Stonehenge - Barbara Wegener - E-Book

Stonehenge E-Book

Barbara Wegener

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Beschreibung

Eine mysteriöse Wolke ummantelt die Erde, um deren Zukunft für immer zu verändern. Das Leben, wie man es kennt, existiert fortan nicht mehr. Jegliche Technik ist unbrauchbar, stattdessen verfügen einige Menschen über Magie, andere werden zu blutrünstigen Monstern. Nach Jahrhunderten des Chaos wird endlich "Lysan“ die Auserwählte geboren, die den finsteren Machenschaften ein Ende setzen kann. Eine Mission, die Lysan und ihre Gefährten zum sagenumwobenen Stonehenge führt.

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BARBARA WEGENER

 

STONEHENGE

 

 _________________________

 

FANTASY

 

 

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-161-6

MOBI ISBN 978-3-95865-162-3

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form 

(durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) 

ohne schriftliche Genehmigung des Autors 

oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ 

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme 

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

Sie ist die, die war,

sie ist die, die sein wird,

sie ist die, die gibt,

sie ist die, die nimmt.

 

Prolog

Langsam, aber unaufhaltsam zog die Wolke ihre Bahn durch die Unendlichkeit des Universums. Seit Jahrmillionen folgte sie einer geheimnisvollen Bestimmung. Durch nichts ließ sie sich von ihrem Kurs abbringen, noch nicht einmal das gewaltige Zerren der Schwarzen Löcher forderte ihren Tribut. Entgegen allen Naturgesetzen gelang es ihr, sich immer wieder loszureißen, ohne auch nur im Geringsten an Umfang zu verlieren.

Die Bewohner eines kleinen Planeten, der geruhsam seine Bahn um eine durchschnittlich große Sonne zog, ahnten nichts von dem Unheil, das soeben ihr Sonnensystem erreichte und, wie durch die Kraft eines gigantischen Magneten, von ihrem blauen Erdball angezogen wurde. Sie gingen, wie gehabt, ihren täglichen Geschäften nach, liebten, hassten, halfen, stritten und niemand dachte daran, dass das Ende der Normalität so nah war.

Als die Wolke den kleinen Mond des Planeten erreicht hatte, wurde sie zum ersten Mal von seinen Bewohnern - sie nennen sich Menschen - entdeckt. Sie richteten ihre Teleskope aus, stellten Berechnungen an, gaben kluge Vermutungen und Ratschläge von sich, saßen an ihren Computern und telefonierten mit ihren Handys.

Und dann – Stille.

 

Wulf

Mit einem Fluch riss sie die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett. Sie hatte verschlafen. Ausgerechnet heute. Sie sollte um zwölf Uhr zu einem Vorstellungsgespräch erscheinen. Die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, es musste also fast Mittag sein. Eva sah auf ihren Wecker, aber das Display war schwarz. „Verdammt!“, rief sie aufgebracht. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Keiner der Zeiger bewegte sich. Sie waren um 2 Uhr stehen geblieben.

Eilig rannte sie ins Badezimmer und betätigte den Lichtschalter. Nichts. Seufzend tastete sie sich zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Doch auch das Wasser lief nicht. Noch nicht einmal ein Gurgeln drang aus der Leitung.

Ein weiterer Fluch entfuhr ihren Lippen. Sie lief eilig zurück ins Schlafzimmer und zog sich an.

Natürlich hatte sie auch in der Küche keinen Strom. „Kein Kaffee“, murmelte sie verzweifelt. „Ich brauche meinen Kaffee… !“ Sie beschloss, auf dem Weg in die Stadt an einer Tankstelle zu halten und sich dort einen Coffee-To-Go zu holen.

Eva zog ihre Jacke über, griff sich ihre Tasche und verließ die Wohnung.

Auch der Aufzug funktionierte nicht. Aber sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie musste sich beeilen. Sie brauchte den Job.

Ergeben wandte sie sich der Treppe zu und eilte die Stufen hinunter, öffnete die Haustür und lief zu ihrem grünen VW-Polo, der auf dem Parkplatz direkt vor dem Haus stand.

Erstaunt stellte sie fest, dass der Parkplatz, trotz der späten Vormittagszeit, immer noch voller Fahrzeuge war. Einige Hausbewohner, sie sah ihre Nachbarin Claudia und deren zwei Kinder und noch weitere Personen, an deren Namen sie sich augenblicklich nicht erinnerte, standen neben ihren Fahrzeugen und unterhielten sich aufgeregt. Sie hatte es eilig und widerstand dem Wunsch mit ihnen über den ärgerlichen Stromausfall zu diskutieren. Bestimmt wetterten sie gerade über die unzuverlässigen Stromwerke und die hohen Preise, die sie für die nicht erbrachte Leistung verlangten.

Eva drückte auf die Fernbedienung, um die Autotür zu entriegeln. „Mist", entfuhr es ihr, als das übliche Klicken nicht zu hören war. Sie musste also die Tür per Hand aufschließen.

Mit einem Seufzen ließ sie sich auf dem Fahrersitz nieder, gurtete sich an und drehte den Zündschlüssel im Schloss.

Nichts. Der Wagen sprang nicht an.

Sie versuchte es wieder. Der Motor gab nicht einmal das leiseste Geräusch von sich.

Resigniert schloss Eva die Augen. Es war offensichtlich nicht ihr Tag.

Sie beschloss, den Bus in die Stadt zu nehmen. Wenn sie sich beeilte, würde sie es vielleicht noch zu ihrem Vorstellungsgespräch schaffen.

Hastig verließ sie das Fahrzeug.

„Mein Auto springt nicht an. Ich muss mich beeilen, damit ich noch den Bus erwische“, rief sie Claudia zu, die ihr aufgeregt zuwinkte.

„Da wirst du kein Glück haben“, antwortete Claudia zurück. „Aus irgendeinem Grund scheint nichts mehr zu funktionieren, was mit Elektrik oder Elektronik zu tun hat. Schau mal auf die Straße. Da fährt kein Auto. Und das um diese Uhrzeit.“

Eva folgte ihrem Blick zur Hauptstraße. Tatsächlich. Außer einem Hund, der die Freiheit genoss, unbehelligt auf der sonst viel befahrenen Straße herumzutollen, konnte sie nichts entdecken.

„Was ist hier los?“ Fragend blickte sie Claudia an. „Ich habe keine Ahnung“, antwortete diese. „Das Radio, das Fernsehen und das Internet funktionieren ja auch nicht. Niemand, den ich bisher gefragt habe, kann sich einen Reim darauf machen. Meine Uhr ist heute Nacht um zwei Uhr stehen geblieben. Es muss also um diese Uhrzeit alles ausgefallen sein.“

Nachdenklich sah Eva auf ihre eigene Armbanduhr. Auch sie war, wie sie bereits vorhin in ihrer Wohnung festgestellt hatte, um zwei Uhr stehen geblieben.

*

Wulf blätterte die Seite des Buches, aus dem er vorgelesen hatte um, nahm einen großen Schluck Met aus dem Humpen, den der Wirt des Gasthofes vor ihn hingestellt hatte, und sah sich seine Zuhörer an. Gespannte, erwartungsvolle Gesichter waren auf ihn gerichtet.

„Lies weiter, alter Mann“, forderte der Wirt ihn auf. „Ich beköstige dich hier nicht, damit du dauernd Pausen machst, sondern damit du meine Gäste unterhältst.“

Wulf rieb sich die müden Augen und las im trüben Schein der Kerze, die einen kleinen Lichtkegel in der ansonsten dämmerigen Gaststube bildete, weiter.

*

„Ich muss jetzt wirklich gehen. Gleich haben wir zwei Uhr und meine Eltern werden einen Aufstand machen, wenn sie wach werden und ich nicht in meinem Bett liege.“ Charly griff ihre Bücher, stopfte sie in ihre Tasche und stand auf.

Max seufzte. Seine Freundin hatte stundenlang versucht, ihm die Grundlagen der Kurvendiskussion beizubringen. Leider vergeblich.

„Soll ich dich nach Hause bringen? Es ist dunkel und ein junges Mädchen sollte um diese Uhrzeit nicht alleine auf der Straße sein“, grinste er sie an.

Charly lachte. „Bleib du mal lieber hier und leg dich schlafen, damit du morgen ausgeruht bist. Ich gebe nicht auf. Noch nie hat einer meiner Nachhilfeschüler versagt.“ Sie zog ihre Jacke über. „Die Straßenlaternen brennen und außerdem haben wir Vollmond. Schau mal aus dem Fenster. Ist ja nicht so, als wenn ich in stockfinsterer Nacht nach Hause gehe.“ Charly warf Max noch eine Kusshand zu und verließ die Wohnung.

Es war wirklich schon spät, oder früh, je nachdem, wie man die Sache betrachten wollte. Endlich kam der Aufzug. Charly trat in die enge, stickige Kabine und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Laut rumpelnd setzte sich der Aufzug in Bewegung. In Gedanken war Charly bereits in ihrem Zimmer und lag in ihrem warmen, kuscheligen Bett, als der Aufzug mit einem plötzlichen Ruck stehen blieb und das Licht erlosch. Auch das laute Rauschen des Ventilators, das sie immer fürchterlich aufgeregt hatte, war nicht mehr zu hören.

Charly tastete sich zur Aufzugtür und drückte auf alle Knöpfe, die sie erfühlen konnte. Nichts geschah.

„Hilfe! Hört mich jemand? Ich stecke im Aufzug fest!“, schrie sie, wohl wissend, dass alle Menschen in dem riesigen Hochhaus in ihren Betten lagen und schliefen. Niemand würde sie so schnell retten. Sie konnte nur hoffen, dass irgendjemand früh zur Arbeit musste und den steckengebliebenen Aufzug bemerkte.

Also würde sie nicht in ihrem Bett liegen, wenn ihre Eltern aufwachten. Sie stellte sich schon auf ein großes Donnerwetter ein, wenn sie wieder daheim wäre. Den Konzertbesuch mit Max am Wochenende konnte sie dann wohl vergessen.

Unterdessen brachte Max die beiden Gläser, aus denen sie getrunken hatten, in die Küche und spülte sie schnell ab. Wenn seine Eltern morgen Vormittag vom Besuch seiner Großeltern heimkommen würden, sollte alles aufgeräumt sein.

Plötzlich erlosch das Licht in der Küche. Vor Schreck ließ Max beinahe die Gläser fallen, konnte sie aber gerade noch auf der Spüle abstellen. Er tastete sich vorwärts zum Flur. Hier betätigte er den Lichtschalter, doch nichts geschah. Der Flur blieb dunkel. „Scheiße!“, sprach er seine Gedanken aus. „Die Sicherung ist wohl rausgeflogen.“ Die würde er aber erst morgen austauschen.

Plötzlich hörte er laut und deutlich die Stimme seiner Freundin.

„Hilfe! Hört mich jemand? Ich stecke im Aufzug fest!“

Max schüttelte den Kopf. Charly war bestimmt schon fast zuhause. Er konnte sie gar nicht hören. Selbst, wenn sie tatsächlich im Aufzug stecken geblieben wäre, hätte er sie nicht in dieser Lautstärke hören können. Er musste sich das nur eingebildet haben, und so ging er durch den vom Mond erhellten Flur zurück in sein Zimmer, um sich fürs Bett fertigzumachen.

„Hilfe! Hört mich jemand? Ich stecke im Aufzug fest!“

Laut und deutlich, so als wenn sie direkt neben ihm stehen würde, hörte er Charly rufen. Max lief zur Wohnungstür und riss sie auf.

„Charly?“, rief er aufgeregt und es kümmerte ihn nicht, dass er möglicherweise die Nachbarn mit seinem Rufen wecken würde.

„Ich bin hier! Hier im Aufzug!“, hörte er Charlys Stimme, nun etwas leiser aus dem Fahrstuhlschacht. „Ich stecke zwischen der zweiten und dritten Etage fest."

„Bleib ruhig. Ich hol den Hausmeister.“ Max lief die Treppen bis ins Erdgeschoss hinunter und drückte auf den Klingelknopf von Hubert Heim, dem Hausmeister dieses Hauses, doch es folgte nicht der übliche Westminsterklang, den Heim als Klingelton gewählt hatte. Max seufzte und klopfte nun laut an der Tür.

Doch der Hausmeister öffnete nicht. Stattdessen hörte er eine Stimme aus der ersten Etage. Er hatte Oma Weinhaupt geweckt.

„Wer macht denn hier zu nachtschlafender Zeit solch einen Lärm? Wisst ihr überhaupt, wie spät es ist? Gebt Ruhe, sonst hole ich die Polizei!“, rief sie aufgebracht.

„Oma Weinhaupt? Hier ist Max. Ich brauch den Hausmeister. Charly steckt im Aufzug fest“, entschuldigte sich Max zu ihr gewandt.

„Der Hubert ist nicht da. Der ist doch seit gestern im Urlaub. Spanien, glaub ich. Als Hausmeister scheint man ja ordentlich zu verdienen“, antwortete sie. „Da solltest du am Besten die Feuerwehr rufen. Oder noch besser die Polizei. Die wissen bestimmt, was zu tun ist. Warte. Ich ruf mal an. Dann musst du nicht so weit hochlaufen.“

Max hörte, wie sich ihre schlurfenden Schritte entfernten. Nach nur wenigen Augenblicken war sie zurück.

„Das Telefon geht nicht. Auch nicht das Handy, das Dörthe mir zum Geburtstag geschenkt hat. Ich versteh das nicht. Das Handy hat doch gar nichts mit unserem Sicherungskasten und mit dem Strom zu tun. Das funktioniert doch mit Batterien oder hab ich da was falsch verstanden? Immer dieser neumodische Kram“, schimpfte sie aufgebracht.

Max lief die Treppe bis zur dritten Etage hoch und kniete sich vor die Aufzugtür.

„Charly? Hörst du mich? Der Hausmeister ist nicht da. Der Strom im gesamten Haus ist ausgefallen. Die Polizei kann ich nicht rufen. Das Telefon funktioniert nicht.“

„Max, hol mich hier raus! Ich hab Angst!“ Charlys Stimme hörte sich wie ein Wimmern an.

In seiner Verzweiflung zog und zerrte Max an den Aufzugtüren. Ihm war klar, dass er sie nicht öffnen konnte. Umso erstaunter war er, als er spürte, dass sich die Türen leicht zur Seite bewegt hatten. Max spürte eine enorme Kraft in sich wachsen. Er versuchte es noch einmal. Wieder ein Stück. Nun war der Spalt bereits so groß, dass er mit seinen Fingern hinein fassen konnte. Die Türen bewegten sich immer weiter und es fiel ihm immer leichter, sie auseinander zu drücken.

„Charly? Ganz ruhig. Versuch dich hochzuziehen. Warte. Hier sind meine Hände. Ja, gut so.“ Max zog seine Freundin Zentimeter für Zentimeter aus dem Fahrstuhlschacht. Ein letzter Ruck und sie saß vor ihm auf dem Flurboden. Erleichtert schloss er sie in seine Arme.

„Sag mal, machst du heimlich Kraftsport?“ Charly sah ihn erstaunt an. „Also, ich hätte die Tür nicht aufbekommen.“

„Du weißt, dass ich Handball spiele. Klar hab ich da ein wenig Kraft, aber die Tür hätte ich normalerweise auch nicht öffnen können. Ich hab keine Ahnung, wie ich das gemacht hab. Es ging ganz einfach. Oma Weinhaupt?“, rief er nach unten. „Können Sie kurz auf Charly aufpassen, damit ich meine Jacke holen kann? Ich werde sie nach Hause begleiten. Nach all dem, was grade passiert ist, sollte sie nicht alleine gehen.“

Max begleitete seine Freundin zum Haus ihrer Eltern und wartete davor, bis sie die Haustür hinter sich geschlossen hatte. «

*

Wulf ging vorsichtig zu Werk, damit das brüchige Papier nicht noch mehr einriss beim Vorlesen. Die Kapuze seines braunen Umhangs war ihm vom Kopf gerutscht und gab ein uraltes, verwittertes Gesicht preis. Wulf nahm einen weiteren Schluck Met aus dem Humpen und las weiter.

*

Thomas und Daniel schlichen gebückt um die Tanksäule und beobachteten den Kassierer, der gelangweilt in einer Sportzeitung las. Um diese späte Nachtzeit rechnete er nicht mehr mit viel Kundschaft. Seufzend blickte er auf seine Uhr. Fast zwei. Noch vier Stunden, bis seine Schicht vorbei war. Er freute sich schon auf seinen Schlummertrunk, sein warmes Bett, in dem Ellen auf ihn wartete und auf den freien Tag, den sie gemeinsam verbringen wollten.

Er bemerkte die beiden vermummten Gestalten erst, als das Summen der elektrischen Schiebetür ihren Eintritt in die Verkaufshalle kundtat. Die Tür hatte er vor wenigen Minuten geöffnet, damit die Putzfrau den Raum betreten konnte. Normalerweise wurden die Kunden um diese Uhrzeit über den Nachtschalter bedient und die Tür war verschlossen. Da er aber viel zu bequem war, öffnete er die Schiebetür stets einige Minuten vor dem Eintreffen der Reinigungskraft.

Wie gewohnt wollte er seine späten Kunden begrüßen, als ihn die Aufmachung der beiden erstarren ließ. Ein Überfall. Das war nun schon der Dritte, den er miterleben musste. Sein Chef hatte Anweisung gegeben, sich in solchen Fällen nicht zu wehren, um die Verbrecher nicht gegen sich aufzubringen. Geld und Waren konnten ersetzt werden. Sie waren versichert und kein Menschenleben wert.

Schon richtete einer der Räuber eine Pistole auf ihn.

„Scheiße!“, fluchte der Kassierer verhalten und hob instinktiv die Hände. Mit dem nahen Feierabend war es wohl vorbei.

„Geld raus! Sofort!“ Thomas bemühte sich seinen Kopf gesenkt zu halten, damit er von der Überwachungskamera nicht erfasst werden konnte. „Los! Wird’s bald?“ Er hielt dem Kassierer eine Plastiktüte vor das Gesicht. Daniel umrundete die Verkaufstheke und bediente sich an den dort ausgestellten Zigarettenstangen.

Der Kassierer öffnete ergeben die Registrierkasse, entnahm die wenigen Geldscheine, die sich um diese Zeit dort befanden, und legte sie in die Tüte. Thomas griff nach ihr, nahm sich noch ein Päckchen Kaugummi aus der Auslage, stopfte einige Zigarettenstangen, die Daniel ihm reichte zu dem Geld, und drehte sich zur Tür.

Kaum war er zwei Schritte gegangen, erlosch das Licht im Verkaufsraum.

„Was hast du gemacht?“, schrie Thomas wutentbrannt.

„Ich?“ Der Kassierer, der immer noch mit erhobenen Händen hinter dem Tresen stand, sah ihn angsterfüllt an. „Ich hab nichts gemacht, verdammt noch mal. Ich steh hier doch ganz ruhig.“

„Das kannst du deiner Oma erzählen.“

„Los, weg hier!“, rief Thomas seinem Kumpan zu und beide beeilten sich, zur Schiebetür zu gelangen.

Die Tür ließ sich nicht öffnen. Wütend hämmerten beide mit ihren Fäusten gegen das Glas. Doch auch das nützte nichts.

Thomas drehte sich um und richtete die Waffe erneut auf den Kassierer.

„Mach das Scheißding auf!“

„Das kann ich nicht. Der Strom ist weg und ohne Strom ...“

„Erzähl nichts. Du hast die Bullen gerufen.“ Thomas panische Stimme überschlug sich. Die Waffe in seiner schweißnassen Hand wurde immer schwerer. Der Kerl hatte irgendwie einen Alarm ausgelöst, aber, die würden ihn nicht erwischen!, dachte er und drückte ab.

Ungläubig starrte der Kassierer auf die Wunde in der Brust, aus der das Blut pulsierte. Sterbend glitt er zu Boden.

*

„Verdammter Mist. Wir müssen hier verschwinden. Es muss noch einen Hinterausgang geben. Lass uns nachsehen.“ Daniel drehte sich um und ging zurück zur Theke, hinter der er vorhin eine Tür bemerkt hatte. Doch Thomas rührte sich nicht. Wie eine Statue stand er an der verschlossenen Glastür, die Hände immer noch gehoben.

„Was ist los? Komm! Wir müssen hier verschwinden!“, rief Daniel ihm zu, lief zur Schiebetür zurück und versuchte seinen Freund an der Schulter herumzureißen. Vor Entsetzen starrte er Thomas an. Der helle Vollmond beleuchtete das Gesicht seines Freundes. Doch es war nicht mehr dasselbe Gesicht. Ihm starrte eine Fratze entgegen, die einem Albtraum entstiegen sein könnte. Die glatte, bartlose Haut hatte sich mit grünen, glänzenden Schuppen überzogen. Die Nase war fast gänzlich verschwunden und an ihre Stelle waren zwei Schlitze gerückt. Genau in diesem Augenblick verschwand Thomas Haar unter einem dichten Schuppenpanzer.

Der Körper wurde breiter. Daniel hörte den Stoff der Jeans reißen. Die Fetzen der Hose fielen zu Boden. Thomas hatte zwar immer schon einen athletischen Körper gehabt, nun aber waren die Beinmuskeln auf unnatürliche Weise angewachsen. Die Haut verfärbte sich giftgrün und auch hier bildeten sich langsam aber stetig glänzende Schuppen.

Daniel wich einen Schritt zurück.

Nun zerriss auch Thomas graues Sweatshirt.

Nackt stand diese Kreatur des Grauens vor Daniel.

Die Arme verkürzten sich, aus den Händen formten sich Klauen und um das Grauen noch zu steigern, bildete sich ein langer, dicker, schuppenüberzogener Schwanz.

Daniel konnte vor Entsetzen keinen Ton herausbringen. Er wich ein Stück zurück, den Blick starr auf das Monster gerichtet.

Dann gelang es ihm endlich, sich von dem grausigen Anblick loszureißen.

Die Kreatur hob ihre, mit messerscharfen Klauen versehenen Hände. Daniel drehte sich um und rannte durch die Regalreihen auf den Hinterausgang zu. Er rannte um sein Leben. Aber er hatte nicht den Hauch einer Chance. Eine Klaue bohrte sich in seine rechte Schulter und riss sie, mitsamt dem Arm, heraus. Daniel schrie vor Entsetzen und Schmerz.

Dann war es plötzlich still.

Lediglich ein Schmatzen war zu hören, als die Kreatur Daniels Kehle durchbiss und sich hungrig über die Leiche hermachte.

Nach wenigen Minuten erhob sich das Monster von den Resten seiner grausigen Mahlzeit und stapfte in Richtung des Hinterausgangs, um die Tankstelle zu verlassen. Es bemerkte den vor Angst erstarrten Mann nicht, der sich hinter einer Säule versteckt hielt und die entsetzliche Szene beobachtet hatte. Dieser vergaß, dass er eigentlich um Hilfe für sein liegen gebliebenes Fahrzeug bitten wollte und rannte, nachdem das Monster aus dem Blickfeld verschwunden war, eilig davon.

*

„Dendrak!“, rief einer der Zuhörer. „Das war eines der ersten Dendraks!“

Wulf nickte ihm müde zu. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, wenn er an die blutrünstigen Bestien dachte, die kurz nach der Sperrstunde die Straßen und Wege für die Grauen patrouillierten. Noch eine Geschichte hatte er aus dem alten Buch vorzulesen, dann war sein Vertrag mit dem Wirt erfüllt und die Rechnung für seine Unterkunft und Verpflegung beglichen. Er musste sich beeilen, damit die Gäste rechtzeitig ihre Unterkünfte erreichten.

Wulf blätterte erneut vorsichtig eine Seite weiter.

*

Katrin Meyer nahm das letzte Blatt aus dem Kopierer, kontrollierte noch einmal, ob der Schriftsatz richtig sortiert war, und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Ihr Blick fiel auf ihre Armbanduhr. Halb zwei in der Frühe. Und der Arbeitstag war noch nicht zu Ende. Seufzend legte sie den Schriftsatz, nebst der soeben gefertigten Kopien in die Unterschriftenmappe und hakte die Arbeit auf ihrer To-do-Liste ab. Sie hoffte, dass ihr Chef, der große Staranwalt Florian Kogge, nicht noch weitere Veränderungen vornehmen würde. Aber ihr war klar, dass es reines Wunschdenken war. Bisher war ihm immer noch das Eine oder Andere eingefallen, was ergänzt oder verändert werden musste.

Sie stand auf, nahm die Unterschriftenmappe, richtete ihr schwarzes Kostüm und verließ das Büro. Ein dichter Teppichflor verschluckte die Geräusche ihrer Schritte vollständig.

Vor der Bürotür ihres Arbeitgebers atmete sie noch einmal tief durch, bevor sie anklopfte. Kogge hasste es, gestört zu werden. In Gedanken machte sie sich bereits auf einen seiner Wutanfälle gefasst.

„Was ist denn jetzt schon wieder?“ Kogge war wie immer gereizt.

Katrin öffnete die Tür und betrat das gewaltige Büro.

„Der Schriftsatz in der Strafsache Meingau. Sie wollten ihn sofort sehen, wenn er fertig geschrieben ist“, antwortete sie eingeschüchtert. Sie arbeitete jetzt schon seit zwölf Jahren für Kogge, hatte sich aber an seine rücksichtslose und manchmal auch brutale Art nicht gewöhnen können.

„Geben Sie her.“ Kogge legte das Diktiergerät, in das er bis vor wenigen Augenblicken gesprochen hatte, vor sich auf den Schreibtisch und winkte sie ungeduldig zu sich.

Langsam blätterte er die zwanzig Seiten durch. Katrin wartete geduldig. Das hatte sie in all den Jahren gelernt – Geduld zu haben.

Kogge setzte gerade dazu an, ihr die erwartete Änderung zu diktieren, als es unvermittelt stockdunkel wurde.

Sowohl die Deckenstrahler, die in die weiße Vertäfelung eingelassen waren, als auch die elegante, chromfarbene Schreibtischlampe versagten ihren Dienst.

„Das darf doch nicht wahr sein“, polterte Kogge und versuchte mehrmals die Schreibtischlampe wieder in Gang zu bekommen. „Meyer, sehen Sie mal nach, was da los ist.“

Katrins Augen hatten sich schnell an das Dämmerlicht im Zimmer gewöhnt. Das Licht des Vollmondes sorgte dafür, dass sie genug sehen konnte, um, ohne gegen Büromöbel oder die von Kogge so heiß geliebte und von ihm mitten im Raum platzierte Skulptur zu stoßen, relativ rasch den Lichtschalter neben der Tür zu erreichen. Nichts.

„Ich werde es von meinem Büro aus versuchen", schlug Katrin vor. „Vielleicht kann ich von dort aus den Hausmeister erreichen."

„Na Los! Machen Sie schon. Worauf warten Sie noch? Glauben Sie, ich habe Lust die ganze Nacht im Dunkeln zu sitzen? Ich habe zu arbeiten!"

Auch im Flur brannte kein Licht. Katrin tastete sich zu ihrer Bürotür. Weder Licht noch Telefon funktionierten. Selbst ihr Handy verweigerte den Dienst. Verwirrt schaute sie aus dem Fenster. In der ganzen Stadt war kein einziger Lichtschimmer zu sehen. Selbst die Straßen, auf denen um diese Zeit immer dichter Verkehr herrschte, lagen in völliger Dunkelheit.

Ein Geräusch ließ sie herumfahren.

„Was ist denn nun? Ich bezahle Sie doch nicht fürs Nichtstun."

„Herr Kogge. Es tut mir Leid, aber weder das Telefon noch mein Handy funktionieren. Sehen Sie selbst. In der gesamten Stadt scheint der Strom ausgefallen zu sein."

„Erzählen Sie keinen Unsinn. Der Akku des Handys hat nichts mit der Stromversorgung zu tun. Geben Sie mal her. Sie sind wohl einfach nur zu blöd, um zu telefonieren."

Katrin reichte ihm ihr Handy und verfolgte mit gemischten Gefühlen die Versuche ihres Chefs dieses in Gang zu bringen.

Trotz des dürftigen Lichts konnte sie erkennen, dass sich sein Gesicht immer dunkler färbte, als auch er keinen Erfolg hatte.

Mit einem wütenden Aufschrei warf er das Handy gegen die Fensterscheibe, die zwar nicht zerbarst, aber doch bedenklich bebte.

„Ich will, dass die verdammte Lampe angeht. Ich will Licht", schrie er aufgebracht. Katrin wünschte sich, unsichtbar zu sein. Wenn Kogge einen seiner cholerischen Anfälle bekam, sollte man sich tunlichst nicht in seiner Nähe aufhalten.

Ihr Entsetzen wurde noch größer, als sie feststellte, dass Kogge plötzlich von innen heraus zu leuchten begann. Seine gesamte Gestalt hob sich erst leicht vom dunklen Hintergrund ab, leuchtete immer stärker und einzelne Flammen züngelten an seinem Körper empor.

„Diese Kraft! Das ist unglaublich! Es fühlt sich an, als ob ich alles tun könnte.“ Er blickte auf seine immer stärker glühende Gestalt herab. Augenblicke später bestand er nur noch aus Flammen.

Katrin schwanden die Sinne.

Als sie wieder erwachte, fand sie sich alleine im immer noch dunklen Büro vor. Von Kogge fehlte jede Spur. Im Büro war es eiskalt. Als sie sich umblickte, bemerkte sie ein mannshohes Loch in der verrußten Fensterscheibe. Katrin blickte nach draußen. Der Chef wird doch nicht ... Aber das war doch unmöglich. Das Büro befand sich in der zweiunddreißigsten Etage. Ein greller Lichtschein in der Ferne ließ sie dann aber erschauern. Eine hell leuchtende, brennende Gestalt flog auf die Randbezirke der Stadt zu und warf Flammenblitze auf Häuser und Autos, die augenblicklich explodierten.

*

„Diese Ereignisse, welche sich in jener schicksalhaften und die Welt für alle Zeiten verändernden Nacht zugetragen haben, habe ich notiert, damit die Nachwelt erfährt, was damals wirklich geschah und dass die Welt früher anders ausgesehen hat! - Wolfgang Ullmann.“ So beendete Wulf seine Vorlesung und schloss behutsam das Buch, damit die brüchigen, vergilbten Seiten keinen Schaden nahmen.

„Was ist damals eigentlich geschehen? Warum haben sich einige Leute verwandelt und andere nicht?“, fragte ein kleiner, dicker Mann, der Wulf am nächsten saß.

„Das kann ich nur vermuten“, antwortete Wulf. „Die Menschen lebten früher auf eine andere Art. Sie hatten Maschinen, die ihnen Arbeit abnahmen. Von einem Augenblick auf den nächsten funktionierten sie nicht mehr. Aber einige Menschen verwandelten sich. Ich denke, dass bestimmte Eigenschaften bei ihnen dafür den Ausschlag gaben. Die, die schlecht waren, wurden Schwarzmagier und nannten sich dann „die Grauen“, die, die gut waren, wurden zu Weißmagiern, den „Weißen“. Und die, die besonders verdorben und brutal waren, wurden zu blutrünstigen Monstern, den „Dendraks“.“

„Nun wird es aber wirklich Zeit für euch zu gehen", forderte der Wirt seine Gäste auf. Seine massige Gestalt erhob sich und schlurfte zur Tür. „Gleich ist Sperrstunde und Ihr wollt doch nicht den Dendraks in die Hände fallen."

Schnell leerte sich die Gaststube.

„Alter, du kannst dein Lager hier vor dem Kamin aufschlagen. Maria, hilf mir die Läden zu schließen", rief er in Richtung Küche und eine junge Frau mit langen, braunen Haaren und sichtbar gewölbtem Bauch betrat den Raum und begann zusammen mit ihm die schweren Holzläden vor Fenster und Türen zu schieben.

Wulf versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er mehr als ein normaler Gast um die junge Frau und ihr ungeborenes Kind besorgt war. Tatkräftig half er beim Schließen der Läden und nahm der Frau dabei den größten Teil der Last ab.

Dankbar lächelte sie.

„Wie lange wirst du bleiben? Es ist selten, dass jemand in unser Dorf kommt, der lesen kann. Meine Gäste sind begeistert. So voll wie heute war die Gaststube schon lange nicht mehr." Der Wirt sah Wulf mit seinen großen, fragenden Blicken an. Alles an diesem Mann war überdimensional groß. Er überragte Wulf um mindestens einen Meter. Seine Frau wirkte neben ihm wie eine Zwergin.

„Nun, ein paar Tage kann ich wohl noch bleiben, wenn das Angebot über freie Kost und Logis weiter bestehen bleibt. Mich erwartet niemand."

Nun, so ganz richtig war diese Aussage nicht. Er wurde erwartet. Sehnlichst erwartet. Aber zuvor hatte er noch eine Aufgabe zu erfüllen.

„Natürlich steht das Angebot noch." Die Mundwinkel des Wirtes hoben sich zu einem erfreuten Lächeln. „Jede Abwechslung ist hier gerne gesehen. Nun leg dich hin und bleib ruhig. Wir wollen die Dendraks nicht auf uns aufmerksam machen. Komm, Maria." Gemeinsam mit seiner Frau verließ er die Gaststube und begab sich in die hinteren Räumlichkeiten des Hauses.

Im Schein des fast gänzlich heruntergebrannten Feuers im Kamin bereitete Wulf sein Nachtlager. Die Wirtin hatte ihm einen Strohballen neben sein Bündel gelegt und er wollte ihn als Kopfkissen benutzen.

Vorsichtig legte er das alte Buch unter das provisorische Kissen. Er hütete es, wie einen Schatz. Sein Buch. Die Geschichten, die er vor fast eintausend Jahren zusammengetragen hatte. Er, Wolfgang Uhlmann. Er hatte seinen Namen geändert, als seine Frau Doreen bei einem Dendrakangriff ums Leben gekommen war. Als seine Seele vor Trauer zerbrach. Vor fast eintausend Jahren. Wolfgang Uhlmann, der Journalist, der glückliche werdende Vater, der liebende und geliebte Ehemann, existierte nicht mehr.

Tränen rannen über sein verwittertes Gesicht, als er sich an ihre Flucht vor so langer Zeit erinnerte. Es war bereits so viel Zeit vergangen, trotzdem war die Leere, die der Verlust Doreens in ihm hinterlassen hatte, immer noch vorhanden.

*

Sie waren auf dem Weg ins Gebirge gewesen. Man hatte ihnen erzählt, dass dort eine Zufluchtsstätte von Menschen mit weißmagischen Fähigkeiten zu finden sei, die auch normalen Menschen, die sich an sie wandten, Unterschlupf bieten würden. Einige Monate zuvor war von den herrschenden Schwarzmagiern, sie hatten sich den Titel „die Grauen“ gegeben, das Edikt herausgegeben worden, dass sich jede schwangere Frau kurz vor der Entbindung in den Palästen der Magier einzufinden habe, um dort ihr Kind zu gebären.

Bereits kurze Zeit später kursierten Gerüchte, dass die Kinder direkt nach ihrer Geburt daraufhin überprüft würden, ob sie über magische Kräfte verfügen.

Kinder ohne magische Fähigkeiten könnten mit ihren Müttern nach Hause gehen. Kinder mit schwarzmagischen Fähigkeiten würden von den Schwarzmagiern in speziellen Heimen aufgezogen. Kinder mit weißmagischen Fähigkeiten würden direkt nach der Geburt getötet.

Doreen war hochschwanger und hatte Angst davor, dass man ihr das Kind nehmen würde.

So machten sie sich also auf den gefährlichen Weg in den Süden, in der Hoffnung, dass die Geschichten über eine sichere Zuflucht wahr wären.

*

Sie kamen in der Nacht, als er mit Doreen in der Nähe eines kleinen Baches rastete.

Eine Patrouille von zwölf Dendraks, die von ihren Herren, den Grauen, ausgeschickt worden waren, Flüchtlinge aufzugreifen und zur Überprüfung der Fähigkeiten in einen der Paläste zu bringen.

Sie hatten bis zur Erschöpfung gekämpft, aber die Übermacht war zu groß. Wulf musste mit ansehen, wie seine Frau von zwei Monstern förmlich zerrissen wurde. Seine Wut steigerte sich ins Unermessliche. Und plötzlich war ihm, als wenn eine Mauer in seinem Innern einstürzen würde und eine Kraft durchströmte ihn, die so fremd, so erschreckend, aber gleichzeitig auch willkommen war.

Die Monster, die nichts ahnend auf ihn einschlugen, wurden von seiner neuen Kraft mit solcher Gewalt gegen die umstehenden Bäume geschleudert, dass sie tot liegen blieben.

Wulf stürmte auf seine tote Frau zu, nahm sie in seine Arme und ein Strom Tränen, der nicht versiegen wollte, fiel aus seinen Augen auf ihren geschundenen Körper.

Stundenlang saß er nur da, verfluchte das Schicksal und wiegte Doreen in seinen Armen.