Stars In Your Eyes - Kacen Callender - E-Book

Stars In Your Eyes E-Book

Kacen Callender

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Beschreibung

Die bewegendste Love Story, seit es Hollywood gibt  Mattie ist ein rising star in Hollywood. Er kann es kaum glauben, dass er für einen Film zusammen mit Logan Gray gecastet wurde! Logan ist Hollywoods Bad Boy, der seinen Schmerz hinter Skandalen, Drogen und Sex versteckt. Außerdem nimmt er kein Blatt vor den Mund: Nach dem ersten Drehtag nennt er Mattie vor der gesamten Presse untalentiert und bringt damit den Film in Gefahr. Denn der wird nur ein Erfolg, wenn die Chemie zwischen den Hauptdarstellern stimmt. Mattie und Logan werden zu einer Fake-Relationship gedrängt, und kommen sich dabei ungewollt näher. Mattie ist der Erste, der hinter Logans Mauern aus Selbsthass blickt. Aber kann er den Dämonen standhalten, ohne selbst in den Strudel hinabgerissen zu werden?  Gay Romance meets New Adult: Ein vielschichtiger Roman über Identität, die Überwindung von Trauma und die Suche nach der Liebe, die jeder verdient von National Book Award-Träger:in Kacen Callender 

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Stars In Your Eyes

Kacen Callender studierte Creative Writing und arbeitete lange Zeit als Lektor:in in New York, bevor they sich ganz dem Schreiben widmete. Their Coming-of-Age-Romane wurden mehrfach ausgezeichnet und berühren die Herzen von hunderttausenden Leser:innen. 

Die bewegendste Love Story, seit es Hollywood gibt 

Mattie ist ein rising star in Hollywood. Er kann es kaum glauben, dass er für einen Film zusammen mit Logan Gray gecastet wurde! Logan ist Hollywoods Bad Boy, der seinen Schmerz hinter Skandalen, Drogen und Sex versteckt. Außerdem nimmt er kein Blatt vor den Mund: Nach dem ersten Drehtag nennt er Mattie vor der gesamten Presse untalentiert und bringt damit den Film in Gefahr. Denn der wird nur ein Erfolg, wenn die Chemie zwischen den Hauptdarstellern stimmt. Mattie und Logan werden zu einer Fake-Relationship gedrängt, und kommen sich dabei ungewollt näher. Mattie ist der Erste, der hinter Logans Mauern aus Selbsthass blickt. Aber kann er den Dämonen standhalten, ohne selbst in den Strudel hinabgerissen zu werden? 

Gay Romance meets New Adult: Ein vielschichtiger Roman über Identität, die Überwindung von Trauma und die Suche nach der Liebe, die jeder verdient von National Book Award-Träger:in Kacen Callender 

Kacen Callender

Stars In Your Eyes

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2024© 2023 by Kacen CallenderDie amerikanische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel: Stars In Your Eyes bei Forever (Hachette).Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Autor:innenfoto: © Bella PorterE-Book-Konvertierung powered by pepyrus

ISBN 978-3-95818-793-1

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Mattie

Logan

Triggerwarnung

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Content Note

Content Note

Dieses Buch beinhaltet sensible Themen, die für manche Menschen belastend sein können. Auf S. 377 befindet sich eine ausführliche Triggerwarnung.

   

Deadline Exklusiv

[Zwei Fotos nebeneinander: der dreiundzwanzigjährige Matthew Cole mit brauner Haut und Sommersprossen, braunen Locken und dunkelbraunen Augen in einem pinkfarbenen T-Shirt und mit einem fröhlichen Grinsen im Gesicht; der vierundzwanzigjährige Logan Gray mit hellerer brauner Haut, glattem, schwarzem Haar und dunkelbraunen Augen mit langen Wimpern, ganz in Schwarz gekleidet und mit gelangweiltem Blick.]

Matthew Cole hat eine Rolle in dem mit Spannung erwarteten Film Write Anything (eine Anspielung auf den Film Say Anything aus dem Jahr 1989) angenommen. Die Geschichte basiert auf dem New York Times-Bestseller über zwei männliche Autoren, die zusammenarbeiten müssen und sich unweigerlich ineinander verlieben. Logan Gray wurde bereits für die Hauptrolle als Quinn Evans gecastet; Matthew Cole spielt seinen Counterpart Riley Mason. Der Film soll Anfang nächsten Jahres in die Kinos kommen.

Ein Video beginnt:

Der YouTube-Star Shaina Lively hat sich vor grellen Scheinwerfern platziert; im Hintergrund ein Büro, dessen Wände mit Filmplakaten verschiedener Liebeskomödien tapeziert sind. Shaina beugt sich zur Kamera vor und spricht mit Südstaaten-Akzent:

»Hey, Leute! Ich weiß, dass ihr euch genauso freut wie ich, dassMatthew Cole für

Write Anything

zugesagt hat!«

 Sie hüpft jubilierend auf ihrem Stuhl auf und ab.

 »O mein Gott, sorry, ich bin ganz aus dem Häuschen. Ich

liebe

das Buch, und ich

liebe

Mattie, darum weiß ich, das wird eine himmlische Verbindung. Ah! Ich habe allerdings schon einige murren hören, Matthew sei

zu jung

und kein

ernsthafter

Schauspieler – aber wenn wir uns um jemanden Sorgen machen müssen, dann ja wohl umLogan Gray. Ja, ich weiß, er hat Oscars gewonnen und so, aber ich wette mit euch, Logan wird diesen Film irgendwie vermasseln, und unser armer Matthew muss dafür bezahlen. Und wenn das passiert, könnte es sein, dass ich durchdrehe.«

 Sie strahlt. »Gut, das war’s für heute! Bis zum nächsten Mal.«

 Sie wirft einen Kuss in Richtung Kamera.

Das Video endet.

Mattie

Ich werde durch Flure mit frisch geweißten Wänden und gefliesten Böden geführt, in denen es nach Bleichmittel riecht. Ich keuche und schwitze, die Wüstenhitze klebt auf meiner Haut, und ich versuche, tief einzuatmen und mich zu beruhigen, bevor ich den Raum betrete. Ich bin ziemlich spät dran. Allein das wird mich beim ersten Eindruck ein paar Punkte kosten, und ich glaube nicht, dass irgendjemand ein »Sorry, ich bin den Verkehr in L. A. nicht gewohnt« als Ausrede akzeptiert. Bei meiner ersten Rolle hat das vielleicht noch funktioniert, aber ich bin jetzt schon seit einem Jahr immer wieder in der Stadt.

Samantha, die Assistentin, die mich durch die Gänge führt, scheint ebenso nervös zu sein wie ich, und das will was heißen. »Sind Sie sicher, dass Sie kein Wasser möchten? Kaffee?«, fragt sie mich zum dritten Mal.

»Nein danke«, sage ich außer Atem. Ich merke, wie sie mich kurz ansieht und dann schnell den Blick abwendet, und mir fällt wieder ein – ach ja, ich bin ja berühmt. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt. Love Me Dearly ist vor ungefähr sechs Monaten herausgekommen, und ich war nach dem Ende der Promo-Tour nicht auf diese ständige Aufmerksamkeit vorbereitet. Sie verunsichert mich, und ich versuche, nicht an meinem Shirt herumzuziehen – eine nervöse Angewohnheit, die ich mir laut meiner Managerin Paola abgewöhnen sollte.

Am Ende des Flurs hält Samantha mir die Tür auf. Ich danke ihr und eile in den Raum, wobei ich versuche, nicht direkt zu rennen, aber auch nicht zu schlendern, als hätte ich alle Zeit der Welt. Verdammt. Ich hätte das Angebot annehmen sollen, mich von einem Fahrer vom Hotel abholen zu lassen, statt zu Fuß zu gehen. Ständig verlaufe ich mich.

Im Raum steht ein großer Konferenztisch, um den etwa ein Dutzend Leute im Kreis sitzen, an die gegenüberliegende Wand ist ein kleinerer Tisch mit Kaffee und Obst geschoben. Kaum bin ich eingetreten, drehen sich alle zu mir um. Mein Herz pocht heftig. Man sollte meinen, einem Schauspieler würde es nichts ausmachen, wenn so viele Blicke auf ihn gerichtet sind, aber es ist mein großes Geheimnis, dass ich mein Lampenfieber nie losgeworden bin.

»Matthew!«

Der Regisseur Dave Miller steht auf. Er ist weiß, hat graue Koteletten und scheint sich einen Bart stehen zu lassen. Am Kragen seines Button-up-Hemds prangt ein kleiner Kaffeefleck. Er klopft mir auf die Schulter und deutet in den Raum. »Alle, Mattie. Mattie, alle.«

Hier und da wird freundlich gelächelt, einige winken, andere nicken mir erschöpft zu. Ich bin nicht nur nervös, weil ich in einem Raum voller Fremder stehe, die mich anstarren, sondern auch, weil ich weiß, wer diese Fremden sind. Die meisten dieser Schauspieler kenne ich aus den Lieblingsserien und -filmen meiner Kindheit. Und jetzt werde ich mit ihnen zusammen in einem Film spielen. Das ist ein Traum, und ich wundere mich immer noch jeden Tag, dass ich es so weit gebracht habe. Jetzt muss ich nur noch zusehen, dass ich es nicht vermassle.

Nur einer am Tisch hat mich keines Blickes gewürdigt. Logan Gray. Einen Moment lang überlege ich, ob er vielleicht schläft. Obwohl wir drinnen sind und es in dem Raum eigentlich nicht sonderlich hell ist, trägt er eine Sonnenbrille, und sein Hoodie sieht zugegebenermaßen ziemlich bequem aus. Er hat sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, die Füße auf den Stuhl daneben gelegt und lässt ein leises Schnarchen hören. Ja, er ist eindeutig eingeschlafen.

Ich hatte für die Hauptrolle in Write Anything vorgesprochen. Riley Mason ist eine tolle Rolle, aber sie ähnelt den Charakteren, die ich bislang gespielt habe: fröhliche, optimistische Figuren, die das Publikum sofort ins Herz schließt. Ich habe Angst, schon so früh in meiner Karriere auf einen Typ festgelegt zu werden, und mit der Rolle von Quinn Evans wollte ich dem entgegenwirken. Quinn ist … der kompliziertere Charakter. Er macht Fehler und verletzt sich und andere bei dem Versuch, zu wachsen. Er fordert einen Schauspieler ganz anders heraus. Wenn ich die Rolle bekommen hätte, hätte ich hart daran arbeiten müssen, Quinn und der Vorlage treu zu bleiben. Es wäre schwierig geworden, die Figur zu mögen und sich zugleich in ihren Selbsthass hineinzufühlen, sodass das Publikum Mitgefühl für sie empfindet.

Ich war total aufgeregt, dass ich überhaupt für einen solchen Film gecastet wurde. Wie ich mit meiner Mutter und meiner Schwester vor Freude geschrien und geweint und Luftsprünge gemacht habe, gehört zu meinen schönsten Erinnerungen. Auch wenn es mich nicht überrascht hat, dass Gray die Rolle am Ende bekommen hat, war ich zugegebenermaßen enttäuscht. Gray ist auch auf einen Typ festgelegt. Er verkörpert Sex und Drogen auf eine Art, wie es bei mir, sosehr ich mich auch anstrenge, wohl nie der Fall sein wird. »Er hat dieses gewisse Etwas«, sagt meine PR-Agentin.

Gray gehört definitiv zu den Schauspielern, die ich bewundere. Er ist enorm talentiert. Ich habe ihn studiert, habe mir Interviews mit ihm angesehen und versucht, hinter seine Magie zu kommen. Es überrascht mich, wie locker er sich über Technik und Methoden lustig macht. In Interviews auf seine Schauspielkunst angesprochen, verdreht er die Augen und sagt, das sei nur ein schickes Wort, das sich irgendwelche Arschlöcher ausgedacht hätten, um damit zu rechtfertigen, wer für Preise nominiert wird und wer nicht.

Und dann gab es da noch ein anderes, neueres Interview mit Gray, das ich erst vor zwei Wochen gesehen hatte, gleich nachdem ich als Riley Mason besetzt worden war. Mir kommt die Galle hoch, aber ich erinnere mich an meinen Vorsatz: Ich werde so tun, als hätte ich das Interview nie gesehen. Das werde ich wohl müssen, wenn ich mit ihm arbeiten will.

Dave bemerkt entweder nicht, dass Logan tief und fest schläft, oder er ist so ein Benehmen gewohnt. Er bittet mich, Platz zu nehmen, und ich setze mich etwas unbeholfen zwischen Scott Anders (fünffacher Oscar-Preisträger, einer der größten Schauspieler aller Zeiten, ich könnte mir seine brillante Leistung in Duchess Down buchstäblich tausendmal ansehen und habe es höchstwahrscheinlich auch getan) und Monica Meyers (fünfmal als beste Nebendarstellerin nominiert, auch wenn sie noch nicht gewonnen hat, eindeutig genial, besonders wegen ihrer herzzerreißenden Darstellung in Der Himmel weint). Scott schüttelt mir die Hand und sagt grinsend, er sei ein großer Fan meiner Leistung in Love Me Dearly, und ich muss den Fan in mir zur Ruhe zwingen, während Monica die Lippen schürzt, wahrscheinlich sauer, weil ich zu spät komme.

Kopien des Drehbuchs mit den Namen der Schauspieler auf dem Titelblatt sind bereits um den Tisch verteilt, und Autoren und Assistenten sitzen auf Stühlen entlang der Wand, die Bleistifte gespitzt. Eigentlich ist dies die zweite Drehbuchlesung, aber da ich erst so spät dazugekommen bin, ist es meine erste. Eine Menge Leute sitzen mit Laptops und Drehbuchkopien im Raum, und ich bin mir nicht ganz sicher, was ihre Rolle hier ist. Noch mehr Leute, für die ich spielen muss.

Dave setzt sich ans Kopfende des Tisches und rückt seine Baseballkappe zurecht. »Kann mal jemand Dornröschen wecken?«, fragt er, ohne eine Miene zu verziehen.

Samantha eilt nach vorn. Sie räuspert sich und tippt Gray auf die Schulter. Er rührt sich nicht. Sie versucht es erneut. »Mr Gray …?«

Er grunzt etwas, setzt sich auf und sieht sich im Raum um, als hätte er vergessen, wo er ist, was gut möglich ist.

Dave schlägt sein Drehbuch auf. »Gray, wenn es dir nichts ausmacht, nimm doch bitte die Sonnenbrille ab, damit wir deine schönen dunkelbraunen Augen sehen können.«

Eine ganze Weile rührt sich Gray nicht und starrt Dave schweigend an. Es ist unerträglich peinlich. Ich rutsche unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her. Im Raum wird es unangenehm heiß. Wieder wirkt es, als würde Dave es nicht bemerken. Er befeuchtet einen Finger und blättert die Seite des Drehbuchs vor ihm um, aber allen ist klar, dass wir erst anfangen, wenn Gray seiner Aufforderung gefolgt ist.

Logan nimmt die Brille ab. Im Raum wird hörbar (okay, vielleicht etwas melodramatisch, wir sind schließlich Schauspieler) nach Luft geschnappt. Ich schlucke heftig. Gray hat ein violettes Veilchen, sein Auge ist geschwollen.

Dave sieht auf. »Ach du meine Güte.«

»Immer derselbe Scheiß, oder?«, fragt Gray mit heiserer Stimme.

»Das ist kein Scherz. Gottverdammt …« Dave dreht sich zu einem Assistenten um. »Davon steht doch nichts in der Klatschpresse, oder?«

Ein Video wird abgespielt:

In einem Nachtclub hat sich eine Menschenmenge gebildet. Es sind undeutliche Lichtstreifen zu sehen, aber für einen Moment ist Logan Grays Gesicht klar zu erkennen. Ein Mann schreit Logan Unzusammenhängendes entgegen. Der Unbekannte benutzt abfällige Ausdrücke, die sich auf Logans sexuelle Identität beziehen. Er ist deutlich größer als Logan. Logan lächelt nur kurz, dann spuckt er dem Unbekannten ins Gesicht. Die Kamera wackelt, und während man im Bild Schuhe, Stiefel und Absätze sieht, sind aus dem Off deutlich Faustschläge zu hören.

Das Video endet.

Die verlegenen Blicke verraten, dass es tatsächlich Fotos in der Klatschpresse gibt. Ich selbst habe sie nicht gesehen, weil ich versuche, Zeitungen und Klatschseiten zu meiden. Das führt nur zu deprimierenden Wochenenden voller Selbstmitleid. Schon bei dem Wort Klatschpresse kommen mir bestimmte Sätze in den Sinn: »Möchtegern-Tom-Holland«, »Leonardo DiCaprio auf der Höhe seiner Kunst, wenn Leo nicht so talentiert oder süß wäre«. Autsch.

Dave reibt sich die Schläfen. »Verdammt. Sam, organisier ein Treffen mit Logans Managerin für mich. Wie heißt sie noch? Louise?«

»Audrey.«

»Mal sehen, ob wir diesen Halbwüchsigen davon abhalten können, den Film zu ruinieren, bevor die Dreharbeiten überhaupt angefangen haben.« Sam nickt und entschuldigt sich.

Falls es Logan stört, als Halbwüchsiger bezeichnet zu werden, zeigt er es nicht. »Nur weil ich auf die Fresse gekriegt habe, kann ich trotzdem noch lesen«, sagt er.

Einen Moment lang kneift Dave bedrohlich die Augen zusammen, dann richtet er sich auf. »Dann fangen wir mal an.«

Das Drama des Vormittags ist vergessen, die Profis um mich herum schlagen ihre Drehbücher auf, und die Leseprobe beginnt. Richard, der Regieassistent, liest die Zwischentexte und Regieanweisungen, sodass sich die Schauspieler auf ihre Rollen konzentrieren können, die Autoren auf Änderungen und auf Dave, der ab und zu eigene Überlegungen einwirft. Obwohl ich der Counterpart des Hauptdarstellers bin, trete ich erst nach ein paar Szenen in Erscheinung, sodass ich mich auf meinem Stuhl zurücklehnen und fasziniert meine Idole beobachten kann.

Selbst verschlafen, mit einem blauen Auge und vermutlich verkatert ist Gray umwerfend. Er verwandelt sich in Quinn Evans: charismatisch, selbstgefällig, ein Arschloch, das man einfach lieben muss. Monica als seine verwitwete Mutter, die sich sorgt, dass Quinn niemals sein Herz öffnen und die wahre Liebe finden wird, rührt mich schon bei der Leseprobe zu Tränen. Scotts Rolle als Quinns Chef ist zu unbedeutend, um sein enormes Talent zur Geltung zu bringen. Vermutlich wurde er aus PR-Gründen besetzt und bekommt einen Haufen Geld. Caleb Mackey, der als Quinns bester Freund und lustige Nebenfigur besetzt ist, sorgt für die meisten Lacher. Dennoch flüstert Dave einem der Headautoren etwas zu, der daraufhin nickt und sich im Drehbuch überall mit Rotstift Notizen macht.

Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ursprünglich hatte ich in der Mittelstufe mit der Schauspielerei begonnen, um meine Angst zu überwinden, vor größeren Gruppen zu sprechen. Aber sie ist nie ganz verschwunden. Die Angst, das Lampenfieber sind nur noch schlimmer geworden. Doch wenn ich einmal dabei bin – wenn ich es geschafft habe, von der Klippe zu springen, und fliege –, dann durchströmt mich ein Hochgefühl, und ich scheine jedes Mal zu vergessen, wie sehr ich die Nervosität kurz vor dem Auftritt hasse.

Caleb lehnt sich grinsend auf seinem Stuhl zurück und streicht sich die gebleichten Haare aus dem Gesicht. »Hey – mein Hübscher«, sagt er und sieht zu mir hoch.

Ich schlucke. Die Worte im Drehbuch beginnen zu verschwimmen. »Sorry, meinst du mich?«

Ich höre, wie hohl meine Stimme klingt. Nicht echt. Nicht authentisch. Ich räuspere mich. Scott wirft mir einen Seitenblick zu, aber niemand sagt etwas.

Caleb redet weiter, als hätte er es nicht bemerkt. »Gibt es hier noch jemanden, den du als hübsch bezeichnen würdest?«, fragt er. Er lacht schallend, scheint sich gar nicht wieder einzukriegen und lacht immer weiter. Das Lächeln der anderen am Tisch wird breiter.

Meine Hände liegen unter dem Tisch in meinem Schoß. Ich zupfe am Saum meines T-Shirts. »Nein, äh, nein, eigentlich nicht.«

Das Lächeln am Tisch wirkt jetzt etwas angespannt. Gray beobachtet mich aufmerksam von der anderen Seite des Raums, sein Blick ist berechnend, als würde er meine Leistung genau auseinandernehmen, obwohl es nur ein paar Zeilen waren. Ich versuche, die Erinnerung an das Interview zu verdrängen, das ich wider besseres Wissen gesehen habe – aber es war überall auf Social Media und tauchte alle drei Sekunden in den Google-Alerts auf. Ein Reporter hält Logan Gray auf dem roten Teppich irgendeiner Veranstaltung ein Mikrofon vors Gesicht und fragt: »Was sagen Sie dazu, dass Matthew Cole in Write Anything mitspielt?« Logan macht kein Hehl aus seiner Gereiztheit und verdreht die Augen. »Er ist ein beschissener Schauspieler«, antwortet er. »Ich hasse Leute, die nur wegen ihres Aussehens und ihres Charmes durchkommen und absolut kein Talent haben.«

Ich versuche, die Erinnerung an das Interview zu verdrängen, aber mit jedem hohlen Wort, das ich von mir gebe, wird Grays Stimme in meinem Kopf lauter. »Moment, Moment«, sage ich und blättere mit feuchten Fingern die Seite um. »Sind Sie nicht Quinn Evans? Der Autor?«

Logan hat die nächste Zeile. Er lehnt sich zurück, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, sein Stuhl quietscht, während er leicht vor und zurück wippt.

»Gray«, sagt Dave, dem sein Ärger jetzt deutlich anzumerken ist. »Du bist dran.«

Gray löst weiterhin nicht den Blick von mir. »Wollen wir etwa alle so tun, als würde das nicht passieren?«

Mir rutscht das Herz in die Kniekehlen. Alle blicken auf, wenden mir ihre Köpfe zu und sehen mich einen Moment lang an. Wir wissen alle, was er meint. Dave beißt die Zähne zusammen. »Lies einfach deinen Text, Gray.«

»Das ist doch Zeitverschwendung«, sagt er. »Ich mache keine Leseprobe mit jemandem, der seine Rolle nicht versteht. Das wirkt sich am Ende auch auf mein Spiel aus. Bestraf mich nicht dafür, weil du gerade Hollywoods Sternchen der Stunde besetzt hast.«

Julie, die als Quinns Freundin seine wichtigste Filmpartnerin ist, flüstert so laut, dass wir es alle hören können. »Sei kein verdammtes Arschloch, Gray.«

»Bin ich ein Arschloch, nur weil ich die Wahrheit sage?«, fragt er schulterzuckend. »Gut. Okay.«

Ich bekomme einen Kloß im Hals. Ich bin nah am Wasser gebaut. Das war schon immer mein größtes Problem, wie mein Vater zu sagen pflegte. Ich weine, wenn süße Kleinkinder Welpen umarmen. Wenn jemand grausam zu wem anders ist und ich zu wütend bin, um etwas zu sagen. Ich weine, wenn ich ein schönes Lied höre. Und ich weine ganz sicher, wenn meine Gefühle verletzt werden – wenn ich in einem Raum voller Menschen, zu denen ich aufschaue und die ich bewundere, gedemütigt werde. Leicht weinen zu können hat seine Vorteile, vor allem auf der Bühne und vor der Kamera, aber jetzt machen die Tränen die Demütigung nur noch schlimmer.

Dave klappt die Kinnlade herunter. »Okay«, sagt er laut. »Machen wir fünf Minuten Pause.«

Stühle werden zurückgeschoben, und die Leute fangen an, über ihre Wochenenden zu plaudern, über die neuesten Meldungen aus der Branche, den Verkehr in L. A. – über alles, nur nicht über das, was gerade passiert ist. Als ich aufstehe und mich vom Tisch entferne, wische ich mir die Augen. Ich muss mich nur eine Sekunde im Spiegel betrachten, mir etwas Wasser ins Gesicht spritzen und mich sammeln.

Jemand folgt mir durch die Schwingtür des Konferenzraums. Ich erwarte, dass es Dave ist, doch als eine Hand meinen Ellbogen berührt und ich mich umdrehe, steht Julie vor mir.

»Hey«, sagt sie, »ist alles okay? Gray kann manchmal so ein Arsch sein.«

Ich brauche eine Sekunde, um zu begreifen, dass Julie Rodriguez mit mir spricht. In meiner Kindheit spielte sie die Hauptrolle in einer meiner Lieblingsserien im Disney Channel. Sie sieht umwerfend aus, auch wenn ihr Haar zu einem nachlässigen Dutt hochgesteckt ist und sie Tränensäcke unter den Augen hat.

Obwohl ich mich gedemütigt fühle, kämpfe ich mit dem Fan in mir. »Ja, alles okay«, sage ich. »Er … weißt du, er hat recht. Ich hab schrecklich gelesen.«

»Das ist uns doch allen schon passiert. Und das ist deine erste Hauptrolle, oder?« Als ich nicke, tätschelt sie mir den Arm. »Du kriegst das schon hin. Lass dich von ihm nicht verrückt machen. Alle freuen sich sehr, dass du zur Besetzung gehörst, Matt.«

Ich danke ihr – und ich meine, wirklich von Herzen –, und sie schenkt mir ein beruhigendes Lächeln, bevor sie wieder durch die Tür verschwindet. Logan Gray mag mich hassen und keine Lust darauf haben, in diesem Film mit mir zu spielen, aber ich darf mich nicht von ihm einschüchtern lassen. Nicht bei einer solchen Traumrolle – sie ist alles, worauf ich seit so vielen Jahren hingearbeitet habe. Ich atme tief durch und zwinge mich, wieder zurückzugehen.

Hollywood-Insider-Blog

Wie man hört, sollen sich die Hauptdarsteller des Films Write Anything, Matthew Cole und Logan Gray, bereits vor Beginn der Dreharbeiten zerstritten haben. Nach dem katastrophal peinlichen Interview, das Gray bei der Premiere von Hawkseye Down auf dem roten Teppich gegeben hat, wäre das nur verständlich. Darin behauptet er, sein damals frisch besetzter Filmpartner habe »null Talent«. Wenn die beiden Hauptdarsteller eines der größten romantischen Hollywood-Blockbuster des Sommers sich so sehr hassen, wie die Gerüchte vermuten lassen, wetten wir, dass Write Anything scheitert, bevor die Dreharbeiten überhaupt begonnen haben.

Logan

Ich sitze mit heftigen Kopfschmerzen in der Lounge im zweiten Stock. Nichts hat geholfen. Keine Pillen, kein Schlaf, kein Sex. Allmählich frage ich mich, ob ich durch den Schlag ins Gesicht einen dauerhaften Hirnschaden erlitten habe, als Willow neben mir erscheint. Sie setzt sich auf den altmodischen roten Samtsessel, schlägt die Beine übereinander und rührt mit einem Strohhalm in ihrem Lieblingsmartini, den ich vorsorglich für sie bestellt habe.

»Hast du mich herbestellt, um Schluss zu machen?«, fragt sie, nimmt den Martini und trinkt einen Schluck.

»Ja«, sage ich und lehne mich in dem Sessel zurück. »Drei Monate. Das hatten wir doch ausgemacht, oder?«

Sie seufzt. »Es hat Spaß gemacht, solange es dauerte.« Es war ihre Idee gewesen, nachdem wir uns vor ein paar Monaten in einem Club begegnet waren und sie mir nach Hause gefolgt war. Normalerweise denken sich PR-Agenten so einen Quatsch aus, und es werden ein Haufen Geheimhaltungsvereinbarungen aufgesetzt, aber vermutlich wollte sie den bürokratischen Aufwand umgehen. Es ist einfacher, direkt mit mir zu verhandeln.

Sie führt eindeutig etwas im Schilde und sieht zu mir hoch. »Wir könnten wie üblich eine Pressemitteilung herausgeben, dass sich die Dinge anders entwickelt haben als geplant. Uns für das Verständnis bedanken, bla, bla, bla.«

»Oder …?«

»Oder wir könnten etwas Neues ausprobieren. Etwas Frisches. Ariana Grande hat mal einen Song und ein ganzes Album veröffentlicht.«

»Bist du jetzt Musikerin?«

Sie ignoriert mich. »Ich habe neulich Abend in dein Handy gesehen.«

Sie hält inne, vielleicht rechnet sie damit, dass ich sauer bin. Ich bin sauer, finde es aber überflüssig, etwas dazu zu sagen. Wir sind sowieso dabei, diese PR-dienliche Beziehung zu beenden.

»Mir sind ein paar Fotos aufgefallen«, sagt sie. »Ein Video.«

Ich weiß, wovon sie spricht. Willow und ich hatten uns auf eine monogame Beziehung geeinigt. Polyamorie und offene Beziehungen werden im Allgemeinen von der Öffentlichkeit noch nicht akzeptiert. Ich sollte mich mit niemandem verabreden und mit niemandem Sex haben. Ungefähr einen Monat nach Beginn der Beziehung war jedoch ein alter Freund, ein Schauspieler namens Briggs, aus Sydney übers Wochenende in der Stadt, und, nun ja, eins führte zum anderen. Briggs nahm als Andenken ein kurzes Video auf und schickte es mir, und ich hatte vergessen, dass es noch auf meinem Handy war.

Willow ist nicht so wütend, wie eine Frau es sein könnte, wenn sie herausfindet, dass ihr Freund sie betrügt. Andererseits bin ich ja auch nicht ihr echter Freund.

Sie fährt fort. »Ich habe mich gefragt, ob es nicht interessant wäre, das Video zu veröffentlichen … Ein letzter Publicity-Gag.«

»Du willst, dass ich meinen selbst gedrehten Porno poste?«

Offenbar merkt sie, wie sehr mich das aufregt. »Das ist doch keine große Sache, oder?«

»Das ist ein bisschen übertrieben, findest du nicht? Etwas zu publicitygeil? Selbst für deine Begriffe.«

Jetzt ist sie stinksauer. »Du steckst da genauso mit drin wie ich.«

Willow hat recht, das weiß ich. Zuerst hatte ich keine Lust auf diesen Quatsch, aber sie war lustig und ich gelangweilt. Außerdem hat die Nummer ihren Zweck erfüllt. Klar, sie wollte mich nur ausnutzen, aber ich habe auch davon profitiert. Jetzt bin ich der böse Freund der unschuldigen Willow Grace – und nicht nur der zugedröhnte Arsch, mit dem niemand in Hollywood arbeiten will.

»Wir hatten vereinbart, den Leuten diesen Mist vorzumachen«, sage ich, »aber mein Handy zu durchsuchen und mich zu bitten, mein privates Video zu veröffentlichen …« Ich weiß, dass sie damit nicht zu ihrem PR-Agenten gegangen ist.

Zumindest hat sie den Anstand, etwas beschämt zu wirken, wobei man in dieser Stadt sowieso nie weiß, was man glauben kann. Sie hebt das Kinn. »Tut mir leid, wenn dir das zu weit geht, aber wir brauchen einen glaubhaften Grund für die Trennung, und das wäre ein Weg, stilvoll aus der Sache herauszukommen. Die Klatschpresse würde total durchdrehen, Gray. Und jeder würde daran erinnert werden, wie verdammt heiß du bist.«

Als ich nichts erwidere, zögert sie. Offenbar spürt sie, dass ich mich aufrege, auch wenn ich es nicht zeige.

»Ich hätte nicht gedacht, dass es so eine große Sache ist. Es ist ja nicht dein erstes … du weißt schon … Video.« Sie nimmt noch einen Schluck.

Es ist nicht mal mein zweites. Das erste Video nahm ich an meinem achtzehnten Geburtstag auf und beendete damit offiziell meine Karriere als unschuldiger Kinderdarsteller. Mit Absicht. Ein großes »Fuck you«, das der Branche und meinem Vater galt. Das zweite Video war schwierig zuzuordnen. Im Grunde waren nur mein Rücken und mein Hintern im Bild, die Hände ans Bettgestell gefesselt, aber genug Leute haben mein Profil erkannt, als ich mich mit verbundenen Augen umdrehte. Es wurde ohne mein Wissen oder meine Erlaubnis aufgenommen. Es ist ziemlich sicher immer noch auf Pornhub zu sehen, egal, wie oft wir versucht haben, es entfernen zu lassen. Und jetzt das.

Willow sagt, sie glaube nicht, dass es eine große Sache wäre, es zu veröffentlichen, aber ich weiß, dass es ein kalkulierter Schachzug von ihr ist. Sie war nicht mehr so gefragt, und seit sie mit mir, einem der meistgehassten Menschen in Hollywood, zusammen ist, steht sie wieder im Rampenlicht. Ich auch. Dieses Video wird ihr Sympathiepunkte auf der ganzen Welt einbringen. Die Fans werden in Scharen zu ihr kommen und sagen, dass ich sie nicht verdient habe, dass sie ein zu großer Engel für einen Teufel wie mich ist, und der Hass auf Logan Gray wird hochkochen. Ich habe mich bereits aus Social Media zurückgezogen. Die Massen von Trollen waren für meine Social-Media-Managerin und ihre Assistentin unmöglich zu kontrollieren. Damit sie nicht ihren Job verlieren, nur weil die Leute mich nicht ausstehen können, habe ich sie in mein Managementteam aufgenommen, auch wenn sie da nichts zu tun haben. Egal.

Wenn das Video veröffentlicht würde, müssten meine Managerin Audrey und die anderen mit Hochdruck (und wahrscheinlich vielen Überstunden) daran arbeiten, dass die Geschichte nicht aus dem Ruder läuft und meinem Image schadet. Ich bin ein Charakter. Eine Figur, die ich auch jenseits der Leinwand spiele. Ich unterhalte die Leute mit meinen Filmen, klar, aber ich habe früh gelernt, dass mein ganzes Leben auch der Unterhaltung dient. Ich bin der Bösewicht. Es macht den Leuten Spaß, mich zu zerpflücken und zu beschimpfen. Ich gebe ihnen jemanden, den sie hassen können. Daran bin ich gewöhnt. Manchmal freue ich mich sogar darauf. Ich kenne es nicht anders. Es fühlt sich beruhigend an. Wenn die Leute »Fuck you, Gray!« schreien, ist das nach einer Weile wie ein Wiegenlied. Außerdem bekommt mein Social-Media-Team so vielleicht etwas zu tun.

»Gut«, sage ich. »Poste das Video.«

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RED ALERT: AKTUELLE NACHRICHTEN

Hallo, meine kleinen Engel. Sicher haben die meisten von euch das neueste Video unseres meistgehassten Arschlochs Logan Gray bereits gesehen, aber ich dachte, ich poste es zu eurem Vergnügen hier noch mal.

[Das Video beginnt: ein dunkler, körniger Film. Es ist schwer, etwas zu erkennen. Dann ist ein Stöhnen zu hören. Die Kamera schwenkt nach unten. Logan Gray blickt auf, den Mund – nun ja – voll. Er scheint überrascht, dass er gefilmt wird, dann grinst er und macht eine Performance daraus. Das Bild wackelt. Das Video endet.]

Ist es nicht herrlich, wie dieser katastrophale Typ seine letzte Würde schreddert? Ich weiß, ich habe behauptet, Gray sei am Tiefpunkt angelangt, als er in einem, ähm, gewissen heißen Video erwischt wurde, aber ich glaube, hier führt jetzt ein neuer Moment die Rangliste des Fremdschämens an.

Ernsthaft, warum besetzt man Gray überhaupt noch? Es gab schon einige Gerüchte, dass er aus dem Film Write Anything gefeuert werden soll, weil er echt das Allerletzte ist. Ach, gut! Nach diesem neuen Vorfall erwarte ich freudig jeden Augenblick die offizielle Ankündigung.

Ich mach Feierabend,Angel

Mattie

Meine Managerin Paola war außer sich, als sie mir sagte, dass Dave mich treffen wolle. »Bleib einfach cool. Aber nicht zu cool. Du solltest besser nicht wirken, als wäre es dir egal. Sag ihnen, dass du jetzt viel mehr geprobt hast. Aber, du weißt schon. Tu nicht so, als wärst du verzweifelt.«

Sie hat von meiner nicht so tollen Leseprobe erfahren und glaubt, dass ich gefeuert werde. Sie könnte recht behalten. Bei dem Gedanken bekomme ich weiche Knie.

»Es wäre beschissen, absolut beschissen, wenn sie dich feuern würden, nachdem sie dich gerade mal fünf Minuten erlebt haben«, sagte sie halblaut.

»Glaubst du wirklich, dass sie mich feuern?«

Ich konnte praktisch hören, wie sie sich am anderen Ende der Leitung gerade noch fing. »Nein, nein, natürlich nicht«, sagte sie, aber ich weiß, sie sagt es nur, um mich nicht zu verunsichern.

Ich habe sie eingestellt, als ich für Love Me Dearly besetzt worden war und es bei mir karrieremäßig so richtig losging. Mir gefiel, dass sie auch aus Atlanta stammte und mich auf Hollywood-Partys mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, zum Beispiel, als ein Weed-Sommelier auf uns zukam und mit falschem britischen Akzent fragte: »Was für ein High möchtet ihr erleben?« Wir finden L. A. beide ein bisschen lächerlich. Trotzdem wollen wir beide hier Erfolg haben. Wir passen gut zusammen. Falls ich gefeuert werde, wäre ich am Boden zerstört, aber noch schlimmer fände ich es, wenn ich Paola mit in den Abgrund reißen würde.

Das Treffen findet in einem Restaurant statt, in dem ich mich nie richtig wohlfühlen werde. Es ist nicht nur ein Laden, in dem man nicht weiß, welche Gabel man benutzen soll, sondern – ich weiß nicht – ein totaler Promischuppen. Selbst wenn man reich ist, muss man noch beweisen, dass man seiner würdig ist, durch Ausstrahlung, durch Präsenz, weil andere Leute einen für würdig halten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Test bestehen würde, obwohl ich die erste Voraussetzung, nämlich Reichtum, erfülle. Das ist ein seltsamer Gedanke. Früher hatte ich nie mehr als zwanzig Dollar auf dem Konto, jetzt habe ich fünfhunderttausend, und das, nachdem ich den Großteil des Gelds meiner Mutter zur Begleichung ihrer Schulden und für die Ablösung der Hypothek gegeben und die Studiengebühren für meine kleine Schwester bezahlt habe. Sie hatten sich nach Kräften dagegen gesträubt.

»Ich brauche niemals eine Million Dollar«, hatte ich ihnen erklärt. Fünfhunderttausend sind in L. A. absolut kein Vermögen, für mich aber schon. Ich weiß nicht so recht, was ich damit anfangen soll. Soll ich auf ein Haus sparen? (Ich versuche, nicht daran zu denken, dass ein Haus in Decatur wahrscheinlich nur ein Viertel kosten würde.) Oder soll ich für ein paar Monate eine luxuriöse Eigentumswohnung mieten? So lange wie möglich so tun, als wäre das mein Lebensstil? Irgendwie hasse ich Geld. Dass ich so viel davon brauche, nur um den Traum von der Schauspielerei zu leben.

Das Restaurant hat golden schimmernde Wände, eine in sanften Farben leuchtende Bar, von der Decke hängen große Glühbirnen, und überall stehen Pflanzen. Paola geht dicht neben mir, ihre Absätze klappern über den Betonboden. Ihr dunkelbraunes Haar fällt ihr über die Schultern, und sie hat vielleicht einen Hauch zu viel Rouge auf ihre blasse Haut aufgetragen. Sie ist ein paar Zentimeter größer als ich. Die meisten Leute rechnen nicht damit, dass ich im echten Leben so klein bin. Ich bin durchschnittliche einen Meter siebzig groß, im Gegensatz zu den eins achtzig bis zwei Meter großen Schauspieler-Adonissen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Logan Gray etwa eins achtzig ist. Ich frage mich, wie unser Größenunterschied auf der Leinwand wirken wird. Zumindest, wenn ich nicht gefeuert werde.

»Atmen«, sagt sie. »Einfach atmen.«

Ich bin mir nicht sicher, ob sie das zu sich selbst oder zu mir sagt.

»Selbst wenn ich gefeuert werde, gibt es doch andere Rollen, für die ich vorsprechen kann, oder?«

»Du wirst nicht gefeuert.«

»Aber falls doch …«

Sie zögert. »Klar. Ja. Natürlich.«

Ich glaube, ich weiß, was sie nicht aussprechen mag. In L. A. steigt man schnell zum Star auf, aber man stürzt genauso schnell wieder ab. Jetzt wollen mich alle, also ist es besser, die Gunst der Stunde zu nutzen und eine Rolle wie diese zu bekommen, damit mein Bekanntheitsgrad weiter steigt. Wenn ich diese Chance verpasse, kann es genauso gut sein, dass mein Bekanntheitsgrad sinkt und sich nach einem Monat niemand mehr für mich inte­res­siert.

Ich fühle mich so, wie ich mich normalerweise fühle, bevor ich vor die Kamera trete. Ich habe Lampenfieber, denn gleich muss ich Leistung bringen. Ich muss Selbstbewusstsein vortäuschen und mich für gestern entschuldigen. »Mir ging’s nicht so gut«, könnte ich erklären.

Das Restaurant ist fast leer. Das Personal ist noch dabei, die Tische einzudecken. Ich glaube, es werden nur hochkarätige Gäste früh hereingelassen. In der Ecke isst jemand zu Mittag und liest Zeitung, es könnte Brad Pitt sein. Paola versteift sich unübersehbar, als wir den für uns bestimmten Tisch sehen. Aber vermutlich vor Überraschung. Jedenfalls erstarre ich deshalb. Dort sitzen Dave Miller und Reynolds Bachmann, einer der Executive Producer. Das ist bei einem Treffen, bei dem es heißt: »Tut uns leid, wir müssen dich entlassen«, nicht weiter verwunderlich.

Mit Logan Gray und seiner Managerin Audrey haben wir jedoch nicht gerechnet. Warum sollten die zwei hier sein, wenn ich gefeuert werde? Werden wir beide aus dem Film entlassen? Wird die Produktion ganz abgebrochen?

Audrey hat weißblondes Haar und blaue Augen, die aussehen, als trüge sie farbige Kontaktlinsen. Als ich vor ein paar Wochen besetzt wurde, hat sie Kontakt zu Paola und mir aufgenommen. Sie schlug ein freundliches Treffen mit Logan vor, und ich hatte zugesagt, aber Gray sagte in letzter Sekunde ab, und dann folgte dieses nicht sonderlich freundliche Interview auf dem roten Teppich …

Logan lehnt sich auf seinem Sitz zurück, die Sonnenbrille noch auf der Nase. Er sieht nicht auf, als Dave aufsteht und zur Begrüßung die Arme ausbreitet. Auf seinem Hemd sind heute Schweißflecken zu sehen, aber das stört mich nicht. Weil Dave sich nicht um Äußerlichkeiten schert, fühle ich mich in seiner Gegenwart wohler.

»Wunderbar. Ihr seid da. Bitte, setzt euch.«

Paola und ich nehmen die letzten beiden freien Stühle an einem größeren, quadratischen Tisch ein. Audrey grüßt uns freundlich. Reynolds blickt auf sein Handy. Er ist eher ein Anzug-und-Krawatten-Typ, was man in L. A. nicht oft sieht. Sein silbergraues Jackett könnte locker zehntausend Dollar gekostet haben. Ich habe noch nie verstanden, wie man so viel Geld für Kleidung ausgeben kann, schon gar nicht an einem Ort, an dem so viele Menschen Schwierigkeiten haben, eine Wohnung und etwas zu essen zu bekommen. Aber vielleicht bin ich ja gar nicht so anders. Ich lebe auch hier und habe mehr Geld, als ich eigentlich brauche.

Reynolds nickt Paola und mir zu. »Wir können anfangen«, sagt er zu Dave.

»Etwas zu trinken?«, fragt uns Dave und ignoriert ihn.

»Nur Wasser«, antwortet Paola für uns beide. Sie weiß, dass ich keinen Alkohol trinke.

Dave winkt eine Frau in Uniform heran, sie nickt.

»Tut mir leid, dass wir etwas zu spät sind«, sagt Paola.

»Fünf Minuten?« Dave zuckt mit den Schultern.

»Zehn«, korrigiert Reynolds.

Gray stößt einen lauten Seufzer aus. Audrey tritt ihn unter dem Tisch, vermutlich etwas auffälliger als geplant. Sie läuft rot an und trinkt einen Schluck Wasser.

Die Bedienung kommt zurück und stellt Gläser auf den Tisch. Ihr Blick verweilt eine lange Sekunde auf Gray. Gray reagiert auf ihren Blick mit einem Lächeln.

»Also kommen wir zum Geschäftlichen«, sagt Dave. »Wir haben … na ja, wir haben ein Problem. Nimm die Sonnenbrille ab, Gray.«

Gray lässt sich Zeit, nimmt die Brille aber schließlich ab. Das blaue Auge hat sich grün verfärbt. Paola sitzt kerzengerade und zittert fast vor Anspannung. Ich versuche, nicht aus meiner Rolle zu fallen und mich zu entspannen, aber meine Stimme bricht ein wenig. »Ja? Ist alles in Ordnung?«

»Eigentlich nicht. Nein.« Dave kratzt sich unterm Kinn am Bart. »Die Werbung für den Film ist nicht besonders gut. Das soll die beste Liebeskomödie der Saison werden. Ich habe eine Nachricht von der PR-Abteilung bekommen. Die Negativschlagzeilen wirken sich bereits auf die Erwartungen an den Film aus.« Er wirft Gray einen durchdringenden Blick zu.

»Hör zu, Dave«, sagt Gray, »wenn du mich feuern willst, dann feuere mich verdammt noch mal.«

Das ist verwirrend. Ich wechsle einen Blick mit Paola. »Sorry«, sage ich, »warum sollte Gray gefeuert werden?« Mir fällt nur die Schlägerei ein, in die er verwickelt war, aber Gray war auch schon vor diesem Film in Schlägereien verwickelt.

Alle starren mich verständnislos an, außer Paola, die ebenfalls verwirrt die Stirn runzelt. Sie gibt ihr Bestes, aber sie ist in L. A. einfach auch noch nicht so richtig in der Szene angekommen und hat ganz offensichtlich etwas verpasst.

»Das haben Sie nicht gesehen?«, fragt Reynolds. »Im Ernst?« Er schnaubt.

Audrey beugt sich vor und flüstert, obwohl ich nicht weiß, warum, denn wir können sie trotzdem alle hören. »Gray wurde … äh … unglücklicherweise … mh …«

»Es ist ein Video aufgetaucht, in dem ich meinem Freund einen blase, und jetzt hassen mich alle, weil ich Willow Grace betrogen habe«, sagt Gray und starrt an die Decke.

Paola klappt die Kinnlade herunter. Mir auch.

»Wie kann man überhaupt so heißen?«, murmelt Audrey. »Willow Grace.«

Dave ist etwas verlegener. Er reibt sich den Nacken. »Wie ich schon sagte. Die schlechte Presse schreckt potenzielle Zuschauer ab.«

Gray zuckt mit den Schultern. »Als es geleakt wurde, habe ich nicht an die PR für den Film gedacht.«

»Blödsinn«, sagt Reynolds, blickt aber weiterhin auf sein Handy und scheint nicht allzu aufgeregt zu sein. Ich frage mich, wie viele solcher Treffen er täglich absolviert. »So ein Video? Das ist mit Absicht veröffentlicht worden.«

»So oder so, das ist egal«, sagt Dave und klopft auf den Tisch. »Die Auswirkungen sind dieselben. Write Anything wird zur Lachnummer. Online, in den Nachrichten.«

»Das haben wir wohl davon, dass wir ihn besetzt haben«, murmelt Reynolds. Es kommt mir vor, als wäre er von Anfang an dagegen gewesen, Logan Gray zum Star des Films zu machen. »Man kann keinen Bad Boy engagieren und erwarten, dass er sich nicht wie ein Bad Boy verhält. Da wären wir mit Phillip Desmond besser dran gewesen.«

Phillip Desmond: noch so ein aufstrebender Schauspieler, der mit seinem blonden Haar, den blauen Augen und dem leeren Lächeln auf mich allerdings immer etwas vorhersehbar wirkt. Meine größte Angst ist, dass ich vielleicht nicht so sehr anders bin als Phillip. Ich verstehe, warum sich Gray durchgesetzt hat. Der Film wäre langweilig geworden. Zwischen Phillip und mir hätte es nicht gezündet.

Was nicht heißen soll, dass zwischen Gray und mir etwas zündete.

Aber, nun ja, ich muss zugeben, dass er attraktiv ist. Und es ist nicht immer leicht, vor der Kamera darzustellen, dass man sich von jemandem angezogen fühlt.

»Sorry«, sagt Paola, die Hände im Schoß so fest verschränkt, dass ihr Bizeps hervortritt. »Ich verstehe nicht, was genau der Zweck dieses Treffens ist.«

Alle Augenpaare richten sich auf Dave und Reynolds. Dave sieht Reynolds an. Reynolds steckt schließlich sein Telefon in die Innentasche seines Sakkos.

»Wir müssen die PR für den Film wieder in den Griff kriegen. Nach dem Interview mit Gray, in dem er unseren Goldjungen hier als beschissenen Schauspieler bezeichnet hat, denken alle, dass Gray Matthew hasst. Das ist nicht gut, wenn sie sich auf der Leinwand lieben sollen.«

»Komm zur Sache«, sagt Gray leise.

Reynolds starrt ihn an. »Ihr beide müsst offiziell eine Beziehung eingehen.«

Die nun folgende Stille dauert mindestens eine volle Minute.

Ich brauche einen Moment, um zu verarbeiten, was er da sagt. Als Schauspieler bin ich darauf trainiert, Gefühle schnell zu erkennen – sie in meinem Körper zu lokalisieren und überzeugend auszudrücken. Aber jetzt? Mein Mund öffnet und schließt sich lautlos.

Gray schnaubt und unterbricht die Stille. »Ernsthaft?«

»Wir haben das mit der PR-Abteilung besprochen. Wir haben vereinbart, dass ihr euch gegenseitig helft«, erklärt Dave. Sein Ton wird sanfter. »Matthew hat etwas Weiches an sich. Er hat so einen Südstaaten-Charme. Gute Manieren, höflich. Wenn ihr ein Paar werdet, könnte sich das auch auf dein Image auswirken«, sagt er zu Gray. »Die Leute werden wahrscheinlich das Gefühl haben, dass du … gerettet wirst. In gewisser Weise missioniert. Dass du anfängst, dich zu verändern, und dass Matt dir dabei hilft.«

Audrey wirkt nachdenklich. »Ist vielleicht keine schlechte Idee.«

Paola mag bei einem derart wichtigen Meeting nervös sein, aber ich habe sie nicht ohne Grund eingestellt. »Aber warum sollte sich Mattie – Pardon, Matthew – auf so etwas einlassen?«, fragt sie. Ihre Stimme zittert nur ganz leicht. »Schließlich könnte es auch nach hinten losgehen, oder? Sein Image könnte …« Sie zögert, wahrscheinlich will sie Gray nicht beleidigen.

»Daran haben wir auch gedacht«, antwortet Dave. Er zuckt leicht die Schultern. »Nichts für ungut, Junge, aber die ersten Reaktionen auf dich lassen vermuten, dass du ein bisschen langweilig wirken könntest. Du bist einfach … zu nett. Weißt du, was ich meine?«

Ich weiß genau, was er meint. Diese Reaktion kenne ich schon – und ich kann es niemandem verübeln, das zu denken. Verglichen mit jemandem wie Gray bin ich langweilig. Ich wünschte, ich könnte mehr aus mir herauskommen. Spontaner sein, mich nicht so sehr darum scheren, was die Leute von mir denken. Wenn ich aufregender sein könnte, würde ich vielleicht auch andere Rollen bekommen. Ehrlich gesagt, bin ich ein bisschen neidisch auf Leute wie Gray, die sich einen Dreck um alles scheren – nur ein bisschen. »Schon gut«, sage ich.

Gray rollt mit den Augen. »Also was? Soll ich ihn auf Krawall bürsten? Interessant und aufregend machen? Wer von uns beiden hat hier die schwierigere Aufgabe?«

»Verdammte Scheiße, Gray«, schnauzt Dave. »Könntest du mal eine Minute kein Arschloch sein und zuhören. Das ist der einzige Kompromiss, auf den wir uns einigen konnten, klar?«

Die Aussage ist eindeutig.

Audrey sieht etwas verkniffen aus. Sie lehnt sich zu Gray und flüstert – diesmal flüstert sie wirklich, ich kann nur hier und da ein Wort verstehen. »Ein Versuch … letzte Chance … dein Vater.«

Grays Miene bleibt unverändert. Er sieht mehr denn je wie ein verstockter Teenager aus. Ich habe Artikel über das Leben ehemaliger Kinderstars gelesen – die meisten bekommen nie wirklich die Chance, erwachsen zu werden. »Gut«, sagt er.

Dave ist zufrieden. Er sieht mich an und wartet jetzt auf meine Antwort.

Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, darüber nachzudenken und es mit Paola zu besprechen. Ich habe schon gehört, dass manche Promis so was machen: Sie lassen sich auf diese Scheinbeziehungen sein und spielen der Öffentlichkeit etwas vor, damit beide dadurch zu Ruhm oder Erfolg kommen. Es geht das Gerücht, dass Pete Davidson ein paar Jahre lang ein beliebter falscher Freund war. Ich hätte nur nie gedacht, dass man mich für so etwas in Betracht ziehen würde. So zu tun, als wäre ich in einen Idioten wie Gray verliebt, wäre die Rolle des Jahrhunderts. Wahrscheinlich hätten wir unsere eigene PR-Abteilung für diesen speziellen Film, der sich diesseits der Leinwand zuträgt: Wir würden gemeinsam ausgehen und in Interviews erzählen, wie wir uns ineinander verliebt haben …

»Darf ich darüber nachdenken?«

»Nein«, sagt Reynolds. »Hier und jetzt. Ich muss Vanessa eine Antwort geben.« Vanessa Stone, die Chefin der Executive Producer und Inhaberin der Produktionsfirma. Ich habe sie einmal auf der anderen Seite eines Raums gesehen. Sie ist furchterregend.

»Und wenn ich Nein sage?«

»Dann ist dieses Arschloch raus«, sagt Reynolds, ohne Gray eines Blickes zu würdigen. »Wir finden bis zum Wochenende einen Ersatz.«

Gray weicht meinem Blick aus. Ich habe die Macht, ihn feuern zu lassen, und so, wie er mich behandelt hat, bin ich schwer in Versuchung. Aber … es gibt noch eine andere Seite in mir. Die, die Logan Gray, den Schauspieler, trotz allem bewundert, auch wenn ich ihn als Mensch nicht ausstehen kann. Ich weiß, dass ich noch nicht so gut bin, wie ich es sein möchte. Als sein Filmpartner könnte ich so viel lernen. Und ehrlich gesagt wäre der Film ohne Logan in der Hauptrolle vielleicht verloren. Sie könnten einen Typen wie Phillip Desmond besetzen, der so gut spielt wie ich. Selbst mit dem besten Drehbuch und der besten Regie der Welt könnte der Film floppen, weil die Schauspieler nicht so talentiert sind und es zwischen ihnen nicht knistert. Das würde sich letztlich auch auf mich und meinen Traum auswirken.

Dafür muss ich meine Gefühle beiseiteschieben. »In Ordnung.« Ich nicke. »Einverstanden. Gray und ich werden … daten.«

»Mehr als daten«, sagt Reynolds unwirsch und greift wieder nach seinem Telefon. Er steht auf, schiebt den Stuhl zurück und geht ohne ein weiteres Wort. Wow! Das ist L. A.

Ich kann die Erleichterung in Audreys Blick sehen. Sie versucht, mir stumm ihren Dank auszudrücken. Danke, formt sie mit den Lippen. Gray sieht mich immer noch nicht an. Ich glaube nicht, dass ihm gefallen hat, wie viel Macht ich über seine Rolle und seine Zukunft hatte.

Paola beobachtet mich genau. »Bist du dir sicher?«, flüstert sie.

Ich nicke. »Ja. Ich bin mir sicher.«

Dave klatscht in die Hände. »Dann ist es also beschlossen. Es muss natürlich überzeugend aussehen. Natürlich. Wir dürfen das PR-Team nicht zu sehr einbeziehen – zu viele Hände und Augen, zu viele potenzielle undichte Stellen –, also bleibt alles unter uns. Ich werde mich nebenher selbst um die PR kümmern.«

Gray schnaubt, aber Dave ignoriert ihn. »Ihr müsst auch eure Kollegen und alle anderen am Set überzeugen. Keine Sorge. Wir planen das genau durch.«

Ich weiß nicht, ob ihm bewusst ist, wie erfreut er dabei aussieht.

Logan

Wenn man total high ist, ist der Verkehr in L. A. gar nicht so schlimm. Die Klimaanlage und IC3PEAK dröhnen, die Sonnenbrille verhindert, dass meine Augäpfel schmelzen. Diese Stadt ist einfach zu sonnig. Ich habe in einem Artikel gelesen, dass das Verkehrschaos eigentlich auf Rassismus zurückzuführen ist, auf beschissene Autobahnen, die eigens dazu gebaut wurden, bestimmte Stadtteile auszugrenzen. Am Ende ist in diesem Land eigentlich alles auf Rassismus zurückzuführen, oder?

Meine Wohnung liegt am Rand von West Hollywood, eigentlich nur fünfzehn Minuten vom Studio im Norden entfernt, aber stattdessen sind es fünfundvierzig Minuten Stop-and-go. Ich parke in der Garage des Apartmenthauses, gehe zum Aufzug und fahre in meine Wohnung im obersten Stockwerk. Sie ist immer noch von Briggs’ Besuch verwüstet. Wie lange ist das her, drei Wochen? Die Putzfrau, die mein Vater eingestellt hat, Sandra, hat angerufen, ob sie vorbeikommen soll, aber es ist mir peinlich, wenn sie die Wohnung in diesem Zustand sieht. Gebrauchte Kondome kleben auf dem Schlafzimmerboden, Lebensmittel faulen in der Spüle vor sich hin, überall stapeln sich Klamotten, dreckige und saubere durcheinander, ein Tütchen Kokain liegt vergessen auf dem Wohnzimmertisch. Mist.

Die Wohnung gehört meinem Vater. Er hat sie für mich gekauft. Erst nach ein paar Monaten habe ich die Überwachungskamera bemerkt. Sie ist verdammt klein und hängt in der Wohnzimmerecke; man kann alles sehen, was passiert. Ich habe keine Ahnung, ob mein Vater sich die Aufnahmen ansieht oder ob er sie nur zur Kontrolle dort installiert hat. Aber ich habe die Kamera untersucht, mir Zugang zu der Website verschafft, auf der ich das Material ansehen kann, und beschlossen, meinen eigenen Film zu drehen – eine ganz private Vorstellung für meinen Vater. Ich mache den schlimmsten Scheiß, nur um ihn zu ärgern. Um ihm und mir zu beweisen, dass er keine Macht mehr über mich hat.

Mein Rausch lässt nach, und ich bekomme Kopfschmerzen. Um den Kater zu vertreiben, schenke ich mir einen Wodka ein, lasse mich aufs Sofa fallen und schalte Spotify auf FEVER 333. Gerade laut genug, um fast meine Gedanken zu übertönen. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal zum Vergnügen ferngesehen habe oder im Kino gewesen bin. Es ist schwer, Schauspieler in Filmen zu sehen, wenn man sie persönlich kennt. Es hindert einen daran, sich auf die Geschichte einzulassen, wenn man weiß, dass die Hauptfigur im echten Leben eine Nervensäge ist oder wie der Schwanz des Liebhabers aussieht.

Mein Telefon klingelt über die Lautsprecher. Anrufbeantworter. Die Stimme meines Vaters wischt mir das Grinsen aus dem Gesicht.

»Logan«, sagt er. »Du bist eine verdammte Schande.« Ich lehne den Kopf zurück, schließe die Augen und lasse den Wodka im Glas kreisen. »Willst du mich mit diesem verdammten Video verarschen, Logan? Du bist vierundzwanzig. Du bist kein Kind mehr. Hör auf, dich wie ein Stück Scheiße zu benehmen. Reiß dich verdammt noch mal zusammen.«

Er legt auf. Ich seufze und leere das Glas. Das könnte meine letzte Chance sein, mich zu entspannen, bevor die Dreharbeiten beginnen. Laut Drehplan, den sie geschickt haben, dauern sie drei Monate. Zwölf-Stunden-Tage. Wenigstens drehen wir hier in L. A., aber ich werde in einem Hotel in Studio City übernachten, damit ich nicht hin- und herfahren muss. Ich habe mich wegen dieser Figur gestresst. Quinn Evans. Im Grunde ist er wie ich. Ein Versager. Arrogant. Die Beschäftigung mit der Rolle hat mich gezwungen, in den letzten Monaten viel häufiger in den Spiegel zu sehen als üblich. Ich denke nicht oft darüber nach, wie sehr ich mich selbst hasse, aber es war gut, mich darauf zu konzentrieren und mich so tiefer in die Rolle hineinzudenken.

Nach meinem letzten Entzug vor zwei Jahren habe ich in keinem Film mehr mitgespielt. Ich werde einen Moment brauchen, um wieder in den Fluss zu kommen und mich daran zu erinnern, wie das Leben am Set läuft. Ich fühle den zusätzlichen Druck, zu beweisen, dass ich es noch kann. Ich bin immer noch verdammt talentiert. Der ganze Stress und diese beschissene Beziehung mit Matthew Cole. Verdammt. Wenigstens hat Willow Persönlichkeit gezeigt und dafür gesorgt, dass es interessant bleibt.

Ich zücke mein Handy, lösche die Nachricht meines Vaters von der Mailbox und gehe zu den Textnachrichten. Ich schreibe Willow eine Nachricht. Ein einfaches Hallo. Als wir so getan haben, als wären wir zusammen, haben wir uns ständig Nachrichten geschickt. Nichts Ernstes. Sarkastisches Geplänkel darüber, was es auf Social Media für Reaktionen auf unsere Beziehung gab. Ich sehe, wie die Punkte erscheinen und verschwinden. Gelesen.

Ich scrolle durch die Nachrichten, bis ich Briggs finde. Ich versuche es noch einmal. Hey. Punkte erscheinen. Seine Antwort kommt schnell. Alles klar bei dir? Ich kann gerade nicht. Ich drehe das Telefon mehrfach in der Hand. Ja. Wenn die Blogger mich jetzt nur sehen könnten. Noch schlimmer finde ich, dass ich tatsächlich dem Klischee des überprivilegierten Arschlochs entspreche und mir selbst leidtue.

Das Handy brummt, als Willows Antwort eintrifft. Es hat keinen Sinn, weiter zu texten, oder? Wir tun ja nicht mehr so, als ob wir zusammen sind.

Ich nehme noch einen Schluck.

Scheiß drauf. Mir ist langweilig.

Ich googele in meinem Handy nach Matthew Cole und beginne zu scrollen.

Glücklich bis in alle Ewigkeit: eine Erinnerung

von Matthew Cole

Mit zwölf ahnte ich, dass ich mich für andere Jungen interessiere, hatte aber Angst, es zuzugeben, auch mir selbst gegenüber.

Ich habe bis heute nicht vergessen, wie ich zusammen mit meinem Vater zum ersten Mal einen Film mit homosexuellen Charakteren gesehen habe. Ich hatte schon Filme gesehen, die bis zu diesem Zeitpunkt herausgekommen waren, wie »Love, Simon«, und ich hatte den LGBTQ+-Bereich auf Netflix durchforstet, aber ich hatte noch nie einen Film mit schwulen Charakteren mit jemand anderem gemeinsam gesehen. Mein Vater und ich standen uns nicht nahe. Wir konnten nicht gut miteinander reden, kein Gespräch führen. Wenn ich etwas sagte, schwieg er nur. »Ich hatte heute Spaß in der Schule.« Schweigen. »Ich bin der Theater-AG beigetreten.« Schweigen. Ich wusste nicht, wie ich mit ihm über etwas reden sollte, das wirklich wichtig war. Ich konnte ihm nicht von meinen Ängsten und Träumen erzählen. Und wenn er etwas sagte, wies er mich immer nur zurecht. »Geh nicht so, Matthew. Sprich keine Erwachsenen an, es sei denn, sie sprechen dich zuerst an. Lach nicht so laut. Du machst dich lächerlich.«