Stets zu Diensten - auch bei Herzensangelegenheiten - 6-teilige Serie - Susan Crosby - E-Book
SONDERANGEBOT

Stets zu Diensten - auch bei Herzensangelegenheiten - 6-teilige Serie E-Book

Susan Crosby

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Agentur "Stets zu Diensten" kümmert sich um Herzensangelegenheiten aller Art. Doch dass es dabei auch manchmal ordentlich knistert, damit hätte niemand gerechnet …

SAG MIR DOCH: ICH LIEBE DICH
Beinahe hätte David Falcon den größten Fehler seines Lebens gemacht und die hübsche Valerie wieder nach Hause geschickt. Bei der Jobagentur hatte er ausdrücklich eine ältere Dame angefordert. Trotzdem gibt er der jungen Mutter eine Chance - und ist begeistert: Während Valerie für perfekte Ordnung in Büro und Haushalt sorgt, bringt ihre kleine Tochter Sonnenschein in das stressige Leben des Unternehmers. Fast eine Familienidylle, aber davor schreckt David zurück. Zu groß ist seine Angst, wieder enttäuscht zu werden. Nach einem romantischen Abend mit Valerie geht er auf Distanz …

NANNY GESUCHT, LIEBE GEFUNDEN
Alles versucht die hübsche Nanny Tricia, um ihren vier kleinen, viel zu vernünftigen Schützlingen wieder Spaß am Abenteuer Leben zu geben - und verliebt sich höchst unvernünftig in deren attraktiven Vater Noah. Denn noch hält der Millionär sein Herz verschlossen …

EIN VERWEGENES SPIEL IN WEIß
Ist das sein Ernst? Einen so verwegenen Kunden wie Gideon Falcon hatte Denise in ihrer Jobagentur noch nie. Der aufregend attraktive Manager will sie zu Weihnachten als Ehefrau buchen. Und zwar so lange, bis er den Vertrag für ein Berghotel in Nevada in der Tasche hat! Erst will Denise ablehnen. Nur weil der Auftrag unwiderstehlich lukrativ ist, sagt sie Ja - und geht das wohl größte Wagnis ihres Lebens ein. Denn sie ahnt nicht, dass sich das Hotel als kuschelig verschneites Idyll entpuppt, in dem sie mit Gideon das glückliche Paar mimen muss - zärtliche Küsse inklusive …

BLEIB DOCH FÜR IMMER!
Von starken Händen behütet sein, das wäre das Richtige für Becca. Das finden zumindest ihre großen Brüder und arrangieren - sehr zu ihrem Unmut! - pausenlos Dates mit Heiratskandidaten. Allmählich sieht die hübsche Geschäftsfrau nur noch eine kleine Lüge als Ausweg: Sie mietet sich einfach einen Ehemann. Eine super Idee - theoretisch. Sagenhaft attraktiv und charmant, passt Gavin Callahan perfekt in die Rolle des Ehemanns. Doch so perfekt, dass Becca bald den Tag fürchtet, an dem Gavin so plötzlich wieder aus ihrem Leben verschwindet, wie er darin aufgetaucht ist …

EINE SÜßE VERSUCHUNG FÜR MARCY
Ich soll auf ein komplett leeres Haus aufpassen? Einen solchen Auftrag hatte Marcy noch nie. Aber da es momentan ihr einziges Jobangebot ist, sagt sie zu. Selbst wenn ihr das Haus nicht ganz geheuer ist … Eric Sheridan, der Besitzer des Anwesens, soll ein knochentrockener Mathematikprofessor sein. Was kann hier also großartig passieren? Marcy wähnt sich in Sicherheit. Doch eines Nachts steht er plötzlich vor ihr - Eric Sheridan. So hatte sie ihn sich nicht vorgestellt: Stark und groß wie ein Footballspieler - und die Versuchung in Person …

EIN BOSS ZUM TRÄUMEN
Weihnachten steht vor der Tür, doch der alleinerziehenden Shana ist nicht nach Feiern zumute. Wie soll sie ihrem Kind mit ihren bescheidenen Mitteln bloß ein schönes Fest bereiten? Da erweist sich der attraktive Landon Kincaid als Retter. Dankbar nimmt Shana den Job als seine Haushälterin an. Doch sie wohnt noch nicht auf seinem Anwesen, da tauchen schon erste Gerüchte über ihre vermeintliche Affäre mit dem unwiderstehlichen Kincaid auf. Shana ist empört! Schlimmer als diese Lügen ist nur eins: das heimliche und völlig überwältigende Verlangen, das ihr neuer Boss in ihr weckt!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1208

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Susan Crosby

Stets zu Diensten - auch bei Herzensangelegenheiten - 6-teilige Serie

Susan Crosby

Sag mir doch: Ich liebe dich

IMPRESSUM

BIANCA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2008 by Susan Bova-Crosby Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCABand 1728 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Kerstin Kern

Fotos: gettyimages

Veröffentlicht im ePub Format im 02/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-298-4

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

David Falcon lehnte sich seufzend zurück, als eine Frau auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz nahm.

„Nun?“, fragte sie.

„Was soll ich dazu sagen? Gerade eben habe ich das zwölfte Vorstellungsgespräch innerhalb von zwei Tagen geführt. Ich habe gehofft, jemanden zu finden, der meinen Anforderungen entspricht, aber da habe ich mich wohl getäuscht.“ Stirnrunzelnd betrachtete er Denise Watson, die Leiterin von „At Your Service“, einer namhaften Agentur für Haushalts- und Bürokräfte, welche von vielen Kunden „unsere Hausfeen“ genannt wurden. Sie saßen im Konferenzzimmer.

„Worauf könnten Sie denn zur Not verzichten?“, fragte Denise.

In der letzten Zeit – genau genommen in den letzten drei Jahren – hatte er auf so manches verzichten müssen. Er hatte genug davon. „Sie haben doch weitere Bewerberinnen, oder?“, fragte er.

„Eine noch.“

„Das waren alle?“

„Alle aus meiner Kartei. Sie haben ja darauf hingewiesen, dass Sie ganz bestimmte Anforderungen stellen. Ich würde gern eine Anzeige für Sie schalten und eine Vorauswahl treffen.“

„Was halten Sie von der verbleibenden Bewerberin?“

Denise legte einen Ordner auf den Tisch hin und lächelte. „Ich habe gelernt, für Kunden keine Voraussagen zu treffen.“

David erwiderte ihr Lächeln. „Bitte schicken Sie sie herein.“ Er überflog den Lebenslauf der Bewerberin: Zehn Jahre Erfahrung als Hausangestellte und sieben im Bürobereich. Wie alt war sie wohl? Vielleicht zwischen Mitte dreißig bis vierzig? Ihm waren die Hände gebunden, da es zu viele Fragen gab, die er von Gesetzes wegen nicht stellen durfte, und so konnte er sich nur auf seine Intuition verlassen. Er selbst war neunundzwanzig. Sie musste älter sein, das war überaus wichtig.

„Valerie Sinclair, guten Tag.“ Er vernahm eine Stimme, leise und dennoch gelassen, und blickte auf. Entweder hatte sie sich über die Jahre erstaunlich gut gehalten, oder sie hatte ihre Berufserfahrung sehr großzügig bemessen, denn sie sah keinen Tag älter aus als fünfundzwanzig.

Sie trug ein Kleid und eine Kostümjacke, die für diesen Anlass viel zu formell und für einen heißen Augusttag in Sacramento unpassend waren, so als ob sie versuchte, älter auszusehen. Ihr Haar war von einem glänzenden, satten Kastanienbraun und zu einer Art Dutt hochgesteckt, wodurch sie aber ihr junges Alter nicht verbergen konnte. Ihr Blick aus haselnussbraunen Augen war offen und ehrlich. Sie trug keine Ringe an ihren schlanken Fingern. Ihre Fingernägel waren kurz, sauber und unlackiert.

„David Falcon. Nehmen Sie doch bitte Platz“, begrüßte er sie und überlegte, weshalb die Prüfung ihrer Angaben durch „At Your Service“ ohne Beanstandungen verlaufen war. Sie musste gelogen haben …

Zum Teufel mit dem Gesetz. Wenn sie mit Lügen über ihre Berufserfahrung durchgekommen war, dann konnte er auch die Fragen stellen, die er stellen wollte. „Wie alt sind Sie, Miss Sinclair?“

Sie erstarrte. „Sechsundzwanzig.“

„Wie kommt es, dass Sie über siebzehn Jahre Berufserfahrung verfügen? Haben Sie mit neun angefangen zu arbeiten?“

„Eigentlich mit acht. Natürlich war das nicht legal, aber meine Mutter arbeitete seit meinem fünften Lebensjahr als Haushälterin für eine Familie in Palm Springs. Mir wurden schon früh Arbeiten übertragen.“

„Zum Beispiel?“

„Anfangs Staub wischen und fegen. Neue Aufgaben kamen in dem Maße hinzu, wie ich sie bewältigen konnte.“

„Ihre Mutter hat zugelassen, dass Sie so ausgenutzt wurden?“

„Ausgenutzt?“ Valerie lächelte. „Hatten Sie denn als Kind keine Arbeiten zu erledigen? Wir wohnten auf dem Grundstück. Es war mein Zuhause.“

David wusste nicht, was er davon halten sollte. Einerseits war hier offenbar das Gesetz gegen Kinderarbeit missachtet worden. Andererseits konnte er ihren Standpunkt gut nachvollziehen – bis zu einem gewissen Punkt. „Wurden Sie bezahlt?“

„Meine Mutter hat mir ein Taschengeld gegeben. So wie ich verstanden habe, suchen Sie eine Assistentin, die auch Ihren Haushalt führt. Ich habe mich als Hausangestellte ausgegeben, damit Sie wissen, dass ich in diesem Bereich über Erfahrung verfüge.“

David beobachtete sie. Sie strahlte Ruhe aus. Anscheinend war sie nicht leicht aus der Fassung zu bringen.

„Darf ich fragen, was Sie geschäftlich machen?“, fragte sie.

„Meinem Bruder und mir gehört Falcon Motorcars.“

„Von der Firma habe ich noch nie gehört.“

„Wir stellen Sonderanfertigungen her. Weil die meisten Kunden aus Europa kommen, habe ich in den letzten Jahren mehr Zeit unterwegs als zu Hause verbracht. Deshalb suche ich jemanden, der hier meine häuslichen und beruflichen Angelegenheiten übernimmt.“

„Denise meinte, Sie wollen, dass man bei Ihnen wohnt.“

Was er wollte, war eine Partnerschaft für den häuslichen und beruflichen Alltag – und nicht mehr. Mit einer tüchtigen und erfahrenen Frau, die in einem gewissen Alter war. „Das ist eine der Voraussetzungen. Wäre das ein Problem für Sie?“

„Überhaupt nicht.“

„In Anbetracht des Zeitunterschieds zwischen Kalifornien und Europa könnten Sie mitten in der Nacht geweckt werden, um für mich geschäftliche Dinge zu erledigen. Oder Sie würden bis Mitternacht arbeiten oder um vier Uhr morgens aufstehen müssen.“

„Kein Problem.“

„Wie gut sind Ihre Computerkenntnisse?“

„Denise hat meine Kenntnisse über fünf verschiedene Programme getestet. Die Ergebnisse sind wohl im Ordner abgelegt.“

Um ihre Geduld auf die Probe zu stellen, ließ er sie warten, bis er die Auswertung gelesen hatte. Sie blieb ruhig. „Warum haben Sie Ihren letzten Job gekündigt?“

„Wegen sexueller Belästigung.“ Die Worte kamen Valerie so leicht über die Lippen, als ob sie über einen Einkauf im Laden an der Ecke sprechen würde.

„Haben Sie Anzeige erstattet?“

Wieder huschte ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht. „Ich wurde der sexuellen Belästigung beschuldigt.“

David musterte sie aufmerksam. Warum dieser hochgeschlossene Aufzug? Unter ihrer Kleidung konnte er eine schlanke, attraktive Figur erkennen. Und mit aufgelöstem Haar und etwas Make-up würde sie richtig sexy aussehen. Wollte sie diesen Eindruck vermeiden? „Wurden Sie zu Recht beschuldigt?“

„Ganz im Gegenteil.“

David ließ die Informationen auf sich wirken. „Er hat Sie belästigt?“

Sie nickte heftig. Es war das einzige Mal, dass sie sich anmerken ließ, wie sehr ihr die Angelegenheit zu schaffen machte.

„Warum haben Sie ihn nicht angezeigt?“

„Das habe ich ja getan, aber da drehte er den Spieß um. Hören Sie, das ist für mich längst vergessen.“

„Wirklich? Ich könnte mir vorstellen, dass es Sie begleitet und Ihnen die Jobsuche erschwert hat“, sagte David.

Sie lächelte gequält.

Er verstand sie nur allzu gut. „Ich erzähle Ihnen mal, was mir in letzter Zeit passiert ist“, begann er. „Meine letzte Haushälterin hat mich bestohlen. Meine letzten vier Assistentinnen haben wegen ihrer Schwangerschaft oder Problemen mit der Kinderbetreuung aufgehört, und zwar immer genau dann, wenn sie voll eingearbeitet waren. Daher steht mein Entschluss so gut wie fest, dass ich dieses Mal eine Frau einstelle, die nicht mehr im gebärfähigen Alter ist. Sie erfüllen diese Voraussetzung nicht.“

Sie wirkte sichtlich enttäuscht, aber David durfte sich davon bei seiner Entscheidung nicht beeinflussen lassen. „So gern ich Sie auch einstellen möchte …“

Sein Handy klingelte. Er hätte es klingeln lassen, wenn sein Bruder Noah nicht dran gewesen wäre – der Einzige, bei dem David das nicht tun konnte. „Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment“, sagte er und verließ den Raum.

Valerie wartete, bis die Tür hinter David Falcon zufiel, bevor sie die Augen schloss. So gern ich Sie auch einstellen möchte. Sein Entschluss stand offenbar fest. Ihre Hände zitterten, und ihr Mund wurde trocken. Sie war mit ihrem Latein am Ende. Wenn sie diesen Job nicht bekam, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Jeden Penny ihrer mageren Ersparnisse hatte sie verbraucht, und ihr Kreditkartenlimit war ausgereizt. Wie konnte sie ihn nur dazu bringen, sie einzustellen?

Sie stand kurz davor, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren, obwohl ein Platz unter der Brücke besser als ihr bisheriges Zuhause wäre, eine Wohnanlage in einem Stadtteil, in dem Schüsse auf offener Straße keine Seltenheit waren. Durch diesen Job hätte sie ein geregeltes Einkommen und ein sicheres Heim. Für sich und …

„Entschuldigen Sie bitte“, sagte David, als er zurückkehrte. „Was ich sagen wollte: So gern ich Sie auch angesichts Ihrer Fähigkeiten einstellen möchte, es bleiben bei mir Zweifel. Sie müssen mir versichern, dass Sie nicht vorhaben, demnächst zu heiraten. Ich muss wissen, dass Sie nicht schwanger sind oder nicht vorhaben, es in naher Zukunft zu werden. Ich stelle Sie ein, damit Sie sich um mich kümmern, also um mein Haus und meine geschäftlichen Angelegenheiten.“

Valerie ballte die Fäuste. Noch war nicht alles verloren. Sag jetzt bloß nichts Falsches. Sag das Richtige. „Ich habe nicht einmal einen Freund. Heiraten ist für mich also kein Thema, und somit rechne ich auch nicht damit, schwanger zu werden. Aber ich habe eine Tochter. Sie heißt Hannah und ist acht Jahre alt.“ Valerie sah, wie Enttäuschung seinen Blick trübte. „Ich versichere Ihnen, dass sie ein ruhiges und braves Kind ist. Sie braucht nicht die Zuwendung, auf die ein Baby angewiesen ist. Sie werden ihre Anwesenheit nicht einmal bemerken.“

Valerie hatte ohnehin ihre eigenen Gründe, Hannah von ihm fernzuhalten. „Geben Sie mir doch die Chance, mich zu bewähren“, sagte sie und versuchte, nicht wie eine Bittstellerin zu wirken.

Er lehnte sich zurück, wobei er sie nie aus den Augen ließ.

Auch sie brach den Blickkontakt nicht ab. Bitte stellen Sie mich ein. Bitte.

„Versuchen wir’s für einen Monat“, sagte er schließlich.

Die Gefühle, die sie überschwemmten, waren unbeschreiblich. Es war wie ein Lichtstrahl, der ihr bisher tristes Leben erhellte. Sie brachte kein Wort heraus.

„Ich werde die Miete für Ihre derzeitige Wohnung zahlen, sodass Sie eine Bleibe haben, falls es mit uns nicht klappt.“

Keine zehn Pferde würden Valerie in diese Bruchbude zurückbringen. Sie kämpfte gegen ihre immer noch aufgewühlten Gefühle. „Das ist nicht nötig. Ich wollte mich ohnehin nach etwas Neuem umsehen.“

„Na gut. Sie werden im Cottage hinter dem Haupthaus wohnen. Es ist voll möbliert, auch die Küche ist komplett ausgestattet. Ich organisiere ein paar Umzugshelfer und Transportkisten für Ihre Sachen.“

Ein Haus für uns allein? „Meine Wohnung war beim Einzug möbliert. Ich habe nur sehr wenig zum Mitnehmen.“ Sie und Hannah waren schon so oft umgezogen, dass sie den Umzug spielend allein bewältigen würden.

„Sie machen es mir sehr leicht, Miss Sinclair.“

„Nennen Sie mich Valerie. Es ist mein Job, Ihnen das Leben zu erleichtern.“

„Wenn Sie das schaffen, dann vollbringen Sie wahre Wunder.“ Er stand zuerst auf. „Wie schnell könnten Sie anfangen?“

„Ich kann heute Abend dort sein. Wo befindet sich Ihr Haus?“

„In Chance City nahe Grass Valley. Kennen Sie die Gegend?“

„Nicht gut. Mir ist bekannt, dass sie in der Nähe der Hauptader aus der Zeit des Goldrauschs liegt.“

„Genau. Eine schöne Gegend, aber das Haus selbst ist etwas abgelegen.“

„Es macht mir nichts aus, in der Abgeschiedenheit zu leben.“ Sie würden etwa eine Stunde nördlich von Sacramento entfernt wohnen. Klare Luft, Bäume und nachts ein Sternenhimmel. Unser eigenes Heim.

„Ich schicke jemanden, der Ihnen beim Umzug hilft.“

„Ich komme zurecht, danke.“ Valerie lächelte und hoffte, dass er mit seinen Hilfsangeboten aufhörte. Sie wollte wirklich nicht, dass jemand aus seinem Umfeld sah, wo sie wohnte.

Der müde Ausdruck verschwand aus seinem ausgesprochen attraktiven Gesicht. Fasziniert betrachtete sie seinen hochgewachsenen, durchtrainierten Körper.

„Was auch immer der Umzug kostet, ich bezahle. Teilen Sie mir nur die Kosten mit.“

„Danke.“

„Und falls es mit uns klappt, zahle ich die Übernahmekosten an ‚At Your Service‘. Falcon Motorcars wäre dann Ihr Arbeitgeber. Auf diese Weise würden Sie Zusatzleistungen erhalten.“

Zusatzleistungen. Valerie wünschte, er würde den Raum verlassen, damit sie sich hinsetzen konnte. Ein wie von Erdbebenwellen ausgelöstes Zittern erfasste sie. Komisch, dass er nichts davon merkte.

Seit sie ohne feste Arbeit war, war sie nicht krankenversichert. „Setzen Sie den Vertrag für den neuen Job ruhig schon auf“, sagte sie.

„Sie sind sich wohl sehr sicher, dass es klappen wird.“

„Mr. Falcon, Sie werden meine Kompetenz, Zuverlässigkeit und Loyalität kennenlernen. Mir ist auch bewusst, dass ich vor einer Bewährungsprobe stehe.“

„Nennen Sie mich David.“ Er holte einen großen Umschlag aus seinem Aktenkoffer und reichte ihn ihr. „Darin befinden sich eine Anfahrtsskizze zum Haus, einige allgemeine Anweisungen, ein paar Vordrucke, die Sie ausfüllen müssen, und der Schlüssel zum Cottage, falls ich bei Ihrer Ankunft nicht da sein sollte.“ Er deutete auf die Tür. „Ich bringe Sie hinaus.“

„Ich glaube, wir müssen beide wohl mit Denise sprechen.“

„Stimmt. Ich gehe zuerst.“ Er gab ihr die Hand. „Bis später.“

„Ich danke Ihnen für die Chance“, sagte sie. Gehen Sie jetzt.

David verließ den Raum.

Valeries Knie gaben nach, und sie sank auf den Stuhl zurück.

Er steckte den Kopf zur Tür herein. „Mögen Sie Hunde?“

Sie versuchte aufzustehen. „Ja.“

„Bleiben Sie sitzen“, sagte er. Er sah sie aufmerksam an. „Geht’s Ihnen gut?“

„Ja, bestens. Mein Fuß ist an einem Stuhlbein hängen geblieben.“

„Kommt Ihre Tochter mit Hunden zurecht?“

„Sie vergöttert sie, aber einen eigenen Hund hatte sie noch nie.“

„Ich habe eine ganz liebe, betagte Hundedame, um die ich mich zusammen mit meinem Bruder und seinen vier Kindern kümmere, da ich oft nicht da bin. Jedes Mal, wenn ich ohne sie weggehe, straft sie mich mit einem vorwurfsvollen Blick. Wäre es möglich, sie bei mir wohnen zu lassen?“

„Selbstverständlich.“

„Danke.“

„Keine Ursache.“

Er ging, aber sie bewahrte Haltung, falls er noch mal wiederkam.

„Noch etwas“, sagte er. „Kann Ihre Tochter schwimmen?“

„Ja.“

„Gut. Ich habe einen Pool und wollte mir deswegen keine Sorgen um Ihre Tochter machen.“

„Sie wird sich an die Regeln halten.“

„In Ordnung.“ Dann war er wieder weg.

Valerie starrte ins Leere. Er hatte keine Ahnung, was es für sie bedeutete, diesen Job bekommen zu haben. Ihr war es egal, ob sie sieben Tage die Woche rund um die Uhr arbeiten musste, nicht genügend Schlaf bekam, einige Kilos oder ihren Verstand verlor. Na ja, ihr Verstand war ihr dann doch nicht völlig egal.

Es war ein guter Job außerhalb der Stadt. Sie würde für einen – so versicherte ihr Denise – erfolgreichen und in jeder Hinsicht korrekten Mann arbeiten. Er und Valerie müssten einen Vertrag unterzeichnen, in dem ihre Stellenbeschreibung genau dargelegt wurde. Darin stand auch, dass es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Intimitäten geben durfte. Damit konnte sie leben.

Sie wollte lediglich für ihre Tochter sorgen.

Endlich konnte sie das tun.

2. KAPITEL

„Da drüben, Mom. Siehst du den Briefkasten? Die Adresse stimmt, aber wo ist denn das Haus?“

Valerie hielt neben dem Briefkasten an. In dem Dickicht aus Ästen und Sträuchern machte sie eine Lücke aus – vermutlich war hier die Zufahrt zum Haus. Sie fuhr den Schotterweg hinauf, vorbei an wilden Eichen, duftenden Pinien und stattlichen Zedern, bis sie auf einer Lichtung ein Haus aus Glas, Holz und Stein entdeckte, das in den Himmel aufragte und in dessen Fenstern sich die Baumwipfel spiegelten.

„Toll“, bemerkte Hannah anerkennend. „Und hier wohnen wir dann?“

Valerie war nicht weniger beeindruckt. Sie hatte sich auf einiges eingestellt, aber nicht auf ein Musterhaus für die Zeitschrift „Schöner Wohnen“. „Denk dran, wir wohnen in einem Cottage auf dem Grundstück, nicht im Haupthaus.“

Da niemand aus dem Haus kam, um sie zu begrüßen, fuhr Valerie weiter und entdeckte eine Garage für vier Fahrzeuge, ein Gebäude, das wie ein Stall aussah, und das Cottage.

Das Cottage war eine kleinere Version des Haupthauses mit den gleichen großen Fenstern, aber mit Zedernholzverkleidung an den Seiten. Es verfügte über mehr Platz, als sie und Hannah jemals zuvor zur Verfügung hatten.

„Da, der Pool!“, rief Hannah. „Mom, und ein Whirlpool. Den dürfen wir auch bald benutzen, oder?“

Hannah stieg aus dem Wagen und rannte auf ein Becken zu, das sich scheinbar nahtlos in die Landschaft einfügte. Wasser sprudelte aus einem Wasserfall sowohl in das Becken als auch in den Whirlpool.

Valerie stellte ihren Wagen ab und folgte Hannah zum Pool durch einen Garten, der mangels Pflege offensichtlich verwildert war. War das Absicht, oder hatte David nur wenig Sinn für Gartenarbeit? Er konnte doch bestimmt einen Gärtner bezahlen.

Hannah kniete sich am Beckenrand hin und bespritzte Valerie mit ein paar kühlen Wassertropfen. „Gehen wir schwimmen? Mir ist sooo heiß.“

Sie hatten den Nachmittag damit verbracht, bei gefühlten fünfzig Grad im Schatten ihre Sachen zu packen, sie in ihr kleines Auto zu quetschen und die Wohnung zu reinigen. Sie brauchten ein Bad im kühlen Nass, bevor sie sich ans Auspacken machten. Außerdem schien der Herr des Hauses nicht anwesend zu sein.

„Bitte“, flehte Hannah und zog Valerie an der Hand.

„Brauchst du lange, um deinen Badeanzug rauszusuchen?“

„Ich habe ihn in die Tasche getan, die als Letztes ins Auto kam. Deinen auch, gleich als du gesagt hast, dass es einen Pool gibt.“

„Weißt du, dass du ziemlich clever bist?“ Valerie legte einen Arm um ihre Tochter, als sie zum Auto zurückkehrten.

„Klar weiß ich das.“

Sie holten die Tasche aus dem Auto und gingen dann zum Haus, um sich umzuziehen. An der Haustür klebte eine Notiz: „Willkommen. Um halb acht werde ich zu Hause sein. Das Abendessen bringe ich mit. Danach gehen wir Ihre Aufgaben im Einzelnen durch. D. F.“

Da es erst sechs Uhr war, hatten sie noch jede Menge Zeit, vorausgesetzt, sie konnte Hannah später vom Pool loseisen.

„Voll cool!“, rief Hannah, als sie das Cottage betraten.

Valerie hatte noch nie in einem solchen Haus gewohnt: Es gab einen steinernen Kamin und im hinteren Teil zwei durch ein Bad verbundene Schlafzimmer. Die modernen Möbel sahen ladenneu aus.

„Welches Schlafzimmer willst du haben?“, fragte sie ihre Tochter, aber Hannah rannte schon in eines der beiden Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

„Beeil dich, Mom!“, rief sie durch die Tür.

Valerie nahm sich kurz Zeit, um ihr neues Schlafzimmer auf sich wirken zu lassen. Insgesamt war es von einem schlichten, maskulinen Stil geprägt, was Valerie nicht sonderlich überraschte, denn David Falcon war sehr männlich.

„Fertig!“

„Fast fertig!“, rief Valerie, als sie sich ihren schwarzen, einteiligen Badeanzug, der so alt wie Hannah war, überstreifte. Der Badeanzug saß etwas locker, weil sie im letzten Jahr an Gewicht verloren hatte und ihrer Mutter zufolge nur noch aus Haut und Knochen bestand. Valerie war da anderer Meinung, hoffte aber, dass sie ihre weiblichen Rundungen zurückgewann, wenn sie sich jetzt keine Sorgen um ihre Lebenssituation mehr machen musste.

Sie spürte, dass sie hier glücklich werden und diesen Ort ihr Zuhause nennen konnten. Sie würden ihre Haustür nicht dreifach verriegeln müssen und nachts bei offenem Fenster schlafen können.

„Mo-ooom!“

Valerie rannte aus dem Bad, griff nach Hannahs Hand und sprang, ohne zu zögern, in den Pool. Als sie auftauchten, hielten sie sich immer noch an den Händen und lachten.

Heiße Tränen stiegen Valerie unbemerkt in die Augen. Nichts, aber auch gar nichts sollte diesen wunderbaren Zustand zerstören. Sie würde ihrer Tochter ihre Grenzen aufzeigen und sich bei David Falcon unentbehrlich machen. Weder in ihrer Arbeit noch in ihrem Verhalten sollte er einen Makel feststellen. Sie würde sich professionell verhalten und sich rein gar nichts zuschulden kommen lassen …

Eine halbe Stunde lang spielte und tobte Valerie mit Hannah im Wasser. Dann wollte sie aus dem Pool steigen und stützte sich mit ihren Handflächen am Beckenrand ab, doch Hannah griff nach ihren Knöcheln, um sie in den Pool zurückzuziehen. Sie lachten und scherzten miteinander.

Die lockeren Träger von Valeries Badeanzug verrutschten ein wenig. Sie entzog sich Hannahs Griff, stemmte sich keuchend am Beckenrand hoch – und blickte in die Augen eines Golden Retrievers. Und direkt hinter dem Hund stand ihr neuer Chef.

Die zugeknöpfte Valerie Sinclair hat also doch eine – sehr gute – Figur unter all der Kleidung zu bieten, dachte David und vermied den direkten Blickkontakt, als sie die Träger ihres Badeanzugs zurechtrückte, sich mit einem Handtuch bedeckte und sich ununterbrochen entschuldigte.

„Hallo, ich heiße David Falcon“, sagte er zu Hannah, die besorgt aussah.

„Ich bin Hannah. Wie heißt Ihr Hund?“

„Belle. Sie kann übrigens schwimmen.“

„Echt?“

„Von allein geht sie nicht ins Wasser, nur wenn du sie rufst und deine Hand im Wasser hin und her bewegst. Lass sie aber nicht zu dicht an dich herankommen, weil sie groß und stark ist und ziemlich scharfe Krallen hat. Wenn sie genug hat, wird sie wieder bei den Treppen aussteigen.“

„Cool!“ Hannah tauchte mit der Hand ins Wasser. „Komm her, Belle. Komm!“ Belle sah David voller Freude an und sprang ins Wasser.

Valerie stellte sich neben David und beobachtete Hannah und Belle, die im Pool im Kreis schwammen. „Es tut mir leid“, sagte sie schon wieder.

„Was tut Ihnen leid?“

„Dass ich für die Arbeit noch nicht fertig war, als Sie gekommen sind. Ich dachte, wir hätten mehr Zeit.“

„Das habe ich heute Abend auch gar nicht von Ihnen erwartet.“ Endlich sah David sie direkt an. Ein Handtuch, haselnussbraun wie ihre Augenfarbe, war um ihren Körper geschlungen, und das nasse Haar klebte an ihrem Rücken. Er hatte recht behalten: Mit offenem Haar sah Valerie tatsächlich jünger aus. „Ihre Tochter ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh sie ist, hier zu sein. Das Haus ist wunderschön.“

„Sind Sie denn schon eingezogen?“

„Wir haben unsere Sachen noch nicht einmal aus dem Wagen geholt.“

Er dachte daran, selbst eine Runde zu schwimmen, wollte aber bis später warten. Valerie würde sicherlich dafür sorgen, dass ihre Tochter ihm nicht die Quere kam, damit Berufliches und Privates strikt getrennt blieben.

Das war David recht. Er hatte nichts gegen Kinder, aber er wusste nicht genau, wie er mit ihnen umgehen sollte, selbst mit seinen Nichten und Neffen nicht.

Da er insbesondere keinen Umgang mit dem Kind einer Angestellten wollte, musste Valerie ihre Tochter aus beruflichen Angelegenheiten so weit wie möglich heraushalten.

„Ich habe eine Pizza geholt. Kommen Sie doch einfach zu meinem Haus hoch, wenn Sie fertig sind, und wir wärmen sie auf. Über die Arbeit sprechen wir danach.“

„Wir sollen beide hochkommen?“

„Ihre Tochter muss doch auch etwas essen, oder?“

„Ich kann einen Teller für sie mitnehmen.“

„Heute machen wir mal eine Ausnahme.“

Valerie nickte. Als er sich entfernte, merkte er, wie die Anspannung von ihr abfiel.

Aufgrund des erfundenen Vorwurfs der sexuellen Belästigung war sie vorsichtiger und achtete viel mehr auf ein korrektes Verhalten als die meisten anderen Menschen.

David hatte dafür Verständnis und wünschte sich ein Arbeitsverhältnis, das von Dauer war. Er würde genauso vorsichtig sein wie sie. Als er die Hälfte des Weges gegangen war, kam Belle angelaufen und schüttelte direkt neben ihm ihr nasses Fell aus.

Hannah kreischte vor Lachen, hielt sich aber dann eine Hand vor den Mund. Valerie stand wie versteinert da und wartete Davids Reaktion ab.

Er beugte sich zu Belle hinunter und umarmte sie, ohne Rücksicht auf ihr nasses Fell zu nehmen. Offensichtlich war er froh, seine Hündin zu Hause zu haben.

So viel zum Thema angemessenes Verhalten, dachte Valerie seufzend, als sie zum Haus zurückkehrten. Er hatte sie im Badeanzug erwischt, als sie kindisch herumblödelte – wie peinlich. Der Beginn ihrer beruflichen Beziehung war alles andere als vielversprechend.

„Belle ist ein toller Hund“, sagte Hannah. „Ich wusste gar nicht, dass Hunde gern schwimmen.“

„Freunde dich lieber nicht zu sehr mit ihr an. Sie gehört dir nicht.“

„Aber du hast gesagt, dass er oft nicht da ist. Belle wird bei uns wohnen, oder? Sie kann doch nicht allein in dem großen alten Haus bleiben. Dann wäre sie doch einsam.“

Valerie musste sich bei Hannahs flehendem Blick beherrschen, um nicht zu lachen.

Die beiden holten ihre Sachen aus dem Wagen, duschten und zogen sich für das erste Abendessen mit dem neuen Chef um. Sie gingen die Treppen zum Hintereingang des Hauses hoch. Durch ein Fenster konnte Valerie in die Küche sehen und freute sich, einen Arbeitsplatz mit einer so eindrucksvollen Aussicht sowohl auf den Pool als auch auf die dicht bewaldeten Hügel zu haben. Als niemand auf ihr mehrmaliges Klopfen öffnete, drehte sie schließlich den Türknauf herum und steckte den Kopf zur Tür herein. „Hallo?“

„Bin gleich da. Fühlen Sie sich wie zu Hause!“, rief David.

„Toll! Unsere alte Wohnung würde hier reinpassen“, sagte Hannah.

Die Edelstahlgeräte verliehen der Küche ein modernes Aussehen. Durch die Schränke aus Kiefernholz wirkte sie gleichzeitig rustikal. Es gab hier nichts, was das schmucklose Aussehen der Küche wohnlicher gestaltet hätte – wie Vorhänge oder Pflanzen. Hier wohnte niemand so richtig, sondern schaute nur ab und zu vorbei.

David eilte ins Zimmer, barfuß und mit Belle im Schlepptau. Er hatte Anzug und Krawatte gegen Jeans und T-Shirt getauscht. Wie alt war er wohl? Dreißig?

„Und, alles verstaut?“

„Fast. Die Sachen sind im Haus, aber noch nicht alle an ihrem Platz“, erwiderte Valerie.

„Der Herd ist vorgeheizt. Es wird also nicht allzu lange dauern. Ich hoffe, Sie mögen Peperoni.“ David schob eine große Pizza in den Ofen. „Was halten Sie vor dem Essen von einem Rundgang durchs Haus?“

„Das wäre prima.“

Das Haus war von einem maskulinen und gleichzeitig eleganten Stil geprägt.

Zweifellos war der Besitzer jemand mit einem Faible für Kunst und Farben.

Im Erdgeschoss befanden sich ein Wohnzimmer mit Kamin, ein großes Esszimmer mit einem Tisch, an dem zwölf Gäste Platz hatten, sowie ein Büro und ein Badezimmer. Im ersten Stock gab es vier Schlafzimmer, zwei Badezimmer und ein größeres Zimmer mit einem riesigen Bett und einer eindrucksvollen Aussicht. Schwere grüne Vorhänge waren an den Seiten der Fenster angebracht. Valerie fragte sich, wie oft er die Vorhänge wohl zuzog.

Wie häufig mochte er hier Frauenbesuch empfangen? Schließlich war er ein attraktiver und erfolgreicher Mann. Ob er eine feste Freundin hatte? „Ein wunderbares Zuhause. Sie haben recht viel Platz für sich“, sagte Valerie.

„Ich verbringe viel Zeit in Flugzeugen und Hotels und muss mich auch mal ausbreiten können.“

„Wie lange wohnen Sie schon in dem Haus?“

„Ich habe es vor fünf Jahren gebaut.“

„Und wie lange sind Sie immer so auf Reisen?“

„Mindestens den halben Monat. Mein älterer Bruder Noah und ich sind seit elf Jahren Eigentümer der Firma. Früher haben wir uns die Aufgaben für die Überseegebiete geteilt, aber Noahs Frau starb vor drei Jahren. Er muss sich jetzt um seine vier Kinder kümmern.“

Sie waren am Fuße der Treppe angekommen. Dort deutete David auf eines der Fotos an der Wand, auf dem ein Paar mit vier Kindern zu sehen war. „Ich kann verstehen, dass er für seine Kinder da sein muss, aber ich hoffe, dass wir uns die Arbeit eines Tages wieder teilen können. Ich suche auch nach einem Weg, um häufiger in den Staaten zu arbeiten.“

In seiner Stimme schwang Frustration – oder vielleicht Müdigkeit? – mit.

„Wie alt sind die Kinder?“, fragte Valerie.

„Er und seine Frau haben zweimal Zwillinge bekommen. Ashley und Zoe sind zwölf, Adam und Zachary neun Jahre alt. Es sind … brave Kinder.“

Valerie wunderte sich, dass er das erwähnte. Als ob es etwas Schlechtes wäre.

„Sie sagten, Noah sei Ihr ältester Bruder. Haben Sie denn weitere Brüder?“

„Einen noch, Gideon. Er ist der mittlere von uns. Wir haben verschiedene Mütter. Das da ist meine Mutter.“ Nach der Frisur der jungen Frau zu urteilen, war das Foto vermutlich vor zwanzig Jahren aufgenommen worden.

„Ihre Eltern mögen wohl Namen aus der Bibel“, sagte Valerie lächelnd.

„Mein Vater mochte sie.“

Der Mann auf dem Foto, auf das er zeigte, sah Noah am ähnlichsten, glich aber auch David ein wenig.

David wechselte das Thema: „Möchten Sie in der Küche oder auf der Terrasse essen?“

„Auf der Terrasse“, sagte Hannah schnell. „Bitte“, fügte sie hinzu, als sie Valeries durchdringenden Blick bemerkte.

„Alles klar, dann schneide ich die Pizza in Stücke. Im Kühlschrank steht ein Salat. Papierteller und Servietten befinden sich in der Schublade neben der Spüle.“

Sie setzten sich an einen Tisch auf der Terrasse mit Blick auf den gesamten Garten hinter dem Haus.

Valerie sprach David auf den Stall an und erfuhr, dass er nicht die Absicht hatte, sich demnächst ein Pferd anzuschaffen. Wegen seiner häufigen Abwesenheit würde das wohl eher ein unerfüllter Traum von ihm bleiben.

So langsam begann sie ihn zu verstehen. Er brauchte Freiraum, fühlte sich aber durch seine Arbeit eingeengt, ja, fast eingesperrt.

Als sich David nach Hannahs Schule erkundigte, fragte Valerie sich, wie wohl seine Kindheit verlaufen war und ob er mit seinen Brüdern aufgewachsen war. Als Einzelkind hatte sie sich immer Geschwister gewünscht, doch ihr Vater ließ sich von ihrer Mutter scheiden, als sie noch klein war. Seitdem hatte sie kaum Kontakt zu ihm. Soweit sie wusste, hatte sie keine Halbgeschwister.

Nach dem Essen räumte Valerie die Teller zusammen.

„Ich kümmere mich später darum“, sagte David. Er deutete auf Hannah, die unter dem Tisch an Belle gelehnt schlief. „Wir könnten noch Ihre Aufgaben durchgehen. Ich habe sie aufgeschrieben, bin gleich zurück.“

„Du bist ein guter Hund“, sagte Valerie und streichelte Belle.

David kam zurück, setzte sich neben Valerie und legte ein Blatt Papier so auf den Tisch, dass sie es beide lesen konnten. Ihre Arme berührten sich fast. Zu keiner Zeit hatte er irgendwelche Annäherungsversuche unternommen. Hatte er kein Interesse an ihr? Sie wusste, dass es so besser war, aber trotzdem spürte sie eine unerklärliche Faszination, die sie mit Gewalt unterdrückte.

Er ging die einzelnen Punkte in seiner Liste durch und erklärte ihr jede ihrer Aufgaben: Er würde sein Frühstück selbst zubereiten, aber das Abendessen sollte sie kochen. Mittags sei er selten zu Hause, und wenn er dort blieb, müssten sie sich von Fall zu Fall absprechen. Valerie und Hannah könnten den Pool und die Terrasse jederzeit nutzen, außer wenn er Gäste hatte. Dann wollte er ungestört sein, es sei denn, er hatte einen besonderen Wunsch.

Damit er und seine Frauenbesuche ungestört sein können?, fragte sich Valerie. Laut sagte sie: „Mit Haushaltsführung kenne ich mich aus. Und Hannah weiß, dass sie im Cottage bleiben muss.“

„Sie soll auf keinen Fall mitarbeiten“, sagte David bestimmt. „Auch wenn Ihre Mutter bei Ihnen anderer Meinung war – ich finde, man sollte seine Kindheit genießen. Hannah und ihre Freunde können gern den Pool benutzen, solange sie die ganze Zeit beaufsichtigt werden.“

Valerie blieb die Luft weg. „Das ist sehr großzügig von Ihnen.“

„In meiner Kindheit habe ich schwierige Zeiten durchgemacht. Das wünsche ich keinem Kind.“ Er sah sie fragend an. „Was ist mit Hannahs Vater?“

„Er gehört nicht mehr zu unserer Familie.“

Es folgte eine lange Pause. David wartete wohl darauf, dass Valerie ihm mehr erzählte, aber das hatte sie auf keinen Fall vor. Dann sagte er: „Okay, da ich noch nie mit einer Angestellten unter einem Dach gewohnt habe, müssen wir uns allmählich an die neue Situation herantasten. Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn in Ihren Augen etwas anders laufen sollte.“

„Das werde ich tun. Sie doch auch, oder?“

„Selbstverständlich. Sicher werden wir viel persönlich und am Telefon besprechen. Es gibt keinen Grund, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wir wollen ehrlich und offen zueinander sein.“

„Wie in einer Ehe“, bemerkte Valerie. Wie in einer Ehe ohne jeglichen körperlichen Kontakt, ohne Anspielungen und Witze.

„Ich nehme Sie da beim Wort“, antwortete David und lächelte kurz. „Wie in einer guten Ehe vielleicht. Aber da ich noch nie verheiratet war, habe ich auf diesem Gebiet keine Erfahrungen gesammelt.“

„Ich auch nicht.“ Valerie ließ diese Information im Raum stehen.

Er blickte auf Hannah und Belle. „Da ich ja nicht mit einem Kind gerechnet habe, müssen wir auch dafür eine Lösung finden, mit der wir alle zufrieden sind.“

„Ihre Bedürfnisse und Wünsche kommen an erster Stelle. Teilen Sie mir mit, wenn Hannah Sie stört.“

Er nickte. „Wir sprechen morgen früh weiter. Bitte kommen Sie zum Frühstück rüber; Sie hatten ja noch keine Zeit einzukaufen. Ich werde dann auf dem Weg ins Büro sein.“

„Wann möchten Sie frühstücken?“

„Um acht.“

„Gut.“ Valerie sah nach draußen. Im Garten erhellte die Beleuchtung den Pool und die Wege. „Bin ich für den Garten zuständig?“

„Ich beschäftige einen Gärtner, der sich darum kümmert.“

„Ach, tatsächlich?“ Sie hielt sich eine Hand vor den Mund. Es war ihr peinlich, dass sie das laut ausgesprochen hatte.

David grinste.

„Sie mögen wahrscheinlich verwilderte Gärten“, sagte Valerie verlegen.

„Ich habe ihm ziemlich freie Hand gelassen. Wahrscheinlich könnte der Garten viel mehr hermachen.“

„Er könnte zu einer Augenweide werden, wenn das Ihr Wunsch ist. Wäre es in Ordnung, wenn ich mit Ihrem Gärtner an einer Neugestaltung arbeite?“

„Ja, warum nicht? Ich rufe ihn an und sage ihm, dass Sie jetzt dafür zuständig sind.“

„Das wäre wundervoll, vielen Dank.“ Valerie hatte noch nie andere Menschen angeleitet. Sie weckte Hannah auf. „Zeit zum Schlafengehen, Schatz. Sag Gute Nacht zu Mr. Falcon.“

„Nacht“, murmelte Hannah müde.

„Danke für alles“, fügte Valerie hinzu, die ihr Glück immer noch nicht fassen konnte.

„Es ist erst mal nur für einen Monat, Valerie“, bemerkte er.

Sie war sich bereits so sicher, ihn zufriedenstellen zu können, dass sie die Probezeit schon vergessen hatte.

Sie nickte. „Gute Nacht.“

„Schlafen Sie beide gut. Belle, bleib hier.“

Valerie wusste, dass David sie beobachtete, als sie vorsichtig die Treppen hinuntergingen und durch den Garten zum Haus gelangten. Sie drehte sich erst am Cottage um und konnte nur seine Silhouette ausmachen. Er hatte sich nicht bewegt.

Ihr Herz begann angesichts seines fürsorglichen Verhaltens zu klopfen. Sie war es gewohnt, auf sich selbst und Hannah achtzugeben, ohne Hilfe in Anspruch zu nehmen. Obwohl David ihr Vorgesetzter war, hatte sie das Gefühl, dass er auch auf sie beide aufpasste.

Ein äußerst angenehmes Gefühl.

3. KAPITEL

Hannah schlief noch, als Valerie zum Haupthaus gehen wollte, um für David das Frühstück zuzubereiten.

Sie betrat das Zimmer ihrer Tochter und setzte sich auf ihr Bett. „Guten Morgen“, sagte sie zärtlich und strich ihrer Tochter das lange Haar aus dem Gesicht.

„Hmm.“

„Bist du wach? Ich muss dir etwas sagen.“

Hannah drehte sich auf den Rücken und linste unter halb geschlossenen Lidern hervor. „Bin wach.“

„Ich gehe nach oben, um Mr. Falcons Frühstück zu machen. Sobald er weg ist, essen wir. Bis dahin kannst du fernsehen.“

Hannah schlug die Augen nun ganz auf. „Das darf ich morgens doch nie.“

„Ab jetzt wird hier einiges anders für uns laufen. Es gibt eine Gegensprechanlage an der Haustür. Wenn du mich brauchst, drückst du die Sprechtaste und sprichst rein, ja?“ Jedenfalls nahm sie an, dass die Anlage so funktionierte.

Sie gab ihrer Tochter einen Kuss, und nachdem Hannah es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatte, öffnete Valerie die Haustür. Dort wurde sie von Belle freudig begrüßt. „Guten Morgen, Belle. Du suchst wohl Hannah?“

Hannah hüpfte vom Sofa herunter und umarmte Belle. „Mom, sie ist meinetwegen gekommen. Darf sie hierbleiben?“

„Bis ich im Haupthaus herausgefunden habe, ob sie das darf, bleibt sie erst mal hier. Lass sie aber nicht zu dir aufs Sofa.“

„Okay. Komm, Belle.“ Die beiden setzten sich auf den Fußboden vor das Sofa.

Valerie verließ das Cottage und ging den Weg zum Haupthaus hinauf. Die Küchentür war unverschlossen. David musste schon wach sein, da er ja Belle nach draußen gelassen hatte. Als sie gestern Abend den Salat aus dem Kühlschrank geholt hatte, war ihr aufgefallen, dass dort außer Würzmitteln und Eiern kaum etwas vorrätig war.

David kam in die Küche. „Guten Morgen. Wie haben Sie geschlafen?“, fragte er. In der Kakihose und dem grünen Polohemd sah er umwerfend aus. Der Grünton des Hemdes war eine Nuance heller als seine Augenfarbe. Er kam frisch aus der Dusche, und sein dunkles Haar war noch feucht. Ein leichter Duft von Aftershave umgab ihn.

„Ich habe hervorragend geschlafen. Soll ich Ihnen ein Omelett machen?“, fragte Valerie.

„Danke, ich esse nur ein paar Frühstücksflocken.“

„Ist das Ihr letztes Wort? Es sind ja Eier und Käse und …“

„Na schön, Sie haben mich überredet.“ Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Wenn Sie auch eine Tasse möchten, ich habe gerade eine Kanne gekocht. Ich wusste nicht, ob Sie Kaffee trinken.“

Valerie trank keinen Kaffee mehr, weil sie ihn sich nicht leisten konnte. „Ja, danke. Was essen Sie denn gern?“

„Ich mag Fleisch, Kartoffeln und die meisten Gemüsesorten. Ich bin kein großer Dessertliebhaber. Apfelkuchen und Schokokekse gehören zu den Ausnahmen. Und Eis.“ David lehnte sich gegen die Theke, trank einen Schluck Kaffee, während er ihr beim Zubereiten des Omeletts zusah. „Wenn Sie heute Zeit haben, dann würde ich Sie bitten, sich die Akten auf meinem Schreibtisch durchzulesen. Wir besprechen sie heute Abend. Morgen früh bin ich länger im Haus und zeige Ihnen, wo die Dateien in meinem Computer abgelegt sind.“

„Wann werden Sie wieder abreisen?“

„Am Sonntag.“

Heute war Mittwoch. David nahm also an, dass sie sich bis Sonntag mit allem vertraut gemacht haben würde. Sie würden viel Zeit miteinander verbringen – nur zu zweit …

Als Valerie bemerkte, dass er sie beim Zubereiten des Omeletts beobachtete, liefen ihre Wangen rot an.

David ging von der Küchenzeile weg und sah aus dem Fenster.

„Es ist so ruhig hier“, sagte sie zögerlich, als ob sie die Stille durchbrechen müsste. „Ich fühle mich wie im Urlaub.“

„Ich weiß, was Sie meinen. An manchen Tagen kann ich es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Und jetzt, da Belle auch hier ist, werde ich noch ungeduldiger sein.“

„Oh, fast hätte ich es vergessen! Belle ist bei Hannah im Haus. Ich hoffe, das geht in Ordnung?“

„Ja. Heute Morgen lief sie nach unten und setzte sich vor Ihre Haustür“, sagte David.

„Soll sie bei uns im Haus bleiben, wenn Sie nicht da sind?“

„Wenn Sie es nicht stört?“

„Ich glaube, meine Tochter würde einen ziemlichen Aufstand machen, wenn Belle nicht bei uns bleiben dürfte.“

„Das dachte ich mir schon“, lächelte David und trank einen weiteren Schluck Kaffee. Er hatte sich so sehr an die Stille im Haus gewöhnt, dass er nicht wusste, ob er es gut finden sollte, dass er jetzt morgens jemandem zum Reden hatte.

„Ist das genug, oder soll ich eine größere Portion machen?“, fragte Valerie.

„Ich esse das, was mir vorgesetzt wird.“ Vielleicht hätte er ihr doch nicht sagen sollen, dass er sein Frühstück meistens selbst machte. Es wäre schön, wenn Valerie ihm morgens eine warme, sättigende Mahlzeit zubereiten würde.

„Sie sehen aus, als würden Sie ins Fitnessstudio gehen …“, bemerkte Valerie plötzlich. „Ich meine … Sie sehen nicht so aus, als würden Sie zu viel essen.“ Sie brach ab und schloss die Augen. „Ich meine … ach, egal.“

David kam ihr zur Hilfe. „Dasselbe könnte ich auch über Sie sagen.“

„Ich habe eben gute Gene.“ Ihr Tonfall signalisierte, dass sie das Thema beenden wollte. Sie legte das Omelett neben den mit Butter bestrichenen Toast auf den Teller.

David nahm den Teller an sich. „Ich esse vor dem Computer, während ich ein paar E-Mails beantworte. Anschließend fahre ich weg. Wir sehen uns dann um ungefähr sechs Uhr.“

„Wann möchten Sie zu Abend essen?“

„Um sieben. Machen Sie heute nicht zu viel. Gewöhnen Sie sich erst einmal ein. Ich weiß, das Haus muss geputzt werden, aber das kann noch bis morgen warten.“

„In Ordnung.“

David glaubte ihren Worten nicht. Seinem ersten Eindruck nach zu urteilen, war ihre Arbeitsmoral vermutlich überdurchschnittlich hoch. „Ich hoffe, dass es mit uns klappt, Valerie.“

„Ich auch.“

David hatte seinen Computer zwar eingeschaltet, aber er stand am Fenster, aß sein Frühstück und beobachtete Valerie, die auf dem Weg ins Cottage war.

Sie ließ sich Zeit und sah sich um. Vielleicht dachte sie darüber nach, was mit dem Garten geschehen sollte.

Wahrscheinlich hätte er ihr in der Probezeit kein so großes Projekt anvertrauen sollen, aber was sollte schon schiefgehen, außer dass zu viel weggeschnitten werden würde?

Außerdem hätte er ihr sagen sollen, dass er keine Blumen im Garten haben wollte. Er mochte es naturbelassen, was man an seinem Pool erkennen konnte, der in den Fels integriert zu sein schien. Allerdings hatten Frauen immer ihre eigenen Ansichten über solche Dinge. Seine Mutter hatte gern im Garten gearbeitet …

Eine Stunde später fuhr David auf den Parkplatz im Industriegebiet von Roseville. In einer riesigen Metallhalle wurden Fahrzeuge montiert. Ganz rechts befanden sich sein Büro und das von Noah. David war seit seinem achtzehnten Lebensjahr Teilhaber von Falcon Motorcars, also seit dem Tod seines Vaters, der die Firma seinen drei Söhnen zu gleichen Teilen vererbt hatte. Die ersten acht Jahre hatte ihm die Arbeit Spaß gemacht. Jeder Auftrag war anders, und es gab jeden Tag eine neue Herausforderung. Seit dem Tod von Noahs Frau war sie jedoch nur noch anstrengend.

„Willkommen daheim“, begrüßte ihn Noah.

David folgte seinem älteren Bruder, der größer und muskulöser war, in dessen Büro und setzte sich auf das Ledersofa.

„Du hast also eine Haushälterin gefunden“, sagte Noah.

„Genau, und das ist auch der Grund, weshalb ich Belle nach Hause geholt habe. Valerie hat gestern angefangen.“

„Falls sie sich gut macht, kann sie doch bei mir anheuern, wenn sie die Nase voll von dir hat.“

„Behalte deine überaus großzügigen Jobangebote für dich. Ich denke, sie ist die Richtige.“

Noah hob die Augenbrauen. „Die Richtige?“

„Nicht die Richtige in dem Sinn, sondern die ideale Angestellte. Der einzige Wermutstropfen dabei ist ihre achtjährige Tochter. Wir haben eine einmonatige Probezeit vereinbart.“

„Du wirkst ziemlich locker“, bemerkte Noah.

David war überrascht. „Tatsächlich?“

Vielleicht, so überlegte er, hatte ihn allein die Vorstellung entspannt, wie sein Leben in geregelten und ruhigen Bahnen verlaufen könnte. Valerie konnte er dafür nicht verantwortlich machen, nicht nach weniger als einem Tag.

David ging in die Werkstatt. Die Mitarbeiter arbeiteten konzentriert und winkten oder nickten ihm nur kurz zu.

Die Firma stellte drei Basismodelle her: Sportcabriolets, größere viersitzige Luxuswagen und Limousinen, die genau den Wünschen der Kunden angepasst wurden. Seit die Brüder die Leitung übernommen hatten, war die Firma expandiert. Durch den neuen Auftrag des Sultans hatten sie die finanzielle Stabilität der Firma auf Jahre hin abgesichert. David könnte sich jetzt endlich zurücklehnen … wenn Noah ihn lassen würde.

In diesem Sinne war Noah ganz wie ihr Vater: Er konnte niemals einen Gang zurückschalten und sich ein potenzielles Geschäft entgehen lassen. Urlaub hatte er seit Jahren nicht mehr genommen, was vielleicht auch der Grund dafür war, dass er nicht so viel Zeit mit seinen Kindern verbringen konnte.

Dies brachte David auf die Frage, warum Hannahs Vater nicht mehr da war. Hatte er überhaupt jemals richtig zu ihnen gehört? Hatte er sie verlassen? Oder war die Beziehung zu Valerie schon vor Hannahs Geburt zu Ende gewesen?

David wollte lieber nicht an Eltern erinnert werden, die ihre Kinder verließen.

Um halb sieben hörte Valerie durch die geöffneten Küchenfenster, wie ein Auto die Zufahrt zum Haus hochfuhr.

Sie erblickte ein schnittiges, silberfarbenes Sportcabriolet. Das Sonnenlicht wurde von einer Kühlerfigur in Form eines Falken reflektiert. Eines der Garagentore öffnete sich automatisch, und David fuhr hinein. Als er ein paar Sekunden später aus der Garage kam, klopfte Valeries Herz vor Vorfreude schneller. Sie hatte heute fleißig gearbeitet und sich fast keine Pause gegönnt. Würde er mit allem, was sie erledigt hatte, einverstanden sein? Würde er es überhaupt bemerken?

Obwohl ihr der Kopf vor lauter Einzelheiten über ein völlig neues Betätigungsfeld schwirrte und das Putzen eine Knochenarbeit war, hatte sie sich heute mehrmals dabei ertappt, wie sie vor sich hin summte. Die Arbeit hatte ihr noch nie zuvor so viel Spaß gemacht.

Die Küchentür flog auf, und David kam herein. Mit den durch den Fahrtwind zerzausten Haaren wirkte er jünger – oder einfach nur sorglos.

„Wie war Ihr Tag?“, fragte Valerie.

„Produktiv. Und Ihrer?“

„Meiner auch.“

„Haben Sie Ihre Tochter für die Schule angemeldet?“

„Ja, sie fängt Montag in einer Woche an. Sie wird mit dem Bus fahren, der hier vor dem Eingang hält.“

Er sah die Post durch. „Schön.“

Valerie stand neben ihm und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Sie merkte, dass David doch nicht so locker war, wie er auf den ersten Blick gewirkt hatte. In Wirklichkeit war er höchst angespannt. „Möchten Sie einen Drink?“, fragte sie.

„Ja, gern, aber ich hole ihn mir selbst“, erwiderte er und nahm einen großen Umschlag. Dann sah er zu ihr auf. „Lassen Sie sich durch mich nicht von der Arbeit abhalten.“

Valerie lächelte. „Aber ich bin doch für Sie da.“

Er entspannte sich und legte die Post beiseite. „Wonach riecht es hier so fantastisch?“

„Nach Rippchen. Es gibt auch Kartoffelsalat, Maiskolben und Apfelkuchen.“

„Wo waren Sie mein ganzes Leben lang?“

Ich war auf der Suche nach dir. Valerie wurde von diesem Gedanken eiskalt erwischt, denn niemals würde sie zulassen, sich etwas Unerreichbares zu wünschen. Eine kluge Frau lernte aus ihren Fehlern. „Ich war irgendwo und habe genug Erfahrungen gesammelt, um Ihnen eine wertvolle Mitarbeiterin zu sein“, antwortete sie.

„Ob Sie die Akten durchgelesen haben, brauche ich wohl nicht zu fragen. Eingekauft haben Sie auch, Abendessen gemacht und das Haus geputzt, richtig?“

„Ich habe mein Pensum heute wohl übererfüllt.“

„Das können Sie laut sagen.“ David lächelte. „Wo ist Belle?“

„Oh, Entschuldigung. Sie ist bei Hannah in unserem Haus. Ich hole sie.“

Er legte die Hand auf ihren Arm, als sie an ihm vorbeiging, ließ sie aber schnell wieder los.

Ihr Herz hüpfte bei der kurzen Berührung. Solche Gefühle konnte sie überhaupt nicht gebrauchen.

„Belle kann dort bleiben, aber ich war schon erstaunt, dass sie mein Auto nicht gehört hat und angelaufen ist. Sind Sie irgendwie nervös, Valerie?“

„Ich habe Ihnen versprochen, dass Sie Hannahs Anwesenheit nicht bemerken werden, und was passiert? Sie weicht Belle nicht mehr von der Seite.“

„Ich glaube, Belle geht es genauso. Machen Sie sich keine Gedanken, das ist schon in Ordnung. Ich werde beim Schwimmen ein bisschen abschalten. Wäre es schlimm, wenn wir in einer Stunde essen?“

„Überhaupt nicht.“ Nachdem Valerie die Temperatur des Ofens heruntergedreht hatte, ging sie zum Cottage und öffnete die Haustür. Ihre Tochter saß mit Belle auf dem Sofa und sah sich einen Film an.

„Ups“, sagte Hannah, als Belle vom Sofa sprang. Beide hatten offensichtlich ein schlechtes Gewissen.

„Mr. Falcon ist zu Hause. Belle muss zu ihm, damit sie ihn begrüßen kann. Er hat sie in den letzten Jahren kaum gesehen und vermisst sie. Belle, geh zu David.“

„Kriege ich jetzt Ärger?“

„Nein. Du hast das doch nicht gewusst. Aber jetzt weißt du es.“ Valerie setzte sich neben sie. „Es ist schwer für dich, ich weiß. Du hast noch keine neuen Freunde gefunden, und ich bin so beschäftigt, dass ich mich die meiste Zeit nicht um dich kümmern kann.“

„Ist schon okay, Mom.“

Valerie strich ihrer Tochter das Haar aus dem Gesicht, schloss die Haustür hinter sich und ging zum Haupthaus. Sie warf einen Blick auf den Pool, in dem David in gleichmäßigen Zügen seine Runden schwamm, immer in dem gleichen Tempo. Sie sah wieder weg, um ihm die gewünschte Privatsphäre zu gewähren, so wie er sie ihr gestern gewährt hatte.

Dann setzte sie einen großen Topf mit Wasser für die Maiskolben auf und heizte den Grill auf der Terrasse an. Sie deckte den Tisch auf der Terrasse für eine Person und sah, wie David aus dem Becken stieg.

Valerie hielt inne. Er war hochgewachsen und schlank. Er hatte nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Muskeln. Er strahlte genug Kraft aus, um eine Frau zu tragen und sie festzuhalten …

Als er sich die Haare abtrocknete, bemerkte er ihre Blicke. Sie hätte in die Küche zurückgehen und so tun sollen, als ob sie ihn nicht beobachtet hätte, aber sie blieb wie angewurzelt stehen.

Er brach den Blickkontakt zuerst ab, schlang das Handtuch um seine Hüften und ging zu den Treppen, die zur Küche führten.

Valerie wurde rot. Dachte David jetzt, dass der Idiot recht hatte, für den sie tätig gewesen war und der sie der sexuellen Belästigung beschuldigt hatte? Dass sie gelogen hatte?

Sie nahm eine Reinigungsbürste und schrubbte damit den bereits sauberen Grillrost, bis David durch die Küche gegangen und die Luft rein war.

Würde er die Sache ansprechen? Hatte sie ihre Zukunft mit ihm bereits verspielt?

Das Warten auf Antworten begann.

David stand unter der Dusche und musste daran denken, wie Valerie ihn beobachtet hatte. Wäre sie nicht seine Angestellte gewesen, hätte ihm das geschmeichelt. Sie war eine attraktive Frau, ruhig und sexy zugleich – eine seltene Kombination. Aber sie arbeitete für ihn, also was tun? Über den Vorfall hinwegsehen oder sie darauf ansprechen, bevor die Situation für sie beide unangenehm oder sogar untragbar wurde?

Aber vielleicht hatte sie ihn gar nicht beobachtet, denn schließlich stand sie gute sieben Meter von ihm entfernt. Es war doch immerhin denkbar, dass sein Ego überreagiert hatte – sein Körper hatte es auf jeden Fall: David hatte sich das Handtuch um die Hüften geschlungen und war schnell ins Schlafzimmer verschwunden, damit Valerie nicht sah, welche Wirkung ihre Blicke auf ihn gehabt hatten.

Er brauchte dringend eine Verabredung mit einer Frau, wenn es genügt hatte, dass Valerie ihn nur ein paar Sekunden lang anstarrte …

Als er aus der Dusche kam, hatte er immer noch keine Antwort auf seine Frage. Was sollte er tun?

Das Telefon klingelte.

„David? Hier ist Denise Watson. Ich wollte nur mal hören, wie Valerie sich bei Ihnen macht.“

Als er die Stimme der Inhaberin von „At Your Service“ hörte, hatte er eine Entscheidung getroffen: Er wollte keine weiteren Bewerberinnen kennenlernen, sondern sein Leben in geregelte Bahnen bringen. Und möglicherweise hatte er die Situation am Pool falsch eingeschätzt. „Sie hat sich bestens eingefügt und arbeitet sehr fleißig.“

„Und wie geht es ihrer Tochter?“

„Es geht ihr soweit gut.“

„Das freut mich zu hören. Sagen Sie mir bitte Bescheid, falls etwas vorfallen sollte.“

Ihm blieb fast die Luft weg. „Das mache ich.“

Kurz darauf ging er mit Belle die Treppe hinab und betrat die Küche.

Valerie nahm keine Notiz von ihm.

„Das riecht köstlich.“

„Es ist alles fertig.“ Sie sah ihn immer noch nicht an und legte Rippchen auf einen Teller. „Ich habe den Tisch auf der Terrasse für Sie gedeckt. Wenn Sie lieber drinnen essen möchten, kann ich das Gedeck neu auflegen.“

„Danke, aber das ist gut so.“ Er nahm ihr den Teller ab. „Sie müssen mich nicht von vorn bis hinten bedienen, Valerie.“

„Okay.“ Sie streifte die Hände an der Schürze ab.

Woher hatte sie die wohl? David dachte nach, wann er das letzte Mal eine Frau gesehen hatte, die zu Hause eine Schürze trug. Sie mutete so altmodisch an. Vielleicht wollte sie ihn ja auch auf diese Weise an ihre berufliche Beziehung erinnern.

„Ist es in Ordnung, wenn ich später zurückkomme, um die Küche aufzuräumen?“

„Ja, kein Problem.“ Was sollte er sonst sagen?

Valerie hatte nicht bedacht, dass sie in jeder Hand einen Teller trug. Nun stand sie verwirrt vor der geschlossenen Tür.

„Warten Sie, ich mache Ihnen auf“, sagte David. Ihre Wangen liefen rosa an.

„Das Essen sieht lecker aus, und das Haus war seit Monaten nicht so sauber. Ich werde Ihren Arbeitstag nicht unnötig verlängern, um mit Ihnen die Akten zu besprechen. Da ich morgen nicht ins Büro muss, bitte ich Sie, morgen den ganzen Vormittag dafür einzuplanen.“

„Okay.“

Sie schlüpfte an ihm vorbei. Sein Aftershave duftete leicht nach Hickoryholz.

David schloss die Tür und ging mit seinem Teller und seinem Bier auf die Terrasse. Die Sonne war noch nicht untergegangen, hatte aber schon die Hügel am Horizont berührt.

Er nahm ein Rippchen vom Teller. Das Fleisch war so zart, dass es sich beinahe vom Knochen löste. Er war daran gewöhnt, seine Mahlzeiten allein einzunehmen, obwohl die meisten nicht so gut wie diese hier waren und er sicherlich nie Platzdeckchen und Stoffservietten verwendete. Dadurch wirkte er noch einsamer.

Er nahm seinen Teller, ging zum Geländer hinüber und aß vom Kartoffelsalat. Aus dem Cottage drang Gelächter. Lachten sie über etwas im Fernsehen, oder brachten sie sich gegenseitig zum Lachen? Belle spitzte die Ohren. Sie lachten oft zusammen.

In seinem Elternhaus wurde früher nicht viel gelacht: Seine Mutter hatte die Familie verlassen, als David elf war. Zuvor hatte sie mit seinem Vater ununterbrochen gestritten. Aus diesem Grund ging David jedem Streit aus dem Weg.

Hannah brach wieder in Gelächter aus. Vermisste sie ihren Vater, so wie David seine Mutter vermisste? Hannah schien sich gut daran gewöhnt zu haben.

Belle stand auf und wedelte mit dem Schwanz, als sie bettelnd zu ihm hochsah.

David seufzte. „Na gut, du darfst zu Hannah.“

Die Hündin jagte davon. Nicht einmal Belle blieb bei ihm …

Damit war jetzt Schluss. Es wurde höchste Zeit, dass er wieder am Leben teilnahm. Er würde viel ausgehen, auch dann, wenn ihm der Jetlag zu schaffen machte. In seinem Leben gab es zu viel Routine und zu eng gesteckte Grenzen, zu viel Arbeit und zu wenig Zerstreuung.

David wollte sein Leben in Schwung bringen.

Valerie nahm ihren Notizblock und fuhr mit dem Stift die Notizen entlang, die sie sich gemacht hatte. „Wohin fliegen Sie am Sonntag?“

„Zuerst nach London, dann nach Rom.“

Für sie klangen die Orte exotisch, da sie nie Reisen außerhalb von Kalifornien unternommen hatte, während sie für ihn wahrscheinlich nichts Besonderes mehr waren. „Haben Sie einen Lieblingsort?“

„Tumari seit Neuestem.“

„Wo liegt das?“

„In Malaysia. Normalerweise ist es völlig egal, wohin ich reise, da ich kaum etwas anderes mache außer zu arbeiten, und dazu gehören in erster Linie Geschäftsessen.“

„Das heißt, Sie würden keinen Urlaub an den Orten machen, an denen Sie schon gewesen sind?“

„Mein Zuhause ist mein Urlaubsort. Dieses Haus ist mein ultimatives Fünf-Sterne-Hotel. Wo würden Sie denn gern Ihren Urlaub verbringen?“

Valerie erzählte ihm, dass sie gern nach Hawaii reisen würde, was er als einfach zu erreichendes Ziel einstufte. Sie konnte ihm da kaum widersprechen, ohne ihm zu erzählen, wie nah sie vor zwei Tagen an der Obdachlosigkeit vorbeigeschrammt war und wie lange es dauern würde, bis sie ihre Schulden abbezahlt hatte. David war vermutlich niemals arm gewesen. „Ich spare mein Geld. Vielleicht zu Hannahs High-School-Abschluss.“

David schien noch etwas erwidern zu wollen, blickte dann aber auf seinen Monitor. „Hier haben wir eine Aufschlüsselung nach potenziellen und bestehenden Kunden. Wie gut können Sie mit Tabellenkalkulationsprogrammen umgehen?“

„Ich habe nur Kurse dazu besucht, aber noch keine praktische Erfahrung.“

„Die Informationen liegen in unterschiedlicher Form vor. Die Daten müssen extrahiert und in separate Tabellen importiert werden. Ich möchte wissen, ob irgendwo die Zahl der potenziellen Kunden so groß ist, dass sich die Einstellung eines Außendienstvertreters für dieses Gebiet rentieren würde.“

David zeigte ihr, wie sie die Daten übertragen musste.

Valerie machte sich Notizen. Vielleicht war es gar nicht so schwer, wie sie dachte. Das Internet würde ihr eine Hilfe sein. „Möchten Sie, dass ich das jetzt erledige?“

„Es ist fast Mittag. Machen Sie doch eine Stunde Pause, und verbringen Sie die Zeit mit Ihrer Tochter. Ich fahre für ein paar Stunden weg und esse unterwegs etwas.“

„In Ordnung.“

„Gute Arbeit, Valerie. Sie haben eine schnelle Auffassungsgabe.“

„Und Sie sind ein geduldiger Lehrer.“

„Tatsächlich? Ich bin nicht gerade für meine Geduld bekannt. Bis später dann.“

David bog um die Ecke … und kehrte kurz darauf wieder zurück.

„Wir müssen uns mal über Ihre Arbeitszeit unterhalten. Sie haben ja ein Anrecht auf freie Tage. In diesem Job arbeitet man in einer Woche sechzig und in der nächsten zwanzig Stunden.“

„Machen Sie sich im Moment darüber keine Sorgen. Ich werde erst mal Buch über meine Stunden führen. Irgendwann würde ich gern an einem Wochenende meine Mutter in Palm Springs besuchen.“

„Das ist kein Problem.“ Dieses Mal kam er nicht zurück.

Freie Tage? Valerie lächelte und legte ihren Notizblock auf den Tisch. Ihr Gehalt war bereits großzügig bemessen; Unterkunft und Verpflegung wurden gestellt. Selbst bei einer Achtzigstundenwoche könnte sie sich nicht beklagen.

David entschied sich für das Cabriolet, um den Wind in seinen Haaren zu spüren. Er war zu lange mit Valerie im Büro eingesperrt gewesen.

Vor der Kurve schaltete er den Gang abrupt herunter. Ein Bild von Valerie hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt: Sie trug eine Hose aus Baumwolle und eine bis zum Hals zugeknöpfte Bluse. Ihre Haare waren zu einer Art Knoten geschlungen und wurden von einer Plastikspange zusammengehalten. Dadurch lag ihr langer, schlanker Hals frei, ihr Duft … duftete sie nach Pfirsichen?

Er nahm eine weitere Kurve und testete seine Grenzen und die des Cabriolets aus, während er die Gedanken an Valerie abschüttelte. Als er Minuten später einparkte, fragte er sich nicht einmal mehr, warum er hierhergekommen war, sondern nur noch, wie Laura ihn wohl empfangen würde.

David fuhr sich durch sein Haar und ging zu einem Büro im 1. Stock. „Laura Bannister, Rechtsanwältin“ stand dort in goldenen Lettern an der Tür. Laura, eine ehemalige Miss Universum-Kandidatin, hatte sich vor drei Jahren in ihrer Heimatstadt niedergelassen. Mittlerweile besaß sie neben diesem Büro ein zweites in Sacramento.

Sie war schön, sexy und klug. Da für sie die Karriere an erster Stelle kam und sie noch keine Familie gründen wollte, war sie in Davids Augen die ideale Frau für eine unverbindliche Beziehung. Vor drei Monaten hatte sie mit ihm per E-Mail Schluss gemacht.

Er wusste zwar nicht, was er sich von ihr erhoffen sollte. Ihm war nur klar, dass er etwas an seinem Privatleben ändern musste. Valerie stand bei ihm schon zu sehr im Mittelpunkt.

Er öffnete die Tür und ging hinein.

„Hallo, Fremder!“, begrüßte ihn Lauras Assistentin.

„Wie geht’s dir, Dolly?“

„Ich bekomme zu viel Gehalt und zu wenig Arbeit.“

Er lachte. „Du warst schon immer anders als die anderen.“

„Hallo, David.“

Laura stand in der Tür zu ihrem Büro. Selbst die dezente Kleidung und die Hochsteckfrisur taten ihrer Schönheit keinen Abbruch. Sie dachte wohl, dass sie so professioneller rüberkam, aber in Wirklichkeit sah sie heiß aus.

An den verschränkten Armen war erkennbar, dass sie von seinem Besuch nicht gerade begeistert war.

„Hast du eine Minute Zeit?“

„Eigentlich nicht.“

„Ach, jetzt geben Sie ihm doch eine Chance, und sprechen Sie mit ihm. Ich hole uns etwas zum Mittagessen“, ermutigte Dolly sie.

Laura seufzte. „Na schön. Komm rein.“

An den Wänden hingen Fotos von ihren Siegen bei vergangenen Schönheitswettbewerben. In einem Glaskasten waren mehrere Trophäen ausgestellt.

Ihm fiel ein Foto von Laura in ihrem Miss Universum-Bikini auf. Er hatte ihre Wahnsinnsfigur nicht vergessen. Plötzlich sah er Valerie vor sich: schlank, mit schönen Rundungen. Sie trug ihren locker sitzenden, schwarzen Einteiler.

„Was willst du, David?“

Er betrachtete den Besucherstuhl, setzte sich aber nicht hin. „Mir hat es nicht gefallen, wie wir uns getrennt hatten. Ich hätte wenigstens deine E-Mail beantworten sollen.“

„Ja, das finde ich auch; es hätte aber nichts geändert.“

„Ich weiß.“ Das hatte er auch gar nicht vor. „Außerdem möchte ich mich bei dir bedanken, dass du es so lange mit mir ausgehalten hast. Ich wollte vermeiden, dass es für uns unangenehm ist, wenn wir uns mal in der Stadt über den Weg laufen sollten.“

„Und du wartest drei Monate, um mir das zu sagen?“

„Ja. Entschuldige bitte.“

Laura entspannte sich sichtlich und runzelte nicht mehr die Stirn. „Okay.“

Er nickte und ging in Richtung Tür. „Bis dann.“ Damit war die Sache für ihn abgeschlossen.

„Ist das eine Art Spiel, David?“

Er drehte sich ihr zu, als sie auf ihn zukam. Er hatte ihren katzenhaften Gang vergessen. Sie berührte seine Brust leicht mit den Fingerspitzen. Ihr Parfum drang durch seine Poren.

„Hast du Interesse an einem letzten Abschiedstreffen?“ Ihr Tonfall und ihre Mimik ließen keinen Zweifel daran, wie das zu verstehen war. „Unsere Beziehung hat kein schönes Ende genommen.“

Ihr Angebot erschien ihm mehr als nur ein bisschen verführerisch. Er nahm ihre Hand in seine. „Ich glaube, das wäre nicht besonders klug.“

„Vielleicht nicht. Aber es wäre eine Gelegenheit, sich auszutoben. Oder tobst du dich woanders aus?“

Auch ihre freche Art hatte er vergessen. Dieser Wesenszug hatte ihm von Anfang an gefallen. Aber mittlerweile mochte er Zurückhaltung und den Duft von Pfirsichseife anstelle von Parfum lieber. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Auf Wiedersehen, Laura.“

Eine große Last fiel von seinen Schultern. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie gut sich ein Happy End anfühlte.

Bei wem hatte er noch etwas wiedergutzumachen?