Steuern - Der große Bluff - Norbert Walter-Borjans - E-Book

Steuern - Der große Bluff E-Book

Norbert Walter-Borjans

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der große Steuerbluff: wem er nutzt und wem er schadet. Steuern sind für die allermeisten ein Buch mit sieben Siegeln. Dieser mangelnde Durchblick der Vielen ist allerdings die Grundlage für enorme Profite der Wenigen – zulasten der Allgemeinheit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Daher darf das Thema Steuern nicht denen überlassen bleiben, die vorgeben, unser aller Interessen zu vertreten, die aber vor allem ihre eigenen Privilegien sichern und ausbauen wollen – so das Plädoyer von Norbert Walter-Borjans. Wer dieses kenntnisreiche und lebendig geschriebene Buch des ehemaligen NRW-Finanzministers gelesen hat, wird verstehen- warum Steuertricks und Steuerhinterziehung unsere Zukunft gefährden- warum eine gerechtere Steuerpolitik dennoch immer wieder im Sande verläuft- welchen Anteil daran die Legenden der Steuervermeidungslobby haben- wie wichtig es ist, dass sich alle angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen Kein Politiker hat in den letzten Jahren so entschieden Klartext geredet, so konsequent gegen die Seuche des Steuerbetrugs gekämpft und Steuerungerechtigkeiten angeprangert wie der ehemalige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Durch Ankauf von Daten über Steuerhinterzieher oder die gezielte Rückenstärkung erfolgreicher Steuerfahndungsbehörden hat er dem Gemeinwesen Milliardenbeträge gesichert und so das öffentliche Unrechtsbewusstsein gegenüber Steuerkriminalität gestärkt. Er hat immer wieder versucht, die Ungerechtigkeiten und Schwächen unseres Steuersystems ins Zentrum der politischen Auseinandersetzungen zu rücken und Ideen für größere Transparenz, Einfachheit und Gerechtigkeit bei den Steuern entwickelt. Auf Widerstand ist er dabei nicht nur bei den Lobbyisten des großen Kapitals und globaler Unternehmen gestoßen, sondern auch in den politischen Parteien bis hin zu seiner eigenen, der SPD.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 332

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Norbert Walter-Borjans

Steuern - Der große Bluff

Der frühere NRW-Finanzminister berichtet von seinem Kampf gegen Steuerhinterziehung und widerlegt die Mythen, die über unser Steuersystem verbreitet werden

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Norbert Walter-Borjans

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Vorwort

Einleitung

I. Warum wir handeln müssen

1. Etwas läuft schief in Deutschland

2. Von »Pflichterfüllern« bis zu »Steuerräubern« – die vier Typen von Steuer(nicht)zahlern

3. Das Kapital – ein scheues Reh und seine Beschützer

II. Was wir schon getan haben

1. Mit Kreativität und Konsequenz gegen Milliardenbetrug

2. Das Ringen um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit

3. Die Verhinderung eines folgenschweren Ablasshandels mit der Schweiz

4. Neuartige Ermittlungstechniken und internationale Vernetzung

III. Wem nicht gefiel, was wir taten

1. Der schwierige Kampf gegen die Verteufelung von Steuern

2. Die Einflussnahme auf die Verwaltung

3. Allgemeine Stimmungsmache gegen Steuern: einschlägige Lobby-Organisationen in Deutschland

IV. Zerrbild und Wirklichkeit

1. Progression, Grenzsteuer und Durchschnittssteuer

2. Mehrwertsteuer und Sozialabgaben

3. Steuergerechtigkeit – wachsende Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

V. Zeit zu handeln: klare Kante und offene Karten

1. Global agierende Konzerne brauchen global geltende Regeln

2. Deutschland muss mehr tun

3. Verteilungsgerechtigkeit im deutschen Steuerrecht stärken

4. Steuerpolitik in einer sich ändernden Welt

VI. Steuergerechtigkeit braucht eine starke Lobby

1. Mangelnde Sattelfestigkeit macht geschmeidig

2. Ohne gerechte Einnahmen keine gerechten Ausgaben

3. Plädoyer für mehr steuerpolitisches Basiswissen

4. Eine Lobby für das Gemeinwesen gegen die Lobby der Gruppeninteressen

Inhaltsverzeichnis

Meinen Kindern Hannah, Niko, Dinah und Felix

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Es gibt weniges, was jede und jeden von uns so unmittelbar betrifft, womit wir uns aber so ungern beschäftigen wie mit unseren Steuern. Das gilt nicht nur für Otto Normalverbraucher, sondern auch für viele Politiker und Journalisten. Steuern sind für die allermeisten ein Buch mit sieben Siegeln. Nicht alle bedauern das. Mangelnder Durchblick der einen ist die Grundlage für enorme Profite anderer – zulasten der Allgemeinheit. Und mangelnder Durchblick macht empfänglich für Legenden über ständig steigende Belastungen und ein Abgabensystem, das aus einer Lohnerhöhung am Ende sogar ein Minus macht. So entsteht ein Klima der Verdrossenheit, das die Gesellschaft nicht zusammenführt, sondern auseinandertreibt. Gewinner sind dabei nicht die »kleinen Leute«, sondern die, die sich im Dickicht des Steuersystems am besten auskennen. Sie können sich einer angemessenen finanziellen Beteiligung an unserem Gemeinwesen besonders gut entziehen – auch weil sie über Mittel und Wege für die Beeinflussung von Politik und Öffentlichkeit verfügen. Dass die große Mehrheit einen handlungsfähigen Staat will und dass es die Sicherung unserer Zukunft nicht für lau gibt, gerät dabei oft aus dem Blick.

Alternative Fakten gibt es nicht erst seit Kurzem. Geblufft wurde schon vorher. Das beginnt mit dem Selbstbetrug der Gesellschaft, dass es allen gut geht, wenn es im Durchschnitt gut läuft. Der Bluff setzt sich fort, wenn vermögende Gönner sich für großzügige Gesten feiern lassen, der Allgemeinheit aber zugleich ein Vielfaches an Steuern vorenthalten. Aber auch Regierungen und Parlamente beteiligen sich daran, wenn sie die Entlastung der Mitte ankündigen, dann aber vor allem die Steuern auf hohe Einkommen senken. Und nicht zuletzt bluffen auch die Parteien, wenn sie vor Wahlen grundlegende Korrekturen hin zu einer gerechteren Besteuerung ankündigen, danach aber nur Spurenelemente umsetzen.

Ich möchte mit diesem Buch zu einem besseren Durchblick beitragen und Interesse wecken, das Thema Steuern nicht denen zu überlassen, die vorgeben, unser aller Interessen zu vertreten, die am Ende aber vor allem ihre eigenen Privilegien sichern und ausbauen wollen. Mir geht es nicht darum, alle Steuerarten, Besteuerungsansätze und Umgehungstricks lückenlos zu beschreiben. Es geht mir vielmehr darum, zu zeigen, wie wichtig solide Staatseinnahmen für Zukunftssicherung und gesellschaftlichen Zusammenhalt sind, und wie wichtig es ist, dass sich alle angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen. An Beispielen und beispielhaften Berechnungen mit allgemein zugänglichen Daten werde ich darstellen, unter welchem Einfluss unser Steuersystem vom Weg einer gerechten Verteilung der Abgabenlast abgekommen ist und was wir unternehmen können, um wieder für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.

Ich war sieben Jahre Finanzminister im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland. Von 2010 bis 2017. Es waren sieben Jahre, in denen ich Gelegenheit hatte, einen tiefen Einblick in eine große und leistungsfähige Steuerverwaltung mit 120 Finanzämtern und ihre Arbeitsweise zu gewinnen. Zehn dieser Behörden beschäftigen sich als sogenannte STRAFA-Ämter ausschließlich mit Steuerstrafsachen und Steuerfahndung und haben, wie in den letzten Jahren deutlich wurde, Meilensteine im Einsatz für mehr Steuergerechtigkeit gesetzt. In der Zusammenarbeit mit den Finanzämtern, den Betriebsprüfern, der Oberfinanzdirektion und der Steuerabteilung des Finanzministeriums ging es mir in diesen Jahren um zwei Dinge: besseren Service für die überwiegende Mehrheit der Privatpersonen und Unternehmen, die ihre Steuern zahlen, zu ermöglichen und gleichzeitig konsequent gegen Steuerhinterziehung und Steuertrickserei vorzugehen. Dazu haben alle Teile der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung viel beigetragen. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich.

*

Danken möchte ich auch meiner Lektorin Stephanie Kratz, die mit ihrer ganzen Erfahrung und aus der Sicht der Nichtexpertin immer wieder nachgefragt hat, aber auch Josef Rick, der sich so wunderbar darüber echauffiert, dass er sein Millioneneinkommen ganz legal viel zu klein rechnen kann. Außerdem danke ich Ingrid, Rita, Peter und Reiner für die kritische Durchsicht des Manuskripts und hilfreiche Hinweise.

Es ist nun einmal eine nicht ganz unkomplizierte Materie, aber – so hat es mein Lehrmeister Johannes Rau gesagt – »Wer nicht selber handelt, wird behandelt«. Meistens mit eher unvorteilhaftem Ausgang. Grund genug, etwas zu tun.

 

Norbert Walter-Borjans im Juli 2018

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die öffentliche Aufmerksamkeit in Sachen Steuerhinterziehung hat lange auf sich warten lassen. Betrug am Staat war jahrzehntelang kein Aufregerthema. Mit der Finanzkrise am Ende des vergangenen Jahrzehnts hat sich das spürbar verändert. Der überwältigenden Mehrheit der Menschen ist klar geworden, dass Steuerhinterziehung oder die geschickte Umgehung von Steuern durch allerlei Tricks sie direkt etwas angeht. Erst recht, wenn es sich nicht um kleine Summen handelt, sondern um Milliardenbeträge, die sich bestimmte Kreise in die ohnehin schon vollen Taschen wirtschaften. Beträge, die auf der anderen Seite Riesenlöcher in die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden reißen – mit fatalen Folgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Alles, was dem Staat an Einnahmen entgeht, weil sich einige der angemessenen finanziellen Beteiligung an der Aufrechterhaltung unseres Gemeinwesens entziehen, bleibt am Ende bei denen hängen, die vielleicht zähneknirschend, aber pflichtbewusst ihre Abgaben entrichten oder gar nicht die Möglichkeit zum Mogeln haben. Sie bezahlen am Ende die Rechnung der anderen mit. Entweder, weil sie mehr zahlen müssen als nötig wäre, wenn sich auch die Drückeberger beteiligen würden, oder weil der Staat dringend Nötiges nicht finanzieren kann. Oder aber, weil er diese Leistungen dann mit Krediten finanzieren muss. Denn Zins und Tilgung zahlen schließlich ebenfalls die Bürgerinnen und Bürger, die sich nicht vom Acker machen können, weil die Steuer bei ihnen schon mit der Gehaltsabrechnung einbehalten wird. Wie man es dreht und wendet: Die Ehrlichen sind die Dummen.

Der Staat war dagegen lange machtlos, weil die Szene der Steuerhinterzieher und ihrer Helfer hermetisch abgeriegelt war. Das änderte sich erst mit dem Auftauchen von Whistleblowern – also von Insidern mit den unterschiedlichsten Motiven, auszupacken. Für sie wurde Nordrhein-Westfalen schnell zur ersten Adresse und damit in Deutschland zum Vorreiter in einem durchaus erfolgreichen Einsatz gegen Steuerbetrug. Warum gerade Nordrhein-Westfalen? Lag es, wie die damalige Landtagsopposition behauptete, daran, dass ich als Finanzminister händeringend nach Einnahmequellen suchte, um einen maroden Landeshaushalt in den Griff zu bekommen? Ja, auch das! Wer die Verantwortung für das Budget eines Landes trägt, das mit seiner Wirtschaftskraft die Nachkriegsbundesrepublik aufgebaut hat und dann einen so tief greifenden Wandel durchlebte und immer noch durchlebt, der reagiert besonders empfindlich, wenn es Menschen gibt, die hier gute Geschäfte machen, aber mit der Finanzierung der Voraussetzungen, die dazu nötig sind, nichts zu tun haben wollen.

*

Finanzminister haben zugegebenermaßen eine spezielle Sicht auf Steuern. Sie finden sie gut. Alles in allem zumindest. Dieser Blickwinkel ist den meisten Steuerzahlern fremd. Das ist absolut nachvollziehbar. Steuern sind auch für die Einsichtigen ein Übel. Steuern machen keinen Spaß, aber Sinn. Steuern machen keinen Spaß – aber Sinn!Die Kassenwarte von Bund, Ländern und Gemeinden sind auf sprudelnde Steuereinnahmen angewiesen. Sie bewegen sich auf einem schmalen Grat. Fast jeden Tag stehen sie den Forderungen nach mehr Geld gegenüber – von Menschen und Institutionen, die unseren Staat am Laufen halten. Dazu kommen regelmäßig Artikel in Zeitungen und Magazinen, die die Defizite der Politik beschreiben: zu wenig Lehrer und Polizisten, marode Schulen und Straßen, bröckelnde Brücken, miserable Verbindungsqualitäten bei Mobilfunk und Internet, vom wachsenden Gefühl der Verunsicherung und mangelndem staatlichen Durchgriff ganz zu schweigen. Jeder kann sich leicht vorstellen, was das für die Gespräche bedeutet, die ein Finanzminister alljährlich bei der Haushaltsaufstellung, aber auch zwischendurch mit seinen Kabinettskolleginnen und -kollegen führen muss: Er ist regelmäßig mit massiven Wünschen nach mehr Geld für Bildung, Betreuung, Verkehr, Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt konfrontiert.

Es war eines dieser Gespräche, in dem ich der Schulministerin den Titel verlieh, mit dem ich sie danach immer ansprach, wenn es um mehr Geld für Schulen und Lehrpersonal ging: »Meine Teuerste!« Der Haushalt des Schulministeriums ist nämlich immer der mit Abstand größte. 2017 umfasste er allein in Nordrhein-Westfalen ein Volumen von 17,8 Milliarden Euro und damit rund 40 Prozent der Steuereinnahmen, die dem Land nach Abzug des Gemeindeanteils an den Landeseinnahmen zur Verfügung standen. Die Gespräche mit dem Innenminister über mehr Unterstützung für die Kommunen, eine bessere Bezahlung und Ausstattung der Polizei verliefen nicht minder ambitioniert. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen: Der Justizminister brauchte mehr Richter und Staatsanwälte, die Hochschulministerin mehr Forschungsmittel und Geld für die Hochschulen und Unikliniken, die Familienministerin mehr für Kitas, die Gesundheitsministerin mehr für die Sanierung der Krankenhäuser. Fast alle brauchten mehr und besser bezahltes Personal. Und auch Finanzminister brauchen Geld für eine leistungsfähige Finanzverwaltung. Die Verhandlungen mit mir selbst waren besonders schwierig, weil alle anderen mit Argwohn auf das blickten, was sich der Kassenwart für sein eigenes Haus genehmigte. Obwohl Finanzbeamte, Betriebsprüfer und Steuerfahnder der Allgemeinheit nachweislich wesentlich mehr einbringen, als sie kosten.

Das meiste von dem, was in solchen Verhandlungen gefordert wird, ist nicht nur wünschenswert, vieles ist sogar absolut notwendig. Es gibt nur ein Problem: Die Summe all dessen, was nötig wäre, ist viel größer als das, was auf der Einnahmenseite hereinkommt. Finanzminister und Kämmerer klemmen in einem Schraubstock. Hier die Ausgabenwünsche der Fachpolitiker, dort der Gegendruck, der sich aus den ebenso lautstark vorgetragenen Ansprüchen ergibt: nämlich, ohne neue Schulden auszukommen und gleichzeitig endlich die Steuerlast zu senken.

Ohne konjunkturelle Bestbedingungen eine unlösbare Aufgabe, sagen die allermeisten Haushälter. Nur eine Frage der Haushaltsdisziplin, sagen andere. Es ist wie beim Fußball. Der vielstimmige Chor am Spielfeldrand hat immer eine ganz einfache Lösung parat, an die sich die handelnden Akteure einfach nur halten müssten.

Eilen wir nicht von Jahr zu Jahr von Rekordsteuereinnahmen zu Rekordsteuereinnahmen? Wird nicht viel zu viel davon in unsinnige Projekte gesteckt und werden sinnvolle Projekte nicht viel zu oft dilettantisch umgesetzt und damit viele Steuergelder verschwendet?

Also könnte doch alles ganz einfach sein: Die Politik müsste nur sorgsamer mit Steuergeld umgehen und die sprudelnden Steuerquellen nutzen, dann wäre auch für alles Wichtige genügend Geld da. Der Staat brauchte keine Kredite und die Steuerlast könnte ganz nebenbei auch noch gesenkt werden.

Wie schön die Welt doch sein könnte.

*

Ja, Bund, Länder und Gemeinden eilen Jahr für Jahr von Rekordeinnahme zu Rekordeinnahme. Es mag seltsam klingen: Jährlich wachsende Steuereinnahmen sind kein außergewöhnlicher Glücksfall – sie sind der notwendige Normalfall. Selbst wenn wir nur das aktuelle Niveau staatlicher Leistungen halten wollen, müssen die Steuereinnahmen von Jahr zu Jahr um den Betrag anwachsen, um den Löhne und Gehälter, Mieten und Preise steigen. Eine wachsende Wirtschaft – höhere Gewinne, bessere Beschäftigungslage – führt normalerweise auch zu wachsenden Steuereinnahmen. Deshalb hat es in den zurückliegenden 67 Jahren auch nur fünf Jahre gegeben, in denen die Steuereinnahmen sanken. Die Gründe dafür waren entweder Steuersenkungen wie in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder oder wirtschaftliche Einbrüche wie während der Finanzkrise 2008/2009. Die Steuersenkungen des Jahres 2001 wirkten sich in der damaligen Konjunktur so stark aus, dass die Einnahmen trotz kontinuierlichen Anstiegs erst 2006 wieder das Niveau von 2001 überschritten. So gesehen gab es in 67 Jahren insgesamt neunmal keine Rekordsteuereinnahmen. Oder andersherum: 58 Rekordjahre. In den Jahren ohne Rekordeinnahmen musste der Staat zwangsläufig entsprechend mehr Schulden machen.Jährliche »Rekordsteuereinnahmen« sind Voraussetzung für einen funktionierenden Staat – deshalb gab es sie in 67 Jahren auch 58 Mal!

Der Schuldenstand des Gesamtstaates ist im Zeitverlauf dreimal sprunghaft angewachsen, zweimal als Folge von Steuerausfällen. Der erste der drei Schuldenschübe hatte andere Gründe. Da waren es die exorbitanten Zusatzausgaben im Zuge der deutschen Vereinigung. Zwischen 1989 und 1995 stiegen die Staatsschulden von bis dahin 475 um weitere 544 Milliarden Euro auf mehr als das Doppelte an. Der zweite Schub war aber auch eine Folge der Steuersenkungen des Jahres 2001. Bis zum Jahr 2006, als die Einnahme-Delle wieder ausgeglichen war, war der Gesamtschuldenstand um 322 Milliarden Euro angewachsen. Der dritte Schub kam mit der Finanzkrise 2008, den in der Folge einbrechenden Steuereinnahmen und den dagegengesetzten Konjunkturpaketen. 2009 und 2010 stieg die Staatsverschuldung um 317 Milliarden Euro an. Fast 1,2 Billionen Euro der rund 2 Billionen Gesamtschulden von Bund, Ländern und Kommunen sind in diesen drei Phasen entstanden, davon 640 Milliarden Euro in den beiden Zeitabschnitten drastisch sinkender Steuereinnahmen.

Mit der seit 2009 im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist der Ausgleich fehlender Steuereinnahmen durch Kredite in Zukunft aber weitgehend versperrt. Stagnierende oder sinkende Steuereinnahmen können künftig nur noch durch die Einschränkung der staatlichen Handlungsmöglichkeiten ausgeglichen werden. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man in einer Phase guter Konjunkturdaten nach dauerhaften Steuersenkungen ruft. Trotzdem wollen das einige. Aber die Kürzungsvorschläge, die sie lauthals fordern, haben alle eine Gemeinsamkeit: Sie betreffen immer die anderen und nie die staatlichen Leistungen und Subventionen, von denen sie selbst profitieren. Wirklich zählbare Einsparvorschläge sind Mangelware. Dagegen stehen sehr konkrete Forderungen an den Staat nach mehr Geld, die im Volumen weit über mögliche Einsparungen hinausgehen.

Wer also den Menschen verspricht, die Steuereinnahmen ohne Mehreinnahmen an anderer Stelle spürbar abzusenken, sollte so ehrlich sein und gleich miterklären, welche staatlichen Leistungen er abbauen oder auf welche wichtigen Investitionen er konkret verzichten will. Und wer über Jahre beklagt hat, der öffentliche Schuldenstand sei zu hoch und ein Anstieg der Zinsen werde eines Tages zu einer nicht verkraftbaren Belastung der öffentlichen Haushalte führen, der kann nicht jeden Haushaltsüberschuss in Steuersenkungen stecken wollen. Der müsste dann auch bereit sein, Überschüsse für die Schuldentilgung zu verwenden. Etwa der Städte und Gemeinden, die vom Bund zwar viele Aufgaben zugewiesen bekommen, die dafür notwendigen Gelder aber nicht.

*

Es lohnt sich also, genauer hinzusehen. Ist bei uns tatsächlich alles im Lot? Brauchen wir wirklich nur noch darüber zu streiten, wer in welchem Umfang von welchen Abgaben an den Staat entlastet wird? Oder sollten wir uns nicht besser zunächst einmal ansehen, was auch in der reichen Bundesrepublik Deutschland im Argen liegt und wofür der Staat eine solide Finanzausstattung braucht?

Wo ist mehr staatliches Engagement dringend geboten, wenn wir unser Land fit für eine Zukunft machen wollen, die allen Chancen eröffnet? Mit dieser Frage beschäftige ich mich im ersten Teil dieses Buches. Allen die Chance zu gewährleisten, etwas aus ihren Talenten zu machen, setzt voraus, dass sich auch alle angemessen an den Kosten beteiligen, die ein hoch entwickeltes Gemeinwesen mit sich bringt. Das ist erkennbar nicht der Fall, und auch darum wird es im ersten Kapitel gehen.Um was es geht

Der Staat ist gefordert, für eine gerechte Lastenverteilung zu sorgen. Da ist zweifellos noch viel zu tun. Aber es ist auch zweifellos einiges in Bewegung geraten. Die konsequentere Verfolgung von Steuerbetrug und Steuerumgehung und die gewachsene Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit haben Unruhe in die jahrzehntelang ungestört agierende Szene der Steuerbetrüger und Steuertrickser gebracht. Das wird Gegenstand des zweiten Kapitels sein.

Nicht jedem gefällt es, wenn der Staat sich in Wahrnehmung seiner Verantwortung für die Allgemeinheit wehrt. Die größten Nutznießer von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung sind finanziell hoch potent. Sie haben Macht, und die üben sie auch auf allen Ebenen aus. Um die gezielte Einflussnahme wird es im dritten Kapitel gehen.

Bürger und Politik sind umso empfänglicher für plausibel klingende, aber tatsachenwidrige Botschaften, je weniger sie mit der Funktionsweise unseres Steuersystems vertraut sind. Die Unsicherheit gegenüber denen, die die Vertretung ihrer eigenen Interessen als Gemeinwohlorientierung ausgeben, hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass unser Steuersystem immer ungerechter geworden ist. Zerrbild und Wirklichkeit stehen deshalb im Mittelpunkt des vierten Kapitels. Die Wirklichkeit ist oft komplizierter, als einfache Zerrbilder es sind. Gerade deshalb macht es Sinn, sich in diesem vierten Kapitel etwas eingehender mit ein paar Begriffen auseinanderzusetzen, die uns in der Steuerdebatte immer wieder begegnen. Zudem zeigt das Kapitel exemplarisch auf, wie unser gut gedachtes Steuersystem, das bei steigendem Wohlstand zu einem überproportional steigenden Steuerbeitrag führen soll, im Zeitablauf immer weiter ausgehöhlt wurde und im Ergebnis zu einer Umverteilung von unten nach oben geführt hat.

Wo die internationalen, aber auch die nationalen Stellschrauben für eine Rückkehr zu mehr Steuergerechtigkeit liegen, steht im Mittelpunkt des fünften Kapitels. Dabei geht es mir nicht um eine abschließende Aufzählung der vielen Ansätze, die in den letzten Jahren ins Gespräch gebracht wurden. Es geht vielmehr um die Frage, was nur in einem besseren internationalen Miteinander geht und was Deutschland als bedeutende Wirtschaftsnation selbst in die Hand nehmen oder beherzter als bisher anstoßen könnte.

Im sechsten und letzten Kapitel geht es schließlich um die Frage, warum viele Lösungsansätze entgegen vieler Ankündigungen – vor allem vor Wahlen – immer wieder im Sande verlaufen und was nötig ist, damit sich das ändert.

Inhaltsverzeichnis

I.Warum wir handeln müssen

1.Etwas läuft schief in Deutschland

Umfragen zufolge sind die Deutschen in der Mehrheit zufrieden mit den Verhältnissen im Land. Die eigene wirtschaftliche Lage finden die meisten gut oder sehr gut. Zumindest sagen das seit Jahrzehnten rund zwei Drittel der Befragten. Es gab aber auch immer das andere Drittel, das diese Einschätzung für sich selbst nicht teilen konnte. Demgegenüber schätzten die Menschen im Land die allgemeine Lage lange Zeit verhaltener ein als die eigene. Darin drückte sich gleichsam eine Art Mitgefühl aus. Man spürte, dass es noch andere gab, denen es schlechter ging.Es herrscht eine Hochstimmung im Land, die die Sorgen der Minderheit übertönt

Das hat sich seit einigen Jahren geändert. Die Deutschen sind mittlerweile mit überwältigender Mehrheit davon überzeugt, dass es nicht nur für sie selbst, sondern auch insgesamt gut läuft in Deutschland.

Ist das ein Wunder bei Gewinnrekorden der Wirtschaft, Minusrekorden bei der Arbeitslosigkeit und Rekordsteuereinnahmen? Bestätigen nicht auch die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts ebenso wie die des Privatvermögens den grundsoliden Lebensstandard in Deutschland – zumal, wenn wir gleichzeitig von den Krisen in anderen Ländern erfahren? Zeigt uns das alles nicht, wie gut es uns in Deutschland geht? Kann man vor so einer Kulisse ernsthaft über Gerechtigkeitsdefizite reden? Und gibt es überhaupt noch ein Wir-Gefühl, an das man appellieren könnte, oder ist unsere Gesellschaft inzwischen auf ein Gruppendenken reduziert, in dem das »Gemeinwesen als Ganzes« weit in den Hintergrund getreten ist? Demoskopische Analysen legen den Schluss nahe. Deshalb gibt es – auch in den eigenen Reihen – nicht wenige, die einem nach Wahlen mit einem wenig zufriedenstellenden Ausgang für die SPD auf die Schulter klopfen und sagen: »Man kann in dieser guten Gesamtstimmung nun mal mit dem Thema ›soziale Gerechtigkeit‹ allein keine Wahlen gewinnen.«

Allein mit der Forderung nach Gerechtigkeit gewinnt man in der Tat keine Wahlen. Das behauptet aber auch niemand ernsthaft. Die Menschen wissen, dass die Welt nicht besser wird, wenn man versucht, sie anzuhalten, und sich nur noch auf die Umverteilung des Erreichten konzentriert. Der Aufbruch zu neuen Ufern gelingt aber am besten, wenn die Menschen wissen, dass die Gemeinschaft sie hält, dass sie eine kalkulierbare Zukunft haben und dass es gerecht zugeht. Dazu gehört die alte Lebensweisheit jeder funktionierenden Gemeinschaft, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache. Auch finanziell.

Die auf der Sonnenseite weisen in diesem Zusammenhang gern darauf hin, dass auch für die sogenannten kleinen Leute mehr herauszuholen sei, wenn man es den Großen nicht abnehme, sondern stattdessen für Wachstum sorge. Dann könne man den einen etwas geben, ohne es den anderen zu nehmen. Klingt überzeugend. Aber so läuft es in Wirklichkeit nicht. Seit Jahren brummt die Wirtschaft, seit Jahren wächst das private Geld- und Sachvermögen, seit Jahren steigen die Durchschnittseinkommen, aber das alles hat nicht dazu beigetragen, dass sich die Schere in der Einkommens- und Vermögensverteilung schließt. Im Gegenteil: Der Abstand zwischen oben und unten ist gewachsen. Nicht nur, weil die Top-Verdiener mehr vom Zuwachs erhalten als die Kleinverdiener. Die kleinen Einkommen sind real sogar gefallen. Die Kleinen haben an die Großen abgegeben. Umverteilung von unten nach oben nennt man das.

*

Außerdem sind oben und unten zunehmend getrennte Welten. Und es sieht nicht danach aus, dass sich die Kluft von selber schließen würde. Auch nicht in Zeiten guter Konjunktur und explodierender Gewinne. Die gern erhobene Behauptung, dass es jede und jeder bei uns schaffen kann, wenn er oder sie nur will, ist ein Märchen. Wer in einem Hartz-IV-Haushalt aufwächst, hat nur geringe Chancen, einmal frei von finanziellen Sorgen leben zu können. Wer oben dazugehört, hat mehr als nur bessere Ausgangsvoraussetzungen. Im Zweifel kann er oder sie sogar mit einer hohen Erbschaft oder einer vorgezogenen Schenkung rechnen.

Auch die Mittelschicht selbst ist gespalten. Vieles erinnert an ein gigantisches Radrennen. Die im vorderen Mittelfeld hecheln dem Ideal hinterher, einmal ganz vorn dazuzugehören. Das Interesse, sich hin und wieder umzudrehen und die mitzunehmen, die sich weiter hinten abstrampeln, hält sich im Pulk zwischen den Ausreißern ganz vorn und denjenigen hinten, die den Anschluss verloren haben, in Grenzen. Einen großen Teil des Mittelfeldes treibt aber auch die Sorge um, trotz größter Anstrengung irgendwann nicht mehr mithalten zu können und ans Ende durchgereicht zu werden. Viele denken darüber nach, was sein wird, wenn sie älter werden oder wenn es aus anderen Gründen einmal nicht mehr so glattläuft.Statt für Ausgleich zu sorgen, hat das Wachstum die Spaltung vertieft

Das alles hat zu einer Entfremdung der gesellschaftlichen Schichten geführt. Damit sinkt auch die Bereitschaft, einen finanziellen Beitrag für das Gemeinwesen als Ganzes zu leisten. Die Sozialwissenschaftler sprechen vom Milieu-Egoismus. Ein Wir-Gefühl gibt es höchstens innerhalb ein und derselben sozialen Schicht. Wie bei den Teams der Tour de France. Wenn überhaupt. Langsam, aber sicher zieht sich das Gesamtfeld immer weiter auseinander. Im wahren Leben ist das allerdings folgenschwerer als bei einem Radrennen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben die wachsende Kluft zwischen oben und unten mit Zahlen belegt. Seit 1991 vergrößert sich die Spreizung in der Einkommensentwicklung fast von Jahr zu Jahr. Anders als das Mantra, dass man nur Wachstum brauche, um die kleinen Einkommen ohne Belastung der großen nach und nach besserzustellen und den Abstand zu verkleinern, belegt besonders die seit der Finanzkrise anhaltend gute Konjunktur das Gegenteil. Ein Gutverdiener am Beginn des oberen Zehntels der Einkommensskala hatte 2015 rund 30,8 Prozent mehr an verfügbarem Einkommen als 1991. Haushalte mit mittlerem Einkommen standen um 8 Prozent besser da, Kleinverdienerhaushalte im unteren Zehntel treten dagegen nicht einmal auf der Stelle. Sie haben im Aufschwung rund 10 Prozent eingebüßt. Und nach der Finanzkrise 2009, also in der Phase des stabilsten Wachstums, hat sich die Schere keineswegs geschlossen.

*

Abb. 1 Veränderung des verfügbaren Haushaltseinkommens gegenüber 1991Quelle: DIW

Die Statistik zeichnet nur nach, was wir trotz bester Wirtschaftsdaten inzwischen regelmäßig in der Zeitung lesen. Es ist die Konsequenz aus dem hinreichend widerlegten Glauben, die Maximierung des betriebswirtschaftlichen Erfolgs durch jedes einzelne Unternehmen sei automatisch das Beste für alle. Wie sollen die Menschen das glauben, wenn zum Beispiel Siemens 2017 trotz sprudelnder Unternehmensgewinne ankündigte, Tausende von Arbeitsplätzen abzubauen, noch dazu in strukturschwachen Regionen? Andere Global Player machen es genauso. Je globaler, desto anonymer; je anonymer, desto stärker fokussiert auf die Rendite als einzigem Erfolgsmaßstab. Für ein Unternehmensverständnis, Teil eines großen Ganzen zu sein, ist in diesem Wettlauf kein Platz. »Soziale« Marktwirtschaft ist das nicht. Eher eine entfesselte.Je globaler, desto anonymer; je anonymer, desto stärker fokussiert auf die Rendite

In dieser entfesselten Marktwirtschaft sind Steuern nicht etwa ein Beitrag, um die Voraussetzungen für den zukünftigen Unternehmenserfolg zu schaffen. Steuern senken nach dieser Lesart lediglich die kurzfristige Rendite. Deshalb gilt es, sie mit allen Mitteln zu vermeiden.

Ohne Wettbewerbsfähigkeit gibt es keine Arbeitsplätze, und Wettbewerbsfähigkeit bedeutet nun einmal, keine Belastungen tragen zu müssen, die es anderswo nicht gibt. Das gilt für die Höhe der Löhne ebenso wie für die staatlichen Abgaben. Die politischen und sozialen Verwerfungen, die durch das Gegeneinander-Ausspielen von Staaten verursacht werden, werden geflissentlich verdrängt. Die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung für Standorte und Beschäftigte endet da, wo gute zweistellige Renditen gefährdet sind. »Rentabilitätsextremismus« nennt der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann die Ausrichtung auf nur noch eine Kenngröße wirtschaftlichen Erfolgs.[1]

Sparer müssen indessen mit Nullzinsen über die Runden kommen. Wenn es denn überhaupt Ersparnisse gibt. Für die meisten Kleinverdiener bleibt nämlich nichts übrig, das sie auf die hohe Kante legen könnten. Im Gegenteil: Sie »entsparen«. Das heißt: Solange noch Restvermögen da ist, leben diese Haushalte von der Substanz, wenn nicht, bleibt nur der Weg in die private Verschuldung. Ersparnisse sind erst bei mittleren Einkommen möglich, und auch da in meistens sehr bescheidenem Umfang. Auf welche Einkommensgruppe sich das rasant wachsende Geldvermögen der Deutschen von zurzeit fast 6 Billionen Euro konzentriert, ist also nicht schwer zu erraten: auf die ganz oben im Reichtums-Ranking. Währenddessen gelten über 20 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Geringverdiener mit einem Stundenlohn unter 9,60 Euro. Zwei Millionen Kinder leben von Hartz IV. Für 16 Prozent der Deutschen gehen allein für die Miete über 40 Prozent des bescheidenen Einkommens drauf. Die größte »Zwangsabgabe« besteht für die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht aus Steuern und Gebühren für ein funktionierendes Gemeinwesen, sondern aus der monatlichen Miete.

Die allgemeine Zufriedenheit mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in Deutschland wird davon kaum getrübt. Die »Abgehängten« sind eine Minderheit. Auch wenn in der Mitte der Gesellschaft die Sorge wächst, selbst abrutschen zu können, ist es oft nur ein Lippenbekenntnis, dass die Zukunftssicherung eine gerechte Beteiligung aller an der Finanzierung unseres Gemeinwesens voraussetzt. Ein Fundament für eine dauerhaft stabile Gesellschaft ist das nicht.

*

Den Kontrast zu den Alltagssorgen von Klein- und Mittelverdienern bilden die Berichte über Millioneneinkommen von Top-Verdienern. Die kommen in der Öffentlichkeit meistens dann zur Sprache, wenn unternehmerische Misserfolge Zweifel daran wecken, ob die Empfänger wirklich verdienen, was sie verdienen. Zweifel daran, dass es überhaupt eine Rechtfertigung dafür geben kann, dass ein Unternehmensvorstand das Einhundertfünfzigfache eines Durchschnittsbeschäftigten verdient, werden gern als Ausdruck von Neid abgetan und mit dem Argument beiseitegeschoben, dass der Markt das so will. Andernfalls würden Top-Manager massenhaft aus Deutschland in andere Länder abwandern, und unsere Wirtschaft müsste sich aus der zweiten oder dritten Liga der Wirtschaftslenker bedienen. Beweise gibt es dafür nicht. Auch nicht dafür, dass es in anderen Staaten eine derart große Nachfrage nach Spitzenkräften der deutschen Wirtschaft gäbe, die hier zu einem Aderlass führen würde. Nicht zuletzt wissen auch Top-Verdiener die Lebensqualität hierzulande zu schätzen – insbesondere in Bereichen, die man nicht einfach mit Geld kaufen kann.Der »anonyme« Markt als Alibi

Für die, die davon profitieren, hat der ungezügelte Markt einen besonderen Reiz. Er vermittelt die Illusion, dass ihre Gewinne frei von menschlicher, erst recht politischer Einflussnahme durch die »unsichtbare Hand des Marktes« zustande kommen und am besten ohne politische »Fesseln« wirksam werden sollten. Wer verliert, hat etwas falsch gemacht. Wenn überhaupt jemand dafür verantwortlich ist, dann der anonyme Markt – oder die Politik, die nicht zulässt, dass sich die Marktkräfte ungehindert austoben können. Dass Staat und Politik ihre grundlegende Aufgabe darin haben, dem freien Spiel der Kräfte einen Rahmen zu setzen, damit es zum Nutzen einer Gesellschaft als Ganzes zum Tragen kommt, ist für einige ein geradezu verpönter Standpunkt. Je weniger Staat, desto besser – außer wenn die Abgehängten zum Sicherheitsrisiko werden. Dann erschallt der Ruf nach dem Staat.

In Wahrheit sind nämlich auch die Gewinner nur so lange an staatlicher Abstinenz und ungezügeltem Wettbewerb interessiert, wie ihnen Vorteile winken. Die ins Kraut schießenden Gehälter einiger Konzernvorstände sind alles andere als Ergebnisse transparenten Wettbewerbs. Sie sind Resultate gegenseitiger Preistreiberei. Die meisten Aufsichtsräte, die über die Vergütung des Top-Managements entscheiden, sind oder waren selbst Unternehmenslenker. Aufsichtsratsmitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aus gutem Grund. Denn da gesteht man hinter verschlossenen Türen seinesgleichen gern schon mal 10 Prozent mehr plus satter Boni zu, während man die Arbeitnehmerschaft aus Kostengründen zu Lohnzugeständnissen drängt. Das Ergebnis ist dann eine Einkommensentwicklung, wie sie die oben gezeigte Grafik wiedergibt. Marktergebnis ist sie nur zum Teil. Sie ist vor allem ein Ergebnis von Intransparenz, ausgeprägtem Corpsgeist und der Zaghaftigkeit der Politik, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass der Markt zu angemessenem Wohlstand und Stabilität für alle führt.

In Deutschland erzielt das obere Prozent der Einkommensbezieher inzwischen 13 Prozent der gesamten Lohn- und Gehaltssumme. Wenn das das unbeeinflussbare Ergebnis der Globalisierung sein soll, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich die Menschen gegen diese Globalisierung wenden und denen folgen, die ihnen erzählen, dass nur nationaler Egoismus und Abschottung Abhilfe schaffen. Was wir derzeit an politischen Veränderungen erleben, ist mehr als nur ein Vorbote. Das wissen auch diejenigen, die jeden Versuch des Gegensteuerns – etwa durch einen höheren Beitrag von Top-Vermögen und Top-Einkommen zur Finanzierung des Staates – als wohlstandsgefährdendes Experiment brandmarken. Zur Beschwichtigung weisen sie gern darauf hin, dass die Einkommensschere zuletzt doch nicht noch weiter aufgegangen sei. In Zeiten steigender Unternehmensgewinne ist das ein dürftiges Argument. Wenn sie sich jetzt nicht schließt – wann dann? Wenn wir in Zeiten globalen Wirtschaftswachstums nicht in der Lage sind, uns auch international auf Fairness und Nachhaltigkeit zu verständigen – wann dann?

*

Die Ungleichheit in Deutschland ist größer denn je. Sie ist, was die Verteilung des privaten Geldvermögens angeht – von Litauen abgesehen –, größer als in jedem anderen Land der Eurozone.

Es ist nicht die oft beschworene notwendige Ungleichheit, die erst dazu animiert, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Dazu ist die gesellschaftliche Spaltung schon viel zu verfestigt. Oben bleibt oben und unten bleibt unten. Schlimmer noch: Die stabilisierende Mitte droht abzurutschen. Die Chance der Ärmeren, nach oben zu kommen, ist in kaum einem Industriestaat kleiner als bei uns. Trotzdem gilt jedes Gegensteuern mit dem Ziel, die Hochvermögenden stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen, als kalte Enteignung der Erfolgreichen und unverdienter Geldsegen für jene, die nichts zum Reichtum der Gesellschaft beitragen. »Umverteilung« durch einen höheren Finanzierungsbeitrag der Reichen, verbunden mit einer Entlastung der tatsächlichen Mitte der Gesellschaft und derer, die weniger als die Mitte haben, ist nachgerade ein Unwort. Das Standardargument dagegen lautet: »Man kann nur verteilen, was vorher erwirtschaftet wurde.« Dieses Argument klingt überzeugend. In seiner Allgemeinheit trifft es ja auch zu. Aber wer sich die Entwicklung des Reichtums in Deutschland und seine immer schiefere Verteilung ansieht, kann nur zu dem Schluss kommen: Es ist erwirtschaftet – von vielen, allerdings vor allem für wenige!Es ist erwirtschaftet. Von vielen. Für wenige

Dieser Zustand widerstrebt nicht nur dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen, er droht auf die Dauer zum Sprengsatz für die Stabilität der Gesellschaft zu werden – wirtschaftlich, sozial, menschlich. Nicht das Streben nach Gerechtigkeit ist eine Fortschrittsbremse, sondern die Inkaufnahme von Ungerechtigkeit, zumal die sprunghaft steigenden Gewinne nicht mit einem entsprechenden Wachstum der privaten Investitionen korrespondieren. Das, so heißt es, scheitere unter anderem daran, dass der Staat die Steuern nicht weiter senke. Wenn der Staat aber die Steuern für Unternehmensgewinne senken und gleichzeitig eine schwarze Null erreichen soll, dann geht das nur auf zwei Wegen: entweder durch eine Kürzung staatlicher Leistungen für den schwächeren Teil der Gesellschaft oder durch den Verzicht auf öffentliche Güter.

*

Wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet, wenn für wirklich gelingende Integration zu wenig Geld da ist, wenn vieles von dem, was unstrittig zu guter Bildung als zentralem Baustein unserer Gesellschaft gehört, in einem reichen Land aus Geldmangel nicht geleistet werden kann, wenn klassische Infrastrukturen zerfallen und der ländliche Raum beim Ausbau von schnellem Internet und Mobilfunk weiter ins Hintertreffen gerät, ist das ein Drama. Das alles darf sich eine führende Industrienation nicht leisten, wenn sie auch in Zukunft vorn dabei sein will. Sie tut es aber, wenn Steuersenkungen auch für höchste Einkommen und die schwarze Null alleinige Erfolgsmaßstäbe der Haushalts- und Finanzpolitik sind.Schulen und Straßen verrotten

Denn trotz eines seit Jahren stabilen Wirtschaftsaufschwungs, trotz einer Arbeitslosenzahl auf historischem Tiefststand und trotz immer wieder gern verbreiteter Berichte über das hohe Wohlstandsniveau eines großen Teils der Bevölkerung ist unser Land nicht im Gleichgewicht. In vielen Regionen ist der Verfall der öffentlichen Infrastruktur mit Händen zu greifen. Die Verkehrswege sind besonders im Westen vier, fünf Jahrzehnte nach dem großen Infrastruktur-Bauboom in die Jahre gekommen und brechen unter der weiter wachsenden Inanspruchnahme schier zusammen. Mein damaliger Kabinettskollege und Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek, hat mir noch 2017 vorgerechnet, dass der sogenannte nachholende Sanierungsbedarf für Straße, Schiene und Wasserwege in Bund, Ländern und Gemeinden deutschlandweit bei 43,5 Milliarden Euro liegt. Und dieser Bedarf nimmt eher zu als ab. Dazu kommen noch rund anderthalb Milliarden für die Sanierung bestehender Flughäfen. Ein schnelles Internet in allen Regionen, das gerade der Entwicklung des ländlichen Raums neue Möglichkeiten verschaffen und in seiner Qualität dem Niveau in anderen Staaten Paroli bieten kann, erfordert weitere Milliarden. Investitionen in den ländlichen Raum zu vernachlässigen, verstärkt die Tendenz zur Ungleichheit. In dem Maß, in dem Entwicklungschancen des ländlichen Raums verpasst werden, steigt der Druck auf die Städte, verbunden mit Wohnungsmangel und steigenden Mieten, die besonders Klein- und Mittelverdienern zu schaffen machen.Internet: Blinde Flecken auf dem Land verschärfen regionale Ungleichheit

Auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Forschung ist ein unverzichtbarer, aber überaus kostspieliger Auftrag. Für die Gewährleistung flächendeckender, verlässlicher und qualifizierter Kinder- und Altenbetreuung fehlt es ebenfalls an Geld. Dabei entscheidet sich gerade hier sowohl die menschliche Qualität unserer Gesellschaft als auch die Chance für viele, Beruf, Familie, Betreuung und Pflege miteinander in Einklang zu bringen.

In vielen Städten sind Schulen in einem so schlechten Zustand, dass manche Eltern sich scheuen, Austauschschülerinnen und Austauschschüler aufzunehmen, weil es ihnen peinlich ist, das Bild vom hoch entwickelten Deutschland auf so krasse Art infrage zu stellen. Die Frage, ob es in Deutschland No-go-Areas gibt, ist auf der Schwelle zu vielen Schultoiletten streitfrei zu beantworten. Die KfW, die Förderbank des Bundes, rechnet vor, dass in Deutschland allein 48 Milliarden Euro fehlen, um nicht nur die Toiletten unserer Schulen in einen Zustand zu bringen, der einer reichen Wirtschaftsnation würdig ist und der die Voraussetzungen bietet, dass unsere Kinder das Wohlstandsniveau eines Tages ihrerseits sichern können.

In den größten Schatz, unsere Kinder, wird aber insgesamt unzureichend investiert, nicht nur bezogen auf die baulichen und technischen Voraussetzungen. Viel zu viele Talente – besonders da, wo der Bildungsabschluss der Eltern unter dem Durchschnitt liegt – bleiben so unentdeckt und werden folglich auch nicht gefördert. Oben und unten, Reich und Arm entfernen sich immer weiter voneinander. Längst weisen wissenschaftliche Studien darauf hin, dass diese Entwicklung nicht nur enormen sozialen Sprengstoff birgt und das Gefühl zunehmender Verunsicherung mit sich bringt, sondern auch zur Wachstumsbremse wird. So oder so, am Ende profitieren weder die oberen Zehntausend noch die breite Masse der Bevölkerung von dieser zunehmenden Unwucht.Wachsende Ungleichheit bremst Wachstum

Ein Blick über die Grenzen in unsere Nachbarländer reicht aus, um sich vorzustellen, wie labil das ist, was wir bei uns heute noch als Selbstverständlichkeit wahrnehmen, besonders in unseren Metropolen. In vielen Zentren Europas, erst recht weltweit, ist lange schon nicht mehr möglich, was bei uns noch gang und gäbe ist. Wer in Berlin, Hamburg, München oder Köln Freunde oder Geschäftspartner im vierten Stock eines innerstädtischen Wohnblocks oder Geschäftshauses besuchen will, braucht in den meisten Fällen einfach nur zu klingeln. Nach kurzem Kontakt über die Gegensprechanlage geht der Türöffner und man macht sich auf den Weg ins Innere des Hauses. Das ist anderswo längst nicht mehr vorstellbar. In Paris und Brüssel etwa gehören wie in vielen anderen Metropolen auf der Welt Zugangscodes und Securitys zum Alltag. Das Auseinanderdriften von gesellschaftlichen Gruppen und Stadtteilen hat das Leben aller verändert, nicht nur der Menschen in den Banlieues, den Randstädten, die oft auch der Rand der Gesellschaft geworden sind, sondern auch jene in den wohlhabenden Stadtteilen.

Diese Entwicklung steht symbolisch für die Gefahren, die aus wachsender Ungleichheit resultieren. Der tiefer werdende Riss durch die Gesellschaft hat gravierende Folgen für viele Lebensbereiche, vor allem für den Zusammenhalt eines Gemeinwesens insgesamt.

Keine Frage: Die Verteilung des Reichtums in Deutschland unterscheidet sich deutlich von der Schieflage in anderen Kontinenten. Weltweit besitzen 42 Personen mehr als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also von siebeneinhalb Milliarden Menschen.[2] Da klingt es geradezu bescheiden, wenn die 45 reichsten Bundesbürger »nur« so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik. Für ein europäisches Land ist das trotzdem eine unglaublich krasse Ungleichverteilung der Vermögen. Die 5 Prozent reichsten Deutschen verfügen über mehr Vermögen als die übrigen 95 Prozent.[3] Im Zuge der fortschreitenden Arbeitsverlagerung von Menschen auf Roboter und künstliche Intelligenz wird die Vermögenskonzentration fortschreiten. Wenn wir nicht entschieden gegensteuern, wird daraus ein Sprengsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, an dem weder Arm noch Reich Interesse haben können.

*

Schon mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel der letzten Jahrzehnte sind Brüche in Biografien einhergegangen, die längst nicht verarbeitet sind. Unternehmen, die Generationen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Beschäftigung geboten hatten, existieren nicht mehr. Aber nicht nur das: Es gibt auch die Nachfrage nach der Art der Arbeit nicht mehr, wie sie über Jahrzehnte bestand. So wandelte sich zwar die Wirtschaft erfolgreich, aber viele der ehemals dort Beschäftigten wandelten sich nicht im selben Maß mit. Besonders die geringer Qualifizierten hielten mit dem Wandel nicht Schritt.

Dieser Bruch betrifft mehr als eine Generation. Er setzt sich bei vielen, die herausgefallen sind, auch in den Folgegenerationen fort. Die Abkopplung eines Teils der Gesellschaft unterscheidet Regionen im Umbau von Regionen im Aufbau. Es gibt in vom industriellen Strukturwandel geprägten Gegenden einen deutlich höheren Anteil von sogenannten Transferempfängern. Die einmal entstandene Unwucht wird vom freien Spiel der Marktkräfte nicht aufgehoben – im Gegenteil: Sie nimmt zu. Kinder von Transferempfängern werden mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit als ihre Altersgenossen aus Beschäftigtenfamilien auch wieder Transferempfänger. In seinem Buch »Das gespaltene Land«[4] hat der Journalist Alexander Hagelüken am Beispiel von Pirmasens, der einstigen Metropole der Schuhproduktion in Deutschland, und des Reichendomizils Starnberg plastisch beschrieben, wie unterschiedlich die Erfolgschancen von Kindern innerhalb Deutschlands sind und wo die Gründe dafür liegen.Der Strukturwandel hat Menschen abgehängt

Umbrüche dieser Art treffen aber längst nicht mehr nur Standorte der Grundstoff- und Schwerindustrie, der Werften oder jener Konsumgüter, deren Produktion in Billiglohnländer abgewandert ist. Was gestern Kohle und Stahl waren, können schon morgen der Verbrennungsmotor und die darauf zugeschnittene Zulieferindustrie sein, ganz zu schweigen von den radikalen Umbrüchen, die Digitalisierung und künstliche Intelligenz mit sich bringen werden. Tätigkeiten mit hohen Routineanteilen fallen nicht nur in der Industrie weg, sondern auch im Dienstleistungsbereich. Und die Digitalisierung, das wissen wir längst, wird nicht bei einfacher Routinearbeit ohne hohe Qualifikation haltmachen. Software verknüpft Wissen, Roboter lernen denken. Schon lange erledigen Roboter und Softwarelösungen auch anspruchsvolle Dienstleistungen. Als Valerie Holsboer, Vorstand Ressourcen bei der Bundesagentur für Arbeit, beim Kölner Arbeitgebertag 2017 beschrieb, dass auch Steuerberatung zu den Tätigkeiten gehöre, die schon bald zu einem großen Teil digital ohne Steuerberater zu erledigen seien, ging ein Raunen durch das Publikum. Das hatte bis dahin anscheinend noch gar nicht realisiert, womöglich selbst zu den potenziellen Opfern der Digitalisierung zu gehören – wenn auch mit besseren Chancen für eine Anschlussbeschäftigung, als sie Geringqualifizierte haben.Wandel kommt von allein. Seine Sozialverträglichkeit nicht

Natürlich hat es immer Wandel gegeben. Aber der derzeitige Wandel stellt besonders hohe Anforderungen an neue Infrastrukturen und Kenntnisse, für die nur mit öffentlichem Geld in allen Teilen des Landes gesorgt werden kann. Auch das Ziel, mit Bildung und Qualifizierung wenigstens in der Folgegeneration dafür zu sorgen, dass aus Transferempfängern wieder Steuerzahler werden, erreichen wir nicht durch die Senkung staatlicher Ausgaben. Im Gegenteil: Auch dazu sind massive finanzielle Anstrengungen notwendig.