Stopp! - Tim Otte - E-Book

Stopp! E-Book

Tim Otte

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Beschreibung

Effektive Selbstverteidigung für den Alltag hat wenig mit dem intensiven Training eines Kampfsportlers zu tun. Es geht vielmehr darum, Gefahrensituationen im Vorfeld zu erkennen und zu umgehen. Wenn Sie wissen, wo und nach welchen Kriterien Täter ihre Opfer aussuchen, können Sie sich entsprechende Verhaltensmaßnahmen aneignen, um gar nicht erst diesem Beuteschema zu entsprechen. Sollte es trotzdem zu einem Angriff kommen, müssen Sie keine komplizierten Technikabläufe beherrschen. Eine reale gewaltsame Auseinandersetzung ist hässlich und entbehrt jeglicher Regeln. Sie müssen die empfindlichen Punkte eines Angreifers kennen und Ihre Verteidigung konsequent und mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Punkte richten. Anhand realer Fallbeispiele wird erklärt, wie Sie sich im Notfall schützen und Ihren Alltag sicherer gestalten können.

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Seitenzahl: 96

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Für meine Frau Anne-Cathrin

Mein besonderer Dank im Zusammenhang mit diesem Buch gilt: Raul Roßmann (Layout und in der Rolle des Angreifers) Julian Thomann (JDMT-PHOTO)

Inhalt

Vorwort

Teil 1: Passive Verteidigung

Motivation Macht

Raus aus der Opferrolle!

Wo Überfälle passieren

Opfer: Kind

Gefahrensituationen vorbeugen

Mentales Aufwärmen

Phase I: Die Vorauswahl des Täters

Phase II: Das »Opfer« wird abgecheckt

Teil 2: Aktive Verteidigung

Stopp! – Klare Ansagen

Die richtige Verteidigungsposition

Schock- und Angriffspunkte

Konsequente Verteidigung mit allen Mitteln

Körpereigene »Waffen«

Angriffe von mehreren Gegnern

Helfen und Hilfe einfordern!

Teil 3: Mittel & Rechtsgrundlagen der Verteidigung

Verteidigungsbeispiele

Notwehr, Rechtsgrundlagen und die »Verhältnismäßigkeit der Mittel«

Verteidigungsmittel

Regelmäßiges Training

Nachwort

Was tun, wenn es trotzdem passiert ist?

Anhang

Sicherheitschecklisten für den Alltag

Über den Autor

Vorwort

Bei dem Wort »Selbstverteidigung« denken die meisten Menschen an Kampfsport oder zumindest aufwendig antrainierte, körperliche Fähigkeiten, um eine gewaltsame Auseinandersetzung zu gewinnen. Effektive Selbstverteidigung für den Alltag hat wenig mit dem intensiven Training eines Kampfsportlers zu tun. Es geht vielmehr darum, Gefahrensituationen im Vorfeld zu erkennen und zu umgehen. Der Einsatz körperlicher Gewalt sollte immer das letzte Mittel der Selbstverteidigung sein.

Im Überlebenskampf der Menschheit hat sich unsere Intelligenz, die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und optimale Problemlösungen zu finden, als effektivste Waffe bewährt.

Wenn Sie wissen, wo und nach welchen Kriterien Täter ihre Opfer aussuchen, können Sie sich entsprechende Verhaltensmaßnahmen aneignen, um gar nicht erst diesem »Beuteschema« zu entsprechen. Oberstes Ziel Ihres Sicherheitsbewusstseins sollte also sein, gar nicht erst als Opfer erwählt zu werden!

Sollte es trotzdem zu einem Angriff kommen, müssen Sie keine komplizierten Technikabläufe beherrschen. Eine reale gewaltsame Auseinandersetzung ist hässlich und entbehrt jeglicher Regeln. Sie müssen die empfindlichen Punkte eines Angreifers kennen und Ihre Verteidigung konsequent und mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Punkte richten.

Dieses Buch wird Ihnen neben präventiven Maßnahmen und wichtigem Hintergrundwissen einen Weg aufzeigen, wie Sie sich mit Ihren individuellen Möglichkeiten effektiv verteidigen können.

Nutzen Sie das Bild am Anfang eines jeden Kapitels dieses Buches, um sich die Szene kurz plastisch vorzustellen und die Situation zu erfassen. Überlegen Sie, welche Gedanken und Gefühle in Opfer und Täter gerade vorgehen. Nachdem Sie den Abschnitt gelesen haben, versetzen Sie sich in die Rolle des Verteidigers und spielen die Szene mit den richtigen Abwehrmaßnamen in Ihrer Phantasie noch einmal durch.

Ihr Erfolg hängt davon ab, wie intensiv Sie sich mit dem Thema beschäftigen und in wie weit Sie ihre Erkenntnisse in das tägliche Leben mit einbeziehen.

Wenn im Folgenden von einer Verteidigungssituation oder einem Angriff gesprochen wird, ist hiermit ausdrücklich ein Angriff auf das Leben oder die Gesundheit der eigenen Person oder Dritter im Sinne der Selbstverteidigung gemeint.

Bei den beschriebenen Fallbeispielen handelt es sich um versuchte und vollendete Überfälle, die so in Deutschland geschehen sind und in jeder Minute irgendwo passieren. Zum Schutz der Opfer wurden deren Namen geändert. Ich habe mit diesen Opfern gesprochen und versucht, zumindest den sachlichen Ablauf ihrer Erlebnisse zu beschreiben. Dabei ist mir aufgefallen, dass diejenigen, die sich vehement gewehrt haben, ihre Erlebnisse gut verarbeitet haben und ein aufmerksames Sicherheitsbewusstsein entwickelt haben.

Nichts ist wichtiger, als Ihre Gesundheit: Beschäftigen Sie sich also mit diesem Thema, bevor es zu einem Angriff kommt!

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal für die vielen Interviews und Gespräche bedanken, durch die mir die Opfer einen sehr realistischen Eindruck des tatsächlich Erlebten gegeben haben. Durch diese authentischen Fälle werden die Vorgehensweisen der Täter für den Leser sehr transparent.

Tim Otte, 2023

Teil 1: Passive Verteidigung

Motivation Macht

Motivation Macht

Macht bezeichnet die Fähigkeit, auf das Verhalten oder Denken von Gruppen oder Individuen einzuwirken. Mit Macht und Ohnmacht werden wir schon vom frühen Kindheitsalter an konfrontiert: Eltern entscheiden, wann ihre kleinen Kinder ins Bett müssen. Ein Lehrer gibt eine schlechte Note wegen versäumter Hausaufgaben. Ein Universitätsprofessor benotet eine Hausarbeit. Der Chef bestimmt, woran Sie arbeiten müssen. Auch der Staat übt auf seine Bürger Macht durch Gesetze aus.

Grundsätzlich ist Macht nicht als negativ anzusehen, solange ihr Einsatz derer dient, auf die sie einwirkt oder zum Schutz Dritter eingesetzt wird:

Ein geistig Verwirrter wird zum Selbstschutz in die Psychiatrie eingewiesen. Jugendliche Opfer häuslicher Gewalt werden in einer Wohngruppe untergebracht. Ein betrunkener Autofahrer verliert seinen Führerschein.

Macht ist ein Aspekt sozialer Gesellschaftsformen, der uns in fast allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens täglich begegnet. Macht verspricht Sicherheit und Erfolg. Viele Menschen streben in dem einen oder anderen Bereich nach ihr, um ihre persönliche Entwicklung positiv zu beeinflussen. Häufig dient das Streben Einzelner nach Macht rein materiellen Zwecken. Oft wird Macht jedoch auch durch temporäre körperliche Überlegenheit missbraucht, um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern.

So geht es, abgesehen von Raubüberfällen oder Angriffen mit emotionalen Motiven wie Eifersucht, bei den meisten gewaltsamen Übergriffen darum, Macht über eine andere Person auszuüben. Vom Anführer der Schulhofgang, Kneipenschläger, Kinderschänder bis hin zum Vergewaltiger – sie alle wollen für einen Moment das berauschende Gefühl von Macht durch Angst und Schmerz ihrer Opfer spüren.

Täglich gibt es alleine in Deutschland tausende Fälle von Nötigungen, Körperverletzungen, sexuellen Nötigungen bis hin zu Vergewaltigungen. In den wenigsten dieser Fälle kommt es jedoch zur Anzeige. Oft geschieht dies aus Gründen der Geringfügigkeit, jedoch meistens aus Angst vor weiteren Schritten des Täters. Sexuelle Übergriffe werden häufig aus Scham oder aus Angst um den Ruf der Familie nicht zur Anzeige gebracht.

Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann einmal in eine solche Situation zu kommen, ist besonders in Ballungszentren sehr hoch. Fast jeder Großstadtmensch hat in seinem Leben mindestens einmal eine entsprechende Situation erlebt oder zumindest beobachtet und sich Fragen wie: »Warum gerade ich?«, oder: «Wie hätte ich reagiert?« gestellt. Selbst trainierte Kampfsportler reagieren hier meist falsch oder unvorsichtig, da diese Situation oft überraschend kommt und es sich um unkontrollierte Gewalt und nicht um einen sportlichen Wettkampf handelt.

Für den reinen Selbstschutz kommt es daher weniger auf die körperlichen Fähigkeiten, sondern in erster Linie auf das Verständnis der Situation und die psychischen Fähigkeiten an.

Um als nicht ausgebildeter Kämpfer eine entsprechende Situation zu vermeiden oder schadlos zu überstehen, ist es erst einmal notwendig, die Motivation dieser potentiellen Angreifer zu verstehen. Aufschluss hierüber gibt eine umfangreiche kriminologische Studie der Polizei zum Thema Gewaltverbrechen mit Schwerpunkt sexuelle Nötigung und Vergewaltigung aus den achtziger Jahren, bei der Tathergänge bei versuchten und abgeschlossenen Übergriffen genau analysiert und Profile der Täter sowie der Opfer erstellt wurden. Vor dieser Studie gab es Verhaltenstipps für Frauen, den Täter durch Zurede von seinem Vorhaben abzubringen, sich jedoch nicht körperlich zu Wehr zu setzen, da dies chancenlos sei und nur zusätzliche Verletzungen hervorrufen würde.

Die Studie brachte jedoch absolut gegenteilige Ergebnisse, die hier in Kurzform zusammengefasst sind:

Bei Frauen, die sich vehement zur Wehr setzten, ließen die Täter meist sofort vom Opfer ab und flüchteten.

Bei Frauen, die sich nicht zur Wehr setzten, ließ der Täter nur vom Opfer ab, wenn er durch Dritte gestört wurde.

Frauen, die sich vehement zur Wehr setzten, wurden in der Regel weniger verletzt als Frauen, die sich nicht wehrten und bei denen die Vergewaltigung abgeschlossen wurde!

Um dieses Ergebnis zu verstehen, muss man einen Blick auf die Profile von Opfer und Täter werfen: Die Täter kommen meist aus sozial niederen Schichten und sind oder waren nicht selten selbst Opfer von häuslicher Gewalt. Im Schul- oder Berufsleben sind sie eher erfolglos. Häufig werden sie von Bekannten oder Nachbarn als unauffällig oder Einzelgänger beschrieben. Sie alle haben ein mangelndes Selbstwertgefühl.

Das Auftreten der Opfer ist unsicher und sie haben meist eine entsprechende Körperhaltung. Sie wirken unscheinbar und meistens scheu bis ängstlich. Genau wie die Täter sind sie teilweise schon früh mit häuslicher Gewalt konfrontiert worden oder haben aus anderen Gründen ebenfalls ein mangelndes Selbstwertgefühl, welches sich in ihrer Ausstrahlung widerspiegelt.

Der Täter sucht sein Opfer also in erster Linie nicht nach geschlechtsspezifischen Reizen, sondern nach offensichtlichen psychischen Merkmalen aus. Das potentielle Opfer strahlt Schwäche aus und weckt den Anschein einer »leichten Beute«. Abgesehen von den so genannten »Missverständnissen bei Kurzzeitbekanntschaften«, auf die später noch eingegangen wird, geht es auch bei sexuellen Übergriffen in erster Linie um die Ausübung von Macht und die sexuellen Handlungen sind nur Mittel, diese auszuüben.

Wie die Studie zeigt, lässt der Täter also von einem wehrhaften Opfer ab, weil die Gefahr, eine weitere Niederlage im Leben einzufangen, zu hoch ist und dieses sein Selbstwertgefühl weiter verringern würde. Gibt sich das Opfer im Gegensatz gar zu wehrlos hin, wird der Sexualstraftäter das Gefühl der Macht zusätzlich durch körperliche Gewalt gegen sein Opfer steigern, um das Gefühl seiner Überlegenheit stärker auskosten zu können.

Egal, in welcher Form ein Täter seine Macht ausüben will, er wird sich immer ein Opfer und keinen wirklichen Gegner aussuchen!

Beim so genannten »Abziehen« unter Jugendlichen, bei dem unter Androhung oder Ausübung von Gewalt Wertgegenstände gewaltsam entwendet oder erpresst werden, handelt es sich zwar rein juristisch um ein Raubdelikt, jedoch geht es dabei auch um Macht. Das Erpressen von Geld oder die Wegnahme des Handys ist eine Demonstration von Macht und Demütigung des Opfers, nach dem Motto: »Ich bin stärker und darum musst Du mir alles geben, was ich will.«

Meist geht diese Art von Delikten zusätzlich mit leichten Körperverletzungen und Erniedrigungen einher, sei es, weil das Opfer nichts »anzubieten« hat, in der Regel jedoch um einen permanenten Druck auf das Opfer auszuüben.

Durch die ständige, oft öffentliche Zurschaustellung seiner Macht über das Opfer, will der Täter seine Überlegenheit vor Mitläufern und Dritten demonstrieren.

Darum »zieht« der Schulhofrowdy den Wehrlosen »ab« und nicht einen Ebenbürtigen, überfällt der Sexualstraftäter ein Kind oder eine schwächere Frau und sucht sich der Schläger einen schwächeren Gegner.

Teil 1: Passive Verteidigung

Raus aus der Opferrolle!

Raus aus der Opferrolle!

Neben der gezielten Vorbereitung auf Angriffe oder Überfälle entscheidet in erster Linie der »erste Eindruck«, ob man als Opfer eingestuft wird oder nicht.

Da Täter und Opfer sich in der Regel zumindest bei überfallartigen Angriffen nicht kennen, entsteht dieser Eindruck durch das eigene Auftreten und durch die erste Reaktion bei Kontakt mit dem Täter. Hat der Täter sein mögliches Opfer anhand einer unsicheren Ausstrahlung ausgewählt, wird er durch direktes Ansprechen, Anmache oder Beleidigung die Reaktion des Opfers testen. Unterbewusst läuft also beim Täter in der ersten Phase eine Vorauswahl und in der zweiten das direkte Abchecken des Opfers ab. Der Täter überprüft in Phase II, ob sich sein erster Eindruck der »leichten Beute« bestätigt.

Bei Überfällen auf Frauen oder beim »Abziehen« unter Jugendlichen beobachtet der Täter sein mögliches Opfer oft im Vorfeld über einen gewissen Zeitraum. Daher ist es notwendig, dass sich die eigene Ausstrahlung dauerhaft verbessert!

Wer sich wohl fühlt und mit sich und mit seinem Körper zufrieden ist, strahlt mehr Selbstsicherheit aus. Kleine, bewusste Erfolgserlebnisse im Alltag fördern das Selbstwertgefühl. Sportliche Betätigung erhöht nicht nur Kraft, Ausdauer und Motorik, um einen Angriff effektiv abwehren zu können, sondern verändert zusätzlich die Körperhaltung und Ausstrahlung, also den ersten Eindruck, den andere Menschen von uns gewinnen. Mit sicherem Auftreten und guter Körperhaltung fällt man bei vielen Tätern schon durch die Vorauswahl.

Wurde man von einem Täter als mögliches Opfer gewählt, kann die Opferrolle in Phase II, beim direkten Abchecken durch den Täter, leicht zum Teufelskreis werden. Wer körperliche Gewalt erfahren hat, fürchtet diese meist schon im Vorwege, weil er weiß, was gleich kommt und wie es sich anfühlen kann. Entsprechend unsicher wird das Verhalten in einer plötzlich bedrohlichen Situation und der Puls steigt. Auch der spontane Harndrang ist nur ein urzeitlich angeborener Reflex.