Stimme. Macht. Erfolg. - Birte Heckmann - E-Book

Stimme. Macht. Erfolg. E-Book

Birte Heckmann

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Beschreibung

Stimme. Macht. Erfolg.

Stimme bewegt. Eine gesunde Stimme macht sympathischer, attraktiver und vor allem erfolgreicher. Viele Menschen können aber auf ihr stimmliches Potenzial nicht zuverlässig zugreifen – oft gerade dann, wenn es darauf ankommt.Unsere Stimme ist neben unserer Körpersprache ein entscheidender, über Jahrtausende entwickelter Erfolgsfaktor. Gespräche jeder Art, Präsentationen, Podcasts, Online-Meetings – mit einer ausdrucksstarken Stimme werden wir automatisch als glaubwürdiger und kompetenter wahrgenommen.

In »Stimme. Macht. Erfolg.« zeigt die Stimm- und Sprechtrainerin Birte Heckmann, was die menschliche Stimme alles leistet und wie Sie Ihr Potenzial verbessern und optimal abrufen können. Die Autorin vermittelt hilfreiche Hintergründe zur menschlichen Stimme und Dutzende von Praxistipps. Diese helfen den Leser*innen, die eigene Stimme zu verbessern und damit zu überzeugen, statt nur zu reden. Leicht und humorvoll erklärt Birte Heckmann, warum es für uns alle gewinnbringend ist, sich mit der eigenen Stimme auseinanderzusetzen.

Denn die Macht der Stimme wird noch immer unterschätzt.

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Seitenzahl: 363

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Stimme bewegt. Eine gesunde Stimme macht sympathischer, attraktiver und vor allem erfolgreicher. Viele Menschen können aber auf ihr stimmliches Potenzial nicht zuverlässig zugreifen – oft gerade dann, wenn es darauf ankommt. Unsere Stimme ist neben unserer Körpersprache ein entscheidender, über Jahrtausende entwickelter Erfolgsfaktor. Gespräche jeder Art, Präsentationen, Podcasts, Online-Meetings – mit einer ausdrucksstarken Stimme werden wir automatisch als glaubwürdiger und kompetenter wahrgenommen. In »Stimme. Macht. Erfolg.« zeigt die Stimm- und Sprechtrainerin Birte Heckmann, was die menschliche Stimme alles leistet und wie Sie Ihr Potenzial verbessern und optimal abrufen können. Die Autorin vermittelt hilfreiche Hintergründe zur menschlichen Stimme und Dutzende von Praxistipps. Diese helfen den Leser*innen, die eigene Stimme zu verbessern und damit zu überzeugen, statt nur zu reden. Leicht und humorvoll erklärt Birte Heckmann, warum es für uns alle gewinnbringend ist, sich mit der eigenen Stimme auseinanderzusetzen. Denn die Macht der Stimme wird noch immer unterschätzt.

Autorin

Birte Heckmann ist Logopädin und selbstständige Stimm- und Sprechtrainerin aus Hamburg. Sie arbeitete als Sprecherzieherin am Staatstheater, als Hochschul- und Schauspielschuldozentin, machte einen Abstecher in die Psychologie und baute als Stimmtherapeutin den logopädischen Bereich eines Fachzentrums für Stimme auf. Heute arbeitet sie als Moderatorentrainerin beim Radio und analog und digital als selbstständige Trainerin und Speakerin. Ihre Kunden arbeiten u.a. bei Wirtschaftsunternehmen, Fernsehproduktionen, in der Forschung oder in den Medien. Auf internationalen Kongressen und Veranstaltungen spricht sie zu den Themen Stimme, Sprechen, Präsenz und deren Wechselwirkung mit dem eigenen Selbstbild.

Birte Heckmann

Stimme

Macht

Erfolg

Wie Sie Ihre Stimmkraft stärken,

um zu überzeugen und besser

anzukommen

In Zusammenarbeit mit Michael Lemster

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2023 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Der Abdruck der Gedichte auf folgenden Seiten erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags:

Seite 256, 257, 258: HAIKU. Japanische Gedichte © 1994 Deutscher Taschenbuch Verlag

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-30017-3V001

Inhalt

Die Worte davor

1. Me, Myself and Voice

2. Wunderwerk Stimme

3. Atem und Stimme

4. Glücksbringer Stimme

5. Stimme, Alltag, Identität

6. Die Transgender-Stimme

7. Stimme im Spotlight

8. Bewegend sprechen

9. Work it, Baby!

Danksagung

Weiterführende Literatur

Wichtige und nützliche Adressen

Anmerkungen

Für Lina

Be boldBe happyBe lovedBe you

Die Worte davor …

In Zeiten von New Work, mentaler Gesundheit, Selbstoptimierung und gleichzeitiger Selbstakzeptanz erfährt auch unsere Stimme einen neuen, wertschätzenden Umgang. Wer sagt denn, dass Sie »laut« sein müssen, um gehört zu werden? Wer gibt vor, welche Tonlage »seriös« wirkt? Wonach beurteilen wir »männlich« und »weiblich« und welche Rolle spielt dabei unsere Stimme? Was ist das überhaupt, eine »gute Stimme«, und was bedeutet in diesem Zusammenhang Authentizität?

Unsere Stimme ist Ausdruck und gleichzeitig Teil unserer Persönlichkeit. Sie entwickelt sich mit unseren Erfahrungen und transportiert – oft ungewollt – unsere Stimmung, unsere Freude, Trauer, Angst, Wut und Zweifel. Sie ist ein über Jahrtausende entwickeltes Instrument zum Austausch mit anderen, unsere Kommunikation ist so bunt und kulturübergreifend wie Musik und Tanz, aus denen sie hervorgegangen ist. Bestimmte Aspekte unserer Stimmgebung sind in unserer DNA verankert und entwicklungsbiologisch relevant. Zu wissen, wo wir herkommen, hilft uns, das Phänomen Stimme besser zu verstehen.

In diesem Buch finden Sie handfeste Tipps zur Vorbereitung und Umsetzung von Präsentationen, Moderationen oder Meetings, Übungen zur Stimmkräftigung, sprecherisches Know-how sowie schnelle Notfallstrategien bei Sprechangst und Nervosität. Die richtige Atemtechnik macht uns noch nicht zu Bühnenprofis – aber sie kann uns dabei helfen. So wie jeder Muskel gern angemessen genutzt werden möchte, so freut sich auch unser Stimmapparat über einen wertschätzenden Umgang und Unterstützung durch den ganzen Körper. Sie finden hier Übungen, um die entscheidenden Muskeln zu stärken und die vorlauten unter ihnen zu entspannen. Sie lernen, auf den Punkt zu kommen und so Ihre Meinung auch in herausfordernden Sprechsituationen klar und deutlich auszusprechen. Beim Lesen können Sie direkt ausprobieren und »learning by doing« erfahren, worauf es beim überzeugenden Sprechen ankommt.

Wir durchleuchten auch relevante persönliche Erfahrungen: Wenn Ihnen in Ihrer Jugend gesagt wurde, Sie hätten eine grässliche Stimme und sollten lieber nicht in der ersten Reihe mitsingen oder den Mund halten, weil Ihr Thema nicht wichtig sei – wie sollen Sie sich da auf der Konferenzbühne oder im Chor wohlfühlen? Wie sollen wir laut und deutlich unsere Meinung vertreten, wenn die kritischen Stimmen in unserem Kopf uns ständig dazwischenreden? Da hilft ein plumpes »Entspann dich und mach Omm« auch nicht weiter. Dieses Buch möchte Ihnen bewusst machen, was Sie alles schon können, und Sie zu mehr Gelassenheit und Selbstbewusstsein beim Sprechen vor Publikum und in herausfordernden Situationen inspirieren. Es möchte mit Ihnen veraltete Glaubenssätze über sich selbst oder Ihre Zuhörer:innen aufspüren und durch ein stärkendes Mindset ersetzen. Je besser wir verstehen, was gerade geschieht, desto entspannter können wir uns annehmen. Und je entspannter wir mit uns umgehen, desto geringer werden Druck und Spannung im Körper – und somit auch in unserer Stimme.

Längst nicht alles, was sich in unserer Stimme oder in unserer Atmung äußert, ist in einer falschen Stimmtechnik, Stress oder unserem Mindset begründet. Es gibt Erkrankungen oder Störungen der Stimme, die organischer Natur sind und ganz klar medizinisch, manchmal sogar operativ, behandelt werden können und müssen. Menschen, deren Stimme nicht funktioniert, wird die soziale Teilhabe verwehrt. Stimmgesundheit ist für jeden Einzelnen von uns, aber auch volkswirtschaftlich ein unterschätzter Faktor.

Warum lesen Sie in diesem Buch so viel über mich? Ich liebe das Thema Stimme und Sprechen! Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich als Logopädin, seit über 15 Jahren leidenschaftlich als Stimm- und Sprechtrainerin. Ich habe unzählige Fort- und Weiterbildungen besucht und gegeben und kann die Zahl meiner internationalen Kund:innen und Patient:innen nicht mehr benennen. Ich habe zum Thema auf internationalen Kongressen gesprochen und Fachartikel geschrieben. Wahr ist aber auch: Ich habe schlaflose Nächte gehabt, immer wieder meine Kompetenz infrage gestellt, mich ungenügend und dumm gefühlt, hatte Angst vor den Reaktionen meines Publikums und tiefste Zweifel an der Relevanz meiner Inhalte. Meine Stimme zu finden, war ein langer Weg – doch jeder einzelne Schritt hat sich gelohnt!

Meine Kund:innen arbeiten in den unterschiedlichsten Branchen auf allen Ebenen. Es sind kluge Menschen, die sich jedoch oft nicht nach draußen trauen. Vielleicht kennen Sie das? Vielleicht möchten auch Sie endlich das Wort ergreifen, spannende Inhalte vermitteln und Ihre Zuhörer:innen mitreißen? Auch durch meine eigene Stimmreise möchte ich Ihnen Mut machen und Hilfe leisten. Sie dabei unterstützen, mit Freude und Leichtigkeit Ihr Wissen, Ihre Gedanken und Ideen zu teilen. Sichtbar zu werden, indem Sie sich Gehör verschaffen, erfolgreich zu sein durch authentische Präsenz. Sich das Leben zu versüßen durch stimmige Kommunikation – darum geht es in diesem Buch.

Herzlich willkommen in der wunderbaren bunten und faszinierenden Stimmwelt – Vorhang auf für die Stimme!

1.

Me, Myself and Voice

Vom Suchen und Finden meiner eigenen Stimme

»Nur, wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.«

Erich Kästner, Schriftsteller (1899–1974)

Ich höre nur seine Stimme und weiß alles über ihn. Ein großer, gut aussehender Mann, selbstbewusst, Typ Anzugträger, erfolgreich, stark – ein Gewinnertyp. Mittleres Alter, gesund, aufrecht, sehr präsent. Ich höre das Funkeln in seinen Augen. Humor, der Typ hat Humor. Und Bildung. Etwas schwingt in meinem Inneren, ich finde ihn sympathisch, er vermittelt mir Sicherheit. Ich drehe mich um, meine Augen suchen ihn … und noch während sein letztes Wort durch meinen Gehörgang geistert, zerplatzt meine Traummann-Blase an der Wirklichkeit seiner optischen Erscheinung.

Kennen Sie das auch? Sie erleben Menschen am Telefon, Kolleginnen, Geschäftspartner, Callcenter-Mitarbeiter, und haben unmittelbar ein Bild von dieser Person vor Augen. Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Dies gilt gerade dann, wenn dieser Eindruck akustischer Art ist. Denn akustische Eindrücke dringen bis tief in unser Gehirn, ins limbische System, wo Emotionen entstehen und der Verstand ein schwacher Filter ist. Manchmal bekommen wir die Telefonstimmen irgendwann tatsächlich zu Gesicht. Was für eine Überraschung, was für eine Ent-Täuschung das mitunter ist! Das Bild, das sich aufgrund eines Höreindrucks in uns festgesetzt hat, und die physische Erscheinung, die uns dann real gegenübersteht, decken sich nur selten.

Die Stimme eines Menschen trifft uns direkt, wir können nichts dagegen tun. Natürlich werden wir mehr oder weniger schnell korrigierend eingreifen, Erfahrungen und Wissen hinzufügen, aber die erste Reaktion erfolgt aus dem Bauch heraus. Deshalb ist es so wichtig, sich der Wirkung und der Macht seiner Stimme bewusst zu sein.

Mit den Ohren »gesehen«

Die Kraft und der Zauber der Stimme haben meine Fantasie von Anfang an geformt. In meiner frühesten Erinnerung an mich tapse ich in den Siebzigerjahren im Ganzkörper-Schlafanzug mit unter den Arm geklemmtem Kassettenrekorder die Treppe unseres Reihenhauses hinunter. Hörspiele von morgens bis abends. Noch heute kommt es vor, dass ich an schlechten Tagen die alten Hörspiele ausgrabe und mich von den »alten Freunden« trösten lasse.

In Wirklichkeit erlebten nämlich nicht nur die berühmten FünfFreunde ihre Abenteuer – ich war immer dabei, wir waren zu sechst. Meine Liebe zum Hörspiel hat meine lebenslange Liebe zur Stimme begründet. Fünf Freunde und ihre Abenteuer, die Guten und die Banditen. Hanni und Nanni und ihre Freundinnen, so viele unterschiedliche Charaktere, mal laut und frech, mal brav und sanft. Hui Buh und Pumuckl, durch den einzigartigen Hans Clarin zum Leben erweckt, diese wunderbar schrägen Stimmen der für mich selbstverständlich real existierenden Freigeister. Bambi, Heidi, Black Beauty. Ich habe sie alle gekannt, geliebt, gesehen. Manchmal habe ich einzelne Sätze immer wieder zurückgespult, weil mich eine Satzmelodie, ein Knarren der Stimme, ein glucksendes Lachen geradezu süchtig gemacht haben. Noch heute kenne ich ganze Passagen der Europa- oder Märchenland-Kassetten auswendig, sie haben sich in meine Erinnerung und in mein Herz gebrannt.

Später wurden auch meine Freunde älter: Die drei Fragezeichen mit ihrem immer gleich krächzenden Papagei, klar von menschlicher Stimme ins Leben gehaucht. Und ich fand diese Stimme wieder, in anderen Kontexten, mal auf Gruselkassetten, mal in Märchen, sogar in Filmen. Es war der wunderbare Hans Paetsch, der mich so liebevoll an die Hand nahm und durch Geschichten leitete. Mit ihm gemeinsam durfte ich in diese Paralleluniversen eintauchen. Er sprach nicht einfach nur: Er malte Bilder und erschuf Welten durch die Magie seiner Stimme.

Meine Mutter erzählt gern die Geschichte von meinem ersten Ballettbesuch mit ihr zusammen: Schwanensee. Sie dachte, die Kostüme, die Musik, die Bewegung würden mich begeistern. Doch offenbar dauerte es keine zehn Minuten, bis die damals Fünfjährige ein klares Statement abgab: »Wenn die nicht langsam mal anfangen, was zu sagen, will ich nach Hause.«

Wenig später wurde ich in England auf eine private Mädchenschule geschickt. Wie leicht man sich doch als Kind mit den Fremdsprachen tut! Da kommt man am Freitag in einem fremden Land an, beginnt am Montag die Schule und verständigt sich erst mal mit Händen und Füßen. Es gab Schuluniformen bestehend aus Schottenrock und Strohhut, und es herrschte noch Erziehung durch Schläge mit dem Rohrstock in die Kniekehle. In dieser gottgläubigen Umgebung aber war etwas anderes für mich viel prägender: Jeden Tag gab es eine Stunde »Prayers«. Die ganze Schule traf sich, um gemeinsam zu beten und zu singen. Noch heute, über 40 Jahre später, kenne ich das englische, in Gemeinschaft gemurmelte Vaterunser und die durch 100 Mädchenkehlen geschmetterten Lieder auswendig. Diese Erlebnisse waren so beeindruckend, dass sie sich mir eingebrannt haben.

Täglich gab es ein gemeinsames Mittagessen in einem großen Saal. Man durfte sich eine zweite Portion holen und musste jedes Auffüllen mit einem »Yes, please« bestätigen. Das Gefühl, wie das erste /s/ zischte und das /iiiiii/ in der Mitte mit höflichem Knicks und nettem Lächeln in die Breite gezogen wurde, diese körperliche Erfahrung des Lautbildens kann ich heute noch nachfühlen.

Probieren Sie es mal aus – jeder Laut ist im Körper an unterschiedlichen Stellen als Vibration spürbar. Jede Veränderung des Mundraumes zaubert einen neuen Klang in den Ton.

Apropos England: Ist Ihnen mal aufgefallen, dass sich der Stimmklang je nach Sprache verändert?! Die Engländer zum Beispiel nutzen in ihrem Alltag viel mehr hohe Töne als wir doch recht monoton erzählenden Deutschen. Denken Sie mal an englischsprachige Dauerwerbesendungen: »Oh Jaaaamiiiie, that is sooooo greaaaat!!« – da wird geflötet, gelautmalt, geradezu gesungen. In unserer Straße wohnt eine afrikanische Familie. In meinen deutsch-geprägten Ohren klingt ihre Sprache ungewohnt hart. Während es sich für mich manchmal so anhört, als würde die Mutter schimpfen, hüpfen die Kinder weiterhin fröhlich um sie herum. Die Franzosen dagegen klingen immer irgendwie verschnupft. Und die Südländerinnen diskutieren in den höchsten Tönen und kommen für mein Empfinden überhaupt nicht wieder runter.

In meiner Jugend lag dann der Walkman im Trend. Nun konnte man immer und überall Stimmen im Ohr haben. Es war aber auch die Zeit des großen Tennis: Steffi Graf, Boris Becker. Am meisten faszinierte mich Monica Seles – sie konnte mit jedem Schlag so unfassbar laut stöhnen! Was war das für ein Geräusch, das da aus ihrem Mund kam, obwohl sie doch mit dem Arm den Schläger schlug? Inzwischen habe ich gelernt, dass es ein eigenes Wort für dieses Phänomen gibt: Grunting. Und dass Spielerinnen damit die Lautstärke eines Presslufthammers erreichen können! Damals allerdings interessierte mich der wissenschaftliche Hintergrund nicht, mich faszinierten einfach die unterschiedlichen Geräusche, die Menschen mit ihren Stimmen hervorbringen konnten.

Aus meinen Kopfhörern ertönte bald auch Musik. Der erste private Hamburger Radiosender ging 1986 on Air. Ich identifizierte mich vollkommen mit dem Hamburger Schnack der Moderatoren, dem Klang von Heimat. Ich konnte eine spezielle Radio-Kassette in meinen Walkman einlegen und durch einen Schieber die unterschiedlichen Sender einstellen. Rein orchestrale Klassik hat mich nie so sehr gepackt wie die Stimmgewalt. Dabei hat mich weniger die Virtuosität interessiert als das … gewisse Etwas. Ich liebte den verschnupften Klang von Kim Wilde. Die Arroganz in der Stimme eines Falco. Jimmy Somerville von den Communards mit seiner unfassbar hohen Männerstimme. Und später den großen, ungehobelten Tom Waits. Die Stimme schmutzig, gnadenlos, eine Urgewalt.

Dass ich selbst etwas mit Stimme machen würde, entschied letztlich eine der für mich Größten überhaupt: Barbra Streisand. Wie sie dastand auf dem Schiff in Richtung Amerika am Ende des Films Yentl – da war mir klar, dass ich lernen musste, einen Ton so wunderbar und lange zu halten wie sie. Die Länge habe ich geschafft, am Rest arbeite ich bis heute …

Zu meinem 17. Geburtstag schenkte mir mein damaliger Freund ein Gesangslehrbuch mit der Widmung »Kleine Traumentwicklungshilfe. Mit Küsschen«. Außerdem brachte er mich mit meiner ersten Band in Kontakt. Ich war ein Teenie, nähte meine Schlaghosen selbst, färbte mir grüne Strähnen – und wurde Rockstar!

Wir spielten unsere eigenen Songs, probten, bis meine ungeformte, laute Stimme sich überschlug. Als wir endlich auf der legendären Reeperbahn auftreten durften, war ich im Rockerhimmel angekommen und griff nach den Sternen. Meine Stimme war super, und ich konnte singen. Es gab nur immer wieder dieses eine Problem: Ich selbst glaubte nicht an mich. Wegen meiner Angst vor Fehlern traute ich mich nicht, Dinge auszuprobieren, mich weiterzuentwickeln. Es war kein wirkliches Lampenfieber, eher eine ständige kritische innere Stimme, die mich fragte, mit welchem Recht ich eigentlich diesen Raum einnahm.

Heute entdecke ich als Trainerin dieses Muster bei ganz vielen meiner Klientinnen – Frauen, die wahnsinnig kompetent sind, die etwas zu sagen haben, ihre Stimme aber nur gegen hartnäckigen inneren Widerstand erheben. Auch bei Männern spielt bei der Nutzung ihres Stimmpotenzials die Einstellung sich selbst und der Welt gegenüber eine entscheidende Rolle. Das ist ein wichtiger Aspekt beim Thema Stimme, weshalb ich später darauf zurückkomme.

In dieser Anfangszeit meines Rockstardaseins unternahm unser Bandleader allerlei Anstrengungen, um mich von meinen Selbstzweifeln und der Zurückhaltung zu heilen. Unvergessen ist mir ein Sonntagnachmittag, an dem er mich auf eine Kuhweide führte. Dort sollte ich lauthals, ungehemmt, freiheraus für die Kühe singen, ein paar Aretha-Franklin-Stücke zum Besten geben. Eine Konfrontationstherapie mit wiederkäuendem Publikum. Erfolglos. Ihr kopfschüttelndes »Muh« war deutlich resonanter als das ängstliche Wispern, das von meinen verschüchterten Stimmlippen kam.

In den Ferien besuchte ich Workshops von Veranstaltern mit so großartigen Namen wie »Musizierende Toiletten«, eine Initiative, die die Umrüstung von ausrangierten öffentlichen Toilettenhäusern auf Proberäume für bargeldlose Musiker vorantrieb. Dort machte ich erste Erfahrungen mit Gesangsunterricht und teilweise absurden Ratschlägen wie »Jetzt atme mal tiiiief in die Füße«. So etwas hört man immer wieder, aber probieren Sie es mal aus – wie soll das gehen?! »Es atmet dich« ist auch so ein Satz. Mich hat jedenfalls nichts geatmet, das musste ich alles selber machen.

Meine nächste Band lebte vom Groove und mehrstimmigen Soulgesang. Kurz nachdem ich mich für ein Studium im Ausland entschieden und die Band verlassen hatte, schafften zwei Bandkollegen den Durchbruch, und ich konnte ihre Lieder im Radio hören. Habe ich meine Entscheidung in diesem Moment bereut? Mit aller norddeutschen Zurückhaltung möchte ich sagen: »It nearly killed me!«

Mein Weg führte mich noch nicht auf die große Bühne. Ich ging in die Niederlande und studierte als eine der ersten Deutschen auf Niederländisch Logopädie. Die Entscheidung dafür fiel, weil ich »irgendwas mit Stimme« machen wollte, aber es sollte eben auch »irgendwas Vernünftiges« sein. Ich fand viele der breit gefächerten Studieninhalte spannend und hatte großen Spaß im Phonetikunterricht, in dem die niederländischen Kommilitoninnen uns vier Deutschen diese seltsamen niederländischen Kehllaute beibrachten. Aber schon damals waren jene Fächer, die speziell mit Stimme, Stimmentwicklung, Stimmtherapie und Theaterpädagogik zu tun hatten, meine wahre Berufung.

Meine Mitbewohner studierten am Konservatorium, und somit kam ich in Kontakt mit Jazzmusik. Während meines Abschlussjahres absolvierte ich die Aufnahmeprüfung in Jazzgesang. Ich scheiterte kläglich an der Musiktheorie und wurde trotzdem zum Vorstudium zugelassen, weil die Jury von meiner Stimme überzeugt war. Ein Jahr lang durfte ich Gesang studieren, jammen, scatten, auftreten, proben. Ich hätte stolz darauf sein können, an einem staatlichen Konservatorium angenommen worden zu sein. Aber wieder machten mir meine Selbstzweifel einen Strich durch die Rechnung. Ich schaffte es einfach nicht, an mich zu glauben und hinter mir zu stehen. Egal, wie positiv die Rückmeldungen waren, ich fühlte mich ungenügend. Ich brach das Studium ab und mir selbst das Herz.

Eine tolle Stimme beginnt im Kopf

Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass ich damals nie eine erfolgreiche oder glückliche Sängerin geworden wäre. Mir fehlte das Wichtigste: die innere Einstellung, auf der Bühne richtig zu sein. Begrifflichkeiten wie »Mentales Training« oder »Selbstwirksamkeit« gab es damals, wenn überhaupt, nur im Sport oder in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft. Im Zusammenhang mit Stimme und Bühnenpräsenz aber waren diese Themen kaum präsent.

Doch warum bekommen sie nun hier so viel Raum, in einem Buch über »Stimme«?

Dass ich keine Sängerin geworden bin, hat mich viele Jahre lang traurig gemacht. Ich wusste, dass ich eine gute, kräftige Stimme mit einem großen Umfang und einem coolen Klang hatte. Ich wusste es – aber ich konnte es nicht fühlen. Meine inneren Glaubenssätze waren viel lauter als mein Verstand und die Motivationsrufe meiner Umwelt. Heute hat dieses Phänomen sogar einen Namen, der immer mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt: Hochstapler-Syndrom oder auch Impostor-Syndrom. Die innere Haltung ist für die Stimme entscheidend. Lampenfieber ist ein gutes Beispiel dafür. Stars wie Adele, Robbie Williams und Barbra Streisand sind stimmgewaltige und erfolgreiche Künstler:innen, die unter derartig starkem Lampenfieber leiden, dass sie zeitweise ihren Beruf kaum ausüben konnten. Sie beherrschen ihr Instrument, aber es steht ihnen nicht immer frei zur Verfügung.

Bestimmt kennen Sie selbst Situationen, in denen Ihre Stimme plötzlich komische Dinge tut. Besonders gern dann, wenn Sie es am wenigsten gebrauchen können. Bei einer wichtigen Präsentation oder einem Vorstellungsgespräch. Beim Streit. Beim ersten Date. Die Stimme zittert, sie bricht ab, sie gehorcht nicht. Und Sie ahnen es: Mit rein technischen Stimmübungen kommen wir dem Ganzen nicht auf die Spur. Deshalb werden Sie in diesem Buch neben vielen praktischen Stimmübungen auch Tipps und Übungen finden, um sich mental zu stärken. So können Sie Ihr Instrument in den unterschiedlichsten Situationen adäquat nutzen.

Was Stimmtherapeuten können müssen

Nach vier Jahren Studium kehrte ich mit einem Bachelor in Logopädie und einem Baby im Bauch nach Deutschland zurück.

Mein erster Arbeitsplatz nach der Babypause war eine logopädische Praxis. Es ist unglaublich, was für ein breites Aufgabenspektrum Logopäd:innen abdecken. Sie sind Profis für die kindliche Sprachentwicklung und Ansprechpartner:innen bei von Schlaganfall Betroffenen und ihren Angehörigen. Sie behandeln Menschen mit Schluckstörungen und Artikulationsauffälligkeiten, Kehlkopfoperierte und Wachkomapatient:innen. Sie arbeiten in Reha-Zentren, Kindergärten, Hospizen, Krankenhäusern, Schulen und Seniorenheimen. Sie sehen, Logopäd:innen arbeiten mit allen Altersgruppen und in den verschiedensten Bereichen. Nach meiner Erfahrung ist jedoch die häufigste Reaktion auf diesen Beruf: »Ach, Sie spielen mit lispelnden Kindern, stimmt’s?«

Logopäd:innen sind aber auch Stimmtherapeut:innen, und als solche suchte ich mir meine Nische in diesem Bereich. Ich habe Ihnen bereits von meiner Verehrung für Barbra Streisand erzählt. Dieses Lied aus dem Film Yentl mit dem langen, unfassbar gesungenen Ton beginnt mit den Lyrics:

»The more I live – the more I learnThe more I learn – the more I realizeThe less I know«

So erging es mir als Stimmtherapeutin. Meine Ausbildung war schon sehr umfangreich gewesen. Nun öffnete meine Spezialisierung immer weitere Türen zu ungeahnten Inhalten, und es war, wie Yentl singt: Je mehr ich lernte, desto mehr erfuhr ich über unterschiedlichste Aspekte, über Techniken, Forschungen, Möglichkeiten und Hindernisse in der Stimmarbeit.

Ich habe es immer schon als Privileg angesehen, so tief in das Leben und Schicksal anderer Menschen mitgenommen zu werden. Eine meiner beeindruckendsten Begegnungen war die mit einem jungen Mann, damals keine 30 Jahre alt und mein Jahrgang, der unter einer tumorbildenden Erkrankung litt. Er war bereits nahezu vollständig erblindet, da der Sehnerv befallen war. Sein Gang war mehr als wackelig, und er ging am Rollator, da das motorische System nicht mehr zuverlässig funktionierte. Er wusste, dass eine anstehende OP seinen Hörnerv zerstören würde. Deshalb verschenkte er seine gesamte Plattensammlung an Freunde und fuhr ein letztes Mal ans Meer, um das Rauschen und die Möwen zu hören. Nach der OP war er taub. Und nun war er bei mir, weil der Stimme eine wichtige Rückmeldung fehlt, wenn wir uns selbst nicht hören können. Seine Stimme war seine letzte natürliche Kommunikationsverbindung mit seiner Umgebung. Sie können sich vorstellen, dass solche Geschichten, derartige Begegnungen und Schicksale, einen demütig machen. Nach der ersten Stunde mit ihm saß ich jedenfalls weinend in unserer Praxisküche und wurde von den lieben Kolleginnen mit Tee versorgt.

Es gab aber auch leichtere Fälle, Patient:innen, die nach einer überstandenen Kehlkopfentzündung noch etwas heiser, aber dann schnell wieder bei Stimme waren. Viele Lehrer:innen kamen zu mir, denn das tägliche Sprechen vor einer Horde wuselnder Minimenschen oder hormongesteuerter Halbstarker ist mehr als herausfordernd für den kleinen Stimmapparat in unserem Hals. Ganz zu schweigen vom Sportunterricht, der ein stimmlicher Super-GAU ist! Auch Großeltern, die ohne Stimmanstrengung ihren Enkelkindern vorlesen wollten, suchten mich auf. Für jeden einzelnen dieser Stimmpatient:innen war die plötzlich begrenzte Kommunikationsfähigkeit eine starke Belastung und Einschränkung des bisherigen Lebens.

Stimme und Vorstellung

Neben der teilzeitlichen Logopädie führte mich meine Reise in einen Hamburger Radiosender. Die Arbeit mit Radiomoderator:innen war ein weiterer Kontakt zu sogenannten Stimmberufler:innen, also Menschen, für die die Stimme einen überdurchschnittlich wichtigen Teil ihrer Arbeit darstellt. Hier hatte ich es nicht mit »Patient:innen« zu tun, sondern hörte auf andere Parameter als den reinen Stimmklang, der ja im besten Falle gar nicht angegriffen war. Wenn man erst einmal anfängt, bei Moderator:innen auf Aussprachefehler, Undeutlichkeit oder, für mich am anstrengendsten, unnatürliche Betonung zu horchen, kann man kaum mehr entspannt Radio hören. Da ist irgendetwas an diesem Gute-Laune-Singsang, das mich wahnsinnig macht. Manchmal klingt das Radioprogramm wie eine schlecht synchronisierte amerikanische Soap, wie Hubba Bubba, wie eine Echtwort-Version der Teletubbies. (Ach, die Teletubbies, auch so ein spannendes Stimmphänomen, das zu jener Zeit auf den Markt kam. Erinnern Sie sich noch an die Geräusche, die Tinky-Winky und seine Freunde von sich gegeben haben? So nervig und so präsent!)

Aber warum klingen manche Radioansagen so unnatürlich? Warum kann ich Pilotinnen oder Zugbegleiter einfach nie verstehen? Was genau lässt diesen Höreindruck entstehen? Zu bemerken, dass etwas nicht richtig klingt, ist nicht so schwierig. Es ist, als würde man ein Bild betrachten: Man weiß, da stimmt etwas nicht mit der Perspektive, kann die Ungenauigkeit aber nicht konkret benennen. Wo und warum ich als Hörende den Eindruck der Künstlichkeit bekomme oder dem Inhalt nicht folgen kann, das begann ich in dieser Zeit zu erforschen. Noch wenig erfahren in der Sprecherziehung arbeitete ich beim Radio damals weitgehend nach dem Prinzip »Fake it till you make it«. Ich suchte nach Betonungsschlenkern, dem Kratzen in der Stimme und dem Nuscheln am Ende des Satzes. Die eigentliche Wurzel des Übels versteckte sich noch vor mir.

Heute weiß ich, dass die Lösung des Problems nur sehr bedingt eine technische ist: Probleme mit künstlich klingendem Sprechen bekommen wir hauptsächlich dann, wenn wir nicht mehr im Dialog sind. Wenn wir also ohne ein Gegenüber sprechen, einen wirklichen Menschen, mit dem wir etwas teilen, dem wir etwas mit-teilen können und wollen. Wenn wir zwar zu, aber nicht mit jemandem reden. Deshalb ist es auch eine solche Kunst (Achtung Wortspiel: Kunst – künstlich?!), locker-flockige Vorträge oder Präsentationen zu halten, dort oben, allein auf der Bühne. Oder hinter einem Mikrofon im Sender – denn dort sprechen wir meistens allein und ohne weitere Reaktion eines realen Gesprächspartners. Also im Monolog. Und Monologe klingen fast immer langweilig, gelangweilt und eben unecht.

Die nächsten Stimmberufler:innen begegneten mir, als ich begann, an einer Schauspielschule zu unterrichten. Mein Zauberkoffer mit Übungen und Handwerkszeug wurde immer größer, denn die Bedürfnisse der Schauspielschüler:innen waren wieder ganz andere als die meiner bisherigen Stimm-Klientel.

Es gibt rein technische Übungen zum Aufbau der Stimmkraft, denn die Stimmbänder kann man wie beim Kraftsport aufwärmen, aufbauen und kräftigen. Übungen zur Flexibilisierung, sozusagen für die Feinmechanik, brauchen wir, um nicht nur kräftig schreien zu können, sondern auch differenzierte Stimmnuancen bei unterschiedlichen Emotionen hervorzubringen. Atemübungen helfen, das Luftvolumen zu vergrößern und den Luftstrom, der die Basis des Tones, also der Stimme, bildet, kontrollieren zu können.

Aber all diese »mechanischen« Übungen funktionieren nur bedingt. Stellen Sie sich vor, ich würde Ihnen sagen, dass Sie jetzt »ganz locker« einen Gleitton ertönen lassen sollen, also mit der Stimme oben ansetzen und dann aus der Höhe in einen tiefen Ton rutschen. Oder Sie sollen mal entspannt ein ziemlich lautes »Aaaaah« ausstoßen. Los, machen Sie mal! Lockerer! Nun, Sie sind vermutlich weder locker noch entspannt, weil es eben komisch ist, solche Geräusche zu machen. (Und was sollen erst die Nachbarn denken?) In diesem Fall wird auch Ihr Körper nicht locker und entspannt sein, sondern im Gegenteil ziemlich ver-spannt. Und dann funktionieren diese tollen Übungen nicht. Deshalb kommt jetzt der Begriff »Intention« ins Spiel. Intention bedeutet »Ausrichtung auf ein Ziel«. Für Stimmübungen heißt das: Malen Sie sich einen Kontext aus, machen Sie Ihre Vorstellung so real wie möglich! Ein »Mmmh« klingt einfach ganz anders, wenn ich mir dabei einen frischen Apfelkuchen mit Sahne vorstelle, oder aber meinen blöden Vorgesetzten, der mir schon wieder keine Gehaltserhöhung gönnt.

Neben meiner Arbeit mit Stimmpatient:innen und Berufssprecher:innen besuchte ich mit großem Wissensdurst zahllose Fortbildungen. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Stimmkongress. Es war wie im Märchen – als hätte ich durch ein Schlüsselloch geguckt, hinter dem sich ein Universum von Stimmfreaks auftat, von denen ich bisher nichts wusste. In dieser Welt gibt es Wissenschaftler:innen, Forscher:innen und Ärzt:innen, Physiker:innen und Akustiker:innen, Künstler:innen, Therapeut:innen und Coach:innen … und alle reden mit Begeisterung über diese kleinen, süßen, schwingenden, mit Schleimhaut ummantelten zwei Zentimeter langen Strukturen im Kehlkopf. Mir wurde klar, dass ich mit meiner Leidenschaft nicht allein bin und sie etwas in Menschen bewegt. Stimme ist das wichtigste menschliche Kommunikationsmittel!

Stimme und Seele

Die Bedeutung des Einflusses der Psyche auf die Stimme erfuhr ich eindrücklich am eigenen Leib, als ich erstmals beschloss, meine Anstellung zu kündigen und mich als Stimm- und Sprechtrainerin selbstständig zu machen. Einen Tag nach meiner Kündigung wachte ich auf und hatte keine Stimme mehr! Das war eine verrückte Erfahrung, und ich bin mehr als dankbar, sie gemacht zu haben. Wie wertvoll und bedeutsam die Stimme für uns ist, verstehen wir erst, wenn diese Selbstverständlichkeit uns nicht mehr zur Verfügung steht. Ich hatte die seltsamsten Gedanken: »Wenn es jetzt brennt, kann ich nicht um Hilfe rufen!« Einfach etwas fragen, ans Telefon gehen, mal eben etwas durch die Wohnung rufen oder zustimmend grummeln – nichts ging mehr. Einem Abend mit Freunden brauchte ich gar nicht zuzusagen. Meine Tochter war zutiefst verunsichert, ich konnte ihr nicht mehr vorlesen und nicht mehr meckern. Benjamin Blümchen, der als Hörspielpartner mit seinem ständigen »Törööööööö« nun meine Tochter tröstete, konnte ich auch nicht mehr mit einem leidenschaftlich gebrüllten »LEISER!!!« zum Schweigen bringen.

Unsere Stimme hat maßgeblich mit Teilhabe zu tun, mitmachen zu können, dazuzugehören und sich auszutauschen. Viele meiner Stimmpatient:innen leiden entsetzlich darunter, all dies nicht zu haben und zu können. Stimmverlust führt zu Kontaktverlust und letztlich zu Vereinsamung. Die Stimme ist das Instrument unserer sozialen Einbindung in die Gesellschaft. Das versuche ich immer zu erklären, wenn wieder einmal jemand meint, dass Stimmtherapie – und dann auch noch auf Kosten der Krankenkasse! – neumodischer und unnötiger Firlefanz sei.

Der Einfluss der Psyche auf die Stimmfunktion, die physiologischen Abläufe, Wechselwirkung von Wahrnehmung, Input und Output – ich wollte noch so viel mehr verstehen und begann deshalb mit vierzig ein Studium der Psychologie, das meine Arbeit als Stimm- und Sprechtrainerin wunderbar ergänzte und meine therapeutischen Möglichkeiten weiter ausbaute.

Kurze Zeit später hörte ich von einer Kollegin, dass der Chef der Abteilung für Phoniatrie an unserem Universitätsklinikum plante, eine eigene Klinik für die Stimme zu eröffnen. Da mich solche Projekte schon immer interessierten, nahm ich Kontakt auf und ging zu einem Kennenlerntreffen. Was für ein schicksalhafter Tag! Nach einer halben Stunde mit drei hochmotivierten Stimm-Menschen mit einer irren Vision fuhr ich nach Hause und wusste: Ich hatte soeben einen Job als Logopädin an einem in Deutschland einmaligen interdisziplinären Zentrum für Stimmmedizin bekommen. Für Sie klingt das jetzt vielleicht nicht so verrückt, aber stellen Sie sich vor, Sie wären Schokoladenfan und jemand würde Ihnen anbieten, ab sofort die Tage in Willy Wonkas Schokoladenfabrik zu verbringen und dafür bezahlt zu werden. Für mich war es ein Traum. Ich durfte ausschließlich mit Stimmpatient:innen arbeiten. Und wieder erweiterte ich meinen Horizont, da ich nun mit der großen internationalen Stimmwelt in Kontakt kam. Mein Chef war eine Koryphäe auf seinem Gebiet, ein Professor der Phoniatrie, der auch mikrochirurgische Operationen an den Stimmlippen durchführte. Er war ständig auf Kongressen und mit Ärzten und Wissenschaftlern überall auf der Welt bestens vernetzt. Gemeinsam mit Konzernen arbeitete er an der Weiterentwicklung medizinischer Instrumente im Bereich der Stimm-OPs und Diagnostik. Die Aufnahmen der Kehlköpfe unserer Patient:innen waren phänomenal. Gestochen scharf, sodass man jedes noch so kleine Äderchen, jede kleinste Verdickung oder Veränderung der Stimmlippen in den Tiefen des Kehlkopfes erkennen konnte. Gestützt auf Befunde, die für ungeübte Augen und Ohren kaum einschätzbar waren, retteten die spezialisierten Stimmärzte mit ihrer Expertise manchmal sogar Menschenleben.

Die Bedeutung der Stimme und die Relevanz einer derart spezialisierten Fachpraxis nach außen zu kommunizieren, war dem Professor schon lange eine Freude. Er war ein begnadeter Redner. Als er mir sagte, es wäre doch schön, wenn auch ich Vorträge hielte, verschlug es mir vor lauter Schreck fast die Stimme. Hochspezialisiert überkamen mich wieder einmal Selbstzweifel. Doch ich wagte den Sprung ins kalte Wasser und machte meine ersten vorsichtigen Schritte auf der Sprecherbühne.

Auf »Brettern, die die Welt bedeuten« standen auch meine neuen Klient:innen. Als Sprecherzieherin eines Staatstheaters genoss ich nun regelmäßig die kreative Arbeit an Sprache, am Sprechen und an der Stimme sowie die gute »Theaterluft«. In der Praxisklinik arbeitete ich weiterhin mit meinen Stimmpatient:innen mit bewährten Übungen, ergänzt durch neue Methoden und technische Unterstützung. Den Einfluss bestimmter Übungen konnte ich bei gleichzeitiger Bildüberwachung durch die Ärzte unmittelbar überprüfen. So etwas ist beeindruckend – man sagt den Patient:innen, welche Tonfolge sie singen sollen, und kann auf dem Bildschirm verfolgen, wie der Körper das durch Kehlkopfbewegungen umsetzt. Besonders gefällt mir, wie ein lachender Kehlkopf aussieht. Der hüpft im Tempo der Gluckser hoch und runter, was richtig gute Laune macht. Das können Sie sogar von außen fühlen: Legen Sie drei Finger auf den Kehlkopf und spüren Sie, wie er beim Lachen im Rhythmus springt. Auch die Arbeit eines Osteopathen konnten wir direkt auf dem Bildschirm verfolgen. Da wurde der Kehlkopf von einer Seite zur anderen gedrückt, bestimmte Strukturen wurden auseinandergezogen, hier gedehnt, dort hin und her gewackelt, und eine völlig heisere, verkrampfte Stimme erfuhr binnen weniger Minuten einen sogenannten Reset: Sie veränderte sich (wenigstens kurzzeitig) in eine klare, entspannte Stimme.

Selbstverständlich kamen in die Stimmpraxis in der Musical-Hauptstadt Hamburg auch viele Sänger:innen mit teilweise tragischen Schicksalen. Obwohl Stimmprobleme meist in Ruhe auskuriert werden müssen, gilt es in einem hart umkämpften Markt Verträge einzuhalten. Ein festes Musicalprogramm mit zwei Shows am Abend die gesamte Woche über lässt sich nicht einfach so absagen. Haben Sie sich jemals Gedanken darüber gemacht, dass jeder Profifußballer seinen eigenen Physiotherapeuten und ein ganzes Team von Körpertherapeuten hat, wohingegen man bei Sänger:innen fast nie etwas von Verletzungen oder Schwierigkeiten mitbekommt? Stimmprobleme sind nicht populär.

Viele VIPs fuhren erst nach den offiziellen Praxiszeiten mit dicken Autos in die Tiefgarage der Praxis und erschienen mit großer Sonnenbrille zur Konsultation. Eros Ramazzotti hat damals offiziell seine Tour wegen Stimmproblemen unterbrochen und wurde von meinem Chef operiert, wofür er sich in aller Öffentlichkeit bedankte. Auch Jan Delay machte seine Stimmbeschwerden und die Behandlung öffentlich. Das sind allerdings Ausnahmen, denn meistens sind Stimmstörungen bei Sänger:innen ein bestgehütetes Geheimnis. Künstler:innen, besonders im klassischen Bereich, haben stimmlich zu funktionieren oder sie gelten als unzuverlässig, divenhaft, wenig belastbar und werden gnadenlos ersetzt. In diesem Zwiespalt aus Stimmgesundheit und Leistungsdruck performen die Künstler:innen auf unseren Bühnen Abend für Abend, ohne dass wir uns wirklich Gedanken über ihre wahnsinnige Belastung machen.

Vor einiger Zeit bekam das Thema »Transgender«, auch durch Prominente wie Caitlyn Jenner aus dem Kardashian-Clan, in der Gesellschaft immer mehr Raum. Unsere Praxis legte darauf einen Schwerpunkt, und so begann ich mich auch mit dieser stimmlichen therapeutischen Arbeit zu befassen. Dabei mitzuhelfen, das für viele letzte benötigte Puzzleteil für ihre Anerkennung als Frau – die Feminisierung ihrer Stimme – zu finden, war eine mehr als dankbare Aufgabe. Und sie brachte mich dazu, erstmals wirklich über unsere Konstruktion von »Mann« und »Frau« nachzudenken, die großen Einfluss auf unser jeweiliges Sprechverhalten hat. 

Parallel und als logische Konsequenz entwickelte sich in meiner selbstständigen Arbeit, die ich neben der Stimmpraxis weiter betrieb, ein neuer Schwerpunkt. Gemeinsam mit einer systemischen Therapeutin, die ich Ihnen später noch vorstellen werde, entwickelte ich ein Trainingskonzept speziell für Frauen. Bisher hatte ich nie wirklich einen Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht. Die Recherche zu männer- und frauenspezifischer Sprechweise im Zuge meiner Fachbeiträge zur Therapie der Transgenderstimme führte mir erst vor Augen, wie gravierend die Unterschiede und die daraus resultierenden Folgen sind. Mit diesem Bereich beschäftigte ich mich immer mehr, es machte mir Spaß, mein Wissen und meine Erfahrungen in Seminaren und Vorträgen zu teilen. In meinem Leben standen Veränderungen an. Meine Tochter machte Abitur und war weitgehend flügge. Es gab keinen Grund mehr, an alten zeitlichen Mustern festzuhalten. In der Praxisklinik lief der Bereich für logopädische Stimmtherapie in geordneten Bahnen: Der Terminkalender war voll, die Abläufe wiederholten sich routiniert. Ich spürte in mir eine zunehmende Unruhe und unbändige Lust, mich wieder neu ins Stimm-Getümmel zu stürzen.

Also kündigte ich, ohne wirklich zu wissen, was ich als Nächstes tun würde. Wir schrieben den 1.1.2020. Im Februar erschienen die ersten Meldungen über eine seltsame Lungenkrankheit bei etwa 60 Menschen in China. Kurz darauf brach in der ganzen Welt das Chaos aus. Ich hatte meine Festanstellung gekündigt und stand nun in meinem eigenen Büro: Willkommen im wahren Leben. Willkommen in Zeiten von Corona! Was dann passierte, war verrückt – abgesehen davon, dass sowieso alles verrückt war in dieser Zeit. Mein großes Netzwerk, das ich in all den Berufsjahren durch reges Interesse, lang ausgestreckte Fühler und beste Kontakte aufgebaut hatte, sicherte mich. Nach den ersten Wochen der Schockstarre – wie soll Stimmtraining, Sprecherziehung und pädagogische Arbeit funktionieren, wenn man sich nicht mehr gegenüberstehen darf? – kam ich wieder auf die Beine und stellte um auf »online«. Videokonferenzen, für mich bisher ein Fremdwort und unvorstellbar, wurden die neue Wirklichkeit. Und es funktionierte, sehr gut sogar. So gut, dass eine Kollegin, die für die größten Unternehmen weltweit als Stimm- und Sprechtrainerin arbeitet und zu dieser Zeit Verstärkung brauchte, mir Projekte anbot. Die großen Unternehmen stellten ebenfalls komplett auf Videokonferenzen um, alles wurde digital. Dinge, die niemand für möglich gehalten hätte, funktionierten wunderbar, und was nicht so gut klappte, wurde neu erfunden, improvisiert, toleriert. Alles war im Auf- und Umbruch. So hart es viele Menschen in dieser Zeit traf – für mich eröffneten sich neue Tätigkeitsfelder. Da ich gut Englisch spreche und es in der virtuellen Welt keine Grenzen gibt, arbeitete ich nach kurzer Zeit global. Gruppentrainings setzten sich manchmal aus fast allen Zeitzonen und Kulturen zusammen, da versammelten sich Asien, Amerika und Europa in einem Raum.

Ebenfalls in dieser Zeit sprach ich mit einem befreundeten Autor über meinen lang gehegten Traum, ein Buch zum Thema »Stimme« zu schreiben. Kontakte wurden geknüpft, Dinge entwickelten sich, das gesprochene Wort, bisher in meinem Leben federführend, übersetzte ich in Schriftsprache … Das Ergebnis halten Sie jetzt in Ihren Händen.

Letztlich geht es immer um Kommunikation. Im Beruf, in der Freundschaft, der Familie, der Wirtschaft, in Politik, Kunst und Kultur. Um Austausch. Darum, sich mitzuteilen – Gedanken, Wissen, Gefühle, Erlebnisse, Erkenntnisse zu teilen. Es geht darum, gehört zu werden und zuzuhören. Dafür brauchen wir Kontakt und Interesse. Es gibt so viele Begriffe und Redewendungen, die in unserem Alltag auf die Bedeutung der Stimme hinweisen: Der Ton macht die Musik. Auf einer Wellenlänge sein. Das schnürt mir den Hals zu, da bleibt mir die Luft weg. Ich stimme dir zu, eine Stimme haben, im Brustton der Überzeugung sprechen. Wir sprechen jeden Tag, und jeden Tag erleben wir die Folgen erfolgreicher und misslungener Kommunikation, getragen vom Klang der Stimme. Mein Kundenkreis wächst – Kreative, Juristinnen, Künstler, Berater, Dozentinnen, Moderatoren ... Wäre dies ein Film, würde jetzt ein buntes Stimmengewirr eingeblendet und immer lauter werden.

Corona wurde Teil unseres Alltags. Gemeinsam können wir im Büro oder von zu Hause aus arbeiten. Kongresse, Meetings und Schulungen finden analog, digital oder hybrid statt, ganz so, wie es gerade passt. Ich kann wieder Vorträge halten. Endlich!

Endlich?! Meine Angst vorm öffentlichen Scheitern habe ich besiegt. Inzwischen finde ich es großartig, Vorträge zu halten. Ich habe riesige Freude daran, Menschen von meinem Thema zu erzählen, sie mitzunehmen und zu begeistern. Ich genieße das Gefühl von Gemeinsamkeit, das entsteht, wenn man das Publikum sprichwörtlich zu bewegen vermag. Wenn man Fragen beantworten und Stimmrätsel lösen kann. Wenn man herausfindet, wie sehr Stimmklang, Lautstärke und Präsenz durch kleine Kniffe und Übungen verändert werden können. Wenn die Klient:innen sich überwinden und schließlich Freude daran haben, ihre Kompetenz, ihre Visionen, Erkenntnisse und Gedanken auszusprechen. Und ich bin dankbar, dass ich selbst endlich diese Freude empfinden kann. Dass ich meine Stimme endlich gefunden habe.

Meine Stimmreise ist noch lange nicht zu Ende. Es gibt so viel und immer Neues zu erforschen und zu besprechen. Aber zu diesem Zeitpunkt kann ich eines sicher sagen: Nach so vielen Jahren und anders als damals mit den grünen Haaren gedacht, bin auch ich endlich über Umwege mit beiden Beinen und voller Freude auf der Bühne gelandet! In meiner Arbeit habe ich inzwischen überwiegend mit Menschen zu tun, deren Schwierigkeiten mir nur allzu vertraut sind. Es sind sogenannte High Performer, Leute mit einem umfangreichen Fachwissen, das zu teilen zu ihrem Job gehört. Aber Kompetenz auf einem Gebiet und dieses Wissen dann auch nachvollziehbar, unterhaltsam und selbstbewusst zu präsentieren, sind zwei Paar Schuhe.

Ich kann Sie nur ermutigen, sich mit Stimme, Sprechen und Präsenz auseinanderzusetzen, egal in welchem Bereich Sie arbeiten oder in welchen Situationen die Stimme für Sie wichtig ist. Es bereichert das Leben, weil es Spaß bringt, in der eigenen Kompetenz und dem Teilen der eigenen Gedanken gesehen und gehört zu werden. Stimmarbeit ist immer auch Arbeit an der Persönlichkeit. Nicht jede:r begnadete Redner:in kam als solche:r zur Welt. Man kann das lernen. Man sollte das lernen.

Eine gesunde und gehörte Stimme macht Sie glücklicher und erfolgreicher – bestimmt!

2.

Wunderwerk Stimme

Aufbau und Funktion

»Die Stimmen der Menschen sagen mehr als Worte ausdrücken können.«

Friedrich Kayssler, Schauspieler (1874–1945)

Unsere Stimme – ein unbekanntes Land

Wie wirken Sie auf andere, wenn Sie etwas erzählen oder einen Vortrag halten? Welche Botschaften übermittelt Ihre Stimme jenseits Ihrer gewählten Worte? Obwohl unsere akustische Visitenkarte maßgeblich darüber mitentscheidet, ob wir als kompetent, glaub- und vertrauenswürdig oder ganz einfach als sympathisch wahrgenommen werden, wissen die meisten Menschen nicht um diesen Schatz, der ihnen ganz natürlich zur Verfügung steht.

Um diesen Schatz zu heben, lade ich Sie zu einer faszinierenden Reise durch den ganzen Körper ein. Diese Reise beginnt an Ihrer Schädeldecke und führt über Nase, Lippen und Zunge, durch Kehlkopf und Luftröhre hinab bis zum Zwerchfell. Wir beschauen uns die Stimme buchstäblich von Kopf bis Fuß.

Mit dem entsprechenden Bewusstsein können Sie Ihre Stimme in Ihrem Sinne beeinflussen. Ihre Stimmbänder und die weiteren an der Stimme beteiligten Körperregionen können Sie trainieren. »Bewusst« verstehen Sie bitte nicht so, dass Sie jede Sekunde daran denken sollen, welche Form Ihr Stimmapparat, so heißt er ganz unromantisch, gerade hat. Bewusste Stimmnutzer:innen, professionelle Sänger:innen oder Sprecher:innen etwa, haben die Abläufe ihrer physiologischen, gesunden Stimmnutzung einfach im Gefühl – so wie ein erfahrener Gitarrenspieler über die komplexen Bewegungsabläufe seiner Finger und Hände nicht mehr groß nachdenkt, sondern sie einfach macht.

Und ähnlich wie der Gitarrist es hört und fühlt, wenn eine seiner Bewegungen den Bruchteil einer Sekunde zu früh oder zu spät kommt, so hört und spürt es der:die erfahrene Sprecher:in oder ein:e Sänger:in.

Es ist mir ein Anliegen, dass Ihnen dieser Aspekt gleich zu Beginn dieses Buches bewusst wird: Eine gut funktionierende Stimme bedeutet nicht, dass Sie sie ständig kontrollieren und auf Wirkung trimmen sollen. Ich wünsche mir – und Ihnen –, dass Sie die Funktion Ihrer Stimme erleben. Diese Erfahrung, wie leicht und gut sich der gesunde Umgang mit Ihrer Stimme anfühlt, soll eine selbstverständliche und logische Grundlage für Ihr erfolgreiches Stimm- und Sprechtraining mit diesem Buch sein. Denn auch die später behandelten Aspekte einer erfolgreichen verbalen Kommunikation können Sie leichter und authentischer umsetzen, wenn Sie nicht auf bloße äußerliche Wirkung, sondern auf ein tiefes menschliches Bedürfnis (von evolutionärer Notwendigkeit) abzielen: eine funktionierende, am Gegenüber interessierte Kommunikation.

Vieles an der menschlichen Stimme ist wissenschaftlich noch nicht erforscht. Untrüglich ist jedoch eines: der akustische Eindruck, den ein Klang erweckt. Nicht nur beim Fachmann, sondern bei jedem Menschen, der tatsächlich zuhört.

Stimme ist viel mehr als nur ein faszinierender körperlicher Vorgang. An der Stimme lässt sich auch die Gesundheit ablesen. Studien belegen den Einfluss eines gesunden Körpers auf die Stimme. Die Aufrichtung Ihres Körpers beim bewussten Stimmeinsatz wiederum stärkt Ihr Selbstbewusstsein in der Kommunikation und Ihre Präsenz. Die psychophysischen Zusammenhänge zwischen Aufrichtung und Selbstbewusstsein, »Standing«, Wachheit, Präsenz und Selbstsicherheit eines Vortragenden und Gesundheit sind wissenschaftlich nachgewiesen.1

Lassen Sie uns zuerst anschauen, wie die Stimme funktioniert, um danach kurz verschiedene Formen von Stimmstörungen aufzugreifen, die auftreten können, wenn die Stimme nicht optimal eingestellt ist. Vielleicht finden Sie sich darin wieder, denn auch Probleme wie

fehlende Lautstärkeeine heisere oder angestrengte Stimme schon nach einer halben Stunde am Konferenztisch oder im Lokal oderzu viel Satz am Ende der Luft – also eine schlecht koordinierte Atem-Stimm-Kopplung

gehören in diese Kategorie.

Wenn Menschen sich sprechend miteinander verständigen, geben sie Signale von sich. Aus der Kombination dieser vielfältigen Signale ergibt sich eine mal mehr, mal weniger erfolgreiche Kommunikation. Beispiele für diese Signalkombinationen sind:

die gewählten Wortedie Aussprache der einzelnen Laute