Stressfreie Grundschuljahre - Doris Heueck-Mauß - E-Book

Stressfreie Grundschuljahre E-Book

Doris Heueck-Mauß

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Beschreibung

Die Grundschulzeit gemeinsam meistern: Die Grundschuljahre bedeuten für Eltern und Kinder einen Ablöseprozess von der Kindergartenzeit. Ihr Kind wird jetzt vor neue Herausforderungen gestellt: Es muss sich in eine Gruppensituation mit strengen Regeln einfügen, der Alltag und das Lernen am Nachmittag erfordern viel Konzentration. Viele Kinder verändern in dieser Zeit ihr Verhalten gegenüber ihren Eltern – Konflikte sind an der Tagesordnung. Dieser Ratgeber hilft Ihnen dabei, Ihren Blick zu schärfen und geduldiger zu sein, um Frust und seelische Störungen zu vermeiden.

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INHALT

Vorwort

Von der Einschulung bis zum Übertritt

Schulreif, schulfähig, schulbereit

Schulpflicht für die Eltern

Freundschaften in der Schule

Balanceakt zwischen Nähe und Distanz

Aller Anfang ist schwer

Die ersten Schritte brauchen Zeit

Das Lernen lernen

Lernkonzepte

Wenn das Lernen schwer fällt

Richtig Hausaufgaben machen

Das Zeugnis

Erziehung und elterliche Autorität

Autorität und Respekt

Grundlagen der Erziehung

Typische Alltagskonflikte im Schulalter

Aufstehen

Nie kommen wir pünktlich aus dem Haus

Pünktlich ins Bett

Aufräumen

Mein Kind ist unausstehlich

Wenn Geschwister sich streiten …

Freundschaften in der Grundschule

Fernsehen und Computerspiele

Typische Schulkonflikte

Mein Kind ist so aggressiv

Angsthase und Heulsuse

Mein Kind findet keinen Anschluss

Hausaufgaben: Lust oder Frust?

Smartphone, PC und Tablet – schon in der Grundschule?

Jungen und Mädchen – kleine Unterschiede

Lernstörungen

Verhaltensauffällige Kinder

Stressfaktor Noten

Eltern-Kind-Konflikte

Erziehungskompetenz für Grundschuleltern

Verwöhnung und Kontrolle – Helikoptereltern

Konflikte reduzieren

Rituale strukturieren den Tag

Erwartungsdruck führt zu Konflikten

Konflikte unter Geschwistern

Positive Kommunikation – Familienrat

Das faire Konfliktgespräch

Übertritt – Die richtige Schule für Ihr Kind

Das staatliche Schulsystem

Schulen in privater Trägerschaft

Viele Wege führen zum Ziel

Schlusswort

VORWORT

Liebe Eltern und Großeltern,

liebe Lehrerinnen und Lehrer,

wir lernen unser ganzes Leben lang. Das hört nicht auf, wenn wir die Schule, die Berufsausbildung hinter uns haben. Sobald wir Eltern werden, fangen wir damit an, die Grundlagen der Erziehung zu lernen. Als Eltern wollen wir unsere Kinder formen und richtig erziehen – nur wie? Die einen greifen auf altbewährte Rezepte zurück und erziehen so, wie sie selbst erzogen wurden. Andere wollen, dass sich ihre Kinder erst einmal frei entwickeln und wieder andere haben gar keine Konzepte und erziehen heute so und morgen so. Alle drei Methoden werden bald an ihre Grenzen kommen.

„Eltern sein“ lernen wir tagtäglich im Umgang mit unseren Kindern. Am Anfang durch Versuch und Irrtum, bis wir dann eine gewisse Routine bekommen – und vor allem Erfahrung.

Kommt unser Kind nun in die Schule, beginnt ein neuer Lebensabschnitt, Eltern und Kind werden vor neue Herausforderungen gestellt. Das nötige Handwerkszeug, um die ersten Schuljahre Ihres Kindes sicher und möglichst stressfrei zu begleiten, bekommen Sie unter anderem durch lernpsychologische Erkenntnisse. Einige davon werde ich Ihnen in diesem Buch vermitteln, aber vor allem geht es darum, Ihrem Kind eine solide Basis für seine Schullaufbahn zu geben. Dazu gehört eine gute Beziehung in der Familie, in der das sozial-emotionale Lernen stattfindet. Ist dieses Fundament stabil, kann das Kind sich auf die Schule konzentrieren, auf das kognitive Wissen, das dort vermittelt wird. Ist dieses Fundament instabil, wird das Kind sich schwerer anpassen können und benötigt mehr liebevolle Hilfestellung.

Jedes Kind hat Begabungen, aber auch Schwächen. Kinder altersgerecht zu fördern ist überwiegend die Aufgabe der Schule. Sie dürfen die Schule und Ihr Kind jedoch positiv unterstützen. Damit dies im richtigen Rahmen und möglichst stressfrei auf beiden Seiten geschehen kann, habe ich diesen Ratgeber geschrieben.

Ihre

Doris Heueck-Mauß

VON DER EINSCHULUNG BIS ZUM ÜBERTRITT

Mit der Schulpflicht beginnt der Ernst des Lebens. „Jetzt heißt es lernen, aus und vorbei mit den Freiheiten“, sagen die Großeltern. „Die armen Kleinen dürfen nicht mehr spielen und rumtoben“, sagen die Eltern. Das klingt eher bedrohlich, doch Kinder zwischen fünf und sieben Jahren wollen Neues lernen, sie wollen sich mit anderen Kindern messen und fühlen sich in der Gruppe wohl. Mit der Entwicklung seiner emotionalen und kognitiven Fähigkeiten verwandelt sich das egoistische Kleinkind zum sozialen Gruppenkind. Diese biologischen Reifungsprozesse sind genetisch festgelegt und machen ein Kind, unabhängig von kulturellen oder familiären Unterschieden, reif für die Schule.

Schulreif, schulfähig, schulbereit

Ob ein Kind schulreif und auch schulbereit ist, hängt von mehreren Faktoren ab: Wie wurde das Kleinkind in seiner Familie und im Kindergarten gefördert? In welcher sozialen Situation ist es aufgewachsen? Wie ist die Qualität der Beziehung zwischen den Familienmitgliedern, und wie ist das Kind sprachlich und sozial in seine Umgebung integriert? „Das Schulkind“ gibt es nicht – immerhin müssen acht bis zehn Prozent aller schulpflichtigen Kinder aufgrund diverser Schwierigkeiten von der Einschulung zurückgestellt werden. Diese Kinder benötigen dann besondere Förderung, weil sie „Spätentwickler“ sind, aus einem anderen Kulturkreis stammen oder aus sozial benachteiligten Schichten.

Im Regelfall ist es bereits im Kindergarten aufgefallen, wenn ein Kind in bestimmten Bereichen in seiner Entwicklung verzögert ist. Wirken sich die Beeinträchtigungen auf die Schulfähigkeit des Kindes aus, werden die Erzieher Sie sicher schon darauf angesprochen haben. Dann können Sie Ihr Kind entsprechend fördern und unterstützen.

Sobald ein Kind ins schulpflichtige Alter gekommen ist, bekommt es eine Einladung zur Schuluntersuchung. Diese ist verpflichtend und wird in der Regel von Mitarbeitern des Gesundheitsamtes durchgeführt. Bei dieser Untersuchung werden alle Wahrnehmungsfunktionen und auch die motorische Entwicklung Ihres Kindes getestet. Diese sollten altersgerecht sein, denn feinmotorische Fähigkeiten sind notwendig, um schreiben zu lernen, grobmotorische Fähigkeiten sind wichtig für das Sitzen, die Raumwahrnehmung und das Gleichgewicht. Ein Kind kann nicht lesen und schreiben lernen, wenn es noch nicht ruhig und ausbalanciert sitzen kann oder noch Schwierigkeiten mit der Augen-Hand-Koordination hat. Auch Hör- und Sehschwächen werden oft erst bei dieser Untersuchung entdeckt. In der Regel bleibt danach noch genügend Zeit bis zur Einschulung, um dem Kind mit gezielten Maßnahmen oder Übungen zu helfen.

Für die Schulfähigkeit eines Kindes sind verschiedene Punkte wesentlich:

• die körperliche Entwicklung

• die motorische Entwicklung

• die Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit

• die Entwicklung der Sprache

• die Motivation und Leistungsbereitschaft des Kindes

• die Entwicklung von Gedächtnis und Konzentration

Denken und wahrnehmen

Das Denkvermögen Ihres bereits jetzt schon schlauen und neugierigen Vorschulkindes wird sich weiterentwickeln – denn im Schulalter wird Abstraktionsfähigkeit verlangt, um später rechnen zu können. Aber auch die Buchstaben müssen als Symbole erkannt werden und zu einem Wort als Symbol für einen Begriff geformt und zugeordnet werden. Ihr Kind ist nun zu umkehrbaren Denkoperationen fähig.

Dazu ein Beispiel: Das Kind sieht zwei gleich große Gläser mit Wasser. Nun gießt man die Menge des einen Glases in ein anderes Glas, das schmaler und höher ist. Drei- bis Vierjährige meinen jetzt, im hohen Glas sei mehr drin. Schulreife Kinder erkennen, dass sich die Flüssigkeitsmenge trotz äußeren Anscheins nicht verändert hat. Sie können auch mehrere Merkmale eines Gegenstandes betrachten, also wahrnehmen, dass ein Glas höher und dafür schmaler ist, oder dass ein Luftballon groß und leicht ist, ein kleiner Stein dafür schwerer.

Das sieben- bis elfjährige Kind befindet sich in seiner kognitiven Entwicklung auf einer konkret-operationalen Stufe, in welcher der Übergang vom reinen Handeln zum Denken vollzogen wird. Diese neu errungene Denkfähigkeit nennt man „Dezentrierung der eigenen Vorstellungen“. Das Kind überlegt und schlussfolgert: Es wurde kein Wasser verschüttet, also muss in dem hohen, aber schmalen Glas genauso viel Wasser drin sein wie in dem kleinen dicken Glas. Seine Wahrnehmung verlässt sich nicht mehr nur auf das Sehen, sondern es beobachtet und denkt nach und begründet logisch. Es beginnt die Dinge kritisch zu hinterfragen und lässt sich von seinen Eltern oder Geschwistern nichts mehr vormachen.

Das Kind kann nun Regeln ableiten, abstrahieren, rückgängig machen, dezentrieren. Es kann Handlungen in Gedanken vollziehen und zu einer Lösung kommen. Es sieht sich nicht mehr als Mittelpunkt der Welt. Es betrachtet und vergleicht die Erwachsenen kritisch, hinterfragt ihre Regeln und Verhaltensweisen und kann sich auch immer besser in das Denken und Wahrnehmen anderer hineinversetzen. Es wird ein vernünftiges Kind!

Sprechen und verstehen

Da im Unterricht das wichtigste Medium die Sprache ist, muss Ihr Kind gut sprechen und zuhören können. Sein Sprachwortschatz sollte altersgerecht sein. Kinder, denen viel vorgelesen und mit denen viel geredet wurde – in Erwachsenensprache! –, sind da eindeutig im Vorteil. Kinder, die sich häufig selbst überlassen sind und die viel vor dem Fernseher sitzen, haben eine reduzierte Ausdrucksweise.

Im Rahmen verschiedener Kindergartenuntersuchungen wurde festgestellt, dass jeder vierte Junge und jedes fünfte Mädchen Sprachauffälligkeiten zeigte, ihnen wurde zu einer logopädischen Behandlung geraten. Wird ein Sprachfehler oder Sprachdefizit erst bei der Schuluntersuchung festgestellt, ist bereits kostbare Therapiezeit verlorengegangen. Wird das Kind in der ersten Klasse auffällig und tut sich auch noch mit dem Lesen und Schreiben schwer, wird es schnell als Legastheniker abgestempelt. Eine diagnostische Abklärung ist dann dringend erforderlich, um dem Kind schnellstmöglich helfen zu können.

Der sprachliche Veränderungsprozess von der kleinkindhaften Sprache zur Sprache eines Schulkindes beginnt schon ab dem fünften Lebensjahr. Der Wortschatz eines sechsjährigen Kindes beträgt ungefähr 2 500 Worte, und es achtet zunehmend darauf, dass der Zuhörer auch den Inhalt verstehen kann, wenn es etwas erzählt.

Das Gruppenkind

Neben der Schulfähigkeit, bei der vor allem die Fertigkeiten des Kindes beurteilt werden, ist die Schulbereitschaft ein wichtiger Faktor für die Entscheidung, ein Kind einzuschulen. Denn die Motivation und die Lernbereitschaft eines Kindes sind von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, dass das Kind seine Begabung und Fähigkeiten erfolgreich einsetzt. Positive soziale Erfahrungen, Selbstsicherheit, keine Probleme, sich in Gruppen einzugliedern und natürlich die Lust, in zu Schule zu gehen, lernen zu dürfen – dies sind Faktoren der „Schulbereitschaft“.

Geben Sie Ihrem Kind daher frühzeitig die Gelegenheit, mal Zeit ohne Mama oder Eltern in einer neuen Umgebung zu verbringen. Mit fünf oder sechs Jahren kann es zum Beispiel bei einer Freundin übernachten, es kann einen Ausflug mit den älteren Nachbarskindern machen oder über ein Wochenende mit dem Sportverein wegfahren. Ihr Kind sollte mit sechs Jahren in der Lage sein, neue Kontakte zu knüpfen, zu anderen Eltern oder Kursleitern Vertrauen aufzubauen und so einen Tages- oder Übernachtungsausflug ohne Heimweh zu meistern.

Kann es sich gut in eine neue Gruppierung einfügen, eigene Bedürfnisse zurückstecken und sich an die neuen Regeln halten? Wenn ja, dann wird es ihm nicht schwerfallen, sich in eine Klassengemeinschaft einzufügen und sich als Teil der Gruppe zu fühlen, auch wenn die Lehrkraft sich mit anderen Kindern beschäftigt. So hat sich Ihr Kind vom egoistischen Kleinkind zum sozial fähigen Gruppenkind entwickelt.

Gerade für Einzelkinder ist dies oft kein leichter Lernprozess, denn sie sind es gewöhnt, bei den Erwachsenen immer im Mittelpunkt zu stehen. Geschwisterkinder haben da weniger Schwierigkeiten. Auch Kindern in einem offenen Familiensystem – das bedeutet, dass sowohl die Eltern als auch die Kinder viele soziale Kontakte haben – kommen in Gruppen meist gut zurecht. In jeder neuen Gruppe muss jedes Kind erst einmal seinen Platz finden.

Sich in eine Gruppe zu integrieren erfordert Neugierde, Motivationsbereitschaft, abwarten können, sich anstrengen wollen, auch wenn der Erfolg nicht immer gleich eintritt. Wenn das Kind mal etwas falsch macht oder eine Antwort nicht weiß, sollte es den Ehrgeiz entwickeln, nachzufragen und auch bereit sein, zu üben. Das Selbstwertgefühl eines Kindes hängt damit zusammen, was es geleistet, was es gut gemacht hat, es will gefallen und das, was es gelernt hat, auch zeigen dürfen. In der Vorschulzeit sind Lob und Anerkennung eine hohe Motivation, aber Ihr Kind muss auch durch Fehler lernen und sollte nicht gleich aufgeben. Daher sollten Sie es neben all der positiven Zuwendung auch dazu animieren, etwas besser zu machen und nicht alles unkritisch loben und bewundern. Für ein gutes Selbstwertgefühl sollte ein Kind schon vor der Schule erfahren haben, dass es auch ohne Leistung liebenswert ist.

RÜCKSTELLUNG ODER ZU FRÜHE EINSCHULUNG

Manchen fällt es schwer, ihr Kind aus dem beschützenden Elternhaus in den „Ernst des Lebens“ zu schicken. „Welchen Einflüssen mag es dann ausgesetzt werden? Da geben wir lieber noch eine Schonfrist“, meinen die Eltern. Dann kann es passieren, dass ihr Kind im Kindergarten unterfordert ist und sich langweilt. Später gehört es zu den Älteren und erlebt, wie jüngere Kinder genauso klug sind. Leistungsbetonte Eltern, die bereits ihrem Kindergartenkind das Lesen und Rechnen beibringen und es zu früh einschulen, tun ihrem Kind ebenfalls keinen Gefallen. Die Fünfjährigen haben oftmals noch nicht die geistige Reife und Konzentrationsfähigkeit, die sie brauchen, um längere still zu sitzen und sich zu konzentrieren.

Kinder wollen ihrem Alter entsprechend gefordert sein und gefördert werden, Schonung oder Überforderung bringt sie eher ins Hintertreffen oder in eine Außenseiterrolle – sie sind immer die Kleinsten oder immer die Ältesten. Der Schuleintritt ist der Beginn eines selbstständigen Lebens, in dem sich Kinder eigenständig – nicht mit Hilfe der Eltern – mit ihrer Umwelt auseinandersetzen müssen und auch wollen. Diese neuen Erfahrungen sind auch mal schmerzlich, aber nur so kann Ihr Kind seinen Platz in der Gemeinschaft finden, und nicht durch wohlmeinende Überbehütung, wenn Sie ihm letztlich keine selbstständige Entwicklung und Durchsetzungsfähigkeit zutrauen.

Schulpflicht für die Eltern

„Jetzt ist es mit den Freiheiten vorbei“, seufzen Eltern, wenn sie an das tägliche frühe Aufstehen denken und sich nachmittags oder abends über die Hausaufgaben ihrer Kinder beugen. Ja, und spontan wegfahren geht auch nicht mehr, denn nun gilt die Ferienordnung. Neue Pflichten kommen auf die Eltern zu: das Kind pünktlich in die Schule schicken, Entschuldigungen schreiben, Krankmeldungen, Hausaufgabenkontrolle, der Stundenplan hängt für alle sichtbar an der Pinnwand, Taschenkontrollen (schon wieder ein verschimmeltes Pausenbrot), sind die Turnsachen vollständig und die Taschentücher eingepackt? Zur Fürsorgepflicht gehört, dass das Kind ausgeschlafen, gut genährt, sauber gekleidet und frohen Mutes zur Schule geht (nicht fährt, denn Bewegung ist wichtig, Schulkinder sitzen sowieso zu viel!). Nicht zu vergessen: die komplette Schulausrüstung. Dafür gibt es vor der Einschulung und unter dem Jahr Anschaffungslisten. Schluss mit der Individualität – jetzt müssen sich Eltern und Kinder an die neuen Regeln gewöhnen und diese einhalten, auch wenn dies nicht immer Spaß macht. „Ich mag heute nicht in die Schule!“ gibt es dann nicht mehr!

Der erste Elternabend, ein weiterer Termin im vollen Kalender. So viele neue Gesichter und Erfahrungen: „Ist die Lehrerin auch nett zu meinem Kind?“, „Na, die anderen Eltern haben ja komische Ansichten, hoffentlich findet mein Kind deren Tochter doof.“ (Sie wird natürlich die beste Freundin.)

Mit dem ersten Schultag beginnt somit tatsächlich für Ihr Kind und Sie, als Eltern, ein neuer Lebensabschnitt. Der Kindergartenbesuch ist von staatlicher Seite zwar erwünscht, steht aber noch im Ermessen der Eltern. Der Schulbesuch ist dagegen eine Pflicht! Ab jetzt ist der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule (Artikel 7, Absatz 1 im Grundgesetz) dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordnet. Das bedeutet für die Eltern, das Kind in eine staatliche Erziehungsobhut zu entlassen. Für das behütete Kind heißt es, sich mutig und offen auf diese neuen Gesellschaftsstrukturen und das Gruppengeschehen einzulassen und sich zunehmend von dem alleinigen elterlichen Einfluss zu lösen. Dieser Loslöseprozess erfährt seinen Höhepunkt dann in der Pubertät.

Engagement ja, Einmischung nein

Aktive Elternarbeit ist an vielen Grundschulen heute erwünscht. Dennoch sollte Ihr Kind in der Schule ohne Sie zurechtkommen. Es will und muss seinen eigenen Platz finden, auch wenn es nicht immer einfach ist. Es möchte seine eigenen Beziehungen knüpfen. Es will mal über die Lehrerin schimpfen dürfen, ohne dass Sie gleich der Frau den Kopf zurechtrücken und Ihr Kind verteidigen. Und es will seine eigenen Erfolge oder Misserfolge erleben und auch Dinge für sich behalten.

Wenn Ihnen als Mutter oder Vater dieser Schritt nicht leicht fällt und sich Gefühle der Angst (schafft mein Kind all die neuen Anforderungen) der Traurigkeit (Abschied von der Kleinkindzeit) oder der Leere (jetzt ist es den ganzen Tag weg, ich bin als Mutter nicht mehr so wichtig) einstellen sollten, dann sprechen Sie darüber mit anderen. Vielleicht mit einem guten Freund, einer Freundin oder mit anderen Eltern, die dieses Loslassen schon geschafft haben, aber bitte nicht mit Ihrem Kind. Auch kompensieren Sie diese Gefühle bitte nicht, indem Sie ständig in der Schule auftauchen und bei allem helfen, auch wenn es nett gemeint ist. In der Elternvertretung aktiv zu sein, am Schulfest den Kuchenstand zu betreuen ist okay. Aber Sie müssen nicht jeden Ausflug begleiten und jede Aufgabe übernehmen.

Freundschaften in der Schule

Die Grundschuljahre verändern die Qualität der Freundschaften. Bis etwa sechs Jahre kann ein Kind schnell der beste Freund oder die beste Freundin sein, weil man gerade so schön miteinander spielt, und am nächsten Tag wird die Freundschaft nach einem Streit „gekündigt“, weil man nicht mitspielen durfte. Die Dauer der Freundschaft spielt noch keine Rolle. Es werden zwar bestimmte Kinder bevorzugt und auch eingeladen, Freundschaft ist aber oft noch sehr zweckgebunden. Die Kinder mögen sich oder auch mal nicht.

Mit der Einschulung lernt Ihr Kind sehr viele neue Kinder kennen. In der Klassengemeinschaft werden nun andere Dinge wichtig: Sympathie und gemeinsame Interessen verbinden die Kinder, aber auch sich gegenseitig helfen, den anderen verteidigen und Dinge miteinander teilen.

Ab dem achten Lebensjahr finden Jungen die Mädchen meist blöd. Jungen wollen sich mit ihren Freunden häufig messen, etwas gemeinsam unternehmen, ob Raufen, Bolzen oder Computerspiele. Sie möchten schon im Grundschulalter cool sein. Mädchen wollen sich meist viel erzählen, kuscheln, Geheimnisse austauschen, sich schön machen, und grenzen sich so von den Jungen ab. Doch für beide Geschlechter gilt, dass sie ihrem Freund bzw. ihrer Freundin vertrauen und ihm/ihr Geheimnisse anvertrauen können. Klatsch und Tratsch und Lästern über Dritte gehört dazu. Es bilden sich Mädchen- und Jungencliquen, und wehe, man ist nicht mit von der Partie: Außenseiter können schon in der Grundschule zu Mobbingopfern werden, wenn sie nicht um die Mitgliedschaft kämpfen.

Stark in der Clique

In diesen Cliquen gibt es keine festen Regeln und keine Hierarchie der Mitglieder, es kommen neue hinzu, andere gehen wieder. Noch verbinden gemeinsame Interessen, wie Rad fahren, Fußball spielen, ins Ballett gehen oder mit Barbiepuppen spielen. Die beste Freundin soll übernachten dürfen oder der beste Freund kommt jeden Nachmittag mit nach Hause. Viele Eltern fürchten, ihr Kind könne negativen Einflüssen ausgesetzt werden. „Seit er mit Finn zusammen ist, hat er nur noch Flausen im Kopf und lässt sich nichts mehr sagen.“ Keine Sorge – Sie als Eltern und die gemeinsame Familienzeit ist Ihrem Kind immer noch sehr wichtig, aber Gegensätze ziehen sich an und so ist Ihr Sohn von Finn beeindruckt. Nehmen Sie den Freund oder die Freundin Ihrer Tochter ernst. Laden Sie die Kinder zu sich nach Hause oder zum Familienausflug mit ein, dann gelten Ihre Regeln und Sie lernen die Kinder von einer anderen Seite kennen. Bitte versuchen Sie Ihrem Kind niemals die Freundschaft auszureden. Es wird nichts nützen, Ihr Kind wird den Freund oder die Freundin mit Händen und Füßen verteidigen – und nichts mehr erzählen. Also schauen Sie lieber „dem Feind ins Auge“ und ermutigen Sie Ihr Kind, sich selbst treu zu bleiben.

Zwischen acht und zehn Jahren und im Übergang zur Vorpubertät können Gruppen auch mal Streiche spielen und Erwachsene provozieren, denn gemeinsam ist man stark! Eltern fallen dann oft aus allen Wolken, wenn sie in die Schule zitiert werden. Doch diese Erfahrungen gehören zu einer normalen Entwicklung hin zu einem selbstständigen Grundschulkind dazu, und auch zum Ablöseprozess. Ihr Kind braucht solche Erfahrungen, um später im Jugendalter selbstkritisch seine Gruppe zu suchen und nicht zum „blinden“ Mitläufer zu werden.

Wenn eine Freundschaft zerbricht

Großer Kummer kann auftreten, wenn der beste Freund oder die beste Freundin die Freundschaft aufkündigt oder wegzieht. Die meisten Kinder leiden dann sehr, sie trauern oder sind tief gekränkt. Auch Neid und Hass können Kinder genauso empfinden wie Erwachsene. Dann bagatellisieren Sie das Geschehene bitte nicht mit Kommentaren wie: „Es gibt doch noch andere nette Kinder, ich wusste doch, dass Eva blöd ist.“ Ihr Kind braucht jetzt Trost und viel Verständnis. Wenn es sehr schlimm ist, kann es Symptome wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gereiztheit und Aggression, Lernunwillen oder gar Schulverweigerung zeigen. Dann sollten Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Balanceakt zwischen Nähe und Distanz

Die Jahre, in denen sich das liebenswerte, abhängige Vorschulkind zu einem vorpubertären Zehnjährigen entwickelt, der lieber mit seiner Gruppe unterwegs als zu Hause ist, kann man als Balanceakt zwischen Eltern und Kind sehen. Es sind zwar ruhige Jahre, aber mit einer enormen kognitiven und emotionalen Entwicklung und einem schleichendem Ablöseprozess auf beiden Seiten. Ihr Kind ist auf der einen Seite noch völlig abhängig von seiner Familie und braucht diese als „sicheren Hafen“. Auf der anderen Seite muss es lernen, in der Schule, unter Gleichaltrigen, bunt zusammengewürfelten Kindern und Freunden, für sich Verantwortung zu übernehmen und Probleme alleine zu lösen. Das ist ein täglicher Balanceakt zwischen Nähe und Distanz.