Strawberry Icing - Daniela Blum - E-Book

Strawberry Icing E-Book

Daniela Blum

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Beschreibung

Eine wunderbar romantische Liebeskomödie! Antonia Summerfield, High-Society-Prinzessin aus L.A., ist reich, schön und nach einer volltrunkenen Nacht in Las Vegas plötzlich verheiratet. Ihr Mann: Alexander Novak - ein mittelloser Konditormeister aus Tennessee. Widerwillig folgt sie ihm ins verschneite Waynesboro mit nur einem Ziel: Scheidung, und das so schnell wie möglich. Konfrontiert mit einer liebevollen Familie und einem Mann, der so gar nicht nach ihrer Pfeife tanzt, muss sie sich entscheiden, was ihr wichtiger ist: Reichtum und Einsamkeit oder Geborgenheit und Liebe. Forever: Lesen. Lieben. Träumen.

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Die AutorinDaniela Blum, Jahrgang 1981, stammt aus Frechen in Nordrhein-Westfalen. Nach ihrem Abitur verbrachte sie ein Dreivierteljahr als Au-pair in Atlanta, USA, um das Land und die Sprache besser kennenzulernen. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihrem kleinen Sohn und ihrer eigenwilligen Katze Emily in Erftstadt, bei Köln. Daniela Blum schreibt bereits seit ihrer Jugend und hat nach einer längeren Pause vor vier Jahren wieder damit begonnen. Ihre Kurzgeschichte Erwin der Igel erschien 2011 in der Anthologie Geschichten auf vier Pfoten und seit 2012 ist sie Teil des Bücherblogs www.aislingbreith.de.

Das BuchAntonia Summerfield, High-Society-Prinzessin aus L.A., ist reich, schön und nach einer volltrunkenen Nacht in Las Vegas plötzlich verheiratet. Ihr Mann: Alexander Novak – ein mittelloser Konditormeister aus Tennessee. Widerwillig folgt sie ihm ins verschneite Waynesboro mit nur einem Ziel: Scheidung, und das so schnell wie möglich. Konfrontiert mit einer liebevollen Familie und einem Mann, der so gar nicht nach ihrer Pfeife tanzt, muss sie sich entscheiden, was ihr wichtiger ist: Reichtum und Einsamkeit oder Geborgenheit und Liebe.

Daniela Blum

Strawberry Icing

Roman

Forever by Ullstein forever.ullstein.de

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Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin August 2014 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © Finepic® Autorenfoto: © stylelounge-event.de

ISBN 978-3-95818-005-5

Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

Diesmal verziehen ihm seine Eltern nicht. Da war er sich sicher. Als er New York vor fünf Wochen mehr oder weniger fluchtartig verlassen hatte, hatte er auch einen Skandal hinterlassen, für den er jetzt sicherlich die Quittung bekam. Was sonst konnte der Grund für die plötzliche Rückbeorderung aus dem Urlaub sein?

»Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag, Sir«, verabschiedete sich der Chauffeur und reichte ihm seine Reisetasche, bevor er in die Limousine stieg und sich wieder in den Verkehr auf der Park Avenue einreihte.

»Ob ich den haben werde?« Stirnrunzelnd sah er zu den stockwerkhohen Fenstern zu seiner Linken, hinter denen sich das Arbeitszimmer seines Vaters befand. Mit gemischten Gefühlen blickte er zu dem doppelstöckigen Neo-Renaissance-Gebäude empor. Eine elegante Lady zwischen jungen Damen der Moderne. Vor etwas mehr als fünfzehn Jahren hatten seine Eltern dieses Haus erworben, und obwohl die Gartenanlage und der schmale Vorgarten gehegt und die Büsche gepflegt wurden, sah man der Villa ihr Alter an. Der Feinstaub der täglich vorbeirauschenden Autos hinterließ genauso seine Spuren auf den alternden Steinen wie die unzähligen Tauben ihren weiß-gräulichen Dreck. Der Straßenlärm der Park Avenue drang ihm unangenehm in die Ohren, und die Abgase stachen in der Nase.

»Schön, Sie zu sehen, Sir.« Der junge Portier kam auf ihn zu, nahm ihm die Tasche ab und eilte voraus, um die Eingangstür aufzuhalten. »Die neue Frisur und der Bart stehen Ihnen ausgezeichnet, wenn ich das anmerken darf.«

»Vielen Dank.« Er fasste sich an den Bart. So richtig daran gewöhnt hatte er sich noch nicht.

»Die Herrschaften werden Augen machen.«

»Da bin ich mir sicher«, brummte er. Am besten wäre er zuerst nach Hause gefahren. Er brauchte dringend eine Dusche und ein paar Stunden Akklimatisierung. Das heutige Gespräch würde unangenehm werden. Für ihn. Seufzend betrat er das Haus. So wie immer erschlug ihn das verschwenderische Dekor aus Stuck, Säulen und Marmorfliesen. Seine Schritte hallten unheilvoll auf dem polierten Marmorboden.

»Ich werde Bescheid sagen, dass Sie eingetroffen sind.«

»Danke, Martin.« Er lächelte, und während der Portier um die Ecke verschwand, zog er sich seine dünne Jacke aus und öffnete die Tür, hinter der sich die Garderobe verbarg. Ein pinkfarbener Schulranzen stach ihm ins Auge. Der sollte eigentlich nicht hier sein. Genauso wenig wie der dunkelgraue Kaschmirmantel seines Vaters, der direkt darüber hing. Das unangenehme Gefühl in seinem Magen nahm zu. Er besah sich im Spiegel und kämmte sich mit den Fingern durch die kinnlangen, fettigen Haare, bevor er sie mit einem Haargummi zusammenband.

Ein gedämpftes Freudenquietschen drang in die Empfangshalle. Wenige Sekunden später kam ein kleines Mädchen auf Socken um die Säulenecke geschlittert. Lachend ging er in die Hocke und breitete die Arme aus. Das Mädchen jauchzte, rannte auf ihn zu und warf sich in seine Arme. Er schloss die Augen und presste die kleine Schwester fest an sich.

Sie drückte ihm einige feuchte Küsse aufs Gesicht, bevor sie sich zurücklehnte und sich die Nase zuhielt. »Iih, du stinkst. Mama hat gesagt, du warst im Dschungel. Warum hast du einen Bart? Hast du mir was mitgebracht?«

Lachend richtete er sich auf und wirbelte Carly einige Male herum, woraufhin sie erneut freudig jauchzte und die Flut der Fragen abbrach. Eigentlich war sie mit ihren zehn Jahren zu alt für diese Spiele, aber als er sie wieder absetzte, strahlte sie ihn noch immer an.

»Ja, ich war im Dschungel, und da gibt es nicht überall eine Dusche. Außerdem wollte ich schnell zurückkommen, weil ich dich vermisst habe.« Er tippte Carly auf die Nase. »Und ja, ich habe dir etwas mitgebracht. Würde es dir gefallen, wenn ich den Bart behalte?«

Einen Moment dachte sie darüber nach, dann schüttelte sie wild den Kopf. »Nein. Du siehst aus wie Mr Hazelham, und der ist immer voll streng zu uns.«

Wieder musste er lächeln. »Ich weiß zwar nicht, wer dieser Mr Hazelham ist, aber dann sollte ich ihn wohl schnell wieder abrasieren.« Er zog seine Augenbraue hoch und fixierte Carly mit seinem Blick. »Und warum bist du hier? Solltest du nicht im Internat sein, junge Dame?«

Carlys Augen blitzten verschlagen. »Meine Klassenräume sind überflutet. Bis zum Knöchel standen wir im Wasser. Wir mussten sogar unser Klassenmaskottchen eva… evakulieren …«

»Evakuieren.«

»Meine ich doch … evakulieren … Auf jeden Fall ist die Schule zwei Wochen geschlossen. Dad hat einen Privatlehrer eingestellt, der ganz andere Sachen mit mir macht. Ich mag ihn nicht.« Die letzten Worte flüsterte sie und zog dabei eine Grimasse.

»Warum denn nicht?«

»Er ist alt und hat graue Haare«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Er sah sich in der weitläufigen Halle um. »Carly, wo ist Mum?«

Sie deutete auf die breite Treppe zum Obergeschoss. »Oben bei Dad. Er hustet die ganze Zeit und verbraucht bestimmt tausend Taschentücher am Tag. Er war am letzten Wochenende fischen und ist ins Wasser gefallen. Am Montag hat Mum den Doktor angerufen und die ganze Zeit geschimpft. Daddy hat einfach nur gegrummelt und gehustet, nicht mal widersprochen hat er. Mum ist wie meine Hausmutter im Internat: Bewacht ihn, damit er sich nicht heimlich ins Büro schleicht.« Die letzten Worte flüsterte das Mädchen erneut.

Er hob Carly hoch und ging mit ihr auf die Treppe zu. »Hatte er denn Erfolg?«

»Fast. Er ist bis in die Eingangshalle gekommen, dann hat Mum ihn entdeckt und ihn schimpfend zurück ins Bett gescheucht.«

Mit gerunzelter Stirn sah er die weitläufigen Marmorstufen hinauf. Peter Geller war in den letzten Jahren nie krank gewesen. Vielleicht ging es gar nicht um die Fotos, sondern um etwas anderes. Er begann, sich ernsthafte Sorgen um die Gesundheit seines Vaters zu machen.

Der dicke, weinrote Teppich des Obergeschosses verschluckte seine Schritte, während er die breite Galerie entlangging, die in den linken Flügel des Herrenhauses führte. Dort befanden sich die privaten Räume der Familie. An den mit dunklem Holz vertäfelten Wänden hingen Bilder von Claude Monet und Henri Matisse, aber auch einige weniger bekannte Maler, die seine Mutter förderte.

Vor den Räumen seiner Eltern rutschte Carly langsam an ihm herab und ergriff seine Hand. Er schloss einen Moment die Augen und holte tief Luft. Die kleinen Finger seiner Schwester waren wie ein Rettungsanker, und er klammerte sich daran wie ein Ertrinkender. Er durfte sie nicht loslassen. Mit ihr an seiner Seite würden seine Eltern ihn vielleicht sogar herzlich willkommen heißen.

Mit bebenden Fingern klopfte er und drückte zögerlich die Klinke herunter. Vorsichtig steckte er den Kopf durch die Tür, bevor er mit Carly zusammen eintrat. In dem steinernen Kamin an der linken Wand des mit Mahagoniholz vertäfelten Raums flackerte ein Feuer und ließ die kleine Sitzgruppe davor golden schimmern.

Carly machte sich los und lief auf die Couch zu, auf der ihre Mutter saß. Beim Eintreten ihrer Kinder hatte Frances Geller die Zeitschrift, in der sie gelesen hatte, zugeklappt und zur Seite gelegt. Sie begrüßte ihre Tochter mit einem Kuss und erhob sich dann. Mit einem herzlichen Blick kam sie auf ihren Sohn zu. »Ben. Gott sei Dank.«

»Hi Mum«, sagte er mit einem Kratzen im Hals, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie.

»Himmel, wie siehst du denn aus? Und wie riechst du? Aber das ist erstmal egal. Gut, dass du da bist«, sagte sie und seufzte. Die Strapazen der letzten Tage sah man ihr an. Hoffentlich wurde sie nicht auch noch krank.

»Wirklich? Ich dachte, hier erwartet mich ein Erschießungskommando«, witzelte Ben, obwohl ihm nicht danach zumute war. Er deutete auf die angelehnte Tür, die ins Schlafzimmer führte.

»Schläft er?«

»Wohl kaum. Ich konnte ihn bis jetzt vom Arbeitszimmer fernhalten, aber er hat auf seinen Laptop und das Handy bestanden.«

Ben sah zweifelnd zu dem angrenzenden Raum. »Das sieht ihm ähnlich.«

»Er wäre nicht Peter, wenn er es nicht täte.«

Allmählich wich das mulmige Gefühl aus seinem Magen. Offensichtlich hatte er sich umsonst Sorgen gemacht. Er lächelte seine Mutter an und klopfte leise an die angelehnte Tür.

Ein ersticktes »Herein«, gefolgt von einem Hustenanfall, ertönte, und er fühlte sich, als beträte er die Höhle des Löwen. Vor zwei der vier deckenhohen Fenster waren die Vorhänge vorgezogen und tauchten den Raum in ein schummriges Licht, obwohl es draußen erst früher Nachmittag war. Im riesigen Doppelbett in der Mitte des Zimmers, zwischen zerwühlten Laken, saß Peter Geller. Er war blass und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Sein grauer Bademantel war nur locker geschlossen, und ein himmelblauer Schlafanzug blitzte darunter hervor. Der rote Schal, den er um den Hals geschlungen hatte, bebte bei dem erneuten Hustenanfall, der ihn überkam. Die Haare standen wild um seinen Kopf und waren nicht wie sonst anständig mit Gel zu einem Seitenscheitel frisiert. Von dem toughen Geschäftsmann war nicht viel übrig geblieben. Er sah alt aus.

Ben überkam eine Welle des Mitgefühls. Seinem Vater ging es schlecht, und ihn hier so liegen zu sehen, ließ Ben alle Beunruhigung der letzten Stunden vergessen.

»Hallo Sohn«, presste Peter zwischen zwei Hustenanfällen hervor und sah ihn über den Rand des Laptops an, der vor ihm auf dem Schoß stand.

»Du solltest schlafen und nicht arbeiten.« Ben ging auf die Fenster zu und machte sich an den Hebeln zu schaffen. »Und lüften solltest du mal. Hier stinkt es wie in einem Pumakäfig.«

»Das sagt mir jemand, der aussieht wie ein Obdachloser.« Peter klappte seinen Laptop zu und hustete erneut.

Ben berührte seinen Bart. »Mir gefällt‘s. Außerdem gibt es nicht in jeder Ecke des Dschungels einen Frisör. Und ich kann das Kompliment zurückgeben. Du hast auch schon besser ausgesehen.«

Sie funkelten sich beide an, bis Peter von einem erneuten Hustenanfall geschüttelt wurde und wegsah.

Carly und Frances betraten hinter Ben den Raum. Als Peter seine Tochter sah, lächelte er sie an und streckte die Hand nach ihr aus. Nachdem sich Carly zu ihm ans Bett gesetzt hatte, strich er ihr eine Strähne des aschblonden Haares hinter das Ohr. »Gretchen soll dir einen Kakao mit drei Mini-Marshmallows machen, damit lassen sich Hausaufgaben viel besser lösen.«

Die Kleine schob schmollend ihre Unterlippe vor. »Vier.«

Peter seufzte. »Na gut.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn, bevor sie aufsprang. Sie lief an Ben vorbei und warf ihm eine Kusshand zu. Noch im Salon rief sie: »Gretchen! Machst du mir einen Kakao mit fünf Mini-Marshmallows? Dad hat es mir erlaubt!« Die Flügeltür zum Flur knallte ins Schloss, und Ben zuckte kaum merklich zusammen.

Seine Mutter ging kopfschüttelnd auf das Bett zu. Seufzend setzte sie sich neben ihren Mann auf die Bettkante. Sie griff nach der Tasse mit dampfendem Tee und reichte sie ihm. Ben zog erst den einen, dann den anderen der schweren, cremefarbenen Sessel ans Bett. Seine Mutter setzte sich und breitete eine dicke, rote Aktenmappe vor sich aus.

Jetzt war es also so weit.

»Warum habt ihr mich hergebeten?« Es war besser, den Stier direkt bei den Hörnern zu packen, dachte er sich und sah aufmerksam zwischen seinen Eltern hin und her. »Stephen hat mir nichts gesagt.« Er lehnte sich gegen die hohe Rückenlehne des Sessels.

»Hast du viel Spaß gehabt?«, fragte seine Mutter plötzlich.

Ben sah sie argwöhnisch an. »Jaja. Ich musste dringend mal wieder etwas anderes sehen.«

»So wie vor sechs Monaten auf der Safaritour durch Südafrika und vor neun Monaten auf deinem Ausflug nach Hawaii.« Der Ton des Vaters war scharf geworden.

»Da waren Surfweltmeisterschaften, da musste ich hin … Ihr schickt mich ständig mit Stephen durch die Weltgeschichte, da wird mir doch hin und wieder eine Auszeit gegönnt sein. Die Inka-Expedition bot sich einfach an«, verteidigte sich Ben und zuckte die Schultern.

»Wir machen uns Sorgen um dich. Du jettest durch die Weltgeschichte, bist mal hier und mal dort. Selten erreichen wir dich im Büro. Ich kenne deine Mailbox mittlerweile besser als dich selbst. Nicht mal deine Assistentin wusste, wo du warst. Wir haben Stephen fragen müssen. Wenn dein bester Freund nicht für uns arbeiten würde, wüssten wir nie, wo du dich aufhältst. In den letzten zwei Jahren scheinst du dein Ziel aus den Augen verloren zu haben.« Die Mutter ergriff seine Hand und streichelte ihm über den Handrücken.

Ben entwand sie ihr. »Ist das euer Ernst? Ihr habt mich aus Peru zurückkommen lassen, um mir zu sagen, dass ich nicht verantwortungsbewusst bin? Und das nur, weil ich mir die eine oder andere Auszeit für meine Hobbys genommen habe?« Seine Stimme war lauter geworden.

Seit jeher hatte er alles dafür getan, um eines Tages die Firma übernehmen zu können, und er hatte es gern getan. Was war so falsch daran, das Leben zu genießen, solange er keine Verpflichtungen hatte? Diese ewigen Diskussionen über sein Privatleben zehrten an seinen Nerven. Kein Wunder, dass Stephen ihm gegenüber am Telefon nichts gesagt hatte. »Wenn ihr mich ruft, setze ich mich sogar ohne Wenn und Aber in den Flieger und komme sofort zurück. Ihr könnt mir vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich verantwortungslos bin.«

»Doch, genau das bist du. Verantwortungslos. Und jetzt tu mal nicht so großspurig. Es ist das erste Mal, dass wir dich früher zurückkommen lassen, und …« Peter hustete.

Ben sprang auf. »Ihr lasst mich viertausend Meilen fliegen, um mir zu sagen, ich sei nicht oft genug im Büro?«

Seine Mutter räusperte sich. »Hinsetzen. Sofort! Wir können nur dann expandieren und erfolgreich sein, wenn die Repräsentanten der Firma sich tadellos benehmen. Und als Juniorchef bist du eine solche Person.«

Bens Kopf schoss herum. Warum sprach seine Mutter mit ihm, als wäre er fünfzehn und gerade das erste Mal betrunken nach Hause gekommen?

»Ich habe genug gehört, ich …«

»Frances. Zeig sie ihm.« Peter nickte seiner Frau zu und hustete so stark, dass Ben besorgt das Gesicht verzog. Langsam sank er in seinen Sessel zurück. Das mulmige Gefühl im Magen kehrte wieder, während er seine Mutter dabei beobachtete, wie sie einen Stoß Klatschblätter hervorholte. Er sank immer tiefer in seinen Sessel. Offensichtlich war das Geplänkel wegen seiner Inka-Expedition nur das Aufwärmprogramm gewesen. Jetzt begann das richtige Spiel.

Eine Zeitschrift nach der anderen legte die Mutter Ben in den Schoß, doch das befürchtete Foto blieb aus. Hoffentlich war es einfach untergegangen. Einige der Magazine waren bei einer bestimmten Seite aufgeschlagen, andere zeigten nur das Cover. Eins hatten alle Fotos gemeinsam: Ihn. Er beim Verlassen eines Clubs mit zwei Frauen in knappen Kleidern. Er bei einer Filmpremiere mit einer Frau mit tief ausgeschnittenem Dekolleté. Er im volltrunkenen Zustand, wie er dieselbe Frau – diesmal leicht bekleidet – am Hintereingang eines Restaurants stehend befummelte.

»Wie sollen wir unseren respektablen Namen in der Oberschicht behalten, wenn du dich ständig danebenbenimmst?« Seine Mutter sah ihn mit ernstem Gesicht an.

Ben verschränkte die Arme vor der Brust und war ein Stück weit erleichtert. Das Dreier-Foto war nicht dabei. »Was kann ich denn dafür, wenn überall Paparazzi auftauchen?«

»Ich lasse mir von dir nicht den Ruf der Firma kaputtmachen. Herrgott noch mal, du bist nicht mehr Anfang zwanzig, als du dich noch ausgetobt hast.« Peter wurde erneut von einem Hustenanfall unterbrochen.

Ben lachte kurz und emotionslos auf. »In der Tat. Mit achtundzwanzig weiß ich sehr wohl, worauf es ankommt. Das sind nichtssagende Fotos. Warum sollte ich deswegen aufhören, mein Singleleben zu genießen?«

»Nichtssagende Fotos?«, wiederholte Peter aufgebracht, und seine Stimme brach heiser weg. »Und wie nennst du das?« Während er hustete, griff seine Frau neben sich und zog mit versteinerter Miene eine weitere Zeitschrift hervor. Das Dreier-Foto. Also doch. Am liebsten wäre er vor Scham im Erdboden versunken. Das Bild, quer über zwei Seiten abgebildet, zeigte ihn mit zwei Frauen, an deren Namen er sich nicht einmal mehr erinnerte. Beide waren von der Hüfte aufwärts nackt. Er saß, ebenfalls mit nacktem Oberkörper und offener Hose, auf dem Rücksitz seiner Limousine. Die eine Frau kniete zwischen seinen Beinen, während die andere rittlings über ihn gebeugt war und er an ihren Nippeln saugte. Daneben stand in leuchtend roten Lettern: Das Ben-Sandwich. Ist das der neue Catering-Clou des Eventagentur-Erben?

Ben schluckte, während sich sein Blick an der Stelle zwischen seinen Beinen einbrannte, wo nur der Hinterkopf der einen Frau zu sehen war. Er hatte die beiden auf irgendeiner Party aufgegabelt und Spaß haben wollen. Die Frauen waren schon in der Limousine richtig zur Sache gekommen.

Peter Gellers Gesicht war emotionslos, während er seinen Sohn beobachtete. Ben wartete auf einen Ausbruch, doch es war seine Mutter, die sprach. Ihre Stimme war so ruhig, dass Ben eine Gänsehaut bekam.

»Ich will solche Fotos nie wieder in der Boulevardpresse sehen. The Special Moment erwartet von seinem Juniorchef Zurückhaltung. Wir als Eltern erwarten von unserem Sohn Respekt vor der Familie und sich selbst. Es ist mir egal, ob es sich dabei um die Tochter eines Jachthafenbesitzers, die Cousine der Prinzessin von Spanien oder um ein Callgirl handelt. Ich dulde es nicht, und ich verlange von dir, dass das augenblicklich aufhört. Was ist nur los mit dir? Was ist mit meinem Sohn passiert, der auf sich geachtet hat, der Ziele hatte? Ich möchte ihn wiederhaben und nicht dieses … dieses Monster … das alles kaputtmacht, wofür wir gemeinsam hart gearbeitet haben.«

»Ich war in der Limousine, als an der Kreuzung die Tür aufgerissen wurde. Das hier war nicht gewollt. Ich wäre niemals so …« Seine Stimme wurde leise und brach. Dieses Bild vor sich zu sehen und zu wissen, seine Eltern, seine Mutter hatte es gesehen, war zu viel. Er schämte sich abgrundtief. »Es tut mir leid«, murmelte er und sah erst seine Mutter und dann seinen Vater an.

»Wir möchten dich gerne an der Seite einer Frau sehen, die deine Arbeit zu schätzen weiß, dich dabei unterstützt. Lora war perfekt.«

Ben verdrängte das Bild der hübschen Brünetten. »Lora hat mit mir Schluss gemacht. Nicht umgekehrt.«

»Aber nur, weil du zu lange gewartet hast«, tadelte seine Mutter.

»Ich werde die Frau heiraten, die ich heiraten will und nicht die, die ihr richtig findet«, knurrte er und ballte die Hände zu Fäusten. Wurden heute sämtliche Reizthemen zwischen ihm und seinen Eltern aufgegriffen?

Peter richtete sich auf, und ein unerbittlicher Zug hatte sich um seinen Mund gelegt. »Vielleicht haben wir uns nicht klar ausgedrückt: Es ist uns egal, ob du heiratest. Wir erwarten, dass du aus der Klatschpresse verschwindest und dass diese Frauengeschichten aufhören. Andernfalls bekommst du die Firma nicht, und wir enterben dich.«

»Ihr wollt mir die Firma nicht vererben? Wem denn dann? Carly? Stephen? Ich bin bereits Juniorchef, sollte euch das entfallen sein.« Für einen Moment zuckte der Schmerz über das Gesicht seiner Mutter und versetzte ihm einen Stich.

Ben atmete mehrere Male tief ein, um sich zu beruhigen. Mit diesen kindischen Aussagen kamen sie nicht voran. Sein Blick heftete sich auf den Stapel Zeitschriften in seinem Schoß. Das waren eine Menge Fotos. Kein Wunder, dass seine Eltern Lora erwähnt hatten. Mit ihr hatte es diese Fotos nicht gegeben. Aber auch nur, weil sie mit ihm nie in einen Club gegangen war. Sie war immer der ruhige Part der Beziehung gewesen. Die Forderung war unmissverständlich. Er war zu weit gegangen und hatte den Bogen überspannt. All die Jahre harte Arbeit und Studium sollten am Ende nicht umsonst gewesen sein.

»Es ist angekommen. Keine negative Presse mehr. Ihr hattet nie einen Grund, an meiner Einstellung gegenüber der Firma zu zweifeln. Ich stehe voll dahinter, das wisst ihr. Eins sollte euch aber klar sein: Ich werde mir nicht in die Wahl meiner Freundin oder Ehefrau reinreden lassen. Und wenn mich das die Firma kostet.« Sein Blick glitt zwischen seinen Eltern hin und her. »Mehr werde ich nicht dazu sagen. War das dann alles?« Er stand auf.

»Nein. Wir sind noch nicht fertig.«

Ben zog eine Augenbraue hoch und drehte sich zu seinem Vater um. Für heute hatte er eindeutig genug. Er lag doch bereits am Boden, was wollten sie denn noch?

Peter rieb sich durch das Gesicht und ließ sich von seiner Frau erneut die Tasse Tee reichen. »Was sagt dir der Name Summerfield?«

Ben legte den Kopf schräg und überlegte. »Meinst du Walter Summerfield, den Immobilientycoon?«, fragte er vorsichtig und setzte sich wieder.

Der Vater nickte und nippte an seinem Tee.

»Nach Donald Trump ist er einer der erfolgreichsten US-Immobilienhändler. Er hat seinen Firmensitz in Los Angeles und unterhält Geschäfte vorwiegend im asiatischen und arabischen Raum«, sagte Ben, nachdem er einen Moment nachgedacht hatte.

»Wie ich sehe, hast du deine Hausaufgaben gemacht.«

»Zwischen Inka-Tempeln, Après-Ski und Frauen Abschleppen«, murmelte Ben, und sein Vater warf ihm einen strafenden Blick zu.

»Es ist gut jetzt, Benjamin. Es ist alles gesagt worden.« Seine Mutter legte ihm die Hand auf die Schulter, und er drückte sie kurz. Er hatte den Wink verstanden. Wenn sie ihn bei seinem vollen Vornamen nannte, war Vorsicht geboten.

Peter fuhr fort. »Während du in Ruinen rumgeklettert bist, wurden wir von Walter Summerfield beauftragt, die Feierlichkeiten zum fünfundzwanzigsten Geburtstag seiner Tochter auszurichten. Er plant, eine Reihe internationaler Gäste der oberen Zehntausend einzuladen. Das Ganze findet im Caesars Palace in Las Vegas statt. Geld spielt keine Rolle. Hauptsache, alle seine Wünsche, aber vor allem die Wünsche seiner Tochter, werden erfüllt. Der Termin ist bereits übermorgen. Du fliegst morgen Nachmittag nach Las Vegas.«

»Walter Summerfield ließ durchblicken, wenn er mit unserer Arbeit zufrieden ist, werden wir auch mit anderen großen Events von ihm betraut. Summerfield Incorporated könnte für uns das Tor zur Westküste werden.« Seine Mutter reichte ihm einige Zettel und einen Umschlag mit Flugtickets.

Ben sah ungläubig auf die Flugscheine. »Wenigstens darf ich vorher duschen.« Sein Ton triefte vor Sarkasmus.

Kapitel 1

In der Ankunftshalle des Las Vegas Airports herrschte dichtes Gedränge. Kurz vor dem Privatjet von Summerfield Incorporated war eine Maschine aus New York gelandet, und die Passagiere quetschten sich um das Kofferband, das ratternd seine Runden zog. Daneben standen Antonia, ihre drei Freundinnen Mac, Valerie und Cynthia und Walter Summerfields neuester Zeitvertreib, Ginger. Antonia mochte sie nicht, denn die Freundinnen ihres Vaters hielten sich immer für etwas Besonderes. Dabei waren sie kaum älter, meist aber jünger als sie selbst.

»Man sollte doch wohl meinen, dass wir bevorzugt behandelt werden.« Antonia sah mit gerümpfter Nase durch den überfüllten Raum. »Warum werden wir nicht in den separaten Warteraum geführt, solange wir auf unser Gepäck warten müssen? Das ist eine richtige Zumutung.«

»Wenn wir bei den Mets sind, stören dich die Massen auch nicht«, flüsterte Mac und sah sie über den Rand ihrer Sonnenbrille mit einem tadelnden Blick an. Ihre roten Haare glühten wie Feuer, während das Blond der drei übrigen Freundinnen im Licht der späten Nachmittagssonne wie Gold wirkte.

Antonia lächelte schief und murmelte: »Beim Baseball sind wir aber inkognito.«

»Können die den VIP-Eingang nicht ein anderes Mal umbauen? Warum ausgerechnet, wenn wir eintreffen? Als wären wir nicht wichtig genug«, maulte auch Cynthia und warf kokett ihre Haare über die Schulter. Wenigstens eine, die Antonias Meinung war.

In den unerträglichen Lärm der Ankunftshalle mischte sich aufgeregtes Hundegebell, das aus einer übergroßen Burberry-Handtasche direkt neben Antonia kam. Genervt wirbelte sie zu dem Etwas herum, das den Namen Hund ihrer Meinung nach nicht einmal verdiente. Tinkerbell kläffte sich ihre kleine Hundeseele förmlich aus dem Leib. Dabei zitterte sie so sehr, dass die kleine hellrosa Schleife im Fell zwischen ihren Ohren bebte.

»Ginger, bring deinen Flohzirkus zum Schweigen, ansonsten tue ich das!«

Ginger – Besitzerin des ungezogenen Viehs – hatte alle Hände voll zu tun, ihr Tier zu beruhigen. Dummerweise reagierte der Hund nicht auf die schmeichelnden Worte seines Frauchens und kläffte aufgebracht weiter.

Sie sollte diesen Köter in die Hundeschule bringen, dachte Antonia, trat einen Schritt zur Seite und versuchte das Geräusch auszublenden. Leider mit mäßigem Erfolg, denn der Hund bellte nur noch lauter. Antonia stöhnte innerlich. Sie bekam Kopfschmerzen. Den ganzen Tag lang hatte das Pech sie regelrecht verfolgt, und es sah nicht danach aus, als würde es besser werden. Erst hatte sie sich nach dem Aufstehen einen ihrer frisch manikürten Fingernägel abgebrochen, den sie sich jetzt in Las Vegas und nicht von ihrer persönlichen Maniküre reparieren lassen musste. Dann hatte ihr Personal Trainer kurzerhand abgesagt, und sie war gezwungen gewesen, alleine am Strand zu joggen. Sie hasste es sowieso, joggen zu gehen, aber das Ganze auch noch alleine zu machen, grenzte regelrecht an Folter. Als am Nachmittag ihr Vater mitgeteilt hatte, dass er sie und ihre drei Freundinnen in der Privatmaschine nach Las Vegas begleiten würde, hatte sie gedacht, es könnte nicht noch schlimmer werden. Doch dann war er mit Ginger, dieser nervigen Töle und einem Stapel Personalbögen potenzieller Chase-Nachfolger angerückt. Als wäre das brünette Cowgirl samt Tinkerbell nicht schon Strafe genug.

»Kann man dieses Ding nicht irgendwo ausstellen?« Sie funkelte Daddys Zeitvertreib an.

»Hier ist es einfach zu voll. Tinkerbell mag das nicht.«

Antonia schürzte die Lippen, setzte sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase und sah sich erneut in der Ankunftshalle um. Diese Warterei war eine Zumutung.

»Wo bleibt denn dein Vater mit den Kofferträgern? Hoffentlich sind die nicht mit unserem Gepäck durchgebrannt. Die Schuhe alleine haben ein kleines Vermögen gekostet«, sagte Valerie, die dritte Freundin, und sah sich suchend in dem Raum um. Gerade kündigte eine monotone Stimme über die Flughafensprechanlage einen weiteren ankommenden Flieger an.

»Ja und? Die Frühjahrskollektion erscheint in wenigen Wochen, dann sind sie sowieso nicht mehr tragbar«, bemerkte Antonia über ihre Sonnenbrille hinweg.

Mac zog eine kleine Puderdose aus ihrer Handtasche hervor und überprüfte ihr Make-up.

»Mac, da hilft kein Puder mehr. Was wir brauchen, ist Botox.« Cynthia beobachtete die Freundin genau.

Mac hielt inne und überging die Beleidigung. »Meinst du wirklich? Kann man das nicht mit ein paar Cremes …«

Valerie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich bitte dich. Cremes sind was für Kinder. In unserem Alter helfen die längst nicht mehr.«

»Gott, Val. Ich bin diejenige, die morgen fünfundzwanzig wird«, schnappte Antonia und warf einen hasserfüllten Blick auf den Hund, der mittlerweile dazu übergegangen war, die Kasinotouristen am Gepäckband neben ihnen anzuknurren.

Cynthia schlang den Arm um die Hüfte ihrer Freundin. »Toni, Süße. Bitte. Wir fühlen alle mit dir. Ab übermorgen musst du eine ganze Menge mehr für dich tun, um dein Aussehen zu halten. Die ersten Falten kommen quasi über Nacht. Dein Busen wird anfangen zu hängen, und wehe, du hast mal ein Kilo zu viel. Dann musst du doppelt so viel Sport treiben wie noch vor zwei Jahren, um das wieder loszuwerden … Bei Trish ist nächste Woche eine Botoxparty. Sie hat uns eingeladen. Was meint ihr? Sie freut sich sicher, wenn wir vorbeischauen.«

Antonia schnaubte. Noch mehr Sport, um ein Kilo Übergewicht abzutrainieren? Sie trainierte jetzt schon täglich zwei Stunden, um bei den anderen den Ton angeben zu können. Aber Botox? »Wie oft soll ich es dir noch sagen, Cyn? Ich lasse mir mein Gesicht nicht mit Schlangengift lähmen. Egal, ob ich fünfundzwanzig, dreißig oder hundert Jahre alt bin. Und wehe, ihr schenkt mir das zum Geburtstag. Dann rede ich nie wieder ein Wort mit euch.« Antonia blickte jede ihrer Freundinnen mit einem vernichtenden Blick an.

Valerie zog ihre Mundwinkel herab. »Schade …«

»Seht ihr. Ich hab es euch von Anfang an gesagt, aber ihr wolltet ja nicht hören.« Mac schüttelte den Kopf und fühlte sich offensichtlich bestätigt.

»Reg dich wieder ab, Toni. Fragen darf ich doch wohl? Jeder, der etwas auf sich hält, tut das«, maßregelte Cynthia.

Antonia zog ihre perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe. »Jeder tut das? Ich dachte, wir geben vor, was in und was out ist … Hey!« Antonia bekam von hinten einen Stoß, der ihr den Atem raubte. Sie taumelte nach vorne, versuchte, sich festzuhalten und griff ins Leere. Ein überraschter Ausruf entwich ihr, als sie unsanft auf die dreckigen Bodenfliesen der Ankunftshalle knallte. Augenblicklich begannen die drei Freundinnen jemanden zu beschimpfen, was Tinkerbell dazu brachte, wieder loszukläffen.

»Idiot!«

»Hast du keine Augen im Kopf?«

»Wie kann man nur so dämlich sein?«

Wie durch einen Schleier drangen die Worte der Freundinnen zu Antonia. Ein dumpfer Schmerz breitete sich in ihrem Rücken aus und kroch ihre Wirbelsäule hinauf. Benommen versuchte sie, sich umzudrehen. Ihre Handflächen brannten. Kleine Steine drückten sich in ihr Fleisch und hinterließen einen hässlichen Abdruck. Langsam ebbte der Schmerz in ihrem Rücken ab und ließ Platz für eine Wut, wie Antonia sie lange nicht mehr gespürt hatte.

»Entschuldigung. Das tut mir schrecklich leid. Ich helfe Ihnen auf!« Hilfreiche Hände, die zweifelsfrei nicht zu ihren Freundinnen gehörten, zogen sie auf die Füße. »Brauchen Sie einen Arzt?«

Einen Moment überlegte Antonia, freundlich zu antworten, doch dann erinnerte sie sich, wer alles um sie herumstand. »Sie Kretin! Wie können Sie es wagen, mir Ihren Koffer in den Rücken zu rammen?« Sie klopfte sich, ohne ihr Gegenüber anzusehen, den Dreck von den Händen. Anklagend deutete sie an sich hinunter. »Bekomme ich nur einen blauen Fleck, verklage ich Sie! Mein Kleid ist ruiniert!« Hinter ihr hörte sie ihre Freundinnen aufgeregte Fragen stellen, doch sie ignorierte sie, so wütend war sie auf den Mann vor sich.

Jetzt erst hob sie den Blick und zog angewidert eine Grimasse. Du lieber Himmel, war der Typ hässlich. Viel zu lange Haare hingen ihm offen bis zum Kinn. Neben einem Vollbart, der an einigen Stellen braun und an anderen Stellen blond war, dominierte eine breite Hornbrille, mit Gläsern so dick wie ihr kleiner Finger, sein Gesicht. Hätte er nicht eine Laptoptasche über der Schulter hängen gehabt, hätte sie ihn für einen Obdachlosen gehalten.

Der Typ hob die Arme. »Es tut mir so unendlich leid. Ich habe Sie wirklich nicht gesehen. Ich …« Er verstummte und sah sie überrascht an.

»Was?«, schimpfte Antonia.

Der Mann schüttelte leicht den Kopf und sammelte sich. »Darf ich es wieder gutmachen?«

»Wie denn? Wollen Sie mir ein neues Kleid kaufen?«

»Wenn es sein muss.«

»Ha. Das können Sie sich nicht leisten.« Antonia beendete die Bestandsaufnahme. Ihre Garderobe war ruiniert. Das Kleid hatte einen hässlichen Fleck und die dazu passenden mintfarbenen Schuhe einen Kratzer.

»Meinen Sie?« Der Typ klang amüsiert.

Antonia schob ihre Sonnenbrille wieder auf die Nase. Der Bart machte ihn älter, stellte sie überrascht fest. Der Typ war höchstens Anfang dreißig. »Nach Vegas kommen nur zwei Arten von Menschen. Die einen, um ihr Geld auszugeben, die anderen, um es zu gewinnen. Ich gehöre zu denen, die es ausgeben werden. Sie«, herablassend maß Antonia den Mann mit ihrem Blick, »gehören nicht dazu.«

Der Typ erdreistete sich zu lachen.

Wütend stampfte sie mit ihrem Fuß auf und knurrte. Dann drehte sie sich zu ihren Freundinnen um. »Wir gehen! Sofort!«

Sie warf ihren Kopf herum, sodass ihre Haare über die Schultern flogen, und stöckelte so erhaben davon, wie es selbst die Queen nicht hätte besser machen können.

Kurz vor dem Ausgang entdeckte sie ihren Vater, der ihnen mit sechs Kofferträgern und seinem Chauffeur entgegeneilte.

»Da seid ihr ja schon. Wunderbar.«

Antonia zog einen Schmollmund und hängte sich bei ihrem Vater ein, bevor es Ginger tun konnte. »Daddy … Das nächste Mal, wenn wir fliegen, bestehe ich auf dem VIP-Eingang. Man hat mich mit einem Koffer gerammt, mein Kleid und meine neuen Schuhe sind ruiniert. Ich bekomme sicher blaue Flecke.« Sie zeigte ihm die besagten Stellen.

Walter Summerfield streichelte seiner Tochter über die Wange. »Mach dir keine Sorgen, Schatz. Morgen früh gehst du dir einfach etwas Neues kaufen. Ihr vier werdet sicher was Schönes finden. So, und jetzt komm. Das Auto wartet auf uns.«

Antonia seufzte. Den wichtigsten Teil hatte er, wie so oft, einfach überhört.

* * *

Ben saß im Konferenzzimmer des Caesars Palace und versuchte, sich davon abzuhalten einzuschlafen. Dieser schreckliche Jetlag. Er brauchte Schlaf und dringend etwas zu essen. Sein Magen war noch immer auf peruanische Zeit eingestellt und knurrte vernehmlich. Ob das Frühstücksbuffet noch angerichtet war? Er rieb sich durch das Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben, und schloss für einen Moment die Augen. Augenblicklich tauchte die Frau vor seinem inneren Auge wieder auf, die er tags zuvor am Flughafen unabsichtlich mit seinem Koffer zu Fall gebracht hatte.

Hoffentlich hatte sie sich nicht ernsthaft verletzt. Allzu gerne hätte er sie aus diesem mintgrünen Fummel herausgepellt, nur um sicherzugehen, dass keine blauen Flecken diese makellose, sonnenverwöhnte Haut verunstalteten. Obwohl sie zickig gewesen war, konnte er sie nicht vergessen. Nicht enden wollende Beine. Blondierte lange Haare, schwanengleicher Hals und eine gertenschlanke Figur, die kein Gramm Fett zu viel, aber auch keins zu wenig hatte. Perfekte Rundungen an den richtigen Stellen.

»Ich übergebe das Wort an den Juniorchef. Möchtest du noch etwas hinzufügen?«, fragte Stephen, und Ben zuckte hoch.

»Was?« Er rieb sich die Augen. War er eingenickt? »Ach … ähm …« Er räusperte sich und wedelte mit seiner Hand vor den Servicekräften, die ihn neugierig ansahen. »Nein … ähm … Mr Phillips hat alles Wesentliche gesagt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte zuerst an Ihren zuständigen Bereichsleiter. Alles, was Mr Summerfield, seine Tochter und deren engste Gäste betrifft, richten Sie bitte direkt an Mr Phillips oder mich. Bitte denken Sie daran, dies ist eine exklusive Veranstaltung. Heute Abend werden viele internationale Gäste, aber auch berühmte Schauspieler zugegen sein. Es wird nicht nach Fotos gefragt und kein Autogrammwunsch geäußert. Wenn Sie es doch tun, sind Sie auf der Stelle entlassen. Das wäre dann alles. Wir wünschen Ihnen allen heute Abend viel Spaß.«

Die Servicekräfte verließen den Raum. Als sie alleine waren, kam Stephen auf ihn zu. »Du hast geschnarcht.«

»Habe ich nicht.«

»Du hast den gesamten Yellowstone Park abgesägt. Hast du überhaupt etwas mitbekommen?«

Ben erhob sich aus seinem Stuhl und reckte sich, um seine verspannten Muskeln zu lockern. »Nein, ist aber auch nicht nötig. Meine Eltern haben mir genug Input gegeben. Ich habe einen mörderischen Jetlag. Wie wär‘s, wenn du mich bei einem zweiten Frühstück auf den aktuellen Stand bringst und mir später Ms Summerfield vorstellst?«

Stephen schüttelte missbilligend den Kopf. »Du setzt deine Prioritäten falsch.«

»Als du mich angerufen hast, um mir zu erzählen, wie dringend ich nach Hause kommen muss, stand ich gerade auf einem Plateau mit einem rauschenden Wasserfall unter mir und genoss die Aussicht über den Regenwald. Also erzähl mir nicht, ich setze meine Prioritäten falsch.« Zusammen mit Stephen verließ er den Konferenzraum. »Du wusstest genau, warum mein Vater mich zurückbeordert hat, und hast mich ins offene Messer laufen lassen.«

»Du warst über einen Monat weg. Deine Familie hatte Sehnsucht nach dir.« Stephen schlug seinem Freund gönnerhaft auf die Schulter. »Ich habe dich auch vermisst. Weißt du, wie niederschmetternd das ist, sich fünf Wochen lang alleine nach den Niederlagen der Mets zu betrinken?«

»Die Mets sind ein Scheiß gegen Peru und seine Natur. Los, komm, ich sterbe vor Hunger. Beim Essen erzähle ich dir von meiner gestrigen Begegnung am Flughafen.«

»Wen hast du getroffen?«

»Eine Frau.«

Stephen lachte schallend. »Na klar. Du bist keine vierundzwanzig Stunden wieder in den USA, und schon hast du eine Frauenbekanntschaft gemacht.«

»Nicht ganz.« Ben rieb sich erneut durch das Gesicht. »Ich habe sie mit meinem Koffer umgestoßen, und sie ist zu Boden gegangen.«

»Ich glaube, ich habe auch ein wenig Hunger.« Stephen grinste und führte seinen besten Freund auf direktem Weg zum Frühstückssaal.

Ben sah sich in dem festlich geschmückten Saal um. Die Aushilfskellner huschten wie fleißige Ameisen umher, um letzte Anweisungen auszuführen. Eine blonde Schönheit in einem sehr knappen schwarzen Faltenrock und tief ausgeschnittenem, bauchfreien Oberteil schwebte an ihm vorbei. Einige Männer, alle mit Gesichtern, wie sie auf so mancher Parfum- oder Duschgelwerbung zu sehen waren, bestückten die Cocktailbar mit frischem Obst und diversen Alkoholika. Die von Summerfield gewünschte Kleidung des Kellnerpersonals passte eher zu einem Stripclub als zu einem Nobelhotel. Kein Wunder, dass die Personalkosten mehr als doppelt so hoch wie üblich waren.

»Wie siehst du denn aus?« Stephen prustete los, als er neben seinen besten Freund trat.

Ben berührte seine Brille. »Ich habe meine Kontaktlinsen noch nicht gefunden. Komm schon, so schlimm sieht‘s nicht aus.«

»Nein, aber ungewohnt und irgendwie auch – naja – anders. Vor allem mit diesem Gestrüpp am Kinn. Ich habe dich noch gar nicht fragen können: Ist das ein Andenken an Peru?«

»Irgendwie macht mich dieses Gestrüpp älter, findest du nicht?«

Stephen grinste selbstgefällig. »Ich weiß nicht. Dann bin ich wohl heute Abend der bestaussehende Typ der Agentur.«

Ben erwiderte sein Grinsen. »Ich brauche einen Abend Pause von Frauen. Mit einer Ausnahme: Die Kleine gestern vom Flughafen.«

»Die kann ich dir leider nicht herzaubern.« Stephen blickte sich im Saal um. »Wir wären dann so weit: Champagnerempfang läuft, Flying Buffet in zehn Minuten und dreißig Minuten, bis die Küche das Buffet aufbaut. Die Kellner sind instruiert, und der DJ beginnt gleich mit seinem Soundcheck. Ms Summerfield ist mit ihrem Gefolge bereits eingetroffen.«

»Ihrem Gefolge?« Ben schmunzelte.

»Solche Frauen treten nie alleine auf. Sie haben immer ihre Freundinnen dabei. Ihr Gefolge, die Hofdamen, wenn du so willst.« Stephen deutete mit dem Kinn auf die noch geschlossenen Flügeltüren, die ins Foyer führten. »Wenn uns Summerfield später die Füße küsst, bekomme ich eine Gehaltserhöhung und mindestens zwei Wochen Sonderurlaub. Ansonsten werde ich nie wieder extra in die Hollywood Hills fliegen, um einen mit Diamanten besetzten Bilderrahmen abzuholen … Einen dämlichen Bilderrahmen, das musst du dir mal vorstellen. Als hätte die es nicht drei Tage ohne dieses Ding ausgehalten.«

Stephen sprach den ganzen Nachmittag von nichts anderem mehr. Ms Summerfield hatte kurz nach dem gemeinsamen Frühstück ausrichten lassen, einen für sie sehr wichtigen Gegenstand in Los Angeles vergessen zu haben, den sie nach ihrem Shopping-Ausflug in ihrer Suite vorzufinden wünsche. Stephen hatte sich daraufhin in den Flieger gesetzt und war an die Westküste geflogen, um bei Ms Summerfield zu Hause das Päckchen in Empfang zu nehmen. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um besagten Bilderrahmen.

Ben schlug Stephen auf die Schulter. »Summerfield Inc. ist wichtig für uns, also reg dich ab.«

»Das sagt der, der beim Meeting geschnarcht hat.«

»Das nimmst du mir wirklich übel.« Ben kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

»Normalerweise hältst du die Meetings ab und erklärst alles.«

»Du hast die ganze Vorarbeit gemacht, warum sollte ich jetzt auf der Zielgeraden alles übernehmen? Ich sah es nur als fair an, dir die Verantwortung zu überlassen. Du hast das Sagen. Heute bin ich nichts weiter als der Repräsentant der Geschäftsebene. Der Statist.« Ben sah auf die Uhr. »Ich gehe mal nach der Torte sehen. Wir treffen uns gleich draußen im Foyer, und dann kannst du mir Ms Summerfield samt Gefolge vorstellen.«

Kurz vor dem Kücheneingang drehte er sich noch einmal zu Stephen um. »Was hältst du von drei Wochen Sonderurlaub und einem hübschen neuen Büro in Los Angeles mit persönlicher Assistentin?«

Stephen sah von seinem Klemmbrett auf. »Verarschst du mich?«

Ben hob die Hände. »Sehe ich so aus? Was sagst du?«

Stephen lachte auf. »Verdammt: Ja!«

»Die ersten Biere gehen auf dich.«

»Ist gebongt«, rief Stephen ihm hinterher, bevor Ben durch die Schwingtür in den Küchenbereich verschwand.

Eine Viertelstunde später stand er in der Lobby und überwachte den Champagnerempfang. Auf einer langen, weißen Theke, die den Großteil des Foyers einnahm, waren drei große Champagnerglas-Pyramiden aufgebaut. Das Kristallglas funkelte im Licht der drei Spots, die extra dafür aufgehängt worden waren. Daneben standen eiswürfelgefüllte, silberne Sektkühler mit Dom Perignon im Wert von mehreren tausend Dollar. Einer der vier herumlaufenden Kellner bot ihm ein Glas an. Dankend bediente er sich und mischte sich unter die Gäste. Schließlich stellte er sich neben eine der großen Palmen, die den Eingang säumten. Von dort konnte er die ankommenden Gäste beobachten, ohne dabei selbst ins Blickfeld der Anwesenden zu geraten. Er sah einige Herren im mittleren Alter mit ihren Ehefrauen oder Geliebten, je nach Alter der Damen. Gerade traten zwei junge Männer mit weißem Turban in das Foyer und zogen ihre Sonnenbrillen von den Gesichtern. Zwei von Scheich Al-Thanis Sprösslingen. Bens Blick glitt weiter, und er entdeckte eine einsame junge Frau am Fenster. Sie lehnte mit dem Rücken an einer Säule und sah dem bunten Treiben des Las Vegas Boulevards zu.

Neugierig trat er einige Schritte vor, um sie besser sehen zu können. Endlos lange Beine steckten in schwarzen High Heels. Ein schulterfreies, schwarzes Minikleid aus Leder endete wenige Zentimeter unter einem mehr als wohlgerundeten Hintern. Das blondierte Haar schimmerte im Licht des Foyers mit ihren goldenen Creolen um die Wette. Wie automatisch suchte er nach der Spiegelung im Glas, um ihr Gesicht sehen zu können. Ein angenehmer Schauer lief ihm über den Rücken, als er eine schmale Nase und sinnliche Lippen sah. Fein geschwungene Augenbrauen und leicht schrägstehende Katzenaugen in einem ovalen Gesicht vervollständigten den Anblick, und das, was er nicht richtig im Fenster sehen konnte, fügte seine Erinnerung hinzu. Es war die Blondine vom Flughafen.

Ben konnte sein Glück kaum fassen. Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte er sein Glas auf einem Stehtisch ab, hielt einen Kellner an und nahm sich zwei frische Gläser vom Tablett. Dann ging er zielstrebig auf die Frau zu. Vielleicht würde sie diesmal seine Entschuldigung annehmen, und er bekam die Möglichkeit, sein Missgeschick mit einer Essenseinladung und phänomenalem Sex wieder gutzumachen.

Auf der Hälfte der Strecke stutzte er. Etwas stimmte nicht. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, nicht, wie er zuerst angenommen hatte, auf ihre Reflexion im Fensterglas oder auf den Straßenverkehr. Es schien, als wäre sie mit ihren Gedanken nicht im Foyer, sondern weit entfernt. Tränen rannen über ihre Wangen.

Seine Beine hatten sich bereits wieder in Bewegung gesetzt, als ihre drei Freundinnen – die anderen beiden Wasserstoffblondinen und der Feuermelder – laut lachend aus der Damentoilette die Lobby betraten. Bens Kragen wurde enger um den Hals. Die Barbiepuppen-Ansammlung. Am Flughafen waren es fünf Frauen gewesen. Wo war die Fünfte? Und welche von ihnen war Antonia Summerfield? Wenn seine Eltern hörten, dass er womöglich die Tochter ihres Auftraggebers mit dem Koffer zu Boden geschlagen hatte – selbst wenn es nur aus Versehen gewesen war –, machten sie ihn noch mal einen Kopf kürzer.

Die beiden Blondinen warfen den Scheichsöhnen einen koketten Blick zu, und Ben musste nicht hinter die Sonnenbrillen schauen, um zu wissen, wohin der Blick der Männer ging. Kaum war das glockenhelle Gekicher der drei zu der jungen Frau am Fenster gelangt, schreckte sie auf. Hektisch griff sie nach ihrer Handtasche und zog eine kleine Puderdose hervor. Mit schnellen Griffen überprüfte sie ihr Make-up und fuhr mit dem Finger unter ihren Augen entlang, um die Mascaraflecken zu entfernen, die die Tränen hinterlassen hatten. Ein strahlendes Lächeln, welches die geröteten Augen nicht erreichte, glitt über ihr Gesicht, und schon erinnerte nichts mehr an die weinende Frau von Augenblicken zuvor. Die Rothaarige runzelte kurz die Stirn, stellte sich neben die Blondine und nahm stumm ihre Hand. Die anderen beiden Frauen schienen von der bedrückten Stimmung der blonden Freundin nichts mitzubekommen.

»Diese Toiletten sind so eklig«, beschwerte sich die eine Blondine in einem pinkfarbenen Neonkleid. Dabei rümpfte sie angewidert die Nase.

»Nicht einmal richtige Handtücher haben die hier«, warf die andere Blondine im knappen Paillettenfummel ein.

»Kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich war …«, begann die Lederkleid-Blondine, wurde aber direkt wieder unterbrochen.

»Schatz, du hast doch keine Ahnung. Vom Caesars erwarte ich samtweiche Frotteehandtücher und nicht so steinharte Stofffetzen, die einem die Hände aufreißen.« Das Neonkleid machte eine wegwerfende Handbewegung und verdrehte die Augen. Ben schmunzelte. Das war sicher Antonia Summerfield. Sie passte genau zu Stephens Beschreibung.

Er lehnte sich gegen die Säule und lauschte der Unterhaltung, ohne dabei die hübsche Blonde in dem Lederkleid aus den Augen zu lassen. Optisch gehörte sie zu der Gruppe, dennoch war etwas anders an ihr. Ben konnte einfach nicht aufhören, sie anzusehen. Ihr Blick richtete sich wieder auf die großen Panoramafenster, und obwohl er es nicht hörte, konnte er deutlich sehen, wie sie seufzte. Er erinnerte sich an das Gezicke vom Flughafen. Ihr Verhalten vom Vortag wirkte im Gegensatz zu jetzt, aufgesetzt und falsch. Die Tränen, die er gesehen hatte, waren keine Krokodilstränen gewesen.

Der Feuermelder hob fragend eine Augenbraue, was die Lederkleid-Blondine mit einem kaum merklichen Kopfschütteln beantwortete. Warum schienen die anderen Blonden nichts von der Gemütsverfassung der Freundin zu bemerken? Auf einmal war da mehr als nur der Wunsch, sie flachzulegen. Zu gerne hätte er sich zu ihr gesetzt und ihr angeboten zuzuhören, während sie sich ihre Trauer von der Seele redete. Es war lange her, dass er einer Frau richtig zugehört hatte. Und in diesem Moment hätte er alles liegen gelassen, nur um sie zu trösten.

Plötzlich schlang die Lederkleid-Blondine die Arme um die Hüften der anderen beiden Blondies und unterbrach so die Handtuchdebatte. »Diese Diskussion langweilt mich. Ich gehe rein.« Zusammen gingen die vier auf den Saal zu.

»Heiß, oder?« Stephen trat neben Ben, und gemeinsam sahen sie dem Vierergrüppchen hinterher. »Vor allem die mit den roten Haaren. Ich steh ja eigentlich nicht so auf Rothaarige, aber die … wow. Was meinst du, kann ich sie nachher ansprechen?«

»Die mit dem schwarzen Kleid ist die Frau, die ich gestern umgehauen habe.« Ben klebte mit seinem Blick an dem Rücken der Blonden, bis sie durch die Tür und aus seinem Blickfeld verschwunden war.

Einen Moment war Stille, dann brach Stephen in schallendes Gelächter aus. »Jetzt hast du ein Problem.«

»Warum?«

»Du hast Antonia Summerfield umgestoßen.«

»Das ist Antonia Summerfield?«

Stephen lachte. »Du müsstest mal dein Gesicht sehen. Was hast du denn gedacht, wer die sind? Kasinomitarbeiterinnen?«

Bens Stimmung kippte. Warum konnte nicht das Neonkleid Ms Summerfield sein? Jetzt hätte er keine Chance mehr, sie anzusprechen und besser kennenzulernen. Sobald sie ihn zu Gesicht bekäme, würde sie ihn erkennen und ihn im schlimmsten Fall bei ihrem Vater denunzieren.

Dann kam Stephen ein anderer Gedanke. »Die Frau gefällt dir wirklich.«

»Das hatte ich doch schon erwähnt«, knurrte Ben.

»Ich dachte, du wolltest sie nur flachlegen«, stichelte Stephen.

Um nicht direkt antworten zu müssen, trank Ben einen Schluck. Sein Kumpel kannte ihn gut, aber er würde nicht diese andere Empfindung verstehen. Ben verstand sie ja selbst nicht. »Sie passt nicht zu dem, was du mir von ihr erzählt hast.« Er stellte sein leeres Glas einem vorbeigehenden Kellner auf das Tablett. »Sollte sie an ihrem Geburtstag nicht eher glücklich sein? Stattdessen hat sie geweint und wirkte irgendwie unglücklich.« Er steckte seine Hände in die Hosentaschen.

Stephen zog eine Augenbraue hoch. »Glaub mir: Eine Frau wie Antonia Summerfield ist weder einsam noch verloren, solange sie sich in der Gesellschaft von ihresgleichen bewegt.«

Ben schüttelte den Kopf. »Kann schon sein, aber ich kann falsche von richtigen Tränen unterscheiden. Irgendetwas ist anders an ihr. Ich weiß nur noch nicht, was. Glaub mir, ich habe schon viele Frauen wie sie gesehen. Und du weißt, dass ich auch schon mit vielen von ihnen ausgegangen bin … Was weißt du über sie?«

Stephen räusperte sich. »Antonia Summerfield. Einziges Kind von Walter Summerfield und Charlotte Helen Abel Smith. Vor der Heirat mit Summerfield war Charlotte die Nummer 314 der englischen Thronfolge. Nach dem frühen Tod der Mutter zogen Vater und Tochter von New York nach Los Angeles. Dort machte Antonia ihren Abschluss und war sogar auf der Uni. Danach verbrachte sie ihre Zeit entweder in Shoppingzentren oder in Clubs. Sie ist ebenso reich wie eingebildet und oberflächlich. Die letzten vier Jahre war sie mit Reedersohn Chase Moreno liiert. Es wurde gemunkelt, sie habe die Beziehung beendet, weil er ihr nicht reich genug war.« Stephen zuckte die Schultern. »Wenn das stimmt, ist sie noch oberflächlicher, als ich dachte. Ihr wird ebenfalls ein kurzes Techtelmechtel mit Baseballspieler Nick Evans nachgesagt. Ich habe gehört, Summerfield war darüber nicht begeistert und hat Nicks Wechsel nach Pittsburgh zu den Pirates stark unterstützt.«

»Hast du wieder Wikipedia auswendig gelernt? Kennst du auch ihre Körbchengröße und Konfektionsgröße?«, witzelte Ben.

Stephen grinste. »Ich bin gerne über meine Klienten informiert, weißt du doch. Das Internet ist immer hilfreich. Und nur fürs Protokoll: Körbchengröße C, Kleidergröße 34, Schuhgröße 38. Augenfarbe …«

»Schon gut. Das reicht«, unterbrach ihn Ben, bis ihm ein Gedanke kam: »Die Körbchengröße steht bei Wikipedia?«

»Nein. Das ist meine persönliche Einschätzung. Genauso die Kleidergröße. Aber die Schuhgröße, die steht bei Wikipedia.«

Ben lachte und schüttelte ungläubig den Kopf. Das war typisch Stephen.

In der Lobby gingen die Aufzugtüren auf. Ein Herr mit graumeliertem Haar und einer jungen Brünetten am Arm stieg aus. Die Fünfte der jungen Frauen vom Flughafen. Ben verzog keine Miene. Irgendwie hatte er mit nichts anderem gerechnet. »Da ist Summerfield.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Paares. Am besten ging er Antonia so lange aus dem Weg, bis er den Vertrag für weitere Aufträge mit ihrem Vater unter Dach und Fach gebracht hatte.

Während er durch die Lobby auf seinen Auftraggeber zuging, dachte er über Stephens Worte nach. Auch wenn Antonia Summerfield all das war, was sein Freund gesagt hatte, so hatte Ben noch etwas anderes gesehen. Etwas, was die blonde Schönheit sorgsam verborgen hielt. Einsamkeit.

* * *

»Seht mal, da vorne ist er … Scheich Mohamed Al-Thani«, seufzte Valerie und zupfte verträumt am Rand ihres Paillettenkleids. Das Essen war schon seit geraumer Zeit zu Ende, und während die Party um sie herum in vollem Gange war, standen die vier Freundinnen am Rand und beobachteten die Gäste.

»Val, bitte … Seit du diese Kameltreiber gesehen hast, schmachtest du sie an.« Antonia war genervt.

»Von ihnen geht etwas Geheimnisvolles aus, findest du nicht?« Val hatte diesen verklärten Gesichtsausdruck, den sie sonst nur zeigte, wenn sie vor der neuen Chanel-Kollektion stand.

»Nein … Ganz bestimmt nicht.« Antonia verschränkte die Arme vor der Brust.

»Du hast von ihm einen Wellness-Gutschein für vier Wochen geschenkt bekommen. Ich hab es schon immer gewusst: Arabische Männer vergöttern Frauen.«

»Wenn du so auf diese Typen abfährst, dann flieg du doch zu deren übergroßem Sandkasten.«

»Sand ist ein natürliches Peeling für die Haut. Deswegen sehen die Frauen dort auch immer so frisch aus«, warf Cynthia ein und unterzog die Scheichs ebenfalls einer eingehenden Musterung.

»Und die Frauen tragen Burkas, weil es dort so kalt ist«, murmelte Mac, sodass es nur Antonia hören konnte. Sie verkniff sich ein Lachen.

»Vielleicht versteckt er ja unter dem Tuch schwarze Locken, wie Antonio Banderas … Komm, Val … Bis später«, säuselte Cyn und zog Valerie zielstrebig auf die Männer zu.

Mac seufzte und nahm einen Schluck aus ihrem Champagnerglas. »Wer ist das, der da neben deinem Dad steht? Der war aber nicht in dem Stapel dabei. An das Gesicht hätte ich mich erinnert.«

Bei dem bloßen Gedanken an den Stapel Personalbögen der Partneragentur lief es Antonia kalt den Rücken runter. Sie war noch immer sauer auf ihren Vater. Er war in den letzten Wochen so seltsam sentimental gewesen, als wäre ihm auf einmal bewusst geworden, wie alt Antonia wurde und wie alt er war. Womöglich hatte er deswegen diesen Vorstellungsmarathon veranstaltet und die Partnerschaftsagentur beauftragt, ihr reiche Singlemänner vorzustellen.

»Der mit den dunklen Haaren ist Stephen Phillips, der Typ von der Eventagentur. Das Ziegenbärtchen mit dem Pferdeschwanz kenne ich ni… Warte mal …« Sie legte den Kopf schief und besah sich den Mann etwas genauer. Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Das ist der Typ vom Flughafen.«

Mac runzelte die Stirn. »Bist du sicher?«

»Oh ja. Diese Brille … die würde ich überall erkennen. Wenigstens hat er die Haare zusammengebunden. Aber was soll dieser Johnny-Depp-Bart? Was ist das für eine Agentur, die ihre Mitarbeiter so ungepflegt herumlaufen lässt?«

»Du bist wieder so gemein.« Mac schüttelte missbilligend den Kopf. Antonia wusste genau, wie sehr ihre Freundin diese Charaktereigenschaft an ihr hasste. Sie hatte ständig an anderen Menschen etwas zu meckern, mit Vorliebe an Männern. Vor allem seit das mit Chase vorbei war.

»Hallo? Auf wessen Seite bist du? Er hat mich mit seinem Koffer erschlagen. Wegen ihm habe ich auf diesem ekligen Fußboden gelegen, mir das Kleid und meine Schuhe ruiniert.«

»Du übertreibst wieder maßlos. Er hat dich umgerannt. Außerdem geht der Fleck in der Reinigung wieder raus, und die Schuhe müssen nur geputzt werden.« Mac seufzte.

Antonia antwortete nicht, lieber durchbohrte sie den Typen mit Blicken. Sobald sie mit ihrem Vater alleine war, würde sie ihm sagen, dass Ziegenbärtchen für ihren Sturz verantwortlich war. Sie würde ihn genauso auf die Nase fliegen lassen, wie er es bei ihr getan hatte. Er und seine Agentur bekämen an der Westküste keinen Fuß auf den Boden. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf fühlte sie sich direkt besser.

»Stephen Phillips … Er ist süß. Ich glaube, der gefällt mir.« Mac musterte ihn unverhohlen.

Antonia verdrehte die Augen. Diesen Blick kannte sie nur zu gut. »Was findest du immer an diesen Typen? Das ist gesellschaftlicher Selbstmord.«

Mac lachte auf. »Toni! Ich will ihn doch nicht heiraten.« Sie warf ihm einen abschätzenden Blick zu und grinste. »Vielleicht etwas flirten. Das ist doch kein Selbstmord.«

»Ehe du dich versiehst, landest du mit ihm im Bett. Ich kenne dich.« Gerade klopfte ihr Vater Ziegenbärtchen auf die Schulter. Antonia musterte ihn etwas genauer. Er war athletisch. Womöglich ging er regelmäßig ins Fitnessstudio. Seine Haut war sonnengebräunt. Er hatte etwas von Nick Evans, sofern man die Brille außer Acht ließ, was aber unmöglich war. »Dieser Typ sieht aus wie eine Ziege auf Drogen. Hoffentlich frisst der nicht die Blumendeko«, stieß sie hervor, nachdem sie sich daran erinnert hatte, wie wütend sie auf diesen Mann war.

Mac schüttelte den Kopf. »Du bist heute wieder in Topform. Erst der Sohn von David Koch von Koch Industries, den du als Muttersöhnchen bezeichnet hast …«

»Der ist seinem Dad nicht von der Seite gewichen. Ich wollte ihm schon ein Glas warme Milch und einen Teller Kekse bestellen.«

»Und was war mit diesem schnuckeligen Franzosen? Antoine irgendwas. Der erbt mal Louis Vuitton.«

Antonia zog die Schultern hoch. »Und wenn er alle Designerlabels auf einmal erben würde. Ich hab die Nase voll von Europäern. Chase hat mich kuriert.«

Mac überging auch diese Worte der Freundin. »Wenn man mal vergisst, dass dich Ziegenbärtchen umgestoßen hat, finde ich ihn gar nicht so hässlich. Schick ihn zum Frisör und zum Augenlasern, und du hast genau deinen bevorzugten Typ Mann.«

Antonia rümpfte einmal mehr die Nase. Dieser Typ bestach definitiv nicht durch sein Äußeres, eher im Gegenteil. »Bei diesen Flaschenböden hilft kein Laser mehr. Er ist hässlich. Punkt. Außerdem werde ich nicht vergessen, dass er mich umgehauen hat. Und selbst wenn, du weißt genau, was mein Vater erwartet … und was ich will.«

Mac seufzte, und anstatt zu antworten, trank sie einen Schluck aus ihrem Glas. Antonia wusste genau, ihre Freundin hielt nur den Mund, weil sie Geburtstag hatte. Trotzdem konnte sich Mac eine Frage nicht verkneifen. »Für was haben wir uns dann auf der Uni abgequält, wenn wir doch nur reich heiraten sollen?«

Antonia zuckte die Schultern. »Zum Spaß und wegen der Partys.«

Mac hob ihr Glas. »Dann lass uns anstoßen. Auf Unipartys und unnütze Abschlüsse mit Auszeichnung.«

Die Mädchen ließen die Gläser aneinanderklirren, aber Antonia konnte die Männer nicht aus den Augen lassen. Gerade steckte Ziegenbärtchen einige Papiere in seine Sakkotasche und strahlte über das gesamte Gesicht. Ihr Vater verabschiedete sich mit einem Händedruck von ihm und hatte einen solch zufriedenen Gesichtsausdruck, als wenn er einen großen Deal abgeschlossen hätte. Er verschwand in der Menge, ohne Antonia bemerkt zu haben. Wie so oft, dachte sie.

Plötzlich stand Walter Summerfield mit einem Mikrophon auf der Bühne und räusperte sich. »Antonia, Schatz, kommst du bitte zu mir.« Ein gleißender Spot huschte über die Menge, auf der Suche nach ihr.

»Oh nein. Bitte keine Rede.« Antonia stöhnte und kippte den Rest der Flüssigkeit die Kehle runter. Der bereits konsumierte Alkohol entfaltete langsam seine Wirkung. Sie hätte doch etwas vom Buffet essen sollen.

Der Spot erfasste die beiden Frauen.

»Da bist du ja, Schatz. Du bist doch bestimmt neugierig auf dein Geburtstagsgeschenk.«

Zähneknirschend, aber mit ihrem besten Lächeln, ging sie zusammen mit Mac in den Raum, auf die Bühne zu.

»So schüchtern kenne ich sie gar nicht. Vielleicht geben wir ihr einen kleinen Applaus, damit sie etwas mutiger wird?« Ihr Vater lachte in das Mikro.

Die Gäste im Saal brachen in Beifall aus, und so konnte nur Antonia hören, was Mac ihr sagte: »Und jetzt sei wieder nett, das steht dir besser!« Sie gab Antonia einen kräftigen Schubs und stieß sie die Treppe zur Bühne hoch. Kaum oben angekommen, schlang der Vater einen Arm um Antonias Hüfte und zog sie an sich. Sein Griff war so fest, dass sie sich kaum rühren konnte. Er hatte ihr die Möglichkeit zur Flucht genommen.

»Einen herzlichen Dank an alle Gäste und Freunde, die heute den Weg nach Las Vegas gefunden haben. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, wie Antonia an einem eiskalten Novembermorgen in New York zur Welt kam. Heute, fünfundzwanzig Jahre später, ist sie zu einer wundervollen Frau herangewachsen und erfüllt mich mit tiefem Stolz.«

Er lächelte Antonia an. »Als sie gerade fünf geworden war, verbrachten wir ein Wochenende in London. Bei der Parade zu Ehren von Queen Victorias Geburtstag sah sie die Königin das erste Mal. An diesem Tag beschloss sie, Prinzessin von England zu werden.«

Der ganze Saal, außer Mac am Bühnenrand, lachte über den kindlichen Wunsch.

Antonias Lächeln wurde noch gezwungener. Es waren ihre Mutter und ihr Großvater gewesen, mit denen sie an diesem besagten Wochenende London besucht hatte. Ihr Vater tat nur immer allzu gerne so, als wäre er anwesend gewesen.

»Aber ohne den halben königlichen Adel Europas auszulöschen, erschien mir die Erfüllung dieses Wunsches etwas zu riskant.«

Wieder lachte der ganze Saal.

Antonias Blick heftete sich erneut auf Mac. Sie lächelte aufmunternd, wusste sie doch genau, wie sich Toni in diesem Moment fühlte. Wo waren Cyn und Val? Sie hätte ihre seelische Unterstützung gerade gut gebrauchen können.

Walter schien von der Stimmung seiner Tochter nichts zu bemerken, und wenn er es tat, ignorierte er es. »Stattdessen habe ich ihr jeden anderen Wunsch erfüllt, sofern es in meinen finanziellen Möglichkeiten lag und mit dem Gesetz einherging. Aber was wäre ich für ein Vater, wenn ich nicht die Wünsche meiner Tochter kennen würde.«

Ha, dass sie nicht lachte. Er hatte keinen blassen Schimmer, was ihre Wünsche waren. In einem aber hatte er Recht: Er hatte ihr jeden Wunsch erfüllt. Egal, wie extravagant, dekadent, eigensinnig oder teuer er gewesen war. Sie hatte alles bekommen.

Ein Trommelwirbel ertönte, und ein kleiner Tisch, auf dem eine hölzerne, antik aussehende Schatulle stand, wurde zu ihnen geschoben. Gespannt hielt Antonia den Atem an. Freude huschte über ihr Gesicht, als ihr Vater quälend langsam den Deckel anhob und den Inhalt preisgab. Antonias Herzschlag setzte einen Moment aus, und ein entzücktes »Oh« entwich ihren Lippen, als sie das auf dunkelblauen Samt gebettete Collier sah. Ein Feuerwerk aus blutroten und weißen Juwelen, eingefasst von einem kompliziert aussehenden, filigranen Geflecht aus Ranken und Blättern. Weiße Diamanten bildeten kleine Blütenblätter, während Rubine zu Erdbeeren zusammengefasst waren. Ohrringe in Form einer Ranke, ebenfalls mit Blüten und Erdbeeren besetzt, vervollständigten das Schmuckset. »Oh Daddy … Es ist atemberaubend«, murmelte sie und küsste ihn. Die Edelsteine funkelten im Spotlicht, während der Vater ihr die Halskette umlegte. Das Geburtstagsgeschenk war einer Prinzessin würdig.

Als die ersten Klänge von Stevie Wonders Happy Birthday ertönten, ging das Licht aus, und der gleißende Spot fiel auf die Küchentür. Während die Gäste sangen, wurde eine riesige Geburtstagstorte in Form einer Fünfundzwanzig in den Saal geschoben. Unzählige Feuerwerksfontänen spuckten silberne Funken auf die Erdbeertorte und die brennenden Kerzen.