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Der Band enthält zahlreiche Übungsfälle und ausgewählte Übungsklausuren zu allen relevanten Steuerrechtsgebieten: - Abgabenordnung - Einkommensteuer - Buchführungstechnik und Bilanzsteuerrecht - Umsatzsteuer - Bewertung - Grundsteuer und Erbschaftsteuer - Lohnsteuer - GewerbesteuerAls effektive Lernkontrolle die ideale Ergänzung zu den übrigen Bänden der Reihe. Zudem ermöglicht das Buch eine optimale Prüfungsvorbereitung: Studierende können sich mit der erforderlichen Klausurtechnik vertraut machen, sie lernen die Fälle in der vorgegebenen Dauer zu bearbeiten und die zulässigen Hilfsmittel richtig einzusetzen. Rechtsstand: 1. Juni 2024
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Seitenzahl: 545
Veröffentlichungsjahr: 2024
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ISBN 978-3-7910-6380-5
Bestell-Nr. 20200-0006
ePub:
ISBN 978-3-7910-6381-2
Bestell-Nr. 20200-0101
ePDF:
ISBN 978-3-7910-6382-9
Bestell-Nr. 20200-0155
Jörg Ramb/David Jauch/Mario Ehrensberger/Dominik Fuhrmann
Steuerrecht in Übungsfällen / Klausurentraining
16. überarbeitete und aktualisierte Auflage, August 2024
© 2024 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
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Jörg Ramb
Diplom-FinanzwirtDozent an der Hochschule für FinanzenRheinland-Pfalz in Edenkoben
David Jauch
Diplom-FinanzwirtDozent an der Hochschule für FinanzenRheinland-Pfalz in Edenkoben
Mario Ehrensberger
Diplom-FinanzwirtDozent an der Hochschule für FinanzenRheinland-Pfalz in Edenkoben
Dominik Fuhrmann
Diplom-Finanzwirt
Dozent an der Hochschule für Finanzen
Rheinland-Pfalz in Edenkoben
Bearbeiterübersicht
Ehrensberger: Teil A
Fuhrmann: Teil CJauch: Teile B, F, GRamb: Teile D, E
In diesem Buch finden Sie Übungsfälle aus den wichtigsten Steuergebieten. Die Übungsfälle sind nach Themenbereichen gegliedert und angelehnt an den Stoffgliederungsplan des Grundstudiums der Ausbildung des gehobenen Dienstes in der Finanzverwaltung.
Die Übungen haben den Zweck, den Lehrstoff, der in der Reihe »Grundkurs des Steuerrechts« behandelt wird, anhand zusätzlicher Übungen zu vertiefen. Aus diesem Grund ist der vorliegende Band zum einen als Ergänzung zur Lehrbuchreihe und zum anderen zur Klausur- und Prüfungsvorbereitung sehr gut geeignet.
Dieses Übungsbuch will alle Einsteiger ins Steuerrecht ansprechen, insbesondere:
die Anwärter des gehobenen und mittleren Dienstes der Finanzverwaltung,
Studierende an den Universitäten bzw. Fachhochschulen,
Rechtsreferendare mit Schwerpunkt Steuerrecht,
Steuerfachanwälte,
Steuerfachassistenten,
Steuerfachangestellte,
Bilanzbuchhalter und
Praktiker zur Überprüfung ihres steuerlichen Wissens.
Die Ausbildung der Steuerbeamten des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung ist im Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz (StBAG) geregelt. Einzelregelungen zu Ausbildung und Prüfung enthält die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamten (StBAPO). Nach § 55 Abs. 1 StBAPO ist während des Grundstudiums aus jedem Gebiet der Zwischenprüfung mindestens eine Aufsichtsarbeit zu fertigen. Nach § 64 Abs. 1 StBAPO umfasst die Zwischenprüfung fünf Aufgaben aus folgenden Gebieten:
Abgabenordnung (ohne Vollstreckungs- und Steuerstrafrecht),
Steuern vom Einkommen und Ertrag,
Umsatzsteuer,
Bilanzsteuerrecht, Betriebliches Rechnungswesen,
Öffentliches Recht oder Öffentliches Recht in Kombination mit Privatrecht.
Durch unsere langjährige Dozententätigkeit wissen wir aus eigener Erfahrung, wie notwendig das Lösen von Klausuraufgaben zur Vorbereitung auf die Zwischenprüfung ist. Die ausgewählten Übungs- und Zwischenprüfungsklausuren sind speziell für die Finanzanwärter im Grundstudium I konzipiert. Aber auch für andere Benutzer des Bandes stellen die Klausuren eine wertvolle Überprüfungsmöglichkeit ihres Wissens dar. Das Fach »Bewertungsrecht und Vermögensbesteuerung« ist ab Juli 2012 nicht mehr Gegenstand der Zwischenprüfung. Im weiteren Verlauf des Grundstudiums sind jedoch auch in diesem Fach Aufsichtsarbeiten zu fertigen. Aus diesem Grund enthält der Band auch diesbezügliche Übungsklausuren.
Durch das Üben der Klausuren soll außerdem ein Zeitgefühl vermittelt werden, da jede Klausur unter Zeitdruck geschrieben wird. Die Bearbeitungszeit sämtlicher Klausuren ist auf drei Zeitstunden festgelegt. Sie sollten daher versuchen, die Klausuren innerhalb der vorgegebenen Zeit und nur mit den vorgegebenen Hilfsmitteln zu lösen.
Bevor Sie mit der Bearbeitung der Klausuren beginnen, empfehlen wir Ihnen, unsere Anleitung zur Anfertigung von Klausurlösungen zu beachten. Hier werden wichtige Tipps zum Aufbau und zur Begründung der Lösungsschritte gegeben.
Die Übungsfälle und die Klausuren entsprechen dem Rechtsstand von Ende Juni 2024; alle bis zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Rechtsvorschriften sind berücksichtigt.
Durch die Übungsfälle einerseits und das Klausurentraining andererseits steht dem Benutzer dieses Buches eine optimale Überprüfungsmöglichkeit der erworbenen fachtheoretischen Kenntnisse zur Verfügung, die für den Erfolg unerlässlich ist.
Wir wünschen allen Lesern für die Ausbildung und Prüfung viel Erfolg.
Edenkoben, im Juli 2024
Die Autoren
A
Abschnitt
a. a. O.
am angeführten Ort
Abs.
Absatz
AEAO
Anwendungserlass zur Abgabenordnung
AEB
Altersentlastungsbetrag
AfA
Absetzung für Abnutzung
AK
Anschaffungskosten
AO
Abgabenordnung
a. o. Aufwand
außerordentlicher Aufwand
a. o. Ertrag
außerordentlicher Ertrag
ArbG
Arbeitgeber
ArbN
Arbeitnehmer
BAföG
Bundesausbildungsförderungsgesetz
BewG
Bewertungsgesetz
BewRGr
Bewertungsrichtlinien Grundvermögen
BFH
Bundesfinanzhof
BGA
Betriebs- und Geschäftsausstattung
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl
Bundesgesetzblatt
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BStBl
Bundessteuerblatt
Buchst.
Buchstabe
BV
Betriebsvermögen
bzgl.
bezüglich
DFB
Deutscher Fußballbund
EBK
Eröffnungsbilanzkonto
ErbSt
Erbschaftsteuer
ErbStG
Erbschaftsteuergesetz
ErbStR
Erbschaftsteuer-Richtlinien
ESt
Einkommensteuer
EStDV
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
EStG
Einkommensteuergesetz
EStH
Einkommensteuer-Hinweise
EStR
Einkommensteuer-Richtlinien
ETW
Eigentumswohnung
EU
Europäische Union
EUSt
Einfuhrumsatzsteuer
FA
Finanzamt
ff.
fortfolgende
GewSt
Gewerbesteuer
GewStG
Gewerbesteuergesetz
GewStR
Gewerbesteuer-Richtlinien
GG
Grundgesetz
grds.
grundsätzlich
GrStG
Grundsteuergesetz
G+V
Gewinn und Verlust
GWG
Geringwertiges Wirtschaftsgut
H
Hinweis
HGB
Handelsgesetzbuch
HS
Halbsatz
i. d. F.
in der Fassung
i. d. R.
in der Regel
i. H. d.
in Höhe der/des
i. H. v.
in Höhe von
InvZulG
Investitionszulagengesetz
i. S. d.
im Sinne des
i. U.
im Umkehrschluss
i. V. m.
in Verbindung mit
KapESt
Kapitalertragsteuer
KfzStG
Kraftfahrzeugsteuergesetz
Kj.
Kalenderjahr
KSt
Körperschaftsteuer
KStG
Körperschaftsteuergesetz
LSt
Lohnsteuer
LStH
Lohnsteuer-Hinweise
LStR
Lohnsteuer-Richtlinien
OFD
Oberfinanzdirektion
OHG
Offene Handelsgesellschaft
PartGG
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
Pkw
Personenkraftwagen
qm
Quadratmeter
R
Richtlinie
RAP
Rechnungsabgrenzungsposten
Rz.
Randziffer
s. a.
siehe auch
SBK
Schlussbilanzkonto
sog.
sogenannte
SolZ
Solidaritätszuschlag
StGB
Strafgesetzbuch
StI
Steuerinspektor
StOI
Steueroberinspektor
Stpfl.
Steuerpflichtiger
u. a.
unter anderem
USt
Umsatzsteuer
UStAE
Umsatzsteuer-Anwendungserlass
UStDV
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
UStG
Umsatzsteuergesetz
USt-VA
Umsatzsteuer-Voranmeldung
VermBG
Vermögensbildungsgesetz
WBK
Warenbestandskonto
WEK
Wareneinkaufskonto
WG
Wirtschaftsgut
Wj.
Wirtschaftsjahr
WoBP
Wohnungsbauprämie
WoPG
Wohnungsbauprämiengesetz
WVK
Warenverkaufskonto
z. B.
zum Beispiel
Ein Klausurtext enthält in der Regel Sachverhalt, Aufgabenstellung, Bearbeitungshinweise und Anlagen.
Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über sämtliche Teile der Klausur. Sollte die Arbeit aus mehreren völlig selbständigen Fällen bestehen, so ist die Reihenfolge der Bearbeitung in Ihr Belieben gestellt.
Lesen Sie vollständig und gründlich den Sachverhalt (Fallschilderung oder Aktenauszug). Versuchen Sie nicht, den Fall sogleich zu lösen.
Lesen Sie genau die Fragestellung und die Bearbeitungshinweise. Beantworten Sie nur die tatsächlich gestellten Fragen. Gehen Sie nicht auf Probleme ein, nach denen gar nicht gefragt ist. Sie verlieren dadurch nur Zeit und schaffen zusätzliche Fehlerquellen.
Nachdem Sie die Fragestellung erfasst haben und das Ziel der verlangten Lösungen kennen, lesen Sie den Sachverhalt nochmals unter Berücksichtigung der Fragestellung durch, wobei Sie komplizierte Sachverhalte wie folgt ordnen sollten:
die Sachverhalte, die Ihrer Ansicht nach auf jeden Fall rechtserheblich für die Lösung sind, und
die Sachverhalte, deren Bedeutung Sie noch nicht einschätzen können.
Bei mehreren Beteiligten oder bei mehreren Orten oder bei mehreren Lieferungen oder Rechtsbeziehungen fertigen Sie eine Skizze an.
Mit dem zweiten Lesen ist die Arbeit am Sachverhalt noch nicht abgeschlossen. Sie müssen auch bei Ihren folgenden rechtlichen Überlegungen und beim Niederschreiben Ihrer Lösung immer wieder den Sachverhalt und die Fragestellung heranziehen.
Sind Sie sich über Sachverhalt und Aufgabenstellung im Klaren, so brauchen Sie noch nicht die Lösung sofort bei der Hand zu haben. Die Aufgaben sind gewöhnlich so gewählt, dass sie Nachdenken erfordern. Sie haben deshalb keinen Grund zur Unruhe, wenn Sie eine gestellte Frage nicht sofort beantworten können. Gehen Sie vielmehr ruhig und überlegt an die Lösung heran.
Fertigen Sie wegen der beschränkten Zeit nicht zuerst eine Lösung im Konzept und dann in Reinschrift an, sondern beginnen Sie, wenn Ihnen der Lösungsweg in Gedanken klar ist, sogleich mit der Niederschrift.
Bearbeiten Sie die Fragen in der vorgegebenen Reihenfolge, da die Aufgabenteile häufig logisch aufeinander aufbauen; es sei denn, die Aufgabe besteht aus voneinander unabhängigen (Teil-)Sachverhalten. Wenn die Aufgabe eine bestimmte Gliederung der Lösung vorschreibt, halten Sie sich an diese Gliederung.
Gliedern Sie Ihre Lösung durch Überschriften, damit der Leser sofort erkennt, welche Sachverhalte bzw. Vorschriften Sie prüfen. Ebenso ist es zweckmäßig, die Gliederung des Aufgabentextes nach Ziffern oder Buchstaben in die Lösung zu übernehmen.
Stellen Sie kurz vor Abgabe fest, dass in Ihrer Lösung ein Fehler enthalten ist, so sollten Sie dies in der Arbeit auf alle Fälle kenntlich machen, auch wenn es Ihnen zeitlich nicht mehr gelingt, die entsprechenden Folgeänderungen durchzuführen.
Ihre Aufgabe besteht darin, den Lebenssachverhalt unter bestimmte Rechtsnormen zu subsumieren, um entscheiden zu können, ob und welche Rechtsfolgen die Sachverhaltselemente nach sich ziehen. Sie müssen daher zunächst die gesetzlichen Bestimmungen und Verwaltungsanweisungen finden und erörtern, ob sie für die Lösung erheblich sind oder sein können.
Fällt Ihnen keine passende Bestimmung ein, helfen Ihnen die Überschriften zu den Abschnitten der in Betracht kommenden Gesetze sowie die Sachregister der Gesetze und der Richtlinien. Lesen Sie auch die Normen, auf die verwiesen wird.
Nachdem Sie nun die zutreffenden Vorschriften gefunden haben, die für Ihre Lösung bedeutsam sein könnten, beginnt Ihre eigentliche Arbeit: Sie prüfen anschließend, ob alle Tatbestandsmerkmale der Norm durch den Lebenssachverhalt erfüllt sind (Subsumtion).
Glauben Sie nicht, dass Sie den Wortlaut irgendeiner Norm auswendig kennen. Überprüfen Sie Ihr Wissen durch Nachlesen der Norm. Ihr Argument, Sie hätten in der Klausur keine Zeit zum Nachlesen, zeigt nur, dass Sie ohne Konzept an die Lösung herangehen, nicht exakt arbeiten wollen und bereit sind, viele vermeidbare Fehler in Ihre Lösung aufzunehmen. Beschränken Sie Ihre Untersuchung auf das Wesentliche.
Was Sie erörtern, muss zu der gestellten Frage in Beziehung stehen und der Lösung dienen. Sie sollten nicht zeigen, was Sie alles wissen. Sie sollten nur zeigen, dass Sie
die Frage verstanden und
das Problem erkannt haben,
die Lösung geben und
diese auch begründen können.
Zur richtigen Lösung gehört, dass Sie schlüssig (folgerichtig) darlegen, warum die geprüfte Norm zutrifft oder nicht anzuwenden ist. Der Sachverhalt wird als bekannt vorausgesetzt und braucht von Ihnen nicht wiederholt zu werden. Sie müssen Ihre Lösung begründen, sonst ist sie fehlerhaft. Es genügt nicht, einfach Behauptungen niederzuschreiben.
Die Begründung geben Sie dadurch, dass Sie die oben beschriebene Subsumtion auch schriftlich in Ihrer Lösung durchführen. Hierbei muss auf die Beziehung der jeweiligen Teile des Sachverhalts zu dem maßgeblichen Tatbestandsmerkmal eingegangen werden.
Liegt ein Tatbestandsmerkmal zweifelsfrei vor, ist die Begründung knapp, dagegen muss die Begründung bei Zweifeln ausführlicher sein. Wenn Sie unsicher sind, erörtern Sie alle Tatbestandsmerkmale.
Begründen Sie Ihre Lösung mit einem genauen Zitat gesetzlicher Vorschriften. Hat der Steuerpflichtige bestimmte Ansichten geäußert, muss in der Begründung darauf eingegangen werden.
Wenn Sie eine Lösung niedergeschrieben haben, müssen Sie sie darauf überprüfen, ob Ihre Aussage nicht in Widerspruch zu Ihren früheren oder späteren Aussagen in der Lösung steht.
Führt Ihre Lösung dazu, dass Sie größere Teile des Klausurfalles »abschneiden«, d. h., dass es auf diese gar nicht mehr ankommt, so sollten Sie noch einmal genau überdenken, ob Ihre Lösung richtig ist. Nur ausnahmsweise sollten Sie zu einem Hilfsgutachten kommen, d. h. erörtern, wie der Fall zu lösen wäre, wenn Sie die entscheidende, die Fall-Lösung abschneidende Vorschrift anders anwenden bzw. auslegen würden.
Auch bei rechnerischen Ergebnissen sollten Sie prüfen, ob Ihr Ergebnis stimmen kann.
Sollten Sie wesentlich vor Abgabeschluss mit der Klausurbearbeitung fertig sein, so überprüfen Sie noch einmal genau, ob Sie nichts übersehen haben.
Diese Anleitung allein kann Sie nicht befähigen, gute Klausuren zu schreiben. Dazu gehört eine gewisse Sicherheit des steuerlichen Wissens und auch eine Arbeitstechnik, die nur durch ständiges Üben erworben werden kann. Es ist deshalb zwingend erforderlich, über die offiziellen Übungsklausuren während der Ausbildung hinaus viele weitere Klausuren und Fälle zu lösen, wobei Ihnen der vorliegende Band eine wertvolle Hilfe sein soll.
AUFGABE
Prüfen Sie, ob die Abgabenordnung (AO) in folgenden Fällen nach § 1 AO anwendbar ist!
Ist die AO uneingeschränkt für die ESt bzw. den ESt-Erstattungsanspruch anwendbar?
Gilt die AO für die Wohnungsbauprämie und die Investitionszulage?
Gilt die AO auch für steuerliche Nebenleistungen?
Ist die AO für die Realsteuern anwendbar?
Gilt die AO auch bei Leistung von Rechts- oder Amtshilfe?
LÖSUNG
Die AO gilt für alle Steuern (§ 3 Abs. 1 AO), die durch Bundesrecht (oder Recht der EU) geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Die ESt ist eine Bundessteuer, die durch Landesfinanzbehörden verwaltet wird. Gem. § 1 Abs. 1 AO ist die Abgabenordnung für die ESt uneingeschränkt anwendbar. Die AO gilt auch für Steuererstattungen; diese sind als Umkehr der Steuerentrichtung bereits durch den Begriff der Steuer in den Anwendungsbereich mit einbezogen (AEAO zu § 1 Nr. 1).
Für die von den Landesfinanzbehörden verwalteten, durch Bundesrecht geregelten übrigen öffentlich-rechtlichen Abgaben, Prämien und Zulagen wird die Geltung der AO durch die jeweiligen Rechtsvorschriften bestimmt. Gem. § 8 WoPG sind auf die WoBP die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO, mit gewissen Einschränkungen, entsprechend anzuwenden.
Die Anwendung der AO für die InvZul ergibt sich aus § 14 InvZulG 2010 (s. a. AEAO zu § 1 Nr. 2).
Gem. § 1 Abs. 3 AO sind die Vorschriften der AO grundsätzlich sinngemäß auf die steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) anzuwenden. Ausgenommen sind die Bestimmungen über die Festsetzung, Außenprüfung, Steuerfahndung und Steueraufsicht in besonderen Fällen (§§ 155 bis 217 AO), soweit sie nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt worden sind (§ 155 Abs. 3 Satz 2, § 156 Abs. 2 AO).
Für die Realsteuern (§ 3 Abs. 2 AO) gilt die AO gem. § 1 Abs. 2 nur für die dort abschließend aufgeführten Bestimmungen. Soweit die Realsteuern von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, ist die AO nach § 1 Abs. 1 in vollem Umfang anzuwenden.
Für die Durchführung der Amtshilfe durch die Finanzbehörde ist gem. § 114 die AO anwendbar.
AUFGABE
Welches Gesetz regelt die Einteilung der Steuern nach der Steuerhoheit? Nennen Sie die entsprechenden Vorschriften.
Nennen Sie darüber hinaus weitere Einteilungskriterien mit jeweils, soweit möglich, zwei Beispielen.
LÖSUNG
Das Grundgesetz (GG) regelt die Einteilung der Steuern nach der Steuerhoheit:
im Art. 105 GG die Gesetzgebungshoheit,
im Art. 106 GG die Ertragshoheit,
im Art. 108 GG die Verwaltungshoheit.
Steuern werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt:
Besitzsteuern:
Steuern vom Besitz: Erbschaftsteuer.
Steuern vom Ertrag: Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer.
Verkehrssteuern:
Umsatzsteuer,
Grunderwerbsteuer,
Kraftfahrzeugsteuer,
Versicherungssteuer.
Zölle.
Verbrauchsteuern: Kaffee-, Tabak-, Mineralöl-, Strom-, Biersteuer.
Personensteuern: Einkommensteuer, Körperschaftsteuer.
Sachsteuern: Realsteuern.
Direkte Steuern: Steuerschuldner und Steuerträger sind identisch; Besitzsteuern.
Indirekte Steuern: Steuerschuldner und Steuerträger sind verschiedene Personen; USt, Verbrauchsteuern.
Festsetzungssteuern: Hierunter fallen die meisten Steuern, z. B. Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Erbschaftssteuer.
Abzugssteuern: Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Zinsabschlagsteuer.
SACHVERHALT
ArbG A beschäftigt in seinem Gewerbebetrieb 20 ArbN. A selbst ist gem. § 238 HGB zur Buchführung verpflichtet und wird zur ESt veranlagt.
Hinweis:
Zum Betriebsvermögen des A gehört u. a. ein Pkw.
AUFGABE
Welche Steuerpflicht- und Steuerschuldverhältnisse werden für A begründet?
LÖSUNG
Zu den Pflichten, die nach § 33 Abs. 1 AO dem Stpfl. A auferlegt werden, gehören:
eine Steuer als Steuerschuldner, Haftender oder für Rechnung eines anderen zu entrichten,
die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen gem. § 149 AO.
Gem. § 43 AO bestimmen die Steuergesetze, wer Steuerschuldner oder Gläubiger einer Steuervergütung ist. Sie bestimmen auch, ob ein Dritter die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat.
Steuerschuldner und somit Steuerpflichtiger ist A aufgrund der von ihm abzugebenden Steuererklärungen:
ESt-Erklärung § 25 Abs. 3 EStG, § 56 EStDV. Steuerschuldner ist gem. § 36 Abs. 4 EStG der Stpfl. A.
USt-Voranmeldungen bzw. USt-Erklärung § 18 Abs. 1 und Abs. 3 UStG. Steuerschuldner ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der Unternehmer A.
GewSt-Erklärung § 14a GewStG. Steuerschuldner ist gem. § 5 GewStG der Gewerbetreibende A.
Kfz-Steuer. Steuerschuldner ist gem. § 7 KfzStG die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist.
LSt-Anmeldungen. Gem. § 38 Abs. 3 EStG hat der ArbG die LSt für Rechnung des ArbN bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und abzuführen (§ 41a EStG). Der ArbN ist jedoch Schuldner der LSt (§ 38 Abs. 2 EStG); eine Ausnahme besteht bei pauschaliertem Arbeitslohn (vgl. § 40 Abs. 3 EStG).
Die Folgen der nicht fristgerechten und der unterlassenen Abgabe der Steuererklärungen ergeben sich aus § 152 AO (Verspätungszuschlag), § 162 AO (Schätzung von Besteuerungsgrundlagen) und §§ 328 ff. AO (Zwangsmittel). Die Folgen der nicht fristgerechten bzw. unterlassenen Zahlung ergeben sich aus § 240 AO (Säumniszuschläge) und aus den Vorschriften über die Vollstreckung (§§ 249 ff. AO).
Zur Steuerpflicht des A gehört weiterhin, dass er zur Mitwirkung und Auskunft in eigener Steuersache (§§ 90, 93, 200 AO) verpflichtet ist. Zur Steuerpflicht des A gehört auch die Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§§ 140 ff. AO), die ordnungsgemäße Kontenführung (§ 154 AO) und ggfs. die Pflicht zur Sicherheitsleistung (§ 241 AO). Gem. § 42d EStG haftet A als ArbG für die LSt, die er einzubehalten und abzuführen hat.
Nicht unter den Begriff des Steuerpflichtigen fällt (§ 33 Abs. 2 AO), wer in einer für ihn fremden Steuersache tätig wird oder werden soll (s. a. AEAO zu § 33 Nr. 2).
SACHVERHALT
Toni Trappa (T. T.), ein Fußballtrainer, ist unbeschränkt ESt-pflichtig. Am 11.11.07 schickt er seine ESt-Erklärung 06 mit der Post an sein zuständiges FA in Mannheim. Am 13.11.07 erhalten der zuständige Sachbearbeiter, StOI Huddel und sein Mitarbeiter, der Angestellte Schlupf, die Erklärungen. Der Amtsbote, Amtsmeister A, hat den Auftrag, die Steuerakten des T. T. vom Teilbezirk zum Sachgebietsleiter, Oberregierungsrat Eilig, zu bringen. A blättert dabei in den Steuerakten und erfährt erstmalig die Einkünfte des T. T. Beim abendlichen Stammtisch erzählt A die Neuigkeiten.
Eilig lässt abends die Akten des T. T. auf seinem Schreibtisch liegen. Die Putzfrau Reinig nimmt während der Reinigungsarbeiten Einsicht in die Akten.
Am nächsten Morgen fragt ein Zeitungsreporter bei Eilig an, ob es stimme, dass T. T. 500 000 € pro Jahr verdiene. Nach einem Blick in die Steuerakten des T. T. bestätigt Eilig diese Vermutung.
Während des Dienstes erörtert Eilig mit dem Kollegen Blitz unter Namensnennung die steuerlichen Probleme des T. T. Blitz erzählt dies alles seiner Frau.
Da T. T. mit ca. 100 000 € Steuerschulden rückständig ist, versucht der Vollziehungsbeamte Ruck gem. §§ 285 ff. AO die Pfändung. Trotz mehrmaliger Aufforderung der Vollstreckungsstelle war die Wohnung des T. T. jedes Mal verschlossen und T. T. nicht anzutreffen. Aus diesem Grund erwirkt die Vollstreckungsstelle beim zuständigen Amtsgericht gem. § 287 Abs. 4 AO eine richterliche Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung des T. T. Bei der daraufhin durchgeführten Wohnungsöffnung hat der Vollziehungsbeamte den Polizeibeamten Scharf als Zeugen zugezogen (§ 288 AO). Nach der durchgeführten Pfändung erzählt Scharf im Kollegenkreis von der luxuriösen Wohnung des T. T.
Während der Durchsuchung der Wohnung des T. T. findet der Vollziehungsbeamte Ruck Unterlagen über beträchtliche Schmiergeldzahlungen an diverse Fußballspieler anderer Vereine. Er meldet diesen Fund dem zuständigen Sachgebietsleiter Eilig. Eilig überlegt, ob er diese Bestechungen (Schmiergeldzahlungen) an den DFB und die Staatsanwaltschaft weiterleiten soll.
Weiterhin findet der Vollziehungsbeamte Unterlagen über nicht erklärte Einnahmen des T. T., die aus Erpressungen stammen. Der Vollziehungsbeamte fertigt eine Kontrollmitteilung für den Veranlagungsbezirk und die Steuerstrafsachenstelle. Diese eröffnet daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen T. T. (§§ 385 ff. AO).
Im Ermittlungsverfahren der Steuerstrafsachenstelle wird aufgrund eigener Ermittlungen bekannt, dass T. T. Mitglied einer Hehlerbande ist, die gestohlene Fahrzeuge ins Ausland verschiebt. Die Steuerstrafsachenstelle meldet diesen Vorfall der zuständigen Staatsanwaltschaft.
Am 05.03.08 geht beim FA Mannheim ein Schreiben des ehemaligen Geschäftsführers Flachs des Fußballvereins ein, bei dem T. T. zurzeit als Trainer beschäftigt ist. In diesem Schreiben beschuldigt Flachs den Verein, an T. T. Schwarzgelder i. H. v. 200 000 € gezahlt zu haben. Nach Ermittlungen des FA handelt es sich dabei um nachweislich falsche Anschuldigungen (vgl. § 165 StGB). Der Sachgebietsleiter Eilig möchte daraufhin Flachs der Staatsanwaltschaft melden.
Ein weiterer Denunziant bezichtigt T. T. in einem Schreiben vom 04.04.08 an den Veranlagungsbezirk des FA Mannheim, verschiedene außersteuerliche Straftaten begangen zu haben. StOI Huddel möchte diese Straftaten der zuständigen Staatsanwaltschaft anzeigen.
Im Zuge weiterer Ermittlungen im Verwaltungsverfahren in Steuersachen des T. T. bittet StOI Huddel den Bruder des T. T., Herrn Paul Trappa (P. T.) und den Steuerberater des Herrn T. T. um Auskunft (vgl. § 93 AO). Durch die Aussagen beider Befragten kommen weitere außersteuerliche Straftaten des T. T. zu Tage. Die Befugten wurden nicht über Auskunftsverweigerungsrechte belehrt.
AUFGABE
Prüfen Sie, ob die im Sachverhalt genannten Personen das Steuergeheimnis verletzt haben und ob ggf. ein befugtes bzw. unbefugtes Offenbaren vorliegt.
LÖSUNG
Amtsbote A: Der Amtsbote (Amtsmeister = Beamter) ist Amtsträger gem. § 7 Nr. 1 AO (s. a. AEAO zu § 7 Nr. 1) und muss nach § 30 Abs. 1 AO das Steuergeheimnis wahren (AEAO zu § 30 Nr. 2.1). Ausgangspunkt für die Kenntniserlangung war die dienstliche Tätigkeit des A. Mit Weitergabe dieser Kenntnisse hat A unbefugt offenbart und deshalb das Steuergeheimnis verletzt (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO).
Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was dem Amtsträger bekannt geworden ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsachen für die Besteuerung von Bedeutung sind oder nicht (s. a. AEAO zu § 30 Nr. 1).
ORR Eilig:
Eilig hat, als Amtsträger i. S. d. § 7 Nr. 1 AO, durch Liegenlassen der Akten (Möglichkeit der Einsichtnahme) unbefugt offenbart und dadurch das Steuergeheimnis verletzt. Offenbaren ist jedes Verhalten, durch das eine Bekanntgabe an einen anderen tatsächlich erfolgt oder ermöglicht wird (AEAO zu § 30 Nr. 3). Dies kann durch Tun, Dulden oder Unterlassen geschehen.
Offenbarung ist jedes ausdrückliche oder konkludente Verhalten, aufgrund dessen Verhältnisse eines anderen bekannt werden können. Eine Offenbarung kann sich aus mündlichen, schriftlichen oder elektronischen Erklärungen, aber auch aus anderen Handlungen (z. B. Gewährung von Akteneinsicht, Kopfnicken usw.) oder Unterlassungen ergeben.
Mit der Bestätigung des Gerüchts verletzt Eilig das Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 AO). Er hat unbefugt offenbart.
Eilig verletzt das Steuergeheimnis durch unbefugtes Offenbaren, indem er mit Kollege Blitz, unter Namensnennung, die steuerlichen Probleme des T. T. erläutert. Auf den Offenbarungswillen des Eilig kommt es nicht an. Ein Offenbaren liegt demnach auch vor, wenn der zur Geheimhaltung Verpflichtete nicht offenbaren wollte.
Blitz: Blitz hat das Steuergeheimnis nicht verletzt, da er die Verhältnisse des T. T. nicht in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen erfahren hat.
Polizist Scharf: Scharf ist Amtsträger gem. § 7 Nr. 1 AO. Der Polizist hat die Kenntnisse in Ausübung der dienstlichen Verpflichtung erlangt; er ist im Vollstreckungsverfahren tätig (Verwaltungsverfahren in Steuersachen). Scharf verletzt das Steuergeheimnis, da er unbefugt im Kollegenkreis von der Wohnungseinrichtung des T. T. erzählt. Die Wohnungseinrichtung ist u. a. ein durch § 30 AO geschütztes Verhältnis eines anderen (s. a. AEAO zu § 30 Nr. 1.2).
Vollziehungsbeamter Ruck: Ruck hat durch die Meldung der Schmiergeldzahlungen an den zuständigen Sachgebietsleiter Eilig das Steuergeheimnis nicht verletzt, da das Offenbaren gem. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO steuerlich notwendig war. § 30 Abs. 4 Nr. 1 lässt eine Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens oder eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens zu. Es genügt, dass das Offenbaren für die Einleitung oder den Fortgang dieses Verfahrens nützlich sein könnte (AEAO zu § 30 Nr. 4.1).
Weiterleitung an den DFB und Staatsanwaltschaft: Eilig darf die Schmiergeldzahlungen nicht mitteilen, weil er die Kenntnisse im Verwaltungsverfahren in Steuersachen und nicht in einem Steuerstraf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren erlangt hat (kein Rechtfertigungsgrund gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a AO; AEAO zu § 30 Nr. 7).
Meldung der Steuerstrafsachenstelle an die Staatsanwaltschaft: Die Mitgliedschaft in einer Hehlerbande wurde gem. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO in einem Steuerstrafverfahren bekannt. In diesem Fall ist ein Offenbaren an die Staatsanwaltschaft gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a AO zulässig.
Anschuldigungen des Flachs: Eine Meldung an die Staatsanwaltschaft wegen einer falschen Anschuldigung (§ 165 StGB) ist gem. § 30 Abs. 5 AO zulässig. Auch der Name des Denunzianten darf bekannt gegeben werden (AEAO zu § 30 Nr. 12). § 30 Abs. 5 AO lässt eine Offenbarung nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu.
Schreiben vom 04.04.08: Diese außersteuerlichen Straftaten dürfen nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a AO nicht an die Staatsanwaltschaft offenbart werden, da sie nicht im Steuerstrafverfahren erlangt worden sind. Auch der Name des Anzeigenden ist als Teil der Verhältnisse eines anderen (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 AO) geschützt und darf nicht offenbart werden (AEAO zu § 30 Nr. 1.4). Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b und Abs. 5 AO kann allerdings eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses zulässig und in besonders gelagerten Einzelfällen sogar geboten sein (vgl. AEAO zu § 30 Nr. 13).
Aussagen des Bruders und des Steuerberaters: Die Aussage des Bruders Paul darf für Strafverfolgungszwecke nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Paul ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 AO Angehöriger. Angehörige können gem. § 101 Abs. 1 AO die Auskunft verweigern. Sie sind aber über das Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. Die durch die Aussage des Bruders bekannt gewordenen außersteuerlichen Straftaten können nur gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO befugt offenbart werden, wenn sie unter Verzicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind. Da Paul über sein Auskunftsverweigerungsrecht nicht belehrt wurde, hat er auch nicht darauf verzichtet (AEAO zu § 30 Nr. 10.2).
Dem Steuerberater steht ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO zu, ohne allerdings darüber belehrt worden zu sein. Die Aussage des Steuerberaters kann gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO der Staatsanwaltschaft offenbart werden, da der Steuerberater mit seiner Aussage auf sein Auskunftsverweigerungsrecht verzichtet hat.
AUFGABE
In welchen Vorschriften der AO ist der Angehörigenbegriff von Bedeutung?
StI Schlumpf liegen die USt-Erklärungen folgender Personen zur Bearbeitung vor:
der ehemaligen Verlobten des Schlumpf, Paule Peters,
seines Vaters,
von dem Ehegatten des Bruders seiner Frau,
von dem unehelichen Kind seiner Frau,
von dem Kind aus der ersten Ehe seines Vaters,
von dem Ehegatten des Bruders seiner Mutter.
Prüfen Sie, ob StI Schlumpf gem. § 82 Abs. 1 Nr. 2 AO die Veranlagungen der o. g. Personen durchführen darf.
LÖSUNG
§ 82 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AO: In einem Verwaltungsverfahren darf nicht tätig werden, wer Angehöriger eines Beteiligten ist bzw. wer Angehöriger einer Person ist, die für einen Beteiligten in diesem Verfahren Hilfe in Steuersachen leistet.
§ 101 AO: Auskunfts- und Eidesverweigerungsrecht der Angehörigen (vgl. Lösung Nr. 10 zu Übung 4).
§ 103 AO: Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit.
Wegen der Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 82 AO wird auf §§ 125 und 127 AO hingewiesen (AEAO zu § 82 Nr. 1).
Angehörige ist gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 AO nur die Verlobte, nicht die ehemalige Verlobte. Schlumpf darf nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 AO die Veranlagung durchführen. Beachte allerdings § 83 AO. Zur Besorgnis der Befangenheit siehe AEAO zu § 83.
Der Vater ist mit Schlumpf 1. Grades gerader Linie (§§ 1589 und 1590 BGB) verwandt und somit Angehöriger gem. § 15 Abs. 1 Nr. 3 AO.
Verschwägert ist man mit den Ehegatten seiner Verwandten und mit den Verwandten seines Ehegatten (§ 1590 BGB). Schlumpf ist mit dem Ehegatten des Bruders seiner Frau nicht verschwägert (Schwippschwager) und darf ihn somit veranlagen.
Verschwägert ist man mit den Verwandten seines Ehegatten. Das Kind ist mit Schlumpfs Frau verwandt 1. Grades gerader Linie. Somit ist Schlumpf mit diesem Kind verschwägert 1. Grades gerader Linie (Stiefkind) und Angehöriger nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 AO. Schlumpf darf sein Stiefkind nicht veranlagen.
Schlumpf und das Kind aus der ersten Ehe seines Vaters sind Halbgeschwister, da sie einen Elternteil gemeinsam haben. Schlumpf ist daher gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 AO Angehöriger und darf Geschwister nicht veranlagen.
Verschwägert ist man mit den Ehegatten seiner Verwandten. Der Bruder von Schlumpfs Mutter ist sein Onkel. Mit ihm ist Schlumpf im 3. Grad Seitenlinie verwandt. Mit dessen Frau ist Schlumpf im 3. Grad Seitenlinie verschwägert. Eine Angehörigeneigenschaft gem. § 15 AO liegt nicht vor; Schlumpf ist gem. § 82 AO nicht vom Verwaltungsverfahren ausgeschlossen.
SACHVERHALT
Trude Tümpel erhält vom FA Stuttgart ein Schreiben, in dem Trude aufgefordert wird, innerhalb eines Monats eine ESt-Erklärung für das Kj. 19 abzugeben. Die ESt-Formulare sind beigefügt. Zusätzlich wird in dem Schreiben auf die Möglichkeit der Erklärungsabgabe in elektronischer Form hingewiesen.
Aufgrund eines Computerfehlers erhält der Stpfl. Berni Bambel den vom Rechenzentrum erstellten ESt-Bescheid 19 ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Der Bescheid enthält keine Unterschrift eines zuständigen Beamten. Im Anschriftenfeld ist Berni Bambel genannt und die ESt 19 ist richtig i. H. v. 10 000 € im Bescheid ausgewiesen. Aufgrund des Computerfehlers ist die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und der Absender des Bescheids nicht zu erkennen.
AUFGABE
Prüfen Sie,
ob bei beiden Sachverhalten ein Verwaltungsakt vorliegt und
ob bei Sachverhalt 2 Fehler gegeben sind und welche Auswirkungen diese Fehler auf den Verwaltungsakt haben.
LÖSUNG
Das Schreiben des FA stellt einen Verwaltungsakt gem. § 118 Satz 1 AO dar. Es handelt sich um eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde (FA). Die Maßnahme beruht auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (§ 149 AO). Sie ist auf einen Einzelfall bezogen, da sie eine bestimmte Person und einen konkreten Sachverhalt betrifft (Aufforderung, dass Trude eine Steuererklärung abzugeben hat). Die Regelung hat unmittelbare Außenwirkung (Bekanntgabe). Der Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Erklärungsabgabe stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern ist lediglich eine Information seitens der Finanzbehörde.
Der ESt-Bescheid ist ein Verwaltungsakt gem. § 118 Satz 1 AO. Es handelt sich um eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen.
Die ESt-Festsetzung ist ein Steuerbescheid, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO, für den die Form- und Inhaltsvorschriften des § 157 AO gelten. Ein Steuerbescheid muss nach § 157 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich erlassen werden; diese Voraussetzung ist erfüllt.
Verwaltungsakte müssen nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Für Steuerbescheide gelten die Inhaltsbedingungen des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO. Danach muss die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag angegeben sein; hier: ESt 19 10 000 €. Der Steuerschuldner muss ersichtlich sein; hier: Berni Bambel.
Nach § 121 Abs. 1 AO sind schriftliche Verwaltungsakte zu begründen, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist. In einem Steuerbescheid stellt die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens die Begründung dar. Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist gem. § 157 Abs. 2 AO ein unselbstständiger Teil des Steuerbescheids. Die fehlende Begründung macht den Steuerbescheid nicht nichtig, sondern nur fehlerhaft (kein Fall des § 125 Abs. 1 und 2 AO). Der Fehler kann nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO geheilt werden.
Dem Steuerbescheid ist gem. § 157 Abs. 1 Satz 3 AO eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen. Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung hat keine Auswirkung auf den Steuerbescheid selbst. Dies hat lediglich zur Folge, dass gem. § 356 Abs. 1 AO die Einspruchsfrist nicht beginnt und gem. § 356 Abs. 2 AO ein Einspruch innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Steuerbescheids eingelegt werden kann.
Nach § 119 Abs. 3 Satz 1 AO muss ein schriftlicher Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mithilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können aber Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen (§ 119 Abs. 3 Satz 2 AO). Da der ESt-Bescheid mithilfe der elektronischen Datenverarbeitung erstellt wurde, konnte zu Recht auf die Unterschrift verzichtet werden.
Der Steuerbescheid lässt allerdings die erlassende Behörde nicht erkennen (§ 119 Abs. 3 AO). Der Steuerbescheid ist daher nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nichtig und gem. § 124 Abs. 3 AO unwirksam.
SACHVERHALT
Klaus Bübchen, geb. am 11.11.05, betreibt seit März 22 mit Zustimmung seiner Eltern und mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in Landau/Pfalz einen Teeladen »Zum runden Beutel«. Die ESt- und USt-Erklärung für das Jahr 22 geht am 15.05.23 beim FA Landau ein. Aus der ESt-Erklärung ergeben sich folgende Einkünfte:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb:
2 000 €
Einkünfte aus Kapitalvermögen:
1 234 €
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:
7 200 €
Hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen wird nach § 32d Abs. 6 EStG die Günstigerprüfung beantragt.
Beide Erklärungen wurden von den Eltern unterschrieben. Beide Steuerbescheide wurden mit einfachem Brief am 15.09.23 zur Post gegeben. Aufgrund einer vorliegenden Kontrollmitteilung wird die ESt- und USt-Veranlagung abweichend von den Erklärungen durchgeführt.
AUFGABE
Welche abgabenrechtlichen Überlegungen sind im Zusammenhang mit den abgegebenen Steuererklärungen und der Bekanntgabe der Steuerbescheide anzustellen?
Wie müssen die Steuerbescheide adressiert werden?
LÖSUNG
Zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärungen am 15.05.23 ist Bübchen noch nicht 18 Jahre alt (Vollendung des 18. Lebensjahres mit Ablauf des 10.11.23: §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB). Bübchen ist daher nicht handlungsfähig nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Abgabe von Steuererklärungen und die Bekanntgabe von Steuerbescheiden (Verfahrenshandlungen) sind daher nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 112 BGB vorliegen.
USt-Erklärung:
Bübchen könnte handlungsfähig sein, soweit er durch Ermächtigung zum Betreiben des Teeladens für die USt als partiell geschäftsfähig anzusehen ist. Gem. § 112 BGB umfasst die Ermächtigung den gesamten betrieblichen Bereich. Da die USt aber auch die steuerfreien Vermietungsumsätze erfasst, ist Bübchen für die USt nicht handlungsfähig. Folglich war es richtig, dass die Eltern als gesetzliche Vertreter des Bübchen (§ 34 Abs. 1 AO, § 1629 BGB) die USt-Erklärung 22 unterschrieben haben. Eine Steuererklärung ist gem. § 150 Abs. 3 AO eigenhändig zu unterschreiben.
ESt-Erklärung:
Die ESt erfasst über den rein betrieblichen Bereich hinaus auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung von Verpachtung. Bübchen ist auch für die ESt nicht partiell geschäftsfähig und somit auch nicht nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 AO handlungsfähig. Folglich war es richtig, dass die Eltern die ESt-Erklärung 22 unterschrieben haben (s. a. AEAO zu § 122 Nr. 2.2.3 Abs. 2).
Beide Bescheide sind an die Eltern als den gesetzlichen Vertretern bekannt zu geben (vgl. AEAO zu § 122 Nr. 2.2). Dies muss in der Adressierung zum Ausdruck kommen, da sonst der Bescheid gegenüber Bübchen unwirksam ist.
Anschriftenfeld:
Herrn Paul BübchenFrau Paula BübchenKurbrunnenweg 1576829 LandauBescheidkopf: Als gesetzliche Vertreter (Bekanntgabeadressaten) von Klaus Bübchen (Steuerschuldner und Inhaltsadressat).
Anmerkung zum USt-Bescheid:
Steuern werden grundsätzlich gem. § 155 Abs. 1 AO durch Steuerbescheid festgesetzt. Nach § 167 Abs. 1 AO ist bei Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 2 AO) eine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt. Ansonsten wirkt eine Steueranmeldung gem. § 168 Satz 1 AO, mit Eingang beim FA, wie eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.
SACHVERHALT
Die ESt-Erklärungen des Lorenz Liebling (L), geb. am 02.01.02, für die Kj. 18 und 19 werden von den Eltern des L am 20.01.19 und am 30.01.22 beim FA Landau abgegeben. Sie enthalten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Der Steuerbescheid für das Kj. 18 ging am 12.06.19 und der Bescheid für das Kj. 19 am 12.12.22 zur Post. Beide Bescheide wurden an L adressiert. Den Bescheid 18 gab L sofort nach Erhalt an seine Eltern weiter, den Bescheid 19 behielt er selbst.
AUFGABE
Ist die Abgabe der Steuererklärungen 18 und 19 durch die Eltern des L zulässig?
Wurden die Steuerbescheide 18 und 19 wirksam bekannt gegeben?
LÖSUNG
L vollendet erst mit Ablauf des 01.01.20 sein 18. Lebensjahr (§ 188 Abs. 2 i. V. m. § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB). In den Veranlagungszeiträumen 18 und 19 war er noch minderjährig. L ist für die Abgabe der ESt-Erklärungen nicht handlungsfähig. Die Pflichten des L sind von seinen gesetzlichen Vertretern (Eltern) nach § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen. Die ESt-Erklärung für das Kj. 18 konnte nur von den Eltern des L abgegeben werden.
Besteht das Einkommen eines Minderjährigen ausschließlich aus Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit und hat der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen zur Eingehung des Dienstverhältnisses ermächtigt (§ 113 BGB), ist bei einer Veranlagung nach § 46 EStG der Steuerbescheid an den Minderjährigen bekannt zu geben (AEAO zu § 122 Nr. 2.2.3 Satz 3).
Mit Ablauf des 01.01.20 ist L volljährig und somit unbeschränkt geschäftsfähig. Er hätte die Erklärung für das Kj. 19 nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 AO selbst wirksam abgeben können. Die Vertretungsmacht der Eltern ist mit Eintritt der Volljährigkeit erloschen. Das Erlöschen der Vertretungsmacht lässt jedoch gem. § 36 AO die nach § 34 AO entstandenen Pflichten unberührt, soweit diese einen Zeitraum betreffen, in dem die Vertretungsmacht bestanden hat und soweit der Verpflichtete sie auch tatsächlich erfüllen kann. Die Abgabe der Steuererklärung durch die Eltern war zulässig.
Eine wirksame Bekanntgabe setzt voraus, dass sie an den Adressaten erfolgt (§ 122 Abs. 1 AO). Im Kj. 19 ist L für die Inempfangnahme des Steuerbescheids 18 nicht handlungsfähig. Bekanntgabeadressat sind die Eltern als gesetzliche Vertreter. Die Bekanntgabe an L (Steuerschuldner und Inhaltsadressat) ist unwirksam. Der Bekanntgabemangel kann auch nicht dadurch geheilt werden, dass L seinen Eltern den Bescheid aushändigte.
Im Jahr der Bekanntgabe des ESt-Bescheids 19 war L bereits volljährig und handlungsfähig (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die an ihn erfolgte Bekanntgabe ist somit wirksam.
SACHVERHALT
Die Eltern (Anton und Maria Huber) als gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen (Hans Huber) haben einen Steuerberater (Anton Schulz) bevollmächtigt, den Steuerbescheid in Empfang zu nehmen.
AUFGABE
Unter welchen Voraussetzungen kann an einen Bevollmächtigen (z. B. Steuerberater) bekannt gegeben werden?
Wer ist Steuerschuldner, Adressat und Empfänger und wer ist im Anschriftenfeld des Bescheids zu benennen?
Welche Rechtsfolge tritt ein, wenn im Anschriftenfeld nicht die richtige Person bezeichnet ist?
LÖSUNG
Gem. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann (Ermessen § 5 AO) ein Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Der einem Steuerberater erteilte Auftrag zur Erstellung und Einreichung der Steuererklärungen schließt in der Regel seine Bestellung als Empfangsbevollmächtigten nicht ein. Hat der Stpfl. dem FA ausdrücklich mitgeteilt, dass er seinen Vertreter auch zur Entgegennahme von Steuerbescheiden ermächtigt, sind diese grundsätzlich dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, sodass die Ermessensentscheidung auf null reduziert ist (AEAO zu § 122 Nr. 1.7.3).
Steuerschuldner und damit Inhaltsadressat ist der Minderjährige. Er muss im Bescheid so eindeutig bezeichnet werden, dass keine Zweifel über die Identität bestehen (§ 122 Abs. 1 AO).
Die Person, der ein Verwaltungsakt bekannt zu geben ist, wird als Bekanntgabeadressat bezeichnet. Im Normalfall ist der Steuerschuldner auch Bekanntgabeadressat. Als Adressat kommen aber auch Dritte in Betracht, wenn sie für den Steuerschuldner steuerliche Pflichten zu erfüllen haben (gesetzliche Vertreter, Eltern). Ist der Adressat nicht mit dem Steuerschuldner identisch, so ist er zusätzlich zum Steuerschuldner anzugeben.
Als Empfänger wird derjenige bezeichnet, dem der schriftliche Verwaltungsakt tatsächlich zugehen soll, damit er durch Bekanntgabe wirksam wird. In der Regel ist der Steuerschuldner nicht nur Adressat, sondern auch Empfänger des Verwaltungsaktes.
Im Anschriftenfeld ist der Empfänger zu benennen.
Anschriftenfeld:
Herrn Steuerberater
Anton Schulz
Poststraße 15
67480 Edenkoben
Im Bescheid:
Für Herrn Anton Huber und Frau Maria Huber (Bekanntgabeadressaten) als gesetzliche Vertreter des Hans Huber (Steuerschuldner und Inhaltsadressat).
Wird ein Verwaltungsakt dem betroffenen Steuerpflichtigen bekannt gegeben und hierdurch eine von ihm erteilte Bekanntgabevollmacht zugunsten seines Bevollmächtigten ohne besondere Gründe nicht beachtet, wird der Bekanntgabemangel durch die Weiterleitung des Verwaltungsaktes an den Bevollmächtigten geheilt. Die Frist für einen außergerichtlichen Rechtsbehelf beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Bevollmächtigte den Verwaltungsakt nachweislich erhalten hat (AEAO zu § 122 Nr. 1.7.4).
SACHVERHALT
Die von beiden Ehegatten unterschriebene ESt-Erklärung 22 für Adam und Eva Parade, Weinstraße 50, 67480 Edenkoben, geht am 15.05.23 beim zuständigen FA Landau ein. Der Erklärung beigefügt ist ein Schreiben der Eheleute, in dem sie dem FA mitteilen, dass sie seit 13.03.23 getrennt leben. Ab 13.03.23 lebt der Ehemann in Cannes (Frankreich) unter folgender Anschrift: Rue de l’Adverge 14, 08015 Cannes. Die Ehefrau wohnt weiterhin unter der dem FA bekannten Adresse. Mit Einwilligung der Ehefrau beantragt der Ehemann, den Steuerbescheid an seine Adresse in Frankreich zu schicken.
AUFGABE
Wie viele Steuerbescheide liegen rechtlich vor?
Adressieren Sie und erläutern Sie den Steuerbescheid 22 für die Eheleute Parade.
Wann und aufgrund welcher Handlung wurde der Steuerbescheid wirksam?
LÖSUNG
Die Ehegatten sind im Fall der ESt-Zusammenveranlagung stets Gesamtschuldner (§ 44 AO). Gem. § 155 Abs. 3 Satz 1 AO kann daher gegen sie ein zusammengefasster Steuerbescheid erlassen werden. Dabei handelt es sich formal um die Zusammenfassung zweier Bescheide zu einer nur äußerlich gemeinsamen Festsetzung.
Anschrift:
Herrn
Adam Parade
Rue de l’Adverge 14
08015 Cannes (Frankreich)
Erläuterung im Bescheid:
Der Bescheid ergeht an Sie zugleich mit Wirkung für und gegen Ihre Ehefrau Eva Parade.
Eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 AO kann grundsätzlich nicht erfolgen, weil die Ehegatten keine gemeinsame Anschrift haben. Da die Ehefrau aber mit der Bekanntgabe an den Ehemann Adam einverstanden ist, ist die Übermittlung des Steuerbescheids an einen der Ehegatten zugleich mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten gem. § 122 Abs. 6 AO zulässig.
Der Steuerbescheid wird mit Bekanntgabe wirksam (§ 124 Abs. 1 AO). Eine Bekanntgabe nach Frankreich ist mit einfachem Brief möglich (AEAO zu § 122 Nr. 1.8.4). Gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO gilt der Steuerbescheid einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
SACHVERHALT
Die Steuerbescheide 22 in Übung 7 wurden lt. Absendevermerk des FA am 15.09.23 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Klaus Bübchen überweist die festgesetzte USt und ESt am 19.11.23 (ESt-Zahlung 4 798 €). Die Gutschrift auf dem Konto der Finanzkasse erfolgte am 24.11.23.
Am 19.11.23 legt Bübchen gegen den ESt-Bescheid Einspruch ein und beantragt zu Recht weitere Betriebsausgaben. Weiterhin legt er in diesem Schreiben dar, dass der ESt-Bescheid erst am 18.10.23 zugegangen ist. Auf dem Briefumschlag, der dem Schreiben beiliegt, ist das Datum des Poststempels der 16.10.23.
AUFGABE
Ist der Einspruch fristgerecht eingegangen?
Fallen zur ESt-Abschlusszahlung 22 Säumniszuschläge an?
LÖSUNG
Gegen den Steuerbescheid ist gem. § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO der Einspruch gegeben. Zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs (Eingang beim FA Landau am 19.11.23) war Bübchen handlungsfähig gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Einspruchsfrist beträgt gem. § 355 Abs. 1 Satz 1 AO einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes.
Aufgabe zur Post lt. Absendevermerk: 15.09.23
Bekanntgabe, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO: 18.09.23
Ende der Rechtsbehelfsfrist
(§ 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB): 18.10.23
Bübchen behauptet, dass der Bescheid erst am 18.10.23 zugegangen ist. Nach § 122 Abs. 2 AO hat das FA im Zweifel den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Allerdings wird bei einem Zugang nach der Drei-Tage-Regelung die Beweislast umgekehrt. Der Stpfl. muss den untypischen Geschehensablauf darlegen. Diesen Beweis konnte Bübchen mit dem Briefumschlag führen. Somit kann der 15.09.23 nicht als Tag der Aufgabe zur Post angesehen werden. Es ist für die weitere Beurteilung davon auszugehen, dass die Bekanntgabe am 18.10.23 erfolgte. Das Ende der Rechtsbehelfsfrist ist daher der 18.11.23. Da der Einspruch erst am 19.11.23 beim Finanzamt eingeht, ist er verspätet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO liegen nicht vor. Dagegen spricht auch nicht, dass bis zum Ablauf des 10.11.23 noch die Eltern als gesetzliche Vertreter einspruchsbefugt waren. Gem. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen.
Der ESt-Bescheid wird am 18.10.23 mit der Bekanntgabe wirksam (§ 124 Abs. 1 AO). Gem. § 220 Abs. 1 AO i. V. m. § 36 Abs. 4 EStG ist die ESt-Abschlusszahlung i. H. v. 4 798 € am 18.11.23 fällig. Da der Überweisungsbetrag dem Konto der Finanzkasse erst am 24.11.23 gutgeschrieben wird, gilt die Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO erst an diesem Tag als entrichtet und der ESt-Anspruch nach § 47 AO als erloschen.
Die Säumnis beginnt daher am 19.11.23. Für den angefangenen Monat der Säumnis ist nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1 % von 4 750 € = 47,50 € Säumniszuschlag zu entrichten. Der Säumniszuschlag wird jedoch nach § 240 Abs. 3 AO bei einer Säumnis von 3 Tagen nicht erhoben. Die Schonfrist beginnt am 19.11.23 und endet am 21.11.23. Da die Zahlung nach Ablauf der Schonfrist erfolgte, ist der Säumniszuschlag i. H. v. 47,50 € zu erheben.
SACHVERHALT
Der ESt-Bescheid für das Kj. 22 der Eheleute Jupp und Ursula Schnieder wurde am Mittwoch, dem 28.08.24, zur Post gegeben und am 29.08.24 vom Briefträger in den Hausbriefkasten der Schnieders eingeworfen. Jupp öffnete den Brief sofort und stellte fest, dass das FA Landau eine Steuernachforderung i. H. v. 3 330 € forderte.
Am Freitag, den 04.10.24, ging bei der Finanzkasse Landau ein Scheck des Jupp Schnieder i. H. v. 1 330 € ein, der am 08.10.24 seinem Bankkonto belastet wurde. Den Restbetrag über 2 000 € überwies Jupp. Den entsprechenden Überweisungsauftrag erteilte er seiner Bank bereits am Donnerstag, dem 31.10.24, die diesen auch umgehend ausführte. Dennoch wurde der Betrag erst am Dienstag, dem 05.11.24 auf dem Konto der Finanzkasse gutgeschrieben.
AUFGABE
Prüfen Sie, ob und ggf. in welcher Höhe Säumniszuschläge zur ESt 22 zu erheben sind.
LÖSUNG
Gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Säumniszuschlag verwirkt, wenn die Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Die ESt-Abschlusszahlung ist einen Monat nach Bekanntgabe des ESt-Bescheids fällig (§ 220 Abs. 1 AO i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Der durch die Post übermittelte ESt-Bescheid gilt am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Postaufgabetag: 28.08.24 (Mittwoch)
Bekanntgabetag: 31.08.24 (Samstag)
Die Dreitagesfrist zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsaktes zur Post und seiner vermuteten Bekanntgabe (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) verlängert sich (§ 108 Abs. 3 AO), wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Samstag fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag ( AEAO zu § 108 AO Nr. 2).
Bekanntgabetag somit: 02.09.24 (Montag)
Der Umstand, dass Jupp den Steuerbescheid tatsächlich früher erhalten hat, spielt bei der Bekanntgabevermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, zugunsten des Stpfl., keine Rolle.
Berechnung der Zahlungsfrist (Fälligkeit)
Beginn: 03.09.24 (Dienstag), 0.00 Uhr
(§ 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB)
Dauer: 1 Monat
(§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG)
Ende: 02.10.24 (Mittwoch), 24.00 Uhr
(§ 108 Abs. 1 i. V. m. §§ 188 Abs. 2 und Abs. 3 BGB)
Da Jupp die ESt-Abschlusszahlung nach Ablauf des Fälligkeitstages (02.10.24) entrichtete, sind Säumniszuschläge entstanden. Sie betragen für jeden angefangenen Monat der Säumnis 1 % des rückständigen abgerundeten Steuerbetrages. Abzurunden ist auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag. Zu beachten ist jedoch, dass bei einer Säumnis bis zu drei Tagen ein (entstandener) Säumniszuschlag nicht erhoben wird (Zahlungsschonfrist, § 240 Abs. 3 AO).
Berechnung der Zahlungsschonfrist
Beginn: 03.10.24 (Donnerstag), 00.00 Uhr
Dauer: 3 Tage
(§ 240 Abs. 3 AO)
Ende: 06.10.24 (Sonntag), 24.00 Uhr
(§ 188 Abs. 1 BGB)
Da der 06.10.24 ein Sonntag ist, endet die Zahlungsschonfrist gem. § 188 Abs. 1 BGB mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages, hier am 07.10.24 (Montag), 24.00 Uhr (§ 108 Abs. 3 AO).
Die Scheck-(Teil-)Zahlung i. H. v. 1 300 € gilt nach § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO drei Tage nach dem Tag des Eingangs des Schecks am 07.10.24 als entrichtet. An sich liegt eine Teilzahlung innerhalb der Zahlungsschonfrist vor. Die Säumnisschonfrist gilt aber nicht bei einer Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO (Übergabe oder Übersendung von Zahlungsmitteln). Da die Scheckzahlung zwei Tage nach der Fälligkeit (02.10.24) erfolgte, ist der entstandene Säumniszuschlag von 33 € (1 % von 3 300 €) zu erheben.
Der erste Säumnismonat beginnt am 03.10.24 und endet am 02.11.24. Zu Beginn des zweiten Säumnismonats am 03.11.24 ist noch ein Betrag i. H. v. 2 000 € offen.
Die Restzahlung über 2 000 € erfolgte am 05.11.24 (Gutschrift auf dem Konto der Finanzkasse, § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO). Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits ein weiterer Säumnismonat (vom 03.11.24 – 02.12.24) zu laufen begonnen, weshalb ein weiterer Säumniszuschlag i. H. v. 20 € (1 % von 2 000 €) verwirkt ist. Die zur ESt 02 insgesamt zu entrichtenden Säumniszuschläge belaufen sich demnach auf 53 €. Die Eheleute Schnieder schulden diesen Betrag als Gesamtschuldner (§§ 44 Abs. 1, 240 Abs. 4 AO i. V. m. §§ 26, 26b EStG).
AUFGABE
Welche Verwaltungsakte stehen kraft Gesetzes unter Vorbehalt der Nachprüfung?
Gegen eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung legt der Stpfl. form- und fristgerecht Einspruch ein. Nehmen Sie kurz zu a) und b) Stellung.
Der Stpfl. macht in seinem Einspruch nur Einwände gegen den Vorbehalt geltend.
Der Stpfl. wendet sich gegen den Grund und die Höhe der Steuerfestsetzung.
Nach einer Außenprüfung hebt das FA den Vorbehalt gem. § 164 Abs. 3 Satz 3 AO auf. Welche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hat der Stpfl. nach der erfolgten Vorbehaltsaufhebung?
Nach einer Außenprüfung ändert das FA den ESt-Bescheid des Jahres 19 gem. § 164 Abs. 2 AO, da der BFH mit einem Urteil aus dem Jahr 19 seine bisherige Rechtsprechung zuungunsten des Stpfl. geändert hat.
LÖSUNG
Kraft Gesetzes stehen unter Vorbehalt der Nachprüfung
die Vorauszahlungsbescheide (§ 37 Abs. 3 EStG, § 164 Abs. 1 Satz 2 AO),
die Bildung der Lohnsteuerabzugsmerkmale (§ 39 Abs. 1 Satz 4 EStG) sowie
die Steueranmeldungen (§ 18 UStG; § 41a EStG; § 164 Abs. 1 Satz 2 AO).
Der Vorbehaltsvermerk ist eine unselbstständige Nebenbestimmung und kann daher nicht selbstständig mit dem Einspruch angefochten werden (§ 120 Abs. 1 AO). Der Stpfl. muss deshalb, wenn er eine endgültige Steuerfestsetzung erreichen will, den Bescheid insgesamt mit der Begründung anfechten, dass die Voraussetzungen für eine Vorbehaltsfestsetzung nicht vorlägen (BFH vom 25.10.1989, BStBl II 1990, 278). In den meisten Fällen wird ein Einspruch gegen die Vorbehaltsfestsetzung mit dem Ziel einer endgültigen Steuerfestsetzung zwar zulässig, aber unbegründet sein, es sei denn, der Vorbehaltsvermerk des angefochtenen Bescheids war rechtswidrig, weil im Zeitpunkt der Veranlagung der Steuerfall bereits abschließend geprüft war (z. B. durch eine Außenprüfung).
Der Stpfl. wendet sich in diesem Fall nicht gegen den Vorbehalt, sondern gegen die Steuer selbst. Gem. § 367 Abs. 2 Satz 1 AO ist die Sache vom FA in vollem Umfang erneut zu prüfen; das bedeutet, dass auch der aufgrund der Einspruchserledigung ergehende Verwaltungsakt wieder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen kann. Auch die Einspruchsentscheidung kann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (§ 365 Abs. 1 AO). Im Einspruchsverfahren gelten die für den angefochtenen Verwaltungsakt maßgebenden Vorschriften sinngemäß, also auch § 164 AO. Wird im Einspruchsverfahren der Steuerbescheid geändert, so ist die maßgebliche Änderungsvorschrift nicht der § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO, sondern der § 164 Abs. 2 AO.
Nach § 367 Abs. 2a AO kann das FA vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Das FA hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.
Gegen die Aufhebung des Vorbehalts ist der Einspruch möglich, denn nach § 164 Abs. 3 Satz 2 AO steht die Aufhebung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Es gelten die Regelungen der §§ 155, 157 AO. In einem Einspruch kann der Stpfl. alle bisher zurückgehaltenen Argumente nunmehr letztmals ohne Einschränkungen vortragen.
Der ESt-Bescheid 19 kann grds. gem. § 164 Abs. 2 AO uneingeschränkt geändert werden, da der gesamte Steuerfall wegen des wirksamen Vorbehalts der Nachprüfung offen ist (s. a. AEAO zu § 164 Nr. 4). Die Grundsätze des Vertrauensschutzes nach § 176 AO sind aber zu beachten. Nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO darf die neue Rechtsprechung des BFH zuungunsten des Stpfl. aus dem Jahr 19 bei der Änderung nicht berücksichtigt werden (s. a. AEAO zu § 176 Nr. 2). Der Änderungsbescheid ist daher rechtswidrig und anfechtbar.
SACHVERHALT
Claus Thaler (C. T.) ist Wirt der Gaststätte »Zum blauen Jupp« in Landau. C. T. gibt seine USt-Voranmeldungen monatlich beim FA Landau ab. Bei der USt-Voranmeldung (USt-VA) für den Monat Mai 22 (05/22) hat sich Folgendes ereignet:
C. T. hat die USt-VA 05/22 fristgerecht am 10.06.22 beim FA Landau eingereicht. Die Zahllast betrug 6 300 €. Anfang Juli 22 stellte C. T. fest, dass er die Vorsteuer aus den im Mai angeschafften neuen Küchengeräten für seine Gaststättenküche in der USt-VA 05/22 nicht geltend gemacht hatte. Er reichte daraufhin am 12.07.22 eine berichtigte USt-VA beim FA ein. Die Zahllast in dieser USt-VA betrug 3 700 €. Die Rechnung über die Küchengeräte legte er in Kopie bei. Das FA erstattete den zu viel bezahlten Betrag i. H. v. 2 600 € am 21.07.22.
Anfang August fiel dem zuständigen Bearbeiter beim FA Landau zufällig auf, dass C. T. die Vorsteuer aus dem Rechnungsbetrag vor Abzug eines Preisnachlasses abgezogen hatte. Nach Berechnung des Bearbeiters beträgt die Zahllast für den Monat Mai 3 900 € (zutreffend!).
AUFGABE
Schildern Sie den verfahrensrechtlichen Ablauf unter Angabe der gesetzlichen Bestimmungen ab Eingang der ersten Voranmeldung am 10.06.22 bis zur Entdeckung des Fehlers Anfang August.
Kann das FA den vom zuständigen Bearbeiter aufgedeckten Fehler korrigieren? Wenn ja, wie?
LÖSUNG