Systemische Post-Merger-Integration - Winfried Berner - E-Book

Systemische Post-Merger-Integration E-Book

Winfried Berner

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Beschreibung

Ausnahmesituation Post-Merger-Integration. Neben rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen sind auch die Herausforderungen auf der unternehmenskulturellen Seite immens. Wichtige Aspekte für den Erfolg von Fusionen und Übernahmen sind deshalb: - Angemessene Kommunikation mit Mitarbeitern und Führungskräften beider Seiten - Fortlaufende Information über Integrationsprojekte - Aktive Einbeziehung in den Prozess - Kulturelle IntegrationAnhand zahlreicher Beispiele beleuchtet das Buch die psychologischen und gruppendynamischen Vorgänge und erläutert, wie sie konstruktiv gesteuert werden können. Manager und Berater erhalten qualifizierte Methoden für eine gelingende Integration an die Hand.

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Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtmybookImpressumEinleitungTeil I:Die Logik des ökonomischen Systems – Mehrwert durch Zusammenschlüsse1   Übernahme, Merger, Fusion, Akquisition, Takeover, Integration: Was sich hinter den Begriffen verbirgt1.1   Übernahme, Akquisition, Takeover1.2   Aus Sicht der Mitarbeiter ist jede Übernahme feindlich1.3   Rechtliche Hürden1.4   Der „heilige“ Stichtag des Closing1.5   Der strategische Hintergrund1.6   Nicht Rechenspiele bringen Synergien, nur die erfolgreiche Integration2   Kapitalmarkt: Weshalb die Integration unter Zeitdruck steht2.1   Kursentwicklungen im Zuge einer Fusion2.2   Hoher Erwartungsdruck2.3   Konsequenzen für das Integration-Management2.4   Mut zum langfristigen Denken und Handeln3   Synergieeffekte: Grund und zwingende Vorgabe für Fusionen3.1   Echte und unechte Synergien3.2   Synergien setzen Überschneidungen oder Ergänzungen voraus3.3   Der tiefe Sturz in das Wertloch3.4   Vorsicht, selbst gebaute Erwartungsfalle3.5   Der Haken einer hohen Preisprämie3.6   Realistische Festlegung der Synergieziele3.7   Puffer einplanen3.8   Prävention: Sich nicht in die Tasche rechnen4   Die Phase der Verwundbarkeit möglichst kurz halten4.1   Ein Fenster der Verwundbarkeit4.2   Drohender Exodus4.3   Verunsicherung der Kunden4.4   Strategischer Frontalangriff4.5   Gezielte Abwerbung von Leistungsträgern4.6   Verunsicherte und genervte Führungskräfte sind leichte Beute4.7   Gezielte Störung der Integration4.8   Der einzige Ansatzpunkt zur GegenwehrTeil II:Die Logik des sozialen Systems – Fusionen managen heißt Emotionen managen5   Vorhersagbare Emotionen: Kleine Massenpsychologie der Fusion5.1   Erste Phase: Aufregung5.2   Zweite Phase: Verdrängung/Verleugnung5.3   Dritte Phase: Angst und Auseinandersetzung5.4   Vierte Phase: Weichenstellungen5.5   Fünfte Phase: Neue Normalität5.6   Sechste Phase: Nachbeben6   Angst: Die wichtigste Emotion (nicht nur) bei Übernahmen6.1   Die reflektorische Bedrohlichkeitsprüfung und ihre Folgen6.2   Tabuthema Angst6.3   Maskierte Ängste – und wie man sie erkennt6.4   Richtiger Umgang mit Ängsten6.5   Vorhersehbare Ängste6.6   Wachsendes Misstrauen6.7   An der jeweils vorherrschenden Sichtweise anknüpfen6.8   Gegenmittel offene Kommunikation6.9   Die richtigen Worte finden6.10   Umgang mit Ängsten im Einzelgespräch7   Übernahmeschock: Ausgeliefert an fremde Mächte7.1   Aktivierung von Urängsten7.2   Zerknitterte Gefühlslage7.3   Drohenden Auflösungserscheinungen entgegenwirken8   Kontrollverlust: Wenn man nicht mehr Herr des eigenen Schicksals ist8.1   Emotionale Reaktionen auf Kontrollverlust8.2   Bedürfnis nach Wiederherstellung der Kontrolle8.3   Gelernte Hilflosigkeit9   Risikobereitschaft: Nicht Risiken scheuen wir, sondern Verluste9.1   „Losses Loom Larger Than Gains“9.2   Konsequenzen für das Integration-Management9.3   Unter Druck oft (zu) große Risikobereitschaft9.4   Risikobereitschaft erzeugen9.5   Alles-oder-Nichts-Situationen schaffen10   Abstoßungsreaktionen: Die größte Gefahr kommt aus dem eigenen Lager10.1   Sechs Lager mit unterschiedlichen Interessenlagen10.2   Besitzstandsverteidigung: Das Risiko-Paradoxon10.3   Welche Rolle spielen die Unternehmenskulturen?10.4   Kontrastverstärkung bei ähnlichen Kulturen10.5   Teilautonome Enklaven10.6   Stellungskrieg – der unangenehmste Fall10.7   Prävention und Therapie11   Lagerbildung: In der Wagenburg ist es am sichersten11.1   Feindbilder festigen den inneren Zusammenhalt11.2   „Vollautomatische“ Lagerbildung bei Fusionen und Übernahmen11.3   Der Kampf um die Stellen polarisiert weiter11.4   Gegen die Lagerbildung angehen11.5   Einheitliches Auftreten des Top-Managements11.6   Eine Herausforderung für die Führung12   Abwanderung: Drohende Erosion der Leistungsträger12.1   Vom Abwarten über die Enttäuschung zur Neuorientierung12.2   Das Gespräch mit den Leistungsträgern suchen12.3   Wenn (noch) keine Zusagen möglich sind13   Nostalgische Vision: Wenn man die Zukunft im Rückspiegel sucht13.1   Tiefe Mutlosigkeit13.2   Resignation – und Bequemlichkeit13.3   Schlechte Prognose13.4   Überwindung einer nostalgischen VisionTeil III:Die gestörten Systeme stabilisieren I – Weichenstellungen für eine erfolgreiche Integration14   PMI-Vorbereitung: Mit klarem Integrationskonzept rasch wieder arbeitsfähig werden14.1   Die Komplexität nicht noch vergrößern14.2   Schnellstmöglich wieder handlungsfähig werden14.3   Vier Faustregeln für die Priorisierung14.4   „Pre-Merger-Integration“: Die Integration beginnt, bevor sie beginnt14.5   Überprüfung beschlossener Maßnahmen14.6   Der Trick mit der Vorbereitung15   Cultural Due Diligence: Die Unternehmenskulturen und ihre Verträglichkeit prüfen15.1   Erweiterung und Ergänzung der betriebswirtschaftlichen Due Diligence15.2   Es geht nicht primär um die Ähnlichkeit der Kulturen15.3   Kontrastverstärkung in sozialen Systemen15.4   Konfliktpunkte der kulturellen Integration15.5   Inkompatible Geschäftsmodelle und „Philosophien“15.6   Verstehen statt Daten erheben15.7   Eine pragmatische Vorgehensweise15.8   Drei große Themenfelder15.9   Praktische Konsequenzen16   Integrationstiefe: Zwischen Finanzbeteiligung und vollständiger Verschmelzung16.1   Übernahme ohne Integration16.2   Vorstufen zur Integration16.3   Teil- und Vollintegration16.4   Schrittweise Integration16.5   Was ist die richtige Integrationstiefe?16.6   Geringstmögliche Integrationstiefe, aber klare Führung17   Integrationsstrategie: „Merger of Equals”, Eingliederung oder was sonst?17.1   Zwei mögliche Integrationsstrategien17.2   Was „Best of Both Worlds“ so schwierig macht17.3   „Synthese“ oder Konfliktvermeidung17.4   Offizielle und inoffizielle Integrationsstrategie17.5   Eine Frage der Glaubwürdigkeit18   Berater: Weshalb ihr Einsatz bei der PMI in der Regel sinnvoll ist18.1   Gründe für einen Beratereinsatz18.2   Ein spieltheoretisches Dilemma18.3   Eine neutrale Instanz wirkt entkrampfend18.4   Zusätzliche Ressourcen, Kompetenz und Energie18.5   Auswahl der richtigen Berater18.6   Wie viel Branchenerfahrung ist erforderlich?19   Risikomanagement und Krisenprävention: Integrationsrisiken managen statt verdrängen19.1   Ein unangenehmes Thema19.2   Halbherziges Risikomanagement ist Zeitverschwendung19.3   Der Nutzen eines professionellen Risikomanagements19.4   Risikovermeidung ist keine Option19.5   Mit dem Risiko steigen die Gewinnchancen19.6   Das Glück nicht überstrapazieren19.7   Kollektive Verweigerung der Risikowahrnehmung19.8   Ein professionelles Risikomanagement aufbauen19.9   Methoden der Risikoanalyse und -bewertung19.10   Echte und unechte Strategien des Risikomanagements19.11   Strategien zur Risikominderung19.12   Strategien zur Risikobegrenzung19.13   Wenn-dann-Planung und Frühwarnsignale19.14   Das Risikomanagement im Bewusstsein halten20   Doppelspitze: Fauler Kompromiss oder ernstzunehmendes Führungsmodell?20.1   Funktionierende Doppelspitzen20.2   Wie werden Entscheidungen getroffen?20.3   Weshalb Doppelspitzen nach Fusionen häufig scheitern20.4   Unter welchen Bedingungen Doppelspitzen funktionierenTeil IV:Die gestörten Systeme stabilisieren II – Integration-Management in der Praxis21   Integrationsprojekt: Die Voraussetzungen für einen guten Start schaffen21.1   Erheblicher Vorlauf21.2   Wichtige Weichenstellungen im Vorfeld21.3   Bewusst in ein gutes Arbeitsklima investieren21.4   Was ein guter Kickoff-Workshop leisten sollte22   Mitarbeiterkommunikation: Balanceakt auf der Goldwaage22.1   Konflikt zwischen Kommunikationsbedarf und rechtlichen Restriktionen22.2   Warum Offenheit trotzdem die bessere Linie ist22.3   Das Top-Management muss selbst in die Bütt22.4   Kaskadierende Information mit bewusster Redundanz22.5   Zentrale Botschaften von Zeit zu Zeit bekräftigen23   Kunden- und Lieferanten-Kommunikation: Die „Lufthoheit” nicht aus der Hand geben23.1   Auf Angriffe vorbereitet sein23.2   Vorbeugende Kommunikation23.3   Den eigenen Außendienst vorbereiten23.4   Informationsveranstaltungen für Kunden, Händler und Lieferanten23.5   Offenheit für Feedback und Kritik24   Stellenbesetzungen: Die Phase der Lähmung möglichst kurz halten24.1   Bei Eingliederung herrschen rasch klare Verhältnisse24.2   „Best of Both Worlds“ in der Praxis24.3   Das Auswahlverfahren einfach und transparent halten24.4   Nutzung der vorhandenen Erfahrung24.5   Angespanntes Klima, hoher Kommunikationsbedarf24.6   Erläutern, aber nicht verhandeln25   Personalabbau: Wenn schon, dann zumindest auf anständige Weise25.1   Teil des Integrationsprozesses25.2   Kein Durchsetzungs-, sondern ein Motivationsproblem25.3   Frühzeitige und offene Information25.4   Die bittere Wahrheit persönlich mitzuteilen, ist Chefsache25.5   Das gesamte Unternehmen und sein Umfeld sind betroffen25.6   Ein Trauerprozess und seine Bewältigung25.7   Kleine Gesten können das Klima verbessern25.8   Neuanfang nach dem Abbau26   Mitbestimmung: Interessenausgleich und Sozialplan bei Betriebsänderungen und Personalabbau26.1   Nachteile für die Beschäftigten werden vermutet26.2   Ist eine Post-Merger-Integration eine Betriebsänderung?26.3   Die Rechtsfolgen einer Betriebsänderung26.4   Information des Betriebsrats und Beratung26.5   Verhandeln von Interessenausgleich und Sozialplan26.6   Aufschiebende Wirkung des Interessenausgleichs27   Betriebsübergang: Ein Jahr Schonfrist – ab Erfüllung der gesetzlichen Informationspflicht27.1   Share Deal vs. Asset Deal27.2   Einjährige Besitzstandswahrung27.3   Gesetzliche Informationspflicht und Widerspruchsrecht27.4   Komplizierte Abwicklung28   Sprachbarrieren: Wenn Sie Englisch als Firmensprache einführen28.1   Die hohe Hürde, ausländisch zu reden28.2   Zu hohe Anforderungen an sich selbst28.3   Fatales Entgegenkommen28.4   Den Übergang managen29   Kulturelle Integration: Vier Wege, getrennte Kulturen zusammenzuführen29.1   Gegen strukturelle Konflikte hilft kein Teambuilding29.2   Erkenntnisse der psychologischen Forschung29.3   Integration durch eine herausfordernde Aufgabe29.4   Nicht Großzügigkeit, sondern Knappheit hilft integrieren29.5   Integrationsworkshops und Managementtagungen nutzen29.6   Indikatoren für eine erfolgreiche Integration29.7   Nutzung der Indikatoren für regelmäßige Standortbestimmung29.8   Aufnahme in Zielvereinbarungen, Beurteilungssysteme, Beförderungskriterien30   Aktive Kulturgestaltung: Weil Zusammenwachsen nicht genug ist30.1   Die Chance des Neubeginns nutzen30.2   Unterschiedliche Ausgangslagen und Ziele30.3   Culture Follows Strategy – Von der Strategie zur Kultur30.4   Die Sollkultur auf den Punkt bringen30.5   Im Management erarbeiten, nicht an Projektteam delegieren30.6   Vom Formulieren der Sollkultur zu deren Umsetzung30.7   Einflussfaktoren auf das Handeln von Mitarbeitern30.8   Der größte Brocken: Die Veränderung der Führungskultur30.9   Implementierung der Führungskultur31   Krisenmanagement: Wenn die Integration schiefläuft31.1   Wegschauen trägt zur Verschärfung bei31.2   Frühwarnsignale ernst nehmen!31.3   Überprüfung des Integrationskonzepts31.4   Die Dramaturgie der Krisenbewältigung31.5   Tiefe und verfestigte Krisen32   Auswertung des Integrationsprojekts (Lessons Learnt): Was haben wir erreicht, was gelernt?32.1   Einen kollektiven Lernprozess organisieren32.2   Die psychologische Hürde überwinden32.3   Durchweg positive Erfahrungen32.4   Ein Abgleich der Sichtweisen bringt Erkenntnisse und bewirkt Entlastung32.5   Option Zwischenbilanz32.6   Einer negativen Eigendynamik entgegenwirken32.7   Überlegte Strukturierung des Gesprächs32.8   „Erfolgsmessung“ der Fusion oder ÜbernahmeTeil V:Teilsystem Individuum – Integration-Management in eigener Sache33   Persönliche Überlebensstrategien: Tipps für Manager in einer Fusion oder Übernahme33.1   Verfügbare Vorbereitungszeit nutzen33.2   Familie und Freunde vorbereiten33.3   Klarheit über berufliche Alternativen verschaffen33.4   Redlicher Ansprechpartner Ihrer Mitarbeiter sein33.5   Mitarbeit in einem Integration-Team33.6   Aufgeschlossen und konstruktiv handeln33.7   Kulturelle Unverträglichkeiten33.8   Aufgeschlossen mit der anderen Kultur umgehen33.9   Das Chaos managen33.10   Auf Personalabbau gefasst sein33.11   Teamentwicklung trotz rauen Wetters33.12   Psychohygiene und Stressmanagement33.13   Bleiben oder Gehen?LiteraturZum AutorStichwortverzeichnis
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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

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© 2017 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht [email protected]

Umschlagentwurf: Goldener Westen, BerlinUmschlaggestaltung: Kienle gestaltet, StuttgartLektorat: Barbara Buchter, FreiburgSatz: kühn & weyh Software GmbH, Satz und Medien, Freiburg

September 2017

Schäffer-Poeschel Verlag StuttgartEin Tochterunternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt

Einleitung: Ganzheitliche Post-Merger-Integration –Die gestörten Systeme schnellstmöglich stabilisieren

„Eine Fusion oder Übernahme ist für die meisten Manager das größte Geschäft, das sie je in ihrem Leben machen – und es ist wohl das, worauf sie am schlechtesten vorbereitet sind“, schrieben meine Ex-Kollegen Neil Monnery und Art Peck in einer Broschüre der Boston Consulting Group mit dem programmatischen Titel The Work Begins After the Deal Is Closed[2].

Nach der Mitwirkung an mittlerweile rund 20 kleinen, mittleren und großen Fusionen und Übernahmen kann ich ihre Aussage nur unterstreichen. Bekanntlich zählen Fusionen und Übernahmen zu den Change-Vorhaben mit der höchsten Misserfolgsrate. Je nachdem, welchen Maßstab man anlegt, sind zwischen 50 und 80 Prozent davon nicht erfolgreich. Zwar sind explizite Scheidungen wie bei DaimlerChrysler oder BMW/Rover selten, doch längst nicht jede Übernahme oder Fusion erreicht die Synergieziele, um derentwillen sie veranstaltet wurde.

Andererseits gibt es auch Integrationsprofis, denen ihre Merger in aller Regel gelingen. Sie haben Erfolgsquoten von nahezu 100 Prozent. Es scheint also nicht allein in der Gewalt höherer Mächte zu liegen, ob eine Post-Merger-Integration (PMI) erfolgreich verläuft, es liegt auch und vor allem in den Händen des verantwortlichen Managements.

Die drei Erfolgsfaktoren der Integration

Drei Faktoren bestimmen dabei über den Erfolg: Erstens eine klare strategische Logik, denn Synergiepotenziale, die nicht existieren, lassen sich auch mit dem besten Integrationsprozess nicht realisieren. Wenn man im Vorfeld nicht genau genug hinschaut, Synergien zu oberflächlich schätzt oder sich in die Tasche rechnet, weil man die Akquisition unbedingt realisieren möchte, ist der Misserfolg garantiert. Selbst wenn die Integration gelingt, wird solch ein Merger seine ökonomischen Ziele verfehlen.[3]

Zweitens zählt die Schnelligkeit und Qualität der Integration. Denn Synergien errechnen ist eine Sache, sie realisieren eine ganz andere. Neil Monnery und Art Peck haben Recht mit ihrer Aussage, wonach der Großteil des wirtschaftlichen Wertes von Fusionen und Übernahmen in den ersten sechs Monaten gewonnen oder verloren wird. Spätestens nach einem halben oder dreiviertel Jahr ist das fusionierte Unternehmen entweder auf dem Weg zu einer neuen Normalität – oder in einem kaum noch entwirrbaren Schlamassel.

Abb. 1: Die drei Erfolgsfaktoren der Integration

Drittens kommt es darauf an, neben den zahllosen Sachfragen, die im Integrationsprozess analysiert, entschieden und umgesetzt werden müssen, die Kommunikation und den sozialen Prozess aktiv voranzutreiben. Denn im Gegensatz zu Maschinen und IT-Systemen nehmen Menschen emotional Anteil an dem, was mit ihnen und ihrem Unternehmen geschieht. Sie sind nervös, machen sich Sorgen, entwickeln Hoffnungen, reagieren enttäuscht, gekränkt, verärgert, bockig …

Wenn man Mitarbeiter und Führungskräfte, aber auch Kunden und Lieferanten zu lange im Unklaren lässt, nehmen viele – und nicht zuletzt die Besten! – ihr Schicksal kurzerhand selbst in die Hand und treffen ihre eigenen Entscheidungen. Wenn sie den Eindruck haben, soziopathischen Technokraten in die Hände gefallen zu sein, die sie wie Schachfiguren herumschieben, dann legen sie sich quer. Wenn sie befürchten, in ein feindseliges Umfeld geraten zu sein, schließen sie sich zu Wagenburgen zusammen.[4]

Das heißt, wenn es nicht gelingt, frühzeitig Ängste abzubauen und trotz aller unvermeidlicher Verwerfungen Vertrauen aufzubauen, dann nützen auch gute Fortschritte in der Sacharbeit nicht, um den gefürchteten Zusammenprall der Kulturen und einen Exodus der Leistungsträger zu verhindern. Deshalb ist die aktive Gestaltung des sozialen Prozesses – Kommunikation, Führung und kulturelle Integration – der dritte Schlüssel zu einer erfolgreichen Fusion oder Übernahme.

Wie sich der Zeitdruck aufbaut

Mehr als bei jedem anderen Change-Vorhaben läuft die Zeit bei einer Integration gegen die Verantwortlichen. Jeder Tag, der verstreicht, ohne dass Fortschritte bei der Zusammenführung erzielt wurden, ist nicht bloß ein verlorener Tag, sondern ein Rückschritt, der den Gesamterfolg in Gefahr bringt.

Wer es noch nie miterlebt hat, der kann sich kaum vorstellen, wie der Druck auf die Verantwortlichen nach ein paar Monaten wächst. In den ersten Wochen und Monaten sind alle darauf gefasst, dass eine Integration Zeit braucht: Die betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte stehen zwar unter Stress, aber fast allen ist klar, dass es eine Weile dauern wird, bis sie Klarheit über ihre Zukunft haben.

Auch Kunden und Lieferanten ahnen, dass die Zusammenarbeit zumindest für einige Zeit wohl nicht mehr so reibungslos laufen wird wie bisher, und treffen unter Umständen schon erste Vorkehrungen. Desgleichen sind die Eigentümer oder Aktionäre darauf eingerichtet, dass sich die versprochenen Synergieeffekte nicht gleich am ersten Tag einstellen werden.[5]

Doch je mehr Zeit verstreicht, desto nervöser werden alle Betroffenen, wenn sich keine spürbare Verbesserung der Situation abzeichnet: Mitarbeiter und Führungskräfte beginnen, über berufliche Alternativen nachzudenken, Kunden und Lieferanten machen einen Plan B, Eigentümer, Aktionäre und Analysten erhöhen den Druck auf das Management. Daraus kann sich schnell eine Eigendynamik entwickeln, in der der Jäger zum Gejagten wird: Man arbeitet mit Hochdruck und hat dennoch das Gefühl, jeden Tag weiter in Rückstand zu geraten, weil neue Baustellen schneller entstehen als man die alten abarbeiten kann.

Das Zeitfenster optimal nutzen

Deshalb müssen möglichst viele Weichenstellungen auf Anhieb sitzen: Soziale Systeme haben keine Reset-Taste, mit der man sie, wenn etwas misslungen ist, herunterfahren und neu starten kann. Die verbreitete Lehrmeinung, Manager sollten Entscheidungen möglichst schnell treffen, dann hätten sie genügend Zeit, falsche Entscheidungen zu korrigieren, ist gerade unter dem Zeitdruck einer Integration oberflächlich und gefährlich.

Zwar lassen sich Fehlentscheidungen in der Tat korrigieren und Versäumnisse nachholen, aber der ursprüngliche Zustand lässt sich damit meist nicht mehr herstellen: Jemanden, von dem man sich vorschnell getrennt hat, kann man kaum mehr zurückholen, und ein Kunde, der verärgert auf andere Lieferanten ausgewichen ist, kommt nicht so leicht zurück. Nachträgliche Korrekturen haben daher oft eher den Charakter einer Notreparatur als den einer im zweiten Anlauf richtigen Weichenstellung.[6]

Um das kurze Zeitfenster also optimal zu nutzen, muss man vorbereitet sein und einen Plan haben. Man muss wissen, was auf einen zukommt, wenn man für eine Integration verantwortlich ist. Wenn man damit noch keine Erfahrung hat, ist das aber beinahe unmöglich. Besonders unangenehm ist dabei, dass viele Dinge im Nachhinein leicht vorhersehbar erscheinen. Das ist ein gefundenes Fressen für Besserwisser und „postmortale Klugscheißerei“, hilft aber den Verantwortlichen wenig.

Ausgesprochen hilfreich sind dagegen Erfahrung, ein klarer Kopf und ein ausgeprägter Sinn für Prioritäten. Was die Erfahrung betrifft, muss es nicht zwangsläufig die eigene sein: Man kann auch aus der Erfahrung anderer eine Menge lernen. Das ist der Nutzen, den Ihnen dieses Buch bieten will. Den klaren Kopf und den ausgeprägten Sinn für Prioritäten müssen Sie dagegen selbst aufbringen – wobei es aber von großem Vorteil ist, wenn man weiß, worauf es wirklich ankommt. Beim Identifizieren der entscheidenden Hebel wird Ihnen dieses Buch helfen.

Aktiv und strukturiert Prioritäten setzen

Die richtigen Prioritäten zu setzen, ist unter dem Druck der Ereignisse nicht leicht: Wenn tausend Hände an einem zerren, tausend Themen auf Bearbeitung warten und tausend Entscheidungen getroffen werden müssen, ist es schwer, Ruhe zu bewahren, den Überblick zu behalten und nicht zum Getriebenen zu werden. Deshalb machen Sie sich klar: Gute Integrationsmanager unterscheiden sich von schlechten nicht dadurch, dass die guten alles bewältigen, was an sie herangetragen wird, sondern dadurch, dass sie das Richtige liegen lassen. Dagegen versuchen die schwachen, allen Anfragen und Forderungen gerecht zu werden, und bedienen vorrangig diejenigen, die am lautesten schreien.[7]

Eine klare Linie zu fahren, wird Ihnen nur gelingen, wenn Sie eine klare Linie haben. Dazu müssen Sie aktiv und in strukturierter Weise an die Sache herangehen und sich nicht mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, fremdbestimmen lassen.

Aber wie setzen Sie die Prioritäten richtig? Die Schlüssel dazu sind Vorausdenken, Planung und mentale Vorbereitung – nicht mit irgendwelchen Mentaltechniken, sondern einfach, indem Sie herausarbeiten und sich immer wieder bewusstmachen, worauf es in der jeweiligen Phase der Integration gerade vorrangig ankommt, was gerade die spielentscheidenden Weichenstellungen sind.

Dies herauszufinden, ist keine Geheimwissenschaft: Theoretisch kann man auf fast alles mit dem gesunden Menschenverstand kommen. Leider heißt das nicht automatisch, dass man unter dem Druck der Ereignisse rechtzeitig daran denkt. Deshalb ist es wichtig, sich im Vorfeld damit auseinandersetzen, was im Zuge einer Integration auf einen zukommt.

Zwar wird auch die beste Vorbereitung nicht verhindern, dass Sie die eine oder andere Überraschung erleben, aber sie kann Ihnen sehr wohl dabei helfen, auf wichtige Entwicklungen gefasst zu sein, klare Prioritäten zu setzen und entsprechend weniger Zeit und Nervenkraft zu brauchen, um unerwartete Herausforderungen zu durchdenken und richtig darauf zu reagieren.[8]

Bei dieser mentalen Vorbereitung, der richtigen Analyse der Lage und der Entwicklung eines tragfähigen Integrationskonzepts unterstützt Sie dieses Buch. Falls Sie noch wenig Integrationserfahrung haben, wird es Ihnen helfen, sich damit vertraut zu machen, was auf Sie zukommt oder zukommen könnte; falls Sie bereits einige einschlägige Erfahrungen besitzen, können Sie es nutzen, um Ihr Bild zu vervollständigen und Ihre Einschätzungen mit den meinen abzugleichen.

Was heißt „systemische“ Post-Merger-Integration?

Bei Fusionen und Übernahmen in Systemen zu denken und deren Wechselwirkungen zu untersuchen, ist keine unnötige akademische Verkomplizierung des Themas, es ist von erheblichem praktischem Nutzen. Denn ein zentraler Grund dafür, dass Integrationen so komplex sind und zuweilen auch tückische Überraschungen mit sich bringen, ist, dass hier verschiedene Systeme im Spiel sind, die aufeinander einwirken. Es ist nützlich, sie zu kennen und im Blick zu haben.

Eine Übernahme oder Fusion ist zunächst ein Ereignis des (mikro)ökonomischen Systems: Sie findet hauptsächlich (wenn auch nicht ausschließlich) aus ökonomischen Gründen statt und soll in erster Linie ökonomischen Zielen dienen – was vor allem heißt, sie soll Synergien realisieren (→ Kap. 3). Um damit erfolgreich zu sein, muss man die Regeln und Gesetzmäßigkeiten des (mikro)ökonomischen Systems verstehen und das Vorgehen bei der Integration daran ausrichten. Insofern ist es verständlich, wenn die allermeisten Abhandlungen über Post-Merger-Integration sich vorrangig mit dieser ökonomischen Perspektive befassen.[9]

Aber zugleich haben Fusionen und Übernahmen eben auch Auswirkungen auf eine Reihe anderer Systeme und erfahren Rückwirkungen von ihnen. Da ist zum ersten das makroökonomische System: Fusionen und Übernahmen finden ja in einer Wettbewerbslandschaft statt und nicht im luftleeren Raum – und in der Regel ist sogar ihr explizites Ziel, diese Wettbewerbslandschaft zum eigenen Vorteil zu verändern. Man darf davon ausgehen, dass dies den betroffenen Wettbewerbern nicht gleichgültig sein wird.

Dementsprechend gewagt ist es, das makroökonomische Umfeld zu ignorieren und stillschweigend davon auszugehen, dass die Wettbewerber passiv dabei zusehen werden, wie das fusionierende Unternehmen seine Integration vollzieht. Man sollte sich besser nicht darauf verlassen, dass sie die Zeit untätig verstreichen lassen, bis ihr fusionierender Konkurrent sich berappelt hat und ihnen mit neuer Stärke entgegentritt, dass sie nichts unternehmen, um ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit in der sich verändernden Landschaft zu stärken – ja, dass sie nicht auf die Idee kommen werden, dessen Phase der fusionsbedingten Selbstbeschäftigung dazu zu nutzen, um ihn gezielt anzugreifen, um ihm Kunden, Schlüssellieferanten und wertvolle Mitarbeiter abzujagen (→ Kap. 4).[10]

Auch die Kunden und Lieferanten zählen zum makroökonomischen System. Für sie ist die Fusion oder Übernahme eines wichtigen Lieferanten bzw. Kunden ebenfalls beunruhigend. Immerhin könnte sie eine Zäsur in den bisherigen Geschäftsbeziehungen nach sich ziehen – im schlimmsten Fall eine Beendigung der Zusammenarbeit oder eine empfindliche Verschlechterung der Konditionen. Je intensiver die bisherige Geschäftsbeziehung war, desto mehr Grund zur Sorge haben sie – und damit zum proaktiven Handeln. Umso erstaunlicher, dass diese Perspektive in vielen Lehrbüchern allenfalls am Rande gestreift wird.

Einfluss übt auch das juristische System aus – nicht nur, weil es die Rahmenbedingungen für die Transaktion setzt und die Gestaltungsmöglichkeiten für alle Beteiligten absteckt, bis hin zu der bei großen Fusionen und Übernahmen erforderlichen und oft ziemlich zeitraubenden Genehmigung der Kartellbehörden.

Auch für die Post-Merger-Integration selbst ist das Rechtssystem von Bedeutung, beginnend mit den – teils ziemlich ärgerlichen – Einschränkungen für die interne Kommunikation, die sich aus den strengen Regeln zum Insider-Trading ergeben (→ Kap. 22.1), bis hin zu den Bestimmungen zu Betriebsänderungen (→ Kap. 26) und Betriebsübergang (→ Kap. 27), welche zumindest für Merger gelten, für die deutsches Recht maßgeblich ist.

Erhebliche Turbulenzen lösen Fusionen und Übernahmen schließlich im sozialen System[11] aus – oder genauer, in den sozialen Systemen, denn es sind ja immer mindestens zwei Organisationen von einem Merger betroffen. Auch sie halten nicht still, bis die Integration vorüber ist, sondern entfalten ihre eigene Dynamik. Betriebsräte protestieren gegen den Merger und fordern ihre Mitbestimmungsrechte ein (→ Kap. 5.1), Führungskräfte haben plötzlich mehr Zeit für die Anrufe von Headhuntern (→ Kap. 4.6), die Beschäftigten aller Ebenen diskutieren sorgenvoll, was da auf sie zukommt, tauschen die jüngsten Gerüchte und Spekulationen aus und rücken vorsorglich enger zusammen (→ Kap. 11.1).

Die Folge ist eine ausgeprägte Innenorientierung, die das Tagesgeschäft beeinträchtigen kann, bei der aber vor allem die Aufmerksamkeit für Markt und Wettbewerb zu kurz kommt. Die Folge ist aber auch eine geradezu reflektorische Kontrastverstärkung (→ Kap. 10.4) und Lagerbildung (→ Kap. 11), die keinerlei bewusstes Kalkül erfordert, sich aber dennoch schnell zum schwersten Hindernis für die kulturelle Integration (→ Kap. 29) entwickeln kann.

Das strahlt auch auf die individuelle Ebene ab: Jeder Mitarbeiter und erst recht jede Führungskraft denkt darüber nach, was die Übernahme oder Fusion für sie und ihren weiteren Berufs- und Karriereweg bedeutet. Und es ist völlig natürlich, dass dabei die Ängste im Vordergrund stehen und nicht die Chancen (→ Kap. 6). Etliche Mitarbeiter – und nicht die schlechtesten! – ergehen sich nicht bloß in Ängsten und Befürchtungen, sondern nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und greifen zu, wenn ihnen ein anderer Job angeboten wird (→ Kap. 12). Was wiederum – im externen System – Headhunter anlockt, die wissen, dass sie in fusionierenden und übernommenen Unternehmen leichte Beute finden (→ Kap. 4.6)[12]

Die Systemdynamik zum Positiven beeinflussen

Einer der zentralen Gründe, weshalb viele Fusionen und Übernahmen scheitern, ist, dass die Verantwortlichen für die Integration ausschließlich oder überwiegend das mikroökonomische und allenfalls noch das juristische System im Blick haben und die von dem Merger ausgelösten Turbulenzen in den anderen Teilsystemen so lange ignorieren, bis es zu spät ist.

Deshalb legen wir in diesem Buch das Augenmerk ganz bewusst auf die oft übersehenen anderen beteiligten Systeme und ihre Wechselwirkungen (Meadows 2008). Dabei wollen wir nicht nur darstellen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen, sondern vor allem herausarbeiten, was Sie als Integrationsverantwortliche aktiv tun können, um diese Dynamik zum Positiven zu beeinflussen oder zumindest schädliche Wechselwirkungen einzudämmen. Wir werden dies tun, ohne allzu viel auf Begrifflichkeiten aus Systemtheorie und Systemdynamik herumzureiten. Denn man kann eine systemische Perspektive einnehmen, ohne in jedem zweiten Satz das Wort „systemisch“ zu verwenden.

Dabei geht es nicht um eine Umkehr der Perspektiven. Unser Ansatz ist nicht, die „weiche Seite“ der Post-Merger-Integration in den Mittelpunkt zu stellen und zu erläutern, wie man Fusionen und Übernahmen mit möglichst wenig Schmerzen und emotionaler Dramatik managen kann. Das ökonomische System ist und bleibt der Treiber: Wenn es primär um die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der sozialen Systeme ginge, wäre es das Beste, auf Fusionen und Übernahmen ganz einfach zu verzichten.[13]

Für eine erfolgreiche Post-Merger-Integration muss man die anderen betroffenen Systeme mit im Blick haben: Man muss abschätzen, wie sie reagieren werden, und man muss die eigene Vorgehensweise so ausrichten, dass man gestaltend mit der sozialen Dynamik innerhalb und außerhalb des Unternehmens umgeht, statt sie sich selbst zu überlassen – und ihr früher oder später zum Opfer zu fallen.

Wie Sie dieses Buch optimal nutzen

Dieses Buch besteht aus fünf Teilen – und die einfachste Form der Nutzung ist, dieser Struktur zu folgen. Sie können sich aber auch vom Inhaltsverzeichnis oder dem Register leiten lassen, um gezielt auf Themen zuzugreifen, zu denen Sie gerade Informationen suchen. Die einzelnen Kapitel sind so geschrieben, dass man sie jeweils auch für sich lesen kann.

Wenn Sie sich zuerst einen schnellen Überblick verschaffen wollen, beginnen Sie mit den Kästen „Wichtigste Ergebnisse und Schlussfolgerungen“, die am Ende eines jeden Kapitels stehen. Sie helfen Ihnen dabei, das „Big Picture“ im Blick zu behalten und sich immer wieder bewusst zu werden, was jeweils die spielentscheidenden Themen und Leitgedanken sind.

Falls Sie noch wenig Integrationserfahrung haben, empfehle ich Ihnen, das gesamte Buch zu lesen oder zumindest zu überfliegen. Denn gerade als Ungeübter erlebt man bei Integrationsprozessen die eine oder andere unliebsame Überraschung – und da wäre es ausgesprochen ärgerlich, wenn Sie erst im Nachhinein feststellen würden, dass genau diese Überraschung in einem der Kapitel beschrieben ist, die Sie überblättert haben.[14]

Im Teil I geht es um das ökonomische System. Hier bringen wir Licht in den englisch-deutschen Begriffswirrwarr, der sich rund um Fusionen, Übernahmen und Integrationsprozesse rankt. Anglizismen lassen sich im Bereich der „Mergers & Acquisitions“ nicht vermeiden, weil das ganze Themenfeld stark von den Sitten und Gebräuchen des angloamerikanischen Sprachraums geprägt ist – und dementsprechend auch seine Begriffe dort oft ihren Ursprung haben. Auch wenn Ihnen das „Denglisch“ ebenso auf die Nerven geht wie mir: Die zentralen Begriffe müssen Sie kennen und verstehen, um mitreden zu können (zumal eine Fachsprache ja immer auch dazu dient, die „Eingeweihten“ von den Laien abzuheben).

Weiter geht es im ersten Teil darum, weshalb die Erwartungen des Kapitalmarkts für die Integration insgesamt eine größere Rolle spielen, als Ihnen vielleicht bewusst ist, weshalb Synergieeffekte eine so zentrale Bedeutung haben und weshalb sich bei Fusionen und Übernahmen in aller Regel ein „Fenster der Verwundbarkeit” öffnet, das Sie im Interesse Ihres Unternehmens möglichst rasch und nachdrücklich schließen sollten.

In Teil II „Fusionen managen heißt Emotionen managen“ [15]geht es um die Logik der sozialen Systeme. Erhandelt von den emotionalen Turbulenzen, die eine Fusion oder Übernahme begleiten. Integrationsprozesse wären ja auch schon komplex genug, wenn die Leute nicht wären – sie sind aber da, fürchten um ihre Zukunft und sind entsprechend nervös und damit von ihren Aufgaben abgelenkt.

Mit anderen Worten, neben den ganzen fachlichen Aufgaben von IT-Integration bis Produktbereinigung besteht eine zentrale Aufgabe des Integrationsmanagements darin, den verunsicherten Mitarbeitern und Führungskräften möglichst rasch Klarheit über ihre Zukunft zu geben, ihnen unnötigen Stress zu ersparen sowie die Kulturen zu integrieren, damit das fusionierte Unternehmen so bald wie möglich wieder voll handlungsfähig ist. Dafür ist es nützlich, wenn man versteht, welche Emotionen ein Merger bei den Übernommenen wie auch bei den Übernehmern auslöst und auf welche typischen Verhaltensmuster man daher gefasst sein muss.

Zugleich sind auch Ihre Kunden und Lieferanten beunruhigt – und zwar umso mehr, je wichtiger Ihr Unternehmen für sie als Zulieferer oder Kunde ist. Das geht bis zu dem Stehimbiss gegenüber, dessen Inhaber sich angesichts der angekündigten Übernahme überlegt, ob er trotzdem in eine Renovierung oder Erweiterung investieren soll. Kritisch sind aber natürlich vor allem Schlüssellieferanten und Großkunden. Denn die werden nicht damit leben können und wollen, in der Luft zu hängen. Früher oder später – erfahrungsgemäß eher früher – machen sie ihren Plan B und gehen daran, ihn umzusetzen.[16]

In Teil III „Die gestörten Systeme stabilisieren“ geht es um die Weichenstellungen für eine erfolgreiche Integration, die im Vorfeld der eigentlichen Post-Merger-Integration getroffen werden müssen. Zentral ist dabei die Frage, wie Sie das fusionierende Unternehmen schnellstmöglich wieder arbeitsfähig bekommen. Denn Markt und Wettbewerb gewähren Ihnen keine Pause, bis Sie die Fusion oder Übernahme bewältigt haben.

Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Zusammenhang die Integrationstiefe. Dabei ist es wichtig, sich nicht selbst eine Falle zu stellen: Wenn man schon ein Unternehmen gekauft hat, neigt man gefühlsmäßig dazu, es auch vollständig zu integrieren. Doch es lohnt sich, sehr genau zu prüfen, ob eine vollständige Verschmelzung tatsächlich die beste Lösung ist.

Von zentraler Bedeutung ist weiter die Entscheidung über die Integrationsstrategie, das heißt die Frage, ob Sie das übernommene Unternehmen und seine Mitarbeiter einfach in Ihre Strukturen eingliedern oder ob Sie einen „Merger of Equals“ anstreben. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass die vielbeschworene Fusion unter Gleichen, obwohl sie in der Theorie so schön klingt, in der praktischen Durchführung allzu oft zum Alptraum wird.

Worauf wir in diesem Buch nicht eingehen, ist die ganze fachliche und technische Seite der Integration, von der Zusammenführung des Rechnungswesens und der IT über die Neustrukturierung des Vertriebs bis hin zu der Integration der Produktion, der Entwicklung und des Kundendienstes – und was immer noch für branchen- oder unternehmensspezifische Funktionen vorhanden und daher möglicherweise zu integrieren sind.[17]

Der Grund dafür ist natürlich nicht, dass dieser fachliche und technische Teil für den Integrationserfolg unerheblich wären – im Gegenteil: Wenn die Zusammenführung der Funktionen und Funktionsbereiche nicht gelingt, hilft auf lange Sicht auch die beste Kommunikation nichts. Dann bleibt das Unternehmen auf Dauer nur eingeschränkt handlungsfähig, und das verkraftet die Moral nicht lange, gleich wie empathisch und aufmerksam Sie den sozialen Prozess gestalten.

Aber diese fachlichen und technischen Fragen sind hochgradig branchen- und unternehmensspezifisch: Da kommt es in einer Bank oder Versicherung auf ganz andere Dinge an als in einem produzierenden Unternehmen oder im Dienstleistungsgewerbe. Zugleich sind diese Fragen in aller Regel zentraler Bestandteil der Akquisitionsstrategie, weil von hier ja die Synergien herrühren. Es ergäbe nicht viel Sinn, ein Unternehmen zu kaufen, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, was man damit machen möchte und wie man seine Funktionen mit denen des eigenen zusammenführen will, um Kosten- und Marktsynergien zu erzielen.

Teil IV „Integration-Management in der Praxis“ ist der umfangreichste Teil des Buchs. Er handelt davon, wie Sie konkret vorgehen und worauf sie achten sollten, um zwei bislang getrennte Unternehmen zusammenzuführen. Das beginnt damit, das Integrationsprojekt[18] sorgfältig vorzubereiten und es gut zu starten. Ein Schlüsselthema sind naturgemäß die Stellenbesetzungen, denn solange die Führungskräfte und Mitarbeiter nicht wissen, was aus ihnen wird und ob sie überhaupt einen Platz in der neuen Struktur haben, sind sie unweigerlich mehr mit sich selbst und der eigenen Zukunft beschäftigt als mit dem Tagesgeschäft.

Dabei muss auch die arbeitsrechtliche Seite bedacht und korrekt abgewickelt werden. Dafür muss unter anderem geklärt werden, ob die Integration, sofern sie unter deutsches Recht fällt, einen „Betriebsübergang” im Sinne des § 613a BGB darstellt. Da Fusionen und Übernahmen häufig mit Personalabbau verbunden sind, müssen in Deutschland die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes eingehalten werden, wenn man nicht viel Zeit, Energie und Vertrauen mit arbeitsrechtlichen Streitigkeiten verlieren will. Dazu zählt in aller Regel auch das Aushandeln eines Interessenausgleichs und Sozialplans mit dem Betriebsrat.

Generell ist gute Kommunikation ein Erfolgsgeheimnis erfolgreicher Integration. Das gilt nicht nur intern, sondern auch gegenüber Kunden und Lieferanten. Denn auch die brennen darauf zu erfahren, was die Fusion oder Übernahme für sie bedeutet. Und Sie können sich darauf verlassen, dass Ihre Wettbewerber ihr Möglichstes tun werden, um Gerüchte zu streuen und Ihnen alles abspenstig zu machen, was wertvoll ist und eigenständige Entscheidungen treffen kann – insbesondere Kunden und Schlüsselmitarbeiter.[19]

Sobald die Strukturfragen und Stellenbesetzungen einigermaßen unter Dach und Fach sind, stellt sich das Thema der kulturellen Integration. Aber wirklich erst dann, denn solange die Leute nicht wissen, wo ihr künftiger Platz ist bzw. ob sie überhaupt noch einen Job haben, ist an eine kulturelle Integration überhaupt nicht zu denken. Allerdings muss von Anfang an einer Lagerbildung ebenso vorgebeugt werden wie einer Ausgrenzung der neu hinzugekommenen Mitarbeiter und Führungskräfte. Denn sonst ist es eine Frage der Zeit, bis die Leistungsträger des übernommenen Unternehmens den Sirenengesängen der Headhunter erliegen und der Reihe nach abwandern.

Auch wenn Kultur-Workshops nützlich sein können, am besten gelingt die kulturelle Integration, wenn die Mitarbeiter und Führungskräfte beider Seiten zusammenarbeiten müssen, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen. Wenn es aus ihrer subjektiven Perspektive sinnvoller ist, zu kooperieren, als Grabenkriege zu führen, werden sie genau dies tun. Zentral ist daher, die Rahmenbedingungen des Handelns entsprechend zu gestalten. Deshalb trägt ein anspruchsvolles Ziel, für das der Einsatz aller Kräfte erforderlich ist, mehr zur Integration bei als langwierige Diskussionen über Werte oder die Erarbeitung von Leitbildern.

So wichtig die kulturelle Integration für den Erfolg eines Mergers ist, das strategische Potenzial der Unternehmenskultur ist damit noch nicht ausgereizt. Statt es einfach der Organisationsdynamik zu überlassen, welche neue Kultur sich im Laufe der Zeit herausbildet, liegt eine große Chance darin, sie durch eine aktive Kulturgestaltung[20] konsequent auf die künftige Unternehmensstrategie auszurichten.

Dummerweise läuft es auch bei Integrationen nicht immer so, wie man es sich gedacht hat – sei es, weil man Fehler gemacht oder Wichtiges übersehen hat oder auch nur, weil andere Mitspieler, die für die Integration mitverantwortlich sind, Entscheidungen treffen oder Spielzüge machen, die entweder von Anfang an fragwürdig sind oder sich im Nachhinein als falsch erweisen. Schneller als erwartet findet man sich dann in einer Situation wieder, in der die Integration schiefläuft. Es hilft wenig, heroisch zu beschließen, dass so etwa unter keinen Umständen vorkommen darf. Es kommt vor. Und dann hilft nur noch ein Krisenmanagement.

Hoffen wir, dass Sie das betreffende Kapitel nicht brauchen. Doch für den Fall, dass Sie es brauchen sollten, ist es da.

Gleich wie das Integrationsprojekt verlaufen ist, den Abschluss sollte eine gemeinsame Auswertung bilden. Eine „Lessons-Learnt“-Sitzung dient zum einen dazu, aus individuellen Erfahrungen ein gemeinsames Lernen zu machen – was besonders wichtig ist, wenn weitere Akquisitionen geplant sind, aber auch ansonsten von Nutzen ist. Zum anderen dient sie dazu, das Projekt sauber abzuschließen, was der Psychohygiene aller Beteiligten zuträglich ist, vor allem wenn dabei auch eine Würdigung der geleisteten Arbeit erfolgt und der Abschluss vielleicht im Rahmen eines gemeinsamen Abendessens gefeiert wird.[21]

Und schließlich ist eine Integration, auch wenn man fast alles richtig macht, eine gewaltige Menge an Arbeit und zudem eine erhebliche nervliche Belastung. Wer daran mitarbeitet, muss deshalb auch darauf achten, dass seine eigenen Bedürfnisse und sein Privatleben dabei nicht völlig unter die Räder kommen. Daher geht es im Teil V um das Teilsystem Individuum und das Integration-Management in eigener Sache. Da sich für die emotionale Verfassung der Integrationsverantwortlichen normalerweise niemand sonderlich interessiert, ist es ein legitimer Abschluss des Buchs, sich diesem Thema explizit zu widmen und persönliche Überlebensstrategien zu erörtern.

Teil I:

Die Logik des ökonomischen Systems – Mehrwert durch Zusammenschlüsse

Teil I:

Fusionen und Übernahmen finden in einem Wettbewerbsumfeld statt, und den Wettbewerbern kann es nicht gleichgültig sein, wenn sich zwei ihrer Konkurrenten zusammenschließen und dadurch zumindest potenziell deutlich an Stärke gewinnen. Sie müssen daher reagieren – und diese Reaktionen können unter Umständen erhebliche Rückwirkungen auf den Verlauf und den Erfolg der Integration haben. Denn während der Post-Merger-Integration ist ein Unternehmen verwundbarer als sonst, und dieses „Fenster der Verwundbarkeit“ gilt es schnellstmöglich wieder zu schließen.

Erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf und die Dynamik von Integrationen hat auch eine weitere externe Instanz, nämlich die Eigentümer bzw. der Kapitalmarkt. Beide beobachten den Fortgang der Integration aufmerksam und kritisch, und wenn ihnen nicht gefällt, was sie da sehen, setzen sie den Vorstand des fusionierenden Unternehmens unter Umständen massiv unter Druck, was wiederum in aller Regel nicht ohne Folgen für das gesamte Unternehmen und insbesondere für das Integrationsprojekt bleibt.[22]

Hier zeigt sich zum ersten Mal der praktische Nutzen der systemischen Perspektive: Wer nur auf das fusionierende Unternehmen selbst schaut, kann leicht zu falschen Schlussfolgerungen kommen. Um das optimale Vorgehen bei einer Integration zu bestimmen, ist es unerlässlich, die Wechselwirkungen mit den externen Teilsystemen „Eigentümer/Kapitalmarkt“, „Wettbewerber“ sowie „Kunden/Lieferanten“ zu verstehen.

Wir beginnen diesen Teil des Buches mit einer Klärung der Begriffe. Denn wie jedes Fachgebiet haben auch „Mergers & Acquisitions“ (Fusionen und Übernahmen) ihre eigene Fachsprache, und es ist notwendig, deren wichtigste Vokabeln zu beherrschen. Dabei geht es nicht nur darum, die Begriffe zu verstehen und richtig zu verwenden, sondern auch darum, ihren ökonomischen bzw. juristischen Hintergrund zu kennen.

Ein Schlüsselbegriff lautet Synergieeffekte. Ihm widmen wir ein eigenes Kapitel, weil sich bei Fusionen und Übernahmen letztlich alles um dieses Thema dreht.

1   Übernahme, Merger, Fusion, Akquisition, Takeover, Integration: Was sich hinter den Begriffen verbirgt

Ein verwirrender Begriffssalat umgibt den Zusammenschluss von Unternehmen: Fusion, Übernahme, Merger, Akquisition, Mergers & Acquisitions, Takeover, freundliche oder feindliche Übernahme, Signing, Closing, Share Deal und Asset Deal, Integration, Post-Merger-Integration. Doch das ganze Wortgeklingel ist eigentlich recht einfach zu verstehen. Bevor wir loslegen, wollen wir daher kurz die wichtigsten Begriffe erklären und ihre Zusammenhänge ordnen – und bei dieser Gelegenheit auch gleich ihren strategischen Hintergrund erläutern.[23]

1.1   Übernahme, Akquisition, Takeover

Eine Übernahme (engl. Acquisition oder Takeover) bzw. – von der Gegenseite aus betrachtet – ein Unternehmensverkauf liegt dann vor, wenn ein Unternehmen von einem anderen aufgekauft wird. Meist ist das übernehmende Unternehmen das größere, aber es gibt auch Übernahmen von gleich großen Unternehmen und sogar solche, in denen ein größeres Unternehmen von einem kleineren übernommen wird. Die Größenverhältnisse spielen nicht nur für die ökonomische Seite eine Rolle, sondern auch für den Integrationsprozess: Je größer der Brocken ist, desto leichter kann man sich daran nicht nur finanziell verschlucken, sondern auch bei der Integration.

Je nach Rechtsform und Eigentümerstruktur kann (bzw. muss) die Übernahme auf unterschiedliche Arten realisiert werden: Bei einem im Privatbesitz befindlichen Unternehmen müssen Käufer und Verkäufer lediglich den Kaufvertrag aushandeln und dann zum Notar gehen. Bei einem börsennotierten Unternehmen kann der Käufer durch Kauf oder Tausch Aktienpakete von Großaktionären übernehmen oder schrittweise Aktien, die sich im Streubesitz befinden, aufkaufen. Je nach Konstellation gibt es weitere Möglichkeiten.[24]

Für börsennotierte Unternehmen gelten dabei strenge Regeln – beispielsweise, dass sich Großaktionäre bei Überschreiten einer bestimmten prozentualen Schwelle offenbaren müssen oder dass Minderheitsaktionären, wenn ein neuer Eigentümer die unternehmerische Führung übernommen hat, ein Abfindungsangebot gemacht werden muss. Dies ist ein (im doppelten Wortsinne) reiches Betätigungsfeld für Juristen – und oftmals eine Quelle zusätzlicher Verunsicherung für die Belegschaften.

1.2   Aus Sicht der Mitarbeiter ist jede Übernahme feindlich

Als „freundlich“ gilt eine Übernahme, wenn der Vorstand des übernommenen Unternehmens mit dem Aufkauf einverstanden ist. Gründe dafür gibt es verschiedene. Zum Beispiel kann der Vorstand der Meinung sein, dass die Übernahme für die Eigentümer oder Aktionäre ein guter Deal ist, weil sie von dem Käufer für ihre Anteile mehr Geld bekommen, als sie es bei einer selbstständigen Weiterführung des Unternehmens realistischerweise erwarten könnten.1

Von einer „feindlichen Übernahme” (hostile takeover) spricht man, wenn das Top-Management des übernommenen Unternehmens bzw. dessen derzeitige Eigentümer die Übernahme ablehnen und sie zu verhindern suchen. In solchen Fällen finden oft alle möglichen Manöver statt, um den Angriff abzuwehren, bis hin zum Verkauf an einen anderen Käufer (den so genannten „Weißen Ritter“). Diese Aktionen müssen uns im Detail nicht interessieren, weil solche Schlachten eh bereits geschlagen sind, wenn es zu einer Post-Merger-Integration kommt.[25]

Aus Sicht der betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte macht dies keinen großen Unterschied. Für sie ist im Grunde jede Übernahme feindlich, weil sie nicht nur eine potenzielle Bedrohung ihrer Arbeitsplätze darstellt, sondern auch sonst in vielerlei anderer Hinsicht ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang ist. Aber auf ihre Sichtweise wird üblicherweise keine Rücksicht genommen.

Für den Integrationsprozess hat die Frage, ob die Übernahme freundlich oder feindlich war, weniger Auswirkungen, als man vermuten würde. An deren Bedrohlichkeit für die Mehrzahl der Beteiligten ändert das kaum etwas. Auch die Abstoßungsreaktionen des übernehmenden Unternehmens treten ebenso vorhersagbar in beiden Szenarien auf wie das Ringen um die Synergieeffekte und die Nöte der Stellenbesetzung.

Der einzige Unterschied ist, dass nach einer längeren „Abwehrschlacht“ die Stimmung in der Regel aufgeheizt ist. Das stellt vor allem in den ersten Wochen höhere Anforderungen an die Kommunikation und die Kommunikatoren. Aber die normative Kraft des Faktischen greift auch hier. Je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr gleicht sich der Verlauf feindlicher und freundlicher Übernahmen einander an.

Eine Fusion oder Verschmelzung (Merger) liegt dann vor, wenn sich zwei (oder mehr) Unternehmen zu einem neuen zusammenschließen. Das ist juristisch komplizierter als eine Übernahme, hat ihr gegenüber aber den Vorteil, dass dafür sehr viel weniger Kapital benötigt wird. Dazu kommt der psychologische Gewinn, dass keines der Unternehmen „geschluckt“ wurde und damit nach außen hin als der Verlierer dasteht. Die teils komplizierten rechtlichen Konstruktionen für Fusionen sind aber für das Management der Integration fast ohne Belang: Für die Mitarbeiter und Führungskräfte ist generell weniger die gewählte juristische Ausgestaltung von Bedeutung als das, was hinterher real mit ihnen und ihren Unternehmen geschieht.[26]

1.3   Rechtliche Hürden

Sowohl größere Übernahmen als auch Fusionen müssen durch die Kartellbehörden genehmigt werden, was nicht nur viel Zeit kosten, sondern auch einigen Einfluss auf das am Ende entstehende Gebilde haben kann. Denn um zu verhindern, dass das neue Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erwirbt, bestehen die Kartellbehörden oft auf den Verkauf von Unternehmensteilen, die strategisch großen Reiz gehabt hätten.

Was die Sache kompliziert macht, ist, dass bei internationalen Fusionen und Übernahmen oft eine Genehmigung auf mehreren Ebenen erforderlich ist: Dann kommen nicht nur deutsche, sondern auch europäische und amerikanische Kartellbehörden ins Spiel – und erhöhen die Komplexität mit unterschiedlichen Auflagen. Es kann sogar vorkommen, dass eine der Behörden ihr Veto einlegt, während andere vielleicht schon grünes Licht gegeben haben.

Sowohl Übernahmen als auch Fusionen können, sofern sie im Geltungsbereich deutschen Rechts stattfinden, einen Betriebsübergang[27] im Sinne des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) darstellen, der für die Dauer eines Jahres einen weitgehenden Besitzstandsschutz für die Arbeitnehmer garantiert (→ Kap. 27). Das ist immer dann der Fall, wenn es sich um einen sogenannten Asset Deal handelt, also um den Verkauf von rechtlich unselbstständigen Unternehmensteilen an einen neuen Eigentümer. Dazu zählt beispielsweise (meistens) der Verkauf eines Werks oder eines Geschäftsbereichs. Handelt es sich dagegen um einen sogenannten Share Deal, also um den Verkauf eines kompletten Unternehmens oder von rechtlich selbstständigen Anteilen daran, liegt kein Betriebsübergang vor2.

Für das Management der Integration ist diese juristische Unterscheidung in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Zum einen müssen bei einem Betriebsübergang eine Reihe rechtlicher Vorschriften peinlich beachtet werden, um später nicht in Teufels Küche zu kommen (→ Kap. 27.3). Zum anderen ist es im Falle eines Share Deals meistens so, dass der Käufer auch eine komplett funktionsfähige Infrastruktur übernimmt, während der gekaufte Unternehmensteil bei einem Asset Deal ab dem formalen Betriebsübergang möglicherweise von wesentlichen Teilen seiner bisherigen Infrastruktur abgeschnitten ist.

So nutzte beispielsweise eine verkaufte Fabrik bislang vermutlich die IT des Verkäufers und hat weder einen eigenen Einkauf oder eine Personalabteilung noch ein eigenes Rechnungswesen. Nach dem Eigentumswechsel ergibt es für den Verkäufer aber keinen Sinn mehr, dieses Werk weiter zu „ernähren“. Wer also nicht möchte, dass nach dem Stichtag die Bildschirme schwarz bleiben und bald danach auch die Supply Chain versiegt, muss einen Plan haben, wie er diesen Übergang nahtlos hinbekommt, und ihn zügig umsetzen.[28]

1.4   Der „heilige“ Stichtag des Closing

Die Notwendigkeit, diverse Genehmigungen einzuholen, ist einer der Gründe, weshalb zwischen dem Signing und dem Closing, das heißt dem Vertragsabschluss und dem offiziellen Inkrafttreten der Fusion oder Übernahme, oft erhebliche Zeiträume – mehrere Monate oder noch länger – liegen. Dahinter steht ein juristisches Prinzip, das viele Rechtssysteme kennen, obwohl es den wenigsten Laien bewusst ist, nämlich die Trennung von „Verpflichtungsgeschäft“ und „Verfügungsgeschäft“ oder, umgangssprachlich gesagt, einerseits dem Vertragsabschluss („Signing“), andererseits der Vertragserfüllung („Closing“).

Bei vielen Alltagsgeschäften fallen „Verpflichtung“ und „Erfüllung“ zusammen. Wenn wir uns in der Kantine ein Mittagessen kaufen oder beim Bäcker eine Brezel, dann wird der Vertrag im selben Moment erfüllt, in dem wir ihn abschließen: Der Verkäufer erfüllt, indem er uns die Brezel übergibt, wir, indem wir sie bezahlen. Wenn wir dagegen ein Haus oder ein Auto kaufen, bezahlen wir in der Regel nicht sofort bei Vertragsabschluss und können das Haus auch nicht sofort beziehen bzw. das Auto nicht sofort mitnehmen; vielmehr wird der Vertrag erst einige Wochen oder Monate nach seinem Abschluss erfüllt.[29]

Bei Fusionen und Übernahmen gilt die Besonderheit, dass vor dem Closing nicht mit dem Vollzug der Integration begonnen werden darf. Weder die Aufsichtsräte und Eigentümer noch die Kartellbehörden wären amüsiert, wenn vor ihrer Entscheidung bereits vollendete Tatsachen geschaffen würden. Beispielsweise dürfen sich die „verlobten“ Unternehmen noch keinen Einblick in die wechselseitigen Geschäftsgeheimnisse gewähren. Auch für Behörden, Öffentlichkeit und Kapitalmarkt muss transparent sein, wer zu welchem Zeitpunkt für das Unternehmen verantwortlich ist bzw. war. Und das bedeutet, dass Stichtage gewahrt werden müssen.

Wer also mit der Integration zu eilig vorprescht, kann erheblichen Ärger bekommen. Der Closing-Termin ist sakrosankt und strikt zu beachten – Ausnahmen bilden manchmal kleinere Privatunternehmen, wenn die Eigentümer sich einig sind. Nicht verboten ist es dagegen, schon vor dem Closing mit dem Denken zu beginnen.

Und das ist dringend zu empfehlen: Um auf den entscheidenden ersten Metern der Integration keine Zeit zu verlieren, kommt es darauf an, die Pre-Closing-Phase für eine detaillierte Planung des Vorgehens zu nutzen. Erfolgreiche Integratoren unterscheiden sich von weniger erfolgreichen nicht zuletzt dadurch, dass sie einen genauen Plan haben, was sie ab dem Tag des Closings tun wollen und werden (→ Kap. 14).

1.5   Der strategische Hintergrund

Prinzipiell kann man Unternehmen natürlich auch kaufen, ohne irgendeine Art von Integration vorzunehmen. Es handelt sich dann um eine reine Finanzanlage bzw. um eine Diversifizierung.[30] Solche Diversifikationen waren eine Zeit lang sehr angesagt, sind aber ziemlich aus der Mode gekommen, nachdem offensichtlich wurde, dass der Kapitalmarkt die Aktien von Mischkonzernen oder Konglomeraten nicht sehr vorteilhaft bewertet.

Der Grund dafür ist, dass ein Investor keine Mischkonzerne braucht, um diversifizieren zu können – dazu braucht er lediglich Aktien verschiedener Unternehmen zu kaufen. Ein diversifizierter Konzern entzieht dem Anleger Gestaltungsmöglichkeiten, weil er nur das Gesamtpaket kaufen kann – und dafür „bestraft“ ihn der Kapitalmarkt durch niedrigere Kurse. Auch das gängige Argument, dass ein diversifiziertes Unternehmen weniger anfällig für Kursschwankungen sei, beeindruckt den Kapitalmarkt nicht. Denn erstens gilt das nicht nur für Schwankungen nach unten, sondern auch für solche nach oben, und zweitens kann der Anleger denselben Effekt auch erzielen, indem er sich Aktien verschiedener Branchen kauft.

Um die Synergieeffekte (→ Kap. 3) zu erzielen, um derentwillen Fusionen und Übernahmen hauptsächlich durchgeführt werden, ist jedoch eine Zusammenführung erforderlich – entweder in Teilen oder als vollständige Verschmelzung. Dies möglichst schnell und möglichst reibungslos zu bewerkstelligen, ist Aufgabe der Post-Merger-Integration, eines der schwierigsten Spezialgebiete des Change Managements. Um sie geht es in diesem Buch.

Motive für Fusionen und Übernahmen
[31]

Was ist eigentlich der Grund dafür, dass es in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu so vielen Übernahmen und Fusionen kommt? Eine populäre Erklärung ist der „Größen-Wahn“, den Medien und Öffentlichkeit den betreffenden Vorständen unterstellen, oder gar die persönliche Gier nach Macht und Einkommen. Auch wenn es naiv wäre, solche Motive völlig auszuschließen, gibt es doch auch schwerwiegende ökonomische Gründe, die dafür sprechen (können), ein Unternehmen zuzukaufen oder sich mit einem Wettbewerber zusammenzuschließen.

Der wohl wichtigste Grund ist, dass in vielen Geschäftsfeldern (wenn auch nicht in allen!) das Volumen bzw. die hergestellten Stückzahlen eine entscheidende Rolle spielen. In vielen Branchen verdienen heute nur noch der Marktführer, der Zweitgrößte und allenfalls der Drittplatzierte, weil die „Platzhirsche“ erhebliche Kostenvorteile haben – von Entwicklung über Einkauf und Produktion bis hin zu Vertrieb und Service. Das sind die vielzitierten Economies of Scale (ins Deutsche zuweilen etwas farblos mit „Skaleneffekte“ übersetzt). Wenn man nun zufällig die Nummer 5 oder 6 in solch einem Markt ist, kann man entweder weinend nach Hause gehen, weil man das Spiel verloren hat, oder man muss es irgendwie schaffen, in die Spitzengruppe vorzudringen.

Dafür gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten, nämlich zum einen das sogenannte organische Wachstum über den stetigen Zugewinn von Marktanteilen, zum anderen die Übernahme eines Konkurrenten bzw. die Fusion mit ihm (wofür zuweilen der unsinnige Begriff des „anorganischen“ Wachstums verwendet wird3[32]). Das Problem dabei ist nur: Um aus sich heraus zu wachsen und Marktanteile zu gewinnen, muss man entweder die vorhandenen Wettbewerber im Preis unterbieten oder man muss attraktive Innovationen bieten.

Einen Preiskampf anzuzetteln, ist in aller Regel keine gute Idee, und zwar aus zwei Gründen: Erstens weil die Wettbewerber dabei fast unweigerlich nachziehen. Am Ende erreicht man damit statt eines höheren Marktanteils meist nur eine Senkung des Preisniveaus in der gesamten Branche und damit geringere Erträge für alle. Zweitens weil ein Preiskrieg diejenigen mit den höchsten Kosten am härtesten trifft – also in der Regel kleineren Wettbewerber, die geringere Stückzahlen und damit weniger „Skaleneffekte“ haben.

Echte Innovationen wiederum, derentwegen einem neue Kunden in Scharen zulaufen, sind in reifen Märkten dünn gesät. Auf ein Unternehmen Apple kommen Hunderte von Elektronikanbietern, die keine marktbewegenden Innovationen zu bieten haben – und selbst bei Apple sieht es so aus, als ob sie allmählich ihr Pulver verschossen hätten. Deshalb ist ein Wachstum in reifen Branchen im Grunde nur über Fusionen und Übernahmen möglich.

„Zukauf“ von Innovationen

Apropos Innovationen: Auch sie können ein guter Grund für Übernahmen sein. Man kann sie natürlich auch selbst entwickeln; da dabei aber immer eine Zufalls- bzw. Glückskomponente im Spiel ist, stellt man vielleicht irgendwann fest, dass man weniger neue Pfeile im Köcher hat, als man bräuchte oder gerne hätte. Falls es dann zufällig einen Wettbewerber gibt, der eine tolle Innovation besitzt, aber vielleicht nicht die Vertriebspower für ihre weltweite Vermarktung hat, dann kann es für beide Seiten ein gutes Geschäft sein, sich zusammenzutun bzw. den kleineren Wettbewerber zu übernehmen.[33]

Wenn sich beispielsweise ein Pharmaunternehmen eingestehen muss, dass seine eigene Forschung nicht genügend neue Medikamente in der Pipeline hat, um seine heutige Position im Markt zu behaupten, dann drängt es sich auf, nach geeigneten Übernahmekandidaten zu suchen. Erst recht gilt das in innovativen Geschäftsfeldern wie etwa der Biotechnologie: Statt hier von Null anzufangen oder verzweifelt zu hoffen, dass aus den eigenen Laboren doch noch der lange erhoffte Durchbruch kommt, kann es strategisch ausgesprochen klug sein, ein junges Biotech-Unternehmen zu übernehmen, das (fast) marktreife Produkte besitzt, aber nicht die erforderlichen Vermarktungskapazitäten.

In manchen Branchen ist diese Art von Arbeitsteilung – Produktion und Vertrieb durch die einen, Entwicklung marktreifer Produkte durch die anderen – sogar zum regelrechten Geschäftsmodell geworden. Bei Rohstoffen zum Beispiel gibt es die „Junior Miners“, die auf Exploration und Analyse spezialisiert sind, aber weder das Know-how noch die Ressourcen für den professionellen Abbau der Erze hätten. Stattdessen lassen sie sich samt ihrer vielversprechenden Fundstätte mit hohem Gewinn von den „Seniors“ aufkaufen, sobald ihr Potenzial klar genug erwiesen ist: ein riskantes, aber sehr gewinnträchtiges Geschäftsmodell.[34]

Doch es kann auch andere Gründe für eine solche Arbeitsteilung geben. Ein Beispiel dafür ist der Fall, bei dem ein Technologiekonzern erkannte, dass seine Kultur zwar sehr gut geeignet war, um innovative Ideen zur Marktreife zu entwickeln, nicht aber dafür, neue Ideen hervorzubringen und zu fördern. Denn in seiner kritisch-analytischen Kultur wurden viele zarte Pflänzchen zertreten, bevor ihre Potenziale überhaupt zu erkennen waren. Er hatte daher zwei Möglichkeiten: entweder zu versuchen, seine Kultur innovationsfreundlicher zu gestalten – mit dem Risiko, dabei deren große Stärke, nämlich das rigorose Hinterfragen, zu beschädigen –, oder er konnte die Schattenseite seiner Stärke akzeptieren und systematisch innovative Start-ups aufkaufen, statt die Ideen unbedingt selbst entwickeln zu wollen.

Allerdings stellt die Übernahme solcher Innovationsfirmen höchste Anforderungen an die Post-Merger-Integration. Auf keinen Fall darf man das zugekaufte Unternehmen einfach in das Korsett der bestehenden Regeln und Strukturen pressen – und Bestrebungen in dieser Richtung wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit geben („Die müssen auch mal lernen, sich an Regeln zu halten!“). Doch wenn man die Wissens- und Leistungsträger der übernommenen Firma verprellt und sie nach einigen Kämpfen schließlich abwandern, dann hat man den größten Nutzen der Akquisition verspielt. Hierin besteht der Unterschied zur Übernahme beispielsweise einer Mining-Firma, bei der man die gekaufte Lagerstätte auch ausbeuten kann, wenn sämtliche Mitarbeiter die Firma verlassen: Wenn bei einer Know-how-Firma die Leistungsträger gehen, hat man für teures Geld letztlich gebrauchte Büromöbel gekauft und vielleicht ein paar Laborgeräte.[35]

1.6   Nicht Rechenspiele bringen Synergien, nur die erfolgreiche Integration

Was den Trend zu Fusionen und Übernahmen zusätzlich beschleunigt, ist, dass sich viele Geschäftsfelder immer mehr internationalisieren oder gar globalisieren. Internet und Euro haben hier zusätzliche Schübe ausgelöst, aber der Trend besteht schon länger. Plötzlich genügt es zum Beispiel im Bankensektor nicht mehr, eine gute Position im heimischen Markt zu haben, sondern es geht um eine führende Position in Europa oder in der Welt.

So war die Fusion der österreichischen „Länderbank“ mit der „Z“, der Wiener Zentralsparkasse, zur Bank Austria noch eine rein innerösterreichische Angelegenheit. Die Fusion der Bank Austria (größte Bank in Österreich) mit der Creditanstalt (Nr. 2) erfolgte bereits mit Blick auf den europäischen Markt, doch über das fusionierte Unternehmen hieß es bald, es sei „für Österreich zu groß und für Europa zu klein“. Erst die Übernahme durch die HypoVereinsbank (HVB) – ihrerseits rein innerbayerisch aus der Fusion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank mit der Bayerischen Vereinsbank hervorgegangen – vollzog den Schritt hin zu einem ernsthaften Mitspieler im europäischen Markt. Dass damit immer noch nicht das letzte Wort gesprochen war, zeigte die Übernahme der HVB durch die italienische UniCredit – und ob damit das „Ende der Geschichte“ erreicht ist, wird die Zukunft zeigen. (Vielleicht geht man auch irgendwann wieder den umgekehrten Weg, weil Banken dieser Größe „too big to fail“ sind und damit ein hohes volkswirtschaftliches Risiko darstellen.)[36]

Vor einer ähnlichen Situation stehen viele mittelständische Unternehmen, die die Absicht haben oder die Notwendigkeit erkennen, internationale Märkte zu erschließen, aber auch jeder Großkonzern, der seine Marktposition auf einem anderen Kontinent ausbauen will oder muss. Da diese Märkte ja in der Regel bereits besetzt sind, würde ein Verdrängungswettbewerb Generationen dauern und die Gefahr eines Preiskriegs auslösen. Also heißen die Alternativen auch hier Fusion (DaimlerChrysler) oder Übernahme (Renault Nissan). Allerdings zeigt das erstgenannte Beispiel, dass trotz der theoretisch errechenbaren Synergien nicht alles fusionierbar ist, was sich ungefähr im selben Markt bewegt. Meist liegt der Grund dafür weniger in unüberbrückbaren kulturellen Unterschieden, die einer echten Verschmelzung im Wege stehen, als in der inkompatiblen Art und Weise, das Geschäft zu betreiben (→ Kap. 15.9).

Die eigentliche Herausforderung beginnt aber in all diesen Fällen erst nach der Unterschrift unter den Fusions- oder Übernahmevertrag. Denn das Aufrücken in die Klasse derer, die im jeweiligen Geschäftsfeld Geld verdienen, geschieht nicht durch die Addition der Bilanzen, sondern durch das reale Einspielen von Synergien – und vor die haben die Götter die Knochenarbeit der Integration gesetzt. So lange die Nummer 4 und die Nummer 5 zwar rechnerisch zur Nummer 2 aufgestiegen sind, aber die Synergien nicht wirklich gehoben haben, bleiben sie unabhängig von der neuen Rechtsform in Wirklichkeit Nummer 4 und 5 und verlieren Geld – vermutlich sogar mehr als vorher.[37]

Wichtigste Erkenntnisse und Schlussfolgerungen

Wie jedes Fachgebiet haben auch „Mergers & Acquisitions“ (Fusionen und Übernahmen) ihre eigene Fachsprache, und es ist nützlich, deren wichtigste Vokabeln zu beherrschen.

Die Motive für Fusionen und Übernahmen sind vielfältig. Neben dem vieldiskutierten „Größen-Wahn“ und dem persönlichen Ehrgeiz mancher Vorstände zählen dazu insbesondere Größenvorteile, strategische Ergänzungen und der Zukauf von Innovationen. Doch gleich was die Motive waren, nach dem Closing geht es nur noch darum, die Fusionsziele zu erreichen.

Die Unterscheidung von feindlicher und freundlicher Übernahme betrifft primär das Top-Management. Für die Mitarbeiter ist fast jede Übernahme feindlich, weil sie potenziell bedrohlich ist für ihre Arbeitsplätze, ihre Lebensgewohnheiten und ihr Zugehörigkeitsgefühl.

Synergieeffekte sind leichter errechnet als umgesetzt. Sie entstehen nicht durch den Zukauf, sondern erst durch die erfolgreiche Integration von Funktionen. Deshalb stehen sie in aller Regel im Zentrum des fachlichen Integrationsprozesses.[38]

Ein wichtiger Termin ist das „Closing“, das formale Inkrafttreten der Fusion oder Übernahme. Denn erst ab diesem Termin darf mit der tatsächlichen Integration begonnen werden.

Umso wichtiger ist, die Zeit vor dem Closing zur bestmöglichen Vorbereitung der fachlichen und kulturellen Integration zu nutzen, damit man einen durchdachten Plan hat und ab dem Tag des Closing schnell und zielstrebig agieren kann.

1Für die Vorstände persönlich ist es meist auch nicht von Nachteil, weil sie in ihren Verträgen in der Regel einen Passus haben, der ihnen im Falle eines Eigentümerwechsels ein außerordentliches Kündigungsrecht mit hohen Abfindungen einräumt.

2Juristisch liegt der Unterschied zwischen Share Deal und Asset Deal in der Frage, ob das Eigentum (oder auch nur die Mehrheit der Anteile) an einer vollständigen „juristischen Person“, also beispielsweise an einer AG oder GmbH, an den Käufer übergeht, oder ob rechtlich unselbstständige Unternehmensteile wie beispielsweise ein Werk verkauft werden. Ändern sich nur die Eigentumsverhältnisse an einer AG oder GmbH („Share Deal“), dann bleibt diese juristische Person trotzdem unverändert der Arbeitgeber der Beschäftigten, und infolgedessen gibt es auch keinen Betriebsübergang. Wird dagegen ein rechtlich unselbstständiger Unternehmensteil verkauft („Asset Deal“), wechselt der Arbeitgeber – und dementsprechend greifen dann die Regelungen zum Betriebsübergang.

3Unsinnig ist der Begriff „anorganisches“ Wachstum, weil er einen fehlerhaften Bezug zur Chemie herstellt. Dort gibt es in der Tat die Unterscheidung von organischer und anorganischer Chemie; dies hat jedoch nichts mit Wachstum zu tun, vielmehr steht „organisch“ für die Chemie der Kohlenstoffverbindungen (die mit Organismen zu tun hat), während „anorganisch“ die Nicht-Kohlenstoff-Chemie bezeichnet, also sich grob gesagt auf die Chemie der toten Materie bezieht. Die Metapher „organisches Wachstum“ ist nicht aus der Chemie entlehnt, sondern aus der Biologie; sie bedeutet so viel wie natürliches Wachstum oder ein Wachstum aus sich heraus. Einen wirklichen Gegenbegriff dazu gibt es nicht, wenn man aber trotzdem einen sucht, könnte man von additivem oder synthetischem Wachstum sprechen, also von einem Wachstum durch Zusammenschluss. (Das ist in der Biologie seltener, scheint aber in der Evolution durchaus auch eine Rolle gespielt zu haben, vergl. Dawkins 1976, 2006.)[39]

2   Kapitalmarkt: Weshalb die Integration unter Zeitdruck steht