Starten statt warten - Dorothea Gersdorf - E-Book

Starten statt warten E-Book

Dorothea Gersdorf

4,3

Beschreibung

Viele Menschen tun sich eher schwer damit, ihr Leben mutig und visionär zu gesalten. "Fahren mit angezogener Handbremse" - so lässt sich ihr Lebensstil am ehesten beschreiben. Sie stehen sich selbst im Weg und sind unzufrieden mit sich und ihrem Leben. Fachleute nennen dieses Phänomen Selbstsabotage. Warum behindern wir uns so häufig selbst? Und kann man das ändern? - Dorothea Gersdorf weist den Weg aus dem Labyrinth der Selbstsabotage und zeigt, wie wichtig dabei dei Vision Gottes für unser Leben ist.

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Eigentümerhinweis

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Impressum

Alle Bibelzitate, mit wenigen gekennzeichneten Ausnahmen, sind der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart entnommen.

Ausnahmen entstammen der Elberfelder Bibel (ELB), © 1985/1991/2006 SCM R. Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten, und der Lutherbibel (LUT), revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

© Copyright 2013 by Asaph-Verlag

3. Auflage 2013 (1. Auflage im Asaph-Verlag)

Umschlaggestaltung: joussenkarliczek, D-Schorndorf

(unter Verwendung eines Fotos von © iStockphoto, Fotograf: @PeskyMonkey)

Satz/DTP: Jens Wirth

Druck: cpi books

Printed in the EU

Print: ISBN 978-3-940188-64-9 (Best.-Nr. 147464)

eBook: ISBN 978-3-95459-522-8 (Best.-Nr. 148522)

Für kostenlose Informationen über unser umfangreiches Lieferprogramm an christlicher Literatur, Musik und vielem mehr wenden Sie sich bitte an:

Asaph, Postfach 2889, D-58478 Lüdenscheid

[email protected] - www.asaph.net

Widmung

Für meinen Mann Rolf,

einen der großartigsten Ermutiger,

die ich kenne

Inhalt

Eigentümerhinweis

Impressum

Widmung

Inhalt

Kapitel 1 - Achtung: Selbstsabotage!

Kapitel 2 - Im Rachen der Angst

1. »Säe einen Gedanken ...«

2. Schamangst und das falsche Selbst

3. Auf der Flucht

4. Formen der Passivität

5. Alles oder nichts – zwischen Menschenfurcht und Anmaßung

6. »Dein Gott …«

7. Gewalt und Selbstbeeinträchtigung

8. Drei Ebenen der Gebrochenheit

Kapitel 3 - Vergrabene Talente

1. »… und du erntest ein Schicksal«

2. Selbstsabotage – verdeckt oder offensichtlich

3. Betrügerische Logik

4. Aspekte der Schuld

Kapitel 4 - Begrabene Sehnsucht

1. Legitime Bedürfnisse

2. Der bewusste Wunsch und das unbewusste Programm

3. Sehnsucht kontra Angst

Kapitel 5 - Herausgelockt

1. Ein harter Gott?

Bitte um Wiederherstellung

2. Drei Ebenen der Wiederherstellung

Überwindergebet

3. Abschied vom Opferdenken

4. Loslassen und integrieren

Gebet des Vertrauens

5. Neu sehen und hören lernen

Gebet der Selbstannahme

6. Frucht oder Erfolg?

7. Vertrauen, Dankbarkeit und »die kleinen Anfänge«

8. Gottes Gegenwart in uns

9. Geistliche Identität – das wahre Selbst

10. … in einen weiten Raum

***

So lockt er auch dich aus dem Rachen der Not,

unbeengte Weite ist dein Platz.

Hiob 36,16, ELB

Kapitel 1 - Achtung: Selbstsabotage!

Es war während meiner Schulzeit, vielleicht in der fünften oder sechsten Klasse. Unser Deutschlehrer hatte uns folgende Hausaufgabe aufgegeben: Wir sollten uns eine fantastische Geschichte ausdenken. Das war doch mal eine Aufgabe! Zu Hause ließ ich meiner Fantasie freien Lauf und dachte mir eine heiße Story aus, und als ich sie zum Schluss noch einmal durchlas, war ich wirklich zufrieden mit mir! Am nächsten Tag saß ich dann wie jeden Morgen mit zwei Mitschülerinnen im überfüllten, schaukelnden Schulbus. Natürlich war unser Thema unsere Deutsch-Hausaufgabe, und jede von uns gab ihre Geschichte zum Besten. Meine handelte, soweit ich mich erinnere, davon, wie ich mit meinem eigenen Flugzeug bei wagemutiger Himmelsakrobatik einige spannende und lustige Abenteuer durchstand. Meine Freundinnen fanden meine Fantasiereise witzig. Später in der Schule fragte der Lehrer, ob jemand seine Hausaufgabe vorlesen wolle. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich rang mit mir. Fast hätte ich aufgezeigt, aber dann kamen mir plötzlich Zweifel. Natürlich, mir gefiel meine Geschichte, aber war sie wirklich gut genug, um sie hier vor der ganzen Klasse vorzutragen? Vielleicht irrte ich mich ja und würde mich blamieren! Als ich letztendlich kniff, meldete sich eine meiner Schulfreundinnen, mit der ich morgens im Bus gefahren war – und trug meine Geschichte vor, die sie unverfroren als die ihre ausgab. Ich traute meinen Ohren nicht! Unser Lehrer jedoch war sehr angetan von der abenteuerlichen Erzählung und belohnte sie mit einem »Sehr gut«. Meine andere Kameradin war darüber so entrüstet, dass sie den Lehrer nach der Unterrichtsstunde über den wahren Sachverhalt aufklärte, aber der ließ sich dadurch in keiner Weise beeindrucken. Ich ging also leer aus. Heute kann ich sagen: »Selber schuld!« Aber damals fühlte ich mich ungerecht behandelt.

Im Laufe meines Lebens gab es noch andere Begebenheiten, bei denen mich ein ähnliches Gefühl beschlich. Oft musste ich mir später eingestehen, dass nicht andere an meinem Missgeschick schuld waren, sondern ich mir selbst ein Bein gestellt hatte. Irgendwann wurde ich mir klar darüber: Solche Dinge wiederholten sich in meinem Leben. Ich machte mich auf den Weg, mich mit diesen Erfahrungen näher zu befassen. Warum war mein Leben durch Zweifel und Unentschlossenheit geprägt? Was hemmte und blockierte mich eigentlich? Wie kam die Enge in mein Leben, die ich immer wieder empfand? Warum hatte ich das Gefühl, nicht so recht voranzukommen? Wieso war es immer wieder so, dass ich von anderen überholt wurde und das Gefühl hatte, dass sie das taten, was ich gern getan hätte, dass sie mir wegschnappten, was ich gern gehabt hätte? Und immer waren es Menschen, die im Gegensatz zu mir ihre Talente zu nutzen wussten und dies auch ungehemmt taten, wie ich mir mit einem neidischen Seitenblick eingestehen musste.

Irgendwann fiel mir auf, dass es in der Bibel ein Gleichnis gibt, das sich gut auf das Erlebnis aus meiner Schulzeit übertragen lässt. Es ist das Gleichnis von den vergrabenen Talenten. Diese Geschichte, die Jesus seinen Jüngern erzählt, warf in mir viele Fragen auf und erschien mir unbegreiflich, geradezu ungerecht.

In dem Gleichnis geht es um drei Knechte, deren Herr verreist und jedem von ihnen einen Geldbetrag zur Verwaltung überlässt. Die beiden ersten Knechte legen ihren Betrag gewinnbringend an und vermehren ihn auf diese Weise, wofür sie später bei der Heimkehr ihres Herrn Lob ernten. Der dritte Knecht hingegen vergräbt sein Geld. Als der Chef nach Hause zurückkehrt und ihn nach dem Verbleib des Geldes fragt, sagt er: »Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder« (Matthäus 25,24-25).

Der dritte Knecht ist ein übervorsichtiger Mann. Er versucht alles richtig zu machen; er will den Verlust des Geldes verhindern, und so vergräbt er es lieber. Besser kein unnötiges Risiko eingehen, lieber auf Nummer sicher gehen. Der Mann ist nicht untätig; immerhin macht er sich Gedanken, was zu tun ist, macht sich auf den Weg und vergräbt sein Geld. Wir wissen nicht, wie viele schlaflose Nächte des Überlegens und Abwägens es den dritten Knecht gekostet hat, diesen Plan zu entwerfen, aber das interessiert seinen Herrn offenbar nicht. Er akzeptiert die Begründung seines Untergebenen in keiner Weise, bezeichnet sie als Ausrede und ihn als böse und faul; er nimmt ihm das anvertraute Geld weg und gibt es dem ersten seiner Knechte, der am geschäftstüchtigsten ist. Er bestraft den dritten Knecht hart, der offenbar nicht etwa aus Ungehorsam, sondern aus purer Ängstlichkeit versagt hat. Ich würde eher Mitleid für ihn empfinden. Meiner Vorstellung nach ist er ein unsicherer, mutloser Mensch, der nicht zum Heldentum geboren ist. Und derjenige, der wegen seines Geschäftssinns und angeborenen Wagemuts sowieso schon privilegiert und daher erfolgreicher ist, bekommt zu dem Vielen, was er schon hat, noch einen Batzen obendrauf. Und das soll Gerechtigkeit sein? Natürlich, der Dritte ist feige, aber ist nicht jeder Mensch mal feige? Wer kann sich davon freisprechen? Ich zumindest kenne diese Schwäche nur zu gut. Hat Jesus an anderer Stelle nicht völlig entgegengesetzt reagiert: »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein« (Johannes 8,7)? Hat Jesus nicht immer die Schwachen und Bedürftigen in besonderer Weise in Schutz genommen? Hier nun reagiert er völlig anders: Die Talente, vom Dritten vergraben, erhält der erfolgreichste der Knechte zusätzlich zu seiner Belohnung. Wie kann das sein? Ist Gott so?

Wie gerecht oder ungerecht das alles auch erscheinen mag, wir treffen hier auf Vorgänge und Erfahrungen, die vielen von uns gar nicht so fremd sind. Da gibt es die Erfolgreichen, die kommen und siegen, wo sie auch erscheinen. Mit jedem gewonnenen Vorteil gewinnen sie einen neuen hinzu. Und dann gibt es diejenigen, die auf der Schattenseite des Lebens geboren zu sein scheinen, die sich so durchs Leben schlagen und immer wieder Niederlagen und Nackenschläge hinnehmen müssen.

Durch meine Arbeit in Seelsorge und Beratung treffe ich immer wieder auf Menschen, die an irgendeinem Punkt ihres Lebens scheiterten und zu uns kommen, wenn sie bereits vor einem Scherbenhaufen stehen. Weit öfter jedoch begegnen mir Menschen, die es nicht ganz so hart getroffen hat, die aber aus unerfindlichen Gründen nie so richtig auf den »grünen Zweig« gekommen sind. Sie erlebten zwar keinen völligen Zusammenbruch, phasenweise erschien ihr Leben durchaus zufriedenstellend, manchmal sogar erfolgreich, jedoch kamen sie mit dem, was sie sich eigentlich vorgenommen hatten, nicht wirklich voran. Sie hatten oft das Gefühl, immer auf der Suche zu sein und nie zu finden.

Die meisten Menschen stecken in jungen Jahren voller Hoffnung und voller Ideen, wie sie ihr Leben gestalten wollen, was es zu erreichen gilt. Wie viele entdecken dann, dass sie nichts oder nur einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Visionen umgesetzt haben? Wie viele starten vielversprechend durch, um dann doch in irgendeiner Weise zu scheitern; wie viele starten nie? Wie viele Menschen bereiten sich ihr Leben lang auf etwas vor, was dann nie stattfindet? Wie viele stehen sich selbst im Weg?

Als ich mich mit diesen Dingen beschäftigte, fand ich schließlich den Fachbegriff für dieses Phänomen, den ich vorher noch nicht kannte: Selbstsabotage.

Selbstsabotage gibt es schon in der Bibel. König Saul ist im Hinblick auf dieses Thema eine wichtige Persönlichkeit. Die Geschichte Sauls, des ersten Königs von Israel, macht mich immer wieder betroffen, sooft ich sie lese, weil sie hoffnungsvoll beginnt, aber beängstigend tragisch endet. Die Bibel berichtet uns im Alten Testament (1. Samuel 9-31) vom Leben dieses Mannes, insbesondere von seiner nur kurz von Gott getragenen Herrschaft. Saul verliert den Segen Gottes fast so schnell, wie er ihn zuvor gewinnt, und er wird im Neuen Testament nur noch einmal kurz erwähnt.

Zunächst jedoch liest sich seine Geschichte wie ein Märchen. Da wird ein junger Mann von Gott zum König über sein Volk erwählt. Seine Regierung beginnt direkt nach Israels sogenannter Richterzeit, also der Zeit, in der diese Nation ausschließlich von Richtern regiert wird und nicht von Königen wie die anderen Völker im Orient. Als Saul in sein Amt eingeführt wird, ist das Volk völlig begeistert und feiert ihn als seinen ersten eigenen König. Diese Freude ist besonders verständlich, weil Israel zu dieser Zeit von verschiedenen feindlichen Nationen bedrängt wird; insbesondere das Seefahrervolk der Philister verbreitet mit seinen Angriffen immer wieder Angst und Schrecken. Israel sehnt sich nach Schutz und Orientierung durch einen König, und so beginnt Saul schon bald nach seiner Einsetzung, Krieg gegen die feindlichen Völker zu führen, wobei er zunächst äußerst erfolgreich ist. König Saul erlebt zu Beginn seiner Karriere glanzvolle Zeiten: »Als Saul die Königswürde über Israel erlangt hatte, führte er ringsum mit all seinen Feinden Krieg: mit Moab und den Ammonitern, mit Edom und den Königen von Zoba und mit den Philistern. Wohin er sich auch wandte, war er siegreich. Er vollbrachte tapfere Taten, schlug Amalek und befreite Israel aus der Gewalt derer, die es ausraubten« (1. Samuel 14,47-48).

Die Bibel beschreibt ferner eine erstaunliche Begebenheit, die sich noch vor Sauls Einsetzung als König ereignet und die als Vorbereitung auf sein Amt zu verstehen ist: Gott gibt ihm »ein anderes Herz«. Saul wird mit dem Heiligen Geist erfüllt und beginnt zu weissagen, was die Menschen aus seinem Umkreis so sehr verblüfft, dass dieses Ereignis zum Sprichwort im Land wird: »Ist Saul auch unter den Propheten?«

Der Lebensweg dieses Königs beginnt also auf den ersten Blick sehr vielversprechend und hoffnungsvoll, aber schon recht bald wendet sich das Blatt, und wir können den tragischen und stetig voranschreitenden Niedergang dieses Mannes verfolgen. König Saul scheitert letzten Endes. Ihm gelingt es nicht, den ihm von Gott zugewiesenen und bestätigten Platz im Leben dauerhaft einzunehmen und seine Bestimmung langfristig zu verwirklichen. Er erlangt nie seine volle Kraft. Er bringt sich selbst auf dem Schlachtfeld um, drei seiner Söhne sterben in der gleichen Schlacht.

Warum scheiterte König Saul? Was brachte ihn zu Fall? Was verursachte seinen Niedergang? Wäre sein Scheitern zu verhindern gewesen und wenn ja, wie? Diese Fragen stellten sich mir beim Lesen und sie regten mich dazu an, die Saul-Geschichte noch einmal genauer zu studieren, und dabei stieß ich auf interessante Details, die ich vorher überlesen hatte. Schon in den ersten Versen des Berichts entdeckte ich bei genauerer Betrachtung das Bild einer Persönlichkeit voller Widersprüche. Sauls problematischer Charakter wird bereits nach wenigen Sätzen erkennbar. Trotz der glanzvollen Zeiten, die Saul durchaus erlebt, gestalten sich weite Phasen seiner Regierungszeit weniger glorreich, einschließlich der ersten Begebenheiten um seine Einsetzung herum.

Dort begegnet uns nämlich ein junger Mann, der sich vor dem Volk versteckt, als man ihn zum König ernennen will, und den man erst suchen muss, um ihn in sein Amt einzuführen. Auf diese Haltung, die von Unentschlossenheit und Ängstlichkeit geprägt ist, stoßen wir dann erst wieder am Ende seiner Lebensgeschichte. Saul tritt ansonsten über weite Strecken seiner Herrschaft eher unbesonnen, selbstherrlich und anmaßend in Erscheinung. Phasen durchaus mutigen und entschlossenen Handelns stehen im Wechsel mit Zeiten, die gekennzeichnet sind von Verzagtheit und Selbstzweifeln. Uns fällt sein ängstliches Zögern auf – im krassen Gegensatz zu übereiltem und vorschnellem Handeln an anderer Stelle. Hier ein jähzornig aufbrausender Mensch, dort ein geängstigter, bedrängter, getrieben von Neid und Eifersucht. Leben und Wesen dieses Mannes sind voller Gegensätze und sich scheinbar widersprechender Eigenschaften. Er erscheint völlig zerrissen, eine ambivalente Figur.

Mit der Zeit erkannte ich beim Überdenken des Textes und beim Nachspüren immer deutlicher, dass in der an ihm zu beobachtenden Ambivalenz ein Schlüssel zum Verständnis von Sauls Scheitern liegt. Und es gab noch etwas anderes, was ich verstand, je mehr ich mich mit Saul beschäftigte, nämlich dass die scheinbaren Gegensätze seines Charakters und Lebensentwurfs sich nicht widersprechen, wie ich anfangs gedacht hatte. Ich begriff, dass sie zusammengehören wie die verschiedenen Teile eines Puzzles, die uns verwirren, solange wir sie getrennt voneinander betrachten, jedoch geordnet und ineinandergefügt ein vollkommenes, in sich stimmiges Bild ergeben. Ambivalenz ist offenbar, und das mag paradox klingen, gar nicht so ambivalent, wie sie aussieht, sondern im Grunde sehr »effektiv« und zielgerichtet. So paradox es auch erscheinen mag, das Ziel, um das es hier geht, heißt nämlich Selbstsabotage. Zu verstehen, wie gegensätzlich erscheinende Charakterzüge sich eben nicht widersprechen, sondern sich zueinander verhalten wie die zwei Seiten einer Münze und sehr zielgerichtet wirksam sind, half mir an einem Punkt in meinem Leben, mich selbst besser zu verstehen.

Die Geschichte Sauls berührt mich sicherlich deshalb so sehr, weil ich mich in ihr wiedererkenne und sie in mir das Empfinden hervorruft, dass sie uns etwas über unser Menschsein, über dessen Möglichkeiten und Gefahren zu lehren hat. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich, wenn Sie die Lebensgeschichte Sauls studieren. So wie ich werden auch Sie sich vielleicht in Sauls Regungen, seinen (Über-)Lebensstrategien, seinen Eigenschaften und Eigenarten wiedererkennen und dabei Rückschlüsse auf Ihr eigenes Leben ziehen können. Der Blick auf König Saul als einen Menschen wie Sie und ich mit ähnlichen Empfindungen, Regungen und Ambitionen ermöglicht es uns, uns selbst in unserem Menschsein besser zu verstehen und darüber hinaus Wichtiges für unsere eigene Lebensgestaltung zu lernen.

Sauls Geschichte kann uns aber auch lehren, wie sich unsere Gesinnung und unser Charakter verändern müssen, damit wir lernen, uns nicht selbst zu begrenzen und zu beschneiden, sondern in die Weite zu gelangen. Wir können aus dieser so wichtigen Geschichte des Alten Testaments lernen, um dann den Platz im Leben einzunehmen, den Gott uns zugewiesen hat, um die Männer und Frauen zu werden und zu sein, die wir sein sollen, und um unser Ziel zu erreichen. Gott kennt unsere Grenzen und überfordert uns nicht mit Zielen, die unerreichbar sind. Aber er hat uns auch nicht zu Rückzug, ängstlichem Zögern oder Scheitern berufen, sondern dazu, Widerstände zu überwinden, wo immer sie sich uns entgegenstellen – und sei es in uns selbst. »Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit« (2. Timotheus 1,7).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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