Streiten verbindet - Rudolf Hopmann - E-Book

Streiten verbindet E-Book

Rudolf Hopmann

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Beschreibung

"Streiten verbindet – Vom rechten Umgang mit Menschen und Konflikten" thematisiert das weite Gebiet des Streitens und der Konflikte auf populäre Weise. Es wird versucht, das Entstehen der verschiedensten Arten von Konflikten auf individueller Ebene, auf der Ebene einer Gruppe und zwischen einzelnen Gruppen aufzuzeigen. Mit zwei Mechanismen der Konfliktauslösung wird die Frage, wie Streit und Konflikte entstehen können, fortgeführt. Verschiedene Konflikte, wie sie im täglichen Leben anzutreffen sind, werden ebenso wie Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung beschrieben. Verschiedene Diagramme zu den einzelnen Themen sollen das Gesagte unterstützen. Zum Verständnis der Zusammenhänge werden die Vielfältigkeit des Handelns, die "kontrollierende" Instanz Gewissen sowie das Thema Verantwortung diskutiert. Da Konflikte ursächlich durch sprachliche Handlungen evoziert, aber ebenso auch beigelegt werden können, wird der zwischenmenschlichen Kommunikation ein eigener Abschnitt ge-widmet. Die verbale Kommunikation im Einzelnen wie auch die nonverbale und das uneigentlichen Sprechen werden besprochen. Den Schluss bilden Gedanken zu einer Streit- und Gesprächskultur.

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Rudolf Hopmann

Streiten verbindet

Vom rechten Umgang mit Menschen und Konflikten

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Was abgehandelt werden wird …

Konfliktfelder1

Was uns motiviert

Konfliktherd Verantwortung

Einige besondere Konflikte

Konfliktstrategien

Sieben Goldene Regeln für den Umgang mit Konflikten

Vom Reden und Hören

Streit- und Gesprächskultur

Ausklang

Veröffentlichungen des Autors

Impressum neobooks

Was abgehandelt werden wird …

Streiten verbindet ist ein altbekanntes Wort – wie viel versteckt sich dahinter! Letzten Endes beinhaltet der Satz, daß ein Streit nicht zu einer Entzweiung führen sollte, so daß zwei Menschen sich nicht mehr in die Augen sehen können. Tatsächlich kann ein Streit zu einer Bereicherung des Alltags führen, nämlich dann, wenn mit Respekt die Argumente des Gegenübers angehört, abgewogen und gegebenenfalls berücksichtigt oder widerlegt werden können. Ein Streit sollte nie mit Fäusten, sondern mit den Worten ausgefochten werden. Oftmals geht es dabei laut zu und her, weil die Streithähne mit ihren ganzen Emotionen drinstecken und sich in ihrem Wissen, Ehrgeiz, Prestige oder Ansehen in Frage gestellt sehen können. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, daß nie eine Grenze mit der Folge eines unausweichlichen Zerwürfnisses überschritten wird.

Im Deutschen Universalwörterbuch nimmt das Stichwort Streit anderthalb Kolonnen ein, ein Zeichen, wie bedeutend Streit und streiten im Leben ist. Es geht um Ideelles, um Materielles oder um eine oder mehrere Personen. Es gibt wohl kaum etwas auf dieser Welt, das nicht zum Streitobjekt, zum Streitgegenstand werden könnte.

Jeder Mensch hat so seine Art und Weise, mit Streit und Streiten umzugehen. Streithähne und Streithammel suchen oft den Streit, manchen Menschen sagt man nach, sie seien streitsüchtig. Für das Gegenteil, daß einer sich einem Streit entzieht oder vor ihm flüchtet, gibt es allerdings kein eigenes deutsches Wort oder eine Wortwendung. Wer sich nicht einer Konfrontation stellt, gilt schnell als Feigling. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Konfrontation, der Streit, vermeidbar oder wichtig ist.

Das Wort Konflikt bezeichnet im Grunde genommen nicht das Gleiche; es ist ein lateinisches Lehnwort. Es stammt von confligere ab, was im Deutschen zusammenprallen, aufeinanderstoßen bedeutet. Beim Konflikt geht es darum, daß um Positionen, um Werte, Personen oder Sachen gestritten wird. Ein Konflikt ist also Objekt orientiert. Wenn beispielsweise zwei Meinungen aufeinanderprallen, wird wegen eines Wertes, einer Sache oder einer Person mit dem Ziel gestritten, daß die eine oder andere Meinung obsiegt. Streiten ist also sozusagen ein Vorgang, ein Prozeß, an dessem Ende eine Lösung stehen sollte. Wenn jemand sagt, das bringt mich in Konflikt, dann deutet er an, daß er zwischen zwei alternativen Möglichkeiten sich nicht entscheiden kann aber müßte oder sollte. Man sagt, er liegt mit sich selber im Widerstreit.

Zank ist ein weiteres Wort, das hier zu erklären ist. Zank ist ein mit Beschimpfungen, Vorwürfen und Gehässigkeiten ausgetragener Streit. Man sagt: „In dieser Familie herrscht nur Streit und Zank!“ Gleitet ein Konflikt, dessentwegen man mit einer anderen Person im Streit liegt, auf das Niveau eines Gezänks ab, ist kaum mehr eine Beilegung und Lösung zu erwarten. Ergänzend sei noch bemerkt, daß den Worten Zänkerei und Streiterei etwas Andauerndes anhaftet. Dem Wesen eines Zänkers haftet etwas Zwanghaftes an, ähnlich dem Intriganten oder Mobber. Wo er auftaucht, gibt’s Gezänk.

England und Argentinien stritten 1978 um die Falkland-Inseln. Der Falkland-Konflikt führte zu einem Krieg zwischen den beiden Nationen: Jede beanspruchte die Inseln für sich. Zwei Kinder streiten sich um ein Spielzeugauto. In diesem Fall würde man wohl kaum von einem ‚Autokonflikt’ reden. Es gibt Kinder, die ständig das Spielzeug anderer haben möchten. Immer wieder kommt es zum Gezänk. Solche Kinder gehören vielleicht in die Hand eines Psychologen, während im Falle des Falkland-Konfliktes eine Vermittlung – eine Mediation – der Völkergemeinschaft hätte hilfreich sein können.

In den folgenden Kapiteln sollen die mit diesen einführenden Worten umrissenen Probleme aufgefaltet werden: Worüber kann man in Streit geraten? Wo bestehen beziehungsweise entstehen Konflikte? Wie soll oder kann man mit einem Konflikt umgehen? Eine einfache Antwort auf diese etwas naiv scheinenden Fragen ist: Überall, wo Menschen zusammen sind und unterschiedliche Interessen haben, kommt es zwangsläufig zu Streit oder Konflikten. Können die unterschiedlichen Interessen ausgeglichen werden? Kann der Streit beigelegt werden? Welche Möglichkeiten bestehen dazu?

Konflikte werden von vielen Menschen als unangenehm empfunden. Sie sind es ja auch ein Stück weit, obschon es immer darauf ankommt, um welche Art Konflikte es sich handelt und wie mit den Konflikten umgegangen wird. Um die Art der Konflikte besser zu verstehen, ist es zweckmäßig, genauer hinzusehen, in welchen Feldern oder Bereichen des menschlichen Lebens die Interessen so zusammenprallen, daß es zu einem Streit oder Konflikt kommt. Wo finden sich Konfliktherde? Das Wort Herd ist sehr sinnreich: ein Herd ist ja etwas sehr Positives: An ihm werden Suppen gekocht und Kuchen gebacken. Es ist aber auch der Ort, wo eben zu diesem Zweck das Feuer brennt und es heiß ist. Die Art und Weise, wie wir bei Unstimmigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten miteinander reden, ist entscheidend, ob Streit, Gezänk oder ein Konflikt entstehen. Weil dieser Aspekt so wichtig ist, wird dem Thema der zwischenmenschlichen Kommunikation ein eigener Abschnitt gewidmet.

Die Beantwortung der Frage, wie Konflikte entstehen können, ist schwierig, weil die Ursachen so vielfältig sind, wie der Mensch wesensverschieden ist. Es gibt aber einige Grundzüge, mit denen Mechanismen verstehbar und einsichtig werden. Sie werden in einem eigenen Kapitel beschrieben, vielleicht etwas verkürzt, denn eine vertiefte Darstellung müßte in individualpsychologische Verhaltensweisen eindringen, was den Rahmen dieses Essays sprengen würde.

Ein Diskurs über Konflikte bliebe theoretisch, wenn nicht einige besondere Problemfelder aufgegriffen würden, an denen das dahinterstehende Machtgefälle sich verdeutlichen ließe. Die Auswahl ist subjektiv, ist aber unter dem Gesichtspunkt der Aktualität und einer bestimmten Zielgruppe, den Kindern und Jugendlichen, aus dem Interessenkreis des Schreibenden getroffen worden. Erwähnt werden auch Konflikte der Gesellschaft mit den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, die sie selber geschaffen hat. Auch zur Natur steht sie vielfach in einem ambientem Verhältnis.

Zum Schluß dieser Betrachtungen dürfen nicht Ausführungen darüber fehlen, wie Streit und Konflikte bewältigt und beigelegt werden können.

Ursprung vieler Konflikte liegt in Meinungsverschiedenheiten, über die nüchtern und sachlich oder emotional und erregt diskutiert werden kann. Eine außerordentlich große Rolle dabei spielen die sprachlichen Möglichkeiten, mit denen die beiden Konfliktparteien „verhandeln“ und die Streitpunkte bereinigen können. Die zwischenmenschliche Kommunikation unterliegt aber ebenso wie ein Konflikt selber den psychischen und kognitiven Gegebenheiten und Fähigkeiten der beiden Partner. Ja, auch die Sprache selbst kann zu Konflikten Anlass geben, zu Mißverständnissen, die entweder ausgeräumt werden können oder Ursache von Streit sind. Allein mit seiner Emotionalität und Erregbarkeit kann ein Mensch einen Streit oder Konflikt hervorrufen, indem er durch seine sprachliche Äußerung sein Gegenüber verletzt. Einige Gedanken dazu sind im dritten Teil dieser Schrift zusammengetragen worden.

Konfliktfelder1

Vielfältige Forschungen zur Genetik der Lebewesen, den Menschen eingeschlossen, haben zur Einsicht geführt, daß seine genetische Ausstattung ihn stärker steuert als man bisher dachte. Sogar gewisse soziale Verhaltensmuster würden von seinen Eltern ihm vererbt. Das wirft freilich ein ganz neues Licht auf das, was ein Mensch an biologischen Voraussetzungen in sein Leben mitnimmt.

Außer diesen Veranlagungen wollen wir all das hinzuzählen, was er im Laufe seines Heranwachsens und seiner Sozialisation, durch seine Erziehung, seine Bildung, also durch sein Innen- und sein Außenfeld und durch die „Welt“ in sich aufgenommen hat und was seine Verhaltensweisen prägten. Aber der Mensch ist ein Vernunft begabtes Wesen, das ihm ermöglicht, sein Selbst zu formen. Hilfe, Hindernis und Gefährdung zugleich sind bei diesem Werdegang all die Menschen, die ihn auf seinem Lebensweg begleiten oder denen er begegnet. In diesem Sinn beschreibt das ontogene Feld in Abbildung 1 also das Sein des Menschen.

Abbildung : Schalenmodell der Interaktionsebenen.

Der Mensch ist mit allen seinen Gaben und Begabungen, mit dem, was seine Eltern, Lehrer usw. ihm mit auf seinem Lebensweg mitgaben, in diese, seine Welt hineingestellt. Diese bietet sich ihm auf vielfältige Art dar: Seine engere Mitwelt, die größten Einfluß auf ihn hat, ist seine Familie und sein Freundeskreis, mit denen er täglich sein Leben lang in Kontakt steht. Im Normalfall jedenfalls. Das nennen wir das Innenfeld, wie in Abbildung 1 zu sehen ist.

Zu den Schulen, die ein Mensch besucht, zu seinem Betrieb oder einem Verein und zu anderen Bereichen, entwickelt er nur zeitweise Beziehungen, obwohl diese ebenfalls von größter Bedeutung und größtem Einfluß für die Entwicklung seiner Persönlichkeit sein können. Dies sind Elemente des Außenfeldes.

Nur mit gewissen Einschränkungen kann er sich bestimmten Elementen des Außenfeldes entziehen. Er kann die Schule oder den Betrieb wechseln, sich das Krankenhaus aussuchen, aus dem Verein austreten. Selbst seinem Innenfeld kann er sich entziehen, indem er sich von seinen Freunden, ja sogar von seiner Familie trennen würde – dies insbesondere, wenn er genügend erwachsen ist. Er wird aber immer in bestimmter Weise in seine Mitwelt eingebettet sein, denn der Mensch ist und bleibt ein geselliges Wesen.

Die Welt mit all ihren Institutionen und Einrichtungen stellt die äußerste Schale dar. Der Welt kann der Mensch nicht ausweichen, er ist ihr ausgeliefert. Selbst wenn er, wie man sagt, Land und Leute verließe und er sich sonstwo auf dieser Welt niederließe, würde er dort wiederum mit der politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Ordnung konfrontiert sein.

In ähnlicher Weise, und korrespondierend zu den einzelnen Sozialfeldern des Schalenmodells, beschreibt Abbildung 2 die Reibungsflächen zwischen den einzelnen Schalen als Konfliktfelder. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, daß im Vergleich zu Abbildung 1, in dem das ontogenetische Feld als innere Schale eingezeichnet ist, hier nur das Sozialfeld insgesamt bezeichnet wird. Das hat seinen Grund darin, daß der Mensch in seine Sozialfelder, wie oben beschrieben, eingebunden und schicksalhaft ausgeliefert ist. Hier in diesen seinen unmittelbaren Sozialfeldern entstehen die meisten Konflikte.

Sie sind immer aufgespannt im Dreieck a) des Menschen selber, b) seiner Gruppe, in der er lebt, und c) der verschiedenen Gruppen, denen er angehört. Die eigentlichen Individualkonflikte beschäftigen das Individuum selber in allen Fragen seiner Bedürfnisbefriedigungen und können durch Entscheide, die es nach bestem Wissen und Gewissen trifft, von ihm selbst gelöst werden. Daneben hat jeder Mensch in der Vielfältigkeit seiner Beziehungen viele Konflikte mit einzelnen Gruppenmitgliedern oder der ganzen Gruppe, zu der er gehört. Darüber hinaus gibt es mancherlei Konflikte, die zwischen einzelnen Gruppen oder Gruppenmitgliedern bestehen, die das Individuum zwar direkt oder indirekt betreffen, ohne daß es jedoch unmittelbar darin verwickelt wäre. Ein einfaches Beispiel ist, wenn Vater und Mutter sich über die Höhe des Taschengeldes des Sohnes streiten. Dies alles sind Innenkonflikte.

Abbildung : Konfliktfelder.

Der Mensch sucht, in diesen Gruppen, in denen er lebt, sich zu verwirklichen. Er baut zu anderen Personen Beziehungen auf und zerstört sie wieder, was auch immer seine inneren Beweggründe dazu sind. Er hat Interessen, die er durchzusetzen sucht, wobei er Gesinnungsgenossen finden kann, mit denen er zusammenspannen kann. Oder er stößt auf Ablehnung, weil er die Interessen anderer berührt, verletzt oder sie in Verfolgung ihrer Interessen behindert. Umgekehrt gibt es Streit, weil sie ihn beim Verfolgen seiner Interessen behindern. Dies alles sind Quellen von Individual- oder Personalkonflikten. Wichtig ist, daß ein Konflikt in der Regel nicht für sich besteht oder bestehen kann, sondern auch immer seine Rückbezüglichkeit auf andere Konfliktfelder hat.

Ein bestehender Individualkonflikt hat immer eine Auswirkung auf einen Konflikt in oder mit der Gruppe, auch wenn der Bezug nicht unmittelbar erkenntlich wäre, oder der Konflikt nicht ursächlich bezogen werden könnte. Ein Mensch kann also gegen die Interessen einer ganzen Gruppe verstoßen und ihre Regeln mißachten oder verletzen, so daß die Gruppe sich gegen ihn wendet. Oder die Gruppe mißachtet oder ignoriert seine Bedürfnisse oder gar seine Rechte, so daß sie ihn gegen sich aufbringt. Demnach ist der Bezug selbstredend wechselseitig: Ein individueller Konflikt kann auf die Gruppe rückwirken oder von dieser bedingt sein. Gleiches gilt für Konflikte in oder zwischen Gruppen: Das Individuum steht in der Gruppe und ist von einem Konflikt in der Gruppe genauso betroffen wie es von einem Konflikt seiner Gruppe mit einer anderen Gruppe betroffen ist.

Des Menschen Sozialfeld hat noch ein Umfeld, die Welt. Diese Welt ist aufzuschlüsseln in die Mitwelt, was das Menschliche, und die Umwelt, was das Dingliche betrifft. Dem einen können wir beispielhaft den Staat, die Schulen, die Kirchen zuzählen, dem anderen, was vor allem auch die Fauna und Flora betrifft. Die beiden Welten unterscheiden sich: Während die Mitwelt vom Menschen geschaffen wurde, verändert und genutzt wird, macht sie hinwiederum Vorgaben, wie der Mensch sein Leben gestalten kann oder muß. Dagegen besitzt die Umwelt einerseits eine eigene Dynamik, der der Mensch unterworfen ist, z. B. Naturkatastrophen, andererseits wird sie von ihm zu seinem Nutzen unterworfen: Ausbeutung der Ressourcen, zur Nahrungsproduktion usf. Mit den Institutionen kommen wir Menschen oft genug und direkt in Konflikt, doch unser Verhältnis zur Natur ist in unserer heutigen Zeit auch sehr konfliktträchtig geworden. All diese Konflikte kann man als Außenkonflikte zusammenfassen. Sie haben im täglichen Leben eine gleich große Bedeutung wie die Innenkonflikte, und an verschiedenen Stellen dieses und nachfolgender Kapitel ist von ihnen die Rede. Es ist fast unnötig zu erwähnen, daß auch die Gruppe des Individuums mit beträchtlichen Auswirkungen in einen Außenkonflikt verwickelt sein kann, was auch eine Angelegenheit der täglichen Lebenserfahrung ist.

Konfliktherde

Die Art der Innen- und Außenkonflikte ist extrem vielfältig, so daß es schwierig ist, sie gesamthaft zu erfassen, zu systematisieren und sie in ihren ursächlichen Zusammenhängen zu erkennen und darzustellen. Aber es gelingt doch, ihre wesentlichen Merkmale in einer Art Dreiecksverhältnis zu beschreiben, wie in Abbildung 3 dargestellt ist. Die verschiedenen Dimensionen beziehen sich natürlich immer auf die drei Konfliktfelder des Innen- und Außenfeldes und der Welt. Das Verbinden der drei Konfliktherde zu einem Dreieck soll verdeutlichen, daß zwischen den einzelnen Konfliktherden Bezüge und Kombinationen bestehen, die eine Eindeutigkeit von Zuordnungen verhindert.

Die sachlich-intellektuelle Dimension

Als erste Dimension, in der sich Konflikte entwickeln, sei die sachlich–intellektuelle Dimension genannt. Hierunter fallen Konflikte über die Ziele, die wir verfolgen, Konflikte über die Mittel, die wir zum Erreichen der Ziele einsetzen wollen, und Konflikte über Fakten, über die wir Bescheid zu wissen glauben. Letzteres ist ein besonders gewichtiger Konfliktherd, dem wir unsere volle Aufmerksamkeit schenken sollten, denn viele sogenannte Meinungskonflikte haben in der Unkenntnis von Fakten ihre Ursache.

Oft glauben wir, irgend etwas beurteilen zu können, und wissen nicht, ob wir dabei von unserer Intuition, von einer Meinung oder von prüfbaren Fakten geleitet werden. Auch psychologisches Räsonieren kann Ursache von Konflikten dieser Ebene werden, da hier vom Effektiven, vom Sachlichem abgelenkt wird. Ignoriert jemand bewußt irgendwelche Fakten oder leugnet sie gar (obwohl sie ihm bekannt sind), wird in übler Weise ein Konflikt evoziert, dem man kaum beikommen kann. Dazu gehören auch Verdrehungen von Fakten, ein beliebtes Mittel in der Politik: Georg W. Bush ließ (möglicherweise manipulierte) Fotografien der Öffentlichkeit präsentieren und brach den Irak-Krieg vom Zaun.

Eine Quelle dieser Art Konflikte ist auch, wenn Geschehenes zu Unabwendbarem für Zukünftiges gemacht wird (Verdrehen der Zeitachse). Liegen dem Urteil oder der Aussage die richtigen und unbestreitbaren wie auch unbestrittenen Fakten zugrunde, ist mit Konflikten nicht von vornherein zu rechnen. Die durch falsche Meinungen oder durch mangelnde oder fehlende Faktenkenntnisse hervorgerufenen Konflikte lassen sich jedoch durch Lernen ziemlich leicht vermeiden bzw. beheben (siehe unten).

Abbildung : Konfliktherde

Es spielt eine große Rolle, ob einer Auseinandersetzung Meinungen oder Fakten zugrunde liegen. Da auf dieser sachlich-intellektuellen Ebene der Verstand eingebunden ist, sollten sich solche Konflikte noch am ehesten lösen lassen. Schon an dieser Stelle sei daher darauf hingewiesen, daß Informationen, die für Entscheide über Ziele und Mittel nötig oder vorteilhaft sind und Wissen vermehren, in entscheidender Weise dazu beitragen, Konflikte zu entschärfen oder gar zu vermeiden. Informationen einholen und zu verarbeiten, bedeutet nämlich lernen. Man sollte diese Konflikte sorgfältig unterscheiden von jenen Konflikten, die auf Grundüberzeugungen oder Traditionen, auf religiösen oder bestimmten anderen Weltanschauungen beruhen, die in die weiter unten beschriebene Kategorie der wertmäßig-kulturellen Dimension gehören.

Trotz allem gibt es in der sachlich-intellektuellen Dimension eine Grauzone zwischen Fakten und Meinungen, insbesondere wenn es darum geht, etwas beurteilen zu müssen. Täglich begegnen wir Menschen, über die wir uns ein Bild machen müssen. Es ist völlig richtig, sich vom ersten Eindruck, der von der Intuition bestimmt ist, leiten zu lassen. Bei Menschen, mit denen wir länger zusammen sind, müssen und sollen wir uns aber ein genaueres Urteil bilden. Man sagt, man habe eine Meinung über diesen oder jenen Menschen.

Diese Meinung sei uns unbenommen, wenn sie unsere persönliche Meinung ist und bleibt. Aber wenn wir einem Mitarbeiter ein Zeugnis ausstellen sollen, können wir uns nicht einfach einreden, wir wüßten über den Betreffenden Bescheid, und legen dann mit dem Urteilen los, wie es uns in den Sinn kommt. Nein, wir müssen uns prüfen, ob wir nicht nur unvoreingenommen auf Grund von und in Kenntnis aller relevanten, belegbaren und nüchtern beurteilten bzw. beurteilbaren Tatsachen, sondern auch frei von Sozioemotionen jeder Art das tun. Eine Beurteilung, erst recht eine schriftliche, ist etwas Anderes als eine persönliche Meinung. Zeugnisse haben wahrhaft und objektiv zu sein. Sie haben aber vielfach eine eigene Sprache: Die eigentliche Beurteilung steht oft zwischen Zeilen!

Trefflich streiten läßt sich dagegen darüber, welches Ziel gesteckt und/oder erreicht werden kann oder soll, und welche Mittel zum Erreichen eines Zieles eingesetzt werden sollen. Am Beispiel der Josefsgeschichte wird weiter unten gezeigt werden, wie ein Zielkonflikt entsteht, welche Möglichkeiten bestehen, ihn zu lösen oder zu vermeiden, und wie er mit den anderen Konflikten, insbesondere der sozioemotionellen Dimension verwoben ist. Das Wissen um die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ist wiederum eine gute Basis, Konflikten auszuweichen.

Die sozioemotionelle Dimension

Die sozioemotionelle Dimension beschreibt sodann unser konfliktträchtiges Verhältnis zu anderen Menschen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Solange unsere Verhältnisse zu anderen Menschen eitel Wonne und Einvernehmen sind, kann selbstredend kaum ein Konflikt entstehen. Jederzeit kann aber das Verhältnis getrübt werden bis zu dem Punkt, an dem das Zusammenleben erschwert wenn nicht gar unmöglich ist. Ständig kommt es dann zu Reibereien und zu schweren Konflikten, vielleicht auch zum Zerwürfnis.

Ähnliches gilt, wenn das Vertrauen zwischen zwei Menschen beschädigt ist, oder wenn die Zuneigung negativ geprägt ist: Wir empfinden das Zusammenleben oder die Zusammenarbeit als schwierig, das Vertrauen ist herabgesetzt und unsere Verhältnis zum Anderen ist im günstigsten Fall von neutraler Höflichkeit, im ungünstigen Fall von Hass und oft, ohne daß wir es merken oder wahr haben wollen, von Eifersucht oder Neid geprägt. Wenn neutrale Höflichkeit, Hass und Eifersucht und nicht Empathie das zwischenmenschliche Verhältnis beherrschen, braucht es oft nur den kleinsten Auslöser, um einen möglicherweise heftigen Streit zu provozieren. Die Gefahr ist groß, daß solche Streitereien zu mit Gewalt gefüllten Konflikten ausarten.

Mit vielen Menschen des Außenfeldes müssen wir zusammenarbeiten, sind auf sie auf die eine oder andere Weise angewiesen, ob wir sie mögen oder nicht. Meist gelingt es uns, mit ihnen gut auszukommen, manchmal begegnen sie uns oder wir ihnen mit distanzierter Höflichkeit. Sympathie oder Antipathie bestimmen immer das zwischenmenschliche Verhältnis. Gelegentlich, es ist unvermeidlich, finden wir einen Menschen völlig unsympathisch. Bei genügender Frustrationstoleranz kommen wir mit ihm aber noch zu Rande. Die Frustrationstoleranz ist jene (persönlichkeitsgebundene) Gemütsverfassung, die eine (psychische) Verletzung oder ein Leid bis zu einem gewissen Grad, der Frustationstoleranzschwelle, ertragen läßt.

Wenn es ein Vorgesetzter ist, ist die Sache schon anders: Es wäre besser, man könnte und würde sich aus dem Weg gehen. Hierher gehören auch das Bossen und Mobben sowie die Intrige, alles zwischenmenschliche Variationen, die die Atmosphäre vergiften. Es ist einerlei, ob derlei bewußt oder unbewußt geschieht. Mit Bossen bezeichnet man das Schikanieren eines Untergebenen durch den Vorgesetzten, mit Mobben das Schikanieren unter Kollegen und Kolleginnen (siehe hierzu die Ausführungen unter „Bossen und Mobben“).

Spezielle Gesichtspunkte des zwischenmenschlichen Verhältnisses kommen beispielsweise bei Gerichtsverfahren zum Tragen, wenn der Verteidiger einen Befangenheitsantrag stellt in der Meinung oder im Wissen, der oder die Richter/In sei voreingenommen, das heißt, er unterstellt dem oder der Richter/In einen sozioemotionellen Konflikt gründend auf positiver oder negativer Zuneigung. Diese werden insbesondere dann unterstellt, wenn er oder sie vorgängig in der Öffentlichkeit oder in den Medien irgendeine Äußerung, insbesondere eine negative, in Bezug auf den Angeklagten tat. Entsprechend könnte der Staatsanwalt verfahren, wenn er eine positive Zuneigung vermutet (was allerdings seltener vorkommt). Dagegen wird ein Schüler schwerlich einen Lehrer für befangen erklären und ein Zeugnis ablehnen können, wenn er eine negative Sozioemotion feststellt. Dies ist ein erstes Beispiel, wo sich ein Konfliktherd der sachlich-intellektuellen Dimension mit einem der sozioemotionellen Dimension mischt und nicht mehr abgrenzen läßt. Auch übermäßige positive Zuneigung kann zu Konflikten schwerster Art führen, wie die Josefsgeschichte zeigt.

Sie kennen vielleicht die alttestamentliche Josefsgeschichte: Josef war der Lieblingssohn des Jakob und erfuhr eine sehr starke Bevorzugung gegenüber seinen (elf) Brüdern bis zu dem Punkt, daß er nicht einmal arbeiten brauchte; wahrlich, für die damalige Zeit ein außerordentliches Privileg. Das schürte der Brüder Eifersucht und Haß auf Josef. Sie beschlossen, ihm bei günstiger Gelegenheit das Leben zu nehmen. Ruben, der Älteste, vermochte sie aber von dieser Blutschande abzuhalten, so daß sie Josef in eine Zisterne warfen. Als Ruben einmal weggegangen war, verkauften die anderen Brüder Josef an eine vorbeikommende Karawane. So gelangte Josef schließlich nach Ägypten.

Vordergründig handelt es sich um einen Intragruppenkonflikt der sozioemotionellen Dimension zwischen den Brüdern. Wie hätte aber der Konflikt gelöst werden können? Doch nur, indem Jakob seine Vorzugsbehandlung des Josef aufgegeben hätte. Diese aber beruhte auf der stärksten Sozioemotion, derer Menschen fähig sind, nämlich der Liebe. Die Liebe ist das Schönste auf Erden, kann aber auch zugleich sehr destruktiv sein. Die Liebe der Kinder zu ihrem Vater hinderte die Brüder Josefs daran, ihn als eigentliche Konfliktquelle zu behaften; sie werden gezwungen, den „Stein des Anstoßes" selber aus der Welt zu schaffen. Wen trifft nun die größere Schuld? Konnte Jakob sich wirklich beklagen, als seine Kinder mit Josefs blutverschmierten Kleidern ihm weismachten, Josef sei von einem Tier angefallen worden? Sie hatten ein Geißlein geschlachtet und Josefs Kleider mit dessen Blut besudelt.

Vater Jakob, Ruben, der Älteste, und seine Brüder haben alle ein je unterschiedliches Verhältnis zu Josef. Das überrascht nicht, denn das ist so immer und überall unter Menschen. Sympathie oder Antipathie : Niemand kann erwarten, daß wir alle Menschen „lieben". Das wäre eine völlig falsche Erwartungshaltung. In kinderreichen Familien kommt damit eine schwer zu meisternde Herausforderung auf die Eltern zu, denn sie können kaum eine auf alle Kinder gleichmäßig verteilte Sympathie hegen. Eine derartige Bevorzugung jedoch, wie sie uns in der Josefsgeschichte geschildert wird, ist sicherlich eine für ein Elternpaar nicht unüberwindbare Anforderung, ihre Gefühle so zu kontrollieren, um zu vermeiden, daß keine extreme Ungleichbehandlung der Kinder geschieht. Dies ist auch der Vorteil einer vollständigen Familie: Vater und Mutter können jederzeit im Fall von auftretenden oder sonst wie offenkundigen Unklarheiten und Ungleichheiten ihre Beziehungen zu ihren Kindern metakommunikativ klären. Die griechische Vorsilbe ‚meta’ bedeutet ‚über’, Metakommunikation ist also das Reden über die Kommunikation: Wie reden wir miteinander? (Siehe dazu den Abschnitt weiter unten.)

Eine übermäßige Zuneigung positiver oder negativer Art kann nicht nur zu einem Intragruppenkonflikt führen, sondern oft auch zu schweren Individualkonflikten. In einer Einelternfamilie ist es so, wie es ist. Mit allen Konsequenzen. Wenn beispielsweise, wozu besonders in der unvollständigen Familie eine Gefahr besteht, die Mutter oder der Vater ihr Kind durch Zuneigung zu stark an sich binden, wird es dem Kind erschwert oder gar verunmöglicht, die notwendige Trennungsarbeit zu leisten, um sich einem anderen Du zuwenden zu können, wenn es erwachsen wird. Das Kind, beziehungsweise der inzwischen erwachsen gewordene Mensch, bleibt auf das Elternteil, das ihn einvernimmt, fixiert. Das ist nun ein Beispiel, wie sich ein unbewältigter, jedoch nicht unbewältigbarer Konflikt schließlich mit psychischer Gewalt füllen kann. Dies ist auch eine Situation, die der Galtungschen Gewaltdefinition entspricht. Die vom norwegischen Friedensforscher Johan Galtung2 gegebene Definition für Gewalt kann gut als Leitfaden in diesem Zusammenhang dienen: „Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer als ihre potentielle Verwirklichung ist.“

Die wertmäßig-kulturelle Dimension