Süchte verstehen und endlich loslassen - Susanne Hühn - E-Book

Süchte verstehen und endlich loslassen E-Book

Susanne Hühn

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Beschreibung

Essen, Rauchen, Social Media, Drogen, Beziehungen, Sex, Sport, Arbeit – es gibt vieles, wonach wir süchtig sein können. Doch warum entwickeln wir überhaupt Abhängigkeiten? Wir alle sind auf der Suche: nach bedingungsloser Liebe, beständiger Geborgenheit, rückhaltloser Unterstützung. Wenn wir diese nicht finden, versuchen wir, den Schmerz darüber zu betäuben und die innere Leere anderweitig zu füllen. Susanne Hühn, ganzheitliche Physiotherapeutin, Seminarleiterin und bekannte Ratgeberautorin, befasst sich seit vielen Jahren mit diesem Thema und zeigt uns einen Weg aus der Sucht. Sie gibt uns Coachingfragen und therapeutische Übungen an die Hand, mit denen wir zunächst der Sucht auf den Grund gehen, erfahren, wie diese tickt. Dann zeigt sie uns, wie wir der Sucht begegnen und uns Schritt für Schritt von ihr lösen können – mit dem Ziel klar vor Augen: Endlich un-abhängig!

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Seitenzahl: 156

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Die Ratschläge in diesem Buch sind sorgfältig erwogen und geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat, sondern dienen der Begleitung und der Anregung der Selbstheilungskräfte. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen daher ohne Gewährleistung oder Garantie seitens der Autorin oder des Verlages. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

ISBN Printausgabe 978-3-8434-1491-3

ISBN E-Book 978-3-8434-6475-8

Susanne Hühn: Süchte verstehen und endlich loslassen Selbstbestimmt und frei von Abhängigkeiten leben

© 2021 Schirner Verlag, Darmstadt

Umschlag: Simone Fleck, Schirner, unter Verwendung von # 571036102 (© taylon) und # 610989809 (© NIKHIL MANOHAR INGLE),

www.shutterstock.com

Print-Layout: Elena Lebsack, Schirner

Lektorat: Claudia Simon, Schirner

E-Book-Erstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt, Germany

www.schirner.com

1. E-Book-Auflage August 2021

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Einleitung

Coaching oder Therapie – was ist der Unterschied?

Was eine Sucht ist und was nicht

Selbsterkenntnis als Schlüssel zur Heilung

Teil eins: Erkenne deine Sucht

Selbstschädigung hat viele Formen

Die immer gleiche Antwort auf nahezu jedes Bedürfnis

Der vergebliche Versuch, das süchtige Verhalten zu kontrollieren

Heimlich, still und leise

Das Suchtgedächtnis und seine Tricks

Dein Fazit

Teil zwei: Die zwölf Schritte in deine Freiheit

Bevor es losgeht

Erster Schritt: Machtlosigkeit anerkennen

Zweiter Schritt: An eine hilfreiche höhere Macht glauben

Dritter Schritt: Der höheren Macht vertrauen

Vierter Schritt: Eine gründliche Inventur durchführen

Fünfter Schritt: Sich outen

Sechster Schritt: Bereit werden, schädliches Verhalten loszulassen

Siebter Schritt: Die höhere Macht bitten, schädliches Verhalten von einem zu nehmen

Achter Schritt: Den Willen entwickeln, den Schaden wiedergutzumachen

Neunter Schritt: Wiedergutmachung leisten

Zehnter Schritt: Die Inventur fortsetzen und Unrecht zugeben

Elfer Schritt: Den Kontakt zur höheren Macht intensivieren

Zwölfter Schritt: Die Botschaft an andere weitergeben

Teil drei: Deinem Inneren Kind geben, was es braucht

Wie das Innere Kind entsteht

Sicherheit ist noch wichtiger als Liebe

Fürsorge und Verantwortung für das Innere Kind übernehmen

Emotionale Klarheit leben

Statt eines Nachwortes

Über die Autorin

Bildnachweis

EINLEITUNG

Liebe Leserin, lieber Leser, gleich zu Beginn möchte ich dir eine sehr gute Nachricht geben: Wenn du dich süchtig verhältst, du also dein Verhalten in Bezug auf Essen, bestimmte Substanzen, Beziehungen, Sexualität oder deine Arbeit nicht mehr genügend im Griff hast, dann bedeutet das nicht, dass du dich nicht liebst. Es heißt nur, dass du bislang noch keine bessere Möglichkeit gefunden hast, für dich zu sorgen, als ebenjenes süchtige Verhalten zu praktizieren.

Gerade weil du dich liebst und willst, dass es dir gut geht, wiederholst du ein Verhalten, das dir einst Erleichterung verschaffte. Du kannst nichts dafür, dass es dich heute schädigt.

Verknüpfst du in deinen Gedanken Sucht mit Selbstablehnung, dann hast du nur noch einen Grund mehr, dich zu schämen, dich schlecht und schuldig zu fühlen. Damit hören wir sofort auf.

Suchtverhalten ist immer Selbstfürsorge, der Versuch, dich selbst innerlich zu stabilisieren, dich zusammenzuhalten, dich zu spüren. Süchtig wirst du nur, weil der Stoff oder das Verhalten, das du nutzt, um dich besser zu fühlen, auf die Dauer nicht funktioniert.

Es funktioniert deshalb nicht, weil dein Verhalten zur Folge hat, dass wichtige, für dein Wohlergehen notwendige Lebensbereiche immer mehr veröden. Dadurch geht es dir schlechter, und du greifst erst recht zu deiner Droge. Das liegt aber am Stoff und am Verhalten selbst. Es liegt nicht an der Tatsache, dass du etwas für dich suchst, was dich erfüllt, glücklich macht und dir erlaubt, bei dir zu bleiben und dich in dir sicher zu fühlen. Hättest du zum Beispiel als Kind gelernt, dass es dir guttut, wenn du laut schreist und wild tanzt, um deine Gefühle zu verarbeiten, statt sie mit Süßigkeiten oder innerem Rückzug zu dämpfen, dann hättest du heute ein großartiges Tool (Werkzeug), um dich innerlich zu reinigen, und würdest dich nicht mit Essen vollstopfen oder dich mit radikalem Rückzug selbst in die Einsamkeit und Isolation verbannen – und damit dein Problem, die innere Unruhe durch unterdrückte und nicht gelebte Gefühle, vergrößern.

Manche Menschen suchen ihr Heil im Zuviel von etwas, zum Beispiel in Bezug auf Trinken, Essen, Arbeiten, Sex, das Anhäufen von Geld, das Kümmern um andere. Manche suchen es im Zuwenig, zum Beispiel in der emotionalen, sexuellen oder Nahrungsmittel betreffenden Magersucht. Jedes Verhalten, das sich als süchtig erweist, ist der Versuch, sich selbst zu spüren und das, was man fühlen müsste, würde man sich fühlen, zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen.

Natürlich gibt es auch diese Variante: Jemand verabreicht einem anderen eine stark süchtig machende Droge, die sofort einen inneren Suchtkreislauf erzeugt, und man kommt nicht mehr davon los. Auch in diesem Fall ist es hilfreich, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, denn wir können uns vorstellen, dass wir erst recht nicht mehr davon loskommen, wenn diese Droge ein bislang verdecktes emotionales Thema erfolgreich überlagert. Es ist immer leichter, von einer Droge loszukommen, wenn wir uns bewusst gut um uns selbst kümmern, als der Droge zu erlauben, diese Selbstfürsorge für uns zu übernehmen.

Du darfst lernen, deine Bedürfnisse auf eine neue und dich wahrhaft glücklich machende Weise zu erfüllen. So kannst du dein süchtiges Verhalten nach und nach hinter dir lassen. Du bist auf dem richtigen Weg.

Mit diesem Wissen können wir uns gelassen dem Thema dieses Buches zuwenden. Du wirst darin auf einige Wiederholungen stoßen, denn das Gehirn braucht diese, damit sich das Gelernte verfestigt. Eine Sucht hat einen systemimmanenten, also eingebauten Widerstand gegen ihre Entdeckung. Du wirst eventuell erkennen, dass du ein Suchtproblem hast, und es wieder vergessen oder verdrängen, weil süchtiges Verhalten, Fühlen und Denken so funktionieren. Deshalb sind die Wiederholungen wichtig.

Das Buch ist so aufgeteilt, dass du im ersten Teil zunächst die fünf wichtigsten Merkmale einer Sucht kennenlernst. Beispiele, Coachingfragen und therapeutische Ansätze helfen dir, zu erkennen, ob du unter einer Sucht leidest oder nicht. Im zweiten Teil lernst du das beste Selbsthilfeprogramm kennen, das es gibt. Es sind die zwölf Schritte der Anonymen Alkoholiker, die du mithilfe von Coachingfragen und therapeutischen Übungen durcharbeiten kannst. Im dritten Teil kümmern wir uns um das Innere Kind, weil sein Schmerz und seine Einsamkeit einen wesentlichen Teil zu deiner Sucht beitragen. Hier findest du Meditationen, innere Reisen, die dir helfen, mit diesem so empfindsamen Anteil von dir in einen guten und liebevollen Kontakt zu kommen.

Nutze, was dir hilfreich erscheint, und lasse das andere einfach weg. Es kann gut sein, dass du dich zunächst den Coachingfragen widmen möchtest, weil dir die Therapieansätze zu tief gehen. Das ist verständlich. Die Coachingfragen richten sich an bewusste Gehirnteile, die Therapieansätze an weitaus ältere und damit unbewusste.

COACHING ODER THERAPIE –

was ist der Unterschied?

Im Coaching beschäftigen wir uns vorwiegend mit dem Inneren Erwachsenen. Das liegt in der Natur der Sache. Statt »Coaching« kann man auch »Ausbildung« oder »Training« sagen, und es richtet sich somit an innere Anteile, die sich ausbilden und trainieren lassen. Diese Anteile brauchen einen gewissen Reifegrad, daher die Bezeichnung »Innerer Erwachsener«. Ihn stärken wir im Coaching mit einer speziellen Fragetechnik. Wir schauen uns Mindsets (Denkweisen) an und spüren Verhaltensweisen auf, die dir und deinen Zielen nicht zum Erfolg gereichen.

Den Inneren Erwachsenen finden wir, wenn wir uns der Gehirnforschung zuwenden, im präfrontalen Cortex, also im Frontallappen. Der Innere Erwachsene ist der Anteil von dir, der in der Lage ist, analytisch und assoziierend zu denken. Er kann zwischen sich selbst und der Außenwelt unterscheiden und hat Zugriff auf die mentalen Fähigkeiten, die du dir im Laufe deiner Reifung angeeignet hast. Er ist in der Lage, auch größere, unpersönliche Zusammenhänge zu verstehen und selbst herzustellen. Er hat das größere Ganze im Blick und kann Verantwortung übernehmen. Er ist zu Selbstlosigkeit und Empathie fähig, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Coaching bedeutet: Wir nutzen die geistigen Kräfte des Inneren Erwachsenen, um durch Erkenntnis zu einer inneren Haltung zu gelangen, die deinen Zielen besser dient als die derzeitige. Dein Innerer Erwachsener hat die mentale Fähigkeit, bewusst ein Entwicklungsziel für sich zu definieren, er ist sich seiner selbst bewusst und kann weiteres Bewusstsein entwickeln. Er kann abstrakt denken, wird nicht von seinen Emotionen gesteuert, sondern agiert auf Basis seiner positiven Erfahrungen, seiner intuitiven Wahrnehmung und seines Bewusstseins. Dein Innerer Erwachsener kann die Konsequenzen seiner Handlungen voll und ganz tragen. Im Coaching wendet man sich an diesen inneren Anteil, man stärkt ihn und hilft ihm, seine Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu erkennen und zu entwickeln. Im Schamanismus finden wir den Inneren Erwachsenen im Element Luft. Coaching ist ein Tool, das wir in erster Linie im Element Luft anwenden. Es sorgt für geistige Klarheit, für einen Zuwachs an mentaler Kraft und für innere Freiheit durch Selbstverantwortung, egal, ob es um eine sportliche Leistung, die Bewältigung von Ängsten, das berufliche Mindset oder die Überwindung von Süchten geht.

Ganz besonders wichtig ist es, zu wissen: Dieser Gehirnteil steht dir als Kind nicht zur Verfügung, da er noch nicht herangereift ist. Erst ab einem gewissen Reifegrad und Alter kannst du auf ihn und damit den Inneren Erwachsenen zugreifen.

Die Therapieform in diesem Buch und auch Therapien im Allgemeinen richten sich vor allem an die Emotionen, an das Innere Kind, im Schamanismus repräsentiert durch das Element Wasser. Ein Therapeut möchte, egal, welche Form er nutzt, die Amygdala erreichen und umprogrammieren. Diese findet man im limbischen System des Gehirns, im Emotionalhirn, und sie ist das entwicklungsgeschichtlich sehr alte und damit sehr dominante Angstzentrum eines Menschen oder eines Tieres. Damit man die in der Amygdala gespeicherten Trigger oder Angst- und Schmerzauslöser erreicht, braucht man neue emotionale Erfahrungen, mit denen die alten, angstbesetzten Erlebnisse im Erfahrungsspeicher der Amygdala überschrieben werden. Wir spüren also die ursprünglichen emotionalen Ereignisse auf, die zur Sucht beigetragen haben, und erschaffen für uns selbst einen neuen emotionalen Input.

Du findest in diesem Buch Meditationen und Übungen aus der Gestalttherapie, um dir selbst das zu geben, was dir als Kind gefehlt hat: beständige Geborgenheit, rückhaltlose Liebe und bedingungslose Unterstützung. Außerdem nutzen wir ein sehr machtvolles Tool: Wir erforschen deine innere Landschaft. Jeder innere Anteil hat ein Zuhause in dir. Probleme entstehen immer dann, wenn die Anteile nicht in ihrem jeweiligen Zuhause sind und es beleben, sondern sich entweder in fremden Gebieten herumtreiben oder gar nicht vorhanden sind. Wir werden also mithilfe von inneren Reisen erkennen, wie es um die Bereiche deiner inneren Landschaft bestellt ist und ob jeder Anteil sozusagen in seinem Zimmer ist. Besonders wichtig ist das in Bezug auf das Innere Kind, doch auch andere Anteile können nur dann wirkungsvoll handeln, wenn sie im richtigen inneren Bereich leben. Im Gegensatz zum Coaching ist es in der Therapie ein Ziel, emotional bedürftige, unbewusste Anteile zu erreichen, um sie zu nähren, ihnen das zu geben, was sie brauchen.

Es ist wichtig, zu wissen, dass es im limbischen System kein Zeitgefühl gibt. Das, was in emotionaler Hinsicht nicht verarbeitet worden ist, weil niemand da war, der uns die zur Verarbeitung von Ängsten und Traumen wie Einsamkeit und plötzlichem Verlust nötige Sicherheit gab, wirkt auch heute noch. Es ist, als wäre keine Zeit vergangen, und für die Amygdala stimmt das auch. Deshalb geht es in einer Therapie nicht darum, in der Vergangenheit herumzuwühlen, wie viele meinen. Das, was unser Erleben und damit unser Verhalten heute beeinflusst, ist nach wie vor emotionale Gegenwart, egal, wie weit das auslösende Ereignis auch zurückliegen mag.

Die Übergänge zwischen Therapie und Coaching sind fließend, doch entscheidend ist: In der Therapie wenden wir uns bewusst den Gefühlen, ihren Ursachen und der inneren Welt zu. Im Coaching stärken wir ressourcenorientiert deine bewussten Anteile, damit du dich anders verhalten kannst. Ganz vereinfacht ausgedrückt: Im Coaching denkst du, in der Therapie fühlst du. Wenn es um Sucht geht, brauchen wir beides, deshalb findest du in diesem Buch auch beides. Die Coachingfragen sind rosa, die Therapieansätze blau markiert.

WAS EINE SUCHT IST

und was nicht

Das Wort »Sucht« klingt sehr wuchtig und gewaltig. Das ist auch angemessen. Eine unbehandelte Sucht entwickelt sich zu einer Krankheit, die dazu führt, dass man Dinge tut, die einem selbst und oft auch anderen ernsthaft schaden, ohne dass man dieses Verhalten kontrollieren oder gar stoppen könnte. Dieses Verhalten kann auf andere vollkommen normal, heldenhaft oder absurd wirken, je nachdem, wonach man süchtig ist. Sich allzu aufopfernd um andere zu kümmern, zum Beispiel in einem Ehrenamt, kann dazu führen, dass man hochgelobt wird. Halbiert man hingegen eine Kirsche, weil man zum Frühstück keine ganze essen kann, wird man angeschaut, als wäre man völlig verrückt. Doch beides kann Ausdruck einer sehr toxischen, falsch verstandenen Selbstfürsorge sein. Nun mag man einwenden, dass das Essen von nur einer halben Kirsche zum Verhungern führt, während das aufopfernde Kümmern um andere zwar zermürbend, jedoch nicht tödlich ist. Doch das sieht nur so aus. Co-Abhängigkeit*, sich zwanghaft um andere zu kümmern, führt häufig zu Krankheiten und oft genug zum Suizid. Die innere Einsamkeit eines Magersüchtigen und eines Co-Abhängigen ist die gleiche.

Die ICD (kurz für: International Classification of Diseases and Related Health Problems, übersetzt: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) beschreibt eine Sucht als unabweisbares Verlangen nach einem Verhalten, das auf die Dauer nachweislich schädigt. Das entscheidende Wort ist »unabweisbar«. Ab und zu etwas zu tun oder zu sich zu nehmen, was schädigt, mag vielleicht nicht klug sein, doch es ist noch keine Sucht. Erkennt man, dass man sich selbst schadet, hat man die Freiheit, sein Verhalten zu ändern, selbst wenn es schwerfallen mag. In der Sucht hat man diese Freiheit nicht.

Unabweisbar – das klingt zunächst hoffnungslos, und so fühlt man sich als Süchtiger auch, bevor man Hilfe erfährt. Wie oft man auch versucht, das schädigende Verhalten zu unterlassen, man erlebt immer wieder das eigene Scheitern, sei es, dass man mit dem Rauchen aufhören, toxische Beziehungen hinter sich lassen oder weniger Alkohol trinken möchte. »So schlimm ist es ja nicht, andere tun das auch«, beschwichtigt man sich dann, doch in Wahrheit ist man nicht in der Lage, zuzugeben, dass man keine Kontrolle über sein Verhalten hat. Das Gefühl des Scheiterns und die Scham darüber führen dazu, dass man sich noch schlechter fühlt und erst recht zu seinem Suchtmittel greift. Das ist der Teufelskreis, in dem man sich als Süchtiger befindet. Das gilt für jede Sucht, ob für andere sichtbar oder nicht. Ein Süchtiger weiß insgeheim, dass er süchtig ist, egal, was ihm andere auch sagen mögen. Er wird es nicht zugeben, wenn man ihm seine Sucht vorhält, doch er wird sich gleichermaßen unverstanden fühlen, wenn man versucht, ihm auszureden, dass er ein Problem hat.

Gleichzeitig wird mit dem Wort »Sucht« im allgemeinen Sprachgebrauch oft ein harmloses Verhalten beschrieben, das bedeutet, dass etwas uns Freude macht und wir es wiederholen möchten. Wir sagen, wir seien süchtig nach Gummibärchen, schönen Handtaschen, bestimmten Dekorationsgegenständen, einem Duft, Sonnenschein, einem bestimmten Lied, Strandspaziergängen, dem Meer, nach Geborgenheit oder Ruhe. Wir meinen damit, dass wir etwas sehr gern essen, sehen, tun, hören, fühlen oder riechen. Manchmal wollen wir mehr davon, als uns guttut, und manches davon sind schlichte Grundbedürfnisse. Andere Menschen sagen uns, wir wären süchtig, wenn wir etwas tun, weil es uns etwas gibt, was andere nicht verstehen oder sie stört. Wenn wir zum Beispiel oft und viel lesen, weil wir uns auf diese Weise entspannen und das Lesen unser Leben bereichert, dann könnte das die Menschen verstimmen, die Zeit mit uns verbringen wollen. Sie werfen uns süchtiges Verhalten vor, weil sie sich ärgern, dabei erfüllen wir uns selbst nur ein Bedürfnis.

»Sucht« wird also oft genutzt, um ein Verhalten zu beschreiben, das ganz und gar nicht süchtig ist, sondern nur bedeutet, dass wir uns regelmäßig oder für eine gewisse Zeitspanne einen Wunsch erfüllen. Mit echter Sucht hat das nichts zu tun, selbst dann nicht, wenn wir uns ein wenig zusammenreißen müssen, um unserem Bedürfnis oder der Erfüllung unseres Wunsches nicht ständig Folge zu leisten. Noch einmal zur Verdeutlichung ein wichtiges Merkmal für ein nicht süchtiges Verhalten: Wir können es, wenn auch mit ein wenig Mühe, kontrollieren. Natürlich fällt es uns nicht leicht, die Gummibärchen liegen zu lassen, doch wir können es, wenn wir spüren, sie tun uns gerade wirklich nicht gut.

»Prima«, könnte man nun sagen, »ich erfülle mir das Bedürfnis, jeden Abend Alkohol zu trinken. Wen das stört, der soll mir aus dem Weg gehen.« Oder: »Ich rauche eben gern, und ich gehe dazu ins Freie, damit es niemand anderen schädigt. Ich erfülle mir mein Bedürfnis.« Ein anderer sagt: »Es ist mir ein Bedürfnis, für andere da zu sein und zu helfen. Ich fühle mich dann besser.« Oder: »Ich spiele nun mal gern Computerspiele. Es erfüllt mich und macht mir Spaß.«

Wenn du nun ein unangenehmes Gefühl bekommst, dann hast du recht. Denn als Süchtiger sagt man diese Sätze ebenso, um nicht fühlen zu müssen, dass das eigene Verhalten mit Freude oder damit, dass man sich dadurch besser fühlt, nichts mehr zu tun hat. Als Süchtiger tut man alles, um ein Symptom zu vermeiden, das man als »Suchtdruck« bezeichnet und das unweigerlich zu einer Sucht dazugehört. Natürlich fühlt man sich besser, wenn man sein Suchtmittel zu sich genommen hat, sei es ein stoffliches wie Tabletten, Nikotin, Zucker oder Alkohol, oder sei es ein Verhalten wie süchtiges Arbeiten, süchtiges Helfen, süchtiger Sex oder das süchtige Vermeiden von Nähe und Intimität. Das süchtige Sich-besser-Fühlen kann man mit der Wirkung einer Schmerztablette vergleichen. Sie überdeckt den wahren Schmerz, sie heilt ihn nicht.

Erfüllst du dir dagegen ein echtes Bedürfnis, dann kommst du automatisch in einen Zustand der inneren Zufriedenheit, des Friedens, der Dankbarkeit und der Freude. Das Schwierige ist: Am Anfang zeigt eine Sucht genau die gleichen Merkmale. Du fühlst dich besser. Du hast womöglich ein süchtiges Hochgefühl. Ein Problem scheint gelöst zu sein.

Wir werden in diesem Buch sehr genau hinschauen, um zu erkennen, was eine Sucht ausmacht. Du lernst Verhaltensweisen kennen, die dir dabei helfen, das süchtige Verhalten hinter dir zu lassen und dir zu erlauben, wahre Erfüllung anzustreben. Denn eines weißt du nun schon: Jede Sucht füllt eine innere Leere. Es genügt nicht, das zu wissen, um die Sucht loszulassen, doch es hilft dabei, den Entschluss zu fassen, sich auf echte Erfüllung und wahres Glück zu fokussieren.

Diesen Entschluss darfst du sofort fassen, auch wenn du noch nicht weißt, wie du ihn umsetzen kannst:

»Ich entscheide mich von nun an für mein echtes Glück und meine wahre Erfüllung.«