben ihm. »Vorläufiger Bericht von Erkundung zwei, Sir«, meldete der Erste Aufklärungsoffizier Oissan mit einer Stimme, die sich für Nalgol stets so anhörte, als würde jemand mit den Lippen schnalzen. »Die Anzahl der Kriegsschiffe um Bothawui ist auf sechsundfünfzig angewachsen.«
»Sechsundfünfzig?«, wiederholte Nalgol, griff nach dem Datenblock des anderen Mannes und überflog das Zahlenwerk. Falls er sich an das Ergebnis der gestrigen Erkundungsflüge richtig erinnerte … »Vier weitere Raumschiffe der Diamala?«
»Drei Schiffe der Diamala, eines der Mon Calamari«, berichtete Oissan. »Sie sind wahrscheinlich dort, um sich den sechs Opquis-Schiffen entgegenzustellen, die vor zwei Tagen ankamen.«
Nalgol schüttelte in wortlosem Erstaunen den Kopf. Er hatte insgeheim von Beginn an ernsthafte Bedenken gegen diese Mission gehegt – die Vorstellung, dass die Heimatwelt der Bothans ein Fokus für irgendwelche militärischen Aktivitäten werden könnte, ganz zu schweigen von einer Konfrontation dieses Ausmaßes, war ihm auf den ersten Blick grotesk vorgekommen. Doch Großadmiral Thrawn hatte diesen Plan offenbar selbst entwickelt, und er sollte verflucht sein, wenn das alte Rotauge nicht recht behielt.
»Sehr gut«, wandte er sich an Oissan. »Ich verlange den vollständigen schriftlichen Bericht von Erkundung zwei binnen zwei Stunden.«
»Verstanden, Captain.« Oissan schien zu zögern. »Ich will mich ja nicht in hochrangige Angelegenheiten einmischen, Sir, aber irgendwann werde ich wissen müssen, was dort draußen vorgeht, wenn ich meiner Aufgabe angemessen nachkommen soll.«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Colonel«, erwiderte Nalgol. »Doch ich weiß selbst nicht allzu viel.«
»Aber Sie haben eine spezielle Einweisung von Großadmiral Thrawn erhalten, in Moff Disras Palast, nicht wahr?«, hakte der andere Mann nach.
»Das kann man kaum als Einweisung bezeichnen«, antwortete Nalgol. »Er hat uns im Grunde nur unsere Aufgaben mitgeteilt und uns angewiesen, ihm zu vertrauen.« Er nickte in Richtung des Kometen und der beiden anderen Sternzerstörer, die getarnt an dessen Seiten flogen. »Unsere Rolle ist ganz einfach: Wir warten ab, bis all die Raumschiffe da draußen sich gegenseitig ebenso zerstört haben, wie sie den Planeten in eine Trümmerwüste verwandeln werden – was gewiss geschehen wird; dann heben wir unsere Tarnung auf und erledigen sie.«
»Die ›Erledigung‹ von Bothawui wird wirklich ein Kunststück werden«, bemerkte Oissan trocken. »Ich bezweifle nämlich, dass die Bothans mit ihrem planetaren Schildsystem geizen werden. Hat Thrawn irgendeine Vorstellung geäußert, wie er damit fertigwerden will?«
»Nicht mir gegenüber«, antwortete Nalgol. »Aber unter den gegebenen Umständen neige ich zu der Annahme, dass er weiß, was er tut.«
»Das will ich hoffen«, brummte Oissan. »Ich frage mich allerdings, wie er all diese Schiffe dazu gebracht hat, so aufeinander loszugehen.«
»Höchstwahrscheinlich beantwortet diese Frage das Gerücht, das Ihre Randkontakte Ihnen, kurz bevor wir uns tarnten, zugetragen haben«, erwiderte Nalgol. »Die Sache über eine Gruppe Bothans, die in die Verwüstung von Caamas verwickelt gewesen sein soll.«
»Das scheint mir kaum etwas zu sein, worüber man sich sonderlich aufregen könnte«, schnaubte Oissan. »Vor allem nicht nach so langer Zeit.«
»Nichtmenschen regen sich bei den seltsamsten Anlässen auf«, erinnerte ihn Nalgol und spürte, wie seine Mundwinkel vor Verachtung bebten. »Und angesichts dessen, was dort draußen vorgeht, würde ich sagen, Thrawn hat den Finger genau in die richtige Wunde gelegt, um ihnen wehzutun.«
»Sieht ganz so aus«, räumte Oissan ein. »Und woher sollen wir wissen, wann wir die Tarnung aufgeben und angreifen müssen?«
»Ich schätze, eine voll entbrannte Raumschlacht wird nicht zu übersehen sein«, antwortete Nalgol trocken. »Wie dem auch sei, Thrawns letzte Nachricht, ehe wir das Tarnfeld aktivierten, lautete, dass schon bald ein imperiales Kommandoteam auf Bothawui eintreffen und uns mit Daten versorgen würde.«
»Das wird uns von Nutzen sein«, sagte Oissan nachdenklich. »Wer Thrawn kennt, weiß natürlich, dass er die Schlacht wahrscheinlich für den Zeitpunkt geplant hat, an dem der Komet sich Bothawui am weitesten genähert hat, damit wir von der größtmöglichen Überraschung profitieren. Aber bis dahin wird noch etwa ein Monat vergehen.«
»Das ergibt Sinn«, stimmte Nalgol zu. »Obwohl ich nicht die geringste Ahnung habe, wie er sie dazu kriegen will, einem so engen Zeitplan zu folgen.«
»Ich auch nicht.« Oissan lächelte dünn. »Das ist vermutlich der Grund dafür, weshalb er Großadmiral ist und wir nicht.«
Nalgol erwiderte das Lächeln. »Bestimmt«, sagte er, und mit diesem Eingeständnis schien eine weitere Schicht seiner persönlichen Zweifel wegzuschmelzen.
Ja, Thrawn hatte sich in der Vergangenheit bewährt. Viele, viele Male. Wie auch immer sein Zauber wirken mochte, er hielt anscheinend noch immer an. Unter der Führung von Thrawns Genie stand das Imperium davor, einen Teil seines Besitzes wiederzuerlangen. Und das war alles, was Nalgol wirklich interessierte.
»Danke, Colonel«, sagte er und reichte dem anderen Mann den Datenblock. »Sie können sich wieder Ihren Pflichten widmen. Doch bevor Sie dies tun, möchte ich, dass Sie gemeinsam mit der Flugleitung prüfen, ob wir unsere Erkundungsflüge auf zwei pro Tag erhöhen können, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Jawohl, Sir«, antwortete Oissan mit einem neuerlichen dünnen Lächeln. »Immerhin wollen wir unseren großen Auftritt nicht verpassen.«
Nalgol wandte sich ab, um abermals in die Schwärze zu starren. »Wir werden ihn nicht verpassen«, versprach er leise. »Auf keinen Fall.«
Irgendwo in den verborgenen Tiefen seines Geistes entstand ein beharrliches Trillern, und Luke Skywalker fuhr mit einem Ruck aus der Jedi-Hibernationstrance auf. »Schon gut, R2«, wandte er sich an den Droiden, während er sich aus der Koje rollte und einen Augenblick damit zubrachte, sich zu orientieren. Richtig, er befand sich an Bord von Mara Jades Raumer, der Jades Feuer, und raste auf das Nirauan-System zu – jenes System, in dem Mara vor fast zwei Wochen verschwunden war. »Schon gut, ich bin wach«, fügte er hinzu und streckte die Finger und Zehen. »Sind wir bald da?«
Der Droide zwitscherte eine Bestätigung, während Luke mühsam seine Stiefel anzog; das Zwitschern wurde aus der Kanzel zurückgegeben. Das Echo kam von Maras V-Eins-Pilotendroiden, der die Feuer geflogen hatte, seit Luke und R2-D2 bei dem Treffpunkt nahe Duroon an Bord gekommen waren, und der sich seitdem strikt weigerte, einen von ihnen auch nur in die Nähe der Kontrollen des Schiffes zu lassen.
Eine übertriebene Vorsicht, die bald ein Ende finden würde. »R2, mach dich auf den Weg in die Andockbucht und überzeuge dich davon, dass der X-Flügler flugbereit ist«, instruierte er den kleinen Droiden, während er sich selbst in die Kanzel begab. »Ich werde uns derweil näher heranbringen.«
Eine Minute später saß er auf dem Platz des Piloten der Feuer und überprüfte ein letztes Mal die Kontrollen und Bildschirme. Der V-Eins-Droide hatte, da er Lukes Miene möglicherweise als einen Ausdruck erkannte, den er oft genug in Maras Zügen gesehen hatte, beschlossen, sich nicht über diesen Punkt zu streiten. »Mach dich bereit«, wies Luke den Droiden an. Als der Countdown angelaufen war, drückte Luke den Hebel für den Hyperantrieb nach vorn. Die Sternlinien leuchteten auf und schrumpften wieder zu Sternen: Sie waren da.
Der V-Eins flötete leise. »Das ist unser Zielort«, bestätigte Luke und blickte zu der fernen Sonne hinaus, deren winzige rote Scheibe kalt und abweisend aussah. Der Planet Nirauan selbst war nirgendwo zu entdecken. »Wir suchen den zweiten Planeten«, teilte Luke dem Droiden mit. »Kannst du mir seine Daten anzeigen?«
Der V-Eins zwitscherte bestätigend, und das Navdisplay erwachte zum Leben.
»Ich sehe es«, sagte Luke und checkte die Anzeigen. Der Planet war noch ziemlich weit entfernt.
Was selbstverständlich ihrer Absicht entsprach. Die Feuer besaß zwar eindrucksvolle Schutzschilde und Waffen, doch die Rettungsaktion aus allen Vierlingslasern feuernd anzugehen, würde Mara wahrscheinlich wenig helfen, ganz gleich, in welcher Lage sie sich befand. Geplant waren Verschleierung und Verschwiegenheit, und das bedeutete, dass sie die Feuer hier draußen zurücklassen würden, während Luke und R2 sich mit ihrem X-Flügler anschlichen.
Er stellte eine Verbindung mit der Andockbucht her. »R2? Ist alles bereit?«
Ein zustimmendes Trillern war zu hören.
»Gut«, sagte Luke und blickte wieder auf das Navdisplay. Sie waren, so schätzte er, wenn sie den Sublichtantrieb des X-Flüglers zugrunde legten, noch gut sieben Flugstunden von dem Planeten entfernt. Eine lange Zeit, um in einer beengten Kanzel zu sitzen und an Mara zu denken, abgesehen davon, dass sie damit jedem, der womöglich da unten wartete, die Möglichkeit gaben, den Weg zur Feuer zurückzuverfolgen. Aber zum Glück gab es einen Ausweg. »Mach dich daran, unsere beiden Sprünge zu berechnen«, wies er R2 an und aktivierte die automatischen Waffensysteme der Feuer. »Keiner soll länger als fünf Minuten dauern – wir wollen nicht mehr Zeit darauf verwenden als unbedingt nötig.«
R2 trällerte, dass er verstanden hatte, und machte sich an die Arbeit.
»Und dir ist auch klar, was du zu tun hast?«, fragte Luke den V-Eins, während er die Feuer langsam beschleunigte. Eine willkommene Zusammenballung kleiner Asteroiden trieb vor ihnen durch die Finsternis und gab ein hervorragendes Versteck ab. »Ich werde das Schiff zwischen diese Felsbrocken manövrieren, und du wirst einfach hier abwarten und so tun, als wärst du einer davon. Alles klar?«
Der Droide gluckste widerspenstig seine Zustimmung.
»Also schön«, sagte Luke und lenkte den Raumer sanft zwischen die Asteroiden. Einer, ungefähr so groß wie ein Schockball, prallte leicht gegen den Rumpf, und er zuckte zusammen. Die Feuer war Maras wertvollster Besitz, und sie gab noch sorgfältiger darauf acht als der V-Eins. Falls er den Schiffsrumpf eindellte oder auch nur den Lack verschrammte, würde er ihre Klagen darüber bis ans Ende aller Tage ertragen müssen.
Er beendete das Manöver daher mit übertriebener Vorsicht und schaffte es, ohne weitere Kollisionen in die richtige Position einzuschwenken. »Also gut, das war’s«, sagte er, löste die Gurte und übergab die Kontrolle wieder an den V-Eins. »Du hast den Code, den ich dir gegeben habe – den senden wir auf dem Rückweg, damit du weißt, dass wir es sind. Jeder andere … nun, lass das Schiff nicht das Feuer eröffnen, es sei denn, du wirst zuerst beschossen, aber auf keinen Fall, bevor wir eine Vorstellung davon haben, was da unten los ist.«
Zwei Minuten später steuerte er den X-Flügler vorsichtig aus der Feuer, wobei er stets ein wachsames Auge auf die trudelnden Felsbrocken richtete. R2 hatte den Kurs bereits eingegeben, und dann waren sie in einer Eruption von Sternlinien verschwunden.
Luke hatte den Droiden angewiesen, den Sprung unter fünf Minuten zu halten, und dieser hatte die Anweisung befolgt. Zwei Minuten nach dem Aufbruch ließ Luke den X-Flügler gemäß R2s Eingaben wieder aus dem Hyperraum fallen, wendete das Schiff und sprang erneut. Weitere zwei Minuten darauf hatten sie ihr Ziel erreicht.
R2 pfiff leise. »Das ist es«, bestätigte Luke und blickte zu dem dunklen Planeten hinaus, der vor ihnen im Weltraum hing. »Genau wie auf den Bildern, die die Starry Ice mitgebracht hat.«
Und Mara war irgendwo dort unten. Gestrandet, vielleicht verletzt, vielleicht eine Gefangene.
Oder vielleicht sogar tot.
Luke verdrängte diesen Gedanken mit Nachdruck und griff in die Macht hinaus. Mara? Mara, kannst du mich hören?
Doch da war nichts.
R2 ließ ein fragendes Trillern hören. »Ich kann sie nicht erfassen«, gab Luke zu. »Aber das hat nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Wir sind immer noch ziemlich weit weg, und sie ist vielleicht nicht stark genug, um so weit hinauszugreifen. Sie könnte auch schlafen – das würde ihre Reichweite einschränken.«
Der Droide antwortete nicht. Aber es war nicht schwer zu erraten, dass seine Gedanken denen Lukes folgten.
Und da gab es noch jene Vision, die Luke vor nunmehr dreieinhalb Wochen in der medizinischen Einrichtung von Tierfon gehabt hatte. Die Vision von Mara, die leblos in einem Gewässer trieb …
»Es hat keinen Zweck, sich darüber Sorgen zu machen«, sagte Luke und drängte die Vision, so gut er konnte, in den Hintergrund seines Geistes. »Führ einen unauffälligen Sensorscan durch – nichts, was ihre Detektoren auf den Plan rufen könnte.«
Es folgte eine Bestätigung, dann rollte eine neue Frage über den Computerbildschirm des X-Flüglers. »Wir gehen auf dem gleichen Kurs runter wie sie«, entgegnete Luke. »Durch die Schlucht bis zu dieser Höhle, in der sie verschwand. Sobald wir da sind, fliegen wir mit dem X-Flügler hinein und warten ab, was geschieht.«
R2 zwitscherte eine unbehaglich klingende Zustimmung. Luke warf einen Blick auf das Kursprotokoll, das Talon Karrde ihm überlassen hatte, und steuerte den X-Flügler vorsichtig auf den Planeten zu, während er sich einen Moment lang wünschte, dass Leia bei ihm wäre. Falls die Wesen, auf die Mara gestoßen war, Intelligenz besaßen, würde er nicht nur seine Jedi-Kräfte, sondern auch diplomatisches Geschick brauchen, um mit ihnen klarzukommen. Eine Gabe, die Leia besaß und er nicht.
Er verzog das Gesicht. Andererseits war wohl ohnehin niemand zu Hause besonders glücklich darüber, dass er sich, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, auf den Weg gemacht hatte – zu versuchen, Leia mitzunehmen, hätte da gerade noch gefehlt. Nein, Leias diplomatisches Geschick wurde in der Neuen Republik am dringendsten benötigt.
Welche Talente hier weiterhin benötigt wurden, würde er früh genug herausfinden.
Sie flogen noch ein gutes Stück außerhalb der Atmosphäre des Planeten, als die Sensoren des X-Flüglers die beiden fremden Raumschiffe orteten, die sich von der Planetenoberfläche erhoben und auf sie zukamen. »So viel zu Verschleierung und Verschwiegenheit«, murmelte Luke und studierte die Sensorprofile. Die Raumer sahen definitiv so aus wie jenes Schiff, das er und R2 auf dem Rückflug von dem Nest der Cavrilhu-Piraten im Kauron-Asteroidenfeld entdeckt hatten.
Jenes Schiff hatte allerdings abgedreht und die Flucht ergriffen, ehe er es aus der Nähe betrachten konnte. Jetzt, da dieses Paar rasch zu ihm aufstieg, konnte er erkennen, dass sein erster Eindruck von dem Fahrzeug korrekt gewesen war. Die Raumer waren, grob geschätzt, dreimal so groß wie der X-Flügler und eine insgesamt seltsame, doch merkwürdig kunstvolle Mischung aus nichtmenschlicher Bauweise und der allzu vertrauten Form der TIE-Jäger. Am Bug der beiden Schiffe befand sich eine leicht dunkel getönte Kanzel, durch die er vage ein paar Pilotenhelme im Stil des Imperiums ausmachen konnte.
R2 pfiff nachdenklich. »Ruhig, R2«, warnte Luke. »Das bedeutet noch lange nicht, dass sie mit dem Imperium verbündet sind. Vielleicht haben sie bloß irgendwo einen TIE-Jäger gefunden und sich was abgeguckt.«
R2s Brummen machte seine diesbezügliche Meinung deutlich.
»In Ordnung, schön, wahrscheinlich nicht«, erwiderte Luke, der die sich nähernden Raumschiffe nicht aus den Augen ließ. Eine Minute später waren sie an ihm dran, stiegen ein kleines Stück über den X-Flügler auf und änderten den Kurs, als sie zu beiden Seiten in flankierende Positionen einschwenkten. »Hast du irgendwelche Anzeigen, dass sie bewaffnet sind?«
Der Droide flötete, und eine grobe Übersicht erschien auf dem Computerdisplay. Die Schiffe waren ziemlich stark bewaffnet.
»Großartig«, brummte Luke und griff mit der Macht hinaus, um eine nach Möglichkeit gefühlsmäßige Einschätzung der Lage zu gewinnen. Doch alles, was er zu erfassen vermochte, war der elementare emotionale Hintergrund der drei Lebewesen an Bord jedes Raumers. Nichtmenschliche Gehirne, die nichtmenschliche Gedanken produzierten, ohne jeden Anhaltspunkt für Luke.
Andererseits passten ihre derzeitigen Positionen eher zu einer Eskorte als zu einem Angriff. Und was noch bedeutsamer war: Lukes Jedi-Sinne wiesen auf keine unmittelbare Gefahr hin. Wenigstens für den Augenblick waren sie vermutlich relativ sicher.
Und es war an der Zeit, ein wenig Freundlichkeit zu zeigen. »Mal sehen, ob wir mit ihnen reden können«, schlug er vor und langte nach dem Kommschalter.
Doch die fremden Wesen kamen ihm zuvor. »Ka’sha’ma’ti orf K’ralan«, sagte eine erstaunlich melodische Stimme. »Kra’miral sumt tara’kliso mor Mitth’raw’nuruodo sur pra’cin’zisk mor’kor’lae.«
Luke fühlte, wie sein Magen schrumpfte. »R2?«, fragte er.
Der Droide trillerte eine besorgt klingende Bestätigung: Dies war tatsächlich die gleiche Übertragung, die Karrde und Mara von dem Raumschiff aufgefangen hatten, das an Booster Terriks Errant Venture vorbeigeschrammt war. Jene Übertragung, die Mara zufolge Thrawns wenig bekannten vollständigen Namen enthalten hatte.
Luke verzog das Gesicht und aktivierte sein Komm. »Hier ist der X-Flügler der Neuen Republik AA-589«, sagte er. Falls die fremden Wesen kein Basic sprachen, würde dies natürlich nichts bringen, aber es war immer noch besser, als einfach dazusitzen und sie zu ignorieren. »Ich bin auf der Suche nach einer Freundin, die möglicherweise auf Ihrer Welt abgestürzt ist.«
Es entstand eine kurze Pause. Als er aus seiner Kanzel blickte, überkam Luke das deutliche Gefühl, dass die beiden fremden Schiffe näher an ihn herangerückt waren.
»X-Flügler der Neuen Republik«, ließ sich die Stimme wieder vernehmen, diesmal jedoch in einigermaßen verständlichem Basic. »Sie werden uns zur Oberfläche folgen. Sie werden sich nicht von uns entfernen. Wenn Sie es doch tun, werden Sie vernichtet.«
»Ich verstehe«, antwortete Luke. Das Komm gab ein Klicken von sich, und im nächsten Moment fielen die beiden Raumer in Richtung Oberfläche zurück. Luke war vorbereitet, folgte ihnen und glitt rasch wieder an seinen Platz in der Formation zurück. »Angeber«, murmelte er vor sich hin.
Nur eine Sekunde später drehten die beiden Schiffe erneut ab; dieses Mal beschrieben sie eine flache Aufwärtskurve und wandten sich dann hart nach Steuerbord. R2 kreischte, als das Raumschiff auf der Backbordseite unbehaglich dicht über seinen Kopf hinwegschoss; der scharfe Ton des Missvergnügens wurde noch schriller, als Luke den X-Flügler herumriss, um sich dem Manöver anzupassen. Er hatte seinen Platz in der Mitte kaum wieder eingenommen, als sie die Aktion wiederholten, wobei sie diesmal nach Backbord ausscherten.
R2 murrte. »Keine Ahnung«, sagte Luke, während er erneut zu seiner Eskorte aufschloss. »Vielleicht haben sie irgendein besonderes Verteidigungssystem eingerichtet, das eine spezielle Annäherung erforderlich macht, wenn sie nicht abgeschossen werden wollen. So wie die Piraten in ihrer Asteroidenbasis, weißt du noch?«
Der offensichtliche Einwand rollte über den Bildschirm: Gemäß den Aufzeichnungen der Starry Ice war Mara keinem derart komplizierten Anflug gefolgt.
»Vielleicht haben sie die Verteidigungsanlage erst als Reaktion auf ihre unbemerkte Annäherung eingerichtet«, vermutete Luke. »Oder wir könnten auch über einem anderen Teil des Planeten herunterkommen als sie – wir hatten bisher noch keine Gelegenheit, uns geografisch zu orientieren.«
R2 murrte abermals.
»Oder sie könnten versuchen, einen Anlass dafür zu finden, das Feuer auf uns zu eröffnen«, stimmte Luke grimmig zu.
Die fremden Raumschiffe führten auf dem Weg abwärts drei weitere Manöver durch, von denen keines Luke größere Anpassungsschwierigkeiten bereitete. Doch als sie die oberen Atmosphäreschichten erreichten, schienen sie ihres Spiels müde zu werden und setzten zu einem scharfen, schnörkellosen Flug in Richtung des westlichen Horizonts an. Luke teilte seine Aufmerksamkeit zwischen den Raumschiffen und der Oberfläche tief unter ihnen. Dann griff er in die Macht hinaus und suchte nach Anzeichen für irgendwelche Probleme.
Sie waren zwanzig Minuten unterwegs, und R2 hatte endlich eine Übereinstimmung zwischen der Planetenoberfläche und den Aufzeichnungen der Starry Ice ausgemacht, als das vertraute Kribbeln einsetzte. »Wir haben ein Problem, R2«, teilte Luke dem Droiden mit. »Ich bin mir noch nicht sicher, welcher Art, aber wir haben zweifellos ein Problem. Gib mir eine kurze Übersicht.«
Er überflog den Bildschirm, sobald der Statusbericht erschien. Die Sensoren des X-Flüglers registrierten keine weiteren Luft- oder Raumfahrzeuge, nichts im Energieverbrauch oder in den Waffensystemen ihrer Begleiter wies auf Vorbereitungen zu einem Angriff hin, und die Systeme des X-Flüglers wurden als voll funktionsfähig ausgewiesen. »Wie weit ist es noch bis zu der Festung, die Mara entdeckt hat?«, fragte er.
R2 piepste: weniger als fünfzehn Flugminuten bei ihrer gegenwärtigen Geschwindigkeit.
»Halte dich bereit«, erwiderte Luke. Er atmete tief durch, ließ die Hände auf die Kontrollen sinken, entspannte bewusst alle Muskeln und tauchte in die Macht ein.
Die Schlucht, durch die Mara geflogen war, war soeben parallel zu ihrer Flugrichtung am fernen Horizont aufgetaucht, als es schließlich geschah: In perfekter Übereinstimmung lenkten die beiden Begleitschiffe einen kurzen Energiestoß in ihre Steuerdüsen und fielen, als ihre Geschwindigkeit nachließ, aus ihrer flankierenden Position hinter den X-Flügler zurück.
Und halb verborgene, hinter ihren Kanzeln eingelassene Düsen spien eine tödliche Salve aus blauem Feuer.
Ihr Ziel indes war nicht mehr da. Einen Augenblick, bevor die Steuerdüsen der Fremden gezündet hatten, nahm Luke die unterschwellige Störung der Macht wahr, und als ihre Waffen feuerten, hatte er den X-Flügler bereits in einen steilen Steigflug gezwungen; aufsteigend beschrieb er eine Kehre und flog einen engen Kreis, der ihn in eine Angriffsposition hinter seine Gegner tragen sollte.
Zumindest war dies für gewöhnlich das Ziel dieses Manövers. Doch dieses Mal hatte Luke andere Pläne. Anstatt die Kreisbahn hinter den fremden Wesen zu verlassen, hielt er die Nase des X-Flüglers ein paar zusätzliche Herzschläge lang auf die Planetenoberfläche gerichtet. Dann, in allerletzter Sekunde, zwang er den Sternjäger in eine schwindelerregende Doppelkehre. Im nächsten Moment rasten sie nur wenige Meter über dem Boden dahin.
»Was machen die anderen?«, rief Luke, der sich nicht traute, den Blick lange genug von der Landschaft abzuwenden, um selbst nachzusehen.
Das warnende Kreischen des Droiden sowie eine plötzliche Regung in der Macht antworteten ihm. Von hinten prasselte ein neuer Schauer blauen Feuers auf sie ein; das meiste ging fehl, aber ein paar Schüsse prallten vom hinteren Deflektorschild ab.
»Haben sich ihnen irgendwelche neuen Freunde angeschlossen?«, rief er.
R2 trillerte eine Verneinung. Das war immerhin etwas. Trotzdem, diese Schiffe waren gut, und ihre Besatzungen wussten ohne Frage, was sie taten. Luke hatte alle Hände voll zu tun, vor allem, da …
R2 zwitscherte eine dringende Frage. »Nein, lass die S-Flächen, wie sie sind«, wies Luke ihn an. »Wir werden nicht zurückschießen.«
Die nächste Frage des Droiden war ein ungläubiges Pfeifen.
»Weil wir nicht wissen, wer sie sind und warum sie hier sind«, erklärte Luke, dessen Blick den Boden vor ihnen maß. Unmittelbar hinter Maras Schlucht sah das Terrain irgendwie zersplittert aus. Klippen aus Granit und tiefe scharfkantige Felsspalten bildeten die Oberfläche. »Ich will keinen von denen töten, bevor ich nicht weiß, wer und was sie sind.«
R2s Erwiderung bestand in einem neuen Kreischen, als der letzte Feuerstoß des Feindes eine dünne Metallschicht von der Steuerbord-S-Fläche abriss.
»Keine Panik, wir sind fast da«, beruhigte ihn Luke und riskierte einen schnellen Blick auf die Statusschirme. Bisher keine schweren Schäden, aber sobald die Angreifer nur ein wenig weiter zu ihnen aufschlossen, wäre es damit vorbei.
Was bedeutete, dass es für ihn darauf ankam, sie davon abzuhalten.
Hinter ihm flötete R2 misstrauisch. »Genau dort werden wir hinfliegen«, bestätigte Luke. Sie hatten sich unterdessen der zersplitterten Landschaft genähert, und an Backbord entdeckte er eine passend anmutende Felsspalte. »Ach komm, entspann dich – das ist auch nicht schlimmer als eine Menge anderer Sachen, die wir durchgezogen haben«, fügte er hinzu und drehte die Nase des X-Flüglers in Richtung der Spalte. »Außerdem haben wir keine andere Wahl. Halt dich gut fest – es geht los!«
Die Bettlerschlucht auf Tatooine war ein heikles, jedoch vertrautes Hindernisrennen mit plötzlichen Kehren und Kanten und Achterbahnrouten gewesen; der Graben des Todessterns war weitaus gerader verlaufen, doch hatte es dort zusätzlich Turbolaserfeuer und angreifende TIE-Jäger gegeben; die Klippen von Nirauan trieben die Herausforderung noch einen Schritt weiter, da es hier unvorhersehbare Kurven und Hindernisse, unterschiedliche Weiten und Tiefen, vorstehende Felsen und harzige Baumranken gab.
Der frisch verpflichtete Rebellen-Rekrut auf Yavin hätte die darin enthaltenen Risiken wahrscheinlich erkannt; sogar der vorlaute Heranwachsende auf Tatooine wäre vor der Dummheit zurückgeschreckt, sich bei so hoher Geschwindigkeit in ein unbekanntes Labyrinth zu stürzen; der gealterte Jedi jedoch, zu dem Luke geworden war, war sich indes sicher, dass er damit keine Probleme haben würde.
Er hatte zum größten Teil recht. Das Schiff nahm die erste Serie von Kehren mit Leichtigkeit; Lukes Fähigkeiten als Pilot und seine Voraussicht mithilfe der Macht verbanden sich mit der angestammten Wendigkeit des X-Flüglers, um die fremden Schiffe abzuhängen. Luke schoss durch ein weites Tal und steuerte dann eine neue Schlucht an …
… und verlor um ein Haar die Kontrolle, als an Backbord blaues Feuer den Rumpf beharkte.
»Alles in Ordnung«, wandte er sich über die Schulter an R2 und empfand einen Anflug von Verärgerung über sich selbst, während der X-Flügler abermals in die relative Sicherheit einer Schlucht eintauchte. Dies war auch schon vorher geschehen: Wenn er seine Aufmerksamkeit – und die Macht – zu sehr in eine Richtung lenkte, konnte es leicht passieren, dass er für alles, was sich außerhalb dieses Tunnelblicks zutrug, blind wurde. Offensichtlich war einer der fremden Piloten so schlau gewesen, die Jagd abzubrechen und stattdessen das Labyrinth zu überfliegen, um sein Ziel am anderen Ende zu erwarten.
Doch der Schachzug war vergeblich; und wenn das Terrain mitspielte, würde er keine zweite Chance erhalten. Der X-Flügler verschwand in einem zweiten Tal, das schmaler war als das erste, und bog dann scharf in eine weitere Felsspalte ein. Luke überließ der Macht die Steuerung seiner Hände und beobachtete die Klippen ringsum auf der Suche nach dem richtigen Weg …