Sterben, Tod und Trauer in der Schule - Stephanie Witt-Loers - E-Book

Sterben, Tod und Trauer in der Schule E-Book

Stephanie Witt-Loers

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Beschreibung

Lehrer werden zu Trauerbegleitern, wenn akute Krankheits- und Sterbefälle den Schulalltag überschatten. Ihnen bietet der Band Information und Orientierung und eröffnet Handlungsmöglichkeiten. Wie trauern Kinder? Wie begleiten wir sie? Das ist auch ein Thema für die Schule, sei es dass ein Kind einen Verlust in der Familie beklagt, dass ein Mitschüler verunglückt ist oder ein Lehrer schwer krank wird. Wie kann der Klassenlehrer, wie kann das Kollegium reagieren? Welche Angebote können gemacht werden - in einem Fach, das auch für Lehrer fremd ist: Seelsorge? Der Band erörtert Grundlagen, Handlungsfelder und -möglichkeiten und entfaltet Praxisbeispiele. Mit kostenlosem Downloadmaterial. Der Titel ist auch als Schullizenz erhältlich!

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Stephanie Witt-Loers

Sterben, Tod und Trauer in der Schule

Eine Orientierungshilfe

Mit 8 Abbildungen

2., durchgesehene und aktualisierte Auflage

Vandenhoeck & Ruprecht

Für Jan und Jona

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99734-6

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

© 2016, 2009, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,Theaterstraße 13, 37073 Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S.A.www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällenbedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: Hubert & Co GmbH & Co. KG,Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen

Inhalt

Vorwort

1.Zum Entstehen des Bandes

2.Einführung

3.Kinder und Tod

4.Trauerreaktionen und Traueraufgaben bei Kindern und Jugendlichen

5.Begleitung trauernder Kinder und Jugendlicher

6.Schulorganisatorische und gestalterische Orientierungshilfen im Notfall

7.Beispiele möglicher Trauersituationen an der Schule

8.Erfahrungen im Umgang mit Trauer an der Schule

9.Materialien und Beispiele: Trauern um J.

10.Schlussgedanke

11.Verfügbare Materialien für den Unterricht und die Gestaltung des Abschieds

12.Literatur

Danksagung

Vorwort

Wo Menschen sterben, bleiben andere zurück, die zwischen Erschrecken und Trauer, Unverständnis und Wut, Ohnmacht und Tatendrank zerrissen sind.

Obwohl das Lebensfeld der Schule schon allein aufgrund des Gesetzes der großen Zahl von diesem Ereignis nicht verschont bleibt, gibt es in den zahlreichen Curricula und Vorsorgeplänen keine Strategien zum Umgang mit dem ungeliebten, aber ewig präsenten Thema Tod. So stürzt die Konfrontation mit dem Tod von Schülern, Lehrern oder Angehörigen zumeist in Hilf- und Sprachlosigkeit. Warum eigentlich, wo man doch für alle anderen Notfälle ausgefeilte Pläne bereithält und regelmäßig zu trainieren gebietet?

Der Tod führt in der Schule zu einer Rollenauflösung: Die Trauer überschwemmt alle Beteiligten gleichermaßen und macht keinen Unterschied zwischen Schülern und Lehrern. Alle sind potenziell Betroffene von Ereignissen, die sich der Lebenssehnsucht widersetzen, und das eben meistens unpassend.

Das vorliegende Buch animiert zur Beschäftigung auf vielen Ebenen: Es vermittelt kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse über Trauerprozesse bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Es zeigt auf, dass und wie in der Schule auf Todesereignisse zu reagieren ist.

Es bietet eine Menge Handwerkszeug, um in einer eher ohnmächtig machenden Situation Unsagbares auszudrücken. Und es sollte anregen, sich in Schulen an Pläne zu setzen, die den plötzlichen und unaufschiebbaren Handlungsbedarf vorausdenken.

Trauer kann man nicht verhindern, der Tod lässt sich nicht planen, aber den Umgang damit kann man gestalten.

Prof. Dr. Joachim Windolph

Theologe, Supervisor (DGSv)KatHO NRW, Abt. Köln

1. Zum Entstehen des Bandes

Es war mir ein Anliegen, diese Orientierungshilfe für Schulen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu erstellen, da ich persönlich erfahren habe, wie hilflos und unsicher wir sind, wenn wir mit diesem Themenbereich, sei es aus aktuellem Anlass (Unfalltod oder Suizid) oder durch fortschreitende Krankheiten, die zum Tod führen, konfrontiert werden.

Die eigene emotionale Betroffenheit kann uns handlungsunfähig machen und es kann uns schwer fallen, Kindern und Angehörigen in dieser Situation hilfreich und unterstützend zu begegnen.

Wenn dringender Handlungsbedarf besteht, kommen erschwerend der Zeitdruck und die kurzen Vorbereitungsphasen hinzu, bevor Schüler informiert werden müssen oder die Trauerfeier gehalten wird.

Natürlich hatte auch ich nicht mit dem plötzlichen Tod eines Kindes aus unserem eigenen Lebensumfeld gerechnet. Die Nachricht vom Unfalltod des Freundes und Klassenkameraden unseres Sohnes erschütterte mich zutiefst und ich konnte zuerst gar nicht glauben, was ich da hörte.

Die Reaktionen meiner drei Kinder auf die Mitteilung des Todes von J. und meine eigene Trauer um ihn veranlassten mich dann – vor dem Hintergrund auch meiner frühen Erfahrungen als Geschwisterkind einer leukämiekranken jüngeren Schwester, des Verlustes eines Kindes im fünften Schwangerschaftsmonat und der intensiven Begleitung eines sterbenden Jungen im Rahmen meiner Tätigkeit als Hospizhelferin –, einen Weg zu suchen, diesen Abschied von J. für alle Betroffenen so gut wie möglich hilfreich mitzugestalten und zu unterstützen.

Mir verlangte damals die sehr knappe Vorbereitungszeit für die Unterrichtstage und die Trauerfeier von J. viel Kraft und Disziplin ab und ich wäre froh gewesen, wenn ich eine Orientierungshilfe gehabt hätte, auf die ich spontan hätte aufbauen können.

Mir fehlten ein Verzeichnis von Literatur, die ich hätte verwenden können, und auch Empfehlungen für bestimmte Handlungsweisen, da mir die Situation, mit einer Gruppe von trauernden Kinder konfrontiert zu sein, fremd war und ich nur ein grobes Wissen über die Trauerreaktionen bei Kindern hatte.

Die Erfahrungen und das Engagement beim Tod von J. waren für mich Anlass, eine Ausbildung zur Kindertrauerbegleiterin am Kinderhospiz Balthasar in Olpe zu machen und die vorliegende Orientierungshilfe mit dem dort gewonnen Hintergrundwissen zu entwickeln.

Darüber hinaus konnte ich in der Trauerbegleitung angehöriger Eltern und Geschwister mit den Schwierigkeiten und Wünschen, die Eltern und Geschwister von Verstorbenen im Zusammenhang mit Sterben und Tod gegenüber der Schule haben, vertraut werden.

Weitere Erkenntnisse zu diesem Themenbereich gewann ich durch Gespräche mit Schülern, die Mitschüler oder Lehrer durch Unfalltod, Krankheit oder Suizid verloren hatten. Auch Lehrer, die mit diesen Themen konfrontiert wurden und sich oftmals plötzlich in einer Situation zurechtfinden mussten, auf die sie weder in der Ausbildung noch im persönlichen Bereich vorbereitet waren, teilten mir ihre Schwierigkeiten und Bedürfnisse im Umgang mit dem Themenkreis Sterben, Tod und Trauer an der Schule mit.

Äußerungen betroffener Eltern zeigen, wie wichtig es ist, Kinder in ihrer Trauer verstehen zu lernen.

„Wir haben erfahren, dass die Lehrer die Trauerreaktionen unseres Kindes nicht einordnen konnten. Für sie war das Kind nicht trauernd, weil es seine Trauer nicht ständig nach außen hin sichtbar gemacht hat. Schon nach zwei Wochen trafen wir auf Unverständnis, dass die Hausaufgaben nicht kontinuierlich gemacht worden seien. Unser Sohn wurde mit der Erklärung zurechtgewiesen, dass der Tod des Bruders doch nun lange genug her sei, um dem Schulgeschehen wieder korrekt zu folgen.“

„Als unser Sohn drei Monate später auf eine weiterführende Schule kam, informierten wir die Schulleitung über den Tod des Bruders und die akute Trauersituation unseres Sohnes, mit der Bitte um Weiterleitung an die Lehrer, die unseren Sohn unterrichten würden. Leider kam man unserer Bitte nicht nach. Da der Klassenlehrerin ein ihr unverständliches Verhalten unseres Sohnes auffiel und sie uns deshalb zum Gespräch bat, konnte sie die Auffälligkeiten nach unserer Erklärung besser einordnen und unseren Sohn erfolgreich unterstützen. Wir waren dieser Lehrerin für ihre Wachsamkeit sehr dankbar.“

Die vorliegende Orientierungshilfe soll eine Lücke schließen. Sie möchte sowohl den Umgang mit akuten Trauersituationen als auch den Abschied bei längerfristig absehbarem Sterben durch Krankheit in der Schule erleichtern. Sie kann Handlungsweisungen geben und sie soll bei der Entwicklung individueller Trauerverarbeitung unterstützen. Sie möchte auch Mut machen, eigene Wege zu gehen.

Vorab sind einige grundlegende Haltungen zu erörtern, die für Verständnis und Umgang mit den Themen Sterben, Tod und Trauer im Bereich Schule hilfreich sein können.

Außerdem sollen Todeskonzepte, Trauerkonzepte, Trauerreaktionen und Aufgaben bei Kindern und Jugendlichen vorgestellt werden.

Anschließend werden schulorganisatorische und gestalterische Hilfen für den Notfall und darüber hinaus gegeben.

Am Beispiel des plötzlichen Unfalltods eines Schülers der ersten Klasse möchte ich meine eigenen Erfahrungen zum Umgang mit Trauer an der Schule vorstellen.

Ein Verzeichnis von entsprechender Literatur, Musikstücken, Filmen, Theaterstücken, Internetadressen und Kontaktstellen soll die Orientierungshilfe vervollständigen.

Zur Neuauflage des Bandes

Während ich an der Überarbeitung dieser Neuauflage saß, ereignete sich der furchtbare Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen, bei dem unter anderem 16 Schüler und zwei Lehrerinnen ums Leben kamen. Die schnelle und professionelle Unterstützung durch Notfallseelsorger, die weitgehende Rücksichtnahme der Medien, die große öffentliche Anteilnahme, der offene und ehrliche Umgang des Schulleiters mit der Situation, das Mitgefühl und zugleich der sachliche Umgang mit für die Angehörigen wertvollen Informationen der Lufthansaführung haben den ersten Umgang mit diesem schrecklichen Ereignis auch in der Schule erleichtert. Dieser Umgang mit Angehörigen und Freunden der plötzlich verstorbenen Schüler ist für mich neben anderen gesellschaftlichen Veränderungen, die ich in den letzten Jahren wahrnehmen konnte, ein weiteres deutliches Signal dafür, dass sich seit dem ersten Erscheinen des Buchs 2009 soziokulturell zu diesem Themenkomplex einiges in eine positive Richtung gewandelt hat. Ich würde mir wünschen, dass sich diese Entwicklung allgemein und im Besonderen auch in unserer Schulkultur fortsetzen würde, denn immer noch gibt es hier wesentliche Lücken sowie einen verbesserungswürdigen Umgang mit den Lebensthemen Sterben, Tod und Trauer.

Der schreckliche Flugzeugabsturz oder der Amoklauf in Winnenden haben gezeigt, wie schnell das System Schule von Tod und Trauer betroffen sein kann. Diese Ereignisse haben vielleicht noch mehr Menschen bewusst gemacht, dass Angehörige, die nicht im Kollektiv betroffen sind, nach dem Tod eines nahestehenden Menschen ebenso breite Unterstützung und Anerkennung ihres schmerzlichen Verlustes in ihrem Lebensumfeld erfahren müssen. Es ist mir nach wie vor ein großes Anliegen, dass in der Schule mehr Sensibilität für einzelne trauernde Schüler und Lehrer entwickelt werden muss und dass die präventive Beschäftigung mit den Lebensthemen Sterben, Tod und Trauer selbstverständlich in den Schulalltag integriert sein sollte. Das würde den Umgang in akuten Situationen erleichtern, denn diese Themen werden uns in der Schule wie in anderen Lebensbereichen immer wieder betreffen – auch ohne ein solch tragisches Geschehen wie den Absturz der Germanwings-Maschine.

Eine Auswahl an Fortbildungsmöglichkeiten und präventiven Angeboten für Schulen und Lehrer finden sich im Anhang. In meinem Institut Dellanima und dem Kooperationsprojekt Leben mit dem Tod bieten mein Team und ich qualifizierte Einzelbegleitungen, Gruppen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Familienbegleitung, Fortbildungen und Vorträge für Lehrer, andere Berufsgruppen und für Betroffene sowie präventive und akute Unterstützung für Kindergärten und Schulen.

Gerne können Sie mit mir Kontakt aufnehmen:Stephanie Witt-Loers – Institut DellanimaTrauerbegleitung, Fortbildungen, VorträgeTelefon: 02204–48 17 096E-Mail: [email protected]: www.dellanima.de

Ich freue mich darauf von Ihnen zu hören und wünsche Ihnen eine erfüllte Lebenszeit.

Ihre Stephanie Witt-Loers

2. Einführung

2.1. Trauer betrifft alle Menschen, auch in der Schule

Die Themen Sterben, Tod und Trauer betreffen jeden von uns. Auch Kinder erleben Abschieds- und Verlustsituationen. Das können ein Umzug, die zeitweilige Trennung von Bezugspersonen, die Scheidung der Eltern, der Verlust von Spielzeugen, der Verlust von Freundschaft, der Tod eines Haustieres, der Tod eines Elternteils, eines Geschwisters, eines Mitschülers, der Tod von Großeltern oder anderen Personen ihres Lebensraumes sein.

Die Schule ist neben der Familie ein für Kinder ganz bedeutender Lebensbereich. Hier verbringen Kinder einen großen Zeitraum ihres Lebens und ihrer persönlichen Entwicklung. Daher wäre es wünschenswert, wenn sie gerade auch in der Schule Menschen finden, die bereit sind, ihnen in ihrer Trauer zu begegnen, sie zu unterstützen und zu begleiten.

2.2. Kindern darf Trauer zugemutet werden

Die Sorge und früher oft vertretene Meinung, dass die kindliche Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer Ängste bei den Kindern verstärken würde, hat man nach wissenschaftlichen Forschungen revidiert. Die gut gemeinte Schonung, Rücksichtnahme und der Versuch, den Kindern Trauererfahrungen ersparen zu wollen, führen dazu, dass Kindern die Möglichkeiten des eigenen Begreifens und des Abschieds verwehrt bleiben. Oft entsteht sogar ein Gefühl des Ausgeschlossenseins, verbunden mit Einsamkeitsgefühlen und einem Vertrauensverlust gegenüber den Erwachsenen.

Heute ist man in der Trauerforschung der Auffassung, dass eine Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer zur geistig-seelischen Entwicklung von Kindern dazugehört.

Deshalb empfehlen Fachleute wie Barbara Monroe und Francesca Thompson, Kinder nicht vor solchen – wenn auch schmerzlichen – Erfahrungen zu bewahren, und Joachim Wittkowski stellte 1990 fest, dass ein verbessertes Faktenwissen eine Sensibilisierung für todbezogene Themen sowie ein geschärftes Problembewusstsein zur Folge hat. Auch Sven Jennessen von der Universität Oldenburg ist sicher, dass das Bewusstsein für die Endlichkeit des Lebens dazu beitragen kann, das Leben zu bejahen und eine selbstbewusste Lebenseinstellung begünstigt.

2.3. Sterben, Tod und Trauer sind heute für Kinder schwer erfahr- und begreifbar

Erschwert wird Kindern und Erwachsenen eine innere Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer dadurch, dass wir in unserer heutigen Zeit immer weniger Gelegenheit haben, Sterben und Tod zu begegnen. Aus dem alltäglichen Leben sind sie weitgehend ausgegrenzt. Menschen sterben heute nur selten zu Hause. Häufig werden ältere oder sterbende Menschen in Institutionen wie Altersheimen, Krankenhäusern oder Hospizen versorgt und das „Sterbegeschehen“ somit ausgelagert.

Zusätzlich sind viele traditionelle Riten und Bräuche in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Das gemeinschaftliche Trauern in der Familie, die Aufbahrung zu Hause, die Totenwache und die Totenklagen sind selten geworden; die schwarze Trauerkleidung, die den Trauernden früher kenntlich machte, wird nicht mehr selbstverständlich getragen. Im Gegenteil – trägt heute jemand längere Zeit Trauerkleidung, trifft dies eher auf Unverständnis.

Der Tod ist zu einem gesellschaftlichen Tabu geworden, das durch die hohe Lebenserwartung, die hohen Ansprüche an Gesundheit und Medizin und durch das in den Medien dargestellte und idealisierte Menschenbild nur verstärkt wird.

Auf der anderen Seite erleben Kinder den Tod in den Medien schon früh, aber auch sehr einseitig. Siebzig Morde täglich könnten sich Kinder im Fernsehen laut einer Studie des Nachrichtenmagazins SPIEGEL ansehen. Viele Filme und Computerspiele verharmlosen das Töten. Oft ist das wahllose, massenhafte und brutale Töten sogar Sinn des Spiels. Zeitungen, Internet und Nachrichtensendungen sind voll von Bildern, die Kriege, Katastrophen, Unfälle und Verbrechen zeigen. Möglichkeiten zur Auseinandersetzung und zur Aufarbeitung des Geschehenen und Gesehenen gibt es selten. Oft werden Kinder mit Todes-Bildern und Todes-Spielen allein und damit sich selbst überlassen. Eine innere Auseinandersetzung sowie Informationen, die einerseits dabei unterstützen, einen persönlichen Umgang, Strategien und einen individuellen Ausdruck zu entwickeln, und andererseits zu einem gesellschaftlichen wie interfamiliären Austausch zum Themenkomplex führen, fehlten bisher. Inzwischen stelle ich fest, dass die Medien sich bewusst werden, wie prägend ihr Einfluss auf den gesellschaftlichen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer ist.

Erfreulicherweise finden in den Medien neben den einseitigen Informationen auch immer mehr sachliche Informationen, gut recherchierte Themenreihen mit weiterführenden Hinweisen, zum Beispiel im Hinblick auf Internetadressen, sowie Berichte über Institutionen, die sich mit Sterben, Tod und Trauer beschäftigen, Eingang und relativieren die bisher vorherrschenden, verzerrten Bilder zu dieser Thematik.

Eine wichtige Form, sich vom Verstorbenen zu verabschieden ist die Trauerfeier oder Beerdigung. Sie ist ein Ritual, das hilft, Abschied zu nehmen, den Verlust zu begreifen und ihn als Realität anzuerkennen. Auch hiervon werden Kinder häufig ausgeschlossen. So bleibt ihnen die Möglichkeit, sich zu verabschieden und den Tod für sich zu realisieren, verwehrt und fremd. Unter anderem aus diesen Gründen ist dann die Begegnung mit Sterben, Tod und Trauer mit starken Angstgefühlen, Unsicherheit und Hilflosigkeit besetzt.

2.4. Die Bearbeitung von Sterben, Tod und Trauer in der Schule ist notwendig

Aus den oben aufgeführten Gründen lässt sich die Wichtigkeit und Notwendigkeit ableiten, Sterben, Tod und Trauer im schulischen Bereich zu bearbeiten und zu thematisieren. Viel Angst, Scham, Einsamkeit und andere leidvolle Erfahrungen könnten vermieden werden, wenn wir uns bewusster mit diesen tabuisierten Themen beschäftigen würden.