Sylter Inselhund - Ben Bertram - E-Book

Sylter Inselhund E-Book

Ben Bertram

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Beschreibung

Als sich unsere Wege auf wundersame Weise kreuzten, war auf einen Schlag alles anders. Mit jedem Tag rückten wir näher zusammen, und schnell wurde aus unserer anfänglichen Zuneigung tiefes Vertrauen. Wir waren im Leben des anderen willkommen und gingen gemeinsam Wege, von denen wir nicht ahnten, dass es sie überhaupt gab. Tatsächlich war es nicht mehr möglich, ohne den anderen zu sein, und so begann eine neue Zeitrechnung, die uns viele Abenteuer bescherte. Natürlich ließen auch Probleme nicht die Finger von uns. Immerhin lebten wir noch vor kurzem in Welten, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch als Team waren wir stark genug, Lösungen für unseren gemeinsamen Weg zu finden. Wir wuchsen aneinander und wussten, dass die endlose Liebe längst ihren Mantel um uns gelegt hatte. Dieses Buch ist ein Sammelband der ersten drei Bücher von: Jake, Sylter Inselhund.

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Inhaltsverzeichnis

Ankunft in Deutschland

Sylter Inselhund

Jake, Sylter Inselhund-

(Sammelband 1)

Von Ben Bertram

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!

Im Buch vorkommende Personen und die Handlung dieser Geschichten sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Text Copyright © Ben Bertram, 2018

Impressum:

Text:

Ben Bertram

Stellauer Straße 30 B

25563 Wrist

E-Mail: [email protected]

Covergestaltung:

Ben Bertram

Motivbild:

© Ben Bertram

Korrektorat / Lektorat:

D. Bartel / D. Awiszus

Ankunft in Deutschland

Kennt ihr das Gefühl, fehl am Platz zu sein? Das Gefühl zu leben und dabei zu wissen, dass ihr eigentlich unerwünscht seid? Vielleicht kennt ihr sogar den Wunsch, geliebt zu werden oder endlich jemanden zu finden, dem ihr eure Liebe schenken dürft? Diese Momente, in denen ihr hofft, dass auch ihr endlich Vertrauen zu jemandem aufbauen könnt.

Mir war es so ergangen und ich möchte es niemals wieder erleben müssen.

Mein Traum war es, einfach nur glücklich sein zu dürfen. Ich hoffte so sehr, dass ich irgendwann einmal geliebt werden würde. Dass ich euch Menschen Vertrauen schenken konnte, ohne dabei enttäuscht zu werden.

Ja, ich wollte Liebe geben, Vertrauen bekommen und mit meinem eigenen Menschen eine glückliche Zeit erleben. Ich wollte ein Herrchen. Jemanden, mit dem ich durch dick und dünn gehen konnte. Jemanden an meiner Seite haben, der mich akzeptierte, wie ich war. Klar war ich anders als andere Hunde. Immerhin war ich vor noch kurzer Zeit ein Straßenhund gewesen. Ich hatte Ängste, war schreckhaft und konnte durch diese Umstände keine Nähe zulassen. Wie auch? Ich wurde verjagt, beschimpft und manchmal sogar getreten.

Doch durfte meine Herkunft wirklich daran schuld sein, dass ich mit meinen jetzt neun Monaten Lebenszeit alleine sein musste? Lag es wirklich daran, dass ich kein Rassehund, sondern ein Mischling war? Zählten nur diese verdammten Äußerlichkeiten? Immer häufiger verfluchte ich die Oberflächlichkeit der Menschen. Ich verabscheute ihre Taten und ihren nicht begründeten Hass.

Allerdings spürte ich auch noch etwas anderes in mir. Ja, ganz tief in mir drin hatte ich noch einen winzigen Funken Hoffnung. Diese Hoffnung und mein Traum vom Glück hielten mich am Leben.

Alleine war ich lange genug gewesen. Auf Zypern war es, wo ich mich als Straßenhund mit meiner Schwester durchschlagen musste. Wir hatten von dem gelebt, was wir auf den Wegen und Höfen gefunden haben. Leider wurden dabei häufiger vertrieben, als dass wir erfolgreich etwas Genießbares zu uns nehmen konnten.

Niemals wieder wollte ich eine solche Zeit erleben. Ob von nun an alles besser werden würde, wusste ich nicht. Doch immerhin wurde ich gemeinsam mit meiner Schwester am 17. Januar nach Eckernförde gebracht. Mit einem Flugzeug war es und ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, welch große Angst ich während des Fluges in meiner kleinen Transportbox hatte.

Gemeinsam waren wir in eine Pflegefamilie gekommen. Zu Menschen, die uns Futter gaben und die mir und meiner Schwester auch zeigten, dass Menschen tatsächlich nette und friedliche Lebewesen sein konnten.

Klar war ich auch hier ängstlich. Anfassen durfte mich die Pflegefamilie selbstverständlich nicht. Wenn sie es trotzdem versuchten, verkroch ich mich einfach unter einem der Sofas.

Nach fünf Tagen passierte etwas Schreckliches. Ich hatte mich gerade ein wenig mit den Menschen arrangiert, da taten sie etwas, was ich ihnen niemals verzeihen würde. Meine Pflegefamilie bekam Besuch von anderen Menschen, und als die irgendwann später wieder gegangen waren, hatten sie meine Schwester mitgenommen. Von diesem Augenblick an war ich alleine. Ganz alleine! Dieser Schmerz war der Schlimmste, den ich jemals erfahren musste. Alles hatte ich bisher mit meiner Schwester zusammen durchgestanden. Gemeinsam waren wir hierhergekommen und ich hatte daran geglaubt, dass nun alles gut werden würde. Zumindest hatte ich es gehofft.

Doch Pustekuchen. Erneut waren es die Menschen, die mir wehgetan hatten. Sehr weh sogar. Es war schlimmer als jede Prügel und als jeder Tritt, den ich zuvor auf Zypern erfahren musste. Jetzt war ich ganz alleine. Alleine bei den Menschen, die mir meine Schwester genommen hatten. Okay, zwei andere Hunde lebten hier mit mir. Doch es waren die Haushunde. Das Verhältnis zwischen den beiden Rassehunden und meiner Pflegefamilie, war ein anderes, und so stand ich einfach irgendwie dazwischen. Ich hatte Menschen und Hunde um mich herum, und doch war ich alleine.

Zwei Tage später kamen zunächst am Vormittag und anschließend auch noch am frühen Abend jeweils unterschiedliche Menschen zu Besuch. Es waren nette und freundliche Familien, die über mich jedoch nicht das Gleiche sagen konnten. Wie sollten sie auch? Eigentlich hatte mich keine der Familien richtig sehen können. Ich hatte mich nämlich nicht nur unter einem Sofa verkrochen, sondern mich zusätzlich auch noch ganz klein zusammengerollt. Egal, was sie gerufen hatten und ebenso egal, welche Leckereien vor das Sofa gelegt wurden, ich hatte mich nicht gerührt. Warum auch hätte ich es machen sollen? Mich erneut auf etwas einlassen oder irgendwelche Menschen an mich heranlassen, wollte ich auf keinen Fall. Ich war einfach an einem Punkt angekommen, der mir sämtliches Vertrauen genommen hatte.

Tatsächlich bekamen wir am nächsten Tag trotzdem wieder Besuch. Eine junge Frau war es, und eigentlich fand ich sie sogar ganz sympathisch. Doch mehr als meine Nasenspitze wagte sich auch heute nicht unter dem Sofa hervor.

Enttäuscht verließ die Frau einige Minuten später das Haus meiner Pflegefamilie.

„So geht das nicht. Raus jetzt. Komme sofort unter dem Sofa hervor.“ Laut und deutlich, fast bedrohlich, hatte der hier wohnende Mann diese Worte gesagt. Da ich nicht auch noch Ärger mit meiner Pflegefamilie haben wollte, gehorchte ich.

„Nie wieder gehst du unter das Sofa. Hier ist ab heute dein Platz!“ Erneut drangen laute und bestimmende Worte in meinen Gehörgang. Schnell verließ ich den Ort unter dem Sofa und sprang auf den alten Sessel, auf den mein Pflegevater während seiner Sätze gedeutet hatte.

Ich habe es ja kapiert. Hier ist also ab heute mein Platz und der Ort unter dem Sofa ist für mich tabu.

Während ich meine Augen geschlossen hatte, liefen meine Gedanken weiter. Eigentlich schien die Frau wirklich ganz nett gewesen zu sein. Beim nächsten Besuch werde ich versuchen, mich nicht zu verkrümeln.

Ich wollte ja schließlich hier weg. Okay, die Pflegeeltern waren ganz friedlich zu mir und Futter bekam ich auch. Doch ich fühlte mich nicht als ihr Hund. Wie auch? Immerhin bekam ich mehrmals täglich zu hören, dass sie mich nur übergangsweise aufgenommen hatten.

Ja, ich wollte versuchen, mich zu öffnen, mehr von mir zu zeigen. Zumindest dann, wenn Besuch kam, der ausschließlich wegen mir dieses Haus betrat und Gutes im Sinn hatte.

Das Problem an der Sache war jedoch, dass ich bis zum heutigen Zeitpunkt keinen Menschen an meiner Seite gehabt hatte. Niemand hatte sich so richtig um mich gekümmert. Was natürlich ebenfalls bedeutete, dass mir niemand beigebracht hatte, wie ich mich in einer solchen Situation zu verhalten hatte. Wie ich mich verhalten musste, damit ich einen eigenen Menschen bekommen würde. Ich kannte mich im Umgang mit Menschen einfach nicht aus, und es schien so, als wenn es sich auch nicht ändern würde.

Wie auch? Niemand wollte mich, und um ehrlich zu sein, war ich kurz davor meinen winzigen Funken Hoffnung zu begraben.

Traurig hatte ich die nächsten Tage auf meinem Sessel gelegen und war nur aufgestanden, wenn eine Hunderunde angesagt war oder die Futterschüssel gefüllt wurde.

Besuch von einem anderen Menschen, der ausschließlich wegen mir hier aufgetaucht war, bekamen wir leider nicht.

Besuch für mich

Dann kam der 30. Januar. Irgendwie herrschte heute Aufregung im Haus meiner Pflegefamilie. Irgendwann hatte sogar ich mitbekommen, weshalb es so war. Nach einigen Tagen ohne Besuch wollte mal wieder jemand kommen, um mich anzusehen.

Muss das sein? Mich will doch sowieso niemand! Genau diese Gedanken hatte ich in meinem Kopf. Sogar unsere morgendliche Runde war ausgefallen. Es ging nur kurz an die Straße, damit ich dort mein Geschäft erledigen konnte. Als die Zeiger der Uhr angezeigt hatten, dass es zehn Uhr war, klingelte es auch schon.

Immerhin ist der Kerl pünktlich. Warum auch immer es mir in diesem Augenblick wichtig war, ich hatte keinen Schimmer.

Natürlich blieb ich auf meinem Sessel liegen. Besser gesagt, ich verzog mich noch weiter in eine Ecke des Sessels hinein und sah dabei zu, wie die beiden Haushunde zur Tür liefen.

Kurze Zeit später kamen alle zurück in das Wohnzimmer. Alle? Nein, es war noch jemand dabei. Der fremde Mann musste der Typ sein, der für die Hektik am heutigen Morgen verantwortlich war. Doch nicht nur das. Wegen ihm durfte ich, anstatt eine Hunderunde zu drehen, nur kurz auf den kleinen Grünstreifen vor unserem Haus.

Wie auch immer. Heute hatten die Menschen Besuch bekommen. Erneut kam jemand Fremdes in dieses Haus, das niemals mein Haus und erst recht niemals mein Zuhause werden würde.

Doch irgendwie fühlte es sich heute anders an. Der Mann, der sich meiner Pflegefamilie mit dem Namen Ben vorgestellt hatte, lächelte ziemlich häufig in meine Richtung. Er tat es von seinem Platz aus, während er dabei einen Kaffeebecher in der Hand hielt. Dieser Ben machte keine Anstalten, mich zu streicheln. Er hatte nicht mal die Idee, mich kurz zu berühren. Nein, er ließ mich sein, wie ich war. Ich wurde nicht aufgefordert, zu ihm zu kommen. Sollte nicht Pfötchen geben oder vor ihm Sitz machen. Er saß einfach auf seinem Platz und schenkte mir ein freundliches Lächeln.

Die Menschen redeten miteinander. Er stellte Fragen über mich und schien interessiert an allem zu sein, was mich betraf.

„Wird der Hund noch größer?“ Mit „der Hund“ war ich gemeint.

Hey, ich habe einen Namen. Zwar einen Blöden, aber immerhin einen, der mir besser gefiel, als einfach nur Hund genannt zu werden.

„Archie ist jetzt ungefähr 41 Zentimeter hoch. Viel größer wird er nicht werden. Vielleicht noch zwei Zentimeter.“

„Okay.“ Was Ben mit diesem Wort ausdrücken wollte, wusste ich nicht. War ich ihm zu klein? Oder vielleicht sogar zu groß?

„Welche Rassen sind eigentlich in dem kleinen Kerl vermischt?“ Während seiner Frage sah er zu mir.

„Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Niemand weiß es. Dafür kann ich Ihnen aber sagen, dass Archie bereits kastriert ist. Leider wurde er es zu früh. Daher weiß er selbst nicht, dass er ein Rüde ist.“

WAS WEISS ICH NICHT? Was denkst du eigentlich, wie blöd ich bin? Entsetzt sah ich zu meinem Pflegevater.

„Okay.“ Erneut sagte Ben lediglich dieses eine Wort.

Dann wurde es still. Ben stellte keine Frage mehr, und auch die anderen hatten lediglich einen erwartungsvollen Ausdruck auf ihrem Gesicht.

Die beiden Hunde meiner Pflegefamilie hatten inzwischen immer wieder aufs Neue versucht, an Streicheleinheiten bei diesem Ben zu gelangen. Doch sie bekamen keine. Zusammengekauert in meiner Ecke, amüsierte ich mich köstlich darüber. Unser Besuch hatte keinen Bock auf die beiden Haushunde. Ja, er ignorierte sie ebenso, wie ich es tat. Er war ein Typ wie ich, und ich musste mir eingestehen, dass mich genau dieses Verhalten neugierig auf ihn machte.

Dann drangen wieder Worte in meine Ohren.

„Archie kann nicht richtig sein Geschäft verrichten. Da er nicht weiß, dass er ein Junge ist, pinkelt er breitbeinig und hebt dabei kein Bein. Leider landet dadurch das meiste auf seinen Vorderpfoten, die daher immer wieder gewaschen werden müssen.“ Mein Pflegevater schien in Redelaune zu sein.

Halt doch einfach mal den Mund. Musst du die ganzen Insider verraten? Warte mal ab, ich werde es selbstverständlich noch lernen.

Was waren das nur für Menschen? Warum sagten sie solche Dinge über mich? Meine Schwester hatte mir gezeigt, wie man sein Geschäft erledigte und ehrlich gesagt, war es doch auch vollkommen egal, wie man pinkelt. Ich war echt entsetzt darüber, wie meine Pflegefamilie über mich sprach. Warum nur stellten sie mich vor unserem Besuch als Vollhonk dar?

Diesen Ben schien es jedoch nicht weiter zu interessieren. Während diese Sätze gesagt wurden, sah er mich einfach nur an. Er hatte einen ähnlichen Blick wie ich. Wir brauchten keine Worte und keine Berührungen. Wir verstanden uns einfach so. Dann sprach der Mann aus meiner Pflegefamilie weiter.

„Auf seinen Namen hört er auch nicht, und da er so ängstlich ist, kann Archie auch nur an der Leine seine Spaziergänge machen. Sie werden eine Hundeschule mit ihm besuchen müssen. Intensiv lernen, damit er ein normaler Hund wird.“

Ein normaler Hund? Hatte ich richtig zugehört? Was bildete sich der denn bitte ein? Ganz ehrlich, so … Meine Gedanken wurden von Ben unterbrochen.

„Ich finde, dass der kleine Mann ein ganz normaler Hund ist.“ Wie geil war das denn? Ich klappte meine Ohren nach vorne und war gespannt, was dieser Ben noch so von sich geben würde. Er hatte mich eben in Schutz genommen. Ben war es egal, was andere über mich sagten oder dachten. Er hatte sich längst ein eigenes Bild über mich gemacht. Ganz ohne Vorurteile, die ihm von anderen aufgeschwatzt wurden.

„Möchten Sie mit dem Hund vielleicht eine Runde drehen?“ Wie aus dem Nichts unterbrach mein Pflegevater die Stille.

„Klar. Gerne sogar. Oder magst du nicht?“ Ben sah mich an. Hatte er tatsächlich gefragt, ob ich mögen würde? Klar hatte ich Lust. Allerdings blieb ich erstaunt liegen. Erstaunt darüber, dass jemandem meine Meinung wichtig war.

Ja ich möchte. Aber nur wir beide! Das war jetzt unser Ding. Ich wollte weder meine Pflegefamilie noch einen der Rassehunde dabei haben.

„Warten Sie, Ben. Ich ziehe mir schnell etwas über und wir kommen mit.“ Ich hätte kotzen können. Warum nur um alles in der Welt wurde mir kein alleiniger Spaziergang mit Ben gegönnt?

„Nein.“

Hä? Hatte ich gerade richtig gehört? Ganz sicher war es jedoch leider nicht so gewesen.

„Haben Sie eben nein gesagt?“ Lachend sah mein Pflegevater zu Ben. Er schien ebenso irritiert gewesen zu sein, wie ich es war. Dann zog er seinen zweiten Schuh an.

„Ja, ich habe nein gesagt. Ich möchte alleine mit Archie nach draußen gehen. Ohne Sie und auch ohne ihre Hunde.“

Ben, du bist schon jetzt mein Held. Wie geil war das denn bitte? Ich amüsierte mich prächtig.

„Okay. Dann bleiben wir eben im Garten. Wenn etwas sein sollte, dann rufen Sie einfach laut.“

Was sollte denn sein? Dieser Gedanke flutschte durch meinen Kopf.

„Was sollte denn sein?“ Fragend sah Ben in die Runde. Tatsächlich hatte er die gleichen Worte gesagt, die ich eben gedacht hatte. Langsam wurde Ben mir unheimlich.

Allerdings auf eine sehr positive Art.

Unser Spaziergang

„Was ist? Kommst du mit?“ Ben sah mich an.

„Er wird nicht mit Ihnen gehen. Archie kennt Sie nicht und mag keine fremden Menschen. Er ist sehr ängstlich, da er viele negative Erlebnisse in seinem bisherigen Leben hatte. Außerdem gehorcht er noch nicht, und auf seinen Namen hört er ebenfalls nicht.“ Während dieser Sätze war ich bereits aufgestanden und hatte mich auf den Weg zu Ben gemacht.

„Da bist du ja. Wollen wir beide eine Runde drehen?“ Ich stand vor Ben und sah ihn an.

Logisch wollen wir. Übrigens finde ich es cool, dass wir alleine gehen.

„Dann mal los.“ Ben kniete sich vor mich hin und befestigte die Leine an meinem Halsband.

„Wir sind dann mal unterwegs. Bis gleich.“ Ohne auf die Worte meines Pflegevaters einzugehen, verließ Ben mit mir das Haus. Warum ich mich an der Seite von Ben anders, als bei allen anderen Menschen zuvor, verhalten hatte, konnte ich mir selbst nicht erklären. Ich fühlte mich von ihm angezogen. Nur angezogen? Nein, ich hatte auch noch das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Sonst wäre es auch nicht möglich gewesen, dass ich mir von ihm die Leine hätte anlegen lassen.

Als wir draußen waren, war mein erstes Ziel der Baum, an dem ich sonst auch immer direkt stoppte. Breitbeinig stellte ich mich auf das kleine Rasenstück, das sich unter dem Baum befand, und ließ einfach laufen. Es tat gut, die Erleichterung zu spüren. Erst nach einigen Sekunden hatte ich bemerkt, dass Ben mich bei meinem Geschäft beobachtete.

Hast du noch nie Hund beim Pieschern gesehen? Obwohl ich nun auch zu Ben schaute, ließ er seinen Blick nicht von mir. Dann spürte ich etwas Feuchtes an meiner linken Vorderpfote. Wieder war es passiert. Erneut hatte ich nicht aufgepasst, und schon lief mir mein eigener Urin über die Pfote. Das Ben es ebenfalls gesehen hatte, da war ich mir sehr sicher. Allerdings sagte er nichts. Stattdessen gingen wir weiter und setzten unsere Runde fort.

Ich durfte schnuppern und überall dort anhalten, wo ich es bisher noch nie gedurft hatte. Sonst ging es immer nach den Nasen der Haushunde. Sie waren es, die das Tempo und die Richtung unserer Spaziergänge bestimmt hatten. Ich war lediglich dabei und wurde von den beiden Rassehunden auch noch belächelt, wenn ich mal wieder nicht dort schnüffeln durfte, wo ich es so gerne getan hätte. Auch andere Hunde durfte ich nicht begrüßen. Ständig wurde ich weggezogen. Ganz anders war es natürlich, wenn einer der beiden Rassehunde einen Kumpel auf der Runde traf.

Als jetzt ein kleiner schwarzer Mischlingshund auf uns zukam, sah ich Ben über meine Schulter hinweg an.

Darf ich? Den kenne ich schon. Henry heißt der Hund und er scheint mich zu mögen.

Tatsächlich blieb Ben stehen und unterhielt sich mit dem Frauchen, während ich Henry freudig begrüßte. Schwanzwedelnd hatten wir uns zunächst gegenübergestanden und uns anschließend nach einem ausführlichen Beschnuppern abgeschleckt.

„Wir müssen dann mal weiter.“ Henrys Frauchen sagte diesen Satz, der dafür gesorgt hatte, dass auch wir unseren Weg fortsetzten.

Meinetwegen hätte unsere Runde niemals enden brauchen. Leider kamen wir doch irgendwann wieder am Haus meiner Pflegefamilie an.

„Da sind Sie ja wieder.“ Mit einem skeptischen Blick wurden wir begrüßt.

„Wir.“ Ben hatte nur dieses eine Wort gesagt.

„Was wir?“

„Nicht nur ich, sondern wir sind wieder da.“ Erneut hatte Ben mir ein Lächeln auf meine kleine Hundeschnauze gezaubert. Dann gingen wir in das Haus hinein. Nachdem Ben mich von der Leine erlöst hatte, machte ich mich wieder daran, meinen Platz auf dem Sessel einzunehmen. Natürlich drehte ich mich so, dass ich Ben von meinem Stammplatz aus gut im Blick hatte.

Auch die Menschen setzten sich, und nachdem einen Augenblick lang niemand etwas gesagt hatte, war es mein Pflegevater, der zu reden begann.

„Hatten Sie schon viele Hunde? Ich meine, kennen Sie sich mit der Haltung von Hunden aus? Kennen Sie die Bedürfnisse von Hunden?“

„Nein und ja.“ Nicht nur ich hatte meine Augen auf Ben gerichtet. Gespannt auf die Reaktion meiner Pflegefamilie, sah ich interessiert auf die Menschen.

„Wie meinen Sie das?“ Erneut war es mein Pflegevater, der die Frage stellte.

„Ich hatte noch keinen Hund und habe auch keine Freunde, die einen Hund besitzen. Aber die Bedürfnisse eines Hundes glaube ich, trotzdem zu kennen. Vertrauen und Liebe sind es.“

Wow, welch coole Antwort. Ich glaubte nur kurz, die Antwort nicht richtig verstanden zu haben. Dann trafen sich erneut unsere Blicke, und ich erkannte, dass ich sehr wohl richtig zugehört hatte.

Vertrauen und Liebe. Immer wieder liefen diese Worte durch meinen Kopf. Beides hatte ich noch nie erfahren dürfen. Allerdings musste ich mir auch eingestehen, dass ich beides auch noch nie verschenkt hatte. Die einzige Ausnahme hierbei war meine Schwester. Wir hatten uns vertraut, und geliebt hatten wir uns sowieso. Ansonsten hätten wir es niemals geschafft, gemeinsam als Straßenhunde zu überleben.

„Aber …“ Meine Pflegemutter wurde direkt von Ben unterbrochen. Meine Vermutung war es, dass er dies alleine wegen diesem Aber getan hatte.

„Ich möchte den Hund gerne haben. An Archies Blick glaube ich zu erkennen, dass er mich irgendwie zu mögen scheint.“ Erneut sah Ben mich während seiner Sätze an.

Was hast du da eben gesagt? Konnte er es wirklich an meinem Blick erkennen? Wow, es ging ihm tatsächlich wie mir.

„Sind Sie sich wirklich sicher? Archie würde es nicht ertragen, wieder abgegeben zu werden. Also, falls Sie irgendwann merken, dass es doch nicht der richtige Hund für Sie ist.“ Ernst sah der Mann meiner Pflegefamilie zu Ben hinüber.

„Ich habe nicht vor, ihn wieder abzugeben.“ Voller Überzeugung sagte Ben diesen Satz und sah mich dabei an. Dann sprach er weiter: „Zwei Fragen habe ich aber doch noch. Wie alt ist der Schlingel eigentlich?“ Noch immer war sein Blick auf mich gerichtet. Er wandte seinen Kopf auch nicht in die andere Richtung, als die Antwort kam, dass ich im April ein Jahr alt werden würde. Dann sprach Ben weiter und stellte seine zweite Frage:

„Kann ich Archie gleich mitnehmen?“ Erst jetzt sah Ben wieder zu meiner Pflegefamilie.

„Nein. Ich muss noch mit der Organisation telefonieren, einen Bericht abgeben und alles andere fertigmachen. Frühestens am Mittwoch können Sie Archie hier abholen. Zumindest dann, wenn ich das Okay bekomme, dass ich Ihnen den Hund aushändigen darf.“

Hey du Sack, merk mal was. Ben möchte mich mitnehmen. Falls du es noch nicht geblickt haben solltest, ich will auch mit zu ihm. Der Typ ist cool. Er lässt mich sein, wie ich bin. Ich muss nicht Männchen machen oder irgendwelche anderen überflüssigen Sachen versuchen. Dinge, die ich nicht kann, und die ich auch gar nicht können will!

„Nein. Morgen hole ich ihn ab. Ich bleibe diese Nacht auf dem Festland und möchte Archie morgen mit nach Sylt nehmen und ihm ein Zuhause geben. Der Papierkram kann auch später erledigt werden. Mein Vorschlag ist, dass Sie mich heute Abend anrufen und mir sagen, ob alles klargeht.“ Nach seinen Worten war Ben aufgestanden und zur Tür gegangen. Im Türrahmen blieb er stehen und drehte sich zu mir um.

„Tschüss, kleiner Mann. Wenn alles klappt, sehen wir uns morgen wieder. Kommst du her und verabschiedest dich von mir?“

Hui, du kannst ja auch blöde Fragen stellen, dachte ich und sprang auf. Nach einem kurzen Schütteln, bei dem meine Ohren immer so schön laut schlackerten, machte ich mich auf den Weg zur Tür. Kurz bevor ich bei Ben ankam, ging er in die Knie und sah mich an. Meine Vorderbeine hatte ich auf seinem Bein abgestützt, während ich ihm ein Küsschen gab. Dann nahm er meinen Kopf zärtlich zwischen seine Hände und sprach mit mir:

„Hey, kleiner Mann. Du bist ein toller Hund. Morgen hole ich dich ab, und dann erobern wir gemeinsam die Welt. Zumindest die Insel Sylt. Ich mag dich jetzt schon total.“

Hatte ich eben wirklich zugelassen, dass mich ein fremder Mann berührt hatte? Und überhaupt, war ich es eben, der seine Vorderpfoten bei einem Menschen auf das Bein gestellt hatte?

Sogar ein Küsschen habe ich ihm gegeben. Erstaunt über mich selbst, trottete ich zurück zu meinem Sofa. Erst als ich bereits wieder lag, schnallte ich, dass das eben ein Abschied war. Nein, Ben sollte bleiben. Schnell sprang ich auf und lief erneut zu ihm. Auf meinen Hinterbeinen stehend umklammerte ich mit meinen Vorderpfoten seinen Arm.

Bitte bleib. Oder nimm mich zumindest mit, wenn du nicht bleiben kannst!

Flehend waren nicht nur meine Gedanken, sondern auch mein Blick.

„Ich verspreche dir, dass ich dich morgen abholen komme.“ Laut und deutlich sprach Ben diese Worte. Nachdem er mich liebevoll dabei angesehen hatte, ging sein Blick anschließend ernst und mit Nachdruck in die Richtung meiner Pflegefamilie.

Kurze Zeit später hörte ich ein Auto. Ben war weg und ich hatte Angst, dass ich ihn niemals wieder sehen würde.

Er hat es mir aber versprochen!

Mit diesen Gedanken legte ich mich auf meinen Sessel und hoffte darauf, dass Ben sein Versprechen halten würde.

Ben ist wieder da

Mindestens fünfmal hatte ich in der letzten Nacht einen mächtigen Anschiss bekommen. Ich wurde immer wieder auf meinen Sessel geschickt und sollte schlafen. Ruhe sollte ich geben, dabei war ich ganz leise. Bellen und knurren tat ich sowieso niemals. Ich hatte es mir auf Zypern abgewöhnt, da mich dort jedes Geräusch verraten hätte.

Eigentlich schlief ich jede Nacht total ruhig, und wenn ich tatsächlich mal nicht schlafen konnte, dann lag ich zumindest still und leise auf meinem Platz. Doch in dieser Nacht war es anders. Immer wieder tapste ich durch das Haus. Lief zur Tür oder horchte nach jedem noch so leisen Geräusch. Ich war total aufgeregt und konnte es kaum erwarten, dass Ben kam, um mich abzuholen. Wie sollte ich denn bitteschön Ruhe finden? Meine Gedanken waren durchgehend bei Bens Worten. Ja, der Typ war nicht mehr DIESER Ben für mich. Er war zu Ben geworden. Zu dem Menschen, von dem hoffte, dass er mich hier herausholte. Ich hoffte so sehr, dass er mein Herrchen werden würde. Mit ihm wollte ich Seite an Seite durch das Leben gehen. Durch unser Leben!

„Ich verspreche dir, dass ich dich morgen abholen komme.“ Genau diese Worte hatte er gesagt und warum auch immer es so war, ich glaubte daran, dass er sie auch in die Tat umsetzte. Allerdings hatte ich gestern nichts von dem abgemachten Telefonat mitbekommen. Wahrscheinlich war das auch der Grund für meine innere Unruhe. Wahrscheinlich?

Quatsch! Selbstverständlich ist das der Grund. Während ich diese Gedanken hatte, lief ich erneut zur Haustür. Allerdings noch leiser als die Male zuvor.

Endlich wurde es hell. Auch die anderen beiden Hunde waren inzwischen aufgestanden und warteten in der Küche darauf, dass es Futter gab. Futter? Ich konnte heute Morgen nichts essen. In mir waren so viel Aufregung und Anspannung, dass ich keinen einzigen Bissen herunterbekommen würde.

Dann kam der Mann meiner Pflegefamilie mit der Leine zu mir. Wo wollte er hin? Wir mussten doch hierbleiben. Immerhin konnte Ben jeden Augenblick hier auftauchen. Mir war nicht nach einem Spaziergang. Ich brauchte keine frische Luft und auch mein allmorgendliches Geschäft würde ich noch eine ganze Weile unterdrücken können.

In die hinterste Ecke unter dem Sofa hatte ich mich inzwischen mal wieder verzogen. Klar wusste ich, dass dieser Platz für mich tabu war. Trotzdem hockte ich jetzt hier und amüsierte mich darüber, dass der Mann vor dem Sofa kniete und wirklich daran glaubte, dass er mich mit diesem blöden Leckerli bestechen konnte. Nein, ich würde so lange hierbleiben, bis es wieder an der Haustür klingelte und ich Ben endlich begrüßen durfte.

„Komm her. Los Archie. Mach schon.“ Klar hatte ich erkannt, dass die Tonlage rauer geworden war.

„Archie nun höre aber …“, die Klingel unterbrach seinen Satz. Während sich der Mann vom Fußboden aufrappelte, schoss ich wie ein geölter Blitz an ihm vorbei und stand schwanzwedelnd vor der Tür. Meine Ohren hatten sich also doch nicht getäuscht, als ich eben ein Auto gehört hatte. Es war das gleiche Auto wie gestern. Ganz sicher war es Ben, der vor wenigen Sekunden den Klingelknopf gedrückt hatte.

„Kommen Sie schnell rein. Nicht, dass uns Archie durch den Spalt der Tür abhaut.“ Mit diesen Worten wurde Ben begrüßt. Zumindest von meinem Pflegevater. Ich hingegen sprang immer wieder aufs Neue an Ben hoch.

Du bist wieder da. Ich habe es doch gewusst. Wie cool. Können wir bitte gleich los? Erst jetzt kamen mir Gedanken zu der Begrüßung meines Pflegevaters an Ben in den Kopf.

Warum sollte ich abhauen? Allerdings schob ich sie gleich zur Seite. Es war viel zu unwichtig, um mir darüber Gedanken zu machen.

Auch die anderen beiden Hunde standen nun an der Tür. Was sie hier wollten? Ich hatte keine Ahnung. Es war mein Besuch, der inzwischen das Haus betreten hatte und jetzt mitten im Flur stand. Mein Herrchen war da, um mich abzuholen. Die beiden Haushunde hatten hiermit nichts zu tun. Sonst hatten sie sich ja schließlich auch nicht für meine Belange interessiert. Während ich mich noch immer darüber ärgerte, dass sie sich nun sogar vor mich gedrängt hatten, trafen mich Bens freudige Blicke.

Mein Herrchen war gekommen, um mit mir zusammen von hier wegzugehen. Leider kam ich nicht mehr an ihn heran, da er von den beiden Haushunden in Beschlag genommen wurde. Immer wieder taten sie das, was ich gerade gemacht hatte. Sie sprangen an Ben hoch und begrüßten ihn freudig.

Nun ist Ben enttäuscht von mir. Bestimmt will er mich jetzt gar nicht mehr haben. Warum machen die beiden Hunde alles kaputt? Und warum greift keiner meiner Pflegeeltern ein? Mit meinem zwischen die Beine geklemmten Schwanz schlich ich von dannen. Ohne mich umzudrehen, tat ich es, und ich war bereits fast an meinem Sessel angekommen, als ich Bens Stimme vernahm. Nein, nicht nur seine Stimme, sondern auch die dazugehörigen Worte drangen in meinen Gehörgang.

„Hey, kleiner Mann. Werde ich etwa gar nicht richtig begrüßt? Ich fand unser Hallo sagen viel zu kurz. Komm her, ich bin doch nur wegen dir zurückgekommen.“ Nachdem ich mich umgedreht hatte, konnte ich Ben ganz deutlich erkennen. Er kniete auf dem Boden und ignorierte die Begrüßung der beiden Haushunde komplett. Dafür strahlte er mich an und sah dabei richtig verliebt aus.

„Mach schon, kleiner Mann.“ Jetzt öffnete Ben auch noch seine Arme. Unsere Blicke trafen sich und ich konnte nicht anders. Im Vollsprint lief ich zu meinem Ben und sprang vor Freude immer wieder an ihm hoch. Mit meiner kleinen und nassen Hundenase verteilte ich Küsschen und schleckte ihm vor Übermut mit meiner Zunge über das Gesicht. Erst einige Minuten später versuchte Ben wieder aufzustehen. Doch ich konnte es nicht zulassen. Genau, wie ich es auch gestern getan hatte, umklammerte ich einen seiner Arme mit meinen Vorderbeinen. Niemals wieder wollte ich mein Herrchen loslassen.

„Hey, kleiner Mann. Ich muss kurz aufstehen. Lass mich hier noch schnell etwas unterschreiben und dann fahren wir nach Hause.“

Nach Hause!

In meinen Gedanken wiederholte ich diese beiden Worte. Sie hörten sich toll an. Auch ich hatte jetzt ein Zuhause. Ein Zuhause und ein Herrchen gleich noch dazu.

Leider konnte ich durch meine Freude etwas anderes nicht mehr kontrollieren. Während Ben die notwendigen Papiere unterschrieb, machte ich einen großen See in die Küche. Bedröppelt ging mein Blick in die Runde. Doch bei einer solch großen Freude kann sowas halt mal passieren. Immerhin hatte ich es ja geschafft, zumindest das große Geschäft zu unterdrücken.

„Viel Erfolg mit Archie.“ Es waren die letzten Worte, die ich von meiner Pflegefamilie hörte. Von mir hatten sie sich nicht verabschiedet. Doch es war auch nicht wichtig für mich. Von diesem Moment an hatte ich alles, was ich mir schon immer gewünscht hatte. Cool fand ich allerdings die Antwort von Ben. Nein, die Antwort meines Herrchens. Seine Worte klangen wie Musik in meinen großen und braunen Schlappohren.

„Wünschen Sie lieber dem kleinen Mann viel Glück mit mir.“ Lachend hatte sich Ben anschließend umgedreht. Dann sah er mich an und fragte: „Bist du bereit? Wollen wir los?“

Und wie ich wollte. Ich konnte es kaum erwarten, in mein, nein in unser, neues Leben aufzubrechen.

Tschüss Vergangenheit

Auf der Rückbank vom Auto lag eine Decke. Ganz sicher hatte Ben diese für mich dorthin gelegt, und so nahm ich, direkt, nachdem ich in den Wagen gesprungen war, auf der Decke Platz.

Was wird das denn jetzt? Irritiert sah ich mein Herrchen an. Mit einem merkwürdigen Geschirr in der Hand hatte sich Ben neben mich gesetzt und wollte es mir, nach einigen liebevollen Worten, auch noch anlegen.

Ganz sicher nicht! Genau so war mein Gedanke, und schon sprang ich hinab in den Fußbereich.

„Hey, du Knirps. Hoch mit dir. Es nützt ja nichts. Leider muss es sein, wenn wir keinen Ärger mit der Polizei bekommen wollen.“ Okay, direkt bei der ersten Fahrt Ärger zu bekommen, war nun auch nicht das, was ich wollte. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was diese Polizei nun eigentlich war, sprang ich wieder auf den Sitz hinauf und ließ Ben gewähren. Außerdem wollten wir los und ich vermutete, dass unsere Abfahrt erst dann starten würde, wenn ich dieses komische Geschirr an meinem Körper hatte. Als das Geschirr angelegt war, klickte Ben noch den Anschnaller in eine der Ösen und beendete sein Tun grinsend.

„Fertig. Siehst du, es war doch gar nicht so schlimm. Oder etwa doch?“ Stolz wurde ich angesehen.

Zugegeben. Schlimm war es wirklich nicht. Aber ich finde, dass es total albern aussieht. Spazieren gehe ich so auf jeden Fall nicht mit dir. Was sollen denn die anderen Hunde von mir denken? Ich kam mir vor wie in einem Strampelanzug. Okay, ganz so schlimm war dieses Teil zwar nicht. Aber ich durfte ja wohl auch mal übertreiben.

Dann setzte sich mein neues, das zugleich auch mein erstes Herrchen war, vorne in das Auto hinein. Wieder konnte ich das Geräusch des Wagens vernehmen. Dieses Geräusch, das eine Wohltat in meinen Ohren war und das ich niemals wieder vergessen würde, da es mich mit meinem Aufbruch in ein neues Leben verband. Doch plötzlich wurde es von einem lauten Ruf übertönt.

„Auf geht es. Die Insel wartet bereits auf dich.“ Wer oder was diese Insel war? Ich hatte keine Ahnung, was Ben gemeint hatte. Wie auch? Ich hatte das Wort Insel vorher noch nie gehört. Trotzdem war ich voller Vorfreude, da ich mir sicher war, dass es mir dort gefallen würde. Ben schien es dort ja auch sehr zu gefallen.

Langsam fuhren wir zunächst durch die kleine Siedlung in Eckernförde, die noch bis eben meine Heimat gewesen war.

Meine Heimat? Nein, ich habe hier lediglich eine kurze Zeit gelebt. Es war keine Heimat und schon gar kein Zuhause für mich. Durch die Fensterscheiben von Bens Auto konnte ich die kleinen Straßen gut erkennen. Die Straßen, durch die ich noch gestern gelaufen war. Gelaufen? Nein! Laufen konnte ich an der Leine nicht. Ich trottete widerwillig neben den anderen her und fühlte mich dabei wie das fünfte Rad am Wagen.

Dann wurde die Fahrt plötzlich schneller. Bis eben hatte sich mein Herrchen ständig zu mir herumgedreht und versucht, mich zu berühren. Jetzt tat er es nicht mehr. Konzentriert ging sein Blick stur geradeaus. Immer auf die Straße gerichtet, die uns nach Norden brachte. Fast eine Stunde fuhren wir sie, bis wir von dieser großen Straße, ich glaube, Ben hatte sie als Autobahn in die Freiheit bezeichnet, abbogen. Von nun an drehte er sich auch wieder häufiger zu mir um. Auch seinen Arm streckte er oft in meine Richtung und mit seinen Fingerspitzen berührte er zärtlich meinen kleinen Kopf. Als er damit begann, mein Kinn zu kraulen, stieg Wohlbehagen in mir auf. Es war ein tolles Gefühl, das ich bisher noch niemals erlebt hatte. Meinen Kopf hatte ich inzwischen noch weiter in Bens Richtung gestreckt. Noch bis gestern hatte ich mich gegen die Berührungen von Menschen gewehrt. Bei Ben war es jetzt anders. Es tat mir gut, seine Nähe zu spüren, und ganz automatisch begann ich damit, seine gepflegte Hand zu schlecken. Ich spürte ein Gefühl in mir aufsteigen. Irgendetwas lösten seine Berührungen in mir aus. Was es war? Ich konnte es nicht beschreiben, da ich dieses Gefühl bisher nicht kannte. Doch es fühlte sich wohlig an. Wohlig und warm war es, was sich in meinem Körper ausgebreitet hatte. Dann sah ich Bens Gesicht. Sein Lächeln war anders als vorhin. Ob es daran lag, dass ich ihm seine Hand geschleckt hatte, wusste ich nicht. Allerdings hoffte ich es sehr.

„Ist dir schlecht? Bekommt dir die Autofahrt nicht? Müssen wir eine Pause machen?“ Gerne hätte ich auf Bens Fragen geantwortet. Doch es war mir nicht möglich. Wie sollte ich ihm erklären, dass es fast Mittag war, und ich heute bisher nur gepinkelt hatte. Mein großes Geschäft hatte ich seinetwegen unterdrückt. Leider begann es jetzt langsam, nein sogar schnell, mich zu quälen.

„Hey, du Knirps. Soll ich anhalten? Musst du was trinken? Willst du etwas futtern?“

Nein ich muss kacken. Dringend sogar!

Selbstverständlich hätte ich auch andere Gedanken benutzen können. Da Ben sie jedoch nicht lesen konnte, war es allerdings egal.

Plötzlich hielt der Wagen und Ben stieg aus. Nachdem er meine Tür geöffnet hatte, wäre ich am liebsten sofort aus dem Wagen gesprungen und in ein Gebüsch gelaufen. Leider ging es nicht. Ich war noch immer in diesem Geschirr gefangen und musste warten, dass Ben mich daraus befreite. Mit ungeschickten Griffen gab er sein Bestes. Allerdings schien er Angst zu haben, dass er mir wehtun könnte.

Mach schon. Ich bin nicht aus Porzellan. Gib Hackengas, sonst wird es hier im Auto gleich mächtig stinken.

Direkt, als ich fertig mit meinen Gedanken war, hatte Ben das Geschirr in der Hand. Ich war frei und konnte los.

„Stopp! Bleib! Sitz!“ Aufgeregt rief Ben diese Worte. Was er mir damit sagen wollte? Ich hatte keinen Schimmer, blieb aber trotzdem wie angewurzelt auf meinem Platz hocken.

Ach nö. Warum das denn? Genervt und ungeduldig sah ich zu Ben.

In seiner Hand hielt er die Leine, die Ben mir auch sogleich an mein Halsband klickte. Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich bei Ben dieses blöde Teil nicht mehr benutzen brauchte. Niemals würde ich abhauen. Ich war doch froh, dass ich endlich ein eigenes Herrchen besaß. Doch in diesem Augenblick war es mir vollkommen Wurst, und das sogar im doppelten Sinne. Wenn ich nicht gleich in einem Gebüsch verschwinden konnte, hatten wir ein echtes Problem. Ein stinkendes Problem sogar, da ich meine Wurst dann im Fahrzeug platzieren würde.

Dann konnte ich endlich aus dem Auto springen. Schnell versuchte ich in das nächstgelegene Gebüsch zu kommen, wurde jedoch abrupt gebremst.

„Sitz kleiner Mann. Hier trink mal was. Fressifressi habe ich auch dabei.“ Gelogen hatte Ben also nicht, als er meiner Pflegefamilie gebeichtet hatte, dass er keine Ahnung von Hunden hätte.

„Nun nimm schon, du musst doch Kohldampf haben. Mache es für mich.“ Flehend wurde ich von meinem Herrchen angesehen. Nur zu gerne hätte ich ihm diesen Gefallen getan. Doch bevor etwas Essbares in mich hinein konnte, musste eine ganze Menge ehemaliges Fressen aus mir heraus.

„Wenigstens ein Schlückchen Wasser. Bitte, du Knirps. Du hast schon ganz große Augen. Wahrscheinlich kommt es daher, dass du Wassermangel im Körper hast.“

Die sind so groß, weil ich dringend mal muss! Kopfschüttelnd sah ich Ben an. Dann zog ich meine Zunge durch die kleine Schüssel, die er extra für mich dabei und inzwischen auch mit Wasser gefüllt hatte. Mit noch immer großen, dazu aber auch noch bittenden Augen, sah ich anschließend zu Ben.

Können wir jetzt? Hey, ich habe sogar für dich ein Schluck Wasser getrunken.

„Dann komm mal mit. Vielleicht magst du ja nach einem Spaziergang etwas mehr trinken?“

Er hat es kapiert. Voller Freude lief ich los und zog dabei ordentlich an der Leine.

„Hey, du Knirps. Nicht so schnell.“

Witzvogel! Zeit für mehr Gedanken hatte ich nicht, da ich ein Gebüsch erreicht hatte und sofort damit begann, einen riesigen Haufen kleiner Würstchen dort zu verteilen.

Das hat gut getan. Wenn du willst, dann fresse und trinke ich jetzt auch was. Ein Grinsen legte sich während meiner Gedanken auf meine kleine Hundeschnauze. Doch anstatt zurück zum Auto und somit auch zu den Leckereien zu gehen, marschierten wir in die Felder. Noch immer amüsierte ich mich darüber, wie Ben sich gefreut hatte, dass ich einen großen Haufen in die Botanik gelegt hatte. Für so was wurde ich vorher noch nie gelobt. Wie hatte Ben es doch so schön gesagt?

„Toll hast du das gemacht, kleiner Mann. Da bin ich aber stolz auf dich.“ Schön und gut, der Haufen war zwar eine ordentliche Ladung. Doch stolz brauchte Ben auf meine Kacke nun wirklich nicht zu sein. Aber so waren sie wohl, die Menschen. Unberechenbar und nur schwierig einzuschätzen. Allerdings gefielen mir seine lobenden Worte um einiges besser, als die Schimpfe, die ich früher immer bekommen hatte.

Die Überfahrt

Dann ging die Fahrt weiter.

Allerdings nicht wirklich weit. Ohne den Stopp an einer Tankstelle, bei der mein Herrchen zunächst irgendetwas mit einem Schlauch in den Wagen gefüllt und sich anschließend einen Kaffee geholt hatte, wären wir noch schneller an diesem für mich großen Bahnhof angekommen. Autos gab es hier viele. Die Wartespur links neben uns war komplett belegt, und auch hinter uns kam ein Fahrzeug nach dem anderen zum Stehen. Etwas später füllte sich auch noch die Spur neben uns.

Wo wollen die denn alle hin? Ich war echt erstaunt und wunderte mich darüber, dass Ben es nicht auch war. Zumindest wirkte er nicht sonderlich beeindruckt davon, dass hier eine riesige Karawane von Autos stand. Viele große und schicke Fahrzeuge waren es. Doch keines der Autos war so schön wie das unsere. Zumindest für mich war es so, da es dieser Wagen war, der mich in meine neue Welt bringen würde. Ich hatte mich längst hingesetzt, da ich viel zu neugierig war, um weiterhin brav zu liegen. Im Sitzen konnte ich alles sehr viel besser begutachten, und so hatte ich ebenfalls schon lange mitbekommen, dass auch andere Hunde mit ihren Menschen unterwegs waren.

Ist Sylt eigentlich eine Hundeinsel? Dort muss es ja mindestens so viele Hunde wie Menschen geben. Erstaunt wechselte ich meinen Blick vom Fenster zu Ben.

„Da staunst du wohl, kleiner Mann. Es sind viele Hunde on Tour. Nicht nur du bist auf dem Weg nach Sylt.“ Während ich wieder aus dem Fenster sah, gingen mir Bens Worte durch den Kopf. Nein, ich hatte mich nicht darüber gewundert, dass er ebenfalls die anderen Hunde entdeckt hatte. Um einiges mehr war ich dafür erstaunt, dass er scheinbar mal wieder meine Gedanken hatte lesen können. Dann lächelte ich in mich hinein und dachte: Warum nur hatte er es nicht getan, als ich dringend mein Geschäft erledigen wollte?

Doch jetzt war es egal. Mit einem neugierigen Blick sah ich aus dem Fenster und erkannte weit vor uns viele Lichter. Sie sahen fast so wie die Ampeln in Eckernförde aus. Allerdings gab es hier meiner Meinung nach keinen Grund für Ampeln.

Wann geht es los? Müssen wir hier noch lange stehen und warten? Selbstverständlich konnte ich nicht mit einer Antwort meines Herrchens rechnen. Nichtsdestotrotz hatte ich Ben während meiner Gedanken angesehen.

„Gleich fahren wir mit dem Autozug und dann sind wir auch schon da. Lange wird es nicht mehr dauern. Noch dürfen wir nicht. Schau mal da vorne. Die Ampeln sind rot.“

Du bist der Wahnsinn. Freudig schleckte ich meinem Herrchen über das Gesicht. Ben hatte sich, während wir in der Schlange warten mussten, neben mich gesetzt und war dabei mir sanft den Nacken zu kraulen. Ich genoss es total. Nicht nur das Kraulen selbst, sondern auch diese Nähe zwischen uns, die bereits jetzt nach unserer kurzen gemeinsamen Zeit sehr besonders für mich war.

„Schau mal. Die Ampeln sind auf Grün gesprungen. Ich muss wieder nach vorne und mich an das Lenkrad setzen.“

An das Lenkrad? Ich denke, wir fahren Zug?

Das Leben der Menschen war schon verflixt kompliziert. Zumindest ich empfand es so, was natürlich daran lag, dass ich von der realen Welt der Menschen noch nicht wirklich viel mitbekommen hatte. Doch genau das würde sich jetzt ändern. Mit Spannung und Vorfreude wartete ich darauf, was gleich geschehen würde. Mit einem Kuss auf meine kalte Lakritznase hatte sich Ben vor seinem Ausstieg aus dem Wagen von mir verabschiedet.

„Kuckuck. Da bin ich wieder.“ Ben lachte, als er wieder in das Auto gestiegen war und mich jetzt von seinem Platz hinter dem Lenkrad ansah. Dann startete er den Motor. Ein weiteres Mal durfte ich dieses Geräusch hören, das ich so sehr mit meiner Befreiung verband.

„Juhu, wir dürfen nach oben.“ Was genau Ben mir mit diesem Satz sagen wollte, ich hatte echt keinen Schimmer. Allerdings freute ich mich darüber, dass er sich gefreut hatte.

Plötzlich wurde es laut. Scheppernd war wahrscheinlich der bessere Ausdruck für die Geräusche, die in meine Ohren drangen. Auf beiden Seiten unseres Fahrzeuges befand sich ein Geländer aus Stahl und ich wunderte mich schon ziemlich darüber, weshalb diese Straße so eingezäunt war.

„So. Hier bleiben wir stehen. Der Zug bringt uns jetzt auf die Insel.“

Welcher Zug? Irgendwie fühlte ich mich etwas überfordert. Ob mein Herrchen erneut meine Gedanken gelesen hatte, oder ob es lediglich Zufall war, interessierte mich nicht. Dafür hörte ich allerdings aufmerksam bei seiner Erzählung zu.

„Wir sind mit unserem Wagen auf einem Autozug. Mit diesem Zug werden wir über den Hindenburgdamm gebracht und sind in ungefähr vierzig Minuten auf Sylt.“ Ben hatte mir genau die Frage beantwortet, die ich mir gerade gestellt hatte.

Aha. Na dann mal los. Neugierig drückte ich meine Nase gegen das Fenster. Begriffen hatte ich es zwar noch immer nicht, aber ich wollte mich gerne überraschen lassen.

Dann setzte sich der Zug endlich in Bewegung. Wir fuhren, obwohl Ben sich mit den Knien auf seinem Vordersitz gehockt und sich zu mir umgedreht hatte. Erneut begann er damit, mich zu kraulen. Vorsichtig und zärtlich tat er es. Sofort kroch dieses wärmende Gefühl in mir auf. Diese Magie, die dafür sorgte, dass ich mich wohlig fühlte.

Hey, schau mal. Da ist überall Wasser. Staunend blickte ich aus dem Fenster.

Kann der Zug über das Wasser fahren?

„Cool oder? Hier ist nur noch ein Damm. Hindenburgdamm heißt er und auf diesem Damm befinden sich Schienen, die extra für die Züge gebaut wurden.“

Aha. Was es alles so gibt. Erst jetzt hatte ich geschnallt, dass Ben und ich uns unterhielten. Zumindest schien es so zu sein, obwohl es doch eigentlich gar nicht möglich war.

Plötzlich veränderte sich Bens Blick.

Ernst sah er mich an. Viel zu ernst für meinen Geschmack. Es war ein Gesichtsausdruck, den ich von ihm bisher noch nicht kannte. Dann sprach er zu mir. Besser gesagt, dann stellte er mir eine Frage.

„Sag mal, kleiner Mann. Wie wollen wir dich überhaupt nennen?“

Wie du mich nennen sollst? Ich habe doch einen Namen. Allerdings kannst du mich nennen, wie du möchtest. Die Hauptsache ist, dass du lieb zu mir bist.

„Oder magst du den Namen Archie? Würdest du sagen, dass er zu dir passt? Ich finde ja, dass man den Namen nur schwierig rufen kann. Er hört sich beim Rufen nicht so schön an.“

Da hast du recht. Immer wenn meine Pflegefamilie mich laut Archie gerufen hat, klang es irgendwie wie Arschi. Alle anderen Hunde haben mich dabei immer blöd angesehen.

Lange sahen wir uns an. Ich konnte erkennen, wie Bens Gehirn am Arbeiten war. Plötzlich lockerte sich sein Gesichtsausdruck. Es schien so, als wäre ihm gerade eine Idee gekommen. Dann nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände und lächelte.

„Jake. Was hältst du davon, wenn wir dich Jake nennen? Ich finde, der Name passt perfekt zu dir. Er ist frech und cool zugleich.“ Erwartungsvoll wurde ich angesehen.

Jake ist klasse. Au ja, bitte nenne mich genau so. Zum Dank schleckte ich Ben quer durch sein Gesicht.

„Du gibst mir ein Küsschen? Dann bist du wohl mit dem Namen einverstanden? Das freut mich.“

Ja … Ja … Ja …! Jake mag ich heißen.

Einen Augenblick lang herrschte Stille im Auto. Dann öffnete mein Herrchen sein Fenster und streckte den Kopf hinaus.

„Sylt wir kommen. Jake und Ben sind gleich zu Hause!“ Laut rief er diese Worte in Richtung Sylt.

Der Beginn meiner neuen Welt

„Willkommen auf Sylt!“ Kurz, nachdem Ben diese Worte ausgesprochen hatte, kam unser Autozug auch schon zum Stehen.

Fahr doch einfach los, Ben. Dann können wir endlich aus dem Wagen aussteigen. Fragend sah ich mein Herrchen an.

„Nun macht schon. Wir wollen hier runter. Findet ihr die Gaspedale nicht?“ Okay. Immerhin wusste ich jetzt, dass Ben auch so schnell wie möglich vom Zug wollte. Außerdem hatte ich begriffen, dass es nicht an ihm lag, dass wir noch immer hier standen.

„Endlich, ihr Schnarchnasen.“

Ihr was? Sekundenbruchteile später wusste ich, was Ben mit diesem Ausdruck gemeint hatte. Die anderen Autofahrer hatten das Gaspedal für sich entdeckt und fuhren los. Auch Ben hatte inzwischen den Motor gestartet. Während ich dieses liebliche Geräusch in meinen Ohren vernahm, setzten wir uns auch schon in Bewegung. Langsam fuhren wir dem Auto vor uns hinterher. Am Ende vom Zug machten wir eine scharfe Rechtskurve und fuhren anschließend eine Rampe hinab. Wir hatten den Zug verlassen. Unser Auto befand sich jetzt direkt auf der Insel. Auf Sylter Boden! Gleich würden auch meine Pfoten zum ersten Mal diesen Boden berühren. Den Boden meiner neuen Heimat.

Ben hatte das Fenster einen kleinen Spalt geöffnet. Neugierig und wissbegierig steckte ich meine Nase durch diesen Spalt hindurch. Sie passte gerade so in diesen Ritz, und ich begann sofort damit, meine neue Heimat zu erschnüffeln.

Klar roch es hier am Bahnhof nach Zügen. Auch die Abgase der Autos waren deutlich wahrzunehmen. Doch ich konnte noch viele weitere Gerüche erkennen. Gerüche? Nein, es waren Düfte, die in meine Schnüffelnase stiegen. Einige waren mir fremd. Trotzdem empfand ich sie wunderschön. Die dufteten nach Abenteuer, nach Freiheit und nach Freude.

Hier bin ich richtig. Danke Ben, dass du mich ausgewählt hast.

Leider hatte Ben meine Gedanken nicht gelesen. Oder wollte er nur nichts zu ihnen sagen?

„Schau mal. Dort ist die Polizei. Da liegt Susi’s Syltkantine und dahinten kommt gleich der Bahnhofsvorplatz. Du musst links aus dem Fenster gucken, dann kannst du die großen grünen Figuren sehen. Jetzt, Jake. Schau mal.“ Ben war total aufgeregt, und ich freute mich darüber, dass es nicht nur mir so erging. Wir waren uns wirklich sehr ähnlich und ein klasse Team. Ja, ich wusste es bereits jetzt. Genau wie ich wusste, dass ich mich hier ganz bestimmt sehr wohl fühlen würde.

Voller Neugier und obendrein auch noch mit einem neuen Namen sah ich aus dem Fenster. Wir fuhren durch die Straßen meiner zukünftigen Heimat. Ich war auf Sylt angekommen und gespannt darauf, was mich hier alles erwarten würde.

Noch immer war mein Herrchen unentwegt dabei, mir Orte zu zeigen. Orte, die wir bald gemeinsam besuchen würden. Mir jetzt alle zu merken, war nicht möglich. Viel zu viele neue Eindrücke prasselten auf mich ein.

Leider sorgten diese Eindrücke jedoch ebenfalls dafür, dass ich immer ruhiger und ängstlicher wurde. Zusammengekauert lag ich auf der Rückbank und hatte meine Nase zwischen meinen Beinen versteckt. Getreu dem Motto, wenn ich niemanden sehe, sieht mich auch keiner, verhielt ich mich. Auch wenn ich mich gerne weiterhin mit Ben gefreut hätte, ging es in diesem Augenblick einfach nicht.

Ben schien es zu bemerken. Mit jedem Meter, den wir fuhren, wurde er stiller. Sanft hielt er meine Pfote und lenkte das Fahrzeug nur noch einhändig.

Erst als wir anhielten, sagte er wieder etwas zu mir.

„Wir sind da. Hier wohnen wir ab heute zusammen. Komm Jake, wir schauen nach, ob du dich in meiner Wohnung wohlfühlst.“

Danke, dass du mich bei meinem Namen nennst und dann auch noch von unserem Zuhause sprichst.

Mein kleines Hundeherz schlug vor lauter Freude ganz schnell. Sogar mein Schwanz, den ich noch immer meistens eingeklemmt und zwischen meinen Hinterbeinen hindurch unter dem Bauch trug, löste sich etwas.

---ENDE DER LESEPROBE---