Sterben ohne Angst - Claudia Bausewein - E-Book

Sterben ohne Angst E-Book

Claudia Bausewein

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Die Angst vor dem Sterben hat meist mit Vorstellungen von Schmerzen, Einsamkeit und Leid zu tun. Dabei kann mithilfe der modernen Palliativmedizin Sterben heute in nahezu jeder Hinsicht als friedlicher Abschied gestaltet werden. Claudia Bausewein erklärt die medizinische Dimension der Palliativversorgung und geht auf existenzielle Fragen ein, die Sterbende bedrängend erleben. Denn ein gutes Lebensende hat nicht nur mit Medikamenten zu tun.

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Seitenzahl: 134

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Über das Buch

Wie sich die letzten Tage bis Stunden vor dem Tod gestalten, hat unmittelbar mit der Betreuung zu tun, die bis dahin möglich gemacht werden konnte. Eine gute palliativmedizinische Versorgung leistet genau dies: den Bedürfnissen des Sterbenden auf allen Ebenen gerecht zu werden und seinen somatischen, psychischen und sozialen Nöten genauso zu begegnen wie spirituellen Fragen.

Claudia Bausewein entspricht mit ihrem Ansatz dem Leitmotiv von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Palliativmedizin: »Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«

Über die Autorin

Claudia Bausewein, geboren 1965, ist Lehrstuhlinhaberin für Palliativmedizin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München.

Claudia Bausewein

Sterben ohne Angst

Was Palliativmedizin leisten kann

Unter Mitarbeit von Dr. Franziska Roosen

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © 2015 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Co-Autorin: Dr. Franziska Roosen, www.roosen-online.com

Umschlag: Weiss Werkstatt München

Umschlagmotiv: © shutterstock / Kopecky76 / Nr. 217210120

ISBN 978-3-641-17243-5

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter

www.koesel.de

Allen Patienten, von denen ich so viel lernen durfte,und den Menschen, die mich auf meinem Weg begleiten

Inhalt

Wir alle sind sterblich

Mein Weg zur Palliativmedizin

Von England nach Deutschland

Was leistet die Palliativmedizin?

Gefühle ernst nehmen •Lebensqualität erhalten •Gespräche über Sorgen und Ängste ermöglichen •Familie und Freunde begleiten •»Palliativ« heißt »wunderbar geborgen«

Missverständnisse ausräumen

Nicht nur für Krebspatienten •Nicht nur Schmerztherapie •Nicht nur am Lebensende

Vom Hausarzt bis zur spezialisierten Versorgung

Allgemeine Palliativversorgung •Spezialisierte Palliativversorgung •Ein Tag auf der Palliativstation •Zusatzbezeichnung Palliativmedizin

Hospize: ambulant und stationär

Ambulante Hospizvereine •Nicht zu Hause und doch »daheim«

Mit Sterbenden reden

Jeder hat seine eigene Wahrheit

Die Frage nach dem Sinn

Spiritualität am Lebensende

Das Leben spüren

Der Sterbende: ganz im Heute •Die Angehörigen: zwischen Pflege und Trauer •Das Team: der tägliche Tod

Die letzten Schritte

Abschied von der Welt •Was Sterbenden hilft •Was Angehörigen hilft

Wie sterben?

Sterbehilfe in der Diskussion

Die Zukunft der Palliativmedizin

40 Betten für eine Million Menschen! •Thema Finanzierung: Was kostet ein Gespräch? •Facharzt für Palliativmedizin •Forschung •Schlussbetrachtung

Dank

Weiterführende Informationen

Anmerkungen

Wir alle sind sterblich

Im Jahr 2013 starben in Deutschland 893 825 Menschen, ein (vorläufiger) Höhepunkt der letzten beiden Jahrzehnte.1 Dennoch ist der Tod unserer Gesellschaft so fern wie nie zuvor. »Jeder weiß, dass das Leben irgendwann endet«, sagte Marcel Reich-Ranicki kurz vor seinem Tod mit 93 Jahren. »Aber selten machen wir uns klar, dass wir selbst es sind, die sterben werden.«

Dabei lässt allein die demografische Entwicklung hierzulande erahnen, dass uns dieses Thema in den nächsten Jahren immer stärker beschäftigen wird. Zum Alter gesellen sich Krankheiten, die – auch unabhängig vom Alter – zum Tod führen. Insbesondere die Zahl der Krebserkrankungen, in Deutschland die zweithäufigste Todesursache, nimmt deutlich zu. Jeder vierte Krebspatient ist laut Statistischem Bundesamt jünger als 65 Jahre.

Während es früher die Regel war, dass Kranke und Alte zu Hause gepflegt wurden und verstarben, ist es heute eher die Ausnahme, dass ein Erwachsener schon einmal einen Menschen hat sterben sehen oder mit einem Toten konfrontiert war. Unsere Gesellschaft versucht angestrengt, Krankheit und Tod zu vermeiden und zu bekämpfen – was ihr dank verschiedenster Faktoren wie etwa einer verbesserten Ernährungslage und einem höheren Gesundheitsbewusstsein schon recht gut zu gelingen scheint. Ebenso haben die zahlreichen Fortschritte auf dem Gebiet der Medizin dazu beigetragen, die durchschnittliche Lebenserwartung erheblich anzuheben. Vieles ist heute möglich, was vor Jahren undenkbar gewesen wäre.

Diese hauptsächlich segensreiche Entwicklung hat freilich auch ihre Kehrseite. So mehren sich die Stimmen, die beklagen, das Hauptproblem der modernen Medizin sei, nicht zu wenig, sondern zu viel zu können. Der Medizinbetrieb habe sich selbstständig gemacht, er habe aufgehört, uns zu dienen, und angefangen, uns zu beherrschen.

Das bekommen die Patienten, die Angehörigen und bisweilen auch die Palliativmediziner zu spüren. Denn über all den medizinischen Errungenschaften scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass es manchmal keine Heilung mehr geben kann und für den schwerkranken Patienten dann nicht die Genesung, sondern ein friedliches, würdevolles Sterben das Therapieziel ist. Ziel der Palliativmedizin ist es, den Patienten und seine Angehörigen auf diesem letzten Weg fürsorglich zu begleiten, körperliche Beschwerden und Symptome zu lindern und in medizinischer, psychologischer und sozialer Hinsicht unterstützend zur Seite zu stehen – das alles in der Absicht, dem Betroffenen bis zuletzt eine gute Lebensqualität zu erhalten und seine Autonomie und Menschenwürde zu wahren.

Auch die spirituelle Dimension spielt in der palliativen Begleitung eine wichtige Rolle. Eine schwere Erkrankung wirft existenzielle Fragen auf, die einen Menschen in seinem Wohlbefinden stark beeinträchtigen können. Für manchen Patienten liefert die Erkrankung erstmals einen Anlass, sich Gedanken über die eigene Person und das eigene Leben zu machen. Im besten Fall kann das Sterben – so schmerzhaft der Abschied ist – dann als Chance begriffen werden, das verbleibende Leben zu gestalten oder einen Menschen in dieser schweren, aber auch kostbaren Zeit zu begleiten. So kann die Auseinandersetzung mit dem Sterben zu einem erfüllteren Leben führen. Plakativ gesprochen heißt sterben lernen zunächst: leben lernen.

Dieses Buch möchte eine kleine Einführung in die Möglichkeiten der palliativen Versorgung von schwerkranken Menschen geben. Bis heute bestehen falsche Vorstellungen und viele Unklarheiten darüber, was genau Palliativmedizin ist. Nur gut 30 Prozent der Befragten einer repräsentativen Studie zum Thema Sterben konnten den Begriff »palliativ« richtig einordnen, etwa doppelt so viele Menschen waren in der Lage, den Begriff »Hospiz« richtig zu definieren.2 Mein Wunsch wäre es, ein breites Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Situation sterbender Menschen in Deutschland weiter verbessert werden kann und dass ein friedliches, möglichst beschwerdefreies Sterben möglich ist.

Mein Weg zur Palliativmedizin

Als ich 1984 mein Abitur machte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, Palliativmedizinerin zu werden. Von dieser Fachrichtung hatte ich noch nie etwas gehört – die erste Palliativstation Deutschlands war erst ein Jahr zuvor in Köln eröffnet worden, das erste Hospiz Deutschlands sollte zwei Jahre später in Aachen gegründet werden. Ich wollte Medizin studieren und um einen Einblick in den Krankenhausalltag zu bekommen, absolvierte ich zunächst ein freiwilliges soziales Jahr in einem großen Münchener Krankenhaus. Ich arbeitete als Pflegehelferin auf einer internistischen Station. Auf einer klassischen internistischen Station liegen viele alte und ältere Menschen, und auf einer solchen Station wird gestorben. Mit dem Tod war ich bis dahin nicht in Berührung gekommen, aber er schreckte mich nicht ab – im Gegenteil bemerkte ich alsbald, dass ich mich gerne um sterbende Menschen kümmerte. Als ich eingearbeitet war und selbstständiger handeln durfte, kümmerte ich mich vorzugsweise um diese Patienten. Hintergrund war meine Beobachtung, dass sowohl viele der Ärzte als auch der Pflegenden eine merkwürdige Art hatten, mit den Sterbenden umzugehen: Sie sahen weg oder taten so, als sei alles wie immer.

Es waren zwei Erlebnisse auf dieser Station, die mich tief erschütterten und die richtungsweisend für meinen späteren Weg sein sollten. Die eine Situation war bei der morgendlichen Pflege einer Patientin, bei der ich eine sehr engagierte und fähige, aber wenig einfühlsame Krankenschwester begleitete. Wie bei allen Zimmern, stieß die Krankenschwester auch beim dritten oder vierten Zimmer die Türe geräuschvoll auf, schaltete die grelle Deckenbeleuchtung ein, riss die Vorhänge auf und rief mit lauter Stimme: »Na, wie geht es uns denn heute?« Dass im Bett eine sterbende Patientin lag, wusste die Krankenschwester – und dennoch ging sie mit keinem Wort, keiner Geste auf deren besondere Situation ein.

Ebenso erinnere ich mich an einen älteren Patienten mit Prostatakarzinom, der Knochenmetastasen hatte und jedes Mal vor Schmerzen schrie, wenn wir ihn beim Waschen drehten. Die damalige Schmerztherapie war aus heutiger Sicht katastrophal: Während heute Schmerzmittel regelmäßig nach einem festen Zeitschema verabreicht werden, um möglichst zu verhindern, dass die Schmerzen wieder auftreten können, wurden die Schmerzmittel damals nur bei Bedarf gegeben, und oftmals waren es Medikamente, die – wie man heute weiß – nicht besonders gut wirkten. Ich habe das Bild dieses Mannes mit dem schmerzverzerrten Gesicht noch heute vor Augen. Ich litt mit diesem bedauernswerten Menschen mit.

Diese und weitere Erfahrungen führten zunächst dazu, dass ich mein Vorhaben, Medizin zu studieren, aufgeben wollte: »Ein solches System kann und will ich nicht mittragen«, war mein Gedanke. Ich hatte aber das Glück, auf der Station zwei Ärzte kennenzulernen, die mir vieles zeigten und mich für die (Möglichkeiten der) Medizin so begeisterten, dass ich mich zu guter Letzt doch zum Medizinstudium entschloss. Die Begegnungen und Eindrücke mit Sterbenden aus der Zeit meines sozialen Jahrs haben mich jedoch nicht mehr losgelassen. So fing ich an, mich neben meinem Studium mit dem Thema Sterben und Tod zu beschäftigen. Ich las die Bücher der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross, die als Begründerin der Sterbeforschung gilt, und machte die Bekanntschaft des Münchner Jesuiten und Dokumentarfilmers Reinhold Iblacker SJ, der für seinen Film »Noch 16 Tage – eine Sterbeklinik in London« (1972), den er über das St. Christopher’s Hospice von Cicely Saunders in England gedreht hatte, den Adolf-Grimme-Preis bekam. Bis heute gilt diese Dokumentation als Meilenstein, weil sie erstmals Sterbende ins Rampenlicht und damit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte. Der Film beschreibt das Leben in dem Londoner Hospiz und die Art der außergewöhnlichen Betreuung, die den Sterbenden dort zuteilwird. 16 Tage war damals die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in St. Christopher’s, bis die Patienten verstarben. Aufgerüttelt und betroffen durch seine Erlebnisse in London machte es sich Reinhold Iblacker zur Aufgabe, die Hospizbewegung in Deutschland mit auf den Weg zu bringen. So wurde er 1985 auch Mitbegründer des Christophorus Hospiz Vereins in München, dem ältesten deutschen Hospizverein.

Von England nach Deutschland

Hospizarbeit und Palliativmedizin lagen in Deutschland also noch in der Wiege, als ich mit meinem Studium anfing. Die Vorreiterstellung nahm England ein, angeführt von der Ärztin Dr. Cicely Saunders, einer ehemaligen Krankenschwester und Sozialarbeiterin, die bereits 1967 im Südosten Londons das erste moderne Hospiz eröffnet hatte und bis zu ihrem Tod eine Schlüsselfigur der Hospizbewegung bleiben sollte.

Ich habe das Glück gehabt, Cicely Saunders mehrfach treffen zu dürfen. Zustande kam der Kontakt über Reinhold Iblacker, der ein erstes Treffen Ende der 1980er-Jahre anbahnte. 2003 hatte ich wieder Kontakt zu ihr, als ich den Cicely Saunders Prize für meine Masterarbeit am King’s College London bekam. 2005 erhielt ich ein Stipendium ihrer Stiftung, die Forschung in der Palliativmedizin fördert. Da lag sie schon mit ihrer Tumorerkrankung in ihrem eigenen Hospiz.

Ich habe sie als inspirierende, entschiedene, sehr beeindruckende und lebensfrohe Frau in Erinnerung, die von einer besonderen Aura und Ausstrahlung umgeben war. Sie hat ihr ganzes Leben der Verbesserung der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden gewidmet und unermüdlich Menschen für ihre Ideen begeistert und Gelder und Ressourcen freigemacht, damit sich in der Betreuung dieser Menschen auch wirklich etwas veränderte. Selbst als sie bereits schwer erkrankt war, zeigte sie sich noch interessiert an unserer Arbeit wie überhaupt an ihrem großen Lebensthema, und fragte detailliert nach. Kurz vor ihrem Tod durfte ich sie nochmals besuchen. Als ich bei ihr saß, am späten Nachmittag, hatte sie trotz der regelmäßigen Einnahme von Schmerzmedikamenten vorübergehend leichte Schmerzen, verursacht durch Knochenmetastasen. Pünktlich um 17 Uhr kam die Schwester in ihr Zimmer und brachte ihr ein Gläschen Whiskey, was Dame Cicely in ihrer trockenen Art mit den Worten kommentierte: »It’s still the best pain killer.«

In ihrem St. Christopher’s Hospice kamen unheilbar kranke und sterbende Menschen in den Genuss einer spezialisierten medizinischen Behandlung, die durch eine pflegerische Betreuung mit emotionaler, spiritueller und sozialer Unterstützung ergänzt wurde. Cicely Saunders formulierte ihr Ziel so: »Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.« Von einer solchen Fürsorge konnten hierzulande damals viele Sterbende nur träumen. In den 1970er-Jahren starben immer mehr Menschen im Krankenhaus, sie starben also nicht mehr zu Hause, aber noch nicht im Hospiz. Die heutigen Strukturen mit stationärer oder ambulanter Palliativversorgung gab es noch nicht. Im Krankenhaus aber waren die Sterbenden oft völlig unpassend untergebracht. Das bestätigt eine medizinisch-soziologische Arbeit aus den 1970er-Jahren, die es als Ziel des Krankenhauses herausarbeitete, Menschen zu heilen oder zumindest wieder so herzustellen, dass sie auch mit einer chronischen Erkrankung langfristig leben konnten. Soziologisch gesehen hatten Sterbende in diesem System keinen Platz.3 Und das bekamen sie zu spüren. Bei der Visite etwa konnte man Sätze hören wie: »Den Patienten in Zimmer 114 können wir überspringen, der stirbt sowieso.«

ENDE DER LESEPROBE