STILLER TOD - Rachel Amphlett - E-Book

STILLER TOD E-Book

Rachel Amphlett

4,0

Beschreibung

Dan Taylor hat zwei Mordanschläge überlebt. Der Rest seines Teams wird vermisst, und jetzt hat auch noch eine Terrorgruppe radioaktive Isotope aus einem streng geheimen Regierungsprojekt gestohlen. Kann Dan Taylor eine Atomkatastrophe auf britischem Boden verhindern? Während der Premierminister beschließt, die Stellung des Landes in der Europäischen Union neu zu verhandeln und Geschäfte hinter verschlossenen Türen besiegelt werden, stolpert Dan über eine Verschwörung, die das Land bis ins Mark erschüttern wird. Wenn seine Mission scheitert, werden seine Feinde die britische Regierung stürzen und Dan wird ein gesuchter Mann sein. Doch wenn er Erfolg haben will, muss er alles opfern …

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Stiller Tod

Rachel Amphlett

© Copyright 2015 Rachel Amphlett

Keine Vervielfältigung oder Weitergabe ohne Genehmigung. Die Namen, Charaktere und Ereignisse in diesem Buch werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich lebenden oder toten Menschen, Ereignissen oder Orten ist rein zufällig.

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: THREE LIVES DOWN Copyright Gesamtausgabe © 2019 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Wolfgang Schroeder Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2019) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-441-8

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Stiller Tod
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Danksagung
Über die Autorin

Kapitel 1

Captain Matt Ryan presste seinen Rücken gegen die harte Oberfläche des Notsitzes im Heck des Lynx MK9 Hubschraubers. Als der Helikopter scharf nach rechts abdrehte, versuchte er, die aufsteigende Übelkeit zu ignorieren.

Normalerweise störte es Matt nicht, wenn ihm während eines Fluges schlecht wurde, das war schließlich jedem schon irgendwann einmal passiert. Doch der Sanitäter, der ihm gegenübersaß, war neu im Team … jung und ohne Kampferfahrung, und er hatte bestimmt keine Lust darauf, seinem kommandierenden Offizier dabei zuzusehen, wie dieser in den Gang zwischen die Sitze kotzte.

Also hob Matt den Kopf etwas und grinste sein Gegenüber an. »Na, schon nervös, Thompson?«

Es war nicht zu erkennen, ob der Sanitäter noch bleicher wurde. Er wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab und rief dann über den Lärm der Rotoren: »Nur ein wenig, Sir.«

Matt blinzelte ihm beruhigend zu. »Daran gewöhnt man sich nie«, schrie er zurück, »ich zum Beispiel kotze immer kurz vor der Landung.«

»Deshalb sitzen wir ihm auch nicht mehr gegenüber!«

Der Zwischenruf kam von einem großen Soldaten, der sich ein Stück weiter in Richtung Rumpf in einen Sitz gequetscht hatte. Die Männer neben Matt brachen in Gelächter aus.

Erleichtert bemerkte er, wie sich der junge Sanitäter anschloss und dankte Sergeant Simon Blake insgeheim dafür, dass er die Stimmung ein bisschen aufgelockert hatte.

»Noch fünf Minuten!«

Die Meldung, die aus seinem Kopfhörer dröhnte, holte ihn augenblicklich in die Realität und zu dem Auftrag zurück, den sie zu erledigen hatten. Im Inneren des Hubschraubers breitete sich Stille aus, als jeder den Plan ein letztes Mal rekapitulierte. Seit einer guten Stunde flogen sie nun schon durch die Dunkelheit, die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, kurz nachdem sie den deutschen Luftraum verlassen hatten. Inzwischen nutzte der Pilot die volle Kapazität der Nachtflugsichtgeräte seines Hubschraubers.

Der Helikopter begann jetzt schnell abzusteigen und als Matts Ohren mit einem Ploppen den Druck ausglichen, sagte ihm seine Erfahrung, dass sie gerade die Grenze überquert hatten.

Das war sozusagen ihr Point of no Return.

Stattdessen drängte der Hubschrauber weiter vorwärts, seine Motoren trieben ihn durch die Nacht. Matt stellte sich vor, wie sich die getarnte Außenhaut des Helikopters in die Landschaft einfügte und sie unsichtbar durch das Gebirge flogen, das ihnen den Weg zu ihrem Ziel wies.

Er hatte die letzten achtundvierzig Stunden damit verbracht, über topologische Karten und anschließend über den Bauplänen des Gebäudes zu brüten, um die Mission mit seinen Vorgesetzten zu planen, die Risiken zu diskutieren und seine Taktik für den Fall, dass alles glatt verlief, aber auch für die Möglichkeit, dass die Mission fehlschlug, darzustellen.

Irgendwann war der Generalmajor von dem Fenster zurückgetreten, durch das er einige Zeit gestarrt hatte, und hinter ihm war auf dem Fluss der dunkle Umriss der HMS Belfast aufgetaucht.

»Ist es das Risiko wirklich wert?«, hatte er gefragt.

Ein zweiter Mann hatte abrupt seinen Stuhl vom Tisch zurückgeschoben und Matt hatte kalten Stahl in seinen Augen glitzern sehen, bevor der Mann antwortete.

»Ja, das ist es«, hatte er gesagt. »Wir werden bedroht und er ist enttarnt worden. Wir brauchen ihn hier. Und zwar jetzt.«

Das Treffen war nach zwei Stunden beendet worden, nachdem der Plan fertiggestellt worden war.

Matts Magen zog sich instinktiv zusammen, als der Helikopter mit einem schnellen, Übelkeit erregenden, Sinkflug begann.

»Zwei Minuten!«

»Macht euch für den Ausstieg bereit!«, schrie Matt.

Die letzte Minute war wie immer nervenaufreibend, obwohl er wusste, dass der Auspuff des Lynx mit Diffusern ausgestattet war, die verhindern sollten, dass ein feindliches Radar ihre Hitzesignatur aufspüren konnte. Aus dem gleichen Grund war der Lynx auch in der Lage, die eigene elektronische Signatur zu verzerren.

Sie flogen so leise und unsichtbar wie nur möglich und dazu in einem der schnellsten Luftfahrzeuge der Army.

Adrenalinschübe schossen durch seinen Körper, als er sich den Zweck ihrer Mission noch einmal vergegenwärtigte: Holt ihn da raus. Bringt ihn nach London zurück, und zwar lebend.

»Tot ist keine Option«, hatte der mysteriöse Mann bei der Besprechung gesagt und Matt dabei angestarrt. »Haben Sie das verstanden?«

»Ja, Sir.«

Matt hatte bereits gestanden, als der Mann seinen Stuhl nach hinten geschoben hatte und den Raum verließ. Sobald die Tür wieder zugefallen war, hatte sich Matt an seinen Vorgesetzten gewandt. »Was ist hier los, Sir?«

Der Generalmajor hatte mit den Schultern gezuckt. »Zur Hölle, wäre schön, wenn ich das selbst wüsste, Soldat. Ich weiß auch nicht mehr als Sie.«

Was bedeutete, so gut wie nichts.

Matt schob diese Erinnerungen zur Seite und konzentrierte sich jetzt darauf, die Ausrüstung, die an seinem Kampfanzug befestigt war, ein letztes Mal zu überprüfen.

Auf Befehl des Missionsleiters waren alle Abzeichen von ihrer Kleidung entfernt worden. Selbst die Tarnanzüge, die sie trugen, war die eines anderen Landes.

»Es fühlt sich nicht richtig an, wenn ich nicht die Krone Ihrer Majestät am Körper trage«, hatte Blake gegrummelt. Das Team hatte zwar gelacht, aber Matt wusste, was er eigentlich damit hatte sagen wollen. Natürlich hatte er schon an einer Reihe von Geheimmissionen teilgenommen, aber diese hier war eindeutig anders.

Der ganze Aufwand nur für einen einzigen Mann? Und was, wenn etwas schieflief?

Als er diese Frage seinem kommandierenden Offizier gestellt hatte, hatte ihn der ältere Mann eindringlich angeschaut.

»Scheitern ist keine Option«, hatte dieser geantwortet.

Matt atmete aus, schloss für einen Moment die Augen und ließ seinen Hals knacken, um sich auf den bevorstehenden Ausstieg vorzubereiten. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie dieses Mal wenigstens normal landen würden und nicht mit den Fallschirmen abspringen mussten.

»Sechzig Sekunden!«

Er hörte, wie der Sergeant zuerst auf der Steuerbordseite die Schiebetür öffnete und dann auf der anderen Seite. Der Wind pfiff durch die gähnenden Öffnungen und als Matt seine Augen wieder öffnete, begannen sie sofort zu tränen. Er zog sich die Schutzbrille über das Gesicht, stand auf und nickte dem Sanitäter aufmunternd zu. »Los geht’s, Thompson. Der Tanz beginnt«, schrie er, während das Brüllen der Maschinen seine Worte genauso schnell wieder verschluckte, wie er sie aussprach.

Der junge Mann nickte und sprang mit weit aufgerissenen Augen auf die Füße.

Matt wandte sich an das restliche Team. »Okay, ihr habt das in den letzten vierundzwanzig Stunden oft genug durchgespielt. Jetzt wird es ernst. Jeder weiß, was er zu tun hat. Zieht es durch. Kommt da heil wieder raus und kehrt dann hierhin zurück. Verstanden?«

»Ja, Sir!«

Die Männer schoben ihre Nachtsichtgeräte vor die Augen und griffen nach den Haltebändern, die über ihren Köpfen herabhingen, während der Bordschütze sein Maschinengewehr auf das Gebäude richtete, das sich vor ihnen abzeichnete.

Matt lehnte sich so weit vor, bis er aus der Steuerbordschiebetür einen ersten Blick auf das Gefängnis werfen konnte, in das sie in Kürze einbrechen würden.

Die beiden Wachtürme, die früher über den Gefängnismauern gethront hatten, waren längst eingestürzt, der ständige Ansturm der eisigen Elemente hatte ihren Verfall beschleunigt. Die äußeren Mauern wirkten ebenfalls verlassen.

Offensichtlich erwartete niemand, dass irgendjemand aus diesem trostlosen Ort ausbrechen, geschweige denn in ihn einbrechen würde.

Als der Helikopter vom Himmel fiel und seine Räder hart auf dem Boden aufprallten, stabilisierte der Pilot den Hubschrauber mit einem Manöver wie aus dem Lehrbuch, bevor er die Rotoren langsamer laufen ließ.

»Los, raus, raus!«, drängte Matt, während er schnell aus dem Helikopter stieg und seinen Körper von dem Abwind wegdrehte, den die Rotoren über ihm erzeugten.

Der Hubschrauber war in einem großen ummauerten Bereich gelandet. Aus dem Briefing wusste Matt, dass dies der Innenhof des Gefängnisses war. Seine Füße wirbelten beim Laufen Staub und kleine Steine auf.

Er schaute nicht zurück … das musste er auch nicht. Er wusste auch so, dass seine Männer direkt hinter ihm waren und ihre Positionen einnehmen würden, um ihm und dem Helikopter Deckung zu geben, während er das kleinere Team, einschließlich des Sanitäters, zu ihrem Ziel führen würde.

In der Kabine war gerade noch Platz für einen Patienten auf einer Krankentrage.

Die eisige Temperatur ließ seinen Atem wie Dampf wirken, als er über den kahlen Boden rannte und seine Finger durch die dünne Bergluft bereits taub wurden. Er legte die Hand um sein Gewehr und hob es an die Brust, bevor er sich mit der Schulter an der gegenüberliegenden Wand abstützte und sich umdrehte, bereit, bei Bedarf Deckung zu geben.

Als Blake neben ihm zum Stehen kam, warf er einen Blick auf die verlassenen Wachtürme und runzelte die Stirn.

»Kannst du etwas erkennen?«

»Negativ, Sir.«

Matt tippte kurz auf das Mikrofon, das er mit schwarzem Isolierband an seine Körperpanzerung geklebt hatte. »Alpha One, bestätige … der Bereich scheint verlassen.«

»Verstanden.«

»Wo sind denn alle?«, zischte Blake.

Matt bedeckte sein Mikrofon. »Das hier ist ein altes sowjetisches Gefängnis«, murmelte er. »Die CIA hat es für Auslieferungsoperationen verwendet, bis sie aufgeflogen sind. Der Geheimdienst vermutet, dass es seither von jemandem für seine eigenen Zwecke genutzt wird.« Er ließ seine Hand wieder auf das Gewehr sinken und fühlte die vertraute Oberfläche, dann überprüfte er die Verbindung zur Helmkamera und holte tief Luft. »Okay«, sagte er und wandte sich an die Männer neben ihm. »Bleibt wachsam. Los geht’s.«

Sie liefen hintereinander an der Mauer entlang, bis Matt langsamer wurde und seine Faust in die Luft reckte. Er rief sich noch einmal die Baupläne in Erinnerung und war froh, dass es seinen Vorgesetzten gelungen war, sie zumindest bis hierhin mit den richtigen Informationen zu versorgen.

Neben ihm versperrte eine stabile Metalltür den Zugang zum Gebäude. Er winkte Blake heran und trat schnell zur Seite, als der Mann eine Sprengschnur aus seiner Weste zog und eine kleine Sprengladung an der Tür befestigte. Er wartete, bis Blake ein paar Schritte nach hinten machte, dann gesellte er sich zu Thompson, der seitlich neben dem Gebäude stand und wandte den Kopf ab.

Die Explosion war kurz, aber effektiv.

Das Schloss an der Tür wurde von der Explosionskraft des Plastiksprengstoffs weggesprengt und die Männer betraten nun nacheinander das Gebäude ohne weitere Zwischenfälle. Matt befahl dem letzten Mann, die Tür wieder zu schließen und sie zu bewachen.

»Wir sind drin«, murmelte er über seine Sprechverbindung. »Sind jetzt zu den Zellen unterwegs.«

»Der Geheimdienst sagte, er ist im inneren Block. Die Lagepläne zeigen eine Treppe auf sechs Uhr. Geht dann zwei Treppen tiefer.«

»Verstanden.«

»Runter!«

Matt duckte sich sofort, denn die Dringlichkeit in Blakes Tonfall ließ keinen Raum für Diskussionen, also blieb er in der Hocke und drehte sich auf seinen Zehenspitzen von einer Seite zur anderen, wobei er sein Gewehr weiterhin im Anschlag hielt.

Schüsse hallten von den Wänden wider und Matt bemerkte nun einen Schatten, der zu Boden sank. Danach hörte er das Geräusch von Metall, das auf den Beton aufschlug, als dem Getroffenen seine Waffe aus den Händen glitt, kurz bevor sein Körper endgültig zusammenbrach.

Matts Blick fiel auf Thompson, der immer noch mit erhobenem Gewehr und bleichem Gesicht dastand.

»Gute Arbeit, Soldat«, sagte er. »Konzentriert bleiben.«

»Sir.«

»Treppe«, sagte Blake. »Irgendwo müssen hier noch mehr Leute sein.«

Matt ging im Kopf die Pläne des Gebäudes durch und rief sich den Grundriss vor Augen, den er im Besprechungsraum genau studiert hatte.

Eine Etage tiefer befand sich direkt an der Treppe ein Raum, von dem der Geheimdienst glaubte, dass er zu Lagerzwecken genutzt wurde. In früheren Zeiten waren dort auch Gefangene untergebracht worden, aber damit hatte man bereits vor zwanzig Jahren aufgehört.

Der richtige Spaß fing aber erst im darunterliegenden Stockwerk an.

Blake ging voran, während Matt beim Abstieg die Nachhut bildete.

Als Matt den Fuß der Treppe erreichte, schob er sich die Nachtsichtbrille auf die Stirn und spähte dann über Blakes Schulter in den schwach beleuchteten Gang hinein.

Links von ihnen verlief eine kahle, verputzte Wand, deren Oberfläche feucht glänzte. Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte er eine Reihe schwerer, verschlossener Stahltüren, deren dunkle Lackierung abgeplatzt war und sich abschälte.

»Welche davon?«, zischte Blake.

»Die vierte«, antwortete Matt. Am Ende des Korridors erregte plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit. »Jemand kommt!«

Die drei Männer gingen augenblicklich in die Hocke, verteilten sich und richteten ihre Waffen auf die beiden Gestalten, die aus dem Schatten des Kellerzellenblocks aufgetaucht waren.

Matt zuckte zusammen, als neben ihm Mauerwerk aus der Wand gesprengt wurde und das Gewehrfeuer ihrer Feinde durch den Korridor dröhnte.

Er zog den Abzug seines eigenen Gewehres durch und fühlte einen Moment der Befriedigung, als einer der Wachposten zu Boden stürzte und sein Bein umklammerte.

Neben ihm feuerte Blake eine kurze Salve auf die zweite Wache ab und die Silhouette des Mannes wurde von den auftreffenden Kugeln herumgeschleudert, bevor er am Boden zusammensackte.

Die erste Wache versuchte inzwischen, auf seine Waffe zuzukriechen, die er fallen gelassen hatte, während er immer noch sein Bein umklammert hielt.

Matt stand auf, visierte ihn mit seinem Gewehr an und feuerte.

Im Korridor wurde es nun still. Matt gab Blake ein Zeichen, die Rückendeckung zu übernehmen und lief auf die Männer am Boden zu.

Er rechnete nicht damit, bei ihnen irgendwelche Identifikationsmerkmale zu finden, und er wurde nicht enttäuscht. Also wandte er sich von den Leichen ab, rannte zu Blake und Thompson zurück und deutete auf die vierte Stahltür.

Blake zog eine zweite Sprengschnur aus der Tasche, aber Matt tippte ihm auf den Arm und hielt die Schlüssel hoch, die er einem der Toten abgenommen hatte.

»Wir machen es dieses Mal leiser. Reduziert auch das Risiko, die Ware zu beschädigen«, sagte er und klimperte leise mit dem Schlüsselbund in seiner Hand.

»Macht aber auch weniger Spaß«, brummte Blake und trat zur Seite.

Matt brauchte zwei Versuche, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hatte, dann drückte er die Klinke hinunter und stieß die Tür auf.

Die drei Männer traten bei dem Gestank, der ihnen aus der Finsternis entgegenschlug, unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Jesus«, flüsterte Matt.

Im trüben Licht des Korridors ließ er seinen Blick über den Boden gleiten, bis er ein Knäuel zerlumpter Kleidung entdeckte und ein paar große Füße, die aus einem Ende des Haufens herausragten. Als sich seine Augen an die schwache Beleuchtung gewöhnt hatten, bemerkte er zwei Hände, die sich auf einer nackten Brust ineinander krallten und deren Haut fleckig und zerkratzt war. Schließlich blieb Matts Blick am Gesicht des Mannes hängen, das verletzt und zerschlagen war, die Augen waren durch die Prellungen, die die Wangenknochen und die Augenhöhlen umgaben, fast zugeschwollen.

Blake fluchte leise und wandte sich dann wieder dem Korridor zu. Wütend richtete er seinen Gewehrlauf abwechselnd auf die beiden Enden des Gangs.

Matts Finger tasteten die Wand des Raumes ab, bis er einen Lichtschalter fand, der aber nicht funktionierte. Sein Blick ging zur Zellendecke, aus der zwar einige Kabel hervorragten, an die jedoch keine Lampe angeschlossen war.

Er schluckte. Offensichtlich waren die Entführer des Gefangenen entschlossen gewesen, den Mann daran zu hindern, sich selbst das Leben zu nehmen. Zumindest so lange, bis sie mit ihm fertig waren.

»Auf geht’s«, murmelte er zu Thompson. »Sehen wir nach ihm.«

Matt ging neben der zusammengerollten Gestalt in die Hocke und winkte den Sanitäter zu sich.

»Schnelle Einschätzung«, sagte er. »Kann er bewegt werden?«

Thompson hockte sich neben ihn hin und nahm eine kleine Taschenlampe aus seiner Weste. Dann strich er mit dem Strahl über den Mann, der durch seine geschwollenen Augenlider blinzelte und abwehrend die Hände hob, um seine Augen vor dem blendenden Licht zu schützen.

Der Sanitäter ließ seine Hände über den Körper des Gefangenen gleiten und suchte nach schweren Verletzungen, die seine blutbefleckte Kleidung verbergen könnte.

Matt griff in sein Kampfgeschirr und zog ein kleines, rechteckiges elektronisches Gerät hervor, das er nun einschaltete. Der Bildschirm blitzte beim Booten einmal kurz auf, dann leuchtete der Touchscreen auf der Vorderseite permanent auf und tauchte sein Gesicht in ein grünes Licht.

Er streckte die Hand aus, richtete das Gerät auf den Mann und hob dann vorsichtig eine Hand des Gefangenen so weit an, bis dessen Zeigefinger auf dem Touchscreen lag. Matt hielt die Hand des Mannes so lange ruhig, bis aus dem Gerät ein tiefer Piepton ertönte, dann drehte er den Bildschirm um und überprüfte das Ergebnis.

Er hatte den Fingerabdruck des Mannes erfasst, die Windungen und Falten seiner Haut waren gescannt und ausgewertet worden.

Das Ergebnis war bestätigt.

Matt zuckte beim Anblick der Schnittwunden und blauen Flecken im Gesicht des Mannes zusammen, dann schaltete er das Gerät aus, steckte es wieder in sein Kampfgeschirr und fragte sich, ob der Gefangene selbst gehen konnte oder getragen werden musste.

Blake trat näher, sein Gewehr zielte auf die offene Zellentür. »Ist er es?«

»Ja.« Matt beugte sich zu dem Sanitäter hinunter. »Was ist?«

Der Mann drehte sich um, Schweiß lief ihm über das Gesicht. »Ich kann keine komplizierten Frakturen entdecken, Sir. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass er keine inneren Verletzungen hat. Seine Beine sind mit Brandwunden übersät, die wahrscheinlich von Zigaretten stammen, und auf die Schnitte an seinem Arm hat man anscheinend Bleichmittel oder Ähnliches gegossen.«

»In Ordnung, wir rücken ab.« Matt stand auf und deutete auf Blake. »Hilf mir, ihn zu stützen. Lass uns von hier verschwinden.«

Er tauchte unter einen der Arme des Gefangenen, wartete, bis Blake dasselbe getan hatte, und schwankte dann einen Moment lang, während sie das Gewicht des Mannes zwischen sich austarierten.

»Bereit?«

»Los.«

»Gib uns Rückendeckung, Thompson.«

»Okay, Sir.«

Matt trat seitlich durch die offene Zellentür und versuchte, sein Gewehr in der rechten Hand zu entsichern, während er sich langsam vorwärtsbewegte.

Sie würden langsamer vorankommen, als ihm lieb war, aber er konnte nichts dagegen tun, also knirschte er mit den Zähnen und behielt stattdessen die anderen Zellentüren im Blick.

Ein Schweißtropfen lief ihm die Stirn hinunter, als er sich fragte, wer sonst noch hinter diesen Türen eingesperrt sein könnte … und ob jemals jemand auftauchen würde, um auch sie zu retten. Er blinzelte, um diesen Gedanken zu vertreiben, und drehte sich gerade zu der Betontreppe um, die zurück zum Gefängnishof führte, als Blake plötzlich losbrüllte.

»Angreifer von links!«

Matt fluchte.

Die Wache war in seinem toten Winkel aus der Dunkelheit aufgetaucht. Wenn Blake nicht geschrien hätte, wären sie ohne die geringste Chance niedergemäht worden. Thompson steckte hinter dem geretteten Mann fest und hatte deswegen kein freies Schussfeld. Stattdessen griff Matt nach seinem Gewehr und war wild entschlossen, die Wache zu erwischen, bevor der Mann schießen konnte.

Er fluchte erneut.

Das Mikrofonkabel war ihm während der Rettungsaktion den Arm heruntergerutscht und hatte sich so um sein Handgelenk gewickelt, dass er sein Gewehr nicht auf den Wachposten richten konnte. Die Sekunden vergingen wie im Zeitlupentempo und er musste beobachten, wie der Mann nach seiner eigenen Waffe griff.

Matt biss die Zähne zusammen und versuchte verzweifelt, sein Gewehr zu erreichen und gleichzeitig den geretteten Mann nicht auf den Boden fallen zu lassen. Er fluchte frustriert und verwünschte sich, dass er bei dem Versuch, den Gefangenen und sein Team möglichst schnell in Sicherheit zu bringen, einen solchen Anfängerfehler begangen hatte.

Ein Ziehen am Arm erregte plötzlich seine Aufmerksamkeit. Matt blickte nach unten, als der Gefangene seine Hand ausstreckte, das Gewehr umfasste, den Lauf auf den Wachmann richtete und eine kurze Salve auf ihn abfeuerte.

Die Wache krümmte sich zusammen, sein Gesicht war eine Maske heftigen Schmerzes, während er zu Boden stürzte.

Der Gefangene verzog das Gesicht und ließ die Waffe wieder los.

»Nimm sie wieder«, zischte er, bevor er ohnmächtig wurde.

Matt brauchte keine weitere Aufforderung. Er riss sich das Mikrofon herunter, wickelte das Anschlusskabel auf und schob beides in seine Weste.

Dann wandte er sich an Blake und Thompson. »Lasst uns hier abhauen, bevor wir in einen richtigen Hinterhalt geraten.«

Sie stiegen die Treppe hinauf, aber ihr Vorankommen wurde durch das Gewicht des Mannes behindert, den sie zwischen sich trugen.

Matt konnte Thompsons schweren und angestrengten Atem hören. Er runzelte die Stirn und war fast bereit, die Fitness des Mannes infrage zu stellen, als er bemerkte, dass der junge Sanitäter extrem verängstigt war. Matt warf ihm einen Blick über die Schulter zu.

Tatsächlich war Thompsons Gesicht, während er ihnen den Rücken deckte, blass und verschwitzt.

Matt wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mann zu, dessen Arm um seine Schulter geschlungen war. Thompson würde lernen müssen, mit dem Schrecken zu leben, wenn er Teil ihrer Eliteeinheit bleiben wollte … genau wie alle anderen auch.

Gedämpftes Licht durchdrang die Dunkelheit, als sie sich dem oberen Ende der Treppe näherten, und Matt blinzelte, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, die hier im Gegensatz zum unterirdischen Komplex herrschte.

Ihr Teamkamerad stand im Türrahmen und auf seinem Gesicht breitete sich Erleichterung aus, als ihn die anderen erreichten.

»Freut mich, Sie zu sehen, Sir.«

»Geht mir genauso«, antwortete Matt. »Übernimm ihn.«

Er tauschte den Platz mit dem Soldaten, und als sich die drei so schnell wie möglich auf den wartenden Helikopter zubewegten, wandte sich Matt noch einmal zur Türöffnung um.

Thompson spähte in die Dunkelheit.

Innerhalb eines Herzschlags war Matt wieder an der Tür und riss den jungen Sanitäter einen Sekundenbruchteil, bevor die Dunkelheit von mehreren Schüssen zerfetzt wurde, zur Seite.

Kugeln fegten an ihnen vorbei und sprengten Stücke aus der Betonwand, als sie sich an der Seite zusammenkauerten.

Matt wartete und blieb regungslos hocken, bis es still wurde, weil ihr Angreifer zum Nachladen das Feuer einstellte.

»Los, renn!«

Er stieß Thompson in Richtung des Helikopters. »Nicht anhalten. Nicht zurücksehen«, befahl er.

Er stellte sicher, dass der junge Sanitäter unterwegs war, dann hob er sein Gewehr und feuerte eine kurze Salve die Treppe hinunter. Als Nächstes griff er nach einer Granate, die an seiner Schutzweste befestigt war, zog den Sicherungsstift heraus und warf sie in das Treppenhaus.

Ein lauter Fluch in einer fremden Sprache hallte aus den Tiefen des Gefängnisses herauf, bevor er von der Explosion übertönt wurde.

Staub und Rauch jagten über die Treppe auf Matt zu, er trat schnell zurück und schloss in Erwartung der Druckwelle die Augen, dann wirbelte er herum und rannte auf den Hubschrauber zu.

Als er näherkam, begannen sich die Rotorblätter schneller zu drehen, und Blake beugte sich mit schussbereitem Gewehr aus dem Helikopter hinaus, während er auf ihn wartete.

Plötzlich bemerkte Matt, wie Blake sein Gewehr nach links schwang, dann hörte er auch schon den Befehl.

»Runter!«

Matt warf sich augenblicklich auf den Boden.

Er fühlte die Kugeln mehr, als dass er sie hörte, während sie die Luft über seinem liegenden Körper zerschnitten.

Ein Schrei aus Richtung des Gebäudes hinter ihm hallte über den großen Gefängnishof, wurde aber von einer weiteren Salve unterbrochen.

»Los!«

Innerhalb einer Sekunde war er wieder auf den Beinen und rannte auf den Hubschrauber zu.

Er blickte über seine Schulter und sein Herz setzte für einen Moment aus. Bewaffnete Wachleute strömten aus einem Dachausgang und verteilten sich so über das Dach, dass sie den Hof von verschiedenen Positionen aus ins Visier nehmen konnten.

»Bewegt euch!«, schrie er.

Der Helikopter begann in die Luft aufzusteigen, doch der Abtrieb verlangsamte das Abheben.

Matt biss die Zähne zusammen, aktivierte aus seinem tiefsten Inneren einen weiteren Energieschub und pumpte mit den Armen. Keuchend überbrückte er die letzten Meter bis zum Hubschrauber.

Blake beugte sich mit ausgestrecktem Arm nach vorn, als sich die Räder des Helikopters vom Boden lösten. Er schrie Matt ermutigend zu, während sich Thompson mit einem Gewehr über seine Schulter lehnte, um ihm Feuerschutz zu geben.

Und dann war er endlich da, wurde in den Hubschrauber gehievt, der sich um seine Achse drehte und mit einer erschreckenden Geschwindigkeit in die Luft aufstieg.

Seine Männer schoben ihn in die Rumpfmitte, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Wachleute auf dem Gefängnisdach richteten und kurze Salven in ihre Richtung abfeuerten, bis der Hubschrauber hinter dem Gebirgskamm abtauchte und außer Schussweite war.

Matt kroch auf die offene Schiebetür zu und spähte hinaus, während die Landschaft rasant unter ihnen vorbeizog. Er bedeutete dem Mann neben sich, die Tür zu schließen, dann stemmte er sich auf müden Beinen in die Höhe und machte sich auf den Weg zum vorderen Teil des Helikopters, wo Thompson und Blake den bewusstlosen Gefangenen in einem Sitz festschnallten.

Als er sich näherte, öffnete der gerettete Mann seine Augen und hob den Kopf, er registrierte das faszinierte Starren des Teams, bevor sein Blick auf Matt fiel. »Wer zur Hölle sind Sie? Und was ist hier los?«, raunte er.

»Captain Matt Ryan«, antwortete der Teamleiter, »von den Streitkräften des Vereinigten Königreichs.«

Der Mann runzelte die Stirn. »Wo bringen Sie mich hin?«

Matts Antwort wurde von der Stimme des Piloten unterbrochen, der sich über Funk meldete.

»Wir haben ihren Luftraum verlassen.«

Die Freudenschreie von Matts Männern ließen das Innere des Hubschraubers erbeben. Matt gab Blake ein High five, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den geretteten Mann und grinste diesen an.

»Es geht nach Hause, Dan Taylor.«

Kapitel 2

Drei Wochen später

Northumberland

Jack Halligan öffnete die Tür seines Büros und lief quer über den Parkplatz auf den Geländewagen zu, der als Einziger noch im Sicherheitsbereich stand.

Sein Baustellenbüro ähnelte einem Frachtcontainer, bei dem man auf jeder Seite ein Fenster ausgefräst hatte, um Licht hereinzulassen. Nach drei Tagen, in denen er nur E-Mails beantwortet und Telefonate geführt hatte sowie den Nachfragen des Auftraggebervertreters nach einem weiteren Treffen ausgewichen war, bei dem die Projektfortschritte diskutiert werden sollten, war er froh, endlich verschwinden zu können.

Er warf einen Blick auf seine Uhr.

Der Bohrtrupp war mal wieder zu spät dran.

Jack fluchte leise.

Das Projekt lag bereits drei Monate hinter dem Zeitplan zurück, was sie einem Winter verdankten, der irgendwie die Daten durcheinandergebracht hatte und die Hügel von Northumberland bis in den April hinein mit Schneemassen überschüttet hatte.

Das Projektteam war innerhalb einer einzigen Woche aus verschiedenen Teilen der Welt an dieser Baustelle zusammengetrommelt worden. Ihn hatte der Anruf in Saudi-Arabien erreicht, wo er gerade erst ein anderes Projekt abgeschlossen hatte. Die Gelegenheit, endlich die grünen, sanft geschwungenen Hügel Englands wiederzusehen, ganz zu schweigen von der Aussicht auf jede Menge echtes Bier, war einfach zu verlockend, als dass er sie ungenutzt verstreichen lassen konnte. Die Firma setzte ihn und seine Kollegen je nach Bedarf dort ein, wo ein Projekt abgeschlossen werden musste oder wo sie ganz frisch den Zuschlag bekommen hatten. Doch es war ein Lebensstil, der ihm gefiel.

Er drehte sich um, als ein lauter Ruf von den anderen Gebäuden zu ihm hinüberschallte.

»Und … wie spät ist es gerade bei euch?«, brummte er, während zwei Männer auf ihn zukamen.

»Tut mir leid, Jack.« Der Größere der beiden schüttelte ihm die Hand. »Ich hatte einen Anruf aus Brasilien, den ich entgegennehmen musste. Die haben da drüben Probleme mit einem Bohrturm und wollten meinen Rat.«

»Ist doch schön, wenn man gebraucht wird, oder, Greg?«

Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich habe eigentlich nur versucht, weiterzuhelfen … die Arbeit müssen die da schon selbst erledigen.« Er drehte sich zu seinem etwas kleineren Begleiter um.

»Jack, das ist Mark. Er wird uns heute unterstützen.«

Mark runzelte die Stirn, als er Jacks Hand schüttelte. »Ist es eigentlich normal für einen Projektmanager, dass er mit dem Bohrteam rausfährt?«

Jack hob bei dieser Frage eine Augenbraue und wandte sich Greg zu, der hüstelte und ein Kichern unterdrücken musste.

»Jack packt gern mit an«, erklärte Greg. »Und da die Bohrungen schon einige Zeit in Verzug sind, hat er wohl jedes Recht, mit uns rauszufahren, oder?«

Mark grunzte zur Antwort nur kurz und deutete auf die große, viereckige Metallbox, die Greg hochgestemmt hatte, wobei ihm die Anstrengung deutlich ins Gesicht geschrieben stand.

»Soll ich dir dabei helfen?«

Sein Boss schüttelte den Kopf. »Nein, ich schaff das schon. Setz dich in den Wagen.«

Jack beobachtete den jüngeren Mann, während der zur Beifahrerseite schlenderte und die Fahrzeugtür öffnete. »Neuer Mitarbeiter?«

»Ja … mein letzter Ingenieur ist vor zwei Wochen einfach verschwunden, ohne sich abzumelden. Ich habe den Mann kurzfristig über eine Agentur vermittelt bekommen, aber er scheint zu wissen, was er tut«, antwortete Greg. »Eigentlich ist er ein guter Arbeiter, er müsste nur noch etwas an seiner Einstellung arbeiten«, fügte er zwinkernd hinzu.

»Bin ich froh, dass das dein und nicht mein Problem ist«, antwortete Jack.

Er wartete so lange, bis Greg die silberne Box sicher im Kofferraum des Fahrzeugs verstaut hatte, dann ging er schnell zur Fahrertür, ließ sich hinter das Lenkrad gleiten und startete den Motor.

Sobald auch Greg eingestiegen war, lenkte Jack das Fahrzeug zum Zufahrtstor und wartete, bis die Sicherheitsleute sie passieren ließen. Minuten später waren sie auf einer heckengesäumten Straße unterwegs und bald nahmen sie das ständige Auf und Ab der hügeligen Landschaft kaum noch wahr. Aus dem Tal unter ihnen stieg Nebel auf und verdeckte die Reste des leichten Landregens der letzten Nacht.

Als sie nach ein paar Meilen einen hohen Maschendrahtzaun erreichten, der die Straße von einem weitläufigen Gelände abtrennte, wurde Jack langsamer. Er bremste weiter ab und lenkte das Fahrzeug nach rechts in Richtung eines kleinen Frachtcontainers, in dem sich das provisorische Büro für die Wachleute befand, die das Zugangstor zum Testgelände kontrollierten.

In den ersten drei Wochen nach Beginn des Projekts hatte ein von der Regierung beauftragtes Bauunternehmen das Grundstück mit einem massiven Drahtzaun abgetrennt. Seitdem patrouillierten vier Teams mit jeweils zwei Wachleuten und einem Hund rund um die Uhr entlang der Grundstücksgrenze und sorgten dafür, dass die Projektteams ungestört und unbeobachtet im Zentrum des abgesperrten Bereichs ihre Tests durchführen konnten.

Zwei Wachleute verließen jetzt den Schutz ihres Containers und näherten sich dem Fahrzeug. Als einer der Männer vor dem Geländewagen stehen blieb, ließ Jack seine Scheibe herunter.

»Morgen«, sagte er und reichte dem Wachmann ihre Firmenausweise.

»Sieht so aus, als würde es heute da drin ziemlich ruhig werden«, murmelte der Wachmann. Dann deutete er mit den Ausweisen auf die dunkle Wolkenwand, die sich am Horizont entlang einer Hügelkette schnell auf sie zubewegte. »Vor allem, wenn das da seinen Kurs beibehält.«

»Danke«, antwortete Jack und reichte die Sicherheitsausweise an Mark und Greg weiter.

»Wann sind Sie denn wieder zurück?«

»Wahrscheinlich bleiben wir nicht länger als vier bis sechs Stunden«, antwortete Greg und beugte sich dabei über die Mittelkonsole. »Das hängt ganz davon ab, wie schnell wir die benötigten Proben zusammenbekommen.«

Der Wachmann gab die Information an seinen Kollegen weiter, der sie auf einem Klemmbrett notierte.

»Okay, na dann … viel Erfolg.«

Er drehte sich um und ging zum Tor hinüber, nestelte einen Schlüssel aus dem Schlüsselbund, der an seinem Gürtel hing, öffnete das Vorhängeschloss und ließ das Tor aufschwingen.

Jack schloss sein Fenster wieder, winkte den Wachleuten beim Vorbeifahren kurz zu und beschleunigte dann den Geländewagen auf dem matschigen Farmweg in Richtung der ersten Aufschließungsbohrung.

Obwohl Jack das Fahrzeug mit geübter Hand lenkte, schlitterte und holperte es auf den ausgefahrenen Spurrillen hin und her. Greg checkte neben ihm sein Handy.

»Es muss doch inzwischen möglich sein, hier draußen ein verdammtes Signal zu bekommen«, knurrte er.

»Was ist denn los?«

»Mein kleines Mädchen hat heute Geburtstag«, antwortete Greg. »Ich wollte mit ihr sprechen, bevor sie sich auf den Weg in die Schule macht.« Er legte das Handy in die Ablage und starrte nachdenklich die vorbeiziehende Landschaft an. »Seit einiger Zeit ist sie nämlich schon im Bett und bereits eingeschlafen, wenn ich abends nach Hause komme.«

Jack hielt sich mit einer Antwort zurück. Jeder der Männer hatte sich beschwert, als die gestraffte Ablaufplanung bekannt gegeben worden war. Natürlich war ihnen allen klar, dass die Firma unter enormen Zeitdruck stand und Millionen verlieren würde, falls es ihnen nicht gelingen würde, den Rückstand bei den Bohrungen wieder aufzuholen, doch ihre Bosse hatten sich entweder entschieden, den Effekt zu ignorieren, den dieser Zeitdruck auf die Team-Moral hatte, oder sie wussten es einfach nicht besser.

Er blickte kurz in den Rückspiegel. Mark starrte aus dem hinteren Seitenfenster, während sie den Fuß eines kleinen Hügels umrundeten und das Wachhäuschen hinter ihnen außer Sicht geriet. Dann folgten sie weiter der Fahrspur zum Bohrturm.

Jack wandte seine Aufmerksamkeit nun wieder dem hochaufragenden Gebilde zu, das jetzt durch die Windschutzscheibe zu erkennen war.

Mit einer Höhe von fast vierzig Metern ließ der stählerne Bohrturm den Geländewagen geradezu winzig erscheinen und warf lange Schatten auf den grasbewachsenen Boden, der für die Arbeit des Bautrupps, der Ingenieure und der Geologen frisch gemäht worden war.

Am Fuß des Bohrturms lagerte ein Sortiment von Maschinen und Geräten, mit denen alle möglichen Tests durchgeführt werden konnten.

Heute waren jedoch nur die drei Ingenieure vor Ort, die den Auftrag hatten, weitere Proben zum Analysieren zu sammeln. Die Ergebnisse sollten zeigen, ob sich die Bohrungen an diesem Standort tatsächlich lohnten.

Jack fuhr den Geländewagen bis auf wenige Meter an das Bohrloch heran, rieb sich kurz die Augen und stellte dann den Motor ab.

»Okay, legen wir los«, sagte er und stieg aus. »Ich wäre gern vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück im Projektbüro.«

»Hast du etwa Angst, dass dich ein Schaf erwischt?«, fragte Greg grinsend.

»Es sind nicht die Schafe, die mir Sorgen machen«, antwortete Jack. »Es sind die Einheimischen.«

Die beiden Männer lachten, während sie sich zu Mark gesellten, der bereits am Heck des Wagens stand. Jack öffnete die Heckklappe und half Greg dabei, die silberne Transportbox herauszuziehen.

Er nickte Greg zu und nachdem sie die Box zwischen sich genommen hatten, hoben sie diese aus dem Wagen und trugen sie vorsichtig über den unebenen Boden zum Testbohrloch.

Mark folgte ihnen, die Arme voll mit Messgeräten und einer Laptoptasche.

Nachdem sie das Probebohrloch erreicht hatten, stellten die beiden Männer den Transportbehälter ab und Jack trat mehrere Schritte zurück. Sein Blick fiel auf die radioaktiven Warnsymbole, die gelb und schwarz auf dem Schließmechanismus prangten.

»Okay, Greg. Dann fang mal mit deiner Magie an.«

»Sehr witzig.« Der Ingenieur ging in die Hocke und legte seine Hände auf das Kombinationsschloss, das seitlich an der Box angebracht war. »Schaut jetzt nicht hin, okay?«

Mark trat zu Jack und stellte einen Sack mit Ausrüstung neben seine Füße. Beide Männer wandten ihren Blick ab, während Greg mit dem Daumen über die vier Zahlenreihen glitt.

Mit einem leisen Klicken öffnete sich der Verriegelungsmechanismus und Greg hob den Deckel an.

Jack trat wieder soweit an ihn heran, dass er den Inhalt sehen konnte.

In der Kiste lagen in separaten Fächern sechs aluminiumfarbene Zylinder, von denen jeder mit einem weiteren Warnhinweis für Radioaktivität versehen war.

»Okay, dann lasst uns mal anfangen«, sagte Greg und griff nach einem der Zylinder.

»Das glaube ich nicht.«

Als er Marks Stimme hörte, warf Jack seinen Kopf herum und riss beim Anblick der Pistole, die der Mann mit ruhiger Hand auf sie gerichtet hatte, fassungslos die Augen auf. »Was zum Teufel …?«

Mark antwortete nicht, stattdessen zielte er mit der Waffe auf Greg und schoss dem Ingenieur, ohne mit der Wimper zu zucken, in die Brust.

»Scheiße!«

Blitzschnell drehte sich Jack um und rannte auf den Wagen zu, während sein Gehirn noch zu verarbeiten versuchte, was er da gerade gesehen hatte. Er musste unbedingt den Geländewagen erreichen, nach Hilfe rufen und …

Sekundenbruchteile, bevor er den Schuss hörte, durchfuhr ein glühender Schmerz seinen Wadenmuskel, dann stürzte er auch schon zu Boden.

Er schrie vor Schmerzen auf und seine Eingeweide zogen sich vor Angst zusammen, als er weiter auf das Fahrzeug zukroch. Jack wagte es nicht, sich umzusehen.

Die Wachleute müssen die Schüsse doch gehört haben, dachte er, bevor ihm klar wurde, dass sie viel zu weit entfernt waren und inzwischen bestimmt schon wieder in ihrem provisorischen Büro mit der viel zu lauten Musik verschwunden waren.

Er drehte den Kopf und versuchte zu erkennen, ob eine der Hundepatrouillen in der Nähe war, doch aus seiner liegenden Position heraus konnte er nicht einmal den Zaun sehen.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, zischte er, als er hörte, wie sich von hinten Schritte durch den Matsch näherten.

Was zur Hölle ging hier vor?

Warum hatte Mark Greg erschossen?

Seine Hände fanden auf dem nassen Gras keinen Halt und er fiel zur Seite, genau auf sein verletztes Bein. Ein unfassbarer Schmerz schoss durch seinen Unterschenkel und er schrie frustriert auf, als er versuchte, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen.

»Stopp. Mach es nicht noch schlimmer für dich.«

Die Emotionslosigkeit in der Stimme des jungen Ingenieurs, der jetzt vor ihm stehen blieb, erschütterte Jack bis ins Mark. Er starrte auf die Schuhe seines Verfolgers und hob dann das Kinn.

Mark richtete die Pistole auf ihn und Jack starrte direkt in den Lauf hinein.

Er schluckte trocken und fragte sich, ob er die Kugel wohl sehen würde, bevor sie ihn tötete. Dann hob er flehend die Hände in die Höhe.

»Bitte nicht«, bettelte er.

***

Mark spannte kurz seine Armmuskeln an und drückte dann ab.

Die Wucht des Schusses aus nächster Nähe zerfetzte den Kopf des Projektmanagers, dessen Körper kippte hintenüber und begrub die Beine unter sich.

Mark sicherte die Pistole, wandte sich um und stampfte dann zu der silbernen Transportbox zurück, die direkt neben Gregs Leiche auf dem Boden stand.

Er stieß den Arm des toten Mannes zur Seite und ging dann neben der Box in die Hocke. Plötzlich fluchte er.

Als er Greg erschossen hatte, hatte dieser einen der dünnen Zylinder in den Fingern gehalten und während der Ingenieur zu Boden stürzte, war der Behälter in die Transportbox zurückgefallen und dabei auf dem Metallrand aufgeschlagen.

Dort lag der Zylinder jetzt noch immer, und zwar genau so, dass das radioaktive Warnsymbol Mark praktisch zu verhöhnen schien.

Er atmete langsam ein und aus und griff dann nach dem Röhrchen, um es vorsichtig wieder in sein Fach zurückzustecken. Als er es dabei drehte, weiteten sich seine Augen panisch und er riss die Hand mit einem Ruck zurück.

»Scheiße.«

Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf den feinen Riss, der jetzt im Gehäuse des Zylinders zu sehen war, dann warf er einen Blick auf seine Uhr und schüttelte erschrocken den Kopf.

Er hatte keine Zeit mehr. Dann musste er den anderen bei der Übergabe eben erklären, was vorgefallen war.

Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Sicherheitsschloss am Deckel der Transportbox. Das Schloss funktionierte mit einer simplen Zahlenkombination, die nur geändert werden konnte, wenn die Box geöffnet war. Mark gab die vorher vereinbarte neue Kombination ein und klappte den Deckel anschließend wieder zu.

Als er sich wiederaufrichtete, drang das Dröhnen eines großen Motors an seine Ohren.

Mark blickte den kleinen Hügel oberhalb des Testgeländes hinauf und entdeckte dort einen zweiten Geländewagen, der genau wie ihr Fahrzeug gekennzeichnet war und gerade schnell den Hügel hinab auf ihn zukam.

Er hob grüßend die Hand und wartete, bis das Allradfahrzeug neben Jacks Wagen zum Stehen kam. Ein Mann saß auf dem Beifahrersitz und schien mit dem Fahrer zu diskutieren, während sie anhielten.

Der Fahrer nickte dem anderen Mann zu, dann lehnte er sich aus dem Fenster und rief über das Geräusch des immer noch laufenden Motors hinweg zu Mark hinüber: »Wo ist denn der andere? Ich dachte, es wären zwei?«

Mark deutete mit der Hand zur Wiese hinüber, auf der Jacks Leiche lag. »Er hat versucht, abzuhauen.«

»Hat wohl nicht ganz geklappt, oder?«

Mark zuckte mit den Schultern. »Was passiert als Nächstes?«

»Das«, antwortete der Fahrer. Er sank etwas in seinem Sitz zurück und richtete plötzlich eine Pistole auf den jungen Ingenieur.

Mark riss die Augen auf. »Moment mal, da ist ein …«

Er verstummte abrupt, als zwei Kugeln in schneller Folge in seine Brust eindrangen.

Noch während sein Körper zu Boden stürzte, schwang die Beifahrertür des Wagens auf, der zweite Mann sprang heraus und rannte zu der silbernen Transportbox hinüber.

»Komm schon … hilf mir«, rief er dem Fahrer zu. »Wir müssen uns beeilen.«

»Moment mal«, antwortete der Fahrer und deutete auf den Boden. »Ich suche nur schnell die Patronenhülsen zusammen.«

Er hob die beiden Hülsen aus seiner Waffe auf und ging danach suchend umher, bis er die Stellen entdeckte, von denen aus Mark seine Schüsse abgegeben hatte. Schnell bückte er sich und sammelte auch noch die letzten Patronenhülsen ein.

Bevor er zu seinem Begleiter hinüberging, steckte er alle Hülsen in die Hosentasche, dann hoben sie gemeinsam die Transportbox in die Höhe und liefen zu ihrem Fahrzeug zurück.

Nachdem sie die Heckklappe zugeworfen hatten, stiegen die beiden Männer wieder in den Geländewagen. Der Fahrer löste die Handbremse, drückte das Gaspedal kräftig durch und steuerte den Wagen dann in die entgegengesetzte Richtung zum Haupttor.

Schließlich tauchte vor ihnen in einer Natursteinmauer ein kleineres, seltener genutztes Tor auf … die Zufahrt für den Farmer, auf dessen Land sie sich befanden. Neben dem Tor parkte ein einzelnes Fahrzeug der Sicherheitsfirma, dessen Fenster beschlagen waren. Als sie sich dem Wagen näherten, wischte ein orangefarbener Ärmel gerade das Kondenswasser zur Seite und ein Gesicht starrte stirnrunzelnd zu ihnen hinaus.

»Scheiße, er hat uns gesehen.«

»Reg dich ab. Wir haben doch auf den Türen das Logo der Bohrfirma drauf. Wink ihm einfach nur zu.«

Der Fahrer ließ den Wagen ausrollen und wartete, bis der Wachmann aus seinem Fahrzeug gestiegen war. Der Mann duckte sich dem leichten Nieselregen entgegen, der über die Hügel zu fegen begann, und lief schnell zum Tor hinüber. Als sie an ihm vorbeifuhren, deutete der Wachmann einen spöttischen Salut an.

»Okay, warte, bis wir außer Sichtweite sind und dann gib Vollgas.«

Der Fahrer beschleunigte zunächst sanft, danach fuhr er so schnell, wie es ohne großes Aufsehen zu erregen ging, um die Entfernung zwischen ihnen und dem Bohrloch möglichst rasch zu vergrößern. Als er ein paar Meilen später eine Haltebucht entdeckte, steuerte er das Fahrzeug von der Straße und beide Männer sprangen heraus.

Sie arbeiteten lautlos, der Fahrer holte einen großen Wasserkanister aus dem Kofferraum des Geländewagens und wusch mit dem Wasser den gröbsten Dreck von den Reifen und von der Karosserie. In der Zwischenzeit löste sein Beifahrer die magnetischen Logos der Bohrfirma vom Fahrzeug.

Als sie wieder in den Wagen stiegen und die Türen zuschlugen, blickte der Beifahrer kurz auf seine Uhr.

»Wir sind voll im Zeitplan.«

Kapitel 3

Dan öffnete die Augen, spürte einen leichten Lufthauch auf seinem Gesicht und bemerkte, dass die Tür zu seinem Zimmer nur angelehnt war.

Er nahm die In-Ear-Kopfhörer aus seinen Ohren und der leise Nachhall von Rockmusik verstummte, als er auf die Stop-Taste drückte.

Eine Schwester trat aus dem kleinen Badezimmer in den Raum, ihre Dienstkleidung wirkte noch frisch, so als hätte sie erst vor Kurzem mit ihrer Schicht begonnen. Sie warf einen prüfenden Blick über ihre Schulter und schloss dann die Tür. Lächelnd näherte sie sich dem Bett.

»Okay, Mr. Taylor«, sagte sie. »Die Ärzte meinen, dass es Ihnen schon wieder so gut geht, dass Sie herumlaufen können. Also stöpseln wir Sie mal von diesen ganzen Monitoren ab.«

Sie bewegte sich effizient, entfernte die Kabel von seinem Körper und schob die Monitore dann zur Seite, damit sie an die Steckdosen neben dem Bett herankam.

»Müsste jetzt nicht eigentlich irgendwo ein Alarm ausgelöst werden?« Er setzte sich auf, während sie sich wiederaufrichtete, schwang seine Beine zur Seite und bewegte langsam seine Zehen und Füße, begierig darauf, sie endlich wieder belasten zu dürfen.

»Nein, das ist schon okay«, antwortete sie. »In Ihrer Patientenakte steht, dass Sie heute Morgen entlassen werden.«

Die Verbände an den Schulterblättern spannten auf seiner Haut und er verzog schmerzhaft das Gesicht, als unter den Verbänden die Nähte der heilenden Wunden gedehnt wurden.

»Warten Sie«, sagte die Krankenschwester und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Lassen Sie mich schnell meine Arbeit fertigmachen.« Sie deutete auf den weiten Patientenkittel, den er trug. »Sie gehen nirgendwo hin, solange ich Sie nicht von allen Pflastern befreit habe.«

Dan verzog das Gesicht, drehte sich um, griff nach der dünnen Bettdecke, schlang sie sich um die Hüften und zog den Kittel aus.

Als er ihn der Krankenschwester reichte, war er sich seiner Nacktheit nur allzu bewusst, und auch, dass sie ihn mit einem interessierten Blick studierte.

Sie starrte auf all die Narben, die seine Brust bedeckten. Einen Sekundenbruchteil später schüttelte sie leicht ihren Kopf, hob die Hände und begann, die Heftpflaster vorsichtig von seiner Haut abzulösen.

»Entschuldigung«, sagte sie, als er bei einem besonders heftigen Ziehen unwillkürlich zusammenzuckte.

»Ist schon in Ordnung«, antwortete er und konzentrierte sich auf das Namensschild, das auf ihrer linken Brust befestigt war.

Stacey.

Er schluckte und versuchte das Gefühl zu ignorieren, das sich zwischen seinen Schenkeln ausbreitete. Stattdessen bemühte er sich, sich auf seine Atmung zu konzentrieren, auf Rechenaufgaben … an alles andere zu denken, außer an das, was da gerade unter der Bettdecke vor sich ging.

Die Schwester hatte ihre Arbeit nun beendet, doch ihre Hände lagen noch einen Moment länger auf seiner Haut, dann wich sie zurück und ihre Blicke trafen sich; ihrer war jetzt stahlhart und bohrend und schien ihn irgendwie zu verspotten.

Augenblicklich meldete sich sein Instinkt und schrie ihn an, dass hier irgendetwas ganz und gar falsch lief.

Absolut falsch.

Er stieß sie augenblicklich von sich weg, als ihre Hand in die Tasche ihres weißen Kasacks griff, eine kleine Spritze herausholte und mit einer fließenden Bewegung die Schutzkappe abzog.

Während sie sich ihm zuwandte, weiteten sich Dans Augen beim Anblick der Kanüle, die aus der Spritze herausragte.

Plötzlich stürzte sie auf ihn zu.

Als sie nach ihm griff, hob Dan abwehrend die Hände. Er bekam ihre Handgelenke zu fassen und drehte diese von seinem Hals weg.

Für jemanden, der so schmächtig war, besaß die Frau unglaubliche Kräfte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie anscheinend stinksauer und wild entschlossen war, ihn zu töten.

Die Nadel bewegte sich wieder auf seinen Hals zu, deshalb riss er den Kopf zur Seite und drehte seinen Körper auf dem Bett so, dass er über die Frau gebeugt war und ihre Ellbogen auf die Matratze pressen konnte.

»Netter Versuch«, sagte er und fluchte, als ihr Absatz mit voller Wucht seinen Spann traf.

Als sein Griff deswegen etwas schwächer wurde, riss sie sofort die Arme aus seiner Umklammerung und rollte unter ihm weg. Anschließend drang sie sofort wieder auf ihn ein und zielte mit der Nadel in seine Richtung.

Dan wurde klar, dass, falls sie entkommen sollte, ihm niemand glauben würde. Er taumelte nach vorn und griff nach ihr, wobei er gleichzeitig versuchte, seine Hände vom spitzen Ende der Nadel fernzuhalten. Wieder fluchte er, als das Bettlaken bei der Vorwärtsbewegung von seinen Hüften rutschte und zwischen seinen Füßen hängen blieb.

Er stolperte und landete heftig fluchend auf dem zusammengeknüllten Stoff.

Die Frau stieß ein irres Kichern aus und drehte sich mit glitzernden Augen zu ihm um.

Während sie sich ihm erneut vorsichtig näherte, griff Dan nach unten und versuchte verzweifelt, seine Knöchel von dem Stoff zu befreien.

»Jetzt hab ich dich«, zischte sie und machte einige Schritte auf ihn zu.

Dan zog kräftig an dem Laken, auf das sie gerade getreten war und brachte sie damit aus dem Gleichgewicht.

Sie schrie auf, ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, und ihre freie Hand wirbelte verzweifelt durch die Luft, als sie versuchte, etwas zum Festhalten zu finden, bevor die Knie unter ihr nachgaben.

Dan erkannte leider zu spät, was passieren würde.

Die Frau landete so ungünstig auf ihrer Hüfte, dass die Hand, die immer noch die Spritze umklammert hielt, unter ihrem Körper begraben wurde.

Dan kroch über den Boden auf sie zu und hoffte, dass er mit seiner Vermutung falsch lag und sie die Spritze vorher fallen gelassen hatte.

»Scheiße.«

Ihr Körper begann sich zu verkrampfen, die Augen weiteten sich vor Angst und Schmerz, dann drang auch schon Schaum zwischen ihren Lippen hervor und ihre Füße schlugen zuckend auf den Fliesenboden ein.

Dan stürzte zum Notfallknopf, der neben dem Bett angebracht war, schlug mit dem Handballen darauf, drehte sich dann wieder zu der Frau um und ging neben ihr auf die Knie.

»Komm schon«, drängte er sie. »Gib nicht auf. Verdammt, ich brauche Antworten.«