Subject 13 - Ethan Stone - E-Book

Subject 13 E-Book

Ethan Stone

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Beschreibung

Luke Kincaids Leben gerät aus den Fugen. Zuerst verlässt ihn sein Lover, um eine Frau zu heiraten, dann suchen ihn Kindheitsalbträume heim, die er längst hatte vergessen wollen. Trost findet er in der wiedererwachten Freundschaft zu seinem Highschoolfreund Ben Skinner. Ben ist an seiner Seite, als ihnen klar wird, dass die Albträume auf realen Erinnerungen beruhen und jemand alles versucht, damit sie die Wahrheit nicht aufdecken. Und dann kämpft Luke noch mit seinen Gefühlen für Ben – denn Ben war schon damals nicht schwul. Oder täuscht er sich da?

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Ethan Stone

Subject 13

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2016

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe „Subject 13“

Aus dem Amerikanischen von Lena Seidel

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte:

© wtamas – fotolia.com

© Mat Hayward – fotolia.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-13-3

ISBN 978-3-96089-14-0 (epub)

Inhalt:

Luke Kincaids Leben gerät aus den Fugen. Zuerst verlässt ihn sein Lover, um eine Frau zu heiraten, dann suchen ihn Kindheitsalbträume heim, die er längst hatte vergessen wollen.

Trost findet er in der wiedererwachten Freundschaft zu seinem Highschoolfreund Ben Skinner. Ben ist an seiner Seite, als ihnen klar wird, dass die Albträume auf realen Erinnerungen beruhen und jemand alles versucht, damit sie die Wahrheit nicht aufdecken.

Und dann kämpft Luke noch mit seinen Gefühlen für Ben – denn Ben war schon damals nicht schwul. Oder täuscht er sich da?

Widmung

Dieses Buch wurde bei der ersten Veröffentlichung Laura gewidmet, und daran hat sich nichts geändert. Sie ist immer noch der beste Freund, den sich ein Mann wünschen kann. Sie überrascht mich immer wieder mit ihrer Strenge, ihrer Hingabe und ihrem Einfühlungsvermögen. Danke für alles!

Danksagung

Prolog

Datei # 74262

Projekt: Blurred Vision

Unterkategorie: Lose Enden

Überprüfung des Subjekts

Subjekt 1 hat einen gesunden Sohn zur Welt gebracht. Weder Mutter noch Sohn zeigen Anzeichen einer Infektion.

Subjekt 2 hat es geschafft, vollständig aus dem Raster zu verschwinden. Sein Verschwinden bringt mich in große Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, warum er fortgelaufen ist oder was genau er weiß. Wenn er noch am Leben ist, könnte er sich als größere Gefahr erweisen als Subjekt 13.

Die Einweisung ins Krankenhaus vor sechs Monaten hat bei Subjekt 4 keine Langzeitfolgen hinterlassen. Die Tests ergeben keine Infektion und sie ist vermutlich gesund.

Der wahre Grund für den Tod von Subjekt 5 vergangenes Jahr scheint erfolgreich vertuscht zu sein, mit Ausnahme der mündlichen Angriffe von Subjekt 6.

Keine neuen Erkenntnisse bei Subjekt 8 und 9.

DG

~~~

Es ist das Beste, sich von pessimistischen Menschen Geld zu leihen – sie erwarten nicht, dass man es zurückgibt.

In Zeiten von intensivem Stress blitzen in meinem Kopf gerne seltsame Gedanken auf. Den Mann, den ich liebe, an der Hochzeit mit einer Frau zu hindern, zählt zu solchen Situationen. Ich war wahnsinnig gestresst. Und emotional. Und vielleicht auch ein klein wenig verrückt.

Wenn Shane McBride sie heiraten wollte, anstatt mit mir zusammen zu sein, sollte ich ihn in den Wind schießen. Aber ich konnte nicht. Und das war krank. Allerdings war ich noch nie wie alle anderen gewesen. Luke Kincaid war definitiv anders als der Rest der Welt.

Es gibt Menschen, die sich an die exakte Minute erinnern, als ihr Leben begann. Ich nicht.

Die ersten Erinnerungen habe ich im Alter von etwa sechs Jahren. Ich weiß nicht einmal, wann mein Geburtstag ist. Meine Adoptiveltern, Janice und Alan Kincaid, feierten meinen Geburtstag mit mir an dem Tag, an dem Sheriff Richard Skinner mich in der Wüste fand – mehr tot als lebendig.

Aber heute war der Anfang eines neuen Lebens für mich. Ein gutes Leben, wenn alles nach Plan lief. Es war der Tag, an dem ich meinen Freund davon überzeugen wollte, aus dem Schatten zu treten – mit mir an seiner Seite. Natürlich wäre dieses Ziel wesentlich einfach zu erreichen, würde Shane nicht heiraten. Heute.

Wir waren beinahe acht Jahre zusammen. Acht Jahre, in denen er mir erzählt hatte, dass wir Seelenverwandte wären und eines Tages zusammen sein würden. Jahre des geduldigen Wartens, als er auf das College in Reno ging, während ich im kleinen, alten Lovelock, Einwohnerzahl 1.500, blieb und auf der Farm seines Vaters arbeitete – McBride Farms.

Ich glaubte, meine Zukunft sei in Stein gemeißelt, bis mich ein Schlag mit der Wucht einer Dampframme traf. Vor zwei Wochen starb meine Mutter. Dad war seit fünf Jahren tot und sie hatte sich nie von diesem Verlust erholt. Ich blieb mit einem kleinen Drei-Zimmer-Haus, einer Erbschaft von zehntausend Dollar und Dads geliebtem Wagen, einem gelben 1974er Chevy Vega, zurück.

Ich war aufgeregt, weil Shane zurückkam, um an Moms Beerdigung teilzunehmen. Während der Beisetzung wollte ich so gerne nach seiner Hand greifen und sie festhalten. Später, als wir allein waren, heulte ich und er fickte mich. Nachdem er fertig war, setzte er sich auf und legte sein Gesicht in seine Hände.

„Luke, ich muss dir etwas sagen.“

Ich rieb mit der Hand über seinen Rücken, aber er rutschte von mir weg.

„Okay“, sagte ich.

„Ich werde Elaine Snow heiraten.“

Ich erinnerte mich an den Namen – eine Frau, die er vom College her kannte. Er hatte ständig über sie gesprochen; ich vermute, das hätte ein Hinweis sein sollen.

„Was?“

„Ich werde Elaine Snow heiraten“, wiederholte er, als hätte ich ihn tatsächlich nicht gehört. „In einer Woche.“

Ich war so schockiert, dass mir die Worte fehlten. Shane stand auf und lehnte sich nach vorn, um mich zu küssen, aber ich wich ihm aus.

„Goodbye, Luke.“ Er verließ mein Zimmer und mein Leben.

Ich hasste und liebte ihn gleichzeitig. Ich vermisste seine Berührungen so sehr, dass es förmlich wehtat. Ich heulte tagelang und verfluchte ihn, und irgendwann entschied ich, dass ich genug getrauert hatte. Ich würde mir meinen Mann zurückholen.

Ich stieg in den Vega und fuhr nach Fallon, so schnell ich konnte. Fallon ist eine mittelgroße Ortschaft gerade außerhalb von Reno – und dort sollte die Hochzeit stattfinden.

Die Fahrt dauerte normalerweise etwa eine Stunde, aber weil der Vega nicht mehr als fünfundfünfzig Meilen in der Stunde schaffte, brauchte ich wesentlich länger.

Während der gesamten Fahrt hatte ich eine Szene im Kopf, die aus dem Film Die Reifeprüfung stammte und in der Dustin Hoffman um die Kirche herumrannte und „Elaine!“ rief. Ich lachte über die Namensgleichheit von Katharine Ross’ Filmcharakter und der Verlobten meines Freundes. Der Film endete damit, dass Ben, Dustin Hoffmans Charakter, und Elaine in einem Taxi saßen und sich gegenseitig ansahen, als würden sie „Was nun?“ denken.

Das würde mir und Shane nicht passieren. Ich hatte entschieden, dass wir unser Glücklich bis in alle Ewigkeit haben würden.

Kapitel 1

Datei # 74262

Subjekt 3 starb gestern an Leberzirrhose. Der Grund der Zirrhose ist dem Arzt unbekannt, aber ich bin sicher, dass sie eine Langzeitfolge des Cytosevirus war.

DG

~~~

Die Hochzeit war auf drei Uhr nachmittags angesetzt, und es war zwei, als ich an der Episcopalkirche der Heiligen Dreifaltigkeit in Fallon ankam. Der Parkplatz war ziemlich leer und ich hoffte auf die Möglichkeit, dass Shane und die Hochzeitsgesellschaft noch nicht eingetroffen waren. Ich stieß die Vordertür auf und betrachtete den Chorraum. Die Dekoration bestand aus pinken und elfenbeinfarbenen Lilien. Es war atemberaubend schön, obwohl ich es hasste, das zugeben zu müssen.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Die Stimme war tief und rau und eindeutig männlich. Ich drehte mich um mit dem Plan, irgendeine dumme Machoäußerung wie Ich mache hier, was immer zum Teufel ich hier machen will von mir zu geben. Aber statt eines Gesichts erblickte ich eine breite, muskulöse Brust. Unbewusst musterte ich den Körper des Mannes von oben bis unten. Nicht einmal das Pinguinoutfit konnte seine Muskeln verbergen. Ich sah auf, um in seine Augen zu schauen, und entdeckte kaltes, klares Grün. Er ragte über mir auf wie ein Turm und schlug meine Größe von eins sechsundsiebzig um mindestens zehn Zentimeter. Zehn Zentimeter hatten noch nie nach so viel ausgesehen. Es brauchte einen Moment, bis der Blitz des Erkennens einschlug. Seine Augen weiteten sich und ich schätze, er hatte die gleiche Erkenntnis.

„Scrappy?“

Bei der Nennung meines Kindheitsspitznamen blickte ich finster drein.

„Benji?“

Benjamin Skinner und ich waren die meiste Zeit meiner Kindheit beste Freunde gewesen – von der Einschulung bis zum Beginn der Highschool. Er war der Kerl, der mir am nächsten stand, bis Shane aufgetaucht war. Benji war da gewesen bis zu dem Tag, an dem sich alles geändert und ich erkannt hatte, dass ich anders war als die meisten anderen Jungs.

„Ich bevorzuge Benjamin oder Ben. Nicht Benji.“ Seine tiefe Stimme war Respekt einflößend. Schon immer gewesen.

„Mein Name ist Luke. Du weißt, dass ich es noch nie leiden konnte, Scrappy genannt zu werden.“ In der Grundschule war ich ein beliebtes Ziel für den Schultyrannen gewesen. Ich war nicht groß und obendrein auch noch dürr. Lester Barber, ein Kind mit einem unglücklichen Fall von sehr frühem Bartwuchs, hatte gedacht, er könnte mich leicht niedermachen. Ich wehrte mich und trat. In. Seinen. Arsch. Irgendwer hatte mich einen kleinen Schläger genannt und damit hatte ich meinen Spitznamen weg.

„Okay, Luke, was machst du hier?“

„Ich muss Shane sehen.“

Er hob eine Augenbraue. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“ Ben war einer der wenigen Jungs in der Highschool gewesen, die gewusst hatten, dass Shane und ich ein Paar waren. Und von denen, die es wussten, war er der einzige Hetero.

„Bitte?“ Ich sah ihn flehend an.

Er ließ den Kopf sinken und schüttelte ihn, und ich wusste, dass er weich wurde. Er drehte sich um und marschierte einen Gang entlang, dann nickte er mir zu, ihm zu folgen. Auf der Hälfte des Ganges klopfte er an eine Tür und betrat das dahinterliegende Zimmer.

Wenn du den Exorzisten nicht bezahlst, kommen die Dämonen dann zurück?

Shane sah in seinem Smoking fantastisch aus. Ein schwarzes Vier-Knopf-Jackett saß über einer wunderschönen Weste mit einer Farbe, die ich nur als Zimtschokolade beschreiben kann. Die Streifen auf seiner Krawatte und das seidene Taschentuch in der Brusttasche des Sakkos hatten den gleichen Farbton. Diese Farbe – Zimtschokolade – war zudem die Farbe seiner Haare. Bei anderen Männern hätten die langen Haare, die die Ohren bedeckten, ungepflegt gewirkt. Und die Stoppeln seines Dreitagebarts unterstrichen sein atemberaubendes Aussehen. Ich wünschte mir verzweifelt, es wäre unser Hochzeitstag. Sein Mund klappte auf, als er mich sah.

„Luke, was zum Teufel tust du hier?“

„Bitte, Shane, mach das nicht. Du weißt, dass es ein Fehler ist.“

„Verschwinde“, sagte er. „Ich heirate Elaine. So ist es nun mal.“

„Aber unsere Pläne. Unsere Versprechen …“

„Jugendträume. Mehr waren sie nicht. Ich bin nicht schwul.“

„Du bist nicht schwul?“ Meine Stimme war lauter, als ich beabsichtigt hatte. Das war kein Argument, das ich von ihm erwartet hätte.

„Verdammt, sei leise“, wisperte Shane. „Elaine ist auf der anderen Seite des Flurs.“

„Vielleicht sollte ich ihr dein kleines, dreckiges Geheimnis erzählen.“

„Das würdest du nicht tun.“

Wir wussten beide, dass er recht hatte.

Ich ging auf Shane zu, bis ich nur noch Zentimeter von ihm entfernt stand. „Ich liebe dich, Shane. Und ich weiß, dass du mich auch liebst.“ Ich presste mich an ihn, legte ihm die Hand an den Kopf und zog ihn in einen Kuss. Er widerstand für eine halbe Sekunde, bevor seine Zunge über meine Lippen glitt. Ich dachte, ich hätte es geschafft, da stieß er mich weg.

„Verdammt, Luke, es ist vorbei. Komm damit klar. Ich liebe Elaine und ich liebe dich nicht.“

Ich machte einen Schritt nach vorn, um ihn erneut zu küssen, aber er wich nach hinten aus, bis eine Armlänge Abstand zwischen uns bestand.

„Ben, bringst du Luke bitte raus.“

Ben kam auf mich zu und fasste mir an die Schulter. Ich wusste, ich hatte verloren.

Ich ließ zu, dass mich Ben aus dem Raum brachte, und erwartete, von ihm aus der Kirche geführt zu werden. Stattdessen brachte er mich über eine schmale Treppe auf einen kleinen Balkon, von dem aus ich das Kirchenschiff überblicken konnte. Ich setzte mich auf einen harten Metallstuhl, er setzte sich neben mich und schlang mir beruhigend und tröstend den Arm um die Schultern.

„Wirst du klarkommen?“, fragte Ben ein paar Minuten später.

„Vielleicht, schätze ich.“

„Shane ist ein Arschloch.“ Die einfache, ehrliche Aussage ließ mich leise lachen. Ich nickte zustimmend.

„Was macht du hier?“ So weit ich wusste, waren Ben und Shane nie mehr als flüchtige Bekannte gewesen.

„Elaine ist meine Schwester.“

Ich riss meinen Kopf hoch und glotzte ihn an. „Wie kann das sein? Außer dir gab es doch nur noch die Zwillinge.“

„Hast du es vergessen? Dad, Sheriff Skinner, hat mich adoptiert. Ich war zwei, als Mom und Dad sich kennenlernten. Sie bekamen Justin und Jarrett, nachdem sie geheiratet hatten.“

„Oh ja.“ Ich nickte. „Also, Elaine ist dann was?“

„Meine Halbschwester von der Seite meines biologischen Vaters.“

„Hast du ihn endlich getroffen?“ Bens biologischer Vater hatte ihn und seine Mutter verlassen, als Ben ein Baby gewesen war. Ben hatte geschworen, diesen Mann niemals sehen zu wollen.

„Emmett Snow“, erwiderte Ben. „Er ist Admiral in der Fallon Naval Air Station. Er ist einer der Gründe, warum ich hier einen Job im Sheriffsdepartment angenommen habe.“

Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was es bedeutete, dass Ben und Elaine Geschwister waren.

„Oh Shit.“ Ich klatschte mir im klassischen Oh-mein-Gott!-Stil an den Kopf. „Du wusstest, dass Shane deine Schwester mit mir betrügt.“

„Du hast meinen Verdacht bestätigt, ja. Ich wusste schon immer, dass Shane ein Drecksack ist.“ Ein schmales Grinsen tanzte über seine Lippen.

„Wirst du es ihr sagen?“

„Nein, weil es nichts ändern würde. Sie würde ihn trotzdem heiraten. Ich bin mir gar nicht sicher, ob sie es nicht ohnehin weiß. Sie ist eine kluge junge Frau.“ Er warf erst einen Blick auf seine Uhr und dann auf die wachsende Menge in der Kirche. „Ich muss gehen. Ich bin einer der Trauzeugen.“ Er rollte mit den Augen und ich lachte.

„Ich verschwinde, bevor mich irgendwer sieht.“

Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube, du solltest bleiben und dir die Zeremonie ansehen.“

„Warum sollte ich das tun?“

„Um abschließen zu können, Kumpel. Du brauchst das. Schau dir die Hochzeit an und werde deine Gefühle für Shane los. Er würde dir nie geben können, was du brauchst. Was du verdienst. Danach gehen wir beide ein Bier trinken.“

Ich nickte und sah ihm nach, als er die Stufen nach unten ging.

Die Kirche füllte sich schnell, und bald nahmen Shane und die Trauzeugen ihre Plätze ein. Ben warf mir einen Blick zu und ich lächelte zu ihm hinunter.

Während ich Shane beobachtete, dachte ich über unsere Beziehung nach. Statt der rosaroten Brille, die ich bisher immer aufgehabt hatte, beschloss ich, es realistisch zu sehen. Shane war ein egoistischer Lover gewesen, von Anfang an. Mein Freundeskreis hatte aus fünf Jungs bestanden, einschließlich Ben und Shane, als ich zum ersten Mal erkannte, dass ich nach Jungs im Allgemeinen und Shane im Besonderen gierte. Diesem ersten Freundeskreis folgte ein weiterer mit Shane und ein paar wenigen anderen – ohne Ben. Wir wollten uns einen Pornostreifen ansehen, aber ich wollte lieber flirten, und ich war nicht der Einzige.

In dieser Nacht blies ich Shane zum ersten Mal einen. Er war grob beim ersten und jedem folgenden Mal. Bei beidem, oral und anal, war er immer egoistisch. Immer fickte er mich, niemals andersherum. Ich blies ihn immer bis zum Abspritzen, doch – bis auf einen einzigen halbherzigen Versuch – berührten seine Lippen nie meinen Schwanz. Sex lief immer nach seinem Programm ab und ich lernte früh zu nehmen, was er mir bot, weil ich nie wusste, wann es wieder passierte.

Während ich die Braut dabei beobachtete, wie sie den Mittelgang entlangschritt, fragte ich mich, warum ich meine Liebe an diesen arroganten Arsch verschwendet hatte. Und warum ich damit weitermachen sollte. Ich hatte keinen Grund mehr dazu. Ben hatte recht, Shane würde mir niemals geben, was ich brauchte. Er konnte es nicht. In diesem Moment entschied ich, dass ich Shane nicht den Rest meines Lebens ruinieren lassen wollte.

Als Shane und Elaine ihr Versprechen tauschten, sich zu lieben und zu ehren, versprach ich, zu vergessen und nach vorn zu sehen. Natürlich war ich nicht sofort über Shane hinweg – das würde Zeit brauchen – aber ich machte den ersten wichtigen Schritt.

Nachdem die Hochzeit vorbei war, wollte ich nichts mehr, als mich zu betrinken. Ohne darauf zu warten, dass Ben kam und mich abholte, schlüpfte ich aus der Kirche, stieg in den Vega und hielt vor der ersten Bar, die ich entdeckte.

Kapitel 2

Datei #74262, Fortsetzung

Subjekt 9 wurde positiv auf den Virus getestet. In seinem Blutkreislauf wurden hohe Konzentrationen gefunden. Ich ordnete die sofortige Elimination des Subjekts an.

DG

~~~

Ich kippte drei Gläser Whiskey, bevor ich einen Long Island Iced Tea bestellte. Den trank ich langsamer.

„Harter Tag?“, fragte mich der Barkeeper.

Ich nickte energisch, gab aber nicht mehr preis.

„Ich schreib dir einen Deckel.“

Ich leerte mein Glas und bestellte noch eines. Langsam zeigte der Alkohol Wirkung. Es fühlte sich gut an. Ich sah mich um und stellte fest, dass die Bar beinahe leer war. Nicht allzu überraschend für vier Uhr Samstag Nachmittag.

Ich musterte die anderen Gäste. Ein paar Plätze weiter saß ein älterer glatzköpfiger Mann, und am unteren Ende der Bar befand sich ein Afro-Amerikaner, den ich auf mein Alter schätzte und der sehr attraktiv war. Unsere Augen begegneten sich einen Moment, ehe er wegsah. In der hinteren Ecke waren ein Mann und eine Frau mittleren Alters in eine ernste Diskussion vertieft, die in einen Streit auszuarten schien. Als ich meine Runde beendet hatte, bekam ich wieder Augenkontakt zu dem Ebenholzgott. Diesmal schaute er nicht weg. Seine Augen hatten die Farbe von dunkler Schokolade und er hielt den Blick länger, als es ein Hetero-Mann getan haben würde. Ich nickte, er ebenfalls.

Für eine Minute konzentrierte ich mich auf meinen Drink, bevor ich einen weiteren Blick auf ihn riskierte. Er starrte mich erneut an und ich behielt meine Augen fest auf ihm. Er leerte seinen Drink, stellte das Glas ab und stand auf. Er schlenderte auf den Waschraum zu. Auf halbem Wege wandte er den Kopf und sah mir wieder in die Augen.

Eine klassische Gay-Aufforderung. Er bat mich, ihm zu folgen. Der gesunde Menschenverstand hätte mir sagen müssen, dass die Möglichkeit, einen männlichen Schwanzjockey in einer normalen Bar zu finden, ebenso hoch war wie für Putin, die Schirmherrschaft für eine Gay-Parade zu übernehmen, aber die Blicke und der Long Island Iced Tea löschten sämtliche rationalen Überlegungen aus. Ich wartete dreißig Sekunden und folgte ihm.

Er stand am Urinal, als ich hereinkam. Er hatte seinen Schwanz ausgepackt, pinkelte aber nicht. Es kann ziemlich schwer für einen Mann sein, mit einem Steifen zu pinkeln. Und genau dieses Problem hatte der Kerl – eine voll ausgefahrene Erektion. Sein Schwanz war um eine Schattierung heller als seine wunderschöne schwarze Haut, und er massierte ihn langsam. Unsere Blicke trafen sich und er grinste. Ich stellte mich neben ihn und holte meinen Prügel heraus – ebenfalls voll erigiert. Ich zog die Vorhaut über die Spitze meiner Länge und ließ sie langsam zurückgleiten. Er starrte meinen Schwanz an, als sei er am Verhungern und mein Schaft wäre das letzte Stück Essen auf der Welt.

Die Tür ging auf und wir drehten uns um, um zu sehen, wer hereinkam. Wir versuchten beide uns so nonchalant wie möglich zu verhalten, aber unsere Ständer verhinderten, dass wir taten, was jeder Mensch erwartet hätte.

Zum Glück war es der Glatzkopf und er war noch betrunkener als ich. Er erleichterte sich und verließ den Waschraum, anscheinend ohne uns überhaupt wahrzunehmen.

Mein hoffentlich-bald-Lover nickte zur Behindertenkabine hinüber und verschwand darin. Ich ging hinter ihm her und bevor ich noch die Gelegenheit hatte, irgendwas zu tun, presste er mich gegen die Wand und legte seine Hand um meinen Schaft. Er zog die Vorhaut vollständig zurück und leckte mit der Zunge über meinen Schlitz. Dann zog er die Haut wieder nach vorn und schob die Zunge darunter. Dieser Kerl wusste, wie man einen unbeschnittenen Schwanz richtig lutschte, so viel war sicher.

Shane war nicht der einzige Typ, mit dem ich zusammen gewesen war. Wir fuhren aus der Stadt raus, um uns mit anderen Männern zu treffen oder in ein Badehaus zu gehen. Viele Jungs wissen nicht, dass man einen unbeschnittenen Schwanz anders bläst als einen beschnittenen. Unbeschnittene sind viel empfindlicher und brauchen andere Aufmerksamkeit.

Nachdem er die Haut wieder zurückgezogen hatte, schloss er die Lippen um die Spitze meiner Länge und schluckte ihn langsam, bis sich meine Eier gegen sein Kinn pressten.

„Ohhhh, fuck“, stöhnte ich.

Er versuchte, einen „Pssst“-Laut von sich zu geben, aber es hörte sich vollkommen anders an, weil ich noch immer in seinem Mund steckte. Er zog den Kopf zurück, ließ mich aber nicht aus sich gleiten. Dann schluckte er mich wieder, ich legte meine Hand auf seinen Hinterkopf und drückte ihn nach vorn. Er kämpfte nicht dagegen an und massierte sich genüsslich selbst, dann ließ er meinen Riemen aus seinem Mund rutschen und zwinkerte mir zu.

„Bring mich dazu, ihn zu nehmen“, wisperte er.

Er wollte, dass ich grob mit ihm umging, ihn dominierte. Das war keine Rolle, an die ich gewöhnt war, aber definitiv eine, die ich übernehmen konnte. Ich packte beide Seiten seines Kopfes und schob ihm meinen Ständer in den Rachen. Je härter ich seinen Mund fickte, desto härter wichste er sich.

Wieder und wieder glitt meine Länge in seinen Hals und meine Nüsse schlugen gegen sein Kinn. Meine Erregung stieg und ich versuchte nicht einmal, mich zurückzuhalten. Ich zog mich aus ihm zurück und dirigierte seine Lippen zu meinen Eiern. Ich rieb mich fest und ich fühlte, wie sich mein Orgasmus mit jedem Strich weiter aufbaute.

„Oh yeah“, stöhnte ich leise. Er öffnete den Mund, ich schlug mit meinem Schwanz auf seine Lippen und fühlte die Explosion in meinem Sack, meinen Schaft hinauf und aus dem Schlitz spritzen.

Der erste Schwall traf seine Zunge, der zweite seinen Rachen – und die Kabinentür flog auf. Ich verdrehte mir den Hals – Ben stand dort, sein Unterkiefer hing förmlich bis zum Boden. Ich konnte nicht verhindern, dass ich … nun, weiter kam und mein Sperma traf das Gesicht des hübschen Schwanzlutschers. Wir beide starrten Ben an, unsicher, was er wohl machen würde.

„Mach dir keine Sorgen, Hot Lips“, sagte ich zu dem vor mir knienden Mann. „Er ist ein Freund.“

Er sprang auf die Beine und schloss seine Hose. Mein Samen klebte noch an seiner Wange und ich leckte ihn ab. Ich weiß nicht, warum ich das tat. Vielleicht weil es zur dominanten Rolle gehörte oder weil ich Ben schocken wollte. Oder vielleicht, weil ich sehr betrunken war. Vielleicht alles zusammen?

Hot Lips versuchte die Kabine zu verlassen, aber Ben stand ihm im Weg.

„Ähm, entschuldige?“, sagte er kleinlaut und Ben machte einen Schritt zur Seite.

Er griff nach einem Stapel Papierhandtücher und wischte sich das Gesicht ab, bevor er den Waschraum verließ.

„Hey, Benji, was gibt’s?“

„Willst du dich nicht erst mal einpacken?“ Er wedelte mit der Hand zu meinem inzwischen weichen Penis.

Ich guckte nach unten und Bens Vorschlag schien plötzlich so absolut witzig zu sein, dass ein Lachen über meine Lippen kam. Und noch eines. Und noch eines. Ziemlich schnell japste ich so sehr vor Lachen, dass ich kaum noch stehen konnte. Ben legte den Arm um meine Schultern und hielt mich fest, damit ich nicht umkippte.

„Verdammt, Luke, du kannst deinen Saft nicht bei dir behalten, was?“

Das verpasste mir den nächsten Lachkrampf.

„Was ist so lustig?“

„Das!“, sagte ich zwischen keuchenden Atemzügen. „Du erwischst mich bei einem Blowjob in einem Waschraum. Und mein Freund, ich meine mein Ex-Freund, hat gerade geheiratet. Deine Schwester! Und als das mit meinem Schwulsein alles fing vor laaaanger Zeit, das war, als du und ich und ein paar andere Typen miteinander gewichst haben.“

Ben zischte mich an und ich senkte meine Stimme. „Erinnerst du dich daran, Benji? Erinnerst du dich daran, wie wir alle unsere Schwänze rausgeholt und uns einen von der Palme gewedelt haben?“

„Yeah, Scrappy, ich erinnere mich daran. Kannst du dich jetzt vielleicht zusammenpacken, damit wir hier verschwinden können?“

Ich versuchte, alleine zu stehen und meinen Schwanz zu verstauen, aber ich verlor die Balance und wäre beinahe gestürzt, wenn Ben mich nicht aufgefangen hätte.

„Ich kann nicht, Benji.“ Ich lallte und war nicht sicher, ob Ben mich verstand. Er seufzte, griff mit einer Hand nach meiner Hose und benutzte die andere, um meinen Schwanz in die Unterhose zurück zu befördern, dann zog er mir die Hose hoch und schloss sie.

„Uuuh, Benji.“ Ich gluckste leise. „Du hast mein Schwanzilein angefasst!“

„Halt die Fresse, Luke.“

Er war angepisst, was ich so lustig fand, dass ich den nächsten Lachanfall bekam.

„Gehen wir“, sagte er und dirigierte mich zur Tür.

„Warte. Warte. Warte.“

Er hielt nicht an, also riss ich mich von ihm los und schaffte es irgendwie, selbst zu stehen.

„Was ist denn noch, Luke?“

„Der Tag, an dem wir zusammen gewichst haben … Ich weiß noch, wie dein Schwanz ausgesehen hat. Ich meine, ich habe Shane beobachtet, aber ich habe dich auch gesehen. Ein paar dieser Jungs waren schwul wie Shane und ich. Okay, nur wie ich. Keine Ahnung, was Shane ist, wenn er nicht schwul ist, weil er es eindeutig war, als er mich gefickt hat.“

„Scheiße, Luke, kommst du bald mal zum verfluchten Punkt?“

„Ähm.“ Die Konzentration schmerzte. „Der Punkt ist … Was wollte ich sagen? Ach ja! Bist du schwul, Benji? Weil du beim zweiten Mal nicht mehr da warst, als ich und Shane und Rodney und Nori und … Wer war da noch mit dabei?“

„Luke!“

„Äh ja, also, du warst nicht da, als wir das noch mal gemacht haben.“ Ich machte Wichsbewegungen vor meinem Schritt. „Warum warst du nicht mehr da? Weil du nicht schwul bist? Oder weil du es bist?“

„Nein, Luke, ich bin nicht schwul. Können wir jetzt gehen?“

Ich nickte. „Sicher. Wir können gehen. Wohin gehen wir? Ich sollte vielleicht nicht mehr fahren.“

„Du wirst auf keinen Fall mehr fahren.“ Er legte seinen Arm um mich und führte mich aus der Tür. „Ich habe zu Hause ein Gästezimmer. Dort kannst du so lange bleiben, wie du willst.“

„Du bist ein echt guter Freund, Benji. Nur ein Freund. Weil du nicht schwul bist.“ Ich dachte daran, leise zu reden, weil wir uns inzwischen wieder in der Bar befanden.

„Richtig, Scrappy. Nur Freunde.“

„Nenn mich nicht Scrappy!“

„Hör auf, Benji zu mir zu sagen, dann höre ich auf, dich Scrappy zu nennen.“

„Okay, Ben. Ja.“

Ben brachte mich zu einem grauen Dodge Durango und half mir auf den Beifahrersitz.

„Hey, Benj … Hey, Ben?“

„Ja, Luke?“

„Danke für deine Hilfe. Heute ist echt ein Scheißtag.“

~~~

Als ich aufwachte, erinnerte ich mich nicht daran, wie ich in dieses Bett gekommen und warum ich splitterfasernackt war. Außerdem hatte ich hämmernde Kopfschmerzen.

Ich stand viel zu schnell auf, genau so schnell lag ich auf dem Boden.

„Fuck!“

Das Licht ging an und es war so hell, dass ich mich fühlte, als würde es mir den Schädel verbrennen. Ich deckte meine Augen ab und versuchte herauszufinden, wer den Schalter umgelegt hatte. Ben stand da, ohne Shirt über seiner breiten Brust, nackt bis auf eine enge Boxershorts. Ich bemühte mich, nicht daran zu denken, wie sein Schwanz damals ausgesehen hatte.

Dann fiel mir die andere Sache über Bein ein – er war straight.

„Wo zur Hölle bin ich? Und warum habe ich nichts an?“

„Du bist in meinem Gästezimmer“, erwiderte Ben. „Du hast dich angekotzt, also sind deine Klamotten in der Wäsche. Ich wollte dir eine meiner Jogginghosen geben, aber du wolltest sie nicht. Deshalb bist du nackt ins Bett gegangen.“

„Oh, verdammt!“ Ich versuchte aufzustehen, aber es tat so weh, dass ich auf dem Boden blieb. Ich erinnerte mich daran, dass ich einen Vollidioten aus mir gemacht hatte. „Es tut mir so leid.“

„Mach dir nichts draus. Dafür sind Freunde da.“

„Ich schätze, das geht über Freundschaft hinaus. Besonders bei jemandem, mit dem du seit Jahren nicht mehr befreundet bist.“

„Wir waren mal beste Freunde.“ Seine Stimme war leise und ich konnte ihn kaum verstehen. Er hatte recht. In der dritten Klasse der Highschool hatten wir unsere ganze Zeit miteinander verbracht, das Jahr darauf lebten wir uns auseinander. „Du warst für mich da, als ich herausfand, dass mein Dad nicht mein biologischer Vater ist. Es war schwer, damit klarzukommen, aber du hast mir geholfen.“

Ich nickte. Wir hatten damals oft in seinem Garten gezeltet. Eines Nachts begann er zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. In diesem Alter wissen Jungs nicht immer, wie man einen Freund tröstet, ohne schwul zu wirken: Mir war das egal gewesen. Ben hatte seinen Kopf in meinen Schoß gelegt und ich ließ ihn weinen, bis er eingeschlafen war.

„Dafür sind Freunde da.“

„Ich habe dir jetzt nur den Gefallen zurückgezahlt“, sagte er leise.

Ich traf seinen Blick, und er grinste.

„Du hast gesehen, wie ich einen Blowjob bekommen habe und warst für mich da, als ich mich vollgekotzt habe. Ich glaube, ich schulde dir einen Haufen.“

„Nein, wir sind quitt. Was du für mich in dem Zelt getan hast, hat mir eine Menge bedeutet. Also … ja. Wir sind quitt.“

Er half mir aufzustehen und ich bedeckte meinen Pimmel mit den Händen.

Ben lachte. „Es ist nicht so, als hätte ich ihn noch nie gesehen.“

Ich fühlte, dass mein Gesicht knallrot wurde.

„Ja, äh, ich versuche nur, dass das nicht noch mal passiert.“

„Musst du ins Bad?“

Ich nickte. „Und ich hätte jetzt doch gern die Jogginghose.“

Ben gluckste. „Sie liegt im Bad.“

„Danke, Mann.“

Kapitel 3

Datei #74262, Fortsetzung

Subjekt 9 wurde heute vernichtet. Offizieller Grund wird Selbstmord sein.

Ich fürchte, die übrigen lebenden Subjekte werden nicht viel länger in der Lage sein, Ergebnisse zu bringen. Die Möglichkeit, dass jemand die Existenz des Virus’ entdeckt, ist ein zu großes Risiko. Ich werde meinen Vorgesetzten nahelegen, dass sämtliche noch lebende Subjekte vernichtet werden. Umgebracht, wie es schon vor Jahren hätte geschehen sollen.

DG

~~~

Ich wachte mit weniger Kopfschmerzen und mehr Erinnerungen auf. Unglücklicherweise beinhalteten diese Erinnerungen den Trottel, den ich aus mir in Bens Gegenwart gemacht hatte. Mich vollzukotzen war eine Kleinigkeit verglichen mit den Fragen, die ich ihm in der Bar gestellt hatte. Warum zur Hölle hatte ich das Gemeinschaftswichsen in der Highschool zur Sprache gebracht? Warum zum Geier hatte ich ihn gefragt, ob er schwul war? Gut, wenigstens kannte ich die Antwort auf diese Frage. Ben war ein atemberaubend schöner Mann. War er schon immer gewesen. Der sexy Junge von der Highschool hatte sich in einen absolut heißen erwachsenen Mann verwandelt.

Ich schlurfte den Flur entlang, bog in die Küche ab und rannte gegen eine Wand. In Wirklichkeit war es ein weiteres Mal Ben. Diesmal pflanzte ich mein Gesicht in seine nackte – und verschwitzte – Brust.

„Wir müssen wirklich aufhören, so aufeinander zu knallen“, meinte Ben trocken.

„Oh Gott, Benji“, sagte ich, „das war ein fürchterlicher Wortwitz.“

Er zog eine Augenbraue nach oben.

„Sorry.“ Ich hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. „Sorry, Ben.“

„Kein Problem. Wie fühlst du dich?“

„Besser als letzte Nacht.“

Er drehte sich um und streckte sich zum Schrank. Sein Rücken war ebenso gut gebaut wie seine Brust. Er trug eine Shorts, die ein wenig nach unten rutschte und den Ansatz seiner Arschspalte freigab. In meinem Kopf ploppte das Bild auf, wie sein Arsch vielleicht aussah, und ich versuchte schnell, diese Vorstellung zu vergessen.

„Wann musst du heute arbeiten?“, fragte ich ihn.

„Ich habe Spätschicht, also muss ich um sechs anfangen. Ich war heute Morgen joggen und würde gerne später eine Runde wandern gehen.“ Er zog eine Schachtel Müsli aus dem Schrank, holte sich eine Schüssel aus dem Geschirrspüler und schüttete die Cerealien hinein. „Willst du auch was?“

Ich schüttelte den Kopf. „Wo willst du wandern?“

„Ich fahre aus der Stadt raus, parke irgendwo und gehe los.“ Er setzte sich an den Tisch und schob sich einen Löffel voll Cerealien in den Mund.

„Was gibt’s da draußen, außer … na ja, nichts?“

„Es gibt ein paar wirklich coole Geisterstädte“, erwiderte er. „Ich mag Stillwater ziemlich gern.“

Ich zuckte die Schultern. „Na dann … viel Spaß.“ Ich hatte keine Ahnung, was ich machen konnte. Na ja, außer herauszufinden, was ich mit meinem Leben anfangen sollte.

„Du könntest mich begleiten.“

„Oh …“

„Ach, komm schon, Luke. Vergiss alles andere und begleite mich. Die reale Welt kann warten.“ Er nahm einen weiteren Löffel seines Müslis und ein Tropfen Milch spritzte an sein Kinn.

Er hatte recht. Die ganzen wichtigen Entscheidungen konnten warten. Ich bemühte mich, ihn nicht anzustarren, aber er war so wunderschön. Sein aschblondes Haar war nicht wie gestern frisiert. Stattdessen stand es cool in alle Richtungen und ich war mir sicher, dass man das nicht absichtlich so hinbekam. Ich wollte die Milch von seinem Kinn wischen, aber ich wusste, dass das unpassend wäre. Schließlich wischte er sie selbst weg und gestattete mir damit, mich wieder zu konzentrieren.

„Ben“, sagte ich endlich. „Es tut mir wirklich leid wegen gestern. Alles, was gestern war. Das Kotzen, natürlich, aber auch was in der Bar passiert ist, als ich über die … Vergangenheit geredet habe. Und dass ich dich gefragt habe, ob du schwul bist.“

„Vergiss es einfach.“

„Ich weiß nicht, ob ich das kann. Es war wirklich daneben, dich nach deiner Sexualität zu fragen.“

Ben aß sein Müsli fertig und stand auf. Er stellte die Schüssel in die Spüle, kam auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter.

„Luke, ich sagte, vergiss es. Du warst nicht ganz du selbst. Und du warst stockbesoffen. Ich meine es ernst. Vergiss es.“

„Aber diese ganze Schwulensache …“

„Verdammt, wie lange willst du noch darauf rumreiten? Du bist schwul, und ich glaube, es ist heutzutage nicht so einfach herauszufinden, wer schwul ist und wer nicht. Ich weiß, dass ich unheimlich sexy bin und du auf mich stehst. Aber wir wissen jetzt, dass das“ – er deutete zwischen ihm und mir hin und her – „nicht passieren wird.“

Ich war mehr als nur ein wenig verblüfft über die uncharakteristische Arroganz, die er an den Tag legte, und starrte ihn an. Für etwa eine Minute verzog er keine Miene, dann brach er in das wildeste Grinsen aus, das ich je gesehen hatte.

„Reingelegt! Wow, ich kann nicht glauben, dass du darauf reingefallen bist.“ Er schlug mir auf den Rücken.

„Yeah. Du und sexy? Du bist nicht mal mein Typ!“

Sein Lächeln war ansteckend. „Cool. Dann ist ja alles klar. Ich, straight. Du, schwul.“

„Du könntest mir im Bett nicht Herr werden, Hetenjunge.“

Ben lachte und nickte. „Sei dir da nicht so sicher. Wir können los, nachdem ich geduscht habe, okay?“ Auf halbem Weg zum Bad wirbelte er noch einmal herum. „Hätte ich fast vergessen. Ich habe deinen Wagen hergebracht. Dein ganzes Zeug liegt im Wohnzimmer.“

~~~

Ben und ich schlenderten an den leeren Häusern entlang, die einmal Stillwater, Nevada, gebildet hatten. Es gab noch einige Bäume, aber das restliche Terrain war mehr oder weniger tot wie die Büsche und das sterbende Dickicht. Alles wirkte, als würde es ein starker Windstoß zum Einsturz bringen und davonfegen können.

„Stillwater hatte in den 1860ern die höchste Einwohnerzahl, aber die brach während der nächsten Jahrzehnte drastisch ein.“ Ben beäugte eines der Häuser.

„Du weißt echt eine Menge über diesen Ort.“ Ich saß auf einem großen Felsbrocken. Er bot genug Platz, dass sich Ben neben mich setzen konnte.

„Nevadas Geschichte hat mich schon immer fasziniert.“ Er zog eine Feldflasche mit Wasser hervor, nahm einen Schluck und bot mir die Flasche an. Ich trank und gab sie zurück. „Ich mag all die alten Geisterstädte. Ich habe mir schon fast alle hier im Staat angeschaut.“

„Ich verstehe, warum du so gern hier bist. Es ist sehr friedlich. Ruhig.“

„Wenn du genau hinhörst, kannst du die Geister hören.“

Ich starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

„Keine echten Geister“, klärte er mich auf. „Die Geister der Menschen, die hier gelebt und gearbeitet haben. Ihre Träume, Hoffnungen und Enttäuschungen, wenn irgendwas schief gegangen ist.“

„Das war tiefgreifend, Ghandi.“ Ich knuffte ihn mit dem Ellbogen.

„Arschloch.“

„Ich bin lieber ein Arschloch als so ein Volltrottel wie du.“ Mit solchen Beleidigungen hatten wir uns als Kinder immer geneckt.

Ben stand auf und sah auf mich herab. „Sehr erwachsen.“ Er rollte mit den Augen, und ich konnte mein Lachen nicht unterdrücken. Ben bewegte sich blitzschnell, griff mir an die Seiten und kitzelte mich.

„Ich weiß noch, wie kitzlig du als Kind warst.“ Er folterte mich weiter. Ich versuchte mich zu wehren, aber ich musste so lachen, dass ich nicht konnte. Ich wollte ihn von mir schieben und rutschte dabei rückwärts über den Fels, wobei ich Ben mit mir zog.

Er landete hart auf mir, und trieb mir den Atem aus dem Körper. Ich schnappte nach Luft, bis der Sauerstoff in meine Lungen zurückkehrte.

„Scrappy? Alles in Ordnung? Tut mir leid.“

„Nenn.“ Atmen. „Mich.“ Atmen. „Nicht.“ Atmen. „Scrappy!“

Ben lachte nervös. „Bist du okay?“

„Ja“, antwortete ich. „Mir geht’s gut. Wenn du deinen schweren Arsch von mir runterbewegen würdest.“

Ben grinste, rührte sich aber nicht. Seine Hände befanden sich auf jeder Seite meines Kopfes und sein Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt. Wenn jemand diese Szene gesehen hätte, hätte er gedacht, dass hier etwas Sexuelles ablief. Ich fühlte meinen Schwanz hart werden und versuchte unter Ben wegzurollen, damit er es nicht spürte. Er hob die Hand und ließ mich entkommen. Dann stand er auf und half mir hoch.

„Gehen wir zurück?“

Ich nickte und wir kehrten zum Truck zurück.

„Das würde ich gern wiederholen“, sagte ich, als wir in den Truck stiegen.

„Klar.“ Er nickte. „Ich suche uns einen anderen Ort heraus, den wir uns ansehen können. Vielleicht irgendwann nächste Woche.“

~~~

Es war vier Uhr, als wir bei Bens Wohnung ankamen. Ben duschte und machte sich für die Arbeit fertig, und ich verzog mich in mein Schlafzimmer. Mein Schlafzimmer? Nach nur einer Nacht konnte ich das doch noch nicht so nennen. Ich wusste nicht, warum ich der Meinung war, dass Bens Einladung, über Nacht zu bleiben, etwas anderes als genau das sein könnte. Ich packte meine paar Habseligkeiten zusammen und setzte mich auf das Bett, nicht sicher, wohin ich gehen oder was ich tun sollte.

Die Badtür ging auf und eine Sekunde später kam Ben nur mit einem Handtuch bekleidet heraus. Tropfnass und halbnackt. Gott, hilf mir! Als er an meinem Schlafzimmer vorbeigegangen war, hielt er an und machte ein paar Schritte rückwärts.

„Was machst du da?“

„Ich will dir hier nicht die Haare vom Kopf fressen. Ich suche mir ein billiges Zimmer, schätze ich.“ Ich stand auf, öffnete meine Tasche, als würde ich etwas darin suchen, und schloss sie wieder.

„Warum?“ Er kam ins Zimmer.

„Mir ist klar, dass du mich hier nicht brauchen kannst. Ich behindere deinen Lebensstil nur.“

„Ich hatte in letzter Zeit nicht viel Lebensstil.“ Er gluckste.

„Keine Freundin?“ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein attraktiver Kerl wie er Single war.

„Doch, ich habe eine Freundin“, erwiderte er. „Trish und ich arbeiten zusammen, aber wir bekommen es nicht hin, uns ansonsten oft zu sehen. Außerdem ist es kein Problem, dass du da bist, wenn sie herkommt.“

Ich bemühte mich, seinen Blick zu erwidern und nicht auf den Rest seines unglaublichen Körpers zu starren. „Ich will euch nicht beim Vögeln zuhören. Ich weiß noch, welche Geräusche du von dir gibst, wenn du kommst. Wie ein sterbendes Kamel.“ Ich machte einen lauten, ia-enden Ton und lachte.

„Mann, das ist so lange her! Und du hast mich ein Mal kommen hören. Du hast keine Ahnung, wie ich mich jetzt anhöre. Heute höre ich mich eher an wie ein geiler Ziegenbock.“

Wir lachten beide.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mich hier haben willst.“ Ich setzte mich wieder auf das Bett.

„Entspann dich, Luke, ich will, dass du hier bleibst. Ich kann die Gesellschaft gut brauchen. Und du kannst dir in Ruhe überlegen, wie es weitergeht und brauchst dir wenigstens keine Gedanken darüber machen, wo du wohnen sollst. Du bist hier herzlich willkommen.“ Er kam näher und machte es mir damit schwerer, meine Augen nicht auf seine Brust zu richten.

„Ich will dir nicht auf die Nerven gehen.“

„Dafür ist es zu spät“, sagte er mit einem gemeinen Grinsen. „Aber ich meine es ernst. Bleib hier, wenigstens für eine Weile.“ Er streckte eine Faust aus und ich stieß mit meiner dagegen.

„Danke, Ben. Ich weiß das zu schätzen.“

~~~

Nachdem Ben zur Arbeit gegangen war, versuchte ich mich selbst zu beschäftigen, indem ich fernsah oder im Internet surfte, aber nichts davon fesselte meine Aufmerksamkeit für lange. Es war zu spät, um nach einem Job zu suchen, und ich war mir nicht einmal sicher, welche Art Job ich eigentlich wollte. Nachdem ich mich stundenlang auf nichts wirklich konzentrieren konnte, beschloss ich, mir einen Drink zu gönnen. Ich vermied die Bar, in der ich die Nacht zuvor gewesen war, so dass mir die Erinnerungen an mein abscheuliches Verhalten nicht ins Gesicht geschrieben standen. Stattdessen ging ich ins Jack’s Place, eine Bar mit einem netten Kleinstadtflair.

Ich bestellte einen Screwdriver, setzte mich auf einen Sitz an der Ecke der Theke und nippte an meinem Drink. Dabei beobachtete ich den Barkeeper, der sich bemühte, die ganzen Bestellungen in den Griff zu bekommen. Er hatte ziemlichen Stress und kam kaum hinterher. Einige der Gäste wurden bereits ungeduldig.

Ich trank den Screwdriver aus und bestellte einen zweiten. „Scheint, als würdest du einen zweiten Barkeeper brauchen.“ Ich drückte ihm einen Fünf-Dollar-Schein in die Hand.

Er grinste und schüttelte den Kopf. „Ich hatte diese Woche eine Pechsträhne. Ein Barkeeper hat gekündigt und ich hatte noch keine Zeit für Vorstellungsgespräche. Die Angestellte, die für heute Nacht eingeteilt war, ist nicht aufgetaucht und sie geht auch nicht ans Telefon. Ich dreh noch durch.“

„Ich habe früher ein paar Drinks gemixt.“ Meine Eltern waren mit den Eigentümern der örtlichen Bar, dem The Crazy Corners Saloon, befreundet gewesen. Noch ehe ich einundzwanzig gewesen war, hatte ich hinter der Theke gearbeitet.

Der Bartender lachte. „Das haben mir schon viele gesagt. Aber sie können eine Bloody Mary nicht von einem Brandy Alexander unterscheiden.“

„Cognac und Crème de Cacao.“

„Was?“ Er starrte mich an.

„Das gehört in einen Brandy Alexander. Cognac und Crème de Cacao.“ Ich verkniff mir ein listiges Lächeln.

Er kam zu mir herüber, lehnte sich über den Tresen und sah mir direkt in die Augen. „French Connection?“

„Cognac und Amaretto.“

„Redheaded Slut?“

Ich schwieg.

„Ha! Du weißt es nicht“, sagte er.

„Ich versuche mich zu erinnern“, erwiderte ich. „Jägermeister, Southern Comfort, Crown Royal und Wodka mit Cranberrygeschmack.“

„Du suchst nicht zufälligerweise einen Job, oder?“ Er verschränkte die Arme vor seiner Brust.

Ich strahlte. „Doch, zufälligerweise schon.“

„Wenn du die Stelle willst, gehört sie dir. Dann schwing deinen Arsch von dort drüben hier hinter die Theke.“

Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an und erwartete ein Lachen und dass er zugab, mich zu verarschen.

„Jetzt!“

Ich schwang meine Füße über die Theke und landete neben ihm.

„Luke Kincaid.“ Wir schüttelten uns die Hände.

„Artie Curry … Ich bin der Besitzer.“

„Der Besitzer? Solltest du dann nicht Jack heißen?“

„Ich habe die Bar von Jack gekauft. Der Name ist eine Institution in der Stadt. Ihn zu ändern wäre Ketzerei.“

„Kapiert“, antwortete ich.

„Es gibt Zeiten, in denen eine Menge schöner Ladies hereinkommen. Du darfst dich davon nicht ablenken lassen oder eine für einen Quickie mit nach hinten nehmen.“