Suite 6: Die Hoteliers - Layla Sommer - E-Book

Suite 6: Die Hoteliers E-Book

Layla Sommer

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Beschreibung

Mit einem Schlag wird Lizas gewohntes Leben auf den Kopf gestellt! Nicht sie erbt das verwahrloste Hotel ihres Stiefvaters, sondern dessen Söhne Julian, Sandro und Noah, die ihren Vater seit der Kindheit nicht mehr gesehen haben. Über Nacht verliert Liza Arbeit und Zuhause. Die drei Hoteliers bieten Liza einen Job im künftigen Wellnesshotel "Suite 6" an, den sie aus Geldnot annimmt. Während ihrer Arbeit für die drei Hoteliers fühlt Liza sich immer stärker zu Julian hingezogen - was Liza in eine Zwickmühle bringt, denn ihre Mutter hasst die drei Erben und würde einer Beziehung zwischen Liza und Julian nicht zustimmen. Um sich nicht in einem Geflecht aus Lügen zu verstricken, stößt sie Julian vor den Kopf. Dabei hätte er sie ihrem verbotenen Traum nach einem Hauch von Unterwerfung näherbringen können ... Novella.

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Seitenzahl: 121

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Layla Sommer

Suite 6: Die Hoteliers

© 2019 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Covergestaltung: © Mia Schulte

Coverfoto: © Periodimages.com

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-407-8

ISBN eBook: 978-3-86495-408-5

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

Epilog

1. Kapitel

„Schöne Gegend.“ Julian schaltete in den zweiten Gang herunter, anders waren die Serpentinen, die sie immer weiter den Berg hinauf führten, nicht zu bewältigen.

„Hm“, brummte Noah.

Von Sandro kam dagegen gar kein Kommentar. Er hatte es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht, wenn man es sich denn in einem alten Mini bequem machen konnte. Er lag mehr, als dass er saß. Dennoch füllte er das gesamte Heck aus. Julian verkniff sich ein Grinsen. Mit dem kleinen Auto hatten seine Brüder nicht gerechnet, als sie ihn, den Jüngsten, beauftragt hatten, sie zu dem Hotel ihres verstorbenen Vaters zu kutschieren.

„Pass doch auf!“, meckerte Sandro, der unsanft mit dem Kopf gegen die Scheibe gestoßen war.

Wahrscheinlich waren sie ein optisches Highlight, wie sie zu dritt, jeder fast einen Meter neunzig groß, in dem winzigen Wagen saßen. Seine Brüder hatten nicht glauben wollen, dass es das kleine Gefährt schaffen würde, sie zu transportieren, und hatten gewettet. So war das eben, wenn man sich nicht mit Fahrzeugen beschäftigte und den pfiffigen Engländer unterschätzte.

„Jetzt werde ich noch mit Mr. Bean verwechselt“, hatte Sandro geknurrt, dann hatte er sich höchst unelegant auf den Rücksitz gezwängt.

Julian schürte flott um die nächste Kurve, was ihm einen strafenden Blick von Noah einbrachte. Er betätigte den kleinen Schalter am Armaturenbrett und ließ das Dach zurückfahren. British Open nannte sich das Modell, das mit ein wenig Fantasie schon beinahe Cabriofeeling vermittelte. Nun schienen die Felsen zu ihrer Rechten auch noch über ihren Köpfen emporzuragen.

„Noch tiefer in die Pampa geht’s wohl nicht?“, nörgelte Sandro, der seine schlechte Laune wieder einmal nicht für sich behalten konnte. Dabei war Frühling, die Sonne schien und sie würden gleich ihr erstes eigenes Hotel begutachten.

„Ist bestimmt nur eine Abrissbude“, kam es prompt von der Rückbank.

„Mutter hat gesagt, so schlimm ist es nicht“, meldete sich Noah zu Wort.

„Freut ihr euch gar nicht? Wer bekommt denn schon ein Hotel geschenkt?“

„Vererbt, nicht geschenkt.“

„Ist doch das Gleiche.“

„Nein, ist es nicht. Ein Geschenk kann man verkaufen, an dieses Erbe sind wir gebunden.“

„Wie kommst du auf so eine Idee? Warum sollten wir das Hotel nicht verkaufen können? Aber dafür, dass wir unseren Vater seit Jahren nicht gesehen haben, ist so ein unerwartetes Erbe doch nicht schlecht.“

„Wem hätte er das Haus denn auch sonst vermachen sollen?“

Julian zuckte mit den Schultern. Sollten sich die anderen ruhig Gedanken machen, wieso, weshalb, warum. Er freute sich. Außerdem waren sie nun quitt, sein Vater und er. Er hatte sie einst verlassen, und jetzt gab er ihnen eben wieder etwas zurück, freiwillig oder auch nicht. Gut fand er das. Richtig gut sogar.

Noch eine Kurve, dann lichtete sich der Wald und die Felswände verschwanden. Bald würden sie am Hotel ankommen, so sagte es zumindest das Navi, das Noah ihm aufgedrängt hatte. Sie düsten weiter die Landstraße entlang und wurden in dem fast dreißig Jahre alten Auto kräftig durcheinandergeschüttelt. Sogar die Spargelbauern, die auf den Feldern arbeiteten, hoben neugierig ihre Köpfe, und als sie durch das nächste Dorf fuhren, wurde ihnen interessiert nachgeschaut.

„Oldtimer kommen hier wohl selten durch“, stellte Noah trocken fest.

Julian schmunzelte wieder in sich hinein, entgegnete jedoch nichts.

Noch hundert Meter, sagte das Navi.

Als Erstes sah er einen See. Einen richtigen See statt eines trüben Fischweihers. Keine Häuser weit und breit, nur ein in die Jahre gekommenes Gebäude, das vor Jahrzehnten einmal mondän gewesen sein musste, mittlerweile aber seinen Glanz verloren hatte und nicht mehr so richtig in die Schönheit der Landschaft passen wollte.

Seegrün, las er auf dem Schild, das über dem Eingang hing. Seegrün war der Name des Hotels ihres verstorbenen Vaters. Sie waren angekommen.

„Das?“, entwich es Noah.

„Das ist größer, als ich angenommen habe“, kam es plötzlich interessiert von der Rücksitzbank.

„Das schaut aber nicht gut aus“, gab Noah seinen Kommentar ab.

„Ausbaufähig“, widersprach Sandro.

„Du scherzt …“

„Nein.“

Julian hatte genug gehört. Noah war nicht begeistert, aber Sandro schien mit einem Mal ziemlich angetan.

Und er?

Er wusste noch gar nicht, was er denken sollte. Zu ungewohnt war die Vorstellung, plötzlich Hotelier zu sein.

Er warf einen Blick auf sein Handy. Kurz vor vierzehn Uhr. Sie waren pünktlich. Gleich müsste diese Liza auftauchen, mit der er WhatsApp-Nachrichten geschrieben hatte. Die Frau sollte ihnen die Schlüssel überreichen und das Gebäude zeigen. Eigentlich war der beauftragte Anwalt zwar dafür gewesen, die Schlüssel schon vor Wochen einzufordern, aber er hatte sich nicht dazu überreden lassen. Ihr Vater hatte zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin das Hotel geführt. Sein Tod war anscheinend vollkommen überraschend eingetreten. Sonst wären kaum er und seine Brüder, sondern die Freundin, deren Tochter Liza war, in den Genuss des Erbes gekommen. In den WhatsApp-Nachrichten hatte sie sich ihm gegenüber freundlich gezeigt, und das, obwohl sie und ihre Mutter leer ausgegangen waren. Tat es ihm um die beiden leid? Eigentlich kaum, denn er kannte sie nicht, und schließlich war es sein Vater gewesen, der verstorben war. Dass der den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte, war weder seine Schuld noch die der Mutter oder seiner Brüder. Da kein Testament existierte, war die natürliche Erbfolge eingetreten. Außer dem Zusatz, dass die Erben das Hotel führen sollten, gab es keine weiteren Bestimmungen, und ob diese handschriftliche Forderung überhaupt rechtlich gültig war, musste noch geprüft werden.

Julian hatte nicht vor, sich mit der Lebensgefährtin seines Vaters total zu verstreiten, deswegen hatte er – gegen den anwaltlichen Rat – mit ihrer Tochter Kontakt aufgenommen. Vielleicht war es irgendwie möglich, auf einer freundschaftlichen Ebene miteinander zu verkehren, was ihm am liebsten wäre.

Julian stieg aus und blickte sich suchend um, doch außer einem rothaarigen Mädchen auf einem Fahrrad wirkte die Gegend wie ausgestorben.

Liza glaubte, ihren Augen nicht zu trauen, als sie ein grünes Zwergenauto und daneben drei stattliche Männer entdeckte. Das waren sie also: Brunos Söhne, die den Vater nie besucht, aber nun sein Lebenswerk geerbt hatten. Ihr konnte es egal sein, denn Bruno war ihr nicht wirklich ein Vater gewesen, doch ihre Mutter litt sehr unter seinem plötzlichen Tod, der mittlerweile bereits ein halbes Jahr zurücklag, und natürlich auch unter dem Verlust des Hotels. Es hatte Zeit gekostet, bis das Gericht alle Unterlagen, die die Besitzverhältnisse und Erbschaftsformalitäten betrafen, sorgfältig geprüft hatte und sie letztendlich akzeptieren mussten, dass wirklich kein Testament zu ihren Gunsten existierte. Ihre Mutter war zusammengebrochen, hatte sie doch alles verloren: ihren Mann, ihr Zuhause, ihre Arbeit, ihr Lebensziel. Liza dagegen hatte gekämpft, sich arbeitssuchend gemeldet und war mit ihrer Mutter vorübergehend in eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung gezogen.

Fast musste sie grinsen, als ihr Blick auf das einst prachtvolle Hotelfiel. Heruntergekommen sah es aus, dabei stand es erst seit Herbst leer; die letzten Angestellten hatten im Oktober ihre Jobs verloren. Die ersten Spuren des nahenden Verfalls waren bereits deutlich sichtbar, denn auf Anraten ihres Anwaltes hatte sich niemand mehr um das Gebäude und den Garten gekümmert.

Das Hotel war schon früher kein optisches Highlight gewesen, obwohl ihre Mutter das anders sah. Rosaroter eben. Auch Brunos Idee, die unteren Etagen in ein Casino zu verwandeln, um damit das große Geld zu verdienen, hatte in der idyllischen Gegend nicht gefruchtet. So hatten sich die Gästezahlen in Grenzen gehalten, denn Spielhallen gab es in der Stadt genug, und nur wenige Gäste hatten die zusätzliche Übernachtungsmöglichkeit genutzt.

Ob die drei Männer überhaupt wussten, was sie geerbt hatten?

Gut sahen sie aus, das musste Liza sich eingestehen, als sie ihnen immer näher kam. Allzu freundlich wollte sie dennoch nicht sein. Schließlich waren die Brüder die Nutznießer von Brunos Tod, und ihre Mutter und sie wären beinahe auf der Straße gelandet. Aber das sollte nun keine Rolle spielen, denn sie war nur da, um den Schlüsselbund zu überreichen. Wenigstens hatte dieser Julian darauf verzichtet, ihn vom Anwalt übermittelt zu bekommen. Überhaupt war er sehr höflich gewesen – oder zumindest die Art, wie er seine WhatsApp-Nachrichten geschrieben hatte. Er hätte auch jeden einzelnen Handgriff anwaltlich regeln können, was ihnen noch mehr Geld gekostet hätte, da ihr Rechtsbeistand sich seine Dienste teuer bezahlen ließ. Nur aus diesem Grund hatte sie sich überhaupt dazu bereit erklärt, die Brüder zu treffen, ansonsten hätte sie mit dem Seegrün längst abgeschlossen.

Genau vor den Brüdern kam sie zum Stehen, schwang sich von ihrem Mountainbike und strich sich das rote, störrische Haar aus dem Gesicht.

„Bist du Liza?“, sprach sie der hübscheste der Männer an. Hellbraune Locken fielen ihm fast bis auf die Schultern und ein verschmitztes Lächeln spielte um seine Lippen. Er wirkte sympathisch, die anderen zwei dagegen schauten aus, als wären sie direkt aus dem Kühlschrank gekrochen. Arrogant, wie sie sich typische Stadtmenschen vorstellte.

Sie nickte. „Julian?“

Es war lediglich eine Vermutung, aber sie war sich fast sicher, dass es sich nur um ihn handeln konnte.

Wieder lächelte er.

Der große Schwarzhaarige mit dem gegelten Haar betrachtete sie dagegen abschätzend von oben bis unten, während der Braunhaarige, der seine Haare zu einem modernen Dutt geschlungen hatte, sie keines Blickes würdigte, sondern mit seinem Smartphone beschäftigt war.

„Dein Auto?“, rutschte es ihr heraus, obwohl sie kein privates Wort hatte wechseln wollen.

„Gefällt er dir?“

„Cool sieht er aus, der Mini“, gab sie zu.

„Wir können später gern ein paar Meter fahren, wenn du möchtest.“

„Mal schauen“, wich sie aus. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, sich länger als nötig hier aufzuhalten.

„Willst du uns das Hotel zeigen?“

„Ich?“

„Natürlich du. Wer sonst? Du kennst dich sicherlich aus, oder?“

„Ich habe hier gewohnt“, antwortete sie steif. „Und gearbeitet. Ebenso wie meine Mutter.“

„Und jetzt?“ Verwunderung spiegelte sich in seinem Blick wider.

Wusste er etwa von nichts? Das konnte nicht sein. Oder hatten die drei ihr Erbe angenommen, ohne sich darüber informiert zu haben?

„Jetzt sind wir alle arbeitslos.“

„Wer, alle?“

„Na, die Leute, die hier angestellt waren.“

„Das Hotel war zu dem Zeitpunkt, als …“, er stockte, „mein Vater gestorben ist, noch von Gästen besucht?“

„Hotel? Das ist es früher einmal gewesen.“

„Wie?“, mischte sich nun auch der geschniegelte Schwarzhaarige, der ein südländisches Aussehen hatte und überhaupt nicht zu seinen Brüdern passen wollte, ein.

„Das Seegrün war zuletzt ein Casino. Manchmal ist die Location auch für Feiern gebucht worden. Natürlich gab es Zimmer, aber der Schwerpunkt lag schon lange nicht mehr auf Übernachtungen.“

„Oh nein“, stöhnte der Schönling.

„Was heißt hier Oh nein? Da hätten Sie sich eben schlaumachen müssen“, fuhr sie ihm über den Mund.

„Sei leise, Sandro!“, beschwichtigte Julian. „Sie ist unschuldig daran, dass wir nichts über das Hotel wissen.“

Liza warf ihm einen dankbaren Blick zu.

„Meine Brüder sind manchmal ein bisschen gewöhnungsbedürftig.“

Sandro sah aus, als könnte er seinen Bruder eigenhändig erwürgen.

„Würdest du uns trotzdem herumführen?“

Sie zögerte.

„Hab‘ ich was verpasst?“ Der Mann mit dem Dutt steckte sein Handy in die Hosentasche. „Ich bin übrigens Noah“, stellte er sich vor. „Und den liebenswürdigen Herren mit dem schwarzen Haar musst du auch nicht siezen, er heißt Sandro und ist unser Halbbruder beziehungsweise der Adoptivsohn unseres verstorbenen Vaters.“

Liza war überrascht, dass ihm, trotz seines Telefonats, ihr Gespräch nicht entgangen war.

Aber: Halbbruder? Adoptivsohn?

Sie blickte nun überhaupt nicht mehr durch. Es war das erste Mal, dass sie von einem Adoptivverhältnis hörte. Der Schönling war folglich gar nicht Brunos leibliches Kind. Ob ihr Anwalt ihnen wirklich alle relevanten Daten mitgeteilt hatte?

Natürlich hatte er das. Zumindest ihre Mutter musste er diesbezüglich informiert haben. Warum die nichts davon erzählt hatte, war ihr allerdings ein Rätsel.

Julian erkannte, dass sie vollkommen ahnungslos in ihre Erbschaft gestolpert waren. Ein Casino – er war sprachlos.

Nun konnten seine zwei großen Brüder aber schauen, wie sie den zukünftigen Hotelbetrieb hinbekommen wollten … Immerhin war Sandro gelernter Reisekaufmann und Noah hatte Betriebswirtschaft studiert, womit sie in seinen Augen wesentlich mehr Ahnung von einem Hotel- oder Casinobetrieb hatten als er, denn er war der Drückeberger der Familie, hatte das Textildesign-Studium abgebrochen, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und restaurierte zusätzlich Oldtimer. Noch nie in seinem Leben hatte er ein Casino betreten, und in einem Hotel hatte er auch noch nie ein Zimmer gebucht. Früher hatte das Geld nicht für einen Urlaub gereicht und mittlerweile war er einige Male als Rucksacktourist mit Zelt unterwegs gewesen.

Die Gesichter seiner Brüder schauten alles andere als begeistert aus, als sie hörten, dass das Seegrün schon seit Längerem nicht mehr als Hotel genutzt worden war, aber ihn störte das nicht. Er sah stets alles positiv und außerdem gab es jetzt auch noch Liza. Eine Liza, die ihn sehr überrascht hatte. Als er mit ihr WhatsApp-Nachrichten geschrieben hatte, hatte er nicht damit gerechnet, auf eine kleine Schönheit zu treffen. Er fragte sich ernsthaft, warum seine Brüder diese Tatsache nicht zu bemerken schienen, denn normalerweise drehten sie sich nach jeder gut aussehenden Frau um. Allerdings stand Noah eher auf den In-Typ, wohingegen Sandro stets mit der Dame von Welt liebäugelte, auch wenn ihm dies bisher meist Kummer und Ärger eingebracht hatte. Liza wirkte so frisch, so unverdorben – eine natürlich schöne Frau eben. Das leuchtend rote Haar, das ihr in einer wilden Mähne bis weit über den Rücken fiel, die helle Haut, die spitzbübisch wirkenden Sommersprossen auf ihrer Nase und die strahlend grünen Augen, die so offen in die Welt schauten, verzauberten ihn. Liza sah stark und verletzlich zugleich aus.

Wie musste sie sich gefühlt haben, als sie von heute auf morgen ihr Zuhause und ihren Job verloren hatte?

Bisher hatte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Keiner von ihnen.

„Deiner“, sagte sie in dem Moment und hielt ihm den Schlüsselbund entgegen.

„Willst du nicht aufschließen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Die Zeiten gehören der Vergangenheit an.“

Wieder empfand er einen Anflug schlechten Gewissens, obwohl er an der ganzen Misere nicht schuld war. Mutter hatte stets gesagt, sein Vater sei es nicht wert, ihm auch nur eine Träne nachzuweinen. Um nichts und niemand, außer sich selbst, habe er sich je gekümmert. Anscheinend hatte sie mit dieser Meinung recht gehabt.

Julian öffnete seine Hand und berührte leicht Lizas, als er den Bund ergreifen wollte. Ihre Haut war weich. Nicht wie bei einer Frau, die es gewohnt war, in der Küche zu arbeiten.

In der Küche? Wie kam er nur auf so eine Idee?