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Marlin Watling

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Beschreibung

Jedes Wochenende besuchen Menschen Gottesdienste, jede Woche treffen sich Christen in Hauskreisen und Dienstgruppen. Doch wo kommen diese her? Auch wenn manche Gemeinden schon sehr lange bestehen, gibt es immer wieder neue Gruppen in unseren Städten und Dörfern. Marlin Watling hat Gemeinden besucht und Gründer befragt. Auf diese Weise hat er fünf "Zutaten" für eine erfolgreiche Neugründung gefunden. Diese erläutert er mit vielen Beispielen aus der Praxis. Sein Wunsch: Das Gründen von Gemeinden sollte uns nicht schwerer fallen, als eine Kleingruppe zu leiten.

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Marlin Watling

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Gemeinden gründen –von der Vision zur Wirklichkeit

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Bestell-Nr. 226.379

ISBN 978-3-417-21996-8 (PDF)

ISBN 978-3-417-21988-3 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26379-4 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2011 SCM R.Brockhaus

im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Bodenborn 43 · 58452 Witten

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Es wurden folgende Bibelübersetzungen verwendet:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT).

Neues Leben. Die Bibel, © Copyright der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 by SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten (NLB).

Volxbibel Neues Testament 1.0, © 2005 Volxbibel Verlag, Witten (VB).

Umschlaggestaltung: Johannes Schermuly, Wuppertal

Satz: Burkhard Lieverkus, Wuppertal, www.lieverkus.de

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

Die Weblinks wurden bei Redaktionsschluss der 1. Auflage überprüft. Zwischenzeitliche Änderungen vorbehalten.

Für Noah

Inhalt

Einleitung

Warum gründen?

1. Klarheit I

2. Klarheit II

3. Team

4. Plan

5. Evangelisation

6. Empowerment

Anhang: Übungen und Anwendung

Anmerkungen

Fußnoten

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Einleitung

Wie entstehen Gemeinden? Jedes Wochenende besuchen Menschen Gottesdienste, jede Woche treffen sich Christen zu Hauskreisen und Dienstgruppen. Wo kommen sie her? Manche Gemeinden bestehen schon seit Menschengedenken, doch immer wieder entstehen auch neue Gruppen in unseren Städten und Dörfern.

In diesem Buch gehen wir auf die Reise und besuchen fünf Gottesdienste. Wir treffen Gemeindegründer in Bad Schönborn und Bern, Karlsruhe, Freiburg und Amsterdam. Dort schauen wir, wie diese jungen Gemeinden aus unterschiedlichen Bewegungen entstanden sind. Dabei kommen die Gründer selbst zu Wort:

– Matthias Vering erzählt von der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) in Bad Schönborn, einem kleinen Kurort in Nordbaden, und ihrem Weg in den letzten zehn Jahren.

– Martin Bühlmann berichtet über sein Team, mit dem er vor 25 Jahren die Vineyard Bern gegründet hat und mit dem er bis heute zusammenarbeitet.

– Steffen Beck zeigt uns die Entwicklung der International Christian Fellowship (ICF) in Karlsruhe.

– Ralf Berger beschreibt eine Neugründung der evangelischen Landeskirche in der Innenstadt von Freiburg.

– Phil Graf teilt mit uns seine Erfahrungen bei Gemeindegründungen in Amsterdam und Portugal.

Es sind Menschen aus Fleisch und Blut, die Gemeinden ins Leben rufen. Mit diesem Buch wollen wir diese Bewegung unterstützen. Damit verbinden wir die Hoffnung, dass die Gründung von Gemeinden so leicht wird wie früher die Leitung einer Kleingruppe.

Dabei greifen wir auf eine Serie von Interviews im Winter 2008 zurück. Damals fragten wir uns, was für eine Gemeindegründung notwendig ist. Wir wollten wissen: Worauf kommt es bei einer Gemeindegründung an? Und was bringt sie in Gefahr? Dafür haben wir über 50 Interviews geführt. Wir fragten erfolgreiche Gründer. Wir fragten gescheiterte Gründer. Wir fragten Teammitglieder, die bei Gemeindegründungen mitgearbeitet hatten. Und wir fragten Verbandsleiter, die schon viele Gründer begleitet und Gründer ausgebildet hatten:

– Mike Breen – Leiter des European Church Planting Networks und Gründer von 3D Ministries

– Christoph Schalk – Coach und Mitentwickler der Natürlichen Gemeindeentwicklung

– Jan von Wille – Leiter des FEGW Deutschland

– Martin Bühlmann – Leiter von Vineyard DACH und Gründer der Vineyard Bern

– Steve Nicholson – Leiter der Church Planting Task Force für Vineyard USA und Gründer der Vineyard Evanston

– Andrew Jones – Mitarbeiter von DAWN Europe und Blogger

– Steven Croft – Bischof der Church of England, Leiter von Fresh Expressions, einer Missionsbewegung in der Church of England

– Steve Sjogren – Gründer von fünf Gemeinden, darunter die Vineyard Cincinnati, bekannt für »dienende Evangelisation«

– Michael Winkler – Leiter des Gemeinde- und Dienstnetzwerkes Forum Leben, übergemeindlicher Berater und Leiter der Werkstatt für Gemeindeaufbau

Diese Interviews führten zu vielen Eindrücken. Wir waren bewegt. Darüber hinaus lasen wir Dutzende von Büchern, Hunderte von Artikeln und Tausende von Seiten über Gemeindegründung – alles, was wir an Futter bekommen konnten. Aber am wichtigsten waren uns die Geschichten – was wirklich in Deutschland funktioniert. Und zwar unabhängig von einer Theorie, einem Modell oder einer bestimmten Theologie. Dann sortierten wir im portugiesischen Faro zwei Tage lang unsere Gedanken.Fünf Bereiche Wir folgten einem Design-Prozess, ähnlich wie es in den Ideenschmieden wie IDEO oder dem Hasso-Plattner-Institut in Potsdam praktiziert wird. Als wir unsere Gedanken auf Post-it-Zettel schrieben und damit vier Wände füllten, ergab sich ein Bild vor unseren Augen: Fünf Bereiche sind für eine Gemeindegründung von entscheidender Bedeutung.

Am Anfang steht Klarheit. Man braucht eine stabile Persönlichkeit mit einem Blick für Veränderung. Sie sammelt oder mobilisiert ein Team um ihre Mission, das zusammenarbeitet und die Zukunft gestaltet. Sie entwickeln Wirkung nach außen und schaffen es, die Menschen in der Gemeinde aufzubauen. Das folgende Bild zeigt das Resultat unsrer Suche.

Diese fünf Themen sind die Kapitel dieses Buchs. Wir zeigen, warum diese Bereiche wichtig sind und wie sie im Verlauf einer Gemeindegründung funktionieren. Wir selbst kommen aus der Praxis und wollen herausfinden, was bei uns funktioniert. Ich war selbst in zwei Gründungen involviert – eine gescheiterte und eine erfolgreiche. Zurzeit begleite ich fünf Gründungen und beobachte zahlreiche andere. Von meiner Ausbildung bin ich Psychologe und arbeite in einer Firma als Personal- und Organisationsberater. Das prägt die Auswahl der Geschichten und Schwerpunkte.

Man kann über Gründung auch anders schreiben – und sollte das auch. In diesem Buch liegt der Schwerpunkt nicht auf Theologie oder einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Diese Sichtweisen sind wichtig und hoffentlich gibt es hierzu noch viele Beiträge. Gründung ist ein vielschichtiges Thema und ich erhebe nicht den Anspruch, dies umfassend oder abschließend behandelt zu haben. Auch sind die fünf Themen hier das Ergebnis unserer Sicht der Dinge – zu einem gewissen Zeitpunkt mit einer gewissen Prägung und mit gewissen Erfahrungen. Es wird sicher in der Zukunft andere und bessere geben. Aber das hier ist, was wir auf unsrer Reise gefunden haben.

Und viele Leute haben uns dabei geholfen. Das ist das Wir, von dem ich hier immer wieder schreibe. Wir glauben, dass es viele lebendige Gemeinden in unserem Land gibt, die viel Gutes tun. Daher gibt es viel Dank zu verteilen:

Dank an das Vineyard Church Planting Team: Marcus Hausner, Jochen Hackstein, Roger Keller, Hannelore Rus, Rene Steiner, Marius Bühlmann.

Danke für die Unterstützung bei den Interviews: Anne Eckl, Katharina Müller, Arnhild Pross.

Danke meinen Mentoren und Wegbegleitern: Rick Ianniello, Michael Banks, Reinhard Rehberg, Martin Bühlmann, Detlef Schmidtke, Eddy Dück.

Dank meinem Gründungsteam in Heidelberg und der zweiten Gründergeneration: Volker und Suse Schmidt, Oliver und Patricia Fischer, Daniel und Angelina Teichmann, Jens und Naemi Bensing, Miriam und Jessen Kolanjikompil, Mirjam und Thomas Raith, Murat und Luise Yulafci.

Dank an die Interviewpartner, allen voran Steffen Beck, Martin Bühlmann, Matthias Vering, Ralf Berger, Phil Graf.

Dank an die Kommentatoren: Reinhold Scharnowski, Markus Lechner, Ed Einsiedler, Jochen Geiselhardt, Tobias Faix, Dominik Hofmann, Matthias Vering, Til Gerber, Kristian Reschke, Martin Bühlmann, Marius Bühlmann, Christoph Schneider, Matthias Ammann, Rene Steiner, Markus Roll, Motoki Tonn, Dennis Bitterli, David Schäfer, Marcus Rose, Christoph Schmitter, Dietrich Schindler, Jan von Wille, Stefan Lingott, Carmelina Trapani, Jonathan Dubowy, Alex und Linda Grieguszies.

Warum gründen?

I – Oasis, Belfast

Die Innenstadt von Belfast wirkt wie eine typische britische Stadt – Hafen, Backsteinhäuser, Linksverkehr und schlechtes Wetter. Die 250.000 Einwohner leben umgeben von Hügeln und mit Zugang zum Meer. In den Docks wurde zu den Hochzeiten des britischen Imperiums die Titanic gebaut. Die Kräne stehen noch heute im Hafen, dazu ein großer Stapel ungenutzter Paletten. Die Skyline erinnert noch an eine Industriestadt und die engen Häuser lassen die vielen Arbeiter erahnen, die hier einst das größte Schiff der Welt bauten. Das waren die guten Zeiten damals.

Anfang der 90er bot Belfast allerdings ein anderes Bild. »Ich war schockiert, als ich hierher kam«, sagte ein Auswanderer, der nach Jahrzehnten nach Belfast zurückkehrte. »Die jungen Menschen sahen so alt aus. Sie gingen gebückt, ließen den Kopf hängen und waren in sich gekehrt.« Das beschreibt die Misere, die Belfast durchleben musste. Laut Statistik gehörte die Innenstadt zu den schlechtesten Gebieten in Nordirland. Gesundheitsversorgung gab es kaum, Familien zerfielen genauso wie die Häuser, die Kriminalitätsrate war hoch, viele schwänzten die Schule und jeder Dritte war arbeitslos.

»Das Leben schien grau«, sagt Cliff Kennedy. Er ist der Leiter des Oasis Centre, das Kurse und Treffen für sozial Benachteiligte anbietet. »Es kamen keine Touristen in die Stadt. Abends ging jeder nach Hause und machte die Tür zu. Die Menschen existierten einfach vor sich hin. Es gab keine Hoffnung.« Der Bürgerkrieg mit der Republik Irland war in vollem Gange und paramilitärische Verbände bestimmten das Straßenbild. »Viele Leute lebten nur von Tag zu Tag. Es gab keinen Plan, keine Art von Hoffnung in ihrem Leben. Die Leute wurden dann gleichgültig und passiv. Oder kriminell. In Nordirland schlossen sich die Leute dann paramilitärischen Gruppen an. Das gab ihnen Bedeutung und füllte ihre Taschen mit etwas Geld.«

1991 hatte Kennedys Kirche eine Gebets- und Fastenwoche ausgerufen. »Sie hatten das Gefühl, dass Gott sie auf drei Dinge ansprach: Versöhnung, Evangelisation und soziale Arbeit«, sagt Kennedy, der heute Mitte fünfzig ist. Sie fragten Kennedy, ob er sich an den sozialen Aktivitäten beteiligen wolle. »Wir gingen zur Behörde und baten sie, uns einen Raum zu geben, um mit unserer Arbeit anzufangen. Die gaben uns sofort einen Schlüssel für ein kleines Gebäude – zwei Räume unten, zwei Räume oben. Wir haben das einfach geöffnet, damit Leute kommen und sich mit anderen treffen konnten – und einen Tee zusammen trinken.«F1 Tee trinken – oh, so very British.

Das Oasis Centre war geboren. An der Thorndyke Street waren die Türen offen für alle, die reden wollten oder etwas brauchten. »Wir haben gefragt: Was sind eure Nöte?F2«, so Kennedy heute. »Die Frauen sagten: Wir sind fast alle alleinerziehend. Wir haben niemand zum Vorbild.Versöhnung,Evangelisation undsoziale Arbeit Könnt ihr uns helfen, unsere Kinder großzuziehen?« So gab es zunächst Erziehungskurse. Später kamen dann Hausaufgabenhilfe und Gesundheitskurse dazu. Heute werden Kinderbetreuung und Kurse angeboten, in denen man Lesen und Schreiben lernen kann, weil immer noch Tausende dort das nicht können. Außerdem gibt es Freundestreffen für Ältere und solche mit seelischen Krankheiten.F3

Damals kam Mary zu Oasis. »Sie war Mitte fünfzig. Sie hinkte und brauchte einen Stock. Sie trug dunkle Kleidung«, sagt Kennedy. Ihr Arzt hatte ihr Oasis empfohlen, denn sie nahm seit 18 Jahren Antidepressiva und saß tagsüber allein zu Hause. »Mary wirkte zu Anfang sehr einsam. Und sehr depressiv. Es war schwierig, ein Gespräch mit ihr zu führen. Sie war gleichgültig. Ihr Blick war leer.« Sie kam, um einen Kurs zu belegen, in dem sie Selbstvertrauen lernen konnte. Drei Jahre blieb sie in engem Kontakt mit Oasis. Weitere Kurse folgten.

»Nach einer Weile ging sie zu ihrem Arzt und sagte, sie wolle die Tabletten absetzen«, berichtet Kennedy. »Auch der Stock blieb nach einer Weile zu Hause. Sie konnte wieder selbstständig laufen. Und ein paar Wochen später hatte sie eine Arbeit. Das erste Mal nach 19 Jahren. Mit dem Job änderte sie sich. Sie sprach mit Leuten. In ihrem Gang war eine neue Leichtigkeit zu finden. Sie brauchte keinen Stock mehr. Sie ging aufrechter. Sie lächelte öfter. Und sie hat bei uns mit einigen Gruppen geredet und ihre Geschichte erzählt. Das hätte sie vorher nie gemacht.«

Oasis Caring in Action wuchs von anfänglich vier Mitarbeitern auf heute 40. Sie sind noch immer dabei, Bildung und Jobs zu vermitteln, Leben verändern,Städte verändernSelbstvertrauen aufzubauen und einsamen Menschen Freundschaft anzubieten. Ihr Auftrag »transform lives, transform communities« (»Leben verändern, Städte verändern«) wirkt in einen noch immer schwierigen Teil Belfasts hinein.

II – Der keltische Tiger

Mary erlebte in diesen Jahren die Kraft des »keltischen Tigers« – die Bezeichnung für den wirtschaftlichen Aufschwung auf der Grünen Insel im Westen Europas. Bis vor Kurzem war Irland geplagt von Problemen und Armut. Es war das ärmste europäische Land. Die Arbeitslosigkeit lag 1980 bei 20 %. Nirgendwo auf der Welt gab es eine so hohe Pro-Kopf-Verschuldung wie in Irland. Man nannte das kleine Land »die Bettler Europas«. Der Krieg zwischen Katholiken und Protestanten zerriss die Nation und der bekannteste Export der kleinen Insel – die Band U2 – sang in Sunday, Bloody Sunday:

Broken bottles under children’s feet

Bodies strewn across a dead-end street

but I won’t heed the battle call

it puts my back up,

my back up against the wall

Sunday Bloody Sunday

Sunday Bloody Sunday

And this battle’s yet begun

There’s many lost, but tell me, who has won?

The trenches dug within our hearts

and mothers, children, brothers, sisters, torn apart

Sunday Bloody Sunday

Sunday Bloody Sunday

How long

How long must we sing this song

How long1

Zerbrochene Flaschen unter Kinderfüßen.

Leichen liegen in der Sackgasse.

Aber ich werde nicht auf den Schlachtruf hören.

Er drückt mich mit dem Rücken,

drückt meinen Rücken gegen die Wand.

Sonntag, blutiger Sonntag.

Sonntag, blutiger Sonntag.

Und die Schlacht hat schon begonnen.

So viel ist verloren, aber sag mir, wer gewonnen hat.

Der Graben ist in unseren Herzen ausgehoben,

Und Mütter, Kinder, Brüder, Schwestern

sind auseinandergerissen.

Sonntag, blutiger Sonntag.

Sonntag, blutiger Sonntag.

Wie lange ...

Wie lange noch müssen wir dieses Lied singen?

Wie lange?

In Irland leben heute vier Millionen Menschen, nur wenig mehr als in Berlin. Durch die Probleme in Wirtschaft und Politik wurde Irland zu einer Emigrantennation. Man schätzt, dass 80 Millionen Iren in aller Welt leben. Das sind 20 Iren außerhalb ihrer angestammten Heimat auf jeden Iren in Irland. Irre. Die Wirtschaftsgeschichte von Irland vermittelt ein Gefühl für die Gründe dieses Exodus: die große irische Hungersnot (1740), die irische Kartoffel-Hungersnot (1840), die irische Hungersnot (1879), der Wirtschaftskrieg mit England (1833– 1838), Blutsonntag (1920), Bürgerkrieg (1923), Blutsonntag (1972).

In den letzten 20 Jahren erlebte Irland allerdings einen Wandel. Cliff Kennedy dazu: »Es dauerte, aber die Leute bekamen langsam wieder Zuversicht. Die Aktivität der paramilitärischen Organisationen ging zurück. Die Häuser wurden langsam besser, es standen weniger leer. Graffiti wurden seltener. Dann kamen kleine Geschäfte und Leute hatten langsam wieder Jobs. Heute sind die Geschäfte länger offen. Die Leute gehen in die Parks und an den Strand. Es ist mehr Leben da.« Irland erlebte einen Boom an wirtschaftlicher Aktivität und Wohlstand. Die Arbeitslosigkeit fiel auf 3 %, das verfügbare Einkommen verdoppelte sich und wuchs schneller als irgendwo sonst auf der Welt. Der englische Independent schreibt über das Buch »Luck and the Irish« des Historikers und Professors R. F. Foster:

Wie wurde dieser hoffnungslose Fall in Europa so erfolgreich – fast über Nacht? Wer wie ich in den Fünfzigerjahren in Irland aufgewachsen ist, erinnert sich an die barfüßigen Kinder, die mächtige katholische Kirche, unendliche Armut und Emigranten en masse. Das hat sich verändert, nicht vollständig, aber doch gut sichtbar. Das Irland von heute erlebt eine wirtschaftliche Blüte, Wohlstand und Erfolg wachsen. Mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Europa. Reicher sogar als die USA.

Vor ein paar Jahren hat der Economist Irland als Nummer eins in puncto »Lebensqualität« gekürt. Investitionen fließen ins Land. Hochwertige Mikroelektronik und Pharmaartikel werden exportiert. Immer mehr Menschen strömen auf die Insel, obwohl Irland wahrscheinlich das einzige Land ist, dessen Bevölkerung heute geringer ist als vor 100 Jahren. Was ist passiert? Was haben die Iren gemacht?2

Diese Veränderung ist erstaunlichF4. Dass Veränderung möglich ist, schenkt Hoffnung in verfahrenen Situationen. Diese Hoffnung ermutigt uns, die InitiativeF5 zu ergreifen, und lässt ähnliche Veränderungen für Länder wie Haiti, Ruanda oder Bangladesch nicht unmöglich erscheinen. Da erhebt sich die Frage: Was hat diese Veränderung in Irland ermöglicht? Manche sprechen von einem historischem Glücksfall, vom Eintritt in die Europäische Union, vom Gehaltsgefälle zu Amerika, davon, dass in Irland die Weltsprache Englisch gesprochen wird, von der abnehmenden Geburtenrate, von veränderten Einstellungen, weil die katholische Kirche an Einfluss verliert (R.F. Foster: »Die psychologische Haltung im Land hat sich verändert und erweitert, […] – wahrscheinlich auf alle Zeit«3). Komplexe Veränderungen wie die eines Wirtschaftssystems haben sicher vielfältige Erklärungen.

In einem Artikel vom Januar 2008 schreibt die New York Times: »Die Veränderung kam in den 1990ern. Die Steuern und Zinsen fielen und auf einmal glaubten wir an uns.« In Studien über den Wandel in Irland werden Steuern und Infrastruktur stets als entscheidende Faktoren gesehen. Einkommen- wie auch Firmensteuern wurden gesenkt. So bezahlen Firmen in Irland nur 12 % Steuer auf gewerbliche Gewinne – verglichen mit 28 % in England, 30 % in Deutschland oder 39 % in den USA.4 Viele internationale Firmen wie Dell, Microsoft oder Intel eröffneten Niederlassungen in Irland.

Außerdem entschieden sich die Iren, höhere Bildung allen kostenlos zugänglich zu machen. Seit 1968 werden weiterführende Schulen wie auch Universitäten und Fachhochschulen vom Staat finanziert. Das führte dazu, dass sich die Zahl der Hochschulabgänger verdoppelt hat und mit 30 % an der Spitze in Europa liegt.5 Die Regierung richtete Enterprise Ireland ein – eine Institution Veränderungist möglichzur Förderung von Firmengründungen. Kenny Sherry, der Direktor von Enterprise Ireland, sagt: »Wir haben Hunderten von Personen und Gruppen geholfen. Wir müssen neue Ansätze unterstützen – in Nanotechnologie, Biotechnologie und anderen Wissenschaften. Wir können uns nicht darauf ausruhen, was uns bis hierher gebracht hat.«6

Was führte die Veränderung in Irland herbei? Was ist nötig, um einen Aufschwung zu fördern? Wie das Beispiel von Irland zeigt, ist Veränderung möglich. Aber Irland ist nicht der einzige Ort, wo sich etwas ändert.

III – Der rote Drachen

Pfarrer Jin Mingri nahm seinen Platz am Rednerpult ein und machte eine ungewöhnliche Ansage. »Bitte, geht«, sagte der 39-jährige Pastor seinen Zuhörern, die alle standen und an diesem Sonntagmittag einen umfunktionierten Büroraum in Chinas Hauptstadt aus allen Nähten platzen ließen. »Wir haben nicht genügend Platz für die anderen, die kommen wollen. Bitte kommt nur zu einem Gottesdienst pro Tag.«

Neben ihm stand ein Chor in knallrosa Gewand, daneben ein Gitarrist und ein Schlagzeug. Die Kinder im Nebenraum bereicherten den Gottesdienst mit Zwischenrufen und gelegentlichem Weinen. Es war ein voller Tag in einer Kirche, die es auf dem Papier gar nicht gibt. Das Christentum – unterdrückt, verfolgt und in vielen Fällen seit einem halben Jahrhundert illegal in China – überrollt das Land. Die Kirchen sind übervoll und fordern den offiziellen Atheismus der Kommunistischen Partei heraus.7

Dieser Bericht über einen Sonntag in China ist erstaunlich. Seit jeher war China ein Land mit eigener Kultur und relativ verschlossen gegen Einflüsse von außen. Seit Jahrhunderten hatten Missionare versucht, das Evangelium ins Land der Glasnudeln zu bringen – mit wenig Erfolg. Und die letzten 70 Jahre unter der Regierung der Kommunistischen Partei sorgten für eine fast aussichtslose Perspektive für das Christentum in China.

»Es ist erstaunlich, dass es heute 80 Millionen Christen gibt«, sagt David Aikman, der frühere Korrespondent des Time Magazine in Peking8. Das sind 10 Millionen mehr als Mitglieder in der Kommunistischen Partei. Das sind bald 10 Prozent des Landes.Mehr Christenals Kommunisten Das sind so viele Christen, wie Deutschland Einwohner hat. »Wahrscheinlich sind 45 Millionen davon einfach in Hausgemeinden organisiert, dann gibt es 12 Millionen Katholiken und 20 Millionen in der katholischpatriotischen Vereinigung – der offiziell anerkannten Kirche. 1949 gab es dort nur 3 Millionen Katholiken und etwa eine Million Protestanten.« Das ist eine Wachstumsrate von 9 % pro Jahr9. Damit wächst die Kirche in China schneller als die Gemeinde nach der Zeit Jesu. Deren Wachstumsrate belief sich nach dem Soziologen Rodney Stark auf 4 % pro Jahr während der ersten 350 Jahre10. Wenn das in China so weitergeht, werden in ein paar Jahrzehnten 500 Millionen Christen in China leben.

Was führte zu dieser explosionsartigen Ausbreitung des Christentums in China? »Während der Kulturrevolution (1966–1976) wurde jede Kirche in China geschlossen«, sagt David Aikman. »Die offiziellen Strukturen der protestantischen und katholischen Christenheit in China wurden von der Volksbefreiungsarmee zerstört. Christen mussten sich an improvisierten Orten treffen: in Häusern, auf dem Feld, im Wald. Weil die Regierung so aggressiv gegen das Christentum vorging, meinten die Christen, es sei wohl am besten, offen und energisch zu evangelisieren. So oft wie möglich. Überall. Als sich China dann 1979 wieder etwas öffnete, gab es diese Netzwerke von Hauskirchen, die in ganz China ihren Einfluss ausübten und weiter neben der Kirche bestehen.«11

Während dieser Unterdrückung und danach wurde die zentrale Organisation der Kirche verändert in eine dezentrale Struktur. Wo vorher »offizielle« Leiter in den Gemeinden das Sagen hatten, waren es jetzt die »funktionalen« Leiter. Wer leiten konnte, hielt die Christen in seiner Gegend zusammen. Die Volksbefreiungsarmee versuchte immer wieder, diese Netzwerke aufzubrechen, indem sie die Leiter identifizierte und in Lagern inhaftieren ließ.

Wang Mingdao war ein solcher Leiter in einem Hausnetzwerk. Er wurde 1900 geboren und gründete 1925 eine christliche Kirche in Peking. Wang war in ganz China unterwegs, um Menschen vom Glauben zu erzählen, und gründete überall neue Kirchen. Als er 1955 nicht der offiziellen katholisch-patriotischen Vereinigung (KPV) beitrat, wurden er und seine Frau verhaftet. Er blieb bis 1980 im Straflager und wurde mehrfach gefoltert.12 Eine Konsequenz dieser Verfolgung war die weitere Dezentralisierung der Leitung. Die chinesischen Christen mussten darauf achten, neue Leiter auszubilden und die Kirche einfach zu haltenF6. Wang Mingdaos Ansatz im Hinblick auf Kirche war: »Lieber wenige gute Dinge als viele schlechte.«F7 Ungewollt wurde die Kirche dazu gezwungen, wie beim wirtschaftlichen Aufschwung in Irland ihre Kapazitäten zu stärken – mehr Leiter, mehr Beteiligung, mehr Neugründungen. Konsequenz: mehr Wachstum.

Veränderung geschieht nicht durch Interesse und Nachfrage, sondern durch die Anzahl und Energie der Leiter. Der amerikanische Soziologe Das Büfett-ModellRodney Stark untersucht seit 40 Jahren die Ausbreitung von Religionen und das Wachstum von Bewegungen. »Veränderungen in der Religiosität werden hauptsächlich durch das Angebot vorangetrieben«, sagt Stark. Seine Theorie könnte auch als »Büfett-Modell« verstanden werden. Statt wie bei einer herkömmlichen Menüfolge die Gerichte nacheinander anzubieten, werden bei einem Büfett alle Speisen gleichzeitig dargeboten. Und wer kennt das nicht von Hochzeiten, Gemeindefeiern oder Geburtstagen – mehr Angebot führt zu mehr Nachfrage.

Aber stimmt das auch? Gibt es nicht gerade in Europa viele Kirchen, also viele Angebote? Und diese Kirchen sind, nun ja, nicht immer sehr wirkungsvoll. »Wenn die Kirchen mehr Energie haben und zielstrebiger vorgehen, dann wachsen sie auch mehr«, sagt Rodney Stark. Die Anzahl an sich ist seiner Meinung nicht allein entscheidend. Das Engagement der Kirchen – Zweckmäßigkeit, Motivation und Anzahl – sind die Faktoren, die zu mehr Nachfrage führen.

Stark untersuchte dazu die Entwicklung der Christenheit in den USA in den letzten 250 Jahren: »Zur Entstehungszeit der Vereinigten Staaten gab es einige offizielle Kirchen, so wie in Europa. Ungefähr 17 % der Menschen gingen einmal im Monat in die Kirche, so wie heute in Westeuropa – das sagt die Umfrage der Europäischen Union über Werte in unsrer Zeit. In den USA änderte sich das mit dem Unabhängigkeitskrieg. In den elf Kolonien gab es danach keine offizielle Kirche mehr, sondern es brach ein Wettbewerb unter den verschiedenen Gruppen aus. Methodisten, Baptisten, Shaker und alle möglichen anderen wuchsen und gediehen. Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich waren fast 50 % der US-Amerikaner Kirchgänger«.13

Dann müsste sich also auch zeigen, dass mehr Kirchen an einem Ort zu mehr Kirchgang und Beteiligung führen. Um seine Annahmen weiter zu prüfen, zitiert Stark eine Studie mit der Frage: Was passiert, wenn es pro 1000 Einwohner mehr Kirchen an einem Ort gibt? Wie wirkt sich das auf Teilnahme am Gemeindeleben aus? Wie auf Beteiligung der Ehrenamtlichen? Wie auf die Zugehörigkeit?

 Anzahl der Kirchen pro 1000 Einwohner1234+Prozent mitKirchenzugehörigkeit27,436,034,843,4Prozent mit Teilnahmean Sunday School15,822,325,237,4Prozent mit bezahltemLeiter55,746,338,730,1

Wettbewerb und Religiosität in amerikanischen Orten (1923–1925)14

Hier stellte sich natürlich die Frage nach Ursache und Wirkung. Führen mehr Kirchen zu mehr Zugehörigkeit und Beteiligung? Oder sind einfach dort mehr Kirchen, wo die Leute bereitwilliger mitmachen? Stark und Kollegen schauten in historische Daten (USA 1776 bis 2005) sowie aktuelle Daten (Sowjetunion und Italien 1980 bis heute). In allen Fällen ist es so, dass dort, wo mehr und unterschiedliche Kirchen zugelassen werden, mit der Zeit Gottesdienstbesuch und Beteiligung steigen.

Stark betrachtete auch die Wanderung von ethnischen Gruppen in ein anderes Umfeld – zum Beispiel Deutsche, die nach Amerika gehen. Dort waren die Deutschen anfangs genauso wenig am Glauben interessiert wie hierzulande, doch mit der Zeit wurden sie viel interessierter und aktiver im Glauben, bis sie sich ebenso beteiligten wie die amerikanische Bevölkerung um sie herum. Das lässt darauf schließen, dass tatsächlich die Zugehörigkeit und Beteiligung an Kirche durch das Angebot gefördert wird. Wettbewerb belebt das Geschäft. Eine größere Anzahl und Vielfalt von Kirchen führt zu mehr Nachfrage.

Warum ist das so? Wenn eine Gemeinde entsteht, dann braucht sie eine Botschaft, die ansprechend ist. Sie muss klar und attraktiv genug sein, um Menschen zu mobilisieren. Das zwingt die Gründer auch dazu, auf die Menschen zuzugehen und ihre Sprache zu sprechen. Wettbewerb fördert die Qualität der Inhalte und erfordert mehr Aktivität und Effizienz in der Umsetzung. Eine neue Gemeinde entsteht nicht von selbst, sondern braucht Energie und Hingabe. Deshalb ist Gemeindegründung ein Weg zur Stärkung der Glaubenslandschaft. Rodney Stark dazu: »Gründung ist Erneuerung. Gründer gehen auf Leute zu und sagen: So funktioniert Religion besser. Ohne Gründung hast du eine Situation wie in Europa im Mittelalter: eine Monopolkirche, Die Botschaftmuss klar undattraktiv sein.die kaum Menschen mobilisiert, die ineffektiv leitet und insgesamt faul ist. In den Religionskriegen versuchte die Monopolkirche, die Erneuerung zu verhindern. Heute sind Neugründungen leichter möglich und damit auch die beständige Erneuerung des Glaubens und der Inhalte.« Vielfalt ist überall um uns herum. Sie bringt Leben und unterschiedliche Lebensumfelder. Vielfalt im Glauben bewirkt das Gleiche.

IV – Die Meile unter vier Minuten

»Meine Damen und Herren! Hier ist das Ergebnis vom Lauf Nummer 9, dem Lauf über eine Meile: Erster: Die magischeMarke wirdunterboten!Nummer 41, R.G. Bannister von der Amateur-Athletik-Vereinigung aus Oxford. Mit einer Zeit, die zum neuen Veranstaltungsrekord wird und – sofern bestätigt – zu einer neuen englischen Legende, zum britischen Rekord, Europarekord, Rekord im britischen Commonwealth und Weltrekord. Die Zeit war 3…« Der Rest der Ankündigung ging im aufgeregten Geschrei der Menge unter.15

Roger Bannister lief am 6. Mai 1954 auf dem Universitätssportplatz der Oxford University an der Iffley Road die Meile in 3 Minuten und 59,4 Sekunden. Es war die sogenannte Traummeile. Jahrzehntelang war die 4-Minuten-Grenze die magische Marke, von der man glaubte, sie könne nicht durchbrochen werden. Und dann war es so weit.

Auf diesen Meilenstein hatte die Menschheit 3 215 Tage gewartet – fast 10 Jahre. Seit Beginn der Aufzeichnungen durch den internationalen Leichtathletikverband hatte kein Weltrekord so lange Bestand gehabt. Der Schwede Gunder Hägg war am 17. Juli 1945 mit 4 Minuten und 1,3 Sekunden die letzte Rekordzeit gelaufen. Im Schnitt blieb ein Weltrekord auf der Meile 2,7 Jahre – oder 1014 Tage – bestehen. Roger Bannister durchbrach als erster Mensch diese Schranke, was niemand für möglich gehalten hatte. Am 21. Juni 1954 lief dann der Australier John Landy im finnischen Turku die Meile in 3 Minuten 57,9 Sekunden. Er unterbot Bannisters Jahrhundertereignis um satte 1,5 Sekunden. Und das nur 46 Tage nach Bannisters Lauf. Wie kann das sein?

»Ich erinnere mich an die Zeit, wo es unmöglich schien, eine Meile unter 4 Minuten zu laufen«, sagt Peter Drucker, der als einer der einflussreichsten Denker und Autoren zu Unternehmen und Strategie gilt. »Es war Anfang der Zwanzigerjahre. Ich war damals in der High School und wir sagten: ›Der Herr hat den menschlichen Körper einfach nicht dazu erschaffen, schneller als vier Minuten auf die Meile zu laufen.‹ Dann wurde diese Marke durchbrochen. Und sechs Wochen später liefen wir alle zehn Sekunden schneller auf die Meile. So funktioniert das.«16 Peter Drucker zieht daraus folgende Lehren:

Wenn man über die Motivation der Masse spricht, kann ich dir nur sagen, dass es die falsche Frage ist. Wir haben gelernt, dass man die Leiter inspiriert. Ich habe einmal dabei geholfen, eine schnell wachsende Schule aufzubauen, wo wir junge Leute anstellen mussten, die noch nie gelehrt hatten. Und ich musste sie auf anspruchsvolle Schüler loslassen. Jeder der neuen Lehrer kam zu mir und fragte: »Was soll ich tun?« Ich sagte: »Stell sicher, dass du die besten zehn Prozent der Klasse nicht verlierst. Wenn du die verlierst, hast du alle verloren. Vergiss nicht, dass Jesus nur zwölf Apostel gewählt hat. Hätte er 60 gewählt, hätte er es nicht machen können. Es war schwierig genug mit den zwölf. Man arbeitet mit den Leitern, denn es gibt diese Regel im Leben, dass der Unterschied zwischen den Leitern und dem Durchschnitt gleich bleibt. Man sieht das im Sport, in der Musik, in fast jedem Lebensbereich. Die Aufgabe des Leiters ist es, einen hohen Standard zu etablieren. Durch Beispiel. Was eine Person tut, kann eine andere nachahmen.17

Der Verweis auf Jesus ist interessant. Er sprach zwar mit den Massen, schien aber nicht daran interessiert, sie zu organisieren oder ihre Energie zu nutzen. Er investierte seine Zeit und Gedanken in eine kleine Gruppe von zwölf Menschen, die seine Werte und seine Methoden verinnerlichen solltenF8. Mit anderen Worten: Er investierte in die Kapazität der Leitung. Jesus investierte in die Infrastruktur. In weninvestierst du?Er baute das Angebot auf, um damit die Nachfrage zu organisieren. Jesus sagte: »Die Ernte ist groß, aber es sind nicht genügend Arbeiter da« (Matthäus 9,37; NLB). Das Potenzial zur Ernte schien in seiner Sicht gegeben. Doch woran liegt es, dass dieses Potenzial nicht ausgeschöpft werden kann? An den Arbeitern. Mit ihnen bringt Gott die Ernte ein.

Paulus schaute sich diese Dynamik bei Jesus ab und gab das an seine Mitarbeiter weiter: »Was du von mir gehört hast, das sollst du auch weitergeben an Menschen, die vertrauenswürdig und fähig sind, andere zu lehren« (2. Timotheus 2,2; NLB). Paulus investierte in Leute, die wiederum in andere investieren. Und diese investieren wieder in andere. Und diese investieren … Und so weiter.F9 Das ist das Infrastruktur-Argument: Angebot aufbauen, das führt zu Nachfrage. Mit diesem Kreislauf haben es die ersten Christen geschafft, innerhalb von 350 Jahren den gesamten Mittelmeerraum zu bekehren. Das ist die Dynamik, die in China wirkt.

Wir gründen Gemeinden, weil wir das Reich Gottes in unserem Umfeld sehen wollen. Bei unseren Freunden, unter unseren Kollegen, in unseren Orten. Gründung ist die Investition, die zu Veränderung führt. Die Felder sind reif, wir brauchen Arbeiter für die Ernte. »Leute brauchen Inspiration, sie gehen nicht einfach in die Kirche«, sagt Rodney Stark. »Jemand muss die Botschaft zu den Leuten tragen und sie dafür begeistern. Ich sehe Zeichen, dass es diesen Aufschwung im Hinblick auf Religion in Europa gibt. Nur die Evangelikalen haben die Zutaten dazu, denn die anderen Gruppen sind zu liberal und können die Leute nicht mobilisieren. Je mehr Leute sich beteiligen, desto mehr wird die Religion wachsen.«F10 Wir brauchen Gemeinden, die lebendig und engagiert sind. Mehr Gemeinden sind besser, denn sie werden mehr Leute erreichen.F11