Systemische Führungskräfte-Entwicklung - Mark Thiel - E-Book + Hörbuch

Systemische Führungskräfte-Entwicklung E-Book und Hörbuch

Mark Thiel

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Beschreibung

Die global gestiegene Komplexität der Wissens- und Informationsgesellschaft stellen Organisationen vor enorme Herausforderungen, für die in Zukunft neue Führungsdenkweisen und -instrumente nötig sind. Das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Haltungen z. B. zwischen den "Old-school-Führungskräften" und den Werten der Generation Y bringt ein hohes Konfliktpotenzial. Nur in der Reflexion der eigenen Werte und Ziele ist es möglich, dieses Konfliktpotenzial zu lösen und ein gemeinsames Miteinander zu entwickeln. Um diesen Herausforderungen optimal und nachhaltig begegnen zu können, ist das Ziel der 7-Stufen-Methode die Entwicklung von individuellen Lösungen für einzelne Führungskräfte - sowohl in ihren persönlichen Beziehungen als auch in und zwischen den Führungsteams.  Die stufen-weise Integration aller Hierarchieebenen einer Organisation, auf der Grundlage einer verbesserten Kommunikation zwischen den Hierarchien, führt zu einem echten Führungsteam. Erst wenn die gesamte Unternehmensspitze als Führungsteam zusammenarbeitet, ist die langfristige Zukunft des Unternehmens gesichert.

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Zeit:6 Std. 49 min

Sprecher:Heiko Grauel

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[5]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumAbbildungsverzeichnisWarum dieses Buch?1 Einführung1.1 Worauf unsere Arbeit aufbaut: Grundannahmen zum gesellschaftlichen und unternehmerischen Miteinander1.2 Die Rolle von Führung in der Transformation zur Postwachstumsökonomie2 Grundlagen der Systemischen und Soziokybernetischen Führungskräfte-Entwicklung2.1 Der Sieben-Stufen-Prozess der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung2.2 Die Entwicklung der Führungskultur2.3 Die Soziokybernetik systemischer Führungskräfte-Entwicklung2.4 Sinnzentrierte, werteorientierte Führung auf Augenhöhe durch eine Kultur des Vertrauens2.5 Die Basis des Sieben-Stufen-Prozesses zur Führungskräfte-Entwicklung2.5.1 Zeitlicher Ablauf2.5.2 Sich einlassen auf das Sieben-Stufen-Programm3 Auftakt: Systemische Führungskräfte-Entwicklung – der Auftrag4 Stufe I: Geschäftsführung trifft Coaches4.1 Fallbeispiel 1: Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens4.2 Fallbeispiel 2: Zukunftsorientierte Firma mit Führungsduo4.2.1 Die Bedeutung der inneren Haltung4.2.2 Ergebnisse der Eröffnungsrunde4.3 Regeln als Rahmen der Zusammenarbeit4.4 Fallbeispiel 2: Zukunftsorientierte Firma mit Führungsduo4.5 Der iterative Prozess der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung5 Stufe II: Bereichsleitung trifft Coaches5.1 Fallbeispiel 1: Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens5.2 Fallbeispiel 3: Lehrerkollegium einer Waldorfschule5.3 Fallbeispiel 1: Der Einsatz der Teamuhr5.4 Die Systemaufstellungen5.4.1 Die Aufstellung komplexer psychosozialer Beziehungen und Systeme5.4.2 Die Aufstellung der vier Ecken5.4.3 Die Aufstellung in Fallbeispiel 16 Stufe III: Abteilungsleitung oder Teamleitung trifft Coaches6.1 Teamaufstellung Mann/Frau6.2 Teamaufstellung Geschwisterkonstellationen6.2.1 Das erstgeborene Kind6.2.2 Einzelkinder6.2.3 Die zuletzt geborenen Kinder6.2.4 Sandwichkinder6.3 Fallbeispiel 4: Teamleitung einer Psychiatrie6.4 Wertschätzung als Basis der Zusammenarbeit6.5 Das Dilemma in Stufe III6.6 Fallbeispiel 4: Die systemische Abfrage7 Stufe IV: Geschäftsleitung trifft Bereichsleitung und Coaches7.1 Fallbeispiel 5: Führungsteam einer großen Klinik7.2 Ausdruck und Austausch von persönlichem Erleben7.3 Aufstellung »Das innere Boot des Lebens«7.4 Woher nehmen wir die Energie für Veränderungen?8 Stufe V: Bereichsleitung trifft Abteilungsleitung und Coaches8.1 Fallbeispiel 6: Führungskräfte eines Energieversorgers8.2 Achtsamkeit und Kohärenz im Führungsverhalten8.3 Fallbeispiel 7: Führungsteam eines sozialen Unternehmens9 Stufe VI: Geschäftsführung trifft Bereichsleitung, Abteilungsleitung und Coaches9.1 Fallbeispiel 8: eine Outdoorübung9.2 Erarbeitung der Leitbilder10 Stufe VII: Alle treffen alle und noch mehr …10.1 Fallbeispiel 5: Führungsteam einer großen Klinik10.2 Wie gelingt der Transfer in den Alltag?10.3 Führungsstile – eine Aufstellung10.4 Die Sinn-Vision als Instrument für Führung10.5 Fallbeispiel 8: Die Erarbeitung der Werte10.6 Abschluss des Sieben-Stufen-Prozesses11 Aus der Praxis: Beispiele für Teamentwicklungen11.1 Beispiel 1: Veränderung der Leitungssituation11.2 Beispiel 2: Aufarbeitung und Befriedung alter Verletzungen11.3 Beispiel 3: Eskalation und die Folgen11.4 Fazit12 Die finale Stufe: Erarbeitung der Unternehmens-Sinn-Vision und der Führungsgrundsätze12.1 Führen ist ein dienender Akt!12.2 Die Soziokybernetische Führungskräfte-Entwicklung in der Praxis12.3 Der Prozess der Entwicklung von Führungsgrundsätzen13 Evaluierung im Anschluss13.1 Die Evaluierung13.2 Die Feedbacks13.3 Führungskräfte-Feedback – ein Beitrag zur Vertrauenskultur14 Ein Schlusswort: Danke15 Ausblick – Wie geht es weiter?Anhang1. Feinplanung Systemische Führungskräfte-Entwicklung, Stufe VII (Beispiel)1. Tag: 09.00 bis ca. 20.00 Uhr2. Tag: 09.00 bis ca. 17.00 Uhr2. Evaluierung einer Führungskräfte-Entwicklung (Beispiel)Zwei Tage, jeweils 09.00–17.00 UhrAnalyse der Kommunikations- und BeziehungskulturEntwicklung des Führungsteams3. Reflexionen – Der Sieben-Stufen-Prozess aus Sicht einer Führungskraft19 LiteraturStichwortverzeichnisDie Autoren
[1]

Hinweis zum Urheberrecht:

Alle Inhalte dieses eBooks sind urheberrechtlich geschützt.

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Dafür vielen Dank!

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Reihe Systemisches Management

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-5226-7

Bestell-Nr. 10657-0001

ePub:

ISBN 978-3-7910-5227-4

Bestell-Nr. 10657-0100

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ISBN 978-3-7910-5228-1

Bestell-Nr. 10657-0150

Mark Thiel/Heike Linnepe

Systemische Führungskräfte-Entwicklung

1. Auflage, September 2021

© 2021 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Lektorat: Barbara Buchter, extratour – Büro für Verlage, Freiburg

Grafiken: Christoph Weis / Team Claudia Wild, Konstanz

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[9]Abbildungsverzeichnis

Abb. 4.1:Das Vierfaktorenmodell der Themenzentrierten InteraktionAbb. 4.2:Das Kommunikationsquadrat für FührungskräfteAbb. 5.1:Die fünf Phasen der TeamuhrAbb. 5.2:Das Inselmodell: Teil I – Selbstführung, Insel für ein IndividuumAbb. 5.3:Das Inselmodell: Teil II – Teamführung; Beispiel »Inseln und eine leitende Insel im Kreis«Abb. 5.4:Das Inselmodell: Teil III – Systemführung; hierarchisch angeordnete Inseln in einer kaskadischen Anordnung von links nach rechtsAbb. 6.1:Das innere Team nach Friedemann Schulz von ThunAbb. 7.1:Die Maslowsche BedürfnispyramideAbb. 7.2:Diese Figuren, die wir zur Verfügung stellen, dienen in der Aufstellungsarbeit als StellvertreterAbb. 7.3:Anordnung von Reflecting Team und Interview-SystemAbb. 7.4:Fragen zu Grundbedürfnissen und Werten aller BeteiligtenAbb. 9.1:Ziele der Systemischen Führungskräfte-EntwicklungAbb. 10.1:Fluggänse in FormationAbb. 10.2:Entwicklung der Sinn-Vision im UnternehmenAbb. 10.3:Vier Schritte zur Sinn-VisionAbb. 12.1:Soziokybernetischer Kultur-, Führungskräfte- und Teamentwicklungsprozess für Organisationen mit drei HierarchieebenenAbb. 13.1:Beispiel eines Feedback-Bogens zum systemischen Führungskräfte-EntwicklungsprozessAbb. 17.1:Die Teamentwicklung, dargestellt auf der Teamuhr im Verlauf der zwei Tage

[11]Warum dieses Buch?

Wir, das Beraterteam von führungs-kräfte.net, arbeiten als »zweigeschlechtliches« Berater-Tandem seit vielen Jahren in der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung zusammen. In diesem Buch möchten wir unsere Erfahrungen, Ideen und unser Wissen über kulturelle Veränderungsprozesse allen Führungskräften und deren Beratern zur Verfügung stellen, um mit vielen Gleichgesinnten eine demokratische, solidarische, ökologische, soziale und somit nachhaltige Wirtschaftsordnung mit flachen Hierarchien aufzubauen und den dafür nötigen freien, kooperativen und co-kreativen Raum zu öffnen.

Um diesen Prozess positiver gesellschaftlicher Veränderung langfristig zu unterstützen, haben wir 2019 das Institut für Führungskultur Kybernesis e. V. in Bochum gegründet, das in Kapitel 15 genauer vorgestellt wird. Das Ziel ist es, mit mehr Zivilcourage und einer Gemeinwohlökonomie die Kluft zwischen Arm und Reich und das Erstarken von populistischen und rechtsradikal gesinnten Kreisen zu überwinden.

Wir haben dieses Buch geschrieben, um visions- und mutvoll aufzuzeigen, wie Organisationen ihren Umgang mit Macht und Führung positiv verändern können, sodass die gesamte Mitarbeiterschaft sowohl an der Leistung zur Bewältigung der organisatorischen Herausforderungen als auch fair an den Ergebnissen beteiligt ist. Dabei wagen wir die Sicht von außen, um eingefahrene Verhaltensmuster zu lösen, wodurch sich Konflikte, Missverständnisse und Hass auflösen und die Organisationen sich positiv weiterentwickeln können.

Eines der wichtigsten Ziele unserer Arbeit ist die gerechte Verteilung von Zeit, Ressourcen, Vermögen und Macht durch und auf diejenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind, also durch die Teilhabe- und Einflussmöglichkeiten von Inhabern, Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden in regionalen Netzwerken von Betrieben. Möglichkeiten, um selbstständiges Denken, Fühlen und Handeln auf- und Hierarchien abzubauen, bieten neben Arbeitszeitflexibilisierung besonders rotierende Rollen- und Aufgabenverteilungen.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Wir glauben nicht, dass es ohne Hierarchien mit Verantwortung für Human-, Sach- und Finanzkapital und die dazu erforderlichen Entscheidungen geht, allerdings plädieren wir für eine Einbeziehung aller Beteiligten und für verteilte Macht auf alle: Führungskräfte, Teamleiter und Teams, sprich alle Mitarbeitenden in einer Organisation.

Anstelle der rein profitorientierten Wettbewerbs- und Wachstumsökonomie sollte aus heutiger Sicht das Ziel eine regenerative Gemeinwohlökonomie sein, die die Menschen, [12]die Tiere und die Natur schützt, indem alle miteinander kooperieren. Herausragende Impulse und wegweisende positive Visionen, wie eine bessere Wirtschaft aussehen kann, vermitteln heute schon Institutionen und Vereine wie etwa das »Konzeptwerk Neue Ökonomie«1. Gängige Instrumente, Strukturformen und soziale Transformationsstrategien zur Umsetzung dieser Ziele sind zum Beispiel integrale Organisationsformen, wie sie von Frédéric Laloux in seinem Buch »Reinventing Organizations« (2015) beschrieben werden, und holokratische Unternehmensmodelle sowie die inzwischen weitverbreitete Theorie U von Otto Scharmer (2014).

In dieser Sichtweise von Unternehmens- und Organisationsentwicklung hat Führung die Aufgabe, eine Kultur der Wertschätzung und Achtsamkeit für die Vielfalt, den Sinn- und Selbstbestimmungswunsch der Menschen zu entwickeln, die durch Einfühlungsvermögen, Selbst- und Fremdreflexion sowie wiedergewonnene Herzensintelligenz von Führungskräften erreicht wird. Das Ergebnis sind enge, sich gegenseitig stärkende Beziehungen aller untereinander.

All das kann nach unserer Überzeugung nur erreicht werden durch die Neuorganisation der Wirtschaft: durch die Förderung der Bildungs-, Gesundheits-, Pflege- und Sorgearbeit.

Weiter gedacht ergeben sich daraus viele wertvolle Aspekte des Miteinander-Lebens: kooperative, transgenerationale Wohnformen, autofreie Städte, Open-Source Soft- und Hardware, an den menschlichen Bedürfnissen ausgerichtete Mechanisierung und Digitalisierung, eine Kreislaufwirtschaft und ein gutes, angstfreies und zufriedenes Leben für alle. Dies schließt die Teilhabe an der sozialen Infrastruktur, genossenschaftlichem, kommunal autark genutztem Wohnraum, erneuerbarer Energie und CO2-freier Mobilität sowie eine regionale, ökologische und regenerative Landwirtschaft bzw. Ernährung, die vorwiegend vegetarisch oder vegan ist, mit ein.

Entscheidend ist auch das Ziel der Veränderung der vorhandenen Finanzarchitektur hin zu einer Umverteilung von Vermögen durch die progressive Besteuerung der Einkommen und der getätigten Umweltschäden. Letztlich ist das Ziel eine Dematerialisierung und die Förderung von immateriellen Lebensstilen.

Was bedeutet Führung für uns?

Der Hauptfokus unserer Arbeit liegt darauf, Menschen zu ermutigen hinzuschauen. Hinzuschauen, woher ihre inneren Antreiber und Grundsätze kommen. Welche Geschichten dahinterstecken, welche Erlebnisse prägend waren für die spätere Entwicklung und ob [13]es ein Bewusstsein dafür gibt: Bin ich bereit, die Stellen, an denen es Täler des Schmerzes in meiner Biografie gab, nochmal anzuschauen, damit ich neue Wege gehen kann? Daraus ergibt sich für Führung die Frage: Habe ich als Führungskraft reflektiert, wohin ich gehen möchte?

In traditionellen Unternehmenskulturen, die ihre Mitarbeiter als bloße Ressource sehen, kommt dieses Hinschauen nicht vor bzw. ist gar nicht gewollt. Wie kann also in Führungsetagen und Belegschaften eine grundlegende Veränderung der bisherigen Haltungen, Überzeugungen und inneren Vorstellungen – des so genannten Mindsets – gelingen?

Wir haben für unsere Arbeit einige Grundsätze zum Thema Führung erarbeitet:

Eine Führungskraft sollte eine Vision haben – Das merkt der Mitarbeiter vor allem daran, dass die Führungskraft eine Antriebskraft hat, die wirklich gelebt wird und sozusagen wie eine innere Flamme in diesem Menschen brennt. Es gibt einen Kompass dafür, wohin es gehen soll. Eine rein materiell ausgerichtete Vision kann Mitarbeitende nur so lange begeistern, wie es für die gemeinsamen Ziele aller sinnvoll erscheint. Diese Ziele sind oft nicht kommuniziert, wirken aber eine Zeit lang dennoch.Integrität und Fairness – sind wichtige Voraussetzungen, um Menschen zu einem gemeinsamen Ziel hin zu motivieren. Hierbei ist die Fähigkeit zur eigenen Reflexion unverzichtbar.Lob ist Pflicht – Und selbst das ist noch zu wenig! Als Negativbeispiel dafür stehen die Worte eines Vorstandes: »Nichts gesagt ist Lob genug« – eine aus der eigenen Biografie entstandene Haltung, in der der Schmerz über das Fehlen von persönlicher Anerkennung nicht reflektiert wurde, wodurch sich eine Haltung entwickelt hat, das eigene Defizit zum Maßstab des Verhaltens zu machen. Hier gibt es dann ausschließlich Anerkennung über Leistung – und selbst das nur in sehr geringem Maße. Die Entwicklung einer inneren Haltung auf der Grundlage der Liebe zu den Menschen – zugewandt, verständnisvoll und fördernd – kann aus einem Pflichtlob eine herzliche Anteilnahme wachsen lassen und damit eine Atmosphäre schaffen, in der Menschen gedeihen, sich wohlfühlen und über sich hinauswachsen können.Offenheit – Es gibt sicher Informationen, die einen Mitarbeitenden verunsichern und die er vielleicht nicht richtig einordnen kann. Da mag es manchmal sinnvoll sein, diese nicht zu kommunizieren. Mit Offenheit ist hier jedoch eine faire Haltung gemeint, die das Gefühl, dass eine Begegnung auf Augenhöhe stattfinden kann, vermittelt. Eine offene Kommunikation, die auf gemeinsamer Zielsetzung, Reflexion und gegenseitigem Feedback beruht, ist Grundlage für ein gutes Klima.Durchsetzungsvermögen und Kritik – Manchmal begegnen uns Führungskräfte, die glauben, dass sie als moderne, zugewandte Vorgesetzte keine Kritik mehr üben dürfen und sich nicht durchsetzen dürfen. Das ist eine völlig falsch verstandene Zielsetzung. Unter dem immer geltenden Grundsatz der gegenseitigen Wertschätzung darf [14]und muss eine Führungskraft sowohl Kritik üben als auch sich durchsetzen können. »Partielle Kritik bei genereller Wertschätzung« lautet die Devise.Sinn für Humor – Humor ist eine der wichtigsten Eigenschaften für eine gute Beziehungsentwicklung, auch in der Führung. Vor allem die Fähigkeit, sich nicht so wichtig zu nehmen und auch über sich selbst lachen zu können, sind Hinweise auf eine gelungene Reflexion eigener Fehler und damit eine gesunde Haltung gegenüber Fehlern, die Menschen machen dürfen.

Bisher folgen klassische Bewertungssysteme auch von Führungskräften allerdings überwiegend ertrags- und gewinngesteuerten Kennzahlen und Bewertungsverfahren. Um einen Gesinnungswandel und damit einen Kulturwandel in Unternehmen und Organisationen zu ermöglichen, bedarf es eines Wandels der bisher in Unternehmen und Organisationen entstandenen Denk-, Organisations- und Beziehungskulturen. Auch und insbesondere an ihrem Arbeitsplatz brauchen Menschen die Gelegenheit, neue Erfahrungen zu machen, die positiver und bereichernder sind als die fest verankerten, althergebrachten Handlungsmuster.

Solange eine Führungskraft jedoch gerade einmal 30 Prozent ihrer Arbeitszeit als echte »Führungszeit«, also für Gespräche, Rückmeldungen und Orientierung verwenden darf und den Rest der Zeit mit operativer Sacharbeit verbringt, solange auch Führungsleistungen, wie zum Beispiel die Verringerung des Krankenstandes und der Fluktuation, nicht zum eigenen Beurteilungssystem gehören, braucht man sich nicht zu wundern, wenn genau dieser Kulturwandel sehr schnell in den Hintergrund gedrängt wird und letztlich nicht stattfindet.

Wir sind überzeugt, dass Kooperation, Offenheit und das Teilen von Ressourcen im Zentrum zukünftiger Wertschöpfung stehen werden. Mit der Vision und dem Wissen, dass Menschen in guter Kooperation alles erreichen können, haben wir daher das Sieben-Stufen-Programm der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung konzipiert, um das es in den folgenden Kapiteln gehen soll.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern2 eine gewinnbringende Lektüre und einen guten Weg hin zur eigenen Sinn-Vision in der Führung.

Bochum im April 2021

Heike Linnepe & Mark Thiel

1 Online unter https://konzeptwerk-neue-oekonomie.org/ [Abrufdatum: 10.03.2021]

2 Hinweis zum gendergerechten und wertschätzenden Sprachgebrauch: Innerhalb des Textes haben wir bei der Nennung von Personen einen steten, willkürlichen Wechsel der weiblichen und männlichen Form sowie kollektiver Bezeichnungen gewählt, es sind dabei jeweils alle Geschlechtszugehörigkeiten gemeint.

[15]1Einführung

1.1Worauf unsere Arbeit aufbaut: Grundannahmen zum gesellschaftlichen und unternehmerischen Miteinander

»Seit Auschwitz wissen wir, wessen der Mensch fähig ist. Und seit Hiroshima wissen wir, was auf dem Spiel steht.«

Joseph Fabry, Elisabeth Lukas (1995, S. 147)

Vor über 75 Jahren wurden unter dem Eindruck des verheerenden Zweiten Weltkriegs die Vereinten Nationen (UN) gegründet.3 Sie gaben sich mit der UN-Charta eine Verfassung, die die existenziellen Grundwerte menschlicher Co-Existenz festschrieb: das Versprechen, Konflikte künftig friedlich zu lösen, die multilaterale Zusammenarbeit der Staaten, ein globales Gewaltverbot und die Verpflichtung, sich um die humanitäre Not der anderen zu kümmern.

Am 22. Januar 2021 trat der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen in Kraft, in dem sich 50 Länder zum Schwarm formierten, um im Bemühen um die Zukunft unserer Erde als Vorbilder voranzugehen. Sie haben sich verpflichtet, unter keinen Umständen nukleares Tötungsarsenal zu besitzen oder zu lagern. UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen als eine »bedeutende Verpflichtung hin zu einer kompletten Elimination von Nuklearwaffen«.

Neben den neun Atomwaffenländern der Welt hat auch Deutschland diesen Vertrag nicht unterschrieben, da die Angst vor dem Verlust des atomaren Schutzschirms der USA zu groß ist. Nachdem die USA 2019 ihren Ausstieg aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen (Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme, INF-Vertrag) erklärte, bewegen sich demgegenüber zahlreiche Staaten weiter in Richtung militärische Aufrüstung, die Zahlen der weltweiten Rüstungsexporte4 beweisen dies.

Einige Menschen begegnen unserem Ansporn für eine »positive visionäre Unternehmensführung« mit dem Zitat von Helmut Schmidt: »Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.« Allerdings war ein Thema, welches Helmut Schmidt immer wieder bewegte, der Erhalt des Friedens auf der Welt. Durch den Bau der Atombombe ist das Erreichen dieses Ziels jedoch seit der Nachkriegszeit noch schwieriger geworden. Um die Gefahr der atomaren Zerstö[16]rung jeglichen Lebens zu verhindern, gilt seit den Zeiten des Kalten Krieges das Gesetz der »Nuklearen Abschreckung«, der auch Schmidt vertraute. Es beschreibt ein Gesetz nach der Logik der Angst, des Misstrauens von Menschen gegenüber Menschen: Bevor du mich tötest, sei dir bewusst, dass ich dich auch töten kann und werde! Die logische Folge einer solchen kriegerischen Auseinandersetzung wäre die totale Ausrottung von Leben auf dieser Erde.

Neben diesen Ängsten vor einer kriegerischen Vernichtung der Menschheit durch verfeindete Staaten wird jedoch eine weitere Angst immer realer: die vor der von Menschen verursachten Umweltzerstörung. Diese Ängste schwingen in unserem Denken heute immer mit, sie werden meistens gar nicht mehr benannt, sie sind einfach da.

Der Ent-Traumatisierung der noch vom Krieg und seinen Folgen Betroffenen und der traumatisierten nachfolgenden Generationen folgt nun eine Traumatisierung der Menschen globalen Ausmaßes. Das ewige Mantra des unbegrenzten Wachstums wollen viele deshalb nicht mehr mitsprechen. Noch sind die Widerstände groß, doch wir sind überzeugt, dass wir in unserem Verhalten die Veränderung sein und leben müssen, die wir uns in der Welt wünschen.

Das ist der Blick nach außen, doch wie sieht es in unserem Inneren aus? Wie steht es mit unserer Auf- oder Abrüstung im Kopf? Inwieweit schaffen wir es, mit unserem inneren Team in Schwarmformation zu gelangen und als gemeinsames Ganzes zu agieren? Sind wir bereit, die inneren Teammitglieder miteinander zu versöhnen und auf einen Sinnzusammenhang, z. B. eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsordnung, also ein übergeordnetes Ziel hin auszurichten?

Wenn ich eine Welt möchte, die friedlich ist und die Umwelt schützt, dann muss ich den Unfrieden in meinem Kopf in Frieden verwandeln und jede Entscheidung so fällen, dass ich die Umwelt damit so weit wie möglich schütze. Nur so wird die Welt möglich, die ich mir wünsche – das ist der Weg und dies ist die Vision unseres Schaffens. Wir möchten dabei unterstützen, Kulturen der kollaborativen Führung zu schaffen: raus aus dem Gegeneinander, hin zu einer Co-Kreation von guten neuen Ideen, Produkten und Dienstleistungen, die der Menschheit, den nichtmenschlichen Lebewesen und der Natur zu einer guten Zukunft verhelfen.

1.2Die Rolle von Führung in der Transformation zur Postwachstumsökonomie

Ansatzpunkt für eine solche Veränderung ist die Entwicklung einer neuen Kultur in Unternehmen, speziell die Kultur der Führung von Menschen. Dieser Ausgangspunkt unserer Arbeit setzt am Kopf des Systems an, an der oberen Führung von sozialen [17]Systemen, welche die Kultur in diesem System bestimmt. Erst wenn aus hierarchisch strukturierter Sprache der Macht ein positives zugewandtes Miteinanderreden wird, sind wertschätzende und tragfähige Beziehungen aller Mitglieder des Systems möglich. Auf der Basis dieser Beziehung kann ich als Führungskraft meine Argumente auf Augenhöhe benennen und mich in einer sozialen Einheit bewegen. Erst wenn ich mithilfe einer positiven Wertegemeinschaft über die aktive Führungskultur nach innen und außen eine neue Unternehmenskultur forme, bekommt mein Unternehmen die Strahlkraft, hochqualifizierte Mitarbeitende für meine Organisation zu interessieren und zur Mitarbeit zu motivieren.

Dies zu fördern, ist die Aufgabe von Führung. Und unsere Aufgabe sehen wir darin, Führung dahin zu entwickeln, ein solches Miteinander aus der Gemeinschaft der Mitarbeitenden in ihren Organisationen zu formen. Der Schlüssel dahin ist die Kultur des Umgangs mit sich selbst und mit anderen – Kultur, verstanden als die Achtung dessen, was Menschen verbindet, und die Art, wie sie miteinander reden und wie sie Beziehungen pflegen.

Nun steht die Welt durch die Corona-Pandemie an der Schwelle zu einem Epochenumbruch. Unsere Zukunft ist plötzlich wieder gestaltbar, viele Jahrzehnte als unumstößlich geltende Gesetzmäßigkeiten sind infrage gestellt oder außer Kraft gesetzt. Wir benötigen nun den politischen Gestaltungswillen und die gesellschaftliche Bereitschaft, die sozialökologische Wende einzuleiten. Wir alle haben in der aktuellen Lage die Möglichkeit, unsere wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele hin zu einer konsequenten und solidarischen Umwelt- und Klimapolitik mit globalem Ausmaß zu transformieren.

Wir denken, dass die globalen Herausforderungen des Anthropozäns, des »Menschheitszeitalters« erst gemeistert werden können, wenn die Menschheit begriffen hat, dass sie eine Weltbevölkerung ist, und wenn sie zusammenhält und zusammenspielt. Die Entwicklung dahin beginnt auch in Unternehmen.

3 Siehe dazu auch Reuss (2020)

4 Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/sipri-ruestungsausgaben-111.html [Abrufdatum: 24.3.2021]

[19]2Grundlagen der Systemischen und Soziokybernetischen Führungskräfte-Entwicklung

2.1Der Sieben-Stufen-Prozess der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung

Die »systemische«, also das ganze System Unternehmen oder Organisation betreffende Arbeit ist die Basis für den von uns entwickelten siebenstufigen Prozess. Systemische Führungskräfte-Entwicklung bedeutet demnach, alle Führungskräfte der Organisation werden in den Prozess integriert.

Der Sieben-Stufen-Prozess läuft so ab, dass wir in den Stufen I bis III den ersten drei Hierarchieebenen »intrahierarchisch« begegnen. Dies bedeutet die Analyse, Reflexion und Optimierung der Kommunikations- und Beziehungskultur innerhalb der jeweiligen Hierarchieebene. In der Stufe IV begegnet die Geschäftsführung oder der Vorstand der zweiten Hierarchieebene, meist der Bereichsleitung, und in der Stufe V begegnen sich die zweite und die dritte Hierarchieebene, in der Regel die Bereichsleitung der Abteilungs- oder Teamleitung »interhierarchisch«. In den Stufen VI und VII begegnen wir allen drei Hierarchieebenen interhierarchisch im Stuhlkreis. Erfolgsfaktoren sind dabei die Tatsache, dass alle Führungskräfte mit dabei sind, ein externes gut geführtes Hotel mit geeignetem Seminarraum sowie die weitere Tatsache, dass die Führungskräfte fern ihrer Wirkungsstätte in Reflexion und Auseinandersetzung mit ihren Kolleginnen und Kollegen gehen. Dazu gehört auch, abends zusammenzusitzen, miteinander das Abendessen einzunehmen und auch einen geselligen Abend zu erleben. Der Sieben-Stufen Prozess bezieht sich auf Menschen, die Menschen führen, ob mit direkter Weisungsbefugnis oder ohne.

Das Thema »Führung ohne Weisungsbefugnis« oder »ohne Vorgesetztenfunktion« wird immer aktueller in Zeiten sogenannter sich selbst organisierender Teams. Wir kennen wenige Menschen, die sich von Natur aus selbst führen können, geschweige denn andere. Diesbezüglich unterscheiden wir drei Arten von Führung: erstens die Führung von sich selbst, zweitens die Führung von Teams und drittens die Führung von Systemen. Ein System kann dabei vieles sein. Bei Wikipedia steht unter dem Begriff »System« zu lesen5:

[20]»Als System (altgriechisch sýstēma, »aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes«) wird im Allgemeinen ein abgrenzbares, natürliches oder künstliches ›Gebilde‹ bezeichnet, das aus verschiedenen Komponenten besteht, die aufgrund bestimmter geordneter Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können).«

Somit wird vom System Mensch, Team, Organisation oder Unternehmen oder eben auch einer Gruppe gesprochen. Allerdings sind die Beziehungen innerhalb von Systemen untereinander oft eher nicht oder unter Umständen auch eigenartig geordnet. Wenn wir uns klarmachen, dass die komplexe Anforderung, sich selbst als Mensch gut zu führen, schon ungemein hoch ist, dann wird deutlich, dass die Aufgabe, Menschen zu führen, noch um einiges komplexer ist.

2.2Die Entwicklung der Führungskultur

Die theoretische Basis für die Beschreibung von Führungsarbeit ist die Bildung und Durchsetzung des unternehmerischen Willens durch die Beeinflussung des Verhaltens anderer hin zu konkreten Zielen. In der Praxis ist sie allerdings vor allem eines: hochkomplex.

Ein Instrument, die Komplexität der Führungsaufgabe zu reduzieren, ist, Menschen in einer Organisation vertraglich zur Einhaltung von (Verhaltens-)Regeln zu verpflichten und so einzubinden. Was in einem solchen Vertrag leider meist nicht steht, ist, welche Kultur in diesem System tatsächlich gelebt wird. Die Kultur wird eben von allen – den Gründern, den Eigentümern und den eingestellten Führungskräften und natürlich auch von den Mitarbeitenden – initiiert und gelebt. Die Kultur eines Systems ist die Art und Weise, wie in diesem Fall die »menschlichen« Lebewesen miteinander umgehen. Diese Art des Miteinander-Umgehens ist so vielfältig wie die Menschen, die in dem jeweiligen System zusammentreffen. Viele Menschen haben sich z. B. in gewinnorientierte Systeme beworben und haben im Vorstellungsgespräch zugestimmt, den hohen Leistungserwartungen zu entsprechen, die das System vorgibt. Dann, im Laufe der Monate und Jahre der Zugehörigkeit, lernen diese Menschen sich im Miteinander genauer kennen – und im besten Fall wertschätzen die Menschen sich gegenseitig. Allerdings ist es hinreichend bekannt, dass viele Projekte weltweit geraufgrund zwischenmenschlicher Probleme scheitern.

Unserer Ansicht nach liegt genau hier die Kernaufgabe verantwortungsbewusster Beraterarbeit: die zwischenmenschlichen Beziehungen in Unternehmen sinnvoll und an menschlichen Werten orientiert zu verbessern. Um die zwischenmenschlichen Beziehungen positiv zu verändern, müssen diese jedoch zuerst analysiert und reflektiert [21]werden. Die Verantwortung für die Beziehungsentwicklung eines sozialen Systems tragen wiederum dessen Führungskräfte. Führungsarbeit bedeutet insofern, tragfähige Beziehungen mit Menschen aufzubauen. Grundvoraussetzung für die Analyse der zwischenmenschlichen Beziehungen eines Systems ist deshalb zunächst eine Vereinbarung mit den Führungskräften, gemeinsam mit ihnen auf ihr Führungsverhalten zu schauen. Ermöglicht es den Mitarbeitenden, sich wohlzufühlen und möglichst konfliktfrei und ohne Reibungsverluste motiviert ihre Leistung zu erbringen?

Eine Vorgehensweise dafür besteht darin, dass Organisationen ein Feedback für Führungskräfte von »unten nach oben« zulassen, denn erst wenn die Führungskraft erkennt, wie ihre Führung bei der geführten Person ankommt, kann sie den eigenen Führungsstil anpassen. Führe ich zu streng und autoritär, kann ich lernen, mehr den Menschen zu betonen und durch eine Begegnung auf Augenhöhe die Mitarbeitenden zurückzugewinnen. Führe ich zu schwach, kann ich mehr in Richtung positiver Autorität wachsen, indem ich zeitnahe authentische Gespräche mit den Mitarbeitenden führe, mich klar abgrenze und ein respektvolles Miteinander vorlebe und erwarte.

Und noch ein Aspekt der Unternehmenskultur sollte bedacht werden: Der Erfolg »hochintelligenter« Informations- und Dienstleitungsprodukte hängt wesentlich vom Zusammenspiel einer möglichst diversen Belegschaft ab. Viele Unternehmen haben in den Nachkriegsjahrzehnten jedoch uniforme Belegschaften aufgebaut, um Serienprodukte weltweit zu vermarkten. Angesichts des Wandels von der Industrie- in die Informationsgesellschaft bzw. in die Postwachstums- oder postindustrielle Gesellschaft wird allerdings eine höhere Diversität der Mitarbeitenden benötigt, denn je höher die Diversität eines sozialen Systems, desto höher die Kreativität. Allerdings erfordert die Führung solcher vielfältiger Mitarbeiterstrukturen ein hohes Maß an Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit. Beides entscheidet über die Kultur, die im Unternehmen gelebt wird.

Diese Fähigkeiten, verbunden mit der Bereitschaft zu Analyse, Reflexion und Optimierung der Führungskultur, zu fördern, ist unsere Aufgabe, ist unsere Leidenschaft. Unsere schönsten Bilder dessen, was in der Zukunft durch unsere Arbeit erfolgen soll, sind gut geführte Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden einen Ort der persönlichen Entfaltung ihrer Möglichkeiten und somit Sinn bieten.

Unser Ziel ist es, eine Führungskultur zu entwickeln, in deren Mittelpunkt Interesse und Neugier, Klarheit und Transparenz sowie die Einbindung der Werte und Motive der Mitarbeitenden und deren Abstimmung mit den Unternehmenszielen steht. Auf diese Weise kann ein tatsächliches Vertrauensverhältnis entstehen, das es Führungskräften ermöglicht, Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen, Barrieren abzubauen sowie Motivation und Wohlbefinden der Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen.

[22]Im Rahmen der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung werden die organisatorischen und persönlichen Voraussetzungen zur dauerhaften Anwendung vertrauensvoller Führungsgespräche im Unternehmen gemeinsam erarbeitet.

Die Systemische Führungskräfte-Entwicklung sichert darüber hinaus den Transfer durch eine Umsetzungsbegleitung von drei eingespielten systemischen Beratern. Ziel ist der Aufbau einer innerbetrieblichen Vertrauenskultur als System, um das Führungskräfte-Feedbacksystem über den siebenstufigen Prozess als Teil einer Vertrauenskultur im Unternehmen zu platzieren.

2.3Die Soziokybernetik systemischer Führungskräfte-Entwicklung

Soziokybernetik befasst sich grob gesagt mit Komplexitätsproblemen, die in dynamischen sozialen Systemen mit vielfältigen Wechselbeziehungen bestehen. Unser Beratungssetting ist in diesem Sinne ein sehr komplexes soziales System: Es gibt das beratende System und das zu beratende System, beide bestehen wiederum aus verschiedenen Mitgliedern, teilweise auf unterschiedlichen Hierarchieebenen. Das beratende System (der erste Coach) analysiert (beobachtet) das zu beratende System, indem es die Redebeiträge und Verhaltensweisen beobachtet und zusammenfasst und somit gruppendynamische Prozesse erkennen und steuern kann (Kybernetik bzw. Beobachtung ersten Grades). Es sieht gleichzeitig auch, wie das Leitungssystem des zu beratenden Systems die anderen Mitglieder steuert. Daneben beobachtet der »zweite« Coach den »ersten« Coach, wie er beobachtet und steuert (Kybernetik bzw. Beobachtung zweiten Grades). Also beobachtet der zweite Coach die Beobachtung des Systems durch den ersten Coach. Beide Coaches zusammen beobachten aber auch das zu beratende System. Die Beobachtung der Beobachtung wird als Beobachtung zweiter Ordnung bezeichnet.

In besonders konfliktären Situationen oder auch bei mehr als 10 bis 15 Führungskräften im Raum oder in den Stufen V bis VII macht es darüber hinaus Sinn, ein »drittes Auge«, also einen dritten Coach einzusetzen. Dieser beobachtet dann die Beobachtung der Beobachtung (Kybernetik bzw. Beobachtung dritter Ordnung). Dies bedeutet, dass die Musterübertragung des ersten Coaches sowie die Musterübertragung der beiden ersten Coaches und des Systems durch den dritten Coach beobachtet wird. Die Intention in dieser Konstellation ist es, durch die Komplexität des beratenden Systems die blinden Flecken und Schattenseiten des Prozesses aufzuheben.

[23]Wir sprechen von der kritischen Reflexion der Führungskultur des Systems durch externe systemische Berater. Die erste Beraterin beobachtet das System und wirft ihren subjektiven Blick aufs System. Dabei beobachtet der zweite Berater den Prozess der Auseinandersetzung zwischen den Mustern des Systems und den Mustern der ersten Beraterin. Nun beobachtet die dritte Beraterin die subjektive Beobachtung des zweiten Beraters auf die erste Beraterin. Dabei können verdeckte und oft relevante kulturelle Themen wie Ängste, Störungen, informelle Machtstrukturen und andere »Unstimmigkeiten« aufgespürt und mutig angepackt werden. Das System sieht nicht, was es nicht sieht. Es braucht den reflexiven Blick von außen, um Veränderungswiderstände und geschlossene Machtsysteme zu erkennen und aufzulösen, damit die erforderliche Transformation und die dazu nötige Energie freigesetzt werden können. Die Komplexität des beratenden Systems muss in jedem Fall größer sein als die des zu beratenden Systems.

Co-Kreation

In der System-Umwelt-Beziehung spiegelt sich die Beziehung des Beraterduos oder -trios im Beratungsprozess der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung mit den Führungskräften und reziprok die Beziehung der Führungskräfte mit dem Beraterduo bzw. -trio. In dem wir uns aneinander reiben und weiterentwickeln, entsteht Co-Kreation, dies bedeutet in diesem Fall, dass sich beide Systeme positiv an- und miteinander entwickeln.

Wir beobachten ein soziales System Unternehmen immer in Verbindung mit seiner spezifischen und somit relevanten Umwelt, ob Krankenhaus oder Sparkasse. Entsprechend werden die Beziehungen und Prozesse immer auf unterschiedliche Art und Weise dokumentiert und gesteuert.

Komplexität von Führung

Je größer eine Organisation wird, umso wichtiger ist die hierarchische Struktur. Und auch die Kommunikations- und Beziehungskomplexität, die in einem Team entsteht, wird mit steigender Mitgliederzahl größer und ist irgendwann nur noch begrenzt steuerbar. Das heißt beispielweise, in einem Team mit 10 zu führenden Mitarbeitenden, in dem jeder mit jedem eine Beziehung aufbaut, gibt es 10 mal 9 Beziehungen, die Führungsspanne liegt also bei mindestens 90 zu gestaltenden Beziehungen innerhalb nur dieses Teams (ohne Kleingruppenbildung). Nehme ich die Teamleiterin mit in die Komplexitätsdynamik, dann sind es sogar 110 Beziehungen.

Unserer Erfahrung nach sind Teams mit 7 bis 15 Personen noch relativ gut führbar. Aber angesichts der Tatsache, dass Führungsarbeit darin besteht, andere besser werden zu [24]lassen, Menschen zu motivieren und tragfähige Beziehungen durch eine vertrauensvolle Kommunikationskultur aufzubauen, ist der Tagesablauf einer Führungskraft mit Gesprächen und motivierenden Coachingprozessen mit 7 bis 15 Mitarbeitenden gut gefüllt.

Deshalb lautet unser Motto: »Wer führt, der führt nicht durch, und wer durchführt, der führt nicht.« Die meisten Führungskräfte, die wir kennen, haben nie gelernt zu führen, sondern verbringen ihren Tag mit operativen Arbeiten und dem Entscheiden über Dinge, die sie besser dem Team überlassen sollten. Eine weitere Erkenntnis, die wir in diesem Zusammenhang gewonnen haben, ist die Tatsache, das Führende ihrerseits immer Führende führen. Wenn also Führende nicht die »Führungskraft« des Individuums aktivieren, sondern durch ihre Positionsmacht als »Vorgesetzte« und durch das Schüren von Ängsten die Zusammenarbeit gestalten, ist das keine Führungsarbeit, sie verwalten vielmehr das »Nichts« oder den Stillstand.

2.4Sinnzentrierte, werteorientierte Führung auf Augenhöhe durch eine Kultur des Vertrauens

Als Coaches beschäftigen wir uns die meiste Zeit unseres (Arbeits-)Lebens mit dem Thema Zukunftsgestaltung durch eine positive und vorbildhafte Menschenführung. Ein wichtiger Grundsatz dabei ist, dass Führung bei der eigenen Persönlichkeit beginnt. Fragen, die sich bezüglich Selbstbild, eigenem Welt- und Menschenbild stellen, können lauten:

Wer bin ich? (Selbstbild)Was sind meine Werte? (Werteorientierung)Wofür setze ich mich mit meiner Lebensenergie ein? (Vision)Wenn ich mich für ein Wertekorsett entschieden habe, lebe ich auch danach? (Authentizität)Wie ist mein Blick auf die Welt? (Weltbild)Wie ist mein Blick auf die Menschen? (Menschenbild)Wie ist mein Blick auf die nichtmenschlichen Lebewesen und die Natur? (Verantwortung für die Umwelt und die Zukunft)

Unserer Erkenntnis nach geht es bei der Frage nach guter Führung erst einmal darum, sich selbst akzeptieren zu lernen, mit sich selbst klarzukommen, sich selbst zu mögen und sich wertzuschätzen. Darin liegt ein riesiges Potenzial an Entwicklungsmöglichkeiten. Bevor ich meinen Willen nach ehrgeizigen Zielen mit erlernten Managementtechniken und Führungsstilen auf andere delegiere, besteht der erste Schritt darin, mir meiner höheren nichtmateriellen Ziele, meiner »Sinn-Vision« bewusst zu werden. Deshalb ist es in einer Postwachstumsökonomie wichtig, mutig und mit Zivilcourage nach einem höheren Sinn, erfüllenden Beziehungen, Nächstenliebe, Liebe zu den Tieren und Regene[25]ration unserer Natur zu streben. Das alles können Leitbilder für eine zukunftsorientierte sozioökologische Wende, die Metamorphose und Transformation der Gesellschaft sein. Einem solchen Unternehmenszweck mit den entsprechenden Leitbildern, emotionalen Menschen- und Weltbildern können auch andere Menschen mit Begeisterung folgen. Dann kann ich als Führungskraft Gefühle zeigen und in die Rolle des Coaches gehen, der Missverständnisse, Konflikte und Hass auflöst, seine Mitarbeitenden auf Augenhöhe unterstützt, indem er ihr Potenzial erkennt und fördert, und über gute Argumente überzeugt – nicht durch Druck und Angst, wie leider so oft.

Des Weiteren erleben wir Unternehmerinnen und Unternehmer oft als Menschen, die einen inneren Auftrag verspüren, die Gesellschaft mitzugestalten und sie ein Stück weit besser zu machen. Dies ist die Hauptenergie ihres Antriebs. Ihre Fragen lauten dementsprechend:

Welches kulturelle Erbe habe ich von meinen Vorfahren erhalten?Habe ich von meinen Eltern, Großeltern und Urgroßeltern einen verdeckten oder offenen Auftrag erhalten, etwas in meinem Leben anders/besser zu machen?Wofür stehe ich als Unternehmer und welche Kraft ist die, die mich in Führung gehen lässt?Wenn ich mir dieser Themen selbstreflexiv bewusst geworden bin, welche Dienstleistung/welches Produkt hilft mir, meinen unternehmerischen Auftrag in die Welt zu bringen?Und welches Team benötige ich, um die unterschiedlichen Kräfte bei mir zu versammeln, um meine unternehmerische Vision mit Leben zu füllen?

Der dritte Schritt besteht dann darin, eine Struktur mit Rollen- und Aufgabenschwerpunkten bzw. Aufgabenträgern zu initiieren, um die Umsetzung der unternehmerischen Vision auf mehrere Schultern zu verteilen.

Unternehmensführung und damit auch Mitarbeiterführung beginnt also mit dem Bild, mit der Vision, die ich von der Zukunft habe, davon leiten sich Ziele und Strategien ab und schließlich auch die Auswahl und Führung der Mitarbeitenden, mit denen ich diese Ziele erreichen möchte. Am wichtigsten allerdings ist und bleibt die Kultur, die ich als Unternehmerin und als Führungskraft vorlebe, denn diese entscheidet darüber, ob sich die Menschen wohlfühlen und ob sie gerne Verantwortung übernehmen und zu einer hohen Leistung bereit sind. Die Kultur eines Unternehmens wird durch die gelebten Werte aller Mitarbeitenden gebildet.

Der soziokybernetische Ansatz in der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung

Unser soziokybernetischer Ansatz in der Systemischen Führungskräfte-Entwicklung hat genau genommen die Kulturentwicklung einer gesamten »geschlossenen Organisation« [26]zum Ziel, indem wir intra- und interhierarchisch alle mit allen iterativ auf den Metaebenen der Kommunikation und Beziehung miteinander ins Reden und in die Reflexion bringen.

Der hoch komplexe psychosoziale Beobachtungsprozess ersten, zweiten und dritten Grades erhellt die blinden Flecken und die Schattenseiten der Führungskultur – die negativen Verhaltensmuster werden erkannt, gestoppt und in wertschätzende Kommunikations- und Beziehungsgestaltungen umgewandelt – die Selbst-, Team- und Systemführung wird gestärkt.

Auf diese Weise entsteht eine interne und externe Resilienz des sozialen Systems. Die positive Kommunikations- und Beziehungskultur bewirkt intern eine aufbauende Menschenführung, die Mitarbeitende proaktiv abholt, und baut als intelligente Schwarmformation eine externe Resilienz auf, mit deren Hilfe eine Organisation die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich meistern kann.

Diese (Führungs-)Kulturentwicklungsprozesse für Organisationen mit mehreren Hundert oder gar Tausend Mitarbeitenden dauern realistischerweise zwei bis vier Jahre. Die letzte Stufe am Ende des Prozesses beinhaltet die Entwicklung von Führungsleitbild und Führungsgrundsätzen mit dem gesamten Leitungsteam.

Um auch wirklich Führungsstärke durch Führungskultur entstehen zu lassen, ist es für die Akteure hilfreich, einen übergeordneten Auftrag ihrer Ahnen zu erkennen und den unternehmerischen Geist zu besitzen, sich für einen positiven gesellschaftlichen Wandel einzusetzen – dieses Gefühl, diese Stimmung spüren die Menschen in der Begegnung. Dabei entsteht eine Energie, die manchem Angst macht, doch Menschen gehen immer wieder mutig voran, um diese Veränderung wahrhaft mit uns zu gestalten!