Susann Pásztor über Genesis oder Warum das Lamm am Broadway liegen blieb - Susann Pásztor - E-Book

Susann Pásztor über Genesis oder Warum das Lamm am Broadway liegen blieb E-Book

Susann Pásztor

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Beschreibung

»So fremdartig und verzaubert klang diese Musik und ging mittenrein in mein verzweifeltes Hasenherz.« In der Mitte der 1970er-Jahre sucht und findet eine Jugendliche Halt in der Musik einer der erfolgreichsten britischen Prog-Rock-Bands: Genesis. Es ist die Peter-Gabriel-Ära, der Susann Pásztor in diesem Band der KiWi Musikbibliothek kenntnisreich und voller Humor ein leuchtendes literarisches Denkmal setzt. Im Januar 1974 touren Genesis mit ihrem aktuellen Album »Selling England by the Pound« durch Deutschland. Im Publikum: die dreizehnjährige Mimi, die ihr erstes Konzert nie vergessen wird, was nicht nur an der Musik liegt. Auf der Damentoilette entdeckt sie ein Paar der legendären Batwings, die Peter Gabriel für seine Bühnenshow nutzt. Zurück in ihrer Kleinstadt beschließt sie, ein Magazin für Genesis-Fans zu gründen, und erhält dabei Unterstützung von unerwarteter Seite. In den folgenden Monaten muss Mimi feststellen: Mit dem Besitz von Batwings geht viel Macht und Magie einher, aber auch eine große Verantwortung.

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Seitenzahl: 82

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Susann Pásztor

GENESIS

Susann Pásztor über Genesis oder Warum das Lamm am Broadway liegen blieb

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Susann Pásztor

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Watcher Of The Skies

I know what I like

It

Out Angels out

Quellenangaben

Noch mehr Lesespaß

Inhaltsverzeichnis

Watcher Of The Skies

Als schließlich auch ich begriffen hatte, dass unsere Mutter nicht zurückkommen würde, begann mich mein Bruder jeden Abend abzufragen.

Die richtigen Antworten brachte er mir vorher bei. »Halt die Klappe, Mimi, pass einfach auf«, sagte er und fuhr fort, mich mit Jahreszahlen und Musikinstrumenten und Namen vollzutexten, von denen ich nie zuvor gehört hatte. Ich ließ mich darauf ein, denn es lenkte mich so wahnsinnig gut ab. Mein Bruder war ein ebenso leidenschaftlicher wie gnadenloser Lehrer, aber am Ende gelang es mir sogar, seine Erwartungen zu übertreffen, weil ich es unbedingt draufhaben wollte. Mir Dinge über Leute zu merken, die ich überhaupt nicht kannte, war mir noch nie schwergefallen, und außerdem war diese Musik wirklich toll, so fremdartig und verzaubert klang sie und ging mittenrein in mein verzweifeltes Hasenherz. Ich war gerade dreizehn geworden. Nur mit der Aussprache der englischen Wörter hatte ich manchmal Probleme.

»Okay, Mimi. Wie hieß das Internat, auf das sie zusammen gegangen sind?«

»Charterhouse School.«

»Zwei Gründungsmitglieder, die nicht mehr dabei sind?«

»Anthony Phillips, Chris Stewart.«

»Stattdessen dazugekommen?«

»Steve Hackett und Phil Collins.«

»Erstes Album in aktueller Besetzung? Wann erschienen?«

»Nursery Cryme. 1971.«

»Bester Song von Genesis?«

Das konnte nach hinten losgehen. Meistens wollte Jockel Supper’s Ready von mir hören, aber es gab auch Tage, an denen er nur The Musical Box als richtige Antwort gelten ließ. Und dann war vor wenigen Wochen auch noch Selling England By The Pound erschienen, das sich mein Bruder mit den Jungs aus seiner Band von morgens bis abends reinzog und seit Neuestem auch mit mir. Ich setzte alles auf eine Karte.

»First of Fiff– ach, Mann.«

»Versuch es noch mal! Du bist ganz nah dran, Mimi!«

»Ich kann es nicht richtig aussprechen.«

»Schon okay, du hast es ja. Das beste Piano-Intro der Welt! Noch eine richtige Antwort, und du darfst im Januar mit zum Konzert.«

Hier konnte es sich nur entweder um eine lächerliche Karotte für meinen verzagten inneren Hasen oder um das Ergebnis seines Gesprächs mit Papa von neulich Abend handeln, ein »Männergespräch unter vier Augen« hatte mein Vater es genannt, bevor sie ins Wohnzimmer gegangen waren, und nur mein Stolz hatte mich daran gehindert, die beiden von meinem Spezialversteck aus zu belauschen. Außerdem wusste ich auch so, worum es dabei ging, jede Wette, dass Papa nach ein paar peinlichen Anläufen so was sagte wie: »Joachim, mein Sohn, das ist eine schwere Zeit für uns alle, also kümmere dich gefälligst in den nächsten Wochen um deine Schwester und halte sie mir vom Leib, mir wird das alles zu viel, Haushaltsgeld liegt in der Schublade, sag Bescheid, wenn ihr mehr braucht.«

»Ich darf im Ernst mit? Ehrenwort?«

»Ehrenwort. Aber es ist schwer. Außer Benno hat es keiner von den Mell-o-trons richtig beantworten können.«

Angeblich hießen die Mell-o-trons so, weil sie sich kein Mellotron leisten und deswegen auch keine Genesis-Songs covern konnten, was die beknackteste Namenserklärung aller Zeiten war. Weil wir auf dieselbe Schule gingen, wusste ich, dass sie sogar in den Pausen immer versuchten, wie eine echte Band auszusehen, falls mal zufällig ein Plattenboss über unseren Schulhof schlendern sollte. Mein Bruder war der Leadsänger, und ich war gerade dabei herauszufinden, ob er wirklich so gut sang, wie ich glaubte. Dass er sich mit Musik auskannte wie kein anderer, bezweifelte ich nie. Nicht einmal Benno hatte mehr Ahnung als er. Nur wenn es um Genesis ging, wusste Benno grundsätzlich früher und besser über alles Bescheid, weil er einen Brieffreund namens Alan in Ormskirk, West Lancashire hatte, der Vorsitzender des Liverpooler Genesis-Fanclubs war und ihn mit brandaktuellen Bandnews versorgte, die man sonst erst Wochen später in der deutschen Ausgabe vom Musikexpress nachlesen konnte, wenn überhaupt.

»Jetzt frag schon, Jockel.«

»Was steht außer den Songtiteln noch auf der Rückseite vom Live-Album?«

»Weiß ich«, sagte ich, und mein Herz klopfte wie wild. »So ’ne komische Geschichte von einer Frau in der U-Bahn. Sie fängt an, sich auszuziehen, und am Ende hat sie sich komplett in Luft aufgelöst, aber so ganz verstanden hab ich das nicht.«

»Geile Story, oder?«

»Kann sein«, sagte ich, so vorsichtig ich konnte. Es war nicht vorsichtig genug.

»Mimi, du hast es leider vergeigt.«

»Hab ich nicht!«

»Okay, dann Zusatzfrage: Ohne welches Mitglied könnte Genesis niemals existieren?«

»Peter Gabriel natürlich. Sag, dass ich mitdarf. Sag, dass ich gut war.«

»Aber sicher nehmen wir dich mit, Kleines«, sagte Jockel und machte ein Onkelgesicht dazu, sodass wir beide lachen mussten. Wir übertrieben es ein bisschen mit dem Gelächter, denn so witzig war die Nummer nun auch wieder nicht, aber wir hatten uns wohl heimlich darauf geeinigt, so zu tun, als würde uns das mit Mama überhaupt nichts ausmachen.

»Darf man mit dreizehn überhaupt auf Konzerte, Jockel?«

»Sag endlich mal Joe zu mir, Mimi. Du hast uns doch schon oft zugeguckt.«

»Ich meinte richtige Konzerte.«

»Klar darfst du das, wenn ein Erwachsener dabei ist.«

»Du bist doch erst siebzehn. Das ist nicht erwachsen.«

Mein Bruder sah das anders. »Überlass das mir«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen.«

Selbstverständlich machte ich mir Sorgen. Zum Beispiel darüber, wie lange Jockels spontane brüderliche Zuneigung noch anhalten würde. Ob er, sollte ich bei ihm in Ungnade fallen, sich einfach weigern würde, mich mitzunehmen, oder so tun, als hätte es sein Versprechen nie gegeben. Mein Bruder konnte sehr grausam sein, kein Mensch auf der Welt wusste das besser als ich. Und selbst als nichts von alldem eintraf und ich an einem mittelkalten Januarabend auf dem Weg zum Konzert neben Jockel auf der hintersten Sitzbank von Bennos VW-Bulli hockte, vor uns in der Dunkelheit die Köpfe der übrigen Mell-o-trons, ließ meine Anspannung nicht nach: Was, wenn sie mich einfach nicht reinließen, weil ich leider nun mal genauso alt aussah, wie ich war, und mein Bruder mit seinem Jungsgesicht unter dem wilden Haarschopf nicht im Mindesten wie ein vernünftiger Erwachsener, der mich begleitete? Ich hatte doch keine Ahnung, wie das so lief bei richtigen Konzerten, denn dies hier sollte mein erstes werden, und nichts fürchtete ich mehr, als am Eingang des Paradieses wieder weggeschickt zu werden. Inzwischen hatte mich eine Genesis-Liebe erfasst, wie sie größer und sehnsüchtiger nicht hätte sein können. Zwar konnte ich Firth Of Fifth jetzt fehlerfrei aussprechen, aber würde das ausreichen, falls Peter Gabriel höchstpersönlich den Einlass kontrollierte?

»Wenn sie dich nicht reinlassen, wartest du halt im Bus auf uns, und wir verticken deine Eintrittskarte für zwanzig Mark statt für zwölf«, rief Axel über die Schulter, denn der Motor war laut, und ich nahm mir vor, irgendein kleines totes Tier im Gitarrenkoffer seiner geliebten Hopf Twisty zu deponieren, sollte dieser Fall tatsächlich eintreten.

»Fünfzig, die Karte ist jetzt bestimmt fünfzig Mark wert«, brüllte Ziggy vom Beifahrersitz. Ziggy hieß Ziegler mit Nachnamen und spielte Bass, »Ziggy wie Stardust«, sagte er jedes Mal, wenn er sich vorstellte, und sogar die, die David Bowie gar nicht kannten, schienen das sofort zu kapieren.

»Man darf Minderjährige nachts nicht allein in Autos sitzen lassen«, sagte ich, so überzeugend ich konnte, und mein Bruder sagte: »Mimi, wir würden dir doch was abgeben vom Gewinn«, ohne sich groß Mühe zu geben, glaubwürdig zu klingen. Mein entrüstetes Schnauben beachtete er gar nicht mehr. Ich suchte nach meiner Eintrittskarte, die in der Tasche meines Parkas steckte, um mich zum hundertsten Mal auf dieser Fahrt davon zu überzeugen, dass sie noch da war. Als Benno eine halbe Stunde später den Bus in einer Seitenstraße abstellte, war der graugrüne Karton von meinen Berührungen ganz fleckig und dort, wo Saal links stand, faserig wie Löschpapier geworden.

»Jetzt fummel doch nicht ständig an der Scheißkarte rum, Mimi«, sagte mein Bruder zu mir, nachdem wir ausgestiegen waren.

Wir brauchten nicht länger als zehn Minuten bis zum Haupteingang. Ich merkte mir den Weg, aber ob es ein altes oder ein neues Gebäude war, in dem das Konzert stattfinden würde, welche Form es hatte oder wie groß es war, interessierte mich nicht. Ich hatte nur noch Augen für den glatzköpfigen, sichtlich angeödeten Mann, der mir vom Schicksal als Abreißer zugeteilt worden war und mir nicht einmal ins Gesicht sah, als ich ihm meine Eintrittskarte hinhielt, auf der mittlerweile kein Mensch mehr Saal links hätte entziffern können. Glatze riss das Ticket einfach durch und wunderte sich nicht, dass es dabei praktisch zu Staub zerfiel. Er drückte mir die Reste in die Hand und wandte sich der Person hinter mir zu, und nachdem dieses Problem gelöst war, wartete schon das nächste auf mich: Ich musste die Mitglieder der Mell-o-trons einholen, die, statt sich zu Saal links zu begeben, auf den Bereich vor der Bühne zueilten, in dem sich offenbar die echten Fans aufhielten. Ich verlor sie nur deswegen nicht in der Menge, weil ich mein Leben lang ausreichend Zeit gehabt hatte zu üben, an meinem großen Bruder dranzubleiben, zumal ich seine Aufforderung, mir den Parkplatz vom Bulli genauestens einzuprägen, bereits ein wenig verdächtig gefunden hatte.

»Jetzt sei bitte einfach mal still, Mimi«, sagte Jockel, nachdem ich mich an den Umstehenden vorbeigedrängt hatte und bei ihm angekommen war, aber das hatte er schon auf der gesamten Herfahrt völlig grundlos etwa alle zehn Minuten zu mir gesagt. Er drückte meinen Arm kurz und heftig. Es tat weh, aber das ging in Ordnung. Ich wusste, er war genauso aufgeregt wie ich.

»Sie werden mit Watcher of the Skies anfangen«, sagte Axel. »Sie fangen IMMER damit an. Oder? Benno?«