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Am Anfang war ein Gerücht. Als Tomer Gardi erfährt, dass das neue Museum in seinem Kibbuz mit den Steinen eines 1948 zerstörten palästinensischen Dorfes errichtet worden sein soll, kann er es zunächst nicht glauben. Wie kann es sein, dass niemand davon weiß, niemand darüber spricht? Wer lebte dort in Hounin? Wo sind diese Menschen und ihre Nachfahren heute? Und wie konnte deren Schicksal so gründlich verdrängt werden? Tomer Gardi sucht Antworten. Er durchforstet die israelischen Archive, stellt die Menschen im Kibbuz zur Rede. Bewusst rennt er gegen die Mauern des kollektiven Schweigens und Vergessens an und hält seine Recherchen und Eindrücke fest. Entstanden ist eine ganz eigene Form der Annäherung an die Geschichte, ein Spiel mit den Grenzen zwischen Essay, Reportage und Prosa und ein eindrückliches Zeugnis von zivilem Ungehorsam. Das Museum des Kibbuz Dan im Norden Israels wurde aus den Steinen eines zerstörten palästinensischen Dorfes erbaut. Auf der Suche nach den Hintergründen stößt der Autor auf Verdrängung, Zensur und die Mechanismen konstruierter Geschichte.
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Seitenzahl: 354
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Tomer Gardi
Stein, Papier
Tomer Gardi
Eine Spurensuchein Galiläa
Literarischer Essay
Aus dem Hebräischenvon Markus Lemke
Die Übersetzung aus dem Hebräischenwurde finanziell unterstützt von derGeorges und Jenny Bloch Stiftung, Kilchberg.
Die Originalausgabe ist 2011 unter dem TitelEven nejjar (Stone, Paper) bei HakibbutzHameuchad erschienen.
© 2011 Hakibbutz Hameuchad Publishing House Ltd., Tel Aviv
© 2013 Rotpunktverlag, Zürich(für die deutschsprachige Ausgabe)
www.rotpunktverlag.ch
Umschlagfoto: Julia Tokarev
ISBN 978-3-85869-578-9
1. Auflage
Kapitel
Der Orden
Ausladendes grünes Blattwerk
XXX
Schmetterlingssteak
Es war einmal
Allgemeinheitssphäre
Die Eroberer der Sümpfe
Zeichen
*
Anhang
Nachwort des Übersetzers
Dokumentenverweise
Glossar
Ich erinnere mich nicht mehr, wann genau und warum. Was mir aber wichtig ist. Ich versuche es. Versuche es immer wieder. Versuche und scheitere. Finde die Aufzeichnungen zu jenem Augenblick einfach nicht wieder. Das liegt Jahre zurück. Wann genau war das? Und wie kam es, dass wir plötzlich wie aus heiterem Himmel über dieses totgeschwiegene Thema sprachen? Und wieso hatten wir bis zu jenem entschwundenen Augenblick nie darüber geredet? Wie war das Gespräch mit einem Mal darauf gekommen und dann wieder verschwunden? Und wohin?
Ich erinnere mich nicht warum und auch nicht wann, aber ich erinnere mich, mit wem. Das schon. Obgleich er sich nicht mehr erinnert. Ich habe ihn gefragt. G., meinen Freund. Ich nenne ihn schon Jahre so, G., kein schlechter Name für einen Informanten, aber nicht nur in schriftlicher Form nenne ich ihn so, um etwa seine Identität außerhalb dieses Laptops zu verschleiern, sondern auch von Angesicht zu Angesicht, vor einer freundschaftlichen Umarmung, ist er G., für mich zumindest, auch wenn sein Vorname und der seiner Familie eigentlich mit R anfangen, eine lange Geschichte, egal. Auf jeden Fall war es G., der mir eines Tages und an einem Ort, an die wir uns beide wie gesagt nicht mehr erinnern – warum ist mir das überhaupt so wichtig? – davon erzählte. Das Beit Ussischkin, das Museum im Kibbuz Dan, dem Kibbuz, in dem wir beide geboren und aufgewachsen sind, ein großes Museum aus weißem, behauenem Stein, damals wie heute nicht nur Museum, sondern auch eine Art Bühne, auf der meine Mutter und seine Mutter mich und ihn als noch nicht Einjährige im Arm gehalten hatten bei der Zeremonie zum Wochenfest: Auf den Stufen des Gebäudes stellen Bauern ihre Erstlingsfrüchte aus, präsentieren Mütter der Gemeinschaft die Frucht ihres Leibes: Ram und mich, zum Beispiel, uns und noch ungefähr ein Dutzend andere Babys, Beit Ussischkin, 1974.
Zusammen sind wir im Kinderhaus des Kibbuz aufgewachsen, um sieben Jahre nach jener Zeremonie erneut aktiv teilzuhaben an einem weiteren Initiationsritus des Kibbuz, auf den Steinen eben jenes Museums, beim feierlichen Eintritt in die Kindergemeinschaft. Gestärkte weiße Hemden, zur einen Seite unsere Mütter, die Väter zur anderen, alle halten sich an den Händen und schreiten unter zwei Palmwedeln hindurch, die zu einer Art Tor in die Höhe gereckt sind, durch das wir alle hindurch müssen, ich und Ram, Jahre bevor er zu G. werden sollte, und ungefähr ein Dutzend weitere aufgeregte Kinder.
Ich werde hier jetzt nicht eine ganze Historie mithilfe dieses Museums erzählen. Eine irrwitzige Idee ohnehin, von wegen ganze Historie. Eine geradezu messianische Idee. Doch auf den Stufen eben dieses Museums habe ich immer mit G. gesessen, meistens mit dem einen oder anderen Goldstar-Bier in der Hand, einer Flasche Wodka für sechzehn Schekel und zwei Volontärinnen, die nach Israel gekommen waren, um im Kibbuz ein bisschen Spaß zu haben. Und G. hat mir erzählt, Jahre nach einer dieser süßen Nächte mit den zwei Volontärinnen auf den Steinen des Museums und von dort weiter zu einer wilden Vögelei im kibbuzeigenen Pool in einer warmen Sommernacht, also G. hat mir erzählt, dieses Museum, das Beit Ussischkin, hätten sie aus den Steinen eines arabischen Dorfes errichtet, das im Krieg zerstört worden war, damals, achtundvierzig.
Was du nicht sagst! Wirklich?
Für G. war die Geschichte nicht mehr als ein Witz. Haha. Ja, ja. Auch ich habe erst mal gelacht, damals. Doch dann – ein Dann, aus dessen geöffneter Büchse sich unendliche Myriaden ergießen sollten – nahm ich, wie Sigmund Freud, diesen Witz zunehmend ernster. Wollte ihn ergründen. Zu seinen Mechanismen vordringen. Dem Geheimnis seiner Wirkung auf die Spur kommen. Der inneren Struktur dieser Ironie. Wie eine begriffsstutzige Nervensäge oder ein Fliege tragender Wiener mit Pfeife ließ ich nicht locker. Fragte, was daran so lustig sei und warum.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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