Suchtmittelgebrauch und Verhaltenssüchte bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen - Oliver Bilke-Hentsch - E-Book

Suchtmittelgebrauch und Verhaltenssüchte bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen E-Book

Oliver Bilke-Hentsch

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Beschreibung

Genuss und kontrollierter Gebrauch von Suchtmitteln wie beispielsweise Alkohol gehören heute zu den selbstverständlichen Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In den letzten zwanzig Jahren ist die Kompetenz im Umgang mit modernen Medien hinzugekommen. Auch wenn Suchtentwicklungen eine starke gesellschaftliche, soziale und familiäre Komponente haben, besteht zumeist eine individuell verstehbare und einer Intervention zugängliche Psychodynamik. Neben allen bewährten pädagogischen und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen ist daher ein grundsätzlicher psychodynamischer Zugang besonders bei schweren komorbiden Fällen von großer Bedeutung für das Gesamtverständnis und die Therapieplanung.

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Herausgegeben von

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Oliver Bilke-Hentsch/Tagrid Leménager

Suchtmittelgebrauchund Verhaltenssüchtebei Jugendlichen undjungen Erwachsenen

Mit 3 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,

Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Paul Klee, Goldfisch-Weib, 1921/akg-images

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2566-641X

ISBN 978-3-647-99897-8

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Vorbemerkungen

1Epidemiologie

1.1Allgemeine Überlegungen

1.2Stoffgruppen und Verhaltenssüchte

1.3Pathologischer Medien- und Internetgebrauch

2Klinische Klassifikation und Verlaufsformen von stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen und Verhaltenssüchten

2.1Stoffgebundene Süchte

2.1.1Legalisierte Substanzen

2.1.2Illegalisierte Substanzen

2.2Verhaltenssüchte

2.2.1Internet- und Computerspielsucht

2.2.2Andere Verhaltenssüchte

3Klassifikation des Drogenkonsums nach ICD-10

3.1Schädlicher Gebrauch (F1x.1)

3.2Abhängigkeitssyndrom (F1x.2)

3.3Psychotische Störung (F1x.5)

3.4Akute Vergiftung

4Entwicklungsaufgaben und Entwicklungspsychopathologie

4.1Suchtmittelkompetenz als Entwicklungsaufgabe

4.2Entwicklungspsychopathologie als Grundkonzept

4.3Evidence Based Medicine und Leitlinien

5Suchtdynamik und Neurobiologie

6Diagnostik und Differenzialdiagnostik

6.1Störungsspezifische Diagnostik

6.1.1Allgemeine Anamnese und stoffgebundene Süchte

6.1.2Diagnostik: Medien- und internetbezogene Störungen

6.2Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (Arbeitskreis OPD-KJ-2)

6.3Apparative, Labor- und Testdiagnostik

7Therapieansätze

7.1Interdisziplinäre Behandlungsplanung

7.2Grundsätzliche Indikationsstellung

7.2.1Therapeutischer Fokus und Ansatzpunkt

7.2.2Grundsätze der Arbeit mit medien- und internetabhängigen Adoleszenten und Jungerwachsenen

7.3Psychodynamische Ansätze im Besonderen

7.3.1Psychodynamische Ansätze bei medien- und internetbezogenen Störungen

7.3.2Beziehungs- und Bindungsaspekte

7.3.3Konfliktthemen

7.3.4Strukturelle Themen

7.4Weitere Therapieoptionen

7.4.1Pharmakotherapie bei stoffgebundenen Süchten . . .

7.4.2Kognitiv-behaviorale Ansätze

7.4.3Systemische Therapieansätze

8Methodenintegration und Adaptation als Langzeitaufgabe von Praxis, Klinik und Forschung

9Zukunftsthemen

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich die Leserin, der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Der riskante Konsum von Suchtmitteln und verhaltensbezogene Suchtformen begleiten die Menschheit durch alle Zeiten und Kulturen. Jeder Mensch macht damit Bekanntschaft und muss sich dazu in Beziehung setzen. Ein souveräner und alltagsentsprechender Umgang mit Suchtmitteln und die Kontrolle von suchterzeugenden Verhaltensweisen stellen sich als Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz dar. Eine notwendige Selbstverantwortung und elaborierte Bewältigungskompetenzen kommen dabei zum Tragen. Psychodynamische Gesichtspunkte kennzeichnen ein Rahmenkonzept, das Entstehung, Diagnostik und Behandlung in einen Sinnkontext einbettet. Süchtiges Verhalten kann nicht nur neurobiologisch oder verhaltensphysiologisch erklärt werden, denn es bedarf eines kontextuellen Verstehens von Anfangsbedingungen, neugierigem Ausprobieren und Nutzungsgewohnheiten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrer Gleichaltrigengruppe, um lokale Besonderheiten, »Epidemien« und Einzelschicksale in der heutigen Jugendkultur besser erkennen und interpretieren zu können.

Die Autoren beginnen mit epidemiologischen Überlegungen und zeigen auf, dass die sozialpolitischen, kriminologischen und medizinischen Statistiken niemals den Bezug zum Einzelfall vorwegnehmen können und nur grobe – gesamtgesellschaftlich relevante – Überblicke über die Trends und Gefahren bei einzelnen Stoffgruppen oder medialen Konsummustern geben können. Die Verlaufsformen von stoffgebundenem Suchtverhalten und Verhaltenssüchten (z. B. Internet- und Computerspielsucht) werden in Anlehnung an die klassischen Diagnosemanuale dargestellt. Schließlich wird die derzeit gängige Klassifikation des Drogenkonsums nach der internationalen europäischen Klassifikation (ICD-10) präsentiert.

Ein Kapitel über die Entwicklungspsychopathologie des Suchtverhaltens im Jugendalter ergänzt die Übersicht und mündet in einer multiaxialen Klassifikation der Störungen, wie sie im Jugend- und jungen Erwachsenenalter typischerweise durchgeführt wird. Auch eine kurze Darstellung des Zusammenhangs von Suchtdynamik und Neurobiologie fehlt nicht.

Der Diagnostik und Differenzialdiagnostik wird großes Augenmerk geschenkt. Auch die Anwendung der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik zur Differenzierung von süchtigem Verhalten wird beschrieben. Kapitel 7 widmet sich ausführlich den Therapieansätzen, wobei alle Interventionen auf der Basis einer interdisziplinären Behandlungsplanung beruhen. Die psychodynamischen Behandlungsansätze im Besonderen fokussieren auf die Beziehungsaspekte, Konfliktthemen und strukturellen Schwächen des jugendlichen Selbst. Ein Zukunftsausblick beschließt das Buch, das von einem großen Wohlwollen gegenüber den jugendlichen und spätadoleszenten Patientinnen und Patienten getragen ist und die langjährige Erfahrung der Autoren mit dieser Gruppe im Speziellen widerspiegelt.

Das Buch gibt eine breite Information zur Diagnostik und Behandlung einer Risikogruppe von jugendlichen Patienten, die durch eine psychodynamische Perspektive erst in ihrem Verhalten und in ihren Verstrickungen mit Medien und/oder Substanzen sichtbar gemacht werden können.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorbemerkungen

Suchtmittel und verhaltensbezogene Suchtformen begleiten die Menschheit seit Jahrtausenden. Sie treten als Seuche und Epidemie auf, wie aktuell in den USA mit der Opioid-Schmerzmittelepidemie, in der Antike als Würfelspiel, als selbstverständliches, anerkanntes gesellschaftliches (Kultur-)Phänomen, wie im Bereich der Weinkunde oder der Zigarren, als vorübergehende szenegebundene Phase wie im Bereich der Technomusik, als technologiegetriebene Veränderung (Web 2.0) und in vielen anderen Kontexten. Stets ist ein Spannungsfeld zwischen individuellem Risiko, individuellem Genuss und gesellschaftlichen und Peergroup-bezogenen Faktoren festzustellen, das letztlich nicht aufzulösen ist. Wie andere psychische Störungen sind Suchtstörungen in ihrer Anfangsphase gut psychodynamisch zu erklären, auch wenn stark wirksame Substanzen genutzt werden. Sie sind damit verstehbar und auch angehbar. Im weiteren Verlauf nehmen aus neurobiologischen Gründen die physiologischen Phänomene der Gewöhnung und Abhängigkeit zu, sodass psychodynamisches Herangehen, zumindest vorübergehend, als scheinbar nicht nützlich erscheint.

Für ein Gesamtverständnis des Gewordenseins und der Genese eines Suchtmittelabhängigen und schädlich missbrauchenden Jugendlichen ist es aber trotz vielleicht vorübergehender Intoxikation oder absoluter Entgiftungsnotwendigkeit von höchster Bedeutung für die langfristige Gesamtplanung, wenn man psychodynamische Zusammenhänge versteht.

Diese sind nicht unbedingt sofort in konkrete Therapieschritte, Manuale und in der Qualitätssicherung nachweisbare Prozeduren umzusetzen, sondern bieten – ähnlich wie eine systemische Sichtweise – ein langfristiges Rahmenkonzept und ein individualisiertes Ableiten der Behandlungsschritte. Dementsprechend hat die Psychodynamik im Bereich des Suchtmittelgebrauchs und der Verhaltenssüchte stets die aktuelle Lebenssituation des Klienten mit zu betrachten und familiäre und peerbezogene Faktoren in ihrer unmittelbaren Wirksamkeit und nicht nur ihrer Repräsentanz aus früheren Lebensphasen mit zu berücksichtigen. So ergibt sich im Einzelfall ein zwar durch das Suchtmittel und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Gesetze, Verfügbarkeit etc.) mit bedingtes Bild, das letztlich aber das Individuum an sich betrifft.

Spätestens seit den 1980er Jahren wird der souveräne und sichere alltagsentsprechende Umgang mit Suchtmitteln nicht als Problematik an sich verstanden, sondern als in einer bestimmten Zeitphase zu bewältigende Entwicklungsaufgabe. Dies ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel gegenüber einem durch Szene- und Gruppenzugehörigkeit oder gesamtgesellschaftlich erklärbaren Gebrauch, der das Individuum quasi sekundär trifft.