STRIKE - oder die Unwahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden und die große Liebe zu finden - Katharina Wolf - E-Book

STRIKE - oder die Unwahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden und die große Liebe zu finden E-Book

Katharina Wolf

4,8

Beschreibung

Wie wahrscheinlich ist es wohl, vom Blitz getroffen zu werden und die große Liebe zu finden? Sophie kommt aus gutem Hause und führt ein unbeschwertes Leben. Strike hingegen lebt auf der Straße und kann von einer sorglosen Jugend nur träumen. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, doch gemeinsam bestreiten sie eine Reise, die sie für immer verändern wird.

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Katharina Wolf

STRIKE

© 2016 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Covergestaltung: Claudia Toman, TraumstoffLektorat: Katja LehmannKorrektorat: Jasmin Krieger

Alle Rechte vorbehalten

ISBN – 978-3-95869-197-1

Besuchen Sie unsere Webseite:amrun-verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1 16

Inhalt

Shoppingtour

Gleich neben Gleis 3

Diese plötzlichen Sommergewitter

Auf Männersuche im Fitnessstudio

Zitroneneis und Drogendeal

Gymnasium, war doch klar!

Endstation Babystrich

Alles scheiße

Vollkommen clean

Bücher, die auf Reisen gehen

Party mit Schrecken

Gummibärchen

In der Theorie ist vieles möglich

Ehrlich zu mir selbst

Es gibt so viel mehr!

Alibi

Gewissensbisse

Dir zuliebe

Roadtrip

Du hast es verdient

Ich weiß, was du willst

Geheimnisse an versteckter Stelle

Zimmer 311

Alles unter Kontrolle

Jazz

Ich brauche dich

Ein Tag mit Höhen und Tiefen

Ein Schritt näher

Du bist nicht alleine

Familienzuwachs

Herzschmerz

Rückweg

Daheim, aber nicht zu Hause

Ein Jahr später

Ich wurde nie vom Blitz getroffen, habe aber gleich zweimal die große Liebe gefunden.Für Patrick und Emil

Shoppingtour

Es läutete.

Endlich Schulschluss. Heute war ein anstrengender Tag gewesen. Vor allem die Doppelstunde Englisch, in der siebten und achten Stunde, hatte mich geschafft. Langweilig und ermüdend ohne Ende. Ich wollte nichts mehr, als den Kopf auf meine verschränkten Arme legen und einfach die Augen schließen. Da hätte Miss Baker aber mit Sicherheit etwas dagegen gehabt. Die legte aus mir unerfindlichen Gründen nämlich Wert darauf, dass alle Schüler wach waren und ihr aufmerksam zuhörten, was mir leider von Minute zu Minute schwerer fiel. Aber ich hatte mein Bestes gegeben und zumindest versucht, einen konzentrierten und relativ wachen Eindruck zu machen. Ich musste nur mein interessiertes Schul-Pokerface auflegen, das ich in den letzten zwölf Jahren perfektioniert hatte.

Zum Glück erlöste mich kurze Zeit später das laute Klingeln von meinem Leiden. Acht Schulstunden waren eine Tortur und wirklich mehr als genug für einen Tag. Selbst für mich kleine Streberin.

Ich verließ das alte und graue Schulgebäude mit Sabine, die mit mir Englisch als Leistungskurs belegte. Ich war zwar recht gut in Englisch, fragte mich aber doch im Nachhinein, ob ich bei der Wahl meiner Fächer für die Oberstufe nicht einige grundlegende Fehler begangen hatte. So bereute ich nichts so sehr, wie Kunst und Physik nicht sofort abgewählt zu haben, als ich die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Ich war in beiden Fächern mehr als unbegabt.

Sabine und ich waren seit drei Jahren beste Freundinnen, die sich gemeinsam durch die Oberstufe kämpften, und ich nannte sie kurz und knapp Bibi. Draußen standen Manu und Eli und warteten auf uns. Beide hielten die obligatorische Zigarette in der Hand. Aus irgendwelchen Gründen hatten sie sich das Rauchen in der Oberstufe angewöhnt. Wahrscheinlich, weil es cool war, oder man so in der Raucherecke leichter mit Jungs ins Gespräch kam. Nur ich war bislang standhaft geblieben und weigerte mich, dem Gruppenzwang nachzugeben. Mir wurde schon vom Passivrauchen schlecht. Echt eklig und zudem auch noch furchtbar ungesund und teuer. Mit dieser Meinung stand ich leider ziemlich alleine da.

»Da seid ihr ja endlich.« Manu wirkte genervt, wobei sie das eigentlich immer tat. Sie schwang ihre dunkelbraunen Locken über ihre Schulter und blies dann den Rauch ihrer Marlboro Light wie ein Rockstar gleichzeitig aus Mund und Nase. »Wenn ich nicht bald einen Kaffee bekomme, laufe ich Amok.«

Das konnte ich allerdings nachvollziehen. Auch mein müder Körper verzehrte sich nach Koffein.

»Leute, habt ihr Lust, shoppen zu gehen? Wir müssen unbedingt unsere Sommergarderobe auffrischen.« Das war Elis Idee. Einkaufen war ihr größtes Hobby und gleichzeitig auch eine Leidenschaft und Sucht. Ich sah nach oben und schirmte meine Augen mit der flachen Hand von der Sonne ab.

Sommer.

Es war richtig warm. Heute Morgen auf dem Weg zur Schule hatte ich noch eine dünne Jacke tragen müssen. Vor allem am Bahnhof war es in der Früh doch recht kühl gewesen. Aber ab 12 Uhr, wenn die Sonne ihren höchsten Punkt am wolkenlosen Himmel erreichte, waren 25 bis 30 Grad keine Seltenheit mehr. Ich krempelte die Ärmel meines T-Shirts nach oben, um auch meinen Schultern ein wenig Sonne zu gönnen, dann stimmte ich Eli zu. Sie hatte Recht. Ich sollte mir für die Sommerferien unbedingt noch den einen oder anderen neuen Bikini zulegen. Außerdem hätte ich unglaublich gerne einen neuen, großen Strohhut. Am Badesee wollte ich schließlich super aussehen. Auch die anderen Mädels waren einverstanden und schnell in ein Gespräch über Bademode und Miniröcke vertieft.

Unsere kleine, lustige und vor allem extrem laute Mädchen-Clique machte sich auf den Weg in Richtung Innenstadt. Manu sorgte dafür, dass wir den nächsten Starbucks betraten; mit einem mit Kaffee gefüllten Pappbecher in der Hand war sie gleich viel erträglicher.

Ich besorgte mir einen Caramel Macchiato. Schon immer mochte ich es am liebsten süß und klebrig und die paar zusätzlichen Kalorien nahm ich dafür gerne in Kauf. Immerhin ging ich regelmäßig ins Fitnessstudio und durfte mir auch ohne schlechtes Gewissen mal etwas gönnen.

Unser nächster Halt sollte ein Laden sein, der erst vor einigen Tagen in der Innenstadt neu eröffnet hatte. Ein Fachgeschäft für Unterwäsche und Badebekleidung. Das klang zumindest vielversprechend.

»Ich habe bereits gestern einen Blick ins Schaufenster geworfen Die haben richtig tolle Badeanzüge! Außerdem auch noch Badetücher, Taschen und Sonnenbrillen. Wir können uns voll ausstatten.« Bibi kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. »Ich habe da so ein blau-kariertes Teil gesehen. Ziemlich freizügig, aber an der Schaufensterpuppe sah es aus wie aus einem Bond-Streifen. Ich muss es einfach anprobieren!«

Sie hatte uns überzeugt. Jede von uns wollte insgeheim so sexy wie ein Bondgirl aus dem Wasser steigen und Halle Berry Konkurrenz machen. Und wer weiß, vielleicht würden wir ja in diesem Sommer alle unseren persönlichen 007 finden?

Wir liefen die vollkommen überfüllte Einkaufsstraße entlang und betraten einen Laden, der auffällig in Pink- und Rosa-Nuancen leuchtete. Genauso aufdringlich und dadurch kaum zu übersehen waren die riesigen Schilder mit der Aufschrift Neueröffnung. Natürlich auch in pink. Fast schon unangenehm. Ich hatte den Drang, eine Sonnenbrille aufzusetzen oder mir die Augen mit den Händen abzuschirmen. Alles hier blendete abartig.

Ich lief durch die engen Gänge und bestaunte diverse Bikinis, Tankinis, Badeanzüge und noch einiges dazwischen, was ich nicht so recht benennen konnte. Alle Schnitte hatten eines gemeinsam: Sie würden der Fantasie nicht mehr viel Spielraum lassen.

Bei einem frischen, sommerlichen Muster mit viel Gelb und Grün blieb ich stehen. Vielleicht lag es an dem angenehmen Kontrast zum rosafarbenen Hintergrund, dass es mir so gut gefiel. Ich überlegte, den Bikini gleich mit in die Umkleidekabine zu nehmen, als ich den Preis sah. Achtzig Euro! Ich machte große Augen, die noch größer wurden, als ich mir darüber im Klaren war, dass das lediglich der Preis für das Oberteil war. Heilige Scheiße, ich war hier doch nicht bei Gucci gelandet! Oder etwa doch? Verwirrt schaute ich mich um und lenkte dann meinen Blick wieder auf das bisschen Stoff vor mir. Das war zu teuer. Viel zu teuer! Außerdem wollte ich nur ungern in einem neuen, schicken Biki­nioberteil, dafür aber untenrum nackt am Weiher liegen. Beides zusammen würde nämlich definitiv mein Budget sprengen.

»Ganz schön gesalzene Preise ...«, nuschelte ich Eli hinter vorgehaltener Hand zu, die gerade mit genauso verzweifeltem Gesichtsausdruck das Preisschild eines lila-weiß gestreiften Badeanzuges anstarrte.

»Ich kann mir hier nichts leisten«, sagte sie mit resignierendem Ton.

Ich nickte zustimmend. »Ich mir auch nicht.«

Im Endeffekt war der Laden für uns alle viel zu teuer. Wir waren allesamt Schülerinnen und hatten im Schnitt fünfzig Euro Taschengeld zur Verfügung. Ich hatte zusätzlich das Glück, ab und an ein bisschen Geld von meiner Oma zugesteckt zu bekommen. Okay, ich hatte Erspartes, und davon nicht gerade wenig, aber das würde ich garantiert nicht für drei Stoffdreiecke ausgeben.

Im Winter hatte ich ein paar Mal im Solarium in unserer Straße ausgeholfen. Für sechs Euro die Stunde musste ich Kaffee kochen, Kunden beraten und danach ihren Schweiß von den Geräten wischen. Keine königliche Aufgabe, aber mir machte das nichts aus. Ich war nicht zimperlich und hatte mehr als genug Desinfektionsmittel zur Hand.

In den Sommerferien davor hatte ich an einer Strandbar an der Bierzapfanlage gearbeitet. Dort gab es sogar acht Euro die Stunde und einiges an Trinkgeld. Die Einnahmen aus diesen kurzen Ferienjobs gingen ohne Abzüge allesamt auf mein Konto und ich hatte sie seither nicht angerührt.

Für was ich sparte? Ein Auto, einen Wellnesstrip mit Bibi oder vielleicht sogar für die Einrichtung meiner ersten eigenen Wohnung? Keine Ahnung. Aber das alles war weitaus sinnvoller, als es für Bademode auszugeben!

Etwas demotiviert schlurften wir in das nächste Einkaufszentrum, um uns dort in den Geschäften umzusehen, die weniger exklusiv waren, dafür aber eher in unsere angestrebte Preisklasse fielen.

»Im H&M finde ich eigentlich immer etwas Schönes.« Bibi lächelte mich schon wieder etwas zuversichtlicher an. »Von uns muss bestimmt niemand leer ausgehen.«

Schon von weitem wurden uns mit großen Leuchtbuchstaben die vielen Läden in dem großen Einkaufszentrum angepriesen. H&M, C&A, Esprit, New Yorker und viele andere Geschäfte, die zumindest annährend zum Inhalt meines Geldbeutels passten. Ich klatschte vor lauter Vorfreude in die Hände.

Rechts vor dem Haupteingang, einer riesigen Drehtür, saßen einige seltsame Typen. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich, dass es wohl Punks sein mussten, die hier ihre Zeit totschlugen.

Zumindest waren sie allesamt gut gelaunt, hörten laute Musik und waren recht auffällig gekleidet. Ihre Klamotten waren mit vielen Nieten, Spitzen und Aufnähern versehen. Ich entdeckte einige No-Nazis-Buttons und Patches mit Bandnamen, die mir nicht unbekannt waren. Die Ärzte, Nirvana und Green Day hatte sich ein Typ auf seine Jeansjacke genäht. Aber so jung, wie der aussah, hatte das vielleicht auch seine Mutter für ihn übernommen ...

Jeder von ihnen hatte etwas zu trinken vor sich stehen. Mehrere putzige Hunde lagen zwischen den überwiegend jungen Männern und wurden von allen Seiten gekrault.

Ich hatte mir immer einen Hund gewünscht. Als Kind wollte ich einen süßen, kleinen Dackel haben. So wie der, den die Nachbarn, ein nettes älteres Ehepaar, hatten. Später war ich neidisch auf den Mops von Eli gewesen. Leider war Mum gegen alles allergisch, was mehr als zwei Beine hat. Wir besaßen zwar ein kleines Aquarium mit bunten Zierfischen, aber so richtig zum Kuscheln und Liebhaben waren die leider nicht geeignet. Schade.

Fasziniert betrachtete ich einen wunderschönen Schäferhund, der sein Maul hechelnd geöffnet hatte und die Streicheleinheiten von einem der Kerle sehr zu genießen schien.

Der Typ, der ihm abwechselnd den Kopf und den Bauch kraulte, war sehr jung, schätzungsweise in unserem Alter. Er fiel mir sofort auf. Vor allem, weil er ziemlich gut aussah. Seine schwarzen Haare waren mit blauen und lilafarbenen Strähnchen durchzogen. Zumindest teilweise, denn die komplette linke Seite hatte er abrasiert und sie wies millimeterkurze Stoppel auf. Diese Frisur wirkte schon fast feminin, aber es stand ihm. Es war wohl so wie mit rosafarbenen Hemden: Nicht viele Männer konnten sie tragen; nur diejenigen, die sich ihrer Männlichkeit sehr bewusst waren.

Als unsere kichernde Mädchenmeute an den Punks vorbeilief, waren wir uns ihrer Blicke sicher und mehr als bewusst. Eli schwang ihr langes Haar nach hinten und grinste. Sie mochte solche Auftritte.

Manche der Kerle pfiffen uns hinterher. Auch der hübsche Junge mit den bunten Haaren sah auf und zwinkerte mir zu.

Ich blickte kurz irritiert hinter mich, sah aber niemanden.

Er hatte tatsächlich mir zugeblinzelt!

Mir fiel auf, dass er sehr schöne Augen und eine auffällige Narbe an der rechten Augenbraue hatte. Außerdem waren seine Fingernägel schwarz lackiert und ein Tattoo prangte an seinem linken Unterarm. Seine Hand lag um den Hals einer großen Weinflasche. Oh Mann ... Das war mit Sicherheit nicht der richtige Umgang für mich. Trotzdem verfärbten sich meine Wangen rot, ich senkte eingeschüchtert den Blick und betrachtete den Boden vor mir. Schnell ging ich an der Gruppe vorbei und zog Bibi hinter mir her, die sich bei ihrem Gang über den unsichtbaren Laufsteg offensichtlich noch etwas mehr Zeit lassen wollte.

Kaum hatten wir das riesige Einkaufszentrum durch die Drehtür betreten, empfing uns eine verwirrende Mischung aus beruhigender Fahrstuhlmusik und einem lauten Wirrwarr an Geplapper aus den Mündern von hunderten von Menschen.

»Und los geht’s!« Eli gab den Startschuss für unsere Einkaufstour.

Ich versuchte, mich zu sammeln und auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Eine hübsche Sommergarderobe war das Ziel. Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen, denn aus irgendwelchen Gründen waren diese noch immer draußen bei dem Jungen mit den hübschen Augen.

Aber der Anblick der bunten Schaufenster, in denen nicht selten ein großes Sale-Schild leuchtete, half mir, mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Zuerst gingen wir in eine kleine Boutique, die wir ziemlich schnell wieder verließen, da die Zielgruppe wohl knapp fünfzig Jahre älter war.

Danach kaufte ich mir in einem anderen Laden einen neongrünen Bikini. In diese Farbe hatte ich mich sofort verliebt, da sie frisch und sommerlich war, und wunderbar mit meinen braunen Haaren harmonierte. Außerdem gönnte ich mir ein Paar Hotpants aus Jeansstoff, die zu meinem Glück heruntergesetzt waren.

In einer Buchhandlung stöberte ich durch die Regalreihen und entschied mich schließlich für zwei Liebesromane. Ich wollte in den Sommerferien ja nicht nur am Weiher liegen und gut aussehen – was mir mit dem neuen Bikini garantiert gelingen würde – sondern dabei lesen und intelligent wirken.

Ich liebte das. Entspannung in Perfektion.

Mit gefühlt tausend Tüten in allen Größen und Farben verließen wir zwei Stunden später das Einkaufszentrum.

Manu hatte bereits ihren dritten Becher Kaffee in der Hand. Eli trug stolz ihre übergroße, neue Sonnenbrille, mit der sie aussah, wie eine Mischung aus Paris Hilton und Biene Maja mit riesigen Insektenaugen.

Bibi hatte sich bei mir eingehakt und sang ein Lied, das ihr, seit es in einem der Läden im Hintergrund gelaufen war, einfach nicht mehr aus dem Kopf ging.

Auf meinen Lippen lag ein zufriedenes Lächeln. Eine erfolgreiche Einkaufstour, gutes Wetter, meine besten Freundinnen um mich herum ... Das war es, was mich momentan glücklich machte.

Die Punks vor der Drehtür waren gegen Abend weniger geworden. Lediglich zwei Kerle mit Hund saßen noch da und der hübsche Junge, der mir vorhin zugezwinkert hatte, lag schlafend auf dem Boden. Die Flasche Wein, die er zuvor in der Hand gehalten hatte, war nun leer.

Verdammt. Was war in seinem Leben wohl alles schiefgelaufen?

Zu Hause angekommen schloss ich die Eingangstür mühsam auf. Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass ich dabei eine meiner Einkaufstüten mit den Zähnen festhalten musste. Im Flur warf ich den Schlüssel in die dafür vorgesehene Schüssel auf der alten Holzkommode und streifte mir, ohne die Hände dafür zu benutzen, hastig meine Stiefel von den Füßen.

»Mum?«, rief ich in unser knapp 150 Quadratmeter großes Haus hinein.

»Schätzchen, ich bin in der Küche«, hörte ich es aus dem Erdgeschoss schallen und folgte der Stimme. Unsere Küche war nur durch eine Art Theke vom Esszimmer getrennt, daher sah ich, dass der Tisch bereits gedeckt war. Drei Teller mit Besteck, zwei Limonadengläser und ein Weizenglas. Papa würde sich bestimmt ein Feierabendbier gönnen. In der Mitte stand eine Schüssel. Ich erkannte sofort, was darin war.

»Mhm, Tomatensalat!«

Mum lächelte und reichte mir einen Teller mit verschiedenen Wurstsorten.

»Stellst du das bitte rüber? Heute Abend essen wir nur kalt.«

»Passt.« Ich griff nach einer Scheibe Schinken und stopfte sie mir in den Mund. »Ich hab unglaublichen Hunger«, nuschelte ich mit gefüllten Wangen.

»Du hast ja auch reichlich eingekauft. War bestimmt anstrengend.« Mum schaute auf die Tüten, die ich achtlos auf dem Boden abgestellt hatte. Die Wurstplatte war für einen kleinen Moment wichtiger gewesen. Da hatte ich fast meine neuen Errungenschaften vergessen. Aber nur fast!

»Ja! Warte, ich zeig`s dir!« Ich stellte die Platte ab und hechtete zu meinen Einkaufstüten, um meinen neuen Bikini herauszu­kramen. Die knalligen Sommerfarben brachten meine Augen auch jetzt wieder zum Leuchten. »Schau doch mal, wie schön der ist!«

Doch Mum konnte meine Begeisterung nicht wirklich teilen und musterte den Bikini eher skeptisch, den ich demonstrativ vor mich hielt. »Ziemlich freizügig. Das Oberteil wird nur von zwei dünnen Schnüren am Platz gehalten.«

»Ich mach damit ja auch keinen Leistungssport, sondern liege nur in der Sonne. Da wird schon nichts verrutschen.« Ich lächelte und zeigte ihr auch noch meine neuen Hotpants, die nur etwas mehr Haut verdecken würden. »Die waren auf acht Euro runtergesetzt. Acht Euro! Das ist doch unglaublich!«

Mum rollte mit den Augen. »Zieh das aber bitte nicht in die Schule an.«

»Nee, keine Angst. Ich hab keinen Bock auf doofe Blicke von den Jungs da.« Und die Sprüche von ihnen wollte ich mir auch ersparen. Die Typen in meiner Stufe waren allesamt dermaßen unreif und kindisch, dass sie alleine schon, wenn das Wort Busen im Biologieunterricht fiel, anfingen, dämlich zu kichern oder prollig zu grölen. Nein danke. Auf deren Aufmerksamkeit konnte ich gut und gerne verzichten.

Draußen fiel die Eingangstür ins Schloss und wir konnten hören, wie jemand einen Schlüsselbund in die Schüssel im Flur warf. »Bin da!«, rief die dunkle und gutgelaunte Stimme von meinem Dad. Diesem Ausruf folgten direkt einige derbe Flüche und polternde Geräusche, die mich zuerst zusammenzucken und dann kichern ließen.

»Na, ihr zwei Hübschen? Wer hat seine Stiefel einfach so im Flur liegen lassen?« Er trat durch die Tür ins Esszimmer, legte seinen Aktenkoffer auf eine freie Stelle des Tischs und gab Mum einen Begrüßungskuss. Auch ich bekam ein Kuss auf die Wange. «Ich hab mir fast den Hals gebrochen. Warum genau habe ich eigentlich extra dieses monströse Schuhregal gekauft und zusammengebaut?»

Ich verkniff mir eine Antwort und setzte mein unschuldigstes Lächeln auf.

»Stefan, nimm die Tasche vom Tisch. Jetzt wird gegessen.«

»Endlich, ich hab so einen Bärenhunger. Wir haben nur auf dich gewartet, Papa!«

»Na dann zieh ich mich schnell um, nicht dass meine Tochter verhungert.« Paps schmunzelte und sprintete dann übertrieben schnell in Richtung Schlafzimmer. Allerdings nicht, ohne ein weiteres Mal über meine Schuhe zu stolpern und diese danach wütend in unser Schuhregal zu werfen. So interpretierte ich zumindest das Rumpeln und Knurren im Flur.

Ich begann in der Zwischenzeit damit, Tomatensalat auf meinen Teller zu häufen und hastig ein paar Tomatenscheiben zu verschlingen.

»Sag mal, Sophie, hast du schon Pläne für die Sommerferien?« Mum setzte sich mir gegenüber an den Esstisch.

»Chillen«, nuschelte ich mit vollgestopftem Mund und spießte mit der Gabel zwei weitere Tomatenstücke auf.

»Aha ... Geht’s auch etwas genauer?«

»Einfach entspannen und abhängen. Bibi und die anderen fahren auch nicht weg. Werde also die meiste Zeit mit den Mädels am Weiher liegen, bis ich wie eine braungebrannte Spanierin aussehe.«

»Wer sieht aus wie eine Spanierin?« Paps kam im legeren Jogginganzug ins Esszimmer und setzte sich stöhnend und sich streckend auf den Stuhl neben mich.

»Ich, also bald hoffentlich!«

»Oha, habe ich was Wichtiges verpasst?«

Mama winkte ab und reichte Paps zwei Scheiben Schwarzbrot.

»Nächste Woche gibt’s Zeugnisse, oder Sophie? Haben wir irgendwelche Überraschungen zu erwarten?« Er sah mich erwartungsvoll an. Ich zuckte mit den Achseln. Als ob es schon jemals irgendwelche dramatischen Überraschungen bei meinen Zeugnissen gegeben hätte.

»Alles beim Alten, denke ich. Ich freue mich auf die Ferien. In den nächsten Tagen wird es nochmal anstrengend. Wer denkt, dass es vor den Ferien nichts mehr zu tun gibt, kennt unsere Lehrer nicht.« Ich rollte mit den Augen und erntete ein verständnisvolles Lächeln.

Meine Eltern und ich verbrachten das Abendessen stets miteinander, um ein bisschen gemeinsame Zeit zu verbringen. Nur ganz selten musste Papa länger im Büro bleiben. Manchmal entschuldigte auch ich mich, weil ich noch mit Freunden unterwegs war oder es aus irgendwelchen anderen Gründen nicht pünktlich nach Hause schaffte. Aber ich bemühte mich ansonsten immer, rechtzeitig um 19 Uhr am Esstisch zu sitzen. Das war vor allem meinen Eltern wichtig. Ich würde nicht mehr lange hier bei ihnen wohnen, das war klar. Im nächsten Jahr standen die Abiturarbeiten an und wer weiß, was danach kam. Ich hatte viele Möglichkeiten. Vielleicht ein Studium im Ausland? Oder erst mal ein freiwilliges soziales Jahr? Momentan hatte ich Lust auf alles und zum Glück noch ein Jahr Zeit, um weiter zahlreiche Pläne zu schmieden und mich zu entscheiden.

Nach dem Essen saß ich mit Mum und Papa noch einige Zeit gemütlich vor dem Fernseher. So ließen wir gemeinsam den Tag ausklingen. Wir aßen Vanilleeis und schauten Wer wird Millionär?. Aber schnell wurde ich müde und wünschte meinen Eltern eine gute Nacht.

»Du willst schon ins Bett?« Mama sah mir besorgt hinterher.

»Ja, ich werde vielleicht noch ein wenig lesen, aber ich glaube nicht, dass ich noch lange durchhalte. Es war ein anstrengender Tag und ich bin müde.« Ich gähnte als Bestätigung und streckte mich genüsslich.

»Na dann, schlaf gut«, kam es gleichzeitig von Mum und Paps.

»Ihr auch«, nuschelte ich und unterdrückte mühsam ein weiteres Gähnen. Fast hätte ich mir den Kiefer ausgerenkt.

Ich trottete die Stufen nach oben in den ersten Stock und betrat das Badezimmer. Dort putzte ich mir die Zähne und wusch mir mein Gesicht. Meine langen, braunen, leicht gelockten Haare bürstete ich schnell durch und band sie zu einem dicken Zopf zusammen. Dann betrachtete ich mich im Spiegel. Trotz der vielen Sonne war ich immer noch ziemlich blass. Dafür hatten sich einige Sommersprossen auf meiner Nase gebildet und ich hatte tatsächlich Sonnenbrand auf meinen Ohren. Auf den Ohren! Seltsam, aber so typisch für meine Haut. Da beneidete ich Bibi. Die brauchte im Frühjahr nur zwei Sonnenstrahlen und war sofort knackig braun. Ich hingegen drohte, in der Sonne zu verglühen.

Ich tupfte einige Tropfen Creme auf die Rötung und stellte daraufhin den edel aussehenden Tiegel wieder zurück ins Regal. Wahrscheinlich irgendein übertrieben teures Wundermittel von meiner Mum. Aber was gut gegen Lachfalten wirken sollte, half garantiert auch bei Sonnenbrand.

In meinem Zimmer glitt ich aus meiner Jeans und meinem T-Shirt. Zum Schlafen zog ich mir eine weiche, pinke Pyjamahose und ein weißes Schlafshirt an. Nachts war es doch noch relativ kühl und ich fror eh viel zu schnell. Ich schloss das Fenster, das den ganzen Tag offen gewesen war, und den Raum mehr als gut durchgelüftet hatte. Dann legte ich mich in mein Bett, deckte mich zu und ließ ein Bein unter der Bettdecke herauslugen. Die perfekte Mischung aus mollig warm und angenehm frisch. So mochte ich das. Ich griff nach dem Buch, das zurzeit auf meinem Nachttisch lag. Ein Krimi einer deutschen Autorin, den ich von Bibi vor einigen Wochen zum Geburtstag bekommen hatte. Doch schon nach zwei Seiten spürte ich, wie meine Lieder immer schwerer wurden und so schlug ich das Buch wieder zu und legte es neben mich. Kein Buch hatte es verdient, so halbherzig gelesen zu werden. Ich würde morgen Abend einen neuen Versuch starten.

Kurz bevor mich die Müdigkeit vollends überwältigte, ließ ich den Tag noch mal Revue passieren. Ich dachte an den langweiligen Schultag, an meine Freundinnen, an den neuen Bikini und an den Jungen mit den bunten Haaren, den schwarzen Fingernägeln und der Narbe an der Augenbraue. Ob er wohl auch jetzt noch im Freien war? Musste er womöglich auf dem blanken Boden schlafen? Es schüttelte mich einmal durch. Unvorstellbar!

Während ich mich wohlbehütet und warm eingepackt in mein Bett kuschelte, ließen mir die Gedanken an ihn in dieser Nacht lange keine Ruhe. Irgendwann musste ich doch eingeschlafen sein. Zumindest erinnerte ich mich an wirre Träume über Alkohol, Hunde und schöne Augen, die mir zuzwinkerten.

Gleich neben Gleis 3

Hey, Leute! Auf was habt ihr heute Lust?» Eli stand vor dem Schulgebäude und ließ den Blick über unsere Gesichter schweifen. Manu zuckte mit den Schultern und steckte sich eine neue Zigarette an. Die Letzte hatte sie vor nicht mal einer Minute auf dem Boden zertreten.

«Vielleicht Kino?» Der Vorschlag kam von Bibi. Ich wusste, dass sie den neuen Film mit Johnny Depp unbedingt sehen wollte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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