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Heike Söht

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Beschreibung

Wie geht Liebe, wenn man in der Arbeitswelt funktionieren will? Kaleas Welt besteht aus Zahlen und Analysen. Dort weiß sie, wer sie ist, und kann bereits mit achtundzwanzig Jahren auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken. Doch Tim, ihr Kollege, weckt Gefühle in ihr, die sie nicht einordnen kann. Und welche Rolle spielt ihr neuer Chef? Die Entscheidung zwischen beiden Männern scheint klar, doch das Gefühlschaos ihrer Vergangenheit überschattet ihre Sicht auf die Liebe. Malou, ihre Mutter, stirbt, als sie sechs Jahre alt ist - Was, wenn jede Entscheidung sie vor die Frage stellt: bleiben oder gehen? Leben oder sterben? Wenn das Leben eine Formel wäre, an welchem Punkt in der Gleichung fände die Liebe ihren Platz? Und was, wenn die eigene Vergangenheit so überwältigend ist, dass die Erinnerung daran jedes Mal die Löschtaste drückt? Formelsammlung Trilogie - 1/3

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Seitenzahl: 370

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SVERWEIS (#BEZUG!)
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33

Heike Söht

SVERWEIS (#BEZUG!)

Außerhalb des Suchbereichs

Formelsammlung Trilogie 1/3

XOXO Verlag

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-224-2

E-Book-ISBN: 978-3-96752-722-3

Copyright (2023) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung der Bilder:

Stockfoto-Nummer: 1719409009

von www.shutterstock.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Alte Heerstraße 29

27330 Asendorf

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Herbst 1997

Leise schloss ich die Tür zum Kinderzimmer, nur einen Spalt ließ ich offen. Einen kurzen Moment blieb ich stehen, meine Hand ruhte auf der Türklinke, und ich beobachtete meine Tochter, die durch den leichten Rosaschimmer des Nachtlichts erleuchtet wurde.

Bei ihrem Anblick formten sich meine Lippen automatisch zu einem Lächeln, und die Falte auf meiner Stirn löste sich. Kalea schlief mit leicht geöffnetem Mund, die Schneidezähne standen über der Unterlippe. Ihre neugierigen grünen Augen waren unter den geschlossenen Lidern nur zu erahnen, die Locken lagen in einer mir vertrauten Art wild um sie herum. Die kleinen Ohren standen etwas ab; wenn sie Zöpfe trug, sah man diese Besonderheit, die sie schelmisch aussehen ließ.

Ich liebte es, sie so zu sehen.

Wie so oft lag sie quer im Bett, und ich staunte wieder einmal, wie sie es schaffte, mit angewinkelten Beinen zu schlafen. Die Falte auf meiner Stirn vertiefte sich wieder, denn ich kannte diese angespannte Position - die Suche nach Schutz in ihren Träumen.

Ich seufzte und wünschte, ich könnte die Sorgen, die eine Sechsjährige nicht kennen sollte, durch eine Berührung von ihr nehmen - ein Streicheln über die Wange, ein Spielen mit ihren Fingern oder ein Kuss auf den Nacken, der sie jedes Mal innehalten ließ. Sie kicherte dann wie verrückt, und ihre Augen leuchteten vor Lachen.

Sie war schon jetzt ein ernsthaftes, überdurchschnittlich kluges Mädchen, das viele Fragen stellte und sich selten mit einer einfachen Antwort zufriedengab. Gelegentlich rang ich um Worte und überlegte, ob sie alt genug für die Themen war, die sie beschäftigten. Doch es war nicht an mir, ihr ein Tempo vorzugeben, das lag bei ihr – also gab ich ihr die Antworten, die sie einforderte.

Ich kannte jede Facette meiner Tochter, die dort schlief.

Nachdenklich ging ich durch unseren Flur, berührte mit den Händen die Tapete und fühlte die raue Oberfläche unter meinen Fingerspitzen kitzeln. Ihre gemalten Bilder hingen scheinbar ungeordnet an einer langen Schnur, mit bunten Wäscheklammern befestigt. Ich schlenderte vorbei an ihren Kunstwerken und den ersten Schreibversuchen. Portraits von mir, von sich, von ihrem Vater, immer wieder gleiche Motive im Versuch, die menschlichen Proportionen besser darzustellen, meinen Malstil imitierend.

Diese Schätze - Bilder aus dem Kindergarten – waren Ausdruck ihrer Fantasie, die ich liebevoll betrachtete. Mir gefiel die Art, wie sie Menschen sah, detailverliebt, meist mit einem Hauch von Zauber, großen Augen und einem breit grinsenden Mund. Die Bilder reihten sich aneinander und auf dem Weg an ihnen vorbei flüsterten sie mir ihre ganz eigenen Geschichten zu. Sie glichen einem Zeitstrahl ihrer Entwicklung, und in letzter Zeit kamen immer mehr Zeichnungen von traurigen Einhörnern dazu. Sie malte gerne mit Filzstiften, aber die Zeiten, in denen die Blätter Löcher von zu festem Aufdrücken hatten, waren vorbei. Sie war vorsichtiger geworden, auch beim Malen schon ernsthafter und kontrollierter, als sie es sein sollte. Früher gefielen mir die Löcher, zeugten sie doch von ihrer Leidenschaft, mit der sie ihre Gefühle auf das Papier brachte.

Mein Blick verweilte an den wackeligen Buchstaben, die auf fast allen Bildern zu lesen waren. Mama.

Ich fühlte Freude und Trauer gleichermaßen.

Im Wohnzimmer legte ich sorgsam ihre Wäsche zusammen. Sanft strichen meine Finger über Kaleas Lieblingsleggings, die sie ständig trug und die durch das viele Waschen an Leuchtkraft verloren hatten. Sie zog nur an, was ihr gefiel. Bunte Farben mussten es sein, am liebsten so viele wie möglich - blaue Socken mit Sternenmuster, ihre Regenbogenleggings, darüber ein rosa Rock mit bunten Glitzerkreisen. Auf ihrem Oberteil war ihre Lieblingsreiterin zu sehen. Ich verstand ihren Wunsch - ohne ihre Farben fehlte etwas. Dann war sie nicht komplett.

Ich überlegte.

Was sonst noch?

Ein Abarbeiten endloser Listen, unterbrochen von den kurzen Momenten der Stille.

Ich nahm das Fotoalbum mit dem einfarbigen, grünen Einband in die Hand, dem sich mein Herz die letzten Wochen verschrieben hatte. Die Seiten waren schwer, und das Papier knisterte beim Umblättern, ganz so, als wollte es mir wispernd seine Geheimnisse verraten. Sie waren voll von Bildern aus Kaleas ersten Lebensjahren mit all den bewegenden ersten Malen. Bilder, wie sie vom Baby zum Kleinkind wurde - und dann der plötzliche Sprung zu diesem klugen Mädchen, das am Ende des Flurs im Bett lag und ruhig atmete.

Bewahre diese Geheimnisse gut.

Äußerlich verriet das Album nichts über die großartigen Momente, die es in seinem Inneren beherbergte. Die Seiten lachten bunt und fröhlich um die Wette, mit Aufklebern, Anmerkungen, Erinnerungen und Anekdoten, die Kalea zeigen sollten, wie sehr sie geliebt wurde, dass nie etwas würde vergessen werden, dass jeder Augenblick mit ihr einzigartig war.

Das Album, das so viel mehr war als eine Ansammlung von Momenten. Es war ihr Leben. Es war der Beweis dafür, dass ich da gewesen war, all das miterlebt hatte, dass ich diese Liebe empfunden hatte.

Ich legte die Füße auf einen Stuhl und begab mich auf die Reise durch die Seiten und unser Leben. Meine Augen brannten und in meinem Herzen tobte ein Feuer, das mir den Atem nahm.

Ich liebte diesen kleinen Menschen, der dort am anderen Ende des Flurs lag, über alles.

Ich liebte sie so sehr - und konnte doch nicht bleiben.

Kapitel 1

Juni 2019

Konzentriert starrte ich auf meinen Laptop und ließ meine Finger über die Tastatur tanzen. Sie folgten ihrem eigenen fließenden Rhythmus und liefen mit meinen Gedanken um die Wette. Nach dem nächsten Absatz hielten sie schwebend inne und warteten. Mit gerunzelter Stirn fügte ich einen letzten Absatz hinzu.

Die Umsatzsteigerung liegt laut den konservativen Prognosen bei plus sieben Prozent. Eine Ressourcenerhöhung ist aktuell nicht erforderlich, die gesetzten Ziele werden ohne weitere aktive Beeinflussung erreicht.

Zufrieden lächelnd klickte ich auf speichern.

Meine Gedanken wandten sich von der Arbeit ab und kehrten in die Gegenwart zurück. Verschwitzt und müde erhob ich mich von meinem Bürostuhl und streckte die Arme über den Kopf, um meine schmerzenden Schultern zu lockern. Ein leises Seufzen entwich mir, als sich die Verspannung löste. Es war ein langer Tag gewesen, aber ein guter.

Ich warf einen letzten Blick auf meinen Laptop und begann, die Programme nacheinander zu schließen. Ich war mir sicher, dass die Präsentation stimmig war und die Ergebnisse mein Team weiterbringen würden. Am Montag würden wir sie gemeinsam besprechen und die Aufgaben verteilen. Jedes Teammitglied hatte Stärken und Schwächen, und als Leiterin der Verkaufssteuerung wusste ich genau, wie ich diese für die unterschiedlichen Projekte einzusetzen hatte. Lukas diplomatische Art, Fabians Erfindergeist und Femkes gewissenhafte Herangehensweise waren einzeln nicht herausragend, aber im Zusammenspiel spornte es sie zu Höchstleistungen an.

Kurz bevor ich das E-Mail-Programm schloss, leuchtete eine Nachricht auf, die den neuen Kollegen ankündigte, der in der kommenden Woche anfangen würde. Erleichterung durchströmte mich bei dem Gedanken, dass er die vakante Stelle des Direktors endlich mit Leben füllen würde und ich meine Verpflichtungen als Interimschefin des Strategieteams abgeben konnte. Ich freute mich, meine ganze Energie wieder meinem eigenen Aufgabenbereich widmen zu können.

Ich scrollte durch die Mail. Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen las ich das Loblied auf einen Mann, dessen Vita sehr beeindruckend zu sein schien. Ein zufriedenes Grinsen stahl sich auf meine Lippen, während meine Finger auf die Tischplatte trommelten. Der Austausch mit ihm würde sicher spannend werden. Wobei es seltsam werden würde, wieder einen Chef zu haben, anstatt selbst diejenige zu sein, die Entscheidungen trifft.

Aber so hast du endlich wieder mehr Zeit und weniger administrative Aufgaben.

Mein Kopf erstellte bereits eine To-do-Liste mit Ideen für meine frei werdenden Kapazitäten, und schnell schrieb ich die ersten Punkte auf ein Blatt Papier, bevor sie wie kleine Planeten durch meinen Kopf wirbelten und ich sie nicht mehr zu fassen bekam. Wir lebten im Zeitalter der Smartphones und Tablets, und trotzdem konnte keine Tastatur das gleiche Gefühl vermitteln wie eine handschriftlich verfasste Idee. Den Stift in der Hand zu halten, die Farbe vor mir zu sehen und mich selbst in meiner Handschrift zu erkennen, anstatt eine Taste zu drücken – all das half mir gelegentlich, meine Gedanken zu ordnen und in Form zu bringen.

Drei beschriebene Seiten später schaute ich auf die Uhr und war erstaunt, wie spät es bereits war. Nun, aus meiner Konzentration gelöst, fiel mir die Stille auf der Etage auf. Die meisten Kollegen waren bereits im Feierabend verschwunden, und ich freute mich auf ein freies Wochenende.

Ein Schweißtropfen lief träge meinen Nacken herunter. Es gab Frauen, die schwitzten nicht, sie sahen auch nach einem anstrengenden Sommertag im Büro noch Social-Media-tauglich aus. Ich gehörte nicht dazu.

Also band ich meine Locken, unter denen sich die Hitze staute, zu einem Dutt hoch, rückte meine cremefarbene Seidenbluse zurecht und verstaute den Laptop in meiner Tasche.

Ich nahm ihn meistens am Wochenende mit nach Hause – wenn mir die Gedanken und Ideen durch den Kopf schwirrten und das Papier nicht mehr ausreichte, konnte ich sie beruhigen, indem ich sie ausarbeitete und ihnen Raum zur Entfaltung gab.

Du Kontrollfreak.

So funktioniere ich nun mal, finde dich damit ab.

Ich liebte meine Arbeit, die Tabellen, Zahlen, Grafiken und Prognosen.

Ich war ein Kopfmensch. Ein Erbe meiner Mutter.

Außerhalb des modernen Gebäudes war es noch wärmer und ich keuchte, als mich die heiße Luft umhüllte und sich in meinen Lungen ausbreitete. Das helle Licht des Tages nahm langsam ab und verwandelte sich in einen Orangeton, der einen schwülen Abend ankündigte.

Ich schaute mich um und überquerte die kleine Seitenstraße, die mich in wenigen Minuten in die Stadtmitte leiten würde, doch ich lief in die andere Richtung.

Wobei Stadt sicherlich das falsche Wort für die kleine Gemeinde war. Mit weniger als 50.000 Einwohnern konnte man sie bestenfalls als Kleinstadt, ehrlicherweise eher als Dorf bezeichnen. Einer jungen, fähigen Bürgermeisterin war es zu verdanken, dass aus dem verschlafenen Dorf in den letzten Jahren ein wichtiger Wirtschaftsstandort geworden war.

Im Tal zwischen den großen, eindrucksvollen Bergen wirkte alles entspannt und friedlich. Ich liebte die Ruhe, die hier herrschte.

Ich wohnte nun seit etwas mehr als einem Jahr hier und fühlte mich fernab der Großstadt frei und geerdet. Ich zog das ländliche, manchmal schlichtere Leben dem Trubel in der Großstadt vor und genoss die Gesellschaft der Zugezogenen ebenso sehr wie die der Einheimischen. Die Balance zwischen dosierter Anonymität, die mir in der Stadt nicht gefiel, hier aber genau im richtigen Maße vorhanden war, und der Gesellschaft meiner Kollegen und Freunde fand sich sehr schnell.

Meine Absätze waren auf dem Asphalt kaum zu hören, als ich quer über den Kreisverkehr lief, in eine weitere Seitenstraße bog und vor dem Eingangstor des Gebäudekomplexes stand, in dem ich wohnte. Ein Blick genügte, um mich daran zu erinnern, warum ich vor über einem Jahr meine winzige Großstadtwohnung gekündigt und den Standortwechsel dankend angenommen hatte.

Ich blickte auf das zu Beginn des letzten Jahrhunderts erbaute Anwesen, herrschaftlich und denkmalgeschützt, mit offenen, weiten Räumen und viel Platz für kreative Gedanken. Mein Arbeitgeber hatte es modernisiert und aus dem u-förmigen Gebäude hochwertige Wohneinheiten für seine Mitarbeiter gemacht. Der Esprit und die Atmosphäre des Bauwerks versprühten einen Charme, der mich jedes Mal wie Elizabeth auf Pemberley fühlen ließ. Nur hatten wir keinen Mr Darcy, sondern WLAN, ein Fitnessstudio und einen Pool.

Die Aussicht auf eine schöne, luxuriöse Wohnung hatte nicht nur bei mir die Entscheidung, aus der Großstadt wegzuziehen, begünstigt, sondern viele talentierte Köpfe angezogen. Außer mir wohnten noch 25 weitere Kollegen hier. Wir, die noch keine eigene Familie hatten, lebten dauerhaft hier, andere pendelten am Wochenende nach Hause. Wir hatten uns untereinander gut eingelebt, sodass ich mich trotz der Entfernung zu meinen Verwandten und Freunden nie alleine fühlte. Natürlich förderte das Wohnkonzept automatisch eine tiefere Verbundenheit zu unserem Job und eine Loyalität, die mir in dem Maß bisher fremd gewesen war, und auch der Übergang zwischen beruflichen und privaten Interessen war fließend. Doch ich sah in allem die Vorteile, die überwogen.

Der Türöffner des alten Eisentors summte, als ich die Schlüsselkarte vor den Sensor hielt, es aufdrückte und der Anblick des angelegten Teichs und des großen, weißen Gebäudes mit den bodentiefen Fenstern mich zufrieden lächeln ließ. In der oberen Etage befand sich mein Appartement, dessen Fenster ich von hier aus sehen konnte. Ich ging durch den Eingangsbereich, hielt mich rechts und ging an der Wohnungstür meines Kollegen Tim vorbei die alte Holztreppe hinauf. Das klischeehafte Knarren der Stufen gab mir jedes Mal das Gefühl von Geborgenheit.

Oben öffnete ich die Tür zu meinem Appartement und stand in einem kleinen Flur, der in einen weitläufigen Raum mit Eichenparkett und graublauen Wänden überging. Ich streifte erleichtert die hohen Sandalen von den Füßen und durchquerte mit wenigen Schritten mein Wohnzimmer, von dem aus ich auf das Bergpanorama schaute. Still genoss ich für einen Moment die Ruhe und den Anblick, der sich mir bot.

Entspannt drehte ich mich um und ging zu meinem Kleiderschrank, während ich mich auf dem Weg dorthin aus meiner Culotte und der Bluse schälte. Meine Haut atmete erleichtert auf, als der feuchte Stoff zu Boden glitt und ich die Schranktüren weit öffnete.

Ich stieg auf einen Hocker, um in den ausladenden Regalen nach einem Top zu suchen. Meine Augen leuchteten, als ich stattdessen meine kurzen Shorts mit dem Rentier-Tannenbaum-Muster aus dem Schrank zog.

Die Haare noch immer gegen die Hitze zu einem unordentlichen Dutt hochgebunden, lief ich durch den Wohnschlafraum in meine kleine Küche. Die kühlen Fliesen unter den nackten Füßen fühlten sich erfrischend und nach Feierabend an. Im Kühlschrank fand ich, wonach ich suchte – selbst gemachten Eistee – schlenderte auf den Balkon und fläzte mich in den Hängesessel.

Erleichtert atmete ich aus, der Druck fiel von mir ab, und ich ließ meine Gedanken wandern, vom Job zu den Wochenendplänen, zu unbeantworteten Sprachnachrichten und dem Leben im Allgemeinen. Tief durchatmend fragte ich mich, wie meine Mutter mich sehen würde, wenn sie noch bei mir wäre.

Kapitel 2

Herbst 1997

Vorsichtig zog ich meine Beine unter Kaleas Decke. Aneinander gekuschelt lagen wir in ihrem Bett, das Gutenachtbuch ruhte neben mir und war geschlossen - ebenso wie ihre Augen. Ihr kleiner Arm lag quer über meinem Bauch, ihre Hand fest um mich gelegt. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen und konzentrierte mich darauf, im Hier und Jetzt zu bleiben - bei dem Moment, der nur uns gehörte.

Ich starrte an die Decke und lauschte Kaleas gleichmäßigen Atemzügen. Ich fröstelte. Es waren nicht nur die Temperaturen, die mir zu schaffen machten, sondern auch das unbestimmte, eisige Gefühl, das sich krampfhaft um mein Herz legte und es zu erdrücken drohte. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, und immer wieder schweiften meine Gedanken ab zu ihrem Leben, das ich nicht mehr mit ihr teilen würde. Ich spielte mit einer Locke und meine Finger folgten der Kontur ihrer Wangenknochen.

Du bist perfekt.

Wie wirst du dich fühlen als Erwachsene? Mit Ende zwanzig, kein Kind mehr, aber auch noch nicht zu ernsthaft für verrückte Träume? Hast du deinen Platz gefunden oder bist du noch auf der Suche? Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?

Bist du glücklich?

In Gedanken sagte ich ihr all das, was ich nicht imstande war auszusprechen. Ich würde nicht mehr da sein. Eine Erinnerung strich sanft durch meinen Kopf und ich ließ mich fallen.

Meine Gedanken reisten vier Jahre zurück und ich konnte die Wärme fühlen, die ich damals empfunden hatte. Kalea atmete ruhig und mein Blick verweilte auf ihr.

Du kamst in unser Schlafzimmer getapst, frühmorgens, der Wecker hatte noch nicht geklingelt. Du zogst deine lila-rosa Stoffschlange hinter dir her, das Kopfkissen in der Hand. Seit Kurzem wusstest du, wie du aus deinem Gitterbett klettern konntest. Erst den Schlafsack ausziehen, dann ein Bein über die Gitterstäbe und sich mutig auf den Boden fallen lassen. Du hattest ein unerschütterliches, naives Vertrauen, dass dir beim Fall nichts passieren würde.

Das Kissen und dein Kuscheltier zogst du zwischen den Stäben hervor, bevor du den Flur entlang trippeltest, auf deinem Weg in unser Schlafzimmer. Du standest neben mir, mit verschlafenem Blick und knipstest die Nachttischlampe an. Ich schaltete schlaftrunken das Licht wieder aus, zog dich liebevoll in unser Bett und legte dich auf meinen Bauch. Dein Kopf schmiegte sich in meine Halsbeuge, deine Arme hingen entspannt an mir herunter. Deine Locken kitzelten mich in der Nase und meine Lippen formten sich zu einem müden Lächeln, ebenso wie deine.

»Mama, haiii.«

Deine süße, quietschende Stimme erfüllte den Raum. Ich strich dir sanft über den Rücken und dein Körper wurde schwer, du warst wieder eingeschlafen. Neben uns beiden drehte sich dein Vater im Schlaf auf die andere Seite. Wir waren da, alle drei, und doch war es unser beider Moment. Ich schloss die Augen und schlief mit dir wieder ein.

Liebe.

Meine Liebe zu dir schärfte mein Bewusstsein für die Dinge, die mir wichtig waren. Ich mochte meinen Job, unser Zuhause und alles, wofür unser gemeinsames Leben als Familie stand. Aber am meisten liebte ich dieses Gefühl, wenn ich deine kleinen Füße auf dem Parkett tapsen hörte und wusste, dass meine einzige Aufgabe in diesem Moment darin bestand, dich in den Arm zu nehmen und dich fühlen zu lassen, wie sehr du geliebt wurdest.

Ich würde nicht mehr da sein, wenn sie selbst Kinder hatte und dieses berauschende Gefühl empfand. Ich gab ihr alles, solange ich konnte. Das war ich ihr schuldig.

So lagen wir eine Weile, bevor ich mich erhob und mit einem letzten Blick auf sie die Tür schloss.

Kapitel 3

Juni 2019

Die Eiswürfel im Glas schmolzen und ich beobachtete, wie sie träge durch die Flüssigkeit trieben.

Meine Gedanken verweilten in der Vergangenheit.

Ich erinnerte mich an meine Mutter, weil sie dafür gesorgt hatte.

Ihr Aussehen würde ich nie vergessen, ihre Bilder, Briefe und das grüne Fotoalbum hielten sie für mich lebendig. Die braunen, lockigen Haare waren das Erbe meines Vaters, doch die grünen Augen und den kritischen Verstand verdankte ich ihr. Sie war ebenfalls groß, so wie ich, und ich wusste, dass sie mit ihrem Körper haderte, während ich mich akzeptierte, wie ich war. Schwieriger war es, sich an ihre Stimme zu erinnern. Manchmal nahm ich Fragmente in meinen Gedanken wahr, doch je mehr ich versuchte, sie zu greifen, desto eher verschwammen sie wieder, die Jahre ohne sie hatten sie verblassen lassen. Als Kind hatte ich mich davor gefürchtet, dass sie mir wie Nebel entgleiten würde, aber nun wusste ich, dass das Vergessen ein Teil des Lebens war. Der Kopf musste Platz machen, um Raum für Neues zu schaffen. Und solange ich das Gefühl, das sie mir gegeben hatte, nicht vergaß, nahm ich es hin, nicht alles festhalten zu können.

Die Eckpfeiler meiner frühen Entwicklung hatte sie akribisch dokumentiert und liebevoll zusammengestellt. Obwohl sie mich physisch nur einen kleinen Teil meines Lebens begleitet hatte, prägten mich die Erinnerungsstücke an sie umso mehr.

Mein Vater, Alexander, war älter als meine Mutter, doch das Alter spielte für sie keine Rolle. Nach dem Tod meiner Mutter verließen wir unser Zuhause und mein Vater und ich begannen unseren neuen Lebensabschnitt. Er führte mich durch ein buntes Leben, wir beide als Einheit. In schwierigen, aufwühlenden Situationen erinnerte ich mich an Gespräche mit meiner Mutter – oder vielleicht waren es auch nur sehr lebhafte Träume. Als Kind hatte ich oft das Gefühl, als flüsterte sie mir ins Ohr.

Das erste Mal fühlte ich es kurz nach ihrem Tod. Ich hatte Angst, denn sie war weg und nach den Ferien würde die Schule wieder losgehen. Ich fühlte mich allein und ihr Verlust brannte in meiner Kehle.

Deine Schulzeit beginnt bald wieder und es wird sich weiterhin viel verändern. Du wirst Gewohntes hinter dir lassen, Neues lernen, dich ausprobieren und neue Freundschaften schließen. Hab keine Angst, verschließ dich nicht, es wartet eine bunte Welt auf dich!

Ich weiß, dass du fleißig sein und uns stolz machen wirst, mein Schatz, aber vor allem hoffe ich, dass du neugierig und offen bleibst, mein kleiner Kopfmensch. Dass ich weg bin, bedeutet nicht, dass du alleine bist, sondern nur, dass ich dich von einem anderen Platz aus begleite.

Wenn du etwas nicht kannst, ist das nicht schlimm. Manche Dinge brauchen Übung, sei nicht so ungeduldig mit dir.

Ich bin bei dir.

Meine Kindheit war gefüllt mit solchen Erinnerungen. Als ich klein war, fragte ich mich, woher diese Worte und Gedanken kamen, denn es waren nicht meine. Sie waren in mir, in meinem Kopf und im Herzen, bereit mich zu begleiten, wenn ich sie brauchte. Manche hatten einen imaginären Freund, der mit ihnen durchs Leben schritt - ich hatte die Stimme meiner Mutter.

Anfangs fand ich es tröstlich, als ich älter wurde, beunruhigend, aber viel später war ich dankbar, weil die Erinnerungen meine Kindheit ohne meine Mutter erträglicher machten. Je älter ich wurde, desto seltener fand dieser Austausch, wie ich es nannte, statt, und ich behielt es für mich, aus Sorge, für verrückt gehalten zu werden.

Und noch viel später verstand ich die Zusammenhänge und den Grund, warum meine Mutter nicht hatte bleiben können.

Kapitel 4

Juni 2019

Seufzend stand ich auf, ließ meine Gedanken auf dem Balkon zurück und ging durch mein Appartement, gewillt, meinen Kopf auszuschalten und ihn mit Ablenkung in Form von Tim – meinem Kollegen und Freund - zu füllen.

Als ich barfuß die letzte Stufe herunterstieg, lag ein Lächeln auf meinen Lippen. Ich vermisste meine Mutter noch immer, aber ich hatte das Rüstzeug für ein glückliches Leben. Warum also sollte ich es nicht nutzen?

Ich klopfte, und kurz darauf sah ich nur einen zerzausten, dunklen Haarschopf, der im Türspalt erschien, bevor sich die Tür ganz öffnete.

»Du bist spät dran, kleines Rentier, was war los?«

Entspannt lehnte ein hochgewachsener, gut aussehender Mann im Türrahmen und grinste mich belustigt an.

Seinem Blick folgend schaute ich an mir herunter – und stellte fest, dass ich vergessen hatte, meine albernen Shorts gegen eine etwas mäßigere Variante zu tauschen (vielleicht mit Kirschen, passend zur Jahreszeit). Schulterzuckend nahm ich es zur Kenntnis – es störte mich nicht und ihm bot es nur eine Gelegenheit mehr, mich aufzuziehen, so wie er es für gewöhnlich tat.

In gespieltem Tadel stemmte ich meine Hände in die Hüften.

»Der Weihnachtsmann fürchtet aufgrund der außergewöhnlich warmen Temperaturen um das Weihnachtsbaumwachstum und wir, seine fleißigen Gehilfen, sollen alle Tannenbäume mit Glitzerwasser besprühen. Das hier«, ich zupfte an meiner Hose, »nennt man Arbeitskleidung.«

Ich grinste, ging an ihm vorbei und sah aus den Augenwinkeln, wie er mit den Augen rollte. Ich blieb stehen und tippte ihm auf die Brust.

»Dein Augenrollen habe ich gesehen. Aber du hast nicht wirklich eine ernsthafte Antwort von mir erwartet, oder?«

»Kalea, du bist ein Unikat«, murmelte er kopfschüttelnd.

Sein Blick durchbohrte mich mit seiner gewohnten Lässigkeit, doch ich wusste, dass er nicht mehr erwidern würde. Er akzeptierte, dass ich privat ein Freigeist war, auch wenn er sich gelegentlich über meine Gemütszustände amüsierte.

»Nicht mehr alle Latten am Zaun haben« würde eher passen.

Freigeist, lieber Verstand. Bleiben wir bei Freigeist.

Ich winkte ihn an mir vorbei, und während er durch seine Wohnung ging, die ähnlich gebaut, aber anders eingerichtet war, starrte ich auf seine breiten Schultern, seine schmale Taille und sein zerzaustes braunes Haar. Dank seines unverschämt guten Aussehens hätte er aus einer Vielzahl an Verehrerinnen wählen können, doch er blieb ungebunden (was mein Glück war, sonst hätte ich nicht nach Lust und Laune bei ihm anklopfen können). Meine Hormone waren nicht immer immun gegen ihn, doch ich hatte mich fest im Griff.

Er war Mitte dreißig, erfolgreich und neben seinem Erscheinungsbild mit einem Charme gesegnet, der beruflich wie privat seine größte Stärke sein konnte – und, wenn er es wollte, der Untergang seines Gegenübers. Für ein »Und-sie-lebten-glücklich-bis-an-ihr-Lebensende« war er nicht bereit, wie er selbst sagte, er genoss das Unverbindliche und konzentrierte sich auf seine Karriere. Er würde auch mit Mitte vierzig noch genügend Auswahl haben, um sich festzulegen, weshalb er keine Eile verspürte.

Als Datenschutzbeauftragter war er sich in unserem Unternehmen seiner Unabkömmlichkeit bewusst, seine Fachkenntnisse zeichneten ihn aus, und gäbe es Statuen von unseren Mitarbeitern, so hätten unsere Kolleginnen längst eine für ihn errichtet. Und doch – oder gerade deswegen? – blieb er Single, er hatte nicht annähernd so viele Affären, wie er hätte haben können, und mit Kolleginnen ohnehin nicht. Seinen Marktwert zu kennen bedeutete für ihn nicht, diese Karte schamlos auszuspielen - was ich wiederum an ihm schätzte und was eine gute Basis für unsere Freundschaft bildete.

Und auch, wenn du es nicht laut aussprechen willst: das sind ganz schön viele Worte für eine Frau, die an dem Kerl nicht interessiert ist.

Wirklich toll, einen so spitzzüngigen Verstand zu haben, besten Dank.

Ich setzte mich auf seiner Terrasse in einen der Sessel und dankte ihm mit einem Lächeln, als er mir ein Glas Wasser reichte. Seufzend hielt ich es an meine Wange und spürte das Kondenswasser auf meiner Haut. Ich genoss die Kühle für einen kurzen Moment und schloss die Augen.

Himmlisch.

Es war bisher nicht abgekühlt, und ich spürte den Schweiß meinen Hals herunter rinnen. Ich sah seinen Blick, kurz und flüchtig. Seine braunen Augen flogen für den Bruchteil einer Sekunde abwärts und meinen Hals entlang. Ein mir nicht unbekanntes Kribbeln meldete sich zaghaft. Wessen Ego genoss einen solchen Blick nicht? Schnell schüttelte ich diesen Gedanken ab.

»Also, Kleines, was hat dich aufgehalten? Konntest du dich mal wieder nicht von deinem Schreibtisch trennen?«

Seinen Seitenhieb auf meine Neigung zu Überstunden überging ich.

»Ja, es war viel los im Büro. Ich wollte die Prozesse für mein nächstes Projekt so weit vorbereiten, dass wir am Montag damit starten können. Soweit ich informiert bin, sind dem neuen Kollegen auch die bereits laufenden Projekte unterstellt, und ich weiß nicht, wie schnell er sich der Thematik annehmen wird. Zumindest wollte ich nicht unvorbereitet in unser Onboarding gehen, das wäre unprofessionell und würde keinen guten ersten Eindruck hinterlassen.«

Die Zusammenarbeit zwischen Tim und mir im Büro war professionell, Privates klammerten wir dabei komplett aus. Nicht weil er mich mit seinem Wissen und guten Aussehen irritieren würde, sondern weil ich beides schon immer strikt getrennt hatte.

Doch wenn wir uns nach der Arbeit in unseren Privaträumen aufhielten, verschwammen die Grenzen, verschoben sich Prioritäten und ließen Raum für Interpretationen. Je nach Laune kitzelte es mich, ihn aus der Reserve zu locken, so wie heute. Es blieb, bis auf einen kleinen Vorfall kurz nach meinem Umzug hierhin, stets harmlos, weshalb ich mir keine Sorgen machte, eine unsichtbare und von mir gezogene Grenze zu überschreiten. Auch wenn wir nie darüber sprachen und die Linie der Freundschaft nicht mehr überschritten, gefiel mir diese Gratwanderung. Er war der Erste gewesen, mit dem ich mich hier angefreundet hatte und das bedeutete mir alles.

Ich ließ meine nackten Beine über die Sessellehnen baumeln, meine Füße bewegten sich zur leisen Musik, die Alexa im Hintergrund abspielte.

»Ich habe noch nie erlebt, dass du unvorbereitet warst, Fräulein Überorganisiert. Gibt es denn von meiner Seite noch ein To-do, von dem du mir noch nichts erzählt hast? Soll heißen, wird die kommende Woche durch deine Ideen mal wieder anstrengend für mich und sollte ich mir ein paar Terminblocker setzen, bevor du die Herrscherin über meine Arbeitszeiten wirst?«

Ich schaute ihn leicht amüsiert an.

»Zum einen heißt es Frau Überorganisiert – sei nicht so antiquiert - und zum anderen, sofern dein Feierabend nicht schon um 15 Uhr begonnen hätte, wüsstest du, was dich erwartet, ich habe dir eine Mail geschickt. Aber du kannst beruhigt bis Montagmorgen warten, meine Ideen sollten dir übers Wochenende keine schlaflosen Nächte bereiten.«

Er zog eine Augenbraue hoch.

Moment, wofür ernte ich nun eine hochgezogene Augenbraue?

Vielleicht für die Zweideutigkeit deines letzten Satzes, du Naivling?

Ich schluckte und überging meine Gedanken.

»Für Montagmorgen habe ich dir einen Termin eingestellt – ich weiß, für dein Verständnis ist das mitten in der Nacht – und wir sprechen darüber, was ich von dir für mein Projekt noch benötige und welche Timings ich beabsichtige.«

Bisher wanderte er über die Terrasse, nun ließ er sich mir gegenüber auf die kleine Couch fallen. Er seufzte übertrieben theatralisch. Mein Lachen klang hell von den Wänden wider. Amüsiert sah er mich an.

»Von mir aus. Aber ich denke dir ist klar, dass du den Kaffee mitbringst. Du magst unsere jüngste Direktorin sein, aber Respekt vor dem Alter täte dir trotzdem gut – was du aber jedes Mal vergisst, indem du uns alle in Montagmorgenmeetings quälst.«

Er streckte sich auf der Couch aus und zeigte in gespielter Anklage auf mich. Er tat gerne faul, doch ich kannte nur wenige, die so diszipliniert und engagiert waren wie er.

Ich nippte an meinem Wasser und grinste ihn schweigend an. Seine Muskeln versteckten sich tagsüber unter seinen Anzügen, doch würden die Kolleginnen ihn in dem T-Shirt sehen, das er nun trug, würde so manche Pulsanzeige auf den Fitnesstrackern bedrohlich blinken.

Mein Verstand schaltete sich ein und rügte meinen Bauch.

Wie kann man nur so oberflächlich sein, wo ist deine emanzipierte Seite?

Meine Güte, kauf dir einen Hausfrauenkittel und häkle dir ein Zierdeckchen, du Spießerin.

Eine von uns beiden sollte sachlich bleiben.

Solange ich mich unter Kontrolle habe, ist die hormonbedingte Begeisterung des Offensichtlichen völlig legitim.

Ich blinzelte und wechselte das Thema.

»Also, was wollen wir mit dem heutigen Abend anstellen? Die Bürgersteige sind wahrscheinlich hochgeklappt, alle sind zu Hause, streamen und lösen Kreuzworträtsel. Was schwebt dir vor?«

Herausfordernd lächelnd sah ich ihn an, und er ging den Stimmungsumschwung mit.

»Ich dachte, wir gehen in den Biergarten, aber in dem Rentier-Fummel möchte ich ungern mit dir gesehen werden. Man könnte meinen, ich sei mit meiner kleinen Schwester unterwegs, die nicht weiß, dass Weihnachten erst in einem halben Jahr ist. Und ich glaube, je häufiger du diese Hose trägst, desto ähnlicher wirst du den Tieren. Ich höre dich so laut durch dein Wohnzimmer trampeln, wenn du nach Hause kommst, dass der Putz von der Decke kommt.«

Ob das Rentier-Muster nun den allgemeinen Geschmack traf oder nicht, war vielleicht fraglich, doch sein Blick auf meine Beine strafte seine Worte Lügen. Ich gähnte übertrieben, auch wenn der Schwesternvergleich an mir kratzte.

»Charmant wie immer.«

Sein Grinsen wurde breiter.

»Komm, kleine Weihnachtselfe, geh nach oben, zieh dir etwas an, das deinem Alter entspricht, und lass uns etwas trinken gehen. Wenn du heute keine anderen Verpflichtungen hast oder jemandem versprochen bist, lass uns nach dieser Mammutwoche ein bisschen Spaß haben. Wir treffen uns in 15 Minuten vor der Tür.«

Ich stand auf und summte eine Weihnachtsmelodie, bevor ich, mit einer Hand winkend, nach oben verschwand.

»Wir sehen uns in 30 Minuten. Aber du kannst in 15 Minuten schon vor der Tür stehen und mir dann vorhalten, unpünktlich zu sein, wenn dich das glücklich macht.«

Kapitel 5

Juni 2019

Ich genoss die langen Nächte, wenn es erst spät dunkel wurde, und die milden Abendstunden den Tag verlängerten. Die Sonne wanderte langsam Richtung Horizont, das Licht veränderte sich, und die Geschäftigkeit des Tages wurde durch die entspannte Atmosphäre des Abends abgelöst. Duftende Schwüle umgab uns, überall blühte es, und der Kitsch des idyllischen Kleinstadtlebens amüsierte und berührte mich gleichermaßen.

Wir gingen nach einem spärlichen Abendessen in Form zweier Eiskugeln durch die Straßen der Altstadt, auf dem Weg zum Biergarten. Überall summten Stimmen, Gelächter aus den Cafés wehte zu uns herüber und die Aussicht auf einen Cocktail am Wasser war Motivation genug, mich durch die Wand aus Wärme zu kämpfen.

Ich hatte meine Rentier-Hose gegen grüne Highwaist-Retroshorts und ein schlichtes T-Shirt getauscht (Regel Nummer eins: Wenn du im gleichen Ort lebst, in dem du arbeitest, gehe nicht zu freizügig aus, man weiß nie, wen man trifft) und schlenderte lachend neben Tim her. In seiner dunkelblauen Chino und dem weißen Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln (auch er kannte die Regel) zog er viele weibliche Blicke auf sich, was es in seiner Gegenwart nicht immer leicht machte. Entweder trafen mich neidvolle Blicke, oder ich wurde gar nicht wahrgenommen und verschwand in seinem Schatten. Er bemerkte die Aufmerksamkeit, da war ich mir sicher, aber er ließ es sich nicht anmerken, sondern strahlte wie immer Ruhe und Souveränität aus, mit einem Hauch von Arroganz, der die Frauen davon abhielt, sich ihm auf offener Straße an den Hals zu werfen. Sein selbstsicheres Auftreten wiederum reizte mich, ihn aus der Reserve zu locken, zu triezen und die Fassade des perfekten Mannes bröckeln zu lassen.

Und das ist nicht infantil?

Doch, natürlich.

Wir führten eine amüsante Diskussion, die an Banalität kaum zu überbieten war. Übertrieben süß lächelnd ging ich neben ihm her, während er ernst den Emotionslosen mimte.

»Ehrlich, Tim, dass Buffy am Ende neben Raj im Flugzeug sitzt, hat dich völlig aus dem Häuschen gebracht! Ich dachte, du hyperventilierst neben mir und ich muss deine Beine auf der Couch hochlagern. In deinem Alter ist mit zu viel Aufregung nicht zu spaßen.«

Unsere Vorliebe für Serien, bei ihm unter anderem für The Big Bang Theory, hatte schon zu einigen hitzigen Auseinandersetzungen vor dem Fernseher geführt.

»Ich merke nur an, dass Buffy Kultstatus hat. Und du übertreibst, ich habe nicht hyperventiliert, es war ein schlichtes Oh, wenn ich dich erinnern darf.«

Seine raue Stimme, gepaart mit einer hochgezogenen Augenbraue, hatte schon so manchen klein beigeben lassen, mich allerdings nicht. Ich ließ mich nicht beirren.

»Wie bitte? Du merkst an? Wir sind nicht im Büro, dein hochgestochenes Geschwafel kannst du mir bei dieser brütenden Hitze ersparen – du stehst auf Buffy, so wie jeder Junge in den 90er-Jahren.«

Ich sah in seinem Blick Facetten von Belustigung und etwas anderem – etwas, was dieses angenehme Kribbeln in meinem Bauch auslöste, das ich jedoch sofort runterschluckte.

»Große Töne von einer Frau, die einen Schauspieler aus einer fiktiven Kleinstadtserie anschmachtet, obwohl er in der Serie nicht mal annähernd alt genug für dich aussieht. Ich höre dich seufzen, wenn du auf dem Balkon über mir sitzt, vielleicht schaust du lieber in deiner Wohnung.«

Sein charmantes Grinsen, das eigentlich mir galt, warf die Frau Mitte vierzig, die uns mit ihrem Hund entgegenkam, völlig aus der Bahn.

Muss das irre sein, so eine Wirkung auf Menschen zu haben.

Stirnrunzelnd ging ich weiter.

»Die Serie ist gut, da geht es nicht nur um den Kerl. Es sind die menschlichen Abgründe und die Gewissheit, dass es nur wenig gibt, auf das man sich verlassen kann – seinen Verstand, seine Freunde und im Zweifel auf eine umwerfende Frau, die alles richten kann.«

»Damit kennst du dich ja aus.«

Mein Blick flog zu ihm, doch seine Miene war nicht zu deuten. Adonis war heute offensichtlich in Topform.

So ergingen wir uns in Belanglosigkeiten, bis wir den Eingang des Biergartens mit dem treffenden Namen Bauchgefühl erreichten. Das Gebäude war eine alte Mühle, die ihren Charme durch den Umbau nicht eingebüßt hatte. Das Wasserrad war intakt und drehte sich gemächlich. Die fallenden Wassertropfen glitzerten in der Abendsonne, ich hörte das Rauschen des Wassers, das Knarren des Holzes und ließ mich von der Atmosphäre einhüllen.

Wir betraten die Terrasse über den Seiteneingang und suchten uns einen Platz direkt am Wasser. Tim setze sich, doch ich ging einem Impuls folgend über eine kleine Treppe zum Bach hinunter, zog meine Schuhe aus und tauchte meine Füße ins kühle Wasser. Meine Beine kribbelten bei dem Temperaturunterschied und ich lächelte zufrieden. Der Bach führte zu der Jahreszeit wenig Wasser, weshalb es an dieser Stelle nicht tief war und ich problemlos durchlaufen konnte. Mit den Sandalen in der einen Hand, balancierte ich mich mit der anderen aus und wanderte über größere Steine durch das rauschende Wasser, das meine Knöchel umspielte. Ich sah zu, wie es über die Steine floss, sich an meinen Füßen brach und einen Weg um mich herum fand.

Mit leuchtenden Augen und einem breiten Lächeln sah ich hinüber zu Tim, der mich, zurückgelehnt auf seinem Stuhl, beobachtete. Meine Entspannung wich einem Adrenalinstoß, der nichts mit der Kühle des Wassers zu tun hatte. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine lässig ausgestreckt, saß er unter einem Sonnenschirm, den Körper mir zugewandt, und sah mich unverwandt an. Seine Augen waren gegen die Sonne leicht zusammengezogen, doch der Ausdruck in ihnen ließ keine Zweifel, dass er den Anblick genoss. Meinen Anblick.

Seine Intensität ließ mein Lächeln für einige Sekunden flackern.

Es lag eindeutig eine Anziehung zwischen uns, auch wenn ich zu feige war, ihn zu fragen, ob er das auch spürte oder ob er so daran gewöhnt war, in weiblicher Gesellschaft diese Reaktion auszulösen. Ich überspielte meine aufkeimende Unsicherheit und wanderte tänzelnd zum Bachufer zurück.

Auf dem Weg zu ihm war ich mir seines Blickes bewusst, doch als ich näher kam war das Gefühl, dass ich aus der Ferne überdeutlich gespürt hatte, auf eine freundschaftliche Flamme geschrumpft und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, ob ich es mir nur eingebildet hatte.

Ich setze mich zu ihm und studierte die Cocktailkarte, während die Bedienung an unseren Tisch kam. Freundlich lächelte ich die Kellnerin Anfang zwanzig an.

»Hallo, ich nehme einen Ipanema, bitte.«

Tim legte die Karte ab. »Guten Abend. Für mich bitte zwei Caipirinhas, vielen Dank.«

Bei seinen Worten wurde sie rot und verließ zügig unseren Tisch, mit der hoffentlich richtigen Bestellung in der Hand.

»Übertreib es lieber nicht, zwei Cocktails sind bei dem Wetter nicht zu unterschätzen«, sagte ich und setzte meine Sonnenbrille auf, um ihn nicht die ganze Zeit anblinzeln zu müssen.

»Der eine ist für dich«, erwiderte er und sah mich an. »Deinen Kinderpunsch kannst du zusätzlich trinken, aber heute stoßen wir mit einem richtigen Getränk an. Keine Sorge, von einem wirst du nicht betrunken und wenn doch, besorge ich eine Schubkarre und chauffiere dich nach Hause.«

Verdutzt sah ich ihn an. »Worauf stoßen wir an? Den charmanten Hinweis, mich nach Hause zu karren wie einen Sack Kartoffeln, übergehe ich gekonnt.«

Durch die Sonnenbrille hindurch beobachtete ich, wie seine Augen lächelten und die kleinen Falten sichtbar wurden.

»Der neue Kollege wird Bewegung in die Unternehmensstruktur bringen, weshalb mein Aufgabengebiet ausgeweitet wird. Das bedeutet mehr Arbeit, aber auch mehr Verantwortung und mehr Kohle, die ich gerne in Cocktails mit dir investiere.«

Stolz sah ich ihn an.

»Du wirst befördert? Gratuliere! Mein kleiner Junge wird erwachsen, wie schön!«, neckte ich ihn liebevoll. »Dein Ehrgeiz und Wissen werden dich noch an die Spitze bringen – und wehe du vergisst, wer dich bis dahin stets begleitet hat.«

Ich hob tadelnd einen Finger und er schloss impulsiv seine Hand um meine.

»Man zeigt nicht mit dem Finger auf andere Leute, hat dir das niemand erklärt?«, konterte er dunkel.

Ich hatte noch nie seine Finger um meine gespürt (warum auch, es gab noch keinen Grund dafür), und ich merkte, wie ich errötete. Die plötzliche Berührung war ungewohnt intensiv und passte nicht zu seinem unbeschwerten, neutralen Gesichtsausdruck.

Unsere Cocktails kamen und er ließ mich wieder los.

Kalea, fang dich gefälligst!

»Wie würde ich das jemals vergessen können, wenn du mich doch jeden Tag daran erinnerst?«, griff er meine Bemerkung auf.

Ich verzog meinen Mund zu einem wie ich hoffte unverbindlichen Lächeln und sog an dem Strohhalm meines Cocktails. Ich wusste nicht einmal, was ich gesagt hatte, bevor er mich berührte.

Das alberne Gefühl, die Situation nicht einordnen zu können, ließ mich nicht los, und so lehnte ich mich zurück in der Hoffnung, etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Mein Blick traf zwei mir vertraute Gesichter, die sich auf unseren Tisch zubewegten.

Sofias kurze, knallrote Haare schimmerten in der Abenddämmerung und ihr elfenhaftes Gesicht strahlte, als sie sich neben mich auf einen Stuhl gleiten ließ. Erleichtert über eine Ausrede, mich von Tim abwenden zu müssen, nahm ich unsere Kreativchefin – eine mittlerweile gute Freundin – in die Arme. Wie immer roch sie blumig und in ihrem Sommerkleid sah sie wie ein junges Mädchen aus – niemand würde bei ihrem Anblick auf die Idee kommen, dass hinter dieser zierlichen Frau ein Kraftpaket steckte.

Ihr Lächeln war vielsagend, als sie Tim einen Blick zuwarf, doch ich schüttelte kaum merklich den Kopf und bedeutete ihr, ihre spitze Zunge im Zaum zu halten.

»Wie schön euch hier zu sehen!«, wandte ich mich an ihren Begleiter, der sich auf meine andere Seite setzte und mich mit einem High Five begrüßte. Nick, unser Technik-Gott, ohne dessen unermüdlichen Einsatz unsere Firma schon lange offline wäre, grinste mich breit an. Seine dunkle Haut stand im Kontrast zu dem hellen Shirt, das er trug.

War gutes Aussehen bei den Männern eigentlich ein Einstellungskriterium?

Sein breites Lächeln war ansteckend und ich boxte ihn in die Seite.

»Wenn du deinen Mitarbeitern keinen Dampf machst, was die Ticketbearbeitung angeht, komme ich demnächst persönlich runter und tanze euch mein Anliegen vor, wenn es sein muss, vielleicht bekomme ich dann schneller eine Antwort.«

Seine besonnene Art brachte ihn nie aus der Ruhe. »Liebes, ich habe ihnen gesagt, dass sie deine Anfragen unverzüglich, am besten im Voraus, beantworten sollen. Was soll ich sagen, sie hören einfach nicht auf mich. Komm doch nächste Woche mal mit einem Becher Kaffee aus eurer schicken Kaffeemaschine vorbei, das erhöht deine Bearbeitungsquote ganz bestimmt.«

Ich lachte und prostete ihm zu. »Einverstanden.«

Tim und Sofia unterhielten sich angeregt, und als alle Getränke auf dem Tisch standen, drehte sich Sofia zu mir.

»Ich wollte dir schon die ganze Woche schreiben, ob wir mal wieder zusammen zum Sport gehen? Ich kann mich alleine einfach nicht motivieren. Bei dem Wetter ist es mir zu heiß, aber wir können uns vielleicht morgen Vormittag am Pool treffen und eine Runde schwimmen gehen?«

Ich sog an meinem Trinkhalm. »Sehr gerne, wir haben uns die Woche kaum gesehen, und du hast recht, alleine macht es einfach nicht so viel Spaß.«

Während wir uns weiter unterhielten warf ich einen Blick zu Tim hinüber, der in ein Gespräch mit Nick vertieft war. Ich nahm einen Schluck meines Cocktails und war froh, dass wir nicht mehr alleine waren. Es lag sicher am Wetter, das mein Gehirn vernebelte und mich nicht klar denken ließ.

Das ist Tim, also benimm dich!

Schön, dass mein Verstand den Dienst noch nicht ganz quittiert hatte.

Einige Drinks später war Sofia mitten in einer anschaulichen Schilderung des letzten Fotoshootings einer Kampagne, das aufgrund interner Missverständnisse völlig aus dem Ruder gelaufen war, und ihr die Aufgabe zufiel, die Situation zu entschärfen. Meine Augen folgten ihren gestikulierenden Händen und ich merkte, wie mein Blick schwankte und sich mir fast der Magen umdrehte.

Das waren definitiv genug Cocktails.

Eher schon einer zu viel.

Ich hielt mich unauffällig an der Tischkante fest und stellte beide Füße fest auf den Boden. Ich bereute es bereits, die hohen Schuhe angezogen zu haben, der Rückweg würde mich vor eine Herausforderung stellen.

Ich fing Tims Blick auf, der mich amüsiert über seinen Drink hinweg beobachtete und fragend die Augenbrauen hob.

»Ich werde mich auf den Heimweg machen, das Wetter macht mich fertig und die Cocktails tun ihr übriges.«

Tim sah mich kurz an, suchte den Blick der Kellnerin - süß, wie sie bei seiner Ansprache stotternd errötete - und bestellte die Rechnung für uns beide.

»Ich begleite dich nach Hause, bevor du auf dem Weg verloren gehst.«

Sofia nippte an ihrem Cocktail und grinste mich über den Rand ihres Glases hinweg an. Verständnislos zog ich die Stirn kraus, doch sie antwortete nur mit einem weiteren Grinsen. »Wir sehen uns morgen gegen elf am Pool.«

Ich würde bei jeder Laufsteg-Castingshow durchfallen.

Gewissenhaft setzte ich einen Fuß vor den nächsten, doch mein Gleichgewichtssinn schien mich verlassen zu haben. Ich sah geradeaus und versuchte, so würdevoll wie möglich zu gehen und stellte mir dabei vor, auf einem Drahtseil zu balancieren.

»Schau mich nicht so an, ich kann dein Grinsen bis hierhin spüren«, schimpfte ich.

Tim war kaum noch zu halten vor Lachen.

»Sag mal, Kalea, wie hältst du ein Geschäftsessen mit einem Glas Wein durch, wenn du nach wenigen Cocktails schon nicht mehr gehen kannst, die hauptsächlich aus Saft bestanden?«

Ich straffte die Schultern und gab mir die größte Mühe, nicht einzuknicken und ihn um die erwähnte Schubkarre zu bitten. Bei der Vorstellung entrann ein nicht enden wollendes Kichern meiner Kehle.